Fachhochschule Burgenland
Department Gesundheit
Management im Gesundheitswesen
Optimierung der Primärversorgung in den
österreichischen Gemeinden, durch die
Implementierung von „Regionalen
Gesundheits- und Krankenpflegepersonen“-
am Beispiel Bezirk Gänserndorf.
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts in
Business
Management im Gesundheitswesen
Autorin: Stephanie Elisabeth Walla, BA
Personenkennzeichen: 1410269005
Betreuer: Dr. Thomas Czypionka
Datum: 27.07.2016
Fachhochschule Burgenland – Department Gesundheit
Steinamangerstraße 21 Tel.: 05/7705 E-Mail: [email protected]
7423 Pinkafeld Fax: 03357/45370-1010 Homepage: www.fh-burgenland.at
Department Gesundheit
I
EHRENWÖRTLICHE ERKLÄRUNG
Ich erkläre hiermit, dass ich die Masterarbeit selbständig verfasst habe. Die von mir
verwendeten Hilfsmittel habe ich angegeben, Zitate kenntlich gemacht.
Franzensdorf am, 27.07.2016
Ort, Datum Unterschrift
Department Gesundheit
II
KURZFASSUNG
Problemstellung: Der Begriff Primärversorgung umfasst eine Gesundheitsversorgung die für
Einzelpersonen und deren Familien in jeder Phase ihrer Entwicklung, eine kontinuierliche
Fürsorge auf Basis der individuellen Wünsche und Bedürfnisse gewährleistet. Der Fokus liegt
hier auch auf der ganzheitlichen systemischen Pflege und Betreuung eines Menschen, speziell
in seinem häuslichen Setting, auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit mit dem Akutbereich
und anderen medizinischen- therapeutischen Einrichtungen. Trotz zahlreicher internationaler
und nationaler Forderungen, konnte einer flächendeckenden Umsetzung dieses Konzeptes im
österreichischen Gesundheitssystem, noch nicht nachgekommen werden.
Methodik: Mittels Literaturrecherche erfolgte die Darstellung bestehender allgemeiner
Versorgungskonzepte, eine Erhebung der aktuellen Schwächen und
Schnittstellenproblematiken im österreichischen primären Gesundheitsversorgungsystem,
sowie eine Zusammenfassung internationaler „Primary Nursing“ beziehungsweise „Public
Health Nursing“ Konzepte. Sechs Expertinnen und Experten, partiell mit Erfahrungswerten im
primären Versorgungssektor, sowie aus dem operativen Gesundheitsversorgungssektor
wurden für die Beantwortung der gestellten Forschungsfragen, sowie für die
Ergebnisdarstellung herangezogen und im Rahmen qualitativer halb standardisierter
Interviews zu der Thematik befragt.
Ergebnisse: Die Ergebnisse dieser Arbeit stellen eine Vielzahl an Blickwinkeln hinsichtlich der
Schnittstellenproblematik und Schwächen bezogen auf die Primärversorgung dar.
Demgegenüber stehen zahlreiche europäische gut funktionierende pflegerische
Versorgungskonzepte auf Basis der Gesundheitsförderung und –beratung, sowie einer
Optimierung des Schnittstellenmanagements und einer Vernetzung der medizinisch-
therapeutischen Versorgungsebenen. Die vorliegende Arbeit erläutert mit Hilfe der Ergebnisse
aus der Empirie und Theorie, die mögliche Konzipierung, Implementierung und den daraus
resultierenden Nutzen einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson, auf Ebene
der österreichischen Primärversorgung.
Schlussfolgerung: Zahlreiche Konzipierungen durch die österreichische Bundesregierung,
die extramurale Versorgungsebene flächendeckend und langfristig zu optimieren, sind bisher
nicht schlüssig umgesetzt worden, was sich durch die weiterhin bestehenden in sich
geschlossenen Versorgungssysteme widerspiegelt. Durch die Implementierung einer
Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson (RGKpP) in Anlehnung an die
bestehenden europäischen Konzepte wie beispielsweise die „Community Nurse“, könnte eine
Department Gesundheit
III
dauerhafte Verbesserung der Versorgung im häuslichen Setting, sowie der
Schnittstellenproblematik herbeigeführt werden.
ABSTRACT
Description of problem: The term ‘primary care’ encompasses health care that provides for
continuous welfare on the basis of individual wishes and needs of individuals and their families
in all stages of their development. There is an additional focus on the holistic and systemic
care and support of an individual, especially in a domestic setting, also emphasising the
cooperation with acute and other medical and therapeutic institutions. Despite numerous
national and international demands, no comprehensive or nationwide implementation of this
concept in the Austrian health system could be attained.
Methodology: The description of current general care concepts, an inquiry into present
weaknesses and transition problems in the Austrian primary health care system and a
summary of international ‘Primary Nursing’ and ‘Public Health Nursing’ concepts respectively
were compiled following intensive literature research. Six experts, some of which having had
experience in the primary care sector and the operative health care sector, were asked to
answer research questions, used for the discussion of the results and questioned about the
issues in qualitative, semi-standardised interviews.
Results: The results of this thesis present a number of viewpoints on the transition problems
and weaknesses regarding primary care. In contrast to this, there are a multitude of efficiently
operating caregiving service concepts in Europe on the basis of health promotion and
counselling, the optimisation of transition management systems and the interconnection of
medical and therapeutic care levels. The thesis at hand discusses a possible
conceptualisation, implementation and the resulting benefit of a regional medical and health
care professional, i.e. nurse, in Austrian primary care with the help of theoretical and empirical
data.
Conclusion: Numerous conceptualisations of the Austrian federal government to optimise
extramural care on a long-term and area-wide basis have not been implemented successfully,
which is reflected by the still-existent self-contained care systems. By introducing the concept
of a regional medical and health care professional, i.e. nurse, similar to European systems that
are already in use, e.g. the ‘community nurse’, a permanent improvement of domestic health
care and transition problems could be achieved.
Department Gesundheit
IV
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
ACSC Ambulatory Care Sensitive Conditions
AEDL Aktivitäten und Essentielle Erfahrungen des täglichen
Lebens
AMS Arbeitsmarktservice
AschG ArbeitnehmerInnenschutzgesetz
BIQG Bundesinstitut für Qualitätssicherung im
Gesundheitswesen
BMASK Bundesministerium für Arbeit und Konsumentenschutz
BMG Bundesministerium für Gesundheit
BPGG Bundespflegegeldgesetz
B-VG Bundes Verfassungsgesetz
bzw. beziehungsweise
CCIV Competence Center integrierte Versorgung
CM Case Management
DMP Disease Management Programme
EM Entlassungsmanagement
EIGER Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche
GuKG Gesundheits- und Krankenpflegegesetz
G-ZG Gesundheits- Zielsteuerungsgesetz
IGSS Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel
IV Integrierte Versorgung
NHS National Health Service
ÖBIG Österreichisches Bundesinstitut für Gesundheitswesen
Department Gesundheit
V
PHC Primary Health Care Center
QSPG Qualitätssicherung Pflegegeld
RGKpP Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson
STGKK Steiermärkische Gebietskrankenkassa
SMART Spezifisch-Messbar-Akzeptiert-Realistisch- Terminiert
SVB Sozialversicherung der Bauern
WHO World Health Organisation
z.B. zum Beispiel
Department Gesundheit
VI
INHALTSVERZEICHNIS
1 EINLEITUNG ............................................................................... 1
1.1 Relevanz und Aktualität des Themas ................................................................... 5
1.2 Nutzen der Arbeit für die Praxis ........................................................................... 6
1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage........................................................................ 6
1.4 Methodik und Vorgehensweise ............................................................................ 7
2 BEGRIFFSERKLÄRUNG UND ABGRENZUNG ......................... 8
2.1 Definitionen ............................................................................................................ 8
2.1.1 Primärversorgung .................................................................................................... 8
2.1.2 Intra- und Extramurale Versorgung .........................................................................10
2.2 Allgemeine Versorgungskonzepte ......................................................................10
2.2.1 Integrierte Versorgung ............................................................................................11
2.2.2 Disease Management .............................................................................................12
2.2.3 Case Management .................................................................................................13
2.2.4 Care Management ..................................................................................................17
2.2.5 Entlassungsmanagement .......................................................................................18
3 SCHNITTSTELLENPROBLEMATIK IM ÖSTERREICHISCHEN
GESUNDHEITSWESEN ............................................................ 19
3.1 Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS) .........................................21
3.2 Strukturelle Schwächen aktueller Versorgung ...................................................21
3.3 Systemische Anforderungen ...............................................................................29
4 KONZEPTE DER „REGIONALEN GESUNHEITS UND
KRANKENPFLEGEPERSONEN“ (RGKPP) IM
INTERNATIONALEN VERGLEICH ........................................... 33
4.1 Public Health Nursing ..........................................................................................34
4.2 District Nurse in Großbritannien .........................................................................35
Department Gesundheit
VII
4.3 Buurtzorg- ein innovatives Modell aus den Niederlanden .................................36
4.4 Präventive Hausbesuche in Dänemark ...............................................................37
4.5 Projekt EIGER- Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche ..............39
4.6 „Rund ums Alter“ in Deutschland .......................................................................40
4.7 Gemeinsamkeiten der internationale Konzepte..................................................41
4.7.1 Die Begrifflichkeit RGKpP in Anlehnung an die Konzepte .......................................44
5 NUTZEN DER RGKPP AUS EXPERTEN UND
EXPERTINNENSICHT ............................................................... 45
5.1 Methodik ................................................................................................................45
5.2 Methodenbegründung ..........................................................................................45
5.2.1 Auswahl der Experten und Expertinnen ..................................................................46
5.2.2 Konstruktion der Interviewleitfäden .........................................................................47
5.2.3 Durchführung der Interviews ...................................................................................48
5.2.4 Auswertung der Interviews- Inhaltsanalyse nach Mayring .......................................49
5.2.5 Entwicklung des Kategorieschemas .......................................................................50
5.3 Ergebnisdarstellung der Experten- und Expertinneninterviews ......................50
5.3.1 Gesundheitspolitische Situation und Bedarfseinschätzung im Kontext der
Primärversorgung .................................................................................................................52
5.3.2 Pflege- und Betreuungssituation im häuslichen Setting ..........................................60
5.3.3 Schnitt- und Nahtstellenmanagement der verschiedenen Versorgungsebenen im
Österreichischen Gesundheitssystem ..................................................................................64
5.3.4 Vorteile internationaler Primärversorgungskonzepte ...............................................71
5.3.5 Umsetzung und Nutzen von RGKpP in den österreichischen Gemeinden ..............74
6 DARSTELLUNG DER UMSETZUNGSMÖGLICHKEIT EINER
RGKPP IN ÖSTERREICH AM BEISPIEL BEZIRK
GÄNSERNDORF ....................................................................... 82
6.1 Regionale Determinanten .....................................................................................82
6.1.1 Marktsegmentierung und Zielgruppe ......................................................................87
Department Gesundheit
VIII
6.2 Darstellung des Berufsbildes der RGKpP ...........................................................88
6.2.1 Aufgabenprofil ........................................................................................................90
6.3 Rechtlicher Hintergrund .......................................................................................92
6.4 Finanzierung .........................................................................................................92
7 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG UND
AUSBLICK ................................................................................. 93
7.1 Zusammenfassung ...............................................................................................93
7.2 Beantwortung der Forschungsfragen .................................................................95
7.3 Diskussion .......................................................................................................... 102
7.4 Schlussfolgerungen und Ausblick .................................................................... 103
8 VERZEICHNISSE .................................................................... 104
8.1 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 104
8.1.1 Literaturquellen ..................................................................................................... 104
8.1.2 Internetquellen ...................................................................................................... 107
8.1.3 Gesetzestexte ....................................................................................................... 112
8.2 Abbildungsverzeichnis ....................................................................................... 113
A ANHANG ................................................................................. 114
A.1 Einverständniserklärung zum Interview ................................................................... 114
A.2 Interviewleitfaden B1 ................................................................................................. 115
A.3 Interviewleitfaden B2 ................................................................................................. 116
A.4 Interviewleitfaden B3 ................................................................................................. 117
A.5 Interviewleitfaden B4 ................................................................................................. 118
A.6 Interviewleitfaden B5 ................................................................................................. 119
A.7 Interviewleitfaden B6 ................................................................................................. 120
A.8 Transkription Interview I ............................................................................................ 121
A.9 Transkription Interview II ........................................................................................... 128
Department Gesundheit
IX
A.10 Transkription Interview III ........................................................................................ 136
A.11 Transkription Interview IV ....................................................................................... 143
A.12 Transkription Interview V ....................................................................................... 151
A.13 Transkription Interview VI ....................................................................................... 160
Department Gesundheit
1
1 EINLEITUNG
Im Jahr 1978 hat die WHO in der Deklaration von Alma Ata festgelegt, was die primäre
Gesundheitsversorgung beinhalten sollte. Im Fokus stehen dabei immer die Gesundheit des
Menschen und seine Familie in ihrem häuslichen Setting (WHO, 1978, www).
Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2013, dem sogenannten Gesundheits-
Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) wurde durch den österreichischen Nationalrat im Mai 2013 ein
wesentlicher Schritt in der von der WHO geforderten Richtung gesetzt. Die sogenannte
Zielsteuerung Gesundheit hat laut § 2 dem Geltungsbereich „in struktureller und
organisatorischer Hinsicht alle intra- und extramuralen Bereiche des österreichischen
Gesundheitswesens sowie betroffene Nahtstellen zu umfassen.“
Das Gesetz deklariert im § 3 unteranderem neuartige Begrifflichkeiten die auch zu einer
Optimierung der Primärversorgung beitragen sollen. Wesentliche Inhalte sind hierbei unter
anderem der „Best Point of Service“- eine kurative Versorgung die jeweils zum richtigen
Zeitpunkt am richtigen Ort mit optimaler medizinischer und pflegerischer Qualität
gesamtwirtschaftlich möglichst kostengünstig erfolgen soll. Die „Integrierte Versorgung“- eine
patientenorientierte gemeinsame und abgestimmte sektorenübergreifende
Gesundheitsversorgung, welche auch eine Prozess- und Organisationsintegration umfasst.
„Interdisziplinäre Versorgungsmodelle“- welche die Zusammenarbeit von Ärztinnen/Ärzten
unterschiedlicher Fachbereiche sowie von nicht-ärztlichen Gesundheitsdiensteanbietern
(diplomiertes Pflegepersonal, Physiotherapeutinnen/Physiotherapeuten, usw.) fördern sollen,
sowie der Fokus auf „Public Health“, wobei die Schaffung von gesellschaftlichen Bedingungen,
Umweltbedingungen und Bedingungen einer bedarfsgerechten sowie effektiven und
effizienten gesundheitlichen Versorgung, wesentlich sind.
Im § 5 des Gesundheits- Zielsteuerungsgesetz werden klar die neuen Prinzipien, Ziele und
Handlungsfelder im österreichischen Gesundheitswesen definiert.
Es geht hervor, dass laut § 5 Abs. 1 Z. 1 die Gesundheitsförderung und Prävention forciert
werden muss, sowie laut Abs. 3 Z. 3 der Bereich der Primärversorgung („Primary Health Care“)
nach internationalem Vorbild auch im niedergelassenen Bereich zu stärken ist (RIS, 2013,
www).
Im österreichischen Gesundheitssytem gibt es verschiedene Konzeptionen die im Fokus einer
funktionierenden Primärversorgung stehen. Das Entwicklungspotential der Primärversorgung
in Österreich wurde vom Bundesministerium erkannt und die vorhandenen Ressourcen
genutzt und ausgebaut (BMG, o.J., www).
Department Gesundheit
2
Beispiele hierfür stellen die Integrierte Versorgung, oder das Disease Management Programm
„Therapie Aktiv“ dar.
Das Competence Center Integrierten Versorgung wurde von der österreichischen
Sozialversicherung vor dem Hintergrund und dem Ziel gegründet, patientenorientierte und
standardisierte Behandlungskonzepte zu entwickeln (CCIV, o.J., www). Deutschland hat die
integrierte Versorgung bereits als Leistungssektoren- und Fachübergreifende
Versorgungsdisziplin gesetzlich verankert (Mühlbacher& Ackerschott, 2007, S.20).
Das Konzept der Integrierten Versorgung hat seine Ausrichtung auf verschiedenen Ebenen
des Gesundheitssektors. Einerseits bei der Versorgung chronisch Kranker im Sinne der
Verbesserung des Nahstellenmanagements, andererseits bei der Vor- und Nachsorge in der
Akutversorgung (Amelung & Janus, 2005, S. 14- 16).
Ein weiteres Versorgungskonzept, im Sinne der Primärversorgung, sind die sogenannten
Disease Management Programme. DMP haben die Betreuung chronisch kranker Personen,
durch Früherkennung, Prävention und strukturierter Versorgung im zentralen Fokus. Das
größte in Österreich implementierte Disease Management Programm ist „Therapie Aktiv-
Diabetes im Griff“ welches in allen Bundesländern im niedergelassenen medizinischen
Versorgungsbereich implementiert wurde (STGKK, o.J., www).
Weitere Betreuungsformen im Sinne der Primärversorgung sind das Case- und
Caremanagement, sowie das Entlassungsmanagement als Schnittstellenkoordinator. Diese
Konzepte arbeiten im Sinnen der Ressourcenförderung und der Stärkung des Empowerment
eines betreuungsbedürftigen Menschen. Das in den USA entwickelte Case Management ist
ein Prozess der Zusammenarbeit mit dem Patienten, der Patientin, bei dem die optimalen
Gesundheitsdienstleistungen eingeschätzt, geplant, umgesetzt und koordiniert werden
(Ehlers, 2011, S. 14-17). Das Caremanagement hingegen fokussiert sich nicht auf die
Betreuung einer Einzelperson, sondern hat seinen Schwerpunkt in der Betreuung von
homogenen Patientengruppen (ebd., 2011, S. 18). Das Entlassungsmanagement soll den
Übergang von der stationären Pflege, in die häusliche Betreuung organisieren und
unterstützen. Um die Kontinuität der Behandlung und Betreuung durch einen nahtlosen
Übergang sicherzustellen, muss ein umfassendes, frühzeitig einsetzendes, sektorenüber-
greifenden Versorgungsmanagement gewährleistet werden (BMG, 2016, www).
Ein Großteil dieser Konzepte hat die Optimierung von Versorgungsabläufen im Fokus.
Wesentlich bei der Primärversorgung ist jedoch auch die Versorgung im häuslichen Sektor.
Department Gesundheit
3
Florence Nightingale (1820-1910), Begründerin der modernen westlichen Krankenpflege,
sowie Pionierin im Sanitätswesen der Gesundheitsfürsorge in Großbritannien, machte zum
Thema „Public Heath Nursing” bereits folgende prägende Aussagen: „ A District Nurse must
be of a higher class and have fuller training than a hospital nurse, because she has no hospital
appliances at hand at all; and because she has to make notes of the case for the doctor, who
has no one but her to report to him. She is his staff of clinical clerks, dressers and nurse. (…)
A District Nurse must “nurse the room” as well as the patient and teach the family to nurse the
room. (…)” (1878, zitiert nach Montaeiro, 1985, S.184).
Was Florence Nightingale hier bereits im 19. Jahrhundert beschrieben hat, ist ein Tätigkeitsfeld
der Gesundheits- und Krankenpflege welches zwar in zahlreichen nord- und
westeuropäischen Ländern wie beispielsweise in Großbritannien, Niederlanden, der Schweiz
oder in den skandinavischen Ländern, unter anderem Dänemark gelebt wird, jedoch in
Österreich in dieser Form noch nicht etabliert ist. Die sogenannte „District Nurse“ wie
Nightingale sie sinngemäß erläutert, hat ihren Schwerpunkt im niedergelassenen,
extramuralen Bereich. Anders als bei der in Österreich wirkenden Hauskrankenpflege, hat die
„District Nurse“ oder auch „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ (RGKpP)1
ihren Fokus nicht nur auf die pflegerische Versorgung kranker Menschen, sondern auch auf
die Gesundheitsförderung und Prävention, sowie die Förderung des Empowerment
hilfsbedürftiger Personen, ebenso wie deren Angehörigen im häuslichen Setting. Dies stellt
wiederum einen wesentlichen Schwerpunkt der Prinzipien, Ziele und Handlungsfelder des
Gesundheits Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) dar (RIS, 2013, www).
Gemäß § 16 Abs.3 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), ist die
Gesundheitsförderung im Rahmen des interdisziplinären Tätigkeitsbereich, sogar ein
wesentlicher Bestandteil des Aufgabengebietes der Angehörigen des gehobenen Dienstes für
Gesundheits- und Krankenpflege.
1 Der Terminus „RGKpP – Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ ist eine zum Zwecke
dieser Arbeit verwendete Begrifflichkeit und stellt somit keine gängige, literaturgestützte Begrifflichkeit
für „Public Health Nurse“ oder „District Nurse“ dar.
Department Gesundheit
4
„(3) Der interdisziplinäre Tätigkeitsbereich umfasst insbesondere:
1. Wirkung bei Maßnahmen zur Verhütung von Krankheiten und Unfällen sowie zur
Erhaltung und Förderung der Gesundheit,
2. Vorbereitung der Patienten oder pflegebedürftigen Menschen und ihrer Angehörigen auf die Entlassung aus einer Krankenanstalt oder Einrichtung, die der Betreuung pflegebedürftiger Menschen dient, und Hilfestellung bei der Weiterbetreuung,
3. Gesundheitsberatung und
4. Beratung und Sorge für die Betreuung während und nach einer physischen oder
psychischen Erkrankung (RIS, 2016, www).“
Die aktuelle Versorgungsstruktur in Österreich hat den gehobenen Dienst der Gesundheits-
und Krankenpflege in der Betreuung hilfsbedürftiger kranker Menschen, sowohl im
intramuralen als auch im extramuralen Bereich gut integriert und dieser zählt zu den
wichtigsten Bestandteilen des Systems.
Laut GuKG §16 Abs. 3 ist die Gesundheitsförderung und –beratung in bestimmten Settings
ein nicht unerheblicher und wichtiger Bestandteil des Berufsbildes einer diplomierten
Gesundheits- und Krankenpflegeperson. (ebd., www) Diese Funktionen, als
Gesundheitsförderer und Gesundheitsförderinnen beziehungsweise Berater und
Beraterinnen, auch im Sinne der Angehörigenberatung fehlen trotz gesetzlicher Verankerung
unter anderem im G-ZG, als eigenständiges Aufgabengebiet in der Primärversorgung in
Österreich.
Eine weitere Problematik beim Thema Optimierung der Primärversorgung, liegt im Bereich des
Schnitt- und Nahtstellenmanagements, sowie der mangelnden Kommunikation und
Vernetzung der einzelnen Dienstleister auf den horizontalen und vertikalen
Versorgungsebenen. Das Versorgungsystem stellt für den Laien oft eine schwer
durchschaubare Vielfalt an Angeboten dar. Kur und Rehabilitation, Prävention und auch die
Palliativversorgung, in verschiedenen Formen der stationären-, teilstationären-, ambulanter,
Kurzzeit-, 24 Stunden- oder Tagespflege. Neben dem Angebot der Pflege an sich, gibt es
verschiedene Formen der sozialen Unterstützung, Selbsthilfegruppen und ehrenamtlich Helfer
(Ehlers, 2011, S.76). Auch die Palette an Hilfsmitteln und Medizinprodukten ist breit gefächert
und für den Laien oft unüberschaubar. Die finanziellen Aufwendungen, welche durch Pflege-
und Betreuungskosten entstehen, sind für Betroffene oft unvorhersehbar und alleine nicht
Department Gesundheit
5
tragbar. Ebenso wie der administrative Aufwand bei der Organisation von Anträgen und
Förderungen.
1.1 Relevanz und Aktualität des Themas
Die gesellschaftliche Bedeutung der Familienpflege ist enorm: 80% der pflegebedürftigen in
Österreich, werden informell durch Angehörige im häuslichen Umfeld gepflegt (Seidl, 2006,
S.12). Die Familien und Laienpflege ist daher ein unverzichtbarer Bestandteil des
Pflegesystems und der Pflegevorsorge in Österreich, über deren Organisation und
Finanzierung jedoch keine gesammelten Daten vorliegen, und somit das Ausmaß und die
Kosten der informellen Pflege kaum bekannt sind. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa
zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an „Kosten“ für die informelle Pflege anfallen, wenn die von
den unbezahlten Betreuungskräften eingesetzte Zeit mit fiktiven Löhnen bewertet werden.
Die Differenz zwischen Pflegegeldbeziehern und der Anzahl an tatsächlich pflegebedürftigen
Menschen in Österreich lässt jedoch eine weitaus höhere Zahl an Personen die durch
Angehörige betreut werden, vermuten (ÖBIG, 2005, S.I). Mit der Einführung des Pflegegeldes
in Österreich wurde erstmals in Europa eine Maßnahme gesetzt, die es ermöglicht,
aufkommende Kosten, die durch die Betreuung pflegebedürftiger Menschen zu Hause
entstehen, zu decken und dadurch die betreuenden Angehörigen zu entlasten. Die prinzipiell
freie Verfügbarkeit über das Pflegegeld erlaubt es bedürftigen Personen, auch von ihren
Angehörigen oder einer anderen privaten Person, wie es die 24- Stunden- Pflege darstellt,
Betreuungsleistungen „zuzukaufen“. Innerfamiliäre Betreuungskapazitäten sind, aufgrund
verschiedener soziodemographischer Verschiebungen tendenziell seit Jahren im Abnehmen
(vgl. ÖBIG, 2005, S.11).
Hinzu kommt die Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität, sowie vielfältige
gesellschaftliche Entwicklungsprozesse die sich im Zuge des demografischen Wandels
ergeben, zu strukturellen und ökonomischen Entwicklungen führen, die eine Umstrukturierung
des Anforderungsprofils der Pflege unabdingbar machen. In der Literatur ist einstimmig zu
erkennen, dass nicht nur den Bereichen Gesundheitsförderung und Beratung auch in Bezug
auf pflegende Angehörige zukünftig mehr Bedeutung zugesprochen werden sollte, sondern
auch dem Bedarf an Koordination und Steuerung zwischen den Schnittstellen im Rahmen des
Case Managements. Dies führt nicht nur zur Erweiterung des bisherigen Aufgabenfeldes des
gehobenen Dienstes der Gesundheits- und Krankenpflege in Österreich, im speziellen im
Sektor der Primärversorgung, sondern bietet auch die Chance, dass sich neue innovative
Department Gesundheit
6
Handlungsfelder im Sinne einer Schnittstelle zu Public Health erschließen (Schmitt, 2011, S.
21).
1.2 Nutzen der Arbeit für die Praxis
Im Primären Versorgungsystem zahlreicher europäischer Länder haben sich bereits
verschiedenste Ausprägungen von „Public Health Nursing“ implementiert. Die „District Nurse“
in Großbritannien, die „Community Nurses“ in den Niederlanden oder Schweden, oder die
„Gemeindekrankenschwester in Deutschland“ um nur einige Beispiele zu nennen. Allen voran
stehen als Hauptaufgabe die präventiven Besuche durch eine diplomierte Gesundheits- und
Krankenpflegeperson im häuslichen Setting. Die Ziele der verschiedenen Modelle decken sich
mit den bestehenden systemischen Schwächen und Anforderungen in der Primärversorgung,
die sich durch den bereits erwähnten demographischen Wandel und der damit
einhergehenden Multimorbidität, sowie einer Verschiebung des Anspruches an das
Gesundheitssystems ergeben.
Der Fokus liegt hier vor allem bei der Optimierung der extramuralen Versorgung, der
Förderung des Schnittstellenmanagements, sowie einer Förderung des Empowerment der
Familienpflege, sowie das der älteren Gesellschaft um langfristig eine Kostenreduktion im
Langzeitpflegebereich herbeizuführen.
Durch die Erhebung der aktuellen strukturellen Schwächen in der österreichischen
Primärversorgung, auch im Hinblick auf das Schnittmanagement, wird im Rahmen dieser
Arbeit komplementär dazu durch Theorie und Empirie versucht das Berufskonzept einer
Community Nurse, einer „Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ für die
Gemeindeversorgung am Beispiel des Bezirkes Gänserndorf zu erstellen, sowie den Nutzen
auf der Micro-, Meso- und Makroebene zu belegen und dadurch wiederum den Weg für eine
Implementierung in der Praxis zu ebnen.
1.3 Zielsetzung und Forschungsfrage
Ziel der Arbeit ist es, die Schwächen und die Schnittstellenproblematik in der
Primärversorgung im österreichischen Gesundheitswesen aufzuzeigen, sowie darzustellen
inwiefern die positiven Facetten einer „Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson-
(RGKpP)“ in Anlehnung an die „Community Nurses“ für die ländliche österreichische
Versorgungsstruktur, zur Problemlösung beitragen können.
Department Gesundheit
7
Daraus und aus der oben beschriebenen Problemstellung ergeben sich folgende
Forschungsfragen
- Welche strukturellen Schwächen bestehen hinsichtlich der Schnittstellenproblematik
im österreichischen primären Versorgungssystem?
- Wie könnte das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson
(RGKpP) zur Optimierung der Primärversorgung in den österreichischen Gemeinden
gestaltet sein?
- Welchen Nutzen hat die Implementierung von regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen (RGKpP) aus vergleichender Sicht mit bestehenden
internationalen Konzepten, sowie aus Expertensicht, für die österreichische
Primärversorgung.
1.4 Methodik und Vorgehensweise
Als Forschungsdesign werden neben einer Literaturrecherche für die Hinführung zur Thematik,
für die Beantwortung der Forschungsfragen, qualitative halb standardisierte Interviews
gewählt. Interviewteilnehmer sind je zwei Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus der Experten/
Expertinnen- Operativen– und Betroffenenebene. Als Richtlinie für die Interviews dient ein
eigens erstellter Interviewleitfaden.
Die Auswertung der Daten erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Ziel
der gewählten Methodik ist es, durch die breit gefächerte Wahl an Interviewteilnehmer/-
Teilnehmerinnen einen 360 Grad Blick auf die Thematik „Schnittstellenproblematik“,
„Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von regionalen Gesundheits-
und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in die Erstellung des
Berufskonzeptes einfließen zu lassen.
Department Gesundheit
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2 BEGRIFFSERKLÄRUNG UND ABGRENZUNG
2.1 Definitionen
In den folgenden Kapiteln werden die Begriffe „Primärversorgung“, „intra- und extramurale
Versorgung“, sowie verschiedener Versorgungskonzepte näher erläutert. Zur besseren
Verständlichkeit der Thematik werden als Einstieg die wichtigste Begrifflichkeiten dieser
Thesis erklärt und definiert.
2.1.1 Primärversorgung
Die Definition von Primärversorgung, welche den Hauptfokus dieser Arbeit widerspiegelt, ist
jene der WHO-Deklaration von Alma Ata Nr. IV (1978), welche besagt, dass
„Unter primärer Gesundheitsversorgung eine grundlegende Gesundheitsversorgung zu
verstehen ist, die auf praktischen, wissenschaftlich fundierten und sozial akzeptablen
Methoden und Technologien basiert und die für Einzelpersonen und Familien in der
Gesellschaft durch deren vollständige Beteiligung im Geiste von Eigenverantwortung
und Selbstbestimmung zu für die Gesellschaft und das Land in jeder Phase ihrer
Entwicklung bezahlbaren Kosten flächendeckend bereitgestellt wird. Sie bildet einen
integralen Bestandteil sowohl im Gesundheitssystem eines Landes, (…). Sie ist die
erste Ebene, auf der Einzelpersonen, Familien und die Gemeinschaft in Kontakt mit
dem nationalen Gesundheitssystem treten, so dass die Gesundheitsversorgung so
nahe wie möglich an Wohnort und Arbeitsplatz der Menschen gerückt wird, und stellt
das erste Element eines kontinuierlichen Prozesses der Gesundheitsversorgung dar“
(WHO, 1978,www).
Laut § 3 Abs. 7 des Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) wird unter der
„Primärversorgung (Primary Health Care): Die allgemeine und direkt zugängliche erste
Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Problemen im Sinne einer umfassenden
Grundversorgung verstanden. Sie soll den Versorgungsprozess koordinieren und
gewährleistet ganzheitliche und kontinuierliche Betreuung. Sie berücksichtigt auch
gesellschaftliche Bedingungen“ (RIS, 2013, www).
Department Gesundheit
9
Auch das österreichische Bundesministerium für Gesundheit, hat sich zum Ziel gesetzt die
Primärversorgung im Gesundheitswesen zu optimieren. „Mit der Primärversorgung Neu soll
die bestehende Form der Primärversorgung durch Hausärztinnen und Hausärzte
weiterentwickelt werden. Durch das Zusammenwirken von Ärztinnen und Ärzten und
den verschiedenen anderen Gesundheitsberufen soll sie im Vergleich zur heutigen
Situation in einer organisatorisch gestärkten Form umfassende Funktionen
übernehmen können. So soll sie als stark versorgungswirksame erste, leicht und
jederzeit zugängliche Kontaktstelle für alle Menschen mit gesundheitlichen Anliegen
und Problemen zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sollen neben ärztlicher Versorgung
auch therapeutische Angebote oder Angebote der Gesundheitsförderung zur
Verfügung stehen“ (BMG, o.J., www).
Eines der wesentlichen Ziele in der Umsetzung der Gesundheitsreform, ist die Schaffung
neuer Strukturen der Primärversorgung. Der Fokus liegt dabei zukünftig
Versorgungsstrukturen im niedergelassenen Bereich anzubieten, die den veränderten
Bedürfnissen der Patienten und Patientinnen besser entsprechen. Zwei in Wien etablierte
Pilotprojekte, sogenannte „Primary Health Care Center (PHC)“ haben als Hauptaufgabe, ein
bedarfsorientierten Service im niedergelassenen Bereich in Form von bedarfsgerechten
Öffnungszeiten vor allem in den Tagesrandzeiten und an den Wochenenden anzubieten.
Gleichzeitig sollen damit aber auch Steuerungseffekte erzielt werden, um die viel teureren
Spitalsambulanzen endlich zu entlasten. Beide Pilotprojekte kümmern sich insbesondere um
die kontinuierliche Versorgung von chronisch kranken, multimorbiden und geriatrischen
Patienten und Patientinnen (Weilguni, 2015, www).
Ein Beispiel für einen Gesundheitsberuf wie vom BMG beschrieben, welcher durch das
Zusammenwirken mit den Hausärzten und Hausärztinnen eine vorsorgewirksame
Kontaktstelle darstellen könnte sind, wie sie auch in internationalen Primären
Versorgungskonzepten Anwendung finden (s. Kapitel 4), sogenannte „Community Nurse“ oder
auch „Gemeindekrankenschwestern“. Diese Berufsgruppen bestehen aus professionellen
Pflegefachkräften die als Schnittstelle zwischen dem Intra- und Extramuralen
Versorgungsbereich agieren.
Department Gesundheit
10
2.1.2 Intra- und Extramurale Versorgung
Der Intramurale Bereich (lateinische intra- „innen/ hinein“ und murus- „Mauer“ (Duden, o.J.,
www)) bezieht sich auf die stationäre Versorgung innerhalb einer Krankenanstalt, oder
anderen Gesundheits- oder Betreuungseinrichtung. Gemäß Art. 10- 15 des B-VG ist der
Großteil der Bereiche des Gesundheitswesens primär auf Bundesebene geregelt wird. Dies
gilt allerdings nicht für den intramuralen Bereich (stationäre und ambulante Versorgung
innerhalb einer Gesundheitseinrichtung). Hier legt der der Bund zwar die Gesetzte fest, die
Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung obliegt jedoch den Bundesländern.
Extramurale, ambulante, soziale oder mobile Dienste auch „offene Betreuung“ genannt,
umfassen neben pflegerischer Betreuung auch medizinische Tätigkeiten, wie die Versorgung
durch niedergelassene Ärzte und Ärztinnen (Schaffenberger & Pochobradsky, 2004, S.6).
Die sogenannten „Ambulanten Dienste“ stellen nach Ertl & Krater (2002) ein Synonym für
extramurale Dienste oder mobile Dienste dar und sind Pflege- und Betreuungsangebote, die
es Klienten und Klientinnen ermöglichen, im eignen Wohnbereich ihre Selbsthilfepotentiale zu
fördern, zu ergänzen und zu ersetzten (S.28). Hier ist im wesentlichen die Sozialversicherung
für die Organisation und Finanzierung verantwortlich.
Generell bilden auf Bundesebene das Sozialversicherungsrecht und die Gesetze auf Basis
der Finanzausgleichsverhandlungen sowie der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG zwischen
Bund und Ländern den Regulierungsrahmen für die Bereitstellung und die Finanzierung von
Sozial- und Gesundheitsleistungen. Seit 2008 umfasst die die Gesundheitsplanung in
Österreich neben dem stationären Sektor, sowohl den Bereich der Rehabilitation, aber auch
den ambulanten Sektor und den Pflegebereich, soweit dieser im Rahmen des
Schnittstellenmanagements für die Gesundheitsversorgung von Bedeutung ist
(Hofmarcher,2013, S. 29).
2.2 Allgemeine Versorgungskonzepte
Im folgenden Unterkapitel werden verschiedene Versorgungsformen und Konzepte welche im
Zusammenhang mit der Thematik dieser Arbeit stehen, erläutert. Dem demographischen
Wandel, als auch der Entwicklung von Public Health in den letzten Jahrzenten ist es zu
verdanken, dass verschiedene Versorgungsmodelle auch in der Österreichischen
Primärversorgung entwickelt wurden. Die Entwicklung dieser Konzepte beruht auf dem
Streben nach Effizienz und Effektivität, denn die Versorgung im Gesundheitssystem kann
letztlich nicht mehr nur auf der Ebene der Krankenversorgung basieren. Soziale, politische und
Department Gesundheit
11
gesellschaftliche Aspekte müssen ebenso berücksichtigt werden, wie auch der individuelle
Gesundheitszustand. Die nachstehenden Konzepte bieten einen Einblick in die derzeitige
österreichische primäre Versorgungsstruktur, deren konkrete Umsetzung und Anwendung
findet in Österreich nur mit geringfügigem Ausmaß und Erfolg statt.
2.2.1 Integrierte Versorgung
Laut dem Competence Center der Integrierten Versorgung (CCIV) bietet Die internationale
Fachliteratur ein breites Spektrum an Definitionen zu dem Begriff der integrierten Versorgung.
Alle beinhalten jedoch den Grundaspekt des Versorgungsansatzes. Das CCIV versteht unter
der integrierten Versorgung (IV) eine patientenorientierte,
kontinuierliche, sektorenübergreifende, interdisziplinäre und nach standardisierten
Behandlungskonzepten ausgerichtete Versorgung (CCIV, o.J., www).
Auf Grundlage der im Gesundheitswesen zu bewältigenden Herausforderungen, wie die
veränderte Altersstruktur, die Zunahme chronischer Erkrankungen und Mehrfach-
erkrankungen sowie Über-, Unter- und Fehlversorgung – müssen laut Aussage des CCIV
Abgrenzungen zwischen den einzelnen Sektoren überwunden werden. Hinzu kommt, dass mit
begrenzten Mitteln das bestmögliche Ergebnis in der medizinischen Versorgung erzielt werden
soll. Im Jahr 2006 wurde des Competence Center Integrierte Versorgung von der
österreichischen Sozialversicherung mit dem Primären Ziel gegründet, sich auf dem Gebiet
der integrierten Versorgung als Nahtstelle zwischen Versicherten, Vertragspartnern,
Sozialversicherungsträgern und Gebietskörperschaften zu etablieren, um als zentraler
Ansprechpartner auf dem Gebiet der integrierten Versorgung zu fungieren (ebd., o.J., www).
In Deutschland wurde die integrierte Versorgung bereits gesetzlich verankert. Mühlbacher &
Ackerschott (2007) definieren die integrierte Versorgung nach den gesetzlichen
Bestimmungen wie folgt: „Die Integrierte Versorgung ist nach §140a Abs. 1 SGB V „eine
verschiedene Leistungssektoren Übergreifende [...], oder eine interdisziplinär-
fachübergreifende Versorgung“ der Versicherten. Der Gesetzgeber sieht vor, dass sich
niedergelassene Ärzte, Kliniken, ambulante und stationäre
Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken und andere Leistungserbringer in
Versorgungsnetzwerken organisieren. Es wird also die Integration verschiedener
Leistungssektoren (z.B. ambulant und stationär) oder die Kooperation von
unterschiedlichen Fachgruppen (z.B. Hausärzten und Fachärzten) gewünscht“ (S. 20).
Laut Amelung und Janus (2005, S. 21) zielt Integrierte Versorgung darauf ab, „vor- und
nachgelagerte Bereiche wie z.B. Prävention und Rehabilitation in die Versorgungskette zu
Department Gesundheit
12
integrieren und auf diese Weise eine Versorgung „ohne Nahtstellen“ zu ermöglichen. Diese
Sichtweise impliziert, dass langfristig und über Sektorengrenzen hinweg geplant, investiert und
koordiniert wird.“
Bei der integrierten Versorgung wird hier zwischen Produkt- und Institutionsintegration
unterschieden. Unter Produktintegration wird dabei die Indiktionsversorgung, sprich die
Versorgung bei (chronischen) Erkrankungen verstanden. Eine Ausrichtung hierbei sind die
sogenannten Disease Management Programme (s. Kapitel 2.2.2) deren Ziel die Optimierung
der Kommunikations- und Kooperationsabläufe auf verschiedenen Leistungsebenen darstellt.
Eine weitere Perspektive stellen die Komplexfallpauschalen dar, welche einen wirtschaftlich
optimierten Leistungskomplex darstellen. Bei größeren operativen Eingriffen sind im Sinne
der Versorgung und Nachsorge zahlreiche Einzelschritte nötig, welche zu einem Schnittstellen
übergreifenden Leistungs- bzw. Versorgungsprozess und im Sinne einer
Wertschöpfungskettenoptimierung zusammengefasst werden können.
Die Indikationsversorgung beschreibt hingegen den Patientenfluss beziehungsweise die
sogenannte Patienten- und Patientinnenkarriere auf einerseits horizontaler Ebene, das heißt
auf ebener ähnlicher Organisationen in einem System und andererseits auf vertikaler
Versorgungsebene, sprich die Einbeziehung von vor bzw. nachgelagerten Dienstleistungen,
mit dem Ziel die Wertschöpfungskette zu komplettieren und einen kontinuierlichen
Patientenfluss sicherzustellen (Amelung und Janus, S.14-16).
2.2.2 Disease Management
Im Rahmen der in Kapitel 2.2.1 beschriebenen Integrierten Versorgung wird laut Egger (2011,
S.4) zwischen indikations- oder populationsbezogenen Ansätzen beziehungsweise laut
Amelung und Janus (2005, S.14) zwischen Produkt- und Institutionsintegration unterschieden.
Indikationsbezogenen Modelle, oder wie in der Definition von Amelung und Janus die
Produktintegration, sind auf die Versorgung von Patienten und Patientinnen mit einer
bestimmten Erkrankungen abgestimmt. Der Fokus von Disease Management Programmen,
der bekanntesten Form indikationsbezogener Versorgungsformen und der Produktintegration,
liegt darin Behandlungsabläufe über die Nahtstellen hinaus und über einen längeren Zeitraum,
für chronisch Kranke Personen zu strukturieren. Klar definierte Behandlungsleitlinien sollen
dabei die Beeinträchtigung, welche durch chronische Erkrankungen verursacht werden
reduzieren und den Allgemeinzustand der Patienten und Patientinnen verbessern.
Ein Disease Management Programm soll weiters Patienten und Patientinnen die unter
chronischen Krankheiten leiden, durch Früherkennung, Prävention, strukturierte Versorgung
Department Gesundheit
13
und Behandlung vor Folgeschäden weitgehend bewahren. Wichtiges Element ist die
Patienten- und Patientinneneinbindung und –Schulung (STGKK, www).
Das bekannteste Beispiel für ein Disease Management Programm in Österreich, ist das
sogenannte „Therapie Aktiv- Diabetes im Griff“. Es ist das erste und zum jetzigen Stand auch
das einzige strukturierte Betreuungsprogramm für Österreicher und Österreicherinnen mit
Diabetes Mellitus Typ 2. Das Programm hat zum Ziel für Menschen mit diesem chronischen
Erkrankungsbild eine regelmäßige medizinische Betreuung und Kontrolle zu gewährleisten.
Durch die Bereitstellung eines einheitlichen Dokumentationsbogens, sollen die Ärzte und
Ärztinnen einen optimalen Überblick über den individuellen Krankheitsverlauf ihrer Patienten
und Patientinnen haben (Pongratz, Hofer, Langsenlehner, Mayer & Sauermann 2016, S.2).
Laut Pongratz, Langsenlehner, Hofer & Mayer (2016, S. 5) bildet das Kernstück des Disease
Management Programms, die Vereinbarung von Therapiezielen zwischen dem „Therapie
Aktiv“-Arzt und Ärztin sowie –Patient und Patientin (bzw. auch gemeinsam mit Angehörigen)
mittels „Therapie Aktiv“-Zielvereinbarung oder dem Diabetespass. Die individuelle Situation
der Patienten und Patientinnen spielt dabei ebenso eine Rolle wie die Entscheidung des
Patienten oder der Patientin, dieses Therapieziel mitzutragen. Es gilt, die Risikoeinschätzung
mit der Lebenssituation und -planung der Betroffenen abzugleichen und danach gemeinsam
Ziele zu formulieren. Die Kernelemente von „Therapie Aktiv“ bilden das Patienten- und
Patientinnenempowerment, sowie Schulungen zum Selbstmanagement und Fortbildungen um
die diabetesspezifischen Kenntnisse laufend zu erweitern. Auch das Qualitäts-,
Organisations-, und Datenmanagement spielen eine Rolle wobei wie bereits beschrieben, der
Dokumentationspass und einheitliche Checklisten wesentlich sind. Der Fokus liegt ebenso auf
den laufenden medizinischen und ökonomischen Evaluationen der gesetzten Interventionen
und Behandlungspfade, die als Entscheidungshilfe für Abweichungen von evidenzbasierten
Behandlungspfaden dienen können (ebd., S. 2-3).
2.2.3 Case Management
Ein Beispiel für das im Kapitel 2.2.2 erwähnte populationsbezogene Modell, welches sich der
Versorgung von Patienten- und Patientinnengruppen eines bestimmten Setting, oder
regionalen Kriterien widmet, ist das sogenannte Case Management (CM) (Eger, 2011, S.4).
Der vor über 30 Jahren in den USA entstandene und auch in Europa durchgesetzte Begriff
des „Case Management“ bezieht sich auf den „Case“- Fall, Sache oder Angelegenheit und
übernimmt die Verknüpfungsaufgabe zwischen den Anbietern von Diensten und Klienten und
Klientinnen in ihren sozialen und gesundheitlichen belangen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 67-69).
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14
Einen Aufschwung erlebte das Case Management in den 90er-Jahren durch die Verbreitung
des sogenannten „Managed Care“ (übersetzt: „gelenkte Versorgung“) im Gründungsland
USA (Wendt, 2015, S. 27). Wendt (2015, zitiert nach Baumberger, 1996) definieren Managed
Care als „einen Prozess, um den Nutzen der Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung im
Rahmen der zur Verfügung stehenden beschränkten Mittel zu maximieren. (…) Die erbrachten
Dienstleistungen werden auf der Ebene des Falls überwacht, um sie ständig zu verbessern
und die staatlichen Zielvorgaben für die öffentliche Gesundheit ebenso wie den individuellen
Bedarf an Gesundheitsversorgung zu erreichen.“
Anders als in den USA mit verschiedensten Förderprogrammen, kam es in Großbritannien zur
Einführung der „Community Care“ als gemeinnütziges Versorgungssystem mit dem
Instrument des Case Management. Im Jahr 1988 definierte die Britische Regierung in einem
„White Paper“ das Konzept der Community Care als „lokale Bereitstellung der Dienste und der
Unterstützung, welche Menschen mit Problemen des Alters (…) benötigen, um fähig zu sein,
weitgehend unabhängig in ihrer eignen Wohnung oder vergleichbaren Wohnformen leben zu
können“ (ebd., 2015, S.21).
Laut Ertl & Kratzer (2010 S. 67-69) ist es mithilfe des Case Management möglich
psychosoziale und medizinisch- pflegerische Dienste, sowie bestimmte Personen oder
Zielgruppen zu koordinieren. Die Unterstützung für die betroffene Zielgruppe liegt in der
Hilfestellung der Auswahl und Inanspruchnahme der vielfältigen Angebote des
Gesundheitssystems. Das heißt, im Case Management erhält eine einzelne Person mit ihren
individuellen Bedürfnissen die unmittelbare organisatorische Unterstützung.
Müller & Haider (2008, S. 80) definieren Case Management weiters als eine auf den Einzelfall
ausgerichtete Methode zur Förderung des Behandlungserfolges, sowie der Patienten- und
Patientinnenorientierung und der Partizipation im Sinne des Empowerment. Im Fokus steht
immer der akute Handlungsbedarf eines Individuum „Case“, in einer abgegrenzten Zeitspanne
der Krankengeschichte des Patienten bzw. der Patientin und ist zumeist von einem hohen
Versorgungsaufwand gekennzeichnet. Ziel ist laut Müller & Haider (ebd.) auch die Optimierung
von Leistungserbringung- und Finanzierung durch eine einheitliche Fallbearbeitung und
bedient sich hierfür einer standardisierten Vorgehensweise mittels eines Regelkreises. (s.
Abbildung 1)
Department Gesundheit
15
Abbildung 1: Case Management Regelkreis, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Moxley, D. (1989, S.18)
In der Literatur gibt es verschiedene Darstellungsarten des CM Regelkreis. Ehlers (2011, S.
31) beispielsweise hat in ihrer Darstellung des Prozessablaufes vor dem Assessment noch
den Schritt der Klärungsphase implementiert und die Phasen der Umsetzung sowie des
Monitoring in einer Phase zusammengefasst. Wendt (2015, S. 129) stellt die Phasen des Case
Management idem wie oben dargestellt von Moxley D. dar.
- In der Phase des Assessment geht es primär um die Einschätzung und
Bedarfsklärung des Einzelfalles. Handelt es sich bei der betroffenen Personen um
einen „Case“, geht es im ersten Schritt darum den individuellen Versorgungsbedarf zu
erheben. Zu berücksichtigen sind dabei Defizite in Hinblick auf sozialer-,
wirtschaftlicher-, medizinischer-, sowie pflegerischer Ebene. In der Pflege können auch
Modelle zur Erfassung der Pflegebedürftigkeit, das sogenannte AEDL – „Aktivitäten
Assessment
(Erhebung des Versorgungsbedarf)
Planung
(individulle Bedarfsplanung unter Berücksichtigung d.
regionalen Versorgungsbedarf)
Umsetzung/ Intervention
(Organisation der Leistungen)
Beobachtung/ Monitoring
(Begleitung/ Überwachung/ ggf.
Änderung der Maßnahme)
Evaluierung( Fremd- und
Selbstbewertung nach Betreuungsende des Case Management)
Department Gesundheit
16
und existentielle Erfahrungen des Lebens“ Modell von Krohwinkel 1992
weiterentwickelt, bei der Bedarfserhebung eine wesentliche Rolle spielen (Wendt,
2015, 142ff). Ehlers (2011, S.39-40) fügt hinzu, dass auch die Bedürfnisse,
Erwartungen, Probleme und Fähigkeiten des Individuum berücksichtigt werden
müssen. Außerdem muss die Falleinschätzung das soziale Umfeld mit berücksichtigt
werden. Für die Datensammlung werden meist standardisierte Erhebungsinstrumente
verwendet.
- In der Phase der Zielvereinbarung und Hilfeplanung wird mit Hilfe der aus dem
Assessment gezogenen Informationen, gemeinsam mit dem Klienten bzw. der Klientin
Zielsetzungen, auch zur Erhöhung des Verständnis und der Akzeptanz der weiteren
Schritte, ein Versorgungsplan zur Verbesserung gegebener Defizite erstellt.
Wesentlich sind dabei die Berücksichtigung des regionalen Versorgungsangebotes,
sowie die Einbindung des Kunden sowie dessen soziales Umfeld (Wendt, 2015, S.
154ff).
Ehlers (2011, S. 54) spricht bei der Zielsetzung von Kurz- und Langfristigen Zielen,
sowie von unterschiedlichen Zielebenen. Es wird zwischen den für den Klienten und
die Klientin motivierenden „Globalzielen“, die seinen Visionen und Vorstellungen, den
„Rahmenzielen“, die sich aus den Einzelschritten der Globalziele ableiten und den
„Handlungszielen“ die nach den „SMART-Kriterien“ formuliert und vom Case Manager/
der Case Managerin mitgesteuert werden, unterschieden.
- Der nächste Schritt des oben dargestellten CM Regelkreises, ist die wesentliche Phase
der kontrollierten Umsetzung/ Intervention. Der Case Manager oder die Case
Managerin hat hier die Aufgabe bei der Organisation des geplanten Hilfe- und
Versorgungsbedarfs unterstützend Tätig zu sein.
- Im Monitoring geht es um eine kurz- und mittelfristige Beobachtung der veranlassten
Maßnahmen. Wichtig ist hier die Überprüfung des Case Managers bzw. der Case
Managerin ob die Leistungen so erbracht werden, wie sie gemeinsam geplant wurden
und zur Erfüllung der Zielsetzung beitragen. Eine Adaptierung des Versorgungsplanes
ist in dieser Phase möglich (ebd., 2015, S. 160ff).
- Am Ende jedes CM- Prozesses steht die Reflexion und Fremd-, sowie Selbstbewertung
des Verlaufes. Die Evaluation beinhaltet einerseits die Auswertung des Verlauf der im
Rahmen des CM Prozesses festgelegten und auch erbrachten Leistungen, als auch
die beobachteten Veränderungen im Hilfebedarf während des gesamten Verlaufes.
Auch die Kommunikation zwischen Case Manager bzw. Case Managerin und den
Department Gesundheit
17
Klienten und Klientinnen, ebenso wie die Erreichung der gesetzten Ziele (Ehlers, 2011,
S.69). Wendt (2015, S.166ff) spricht im Rahmen der Evaluation auch von einem
sogenannten „Reassessment“ bei dem die anfänglichen Einschätzung mit dem Ist
Stand nach der Durchführung des Prozesses, verglichen wird.
Wer das Case Management im konkreten Einzelfall übernimmt, hängt von der jeweiligen
Situation vor Ort ab. Das können sowohl Pflegende, Angehörige anderer Dienste als auch
Ärzte und Ärztinnen oder spezielle Case Manager und Managerinnen sein. Mit dem Case
Management können die Vorbereitungen für ein koordiniertes Schnittstellenmanagement
zwischen stationärer und extramuraler Versorgung getroffen werden, welche letztlich eine
sichere Weiterbetreuung des Individuums garantieren (Ertl & Kratzer, 2001, S. 67- 71).
Den Nutzen von Case Management sehen Müller & Haider (2008, S.80) neben einer
Steigerung der Versorgungsqualität und der Ressourcenentlastung für medizinische
Versorgungseinrichtungen, auch in der stärkeren Kunden- und Kundinnenorientierung durch
individuelle Leistungserbringung. Jedoch bleibt im Gegensatz zum therapeutischen Nutzen
des Konzeptes, die Eignung von Case Management zur Ressourcenentlastung des
Gesundheitssystems bisher weitgehend unberücksichtigt. Einer der Gründe hierfür liegt in dem
nicht bewerteten wirtschaftlichen Nutzen des Konzeptes im Rahmen der Forschung.
Bei aller Personenorientierung darf nicht der systembezogenen Erfolg des Case Management
außer Acht gelassen werden. Ziel ist es immer Unter-, Über-, oder Fehlversorgung zu
vermeiden und eine Optimierung des Ressourceneinsatz zu erzielen (Wendt, 2015, S.168).
2.2.4 Care Management
Im Gegensatz zum Case Management kümmert sich das Care Management um die bedürfnis-
und bedarfsorientierte Versorgung in einer bestimmten Region, z.B.: einer Gemeinde oder
eines Bezirkes, für eine spezifische Zielgruppe wie beispielsweise pflegebedürftige ältere
Menschen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 69). Weiters ist Care Management auch der ergänzende
Teil zum individuellen Case Management. Vordergründig ist die Netzwerkarbeit im
Gesundheitssystem. Um ein individuelles Case Management anbieten zu können, ist es nötig,
auf der Systemebene mit den nötigen Dienstleistern wie z.B. ambulanten Einrichtungen,
Hauskrankenpflege, Spitäler, Ärzte und Behörden in Kontakt zu treten und in Zusammenarbeit
mit diesen die anschließende Versorgung sicherzustellen (Malteser Care Ring, o.J., www).
Nach Ehlers (2011, S.18) umschreibt der Begriff Care Management „die fallübergreifenden
Strategien und Tätigkeiten von Case Managern und Einrichtungen, die das Ziel verfolgen, die
Department Gesundheit
18
Versorgung für, unter anderem eine bestimmte Zielgruppe zu verbessern.“ Im Unterschied
zum Case Management ist ein wesentliches Merkmal des Care Management, die
Zusammenarbeit und Vernetzung von Professionen, um über einzelne Fälle hinaus, die
Versorgung von bestimmten Patienten- und Patientinnengruppen wie zum Beispiel Menschen
mit Diabetes zu verbessern. Ein anderer Verwendeter Begriff ist auch
„Versorgungsmanagement“.
2.2.5 Entlassungsmanagement
Klassen & Müller (2009, S. 15) sehen das Entstehen von Versorgungsdefiziten im
Gesundheitswesen häufig aufgrund der starken Segmentierung der Branche und daraus
resultierenden Defiziten beim Leistungstransfer zwischen den einzelnen
Gesundheitsdienstleistern. Durch eine Schnittstellenoptimierung zwischen dem intra- und
extramuralen Bereich werden, laut Klassen & Müller (ebd.) eine Verbesserung der
Versorgungsqualität sowie eine Entlastung der stationären Versorgung erwartet. Ein Beispiel
für derartige Initiativen ist das Entlassungsmanagement (EM) in den Krankenhäusern. Klassen
& Müller (2009, zitiert nach Coleman, 2003) definieren das EM wie folgt:
„Entlassungsmanagement wird als standardisierte Maßnahme definiert, die für PatientInnen
mit multiplem Versorgungsbedarf im Anschluss an die Krankenhausentlassung pflegerische,
medizinische und soziale Dienstleistungen organisiert.“
„Entlassungsmanagement ist demnach eine Leistung des Krankenhausträgers mit dem Ziel,
im Bedarfsfall logistische Arrangements für die poststationäre Versorgung zu treffen, die
beteiligten Akteure zu informieren und deren Handlungen zu koordiniere.“ (ebd., zitiert nach
Kennedy, 1988).
Gittler-Hebenstreit (2006, S. 10) geht noch einen Schritt weiter und sieht den Fokus im
pflegerischen Entlassungsmanagement in der Beratung, Vorbereitung und Festigung
ambulanter Pflegearrangements für poststationär Pflegebedürftige durch Laienpflege. Die
individuelle Pflegeberatung im Rahmen des EM hat zum Ziel, Pflegebedürftige und deren
Angehörige zu unterstützen, die weitere häusliche Versorgung allein bewältigen zu können
und eine Kontinuität bei der der medizinischen und pflegerischen Versorgung gewährleisten
zu können.
Department Gesundheit
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3 SCHNITTSTELLENPROBLEMATIK IM
ÖSTERREICHISCHEN GESUNDHEITSWESEN
Das im Kapitel 3.3. beschriebene „Burrtzorg Modell“ enthält unter anderem wesentliche
Aspekte für das Konzeptes von RGKpP. Die Gründe, warum die im vorangegangenen Kapitel
beschriebenen Konzepte, im Österreichischen Gesundheitswesen, trotz ihrer zahlreichen
nachweislich positiven Facetten, in der österreichische Primärversorgung (noch) nicht
umgesetzt wurden, sind vielseitig.
Eine Herausforderung besteht darin, dass das Berufsbild der Community Nurse (bzw. auch
der Family Health Nurse, District Nurse oder Public Health Nurse) in Österreich noch gänzlich
unbekannt sind. Die Verbindung sozialer und pflegerischer Kompetenzen im Berufsbild der
Sozialbetreuung im Bereich der Altenarbeit war ein erster Schritt im Ausbildungssystem, dem
allerdings wie auch in der Einleitung dieser Arbeit bereits erwähnt wurde, in der Praxis keine
konkreten Umsetzungsschritte folgten. Auch in der aktuellen Debatte um die GuKG- Novelle
spielt das Berufsbild der Community Nurse keine Rolle. Die Förderung der Selbst- Pflege,
rehabilitativer und präventiver Interventionen ist auch in der mobilen Gesundheits- und
Krankenpflege sowie bei den Sozialdiensten in Österreich nicht fremd, allerdings wird darauf
hingewiesen, dass Rahmenbedingungen nicht erlauben, solche Konzepte umzusetzen.
Es bedarf einem fundamentalen Umdenkprozess um im Sinne ganzheitlicher und
systemischer Pflege und Betreuung, Interventionen für das Individuum, nicht nur in der
mobilen Pflege, sondern in Zusammenarbeit mit dem Akutbereich und den stationären
Einrichtungen zu gestalten. Organisationsentwicklung sowie spezielle Aus- und Weiterbildung
für Pflegekräfte in diesem Sinne wären gefragt, um echte soziale Qualitätsverbesserungen
und langfristige ökonomische Gewinne in der österreichischen Primärversorgung zu genieren
(Leichsenring, 2015, S. 24). Pflege- und betreuungsbedürftige Menschen benötigen generell
mehr als eine Dienstleistung im Gesundheitswesen und müssen meist zeitgleich verschiedene
Einrichtungen in Anspruch nehmen. Die verschiedenen Dienste und Anbieter sollten
aufeinander abgestimmt sein und somit eine so genannte Pflegekette (s. Abbildung 2) bilden
(Ertl& Kratzer, 2001, S. 44).
Department Gesundheit
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Abbildung 2: Pflegekette- Stufenaufbau der Pflege und Betreuung alter Menschen, Quelle: Eigene Erstellung in
Anlehnung an Ertl & Kratzer (2001, S.45)
Egal welche Dienste die pflege- und betreuungsbedürftigen Personen in Anspruch nehmen,
eine wesentliche Voraussetzung ist es das die verschiedenen Leistungen so aufeinander
abgestimmt sind und ein durchgängiges System ohne Lücken und Hürden ergeben. Um diese
Durchlässigkeit zu gewährleisten, müssen die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der einzelnen
Einrichtungen innerhalb der Pflegekette bereit und fähig sein zu kommunizieren, zu
kooperieren und die betroffenen Personen im System zu koordinieren (ebd., 2001, S. 45).
Genau an diesem Punkt der Primärversorgung wäre speziell in den österreichischen
Gemeinden, eine sogenannte „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegperson“ in
Anlehnung an internationale Modelle (s. Kapitel 4) sinnvoll. Ausgebildete Fachkräfte die vor
allem ältere pflege- und betreuungsbedürftige, sowie chronisch kranke Personen durch das
System begleiten und als Schnittstellenmanager und -managerinnen fungieren.
KH
Geriatriezentrum
Pflegezentrum
Pflegestation
Wohnheim
Betreutes Wohnen
Integrativ- gertiatrisches und/ oder therapeutisches Tageszentrum
Ambulanter Gesundheits- und Sozialdienst
Informelle Hilfe
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3.1 Integrierte Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS)
Die Forderung nach einer organisatorische Vernetzung und Koordination der Leistungen im
Gesundheits- und Sozialwesen gehen nach Ertl & Kratzer (2001) bereits auf die siebziger
Jahre zurück. In der Regierungserklärung 1990 wurde die Absicht geäußert, ein
österreichisches Netzwerk von Gesundheits- und Sozialsprengel, einzurichten. 1992 wurde
vom österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) im Auftrag des
Bundesministeriums, Grundlagen und Empfehlungen für einen flächendeckenden Aufbau von
IGSS erarbeitet. Beim Modell der IGSS handelt es sich um ein Programm, das die
extramuralen, teilstationären und stationären Leistungsanbieter im Gesundheits- und
Sozialwesen aus der regionalen Ebene (Bezirke, Gemeinden) organisatorisch vernetzt. Das
Ziel der IGSS ist ein koordiniertes, dauerhaftes, flächendeckendes und qualitatives Angebot
von sozialen, pflegerischen und medizinischen Leistungen sicherzustellen und die
Gesundheitsvorsorge und -förderung auszubauen. Das Modell der IGSS bedeutet, dass die
Initiative zur Vernetzung und Koordination von Bundes-, Länder-, und/ oder Gemeindebene
kommt, jedoch die Gestaltung der Angebotspalette durch die Angebotsorganisationen
entsprechend der regionalen Bedürfnislage erfolgt (S.62-63).
Das Organisationsmodell wurde trotz der bestehenden Forderungen sowohl auf europäischer
Ebene (s. Kapitel 1) als auch auf nationaler Ebene in keinen der neun österreichischen
Bundesländer in seiner vorgesehenen Form umgesetzt. Lediglich Tirol hat sich bei seinem
Versorgungskonzept an der geplanten Struktur von integrierten Gesundheits- und
Sozialsprengeln orientiert (ebd., S. 62).
3.2 Strukturelle Schwächen aktueller Versorgung
In der Praxis der österreichischen Gesundheits- und Krankenpflege herrscht auf allen
Versorgungsebenen, so auch in der Primärversorgung ein krankheits- und defizitorientiertes
Pflegeverständnis. Gesundheitsfördernde und präventive pflegerischen Maßnahmen, vor
allem der Aspekt der Gesundheitsberatung, finden kaum bewusst statt. Wie es Schaeffer
(2000, zitiert nach Schmitt 2011) beschreibt, ist der Versorgungsalltag nach wie vor in vielen
Bereichen durch eine einseitige Akzentuierung körperbezogener Maßnahmen und
„handwerklicher Pflege“ geprägt, während edukative, anleitende und beratende Aufgaben
einer auf Gesundheitserhalt und Autonomie zielenden Pflege eher vernachlässigt werden.
Weiters besteht laut Fick et al. (2004, zitiert nach Schmitt 2011) zum einen bislang ein
Widerspruch einer gesundheitsförderlichen und präventiven Ausrichtung der Pflege, wie in der
Department Gesundheit
22
Novellierung des Gesundheits- und Krankenpflegegesetz festgelegt und einem Bedarf an
konzeptionellen Grundlagen und Präzisierungen dieser pflegerischen Anteile andererseits.
Eine weitere Ursache für die begrenzte Umsetzung pflegerischer Gesundheitsförderung,-
prävention und -beratung in der Praxis, lassen unter anderem auch die schwierigen
strukturellen Rahmenbedingungen in der Pflege, sowie mangelndes gesundheits-
wissenschaftliches Wissen vermuten (S. 22).
Nicht nur die Umsetzung des Aufgabenprofils von Pflegefachkräften im Rahmen des GuKG ist
vor allem im Beratungssektor durch Defizite gekennzeichnet, auch die österreichische
Gesundheitsversorgung, welche aus dem intra- und extramuralen Bereich besteht (s. Kapitel
2.1.2.), charakterisiert sich zunehmend durch mangelnde Koordination und Kooperation in
diesen Sektoren (Haas, 2007, zitiert nach Zapotoczky et al., 2008). Dies führt wiederum zu
einer erheblichen Behandlungsvarianz und somit zur Doppelgleisigkeit, Ineffizienz und einer
daraus resultierenden Behandlungsdiskontinuität. Wesentlich ist auch die Problematik, dass
der Ort der Leistungserbringung nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten berücksichtigt
wird (ebd, 2007, zitiert nach der Sozial und Gesundheitsreform, 2005). Weiters beschreibt
Haas (2007, zitiert nach Schöppl, 2002), dass die vorherrschende Dysfunktion zwischen dem
intra- und extramuralen Bereich, die Gefahr von negativen gesamtgesellschaftlichen Folgen
mit sich bringen kann. Eine Bruchstelle in der Versorgungskette kann zu einem Rückschritt in
der Rekonvaleszenz führen, was sich durch irreparablen Folgen, sowie einem
Autonomieverlust im Alltagsmanagement zeigen kann. Diese negativen Faktoren führen im
schlimmsten Fall zu einem massiven Einschnitt in die Lebensqualität von Individuen und somit
auch in die Gesundheit deren. Weiters betreffen kollektive Folgen die Kostensteigerung im
Gesundheitswesen, die durch beispielsweise Fehlentscheidungen verursacht werden, wie die
frühzeitige Entlassung, oder die zulange Verweildauer von PatientInnen im Krankenhaus
(S.78).
Eger (2011, S. 1ff) gliedert in einem Artikel der Niederösterreichischen Patientenanwaltschaft,
die strukturellen Schwächen, welche einen negativen Einfluss auf die Effizienz und Effektivität
des Gesundheitssystems haben, in folgende Faktoren:
- Sektorale Trennung bei Finanzierung und Verwaltung
Wie auch bei Hofmarcher (2013, S. VIII) beschrieben, ist die Zuständigkeit der
österreichischen Gesundheitsversorgung auf Bundesebene unterschiedlich geregelt.
Besonders hinderlich ist die differente und vor allem getrennte Finanzierung und
Steuerung von Krankenanstalten, den niedergelassenen Bereichen und der Pflege.
Department Gesundheit
23
Die Betreuung erfolgt nicht bedarfsgerecht sondern nach den jeweiligen
Zuständigkeiten der verschiedenen Akteure, was ineffiziente Behandlungsabläufe und
überhöhte Kosten des gesamten Gesundheitssystems zur Folge hat.
Hofmarcher (2013, S. 260) fügt hinzu, dass eine wesentliche Ursache für die
ungenutzten Effizienzpotenziale des österreichischen Gesundheitswesen die
differenten Verantwortlichkeiten und damit in Zusammenhang stehend die differente
Finanzierung ist. Die Vielzahl an untschiedlichen Vergütungssystemen in den
einzelnen Sektoren trägt, wie es Hofmarcher hervorhebt, eindeutig zu den
Ungleichgewichten der Versorgung bei. Ein verbessertes Schnittstellenmanagement
könnte das Ungleichgewicht der Mittelverteilung mildern und zur Kostendämpfung
beitragen.
- Versorgungsdefizite bei Nahtstellen
Nicht durchdachte und ineffiziente Kooperation der Nahtstellen (niedergelassene
medizinische Versorgung/ Krankenhaus/ Pflege) führen zum Einen zu einem
Qualitätsdefitzit der medizinischen Versorgung und verursachen zum Anderen auch
zusätzliche Kosten (Eger, 2011, S.2).
- Mangelnde Vernetzung der einzelnen Dienstleister im Gesundheitswesen
Die Behandlungsprozesse werden durch mangelnde Kommunikation der einzelnen
Nahtstellen unterbrochen. Die Informationsweitergabe fehlt teilweise sogar gänzlich.
Diese Informationsweitergabe ist jedoch ein wesentliches Merkmal für die
ganzheitliche Ablauforganisation eines Heilungsprozesses und ein wichtiger Faktor für
die Patientenzufriedenheit (ebd. S.2). Das Bundesinstitut für Qualität im
Gesundheitswesen (BIQG) führte 2011 im Auftrag des Bundesministeriums für
Gesundheit (BMG) eine sektorenübergreifende Patienten und Patientinnen-
zufriedenheitsbefragung durch, mit dem Ziel die kontinuierliche Optimierung der
Versorgungsprozesse in den verschiedenen Sektoren durch die Kenntnis der
subjektiven Wahrnehmung des Angebots durch Patienten und Patientinnen bewerten
zu können. Die Ergebnisse bestätigen, dass bei der Vernetzung der einzelnen
Gesundheitsdienstleister beziehungsweise im Schnittstellenmanagement generell ein
Verbesserungspotential besteht (Hofmarcher, 2013, S. 58).
Department Gesundheit
24
- Mangelnde einheitliche Dokumentation von Leistungen und Diagnosen
Um nachvollziehbare und vergleichbare Aussagen über Behandlungs- und
Versorgungsprozesse und auch Erfolge treffen zu können, bedarf es einer einheitlichen
Leistungs- und Diagnosedokumentation, welche bis dato im österreichischen
Gesundheitssystem gänzlich fehlt (Eger, 2011, S.2).
- Fehlen definierter Qualitätsstandards
Eger (2011) beschreibt diesen Schwachpunkt des österreichischen
Gesundheitswesens sehr treffend- „Es fehlen mehrheitlich definierte
Qualitätsstandards für die Erbringung in allen Segmenten des Gesundheitswesens,
teilweise was die Voraussetzung für die Erbringung der Leistungen anbelangt, aber
auch was die Erbringung der Leistungen selbst betrifft. Die Qualitätsstandards und die
Darstellung der Ergebnisse der Qualitätsmessung sollen für die PatientInnen
verständlich und nachvollziehbar sein um deren Entscheidungskompetenz zu erhöhen“
(S.2).
Die folgende Grafik, veranschaulicht die „Baustellen“ wie in diesen Kapitel bereits durch Eger
(2011) und Hofmarcher (2013) erläutert, im konkreten:
Abbildung 3: "Baustellen" der integrierten Versorgung, Quelle: Amelung und Janus (2005, S.21)
Department Gesundheit
25
Ein praktisches Beispiel welches die strukturellen Schwächen der österreichischen
Primärversorgung widerspiegelt ist das wie im Kapitel 2.2.2 bereits beschriebene Disease
Management Programm „Therapie Aktiv“. Amelung und Janus (2005, S.20) haben in ihrem
Artikel „Modelle der integrierten Versorgung im Spannungsfeld zwischen Management und
Politik“ bereits klar beschrieben, dass das Modell der integrierten Versorgung welches mit der
Primärversorgung eng verbunden ist, einige wie von den Autoren beschrieben „Baustellen“
aufweist. Es zeichnet sich ab, was eben am Beispiel „Therapie Aktiv“ auch gut in Österreich
zu erkennen ist, dass die geplante integrierte Versorgung, unter anderem auch die Disease
Management Programme, die den eigentlichen Intentionen des Gesetzgebers nicht
entsprechen und somit sich aus politischer Sicht die Frage stellt, ob zu viel Spielraum
eingeräumt wurde.
Das österreichische Disease Management Programm, zur Behandlung von Patienten und
Patientinnen mit Diabetes Mellitus II, welches in Österreich erstmals einen strukturierter
Behandlungsansatz für eine chronische Erkrankung in dieser Breite umgesetzt darstellt, zeigt
jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine zufriedenstellenden Zahlen der Einschreibung. Ein Grund
hierfür ist die mangelnde Akzeptanz durch die Ärzte und Arztinnen, welche einen zusätzlichen
administrativen Aufwand hätten da sie die gesammelten quantitativen Daten ihrer Patienten
und Patientinnen in eine eigene Software, welche auch für internationale Vergleiche dienlich
wäre, eintragen müssten (Beck, Truskaller, Rakovac, Bruner, Zanettin & Pieber, 2009, S.
188). Die Niederösterreichische (NÖ) Ärztekamme hatte Ende März 2010 sogar vor, dem
Programm „Therapie Aktiv“ zu kündigen. Als Gründe wurden laut Aussage der NÖ
Ärztekammer- der nicht nachvollziehbare Schulungsaufwand der Ärzte und Ärztinnen
angegeben. Diese seien laut der Ärztekammer in diesem Bundesland, in der
Diabetikerbetreuung ausgebildet und bedürfen keiner weiteren Schulungen. Letztendlich
konnte doch eine gemeinsame Vereinbarung getroffen werden und dadurch Niederösterreich
als teilnehmendes Bundesland erhalten werden (Czypionka, Kalmar & Ullinsky, 2011, S. 4-5).
Alle vier Sektoren der oben angeführten Grafik (Abbildung 3), können auf die nicht
flächendeckende Umsetzung des DMP „Therapie Aktiv“ herangezogen werden. Im Jahr 2016
betrug die Anzahl der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen in Österreich 19.702 (statista,
2016, www). Im Vergleich dazu beteiligen sich mit Stichtag 1.05.2016 lediglich 6,7% das sind
1329 niedergelassene Ärzte und Ärztinnen an dem DMP „Therapie Aktiv“ (Therapie aktiv,
2016,www).
Department Gesundheit
26
Eine weitere wenig im Vordergrund stehende, jedoch wesentliche strukturelle Schwäche der
aktuellen (Primär-) Versorgung, ist die Betreuung und Unterstützung von pflegenden
Angehörigen. Die Familien- und Laienpflege ist ein unverzichtbarer Bestandteil des
Pflegesystems und der Pflegevorsorge in Österreich, über deren Organisation und
Finanzierung jedoch keine gesammelten Daten vorliegen und somit das Ausmaß und die
Kosten der informellen Pflege nur begrenzt bekannt sind. Schätzungen gehen davon aus, dass
etwa zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an „Kosten“ für die informelle Pflege anfallen, wenn die
von den unbezahlten Betreuungskräften eingesetzte Zeit mit fiktiven Löhnen bewertet werden.
Aufgrund von Erfahrungen in Österreich und anderen Ländern ist davon auszugehen, dass
ungefähr 80% der pflegebedürftigen Menschen überwiegend informell durch Angehörige
gepflegt werden, wobei diese Pflege zu ca. 80% von Frauen geleistet wird (Quantum Institut,
2007, S. 5-6). Die Pflegesituation geht in den meisten Fällen mit einer hohen Belastung für die
betroffenen Betreuungspersonen einher. Viele Faktoren, wie der Umgang mit den neuen
Lebensumständen, die finanziellen Zusatzkosten, aber auch zahlreiche physische und
psychische Faktoren, wirken als Stressor auf den/ die pflegenden Angehörigen. Oftmals
vernachlässigen die informell Pflegenden auch ihre eigene Gesundheit, was beispielsweise
speziell bei der Betreuung von demenziell Erkrankten, bis hin zu einem Burnout Syndrom
führen kann (Seidel et.al, 2006, s9 ff). Neben der Gewährleistung einer bedarfsgerechten
medizinischen Versorgung, stellt das Thema Demenz auch aus diesem Grund eine große
Herausforderung dar (Kompetenzzentrum -Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, 2010,
S. 514). Im vom Bundesministerium für Arbeit Soziales und Konsumentenschutz (BMASK) im
Jahr 2008 herausgegebenen Demenzhandbuch wird die Zahl der an Demenz erkrankten
Menschen laut Expertenschätzungen mit rund 100.000 beziffert. Rund 10% der 80-84jährigen
leiden an Demenz, jeder fünfte 85-89jährige und schließlich bereits 40% der 90-95jährigen.
Für das Jahr 2050 wird sich die Zahl der Betroffenen erheblich erhöhen. Vorhergesagt werden
rund 233.800 Fälle, das sind 8,28% der Bevölkerung die über 60 Jahre alt sind (Pochobradsyk,
et.al, 2008, S. 8). Der Wunsch im privaten bzw. familiären Umfeld betreut zu werden, besteht
bei demenziell erkrankten Menschen genauso wie generell bei älteren Menschen, weshalb
Maßnahmen zur Entlastung der pflegenden Angehörigen in verschiedener Hinsicht notwendig
sind (Kompetenzzentrum -Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, 2010, S. 514).
Ein erster Beitrag auch zur Entlastung der pflegenden Angehörigen etablierte sich Ende der
1990er Jahre damals noch „schwarz“, die sogenannte vierte Versorgungsäule, die 24-
Stunden-Betreuung in den Haushalten. Die Betreuung wurde überwiegend durch Migranten
und Migrantinnen aus osteuropäischen Ländern übernommen. Mit der Legalisierung der
Arbeitsverhältnisse der 24-Stunden-Betreuung wurden ab 2007 Voraussetzungen geschaffen,
Department Gesundheit
27
institutionelle Langzeitpflege und Betreuung zu Hause durch nicht professionelle
Pflegedienste, gleichrangig zu behandeln. Schätzungen zufolge wurden 2007, 15.000
Haushalte auf Basis von 14 Tage Schichtbetrieb durch die 24-Stunden-Laienbetreuung
versorgt. Die Mehrheit dieser Personen stammt aus der Slowakei oder Tschechien. Im Jahr
2015 wurden 4487 Anträge auf Gewährung einer Förderung, welche auf Basis der 15a B-VG
Vereinbarung aus dem allgemeinen Steueraufkommen aufgebracht wird, für die Unterstützung
der 24- Stunden- Betreuung eingebracht (BMASK, 2016, S.14).
Seit dem Stichtag 1. Jänner 2009 werden gemäß § 21b Abs. 2 Z 5 Bundespflegegeldgesetz
bestimmte Qualitätsanforderungen im Bereich der Förderung der 24-Stunden-
Betreuungsverhältnisse an die Betreuungskräfte gestellt.
§ 21b Abs. 2 Z 5 des Bundespflegegeldgesetz (BPGG) sieht vor, dass bei Zutreffen der
sonstigen Voraussetzungen eine Förderung gewährt werden kann, sofern vom
Förderungswerber nachgewiesen wird, dass die Betreuungskraft bzw. die Betreuungskräfte
1. über eine theoretische Ausbildung, die im Wesentlichen derjenigen eines/r Heimhelfers/ in
entspricht, verfügt bzw. verfügen oder
2. seit mindestens sechs Monaten die Betreuung der pflegebedürftigen Person nach dem
Hausbetreuungsgesetz oder §§ 159 ff der Gewerbeordnung 1994 sachgerecht durchgeführt
hat bzw. haben oder
3. über eine fachspezifische Ermächtigung zu pflegerischen Tätigkeiten gem. §§ 3b oder 15
Abs. 7 des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes bzw. gem. § 50b des Ärztegesetzes
1998 verfügen (RIS, 2010, www).
Ist die Betreuung gem. § 21b Abs. 2 Z 5 lit. b BPGG über einen Zeitraum von sechs Monaten
bestehend, werden darüber hinaus verpflichtende Hausbesuche durch diplomierte
Pflegefachkräfte im Rahmen der „Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege“ unter anderem
durch die Sozialversicherung der Bauern (SVB) durchgeführt, um zu kontrollieren ob dieses
Qualitätserfordernis tatsächlich erfüllt werden (ebd., www).
Diese Kontrollen beziehungsweise die Beratungsfunktion zur Qualitätssicherung der
häuslichen Pflege, vor allem auch im Sinne der Pflege- und Betreuungsberatung der
Angehörigen, sowie der meist laienhaften 24- Stunden- Betreuung, könnte ebenfalls ein
wesentliches Aufgabengebiet, in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für
Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege, für Regionale Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen (RGKpP) darstellen.
Department Gesundheit
28
„Im Rahmen dieser Qualitätssicherungsmaßnahmen werden die Betroffenen von DGKP zu
Hause besucht, die die konkrete Pflegesituation und -qualität mittels eines standardisierten
Situationsberichtes erfassen. Der Schwerpunkt der QSPG liegt im Ausgleich des hohen
Informations- und Beratungsdefizites in der häuslichen Pflege und Betreuung, besonders bei
der Gruppe der pflegenden Angehörigen“ (SVB, 2016, www).
Wird von der diplomierten Pflegefachraft im Bereich Pflege und Betreuung ein
Informationsbedarf festgestellt, schlägt die DGKP vor Ort eine qualifizierte Lösung bzw. einen
Lösungsansatz vor.
Die vordergründigen Ziele, die die Qualitätssicherung Pflegegeld (QSPG) im Rahmen der
Hausbesuche verfolgt, sind:
- umfassende Informationsweitergabe. - Anleitung und Schulung der privaten Hauptpflegepersonen.
- Hilfestellung und Beratung beim Umgang mit dementen Menschen.
- Beratung bei der Organisation von Hilfsmitteln etc..
- Information über aktive Selbsthilfegruppen und psychologische Betreuung.
Die wichtigsten Präventivmaßnahmen betreffen die
- Aufklärung über die Gefahren von Stufen, Staffeln, losen Teppichen, fehlenden
Haltegriffen usw., um Stürze zu verhindern,
- richtige und schmerzfreie Lagerung ohne körperliche Anstrengung für die pflegende
Person,
- richtige Ernährung und Flüssigkeitszufuhr – besonders bei Diabetikern
- und die entsprechende Einnahme von Medikamenten
(ebd., www).
Ein aktuelles Ergebnis des österreichischen Pflegevorsorgeberichtes 2014 zeigt, dass der
Bedarf an Beratung und Information unverändert hoch ist. Bei 15.238 Hausbesuchen - das
sind 93,41 % aller Besuche - wurde eine Beratung vorgenommen und wurden
Unterstützungsmaßnahmen empfohlen. Der größte Bedarf besteht beim Thema
„Informationen zum Angebot von sozialen Diensten und Kurzzeitpflege, zu Hilfsmitteln, zum
Pflegegeld sowie zur funktionalen Wohnsituation“ (BMASK, 2014, www).
Department Gesundheit
29
3.3 Systemische Anforderungen
Umstrukturierungen im Gesundheitswesen wie beispielsweise die Einführung der
leistungsorientierten Krankenhausfinanzierung welche zu verkürzten Verweildauern in den
österreichischen Spitälern geführt hat, regten in Österreich Diskussionen um die Thematik des
Nahtstellenmanagement an (Sagmeister, 2007, S.101). Im Zuge der 73. Vereinbarung im Jahr
2005, gemäß Art. 15a B-VG über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens,
wurde die Thematik des Nahstellenmanagement gesetzlich geregelt. In dieser Vereinbarung
wurde festgelegt das es Ziel ist, dass alle Akteure des Gesundheitswesens die Schnittstelle
zwischen Sozial- und Gesundheitseinrichtungen zu Nahtstellen entwickeln. Dabei spielt der
Informationstransfer sowie die Kooperation und Vernetzung eine wesentliche Rolle. Der Fokus
liegt hierbei vor allem in der Verbesserung der Versorgungsqualität sowie einer
patientenorientierten Betreuung (Hofmarcher, 2013, S. 231 ff). Auch das Gesundheits
Zielsteuerungsgesetz (G-ZG) 2013 beinhaltet zentrale, gesetzlich geregelte Aspekte einer
optimalen Gesundheitsversorgung, auch am primären Versorgungssektor (RIS, 2013, www).
Die demographische Entwicklung zeigt, dass die Zahl der hochbetagten, chronisch kranken
und pflegebedürftigen Menschen bis 2030 um durchschnittlich 37% ansteigen wird (Statistik
Austria, 2014, www). Durch die Verkürzung der Verweildauer wird unter anderem auch diese
Versorgungsgruppe früher aus den Akutspitälern in die extramurale Pflege entlassen. Um die
Kontinuität der pflegerischen Maßnahmen zwischen dem intra- und extramuralen Bereich zu
gewährleisten, ist ein Nahtstellenmanagement notwendig. Wie bereits erwähnt, ist für diese
Umsetzung eine enge Zusammenarbeit der beteiligten Akteure vorrangig (Sagmeister, 2007,
S. 101). Hierbei könnte wie auch in Konzepten aus Großbritannien, der Schweiz, Dänemark
oder den Niederlanden (siehe Kapitel 4) eine Regionale Gesundheits- und
Krankenpflegeperson als Verbindungsglied der Nahtstelle eine wesentliche Rolle spielen.
Nicht nur für die Verkürzung der Verweildauer in Akutspitälern ist ein gut funktionierendes
Schnitt- und Nahtstellenmanagement wesentlich, sondern auch bei der Vermeidung einer
stationären Aufnahme im Krankenhaus an sich. Die ACSC- Ambulatory Care Sensitive
Conditions- ein von Weismann et.al. 1992 in den USA entwickeltes Konzept, beschreiben
Krankheitsbilder bei denen durch eine frühzeitige und optimale Betreuung in der
Primärversorgung, Krankenhausaufenthalte vermieden werden können (Czypionka, Rörhling,
Ulinski & Berger, 2014, S. 2). Eine rechtzeitige und effektive Primärversorgung gilt als einer
der wichtigsten Faktoren, um ACSC und dadurch auch die Anzahl an stationären Aufnahmen
zu verringern. Wesentliche maßgebliche Faktoren sind neben der Ärztedichte, auch die
Department Gesundheit
30
Akutbettendichte in Krankenhäusern die einen angebotsinduzierenden Effekt auf die Anzahl
der Krankenhauseinweisungen haben. Auch der Wohnort mit der Struktur der umliegenden
Gesundheitsversorgung hat einen Einfluss. Studien zeigen, dass Menschen aus der Stadt
eher einen negativen Zusammenhang mit ACSC-Aufnahmen aufweisen, als Menschen aus
dem ländlichen Gebiet. Auch das zunehmende Alter spielt bei der Aufnahme ins Krankenhaus
eine Rolle. Einfluss nehmen ebenfalls sozioökonomische Faktoren wie Einkommen,
Beschäftigung und Bildungsniveau, Zugang zur Krankenversicherung ebenso wie ein
möglicher Migrationshintergrund. Auch das Gesundheitsverhalten, der Lebensstil und der
Gesundheitszustand beeinflussen den Zugang zum stationären Versorgungssektor.
Zusammenfassend können fünf Kategorien zur Klassifizierung der Ursachen von
Krankenhauseinweisungen identifiziert werden (Czypionka et.al, 2014, S. 4-7). Die Gründe
können dabei systembezogen (z. B. keine ambulanten Dienste verfügbar), arztbezogen (z. B.
kein optimales Monitoring), medizinisch (z. B. Nebenwirkungen von Medikamenten),
patientenbezogen (z. B. spätes Aufsuchen medizinischer Hilfe) und sozial (z.B. mangelnde
soziale Unterstützung) sein. Die Primärversorgung, welche die erste allgemeine und direkte
zugänglichen Kontaktstelle für Menschen mit gesundheitlichen Problemen darstellt, gilt bei
allen Altersgruppen als wichtiger Ansatzpunkt zur Reduzierung der Wahrscheinlichkeit
potentiell vermeidbarer Krankenhausaufenthalte. Auch der Ausbau einer patienten- und
patientinnenorientierten, sektorübergreifenden und interdisziplinären integrierten Versorgung
kann beispielsweise bei chronischen Krankheiten ebenfalls zu einer höheren Kontinuität in der
Behandlung führen und so zu einer Senkung der Krankenhausaufnahmeraten beitragen. Ein
weiterer Einflussfaktor zur Reduzierung von ACSC-Hospitalisierungen ist eine Förderung des
Empowerment und Selbstmanagement im Umgang mit Krankheiten (ebd., 2014, S. 8-10).
Eine Reihe von Entwicklungen im Gesundheitswesen bedingt auch neue qualitative
Anforderungen an die Gesundheitsberufe. Vor allem die Fähigkeiten im Umgang mit dem
kranken Menschen werden auf andere Art gefordert. Chronische Erkrankungen erfordern das
Integrieren von Behandlungsschritten in den Alltag und Gesundheitsfachkräfte müssen in der
Lage sein den Patienten und die Patientin dabei zu unterstützen mit der Krankheit zu leben.
Dabei spielt eine interdisziplinäre Kooperation eine wesentliche Rolle (Riedl, Czypionka, 2012,
S. 1).
Vor allem die Pflege als wesentlicher Beitragsleister für neue Lösungsätze zur Bewältigung
der derzeitigen und zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen sollte im Fokus
gesundheitspolitischer Entscheidungen stehen. Gesundheits- und Krankenpflegekräfte haben
in den letzten Jahrzehnten bis heute, den Schwerpunkt ihres Aufgabenbereiches im kurativen
Bereich und in der Langzeitpflege. Wie bereits in der Einleitung beschrieben zählt die Aufgabe
Department Gesundheit
31
der Geundheitsförderung und Prävention erst seit 1997, seit der Änderung des Gesundheits-
und Krankenpflegegesetztes, zum Aufgabengebiet der Pflege. Fokus sind wie auch in der
Definition der WHO (2013) (s. Kapitel 2.1.1) nicht nur die Kranken sondern auch die Gesunden
und nicht nur Individuen sondern auch Gruppen und Gemeinden (Wild, 2009, S.1).
Aus gesundheitsökonomischer Sicht ist es entscheidend, dass die „Health Professionals“ ein
Schlüssel für das Gelingen von Gesundheitsreformen sind, und als Grundvoraussetzung für
eine nachhaltige Kostendämpfung sowie für einen Ausbau eines
primärversorgungsorientierten Gesundheitswesen maßgeblich sind (Riedl, Czypionka, 2012,
S. 16).
Dem Handlungsfeld „Gemeinde“ in dem die Gesundheits- und Krankenpflegepersonen im
Rahmen der Hauskrankenpflege bereits tätig sind, muss zukünftig ein größerer Stellenwert
zugesprochen werden. Einer neuer Ansatz stellt unter anderem die „Familienzentrierte Pflege“
dar. Wie in Kapitel 3.1 beschrieben, wird 80 Prozent der Pflege in Österreich informell durch
Angehörige erbracht, welche mit einer nicht unbeachtlichen Belastung für die Betroffenen
einhergeht. Um diese Herausforderungen bewältigen zu können, muss eine flächendeckende
Familiengesundheitspflege, oder eben eine Optimierung der Primärversorgung durch
Regionale Gesundheits- und Krankenpflegepersonen gewährleistet werden. Gemeinden und
Familien in den Fokus von Gesundheitsförderung und Prävention zu rücken, sowie die
Stärkung des familiären Pflegepotentials, kann einen essentiellen Beitrag zur langfristigen
Finanzierbarkeit des Gesundheits- und Pflegewesen sowie der Primärversorgung in
Österreich leisten.
Eine wichtiger Ansatz bei der Implementierung von sogenannten „Public Health Nurses im
„Community“ oder gemeindenahen Ansatz, oder wie in der Bezeichnung dieser Arbeit,
sogenannten „RGKpP“, ist die Anstellung dieser Pflegekräfte bei Behörden oder Gemeinden.
Konkrete Aufgaben wären hierbei die Gesundheitsförderung- und Vorsorge vulnerabler
Gruppen, wie beispielsweise alte und oder pflegebedürftige Menschen in den Gemeinden.
Weiter Aufgaben stellen die Mitarbeit bei der Gesundheitsberichterstattung, sowie die
Qualitätssicherung bei der pflegerelevanten Versorgung, sowohl im intra- als auch im
extramuralen Bereich (Wild, 2009, S.4-7). Die RGKpP führen wie in Kapitel vier beschrieben,
präventive Hausbesuche zur qualitätsicherung und Beratung durch und fungieren als
Schnittstelle und Kommunikator zwischen den verschiedenen Funktionären im
Gesundheitswesen.
Department Gesundheit
32
Als Prinzipien für die Gemeinde Arbeit nennt Wild (2009, S.7) folgende Punkte:
- Wohnortnahe Umsetzung,
- Einbindung der Betroffenen in die Planung und Durchführung (im Sinne des Case
Managements),
- Einbindung informeller Netzwerke ist für die Nachhaltigkeit ein wesentliches Kriterium,
- Umsetzung im Sinne der Ressourcenförderung und des Empowerment des
Individuums,
- Nachhaltigkeit der Umsetzung muss nachvollziehbar sein.
Bevor jedoch solche Angebote auf Gemeindebene geschaffen werden, ist es wesentlich eine
Bedarfs- und Ressourcenerhebung durch die RGKpP durchzuführen. Hierfür gibt es bereits
von der WHO entwickelte Instrumente – wie Beispielsweise das „Community Health Needs
Assessment“. Ein weiterer Aspekt ist auch die gemeinsame Planung mit Unterstützung durch
politische Entscheidungsträger der Gemeinden und die Zusammenarbeit mit den regionalen
Gesundheitsakteuren. Weiters darf zukünftig die Implementierung einer fachspezifischen
Ausbildung mit Fokus auf die Familiengesundheitspflege und Public Health in die Ausbildung
des gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege nicht außer Acht gelassen werden
(Wild, 2009, S.7-9).
Department Gesundheit
33
4 KONZEPTE DER „REGIONALEN GESUNHEITS UND
KRANKENPFLEGEPERSONEN“ (RGKPP) IM
INTERNATIONALEN VERGLEICH
Wie in der WHO Deklaration von Alma Ata (1978) bereits beschrieben (s. 2.1.1) sind die
Berücksichtigung von Prävention, Gesundheitsförderung und Beratung wesentliche Inhalte
und Aufgaben professioneller Pflege. Seit dieser Deklaration wurde die Schlüsselrolle der
Pflegeberufe für das oben genannte Handlungsfeld auf internationaler Ebene immer wieder
dezidiert hervorgehoben. Gleichzeitig entstanden und etablierten sich im Zuge dieser
Entwicklung verschiedene pflegeberufliche Spezialisierungen, die ihren Fokus auf ein
gesundheitsförderndes und präventives sowie beratendes pflegerisches Handeln richten. Es
finden sich zum Beispiel Public Health Nurses, Community Health Nurses, oder Family Health
Nurses im angloamerikanischen und skandinavischen Raum und haben sich dort über
Jahrzehnte dem Bedarf der Gesellschaft angepasst und weiterentwickelt. Ihre Aufgaben liegen
neben der pflegerischen Versorgung (Microebene), auch auf der kommunalen (Mesoebene),
wie auch auf gesundheitspolitischer Ebene (Makrobene) (Schmitt, 2011, S.22). Laut Hasseler
(2006, zitiert nach Schmitt 2011) planen und entwickeln Pflegekräfte mit diesen
Spezialisierungen eine angemessene Gesundheitsversorgung in der Gemeinde. Sie
beobachten und analysieren Gesundheitsprobleme und diesbezügliche Bedarfe in definierten
Bevölkerungsgruppen und sind mit Anleitung und Beratung, Gesundheitserziehung,
Gesundheitsmanagement und der Koordination von Dienstleistungen für Individuen und
Gruppen befasst. Die genauen Aufgabenprofile variieren im Ländervergleich (S.22).
Bereits in den siebziger Jahren empfahl die WHO eine Implementierung des Modell einer
„Hauskrankenschwester“ für rund 6000 Einwohner und Einwohnerinnen vorzusehen. In
Frankreich beispielsweise entschied man sich für einen Schlüssel von 1: 3500, sowie in
England für 1:4000. In Österreich lautete die wissenschaftliche Empfehlung 1:5000, was
darauf zurück zu führen ist, dass für die Berechnungsgrundlage nicht nur Gesamteinwohner-
und Einwohnerinnenzahl, sondern auch die Altersstruktur der Bevölkerung und der Anteil der
Familienflege berücksichtigt wurde. Während jedoch in den siebziger Jahren in England und
Holland oder der Schweiz professionelle Hauskrankenpflege bereits ein Thema, oder gar
bereits in der Versorgungstruktur implementiert wurde, sahen sowohl österreichische
Sozialversicherungsträger als auch Führungskräfte in der Pflege noch keinen Bedarf
beziehungsweise Vorteil für die Implementierung von professioneller Hauskrankenpflege oder
generell extramuralen Diensten (Ertl & Kratzer, 2001, S. 10). Diese Tatsache lässt vermuten
Department Gesundheit
34
warum bis heute, zwar bereits die extramurale Pflege durch mobile Hauskrankenpflege in
Österreich gewährleistet ist, jedoch das Konzept einer gezielten Gemeindeversorgung, welche
als Schnittstelle zwischen dem intra- und extramuralen Bereich fungiert, in der
österreichischen Pflegeversorgung bis heute nicht gewährleistet ist.
4.1 Public Health Nursing
Brieskorn-Zinke (2007, zitiert nach Wild, 2009) definieren Public Health als „präventiv
orientierte pflegerische Arbeit im Bereich der Bevölkerungsgesundheit“ (S.2). Der Begriff
Public Health Nursing ist laut Brieskorn-Zinke ganz allgemein der Beitrag der Pflege in Bezug
auf Public Health bezogener Aufgaben (2007, S.15).
Die WHO (1993, zitiert Brieskorn-Zinke, 2007) machte bereits Anfang der neunziger Jahre
deutlich, wie wesentlich der Beitrag der Pflege beim Thema „Public Health“ ist.
„Der gesellschaftliche Auftrag der Pflege ist es, dem einzelnen Menschen, der Familie
und den ganzen Gruppen dabei zu helfen, ihr physisches, psychisches und soziales
Potenzial zu bestimmen und zu verwirklichen, und zwar in dem für die Arbeit
anspruchsvollen Kontext ihrer Lebens- und Arbeitsumwelt. Deshalb müssen die
Pflegenden, Funktionen aufbauen und erfüllen, welche die Gesundheit fördern,
erhalten und Krankheiten verhindern. Zur Pflege gehört auch die Planung und
Betreuung bei Krankheiten während der Rehabilitation und sie umfasst zudem die
physischen, psychischen und sozialen Aspekte des Lebens in ihrer Auswirkung auf
Gesundheit, Krankheit, Behinderung und Sterben. Pflegende gewährleisten, dass der
Einzelne auf die Familie, seine Freunde, die sozialen Bezugsgruppe und die
Gemeinschaft gegebenfalls in alle Aspekte der Gesundheitsversorgung einbezogen
werden und unterstützen damit Selbstvertrauen und Selbstbestimmung. Pflegende
arbeiten auch partnerschaftlich mit Angehörigen an der Erbringung gesundheitlicher
und ähnlicher Dienstleistungen beteiligten Gruppen zusammen (S. 15).
Die Definition zeigt klar welchen hohen Stellenwert die WHO der Pflege zuschreibt. Brieskorn-
Zinke hat im Rahmen ihrer Forschungstätigkeit verschiedene Ansätze zum Thema Public
Health Nursing beschrieben.
Der traditionelle Ansatz beinhaltet die klassische, ambulante Krankenversorgung in
Verbindung mit körperlicher Pflege, mit gesundheitlicher Aufklärung und Information. Der
administrative Ansatz beschreibt die Arbeit der Pflege im Hinblick auf Leistungs- und
Organisationsfunktionen. Es geht primär um Datensammlung, Konzeptentwicklung, sowie
Qualitätssicherung. Der präventive oder auch Empowerment Ansatz setzt seinen Fokus auf
Department Gesundheit
35
die Pflege als Unterstützer und Berater für Gesundheitsfragen, sowie im Bereich der
Kompetenzförderung im speziellen bei chronisch Kranken und Menschen mit
Beeinträchtigungen. Der integrative Ansatz beschreibt die Prävention und
Gesundheitsförderung in allen pflegerischen Arbeitsfeldern. Die Pflegeperson agiert als
Mitgestalter der Gesundheitsversorgung, gebunden an eine bevölkerungsbezogenen
Horizonterweiterung (Brieskorn- Zinke, 2007, S. 99-101).
Da die „Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson“ eine konzeptionelle Ausprägung
von Public Health Nursing darstellt, orientieren sich auch die Aufgaben der RGKpP
dementsprechend an all diesen beschriebenen Ansätzen von Brieskorn-Zinke, welche auch in
bereits bestehenden, internationalen pflegerischen Versorgungskonzepten, eine zentrale
Rolle spielen.
4.2 District Nurse in Großbritannien
District Nurse spielen im National Health Service (NHS) in Großbritannien in der primären
Gesundheitsversorgung eine entscheidende Rolle. Sie besuchen die Menschen in ihren
eigenen vier Wänden oder in Pflegeheimen, um Patienten und Patientinnen in der immer
komplexer werdenden Gesundheitsversorgung und deren Familienmitglieder zu unterstützen.
District Nurses beurteilen die Gesundheitsbedürfnisse von Patienten und Patientinnen, sowie
deren Familien und überwachen die Qualität der Versorgung. Die Zielgruppe ist nicht
altersgebunden, jedoch sind die betreuungsbedürftigen Personen meist ältere, welche kürzlich
aus dem Krankenhaus entlassen wurden, unheilbar krank sind, oder körperliche
Behinderungen haben (NHS, o.J., www).
District Nurses in Großbritannien besuchen ihre Klienten und Klientinnen jeden Tag oder sogar
mehrmals täglich. Sie bieten Beratung und Unterstützung bei pflegerischer - und
Gesundheitsthematik und arbeiteten sowohl alleine, als auch in Kooperation mit anderen
Gruppen, wie zum Beispiel Sozialdiensten, freiwilligen Agenturen und anderen NHS-
Organisationen um somit für die Klienten und Klientinnen eine individuelle und breite Palette
an Pflegedienstleistungen zur Verfügung zu stellen und zu koordinieren. Neben der direkten
Patienten und Patientinnenversorgung, haben die District Nurses eine wesentliche
Unterstützungsfunktion. Ziel ist es die Klienten und Klientinnen und deren Angehörigen so zu
unterstützen und zu fördern, dass sie sich in weiterer Folge auch um sich selbst, oder um ihre
Angehörigen kümmern können. Jede District Nurse ist für ihre Patientenfallzahlen
verantwortlich und somit auch die Anzahl an Krankenhauseinweisungen und Rückübernahme
auf ein Minimum zu reduzieren und dafür zu sorgen, dass die Patienten und Patientinnen zu
Department Gesundheit
36
Hause bleiben können, oder so schnell wie möglich zurückkehren (NHS, o.J., www).
Suzanna Whitwell- District Nurse aus Großbritannien, beschreibt einen typischen Arbeitstag
wie folgt: „In the community, you have the opportunity to look at people holistically; you have
to be aware of their whole home situation, not just their condition. It's my job to assess and
support patients, then co-ordinate a care package to give them the help they need. In future,
it's going to be more and more important that people are well looked after in their own homes.”
Auch hier kristallisiert sich wieder ganz deutlich heraus, dass es sich bei der Betreuung durch
eine Community Nurse nicht um eine reine Basisversorgung handelt, sondern um eine
individuell gestaltete „Rund-um“ Versorgung, mit dem Ziel die Betreuung und Pflege so lang
als möglich in den eigenen vier Wänden zu gewährleisten (NHS, o.J., www).
4.3 Buurtzorg- ein innovatives Modell aus den Niederlanden
Das „Buurtzorg Nederland“ ist seit 2006 ein innovatives Modell der Hauskrankenpflege in den
Niederlanden. Das Projekt entstand aus der Unzufriedenheit der „community nurses“ mit der
traditionellen Form der Hauskrankenpflege. Ein wesentlicher Aspekt dieses Modells ist der
Fokus auf die Aktivierung der Selbstpflege, das heißt die Mobilisierung und Nutzung der
Ressourcen von Klienten und Klientinnen im extramuralen Bereich. Das Modell orientiert sich
an der individuellen Bedarfslage der Klienten und Klientinnen und sucht gemeinsam mit diesen
und deren informellen bzw. professionellen Bezugspflegepersonen nach der optimalen
Lösung im primären Versorgungssystem. Die Community Nurses helfen den Klienten und
Klientinnen, ihr Leben mit Hilfe lokaler Ressourcen so weit wie möglich selbstständig zu
gestalten. Das Burrtzorg geht dabei auf wesentliche Aspekte der Schnittstellenproblematik
zwischen der intra- und extramuralen Versorgung, sowie auf allgemeine Mängel der
Langzeitpflege, auf drei Ebenen ein:
- Die individuelle Bedarfslage der Klienten und Klientinnen wird in der klassischen
ambulanten Versorgung nicht ausreichend wahrgenommen.
- Fehlen von Ganzheitlichkeit bei der reellen Organisation von Pflegeleistungen.
- Mangelhafte Kommunikation und Zusammenarbeit verschiedener Organisationen und
Leistungsanbieter im Gesundheitswesen und den Leistungserbringern (Leichsenring,
2015, S. 22).
Um diesen Mängeln entgegenzuwirken baut der Betreuungsplan des Burrtzorg auf die
Erhebung der individuellen Bedarfslage von medizinischen, rehabilitativen, sowie
Department Gesundheit
37
pflegerischen bis hin zu persönlichen und sozialen Aspekten der einzelnen Klienten und
Klientinnen auf. Weiters bietet der individuelle Betreuungsplan, Informationen zur
Unterstützung der sozialen Rolle der betreuenden Personen, sowie Möglichkeiten der
Förderung ihrer Selbstpflege zur Erweiterung der Selbstständigkeit. Auch die eventuelle
Notwendigkeit von weiteren professionellen Interventionen durch beispielsweise Physio- oder
Ergotherapeuten und -Therapeutinnen werden im Betreuungsplan integriert.
Dieses Pflegekonzept wurde von Community Nurses entwickelt und beinhaltet
zusammengefasst im Wesentlichen folgende Aspekte:
- Ganzheitliches Assessment der individuellen Bedarfslage.
- Identifizierung, Einbeziehung und Vernetzung aller formellen und informellen
Pflegepersonen.
- Erbringung von Pflege und Betreuung.
- Unterstützung der Klienten und Klientinnen seiner/ ihrer sozialen Rolle.
- Förderung der Selbstpflege und Selbstständigkeit
(Leichsenring, 2015, S. 22- 23).
4.4 Präventive Hausbesuche in Dänemark
Ein wesentlicher Teil des Primary Health Care System in Dänemark, sind die sogenannten
präventiven Hausbesuche durch Pflegepersonen, welche durch die Verwendung von
individuellen Assessments älteren Menschen in ihrem häuslichen Setting begegnen die
normalerweise in der Form im Gesundheitssystem nicht erreicht werden. Das häusliche
Assessment ist zum Einen nicht nur ein Gesundheitscheck, sondern auch die Möglichkeit die
individuelle Bedarfslage, sowie die Bedürfnisse des Einzelnen zu erfassen und dadurch auch
die Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern. Die präventiven Hausbesuche haben
zum einen das Ziel die Entwicklung von funktionellen Einbußen zu verhindern und zum
anderen die interdisziplinäre Teamarbeit auch zwischen dem primären und sekundären
Gesundheitssektor zu fördern (Vass, Avlund, Hendriksen, Philipson & Riis, 2007, S.4).
Erfolgreiche präventive Hausbesuchsprogramme haben ebenso wichtige Auswirkungen auf
die Ergebnisse der Ressourcennutzung sowie die Kosten der Gesundheitsausgaben (Huss,
Stuck, Rubenstein, Egger & Clough-Gorr, 2008,S.298).
Die Idee der präventiven Hausbesuche für ältere Menschen hat ihren Ursprung in der langen
Tradition der dänischen Sozial- und Gesundheitspolitik. Die Steuerung der Hausbesuch ist
Department Gesundheit
38
vom Gesetzgeber an die lokalen Behörden delegiert worden. Bereits in den 1960er Jahren
wurden „District nurses“ angewiesen ältere Menschen zu Hause zu besuchen und ihnen zu
Helfen. In den 1979er Jahren wurde in bestimmten Gemeinden ein lokales Projekt initiiert,
dass alle Personen ab dem 75. Lebensjahr oder älter, präventiv zu Hause, durch eine District
Nurse besucht werden sollen. Dieses Konzept wurde in den 90er Jahren von zahlreichen
Dänischen Gemeinden übernommen (Vass, et.al, 2007, S.4). Ausgangspunkt für die
gesetzliche Verankerung des präventiven Hausbesuchs in Dänemark war eine randomisierte
kontrollierte Studie aus dem Jahr 1984. Im Rahmen dieser Studie konnten die
Altenpflegeheim- und Krankenhauseinweisungen durch präventive Hausbesuche reduziert
werden. Seitdem sind alle Gemeinden Dänemarks verpflichtet den präventiven Hausbesuch
als Regelleistung anzubieten (Ströbel & Weidner, 2003, S. 41).
Die Aufmerksamkeit auf frühe Anzeichen von Unterstützungsbedarf durch präventive
Hausbesuche und die entsprechenden raschen und koordinierten Folgemaßnahmen erweisen
sich als ein geeignetes Instrument für Maßnahmen, die bei älteren Menschen die Autonomie,
Unabhängigkeit und Funktionsfähigkeit so wahren, dass sie selbstbestimmt zu Hause weiter
leben können (Vass, et.al, 2007, S.4).
Präventive Hausbesuche sind nicht nur ein Gesundheitscheck. Es ist eine Beurteilung eines
Gesundheitszustandes, auf Basis einer breiten Perspektive und dadurch die Möglichkeit eine
umfangreiche Prävention, sowie eine allgemeine Gesundheitsförderung zu verlassen. Das
Assessment muss jedoch multidimensional nicht nur mit dem Fokus auf der körperlichen
Gesundheit erfolgen (ebd., S.4).
Die Hausbesuche sind in jeder Dänischen Gemeinde unterschiedlich gestaltet. Die Kommune
Sellerod setzt die präventive Maßnahme wie folgt um:
• Ein multiprofessionelles Team aus Pflegenden, Ergo- und Physiotherapeuten und
Therapeutinnen ist für die praktische Durchführung zuständig.
• Alle Teammitglieder haben Erfahrungen im Bereich der Altenhilfe.
• Der Beratungsbesuch umfasst ein unstrukturiertes Gespräch mit den leitenden
Themengebieten Gesundheit, Alltagsbewältigung, soziale Einbindung und
Zukunftsbewältigung.
• Die Senioren und Seniorinnen bestimmen letztlich die Gesprächsthemen.
Wird während des Gesprächs ein Problembereich identifiziert, wird dieser nach Absprache mit
den Betroffenen durch Assessmentverfahren näher untersucht. Falls keine schwerwiegenden
Gesundheitsprobleme bestehen, liegt die Ergebnisumsetzung in der Verantwortung der
Department Gesundheit
39
Klienten und Klientinnen. Die Besuchsdauer beträgt in der Regel eine Stunde (Ströbel &
Weidner, 2003, S. 41-42).
4.5 Projekt EIGER- Erforschung innovativer geriatrischer
Hausbesuche
Die Schweiz als bekanntes Vorzeigeland bei der Thematik Pflege und Betreuung hat auch in
Bezug auf die in diesem Kapitel beschriebene Thematik, bereits ein Konzept für die
Familienpflege und die Förderung der Selbstständigkeit alter hochbetagter Menschen zu
Hause entwickelt.
Hintergrund hierbei ist, dass Investitionen in alternative Maßnahmen notwendig sind um
langfristig neue und zusätzliche Kosten im Langzeitpflegebereich zu verhindern. Im (Zwischen-
) Bericht 2007 zur Umsetzung der Alterspolitik im Kanton Bern, im Auftrag der Gesundheits-
und Fürsorgedirektion wurden Handlungsfelder definiert, die dazu beitragen sollen die
Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern und zu erhalten. Ziel ist es auch einen
Pflegeheimeintritt zu verzögern oder gar zu vermeiden, den Bedarf an Pflegeplätzen möglichst
gering zu halten, sowie eine ausreichende Zahl von professionellem Pflege- und
Betreuungspersonal sicherzustellen. Den Gemeinden soll dadurch auch eine Anstoß zur
Auseinandersetzung mit der Alterspolitik zu geben werden (Gesundheits- und
Fürsorgedirektion des Kantons Bern, 2007, www).
Das Projekt EIGER – Erforschung innovativer geriatrischer Hausbesuche, wurde im Zeitraum
1993-1998 von der Geriatrie Universität Bern empirisch begleitet und ergab, ähnlich dem
Konzept der präventiven Hausbesuche in Dänemark (Kapitel 4.4.) durchwegs positive
Ergebnisse. Eine erste Evaluation zeigte, dass dank präventiver Hausbesuche bei älteren
teilweise hochbetagten Personen der Eintritt ins Pflegeheim später erfolgt und dadurch
bedeutende Einsparungen im Gesundheitswesen erzielt werden (ebd., www). Die
Pflegeheimeinweisungen konnten um bis zu 34% reduziert werden. Bei jeder 15. besuchten
Person konnte der Verlust der Selbstständigkeit vermieden werden (Stuck, 2002, zitiert nach
Wild, 2009, S.6).
Diese Ergebnisse zeigen sehr deutlich die Wirksamkeit präventiver Hausbesuche und
müssten auch in Österreich aufgrund der Kostenersparnisse, die sich durch diese Maßnahme
ergeben, flächendeckend umgesetzt werden. Derartige präventive Hausbesuche gibt es unter
anderem auch bereits gesetzlich verankert seit 1996 in Dänemark für alle Bürger und
Bürgerinnen ab dem 75. Lebensjahr (Wild, 2009, S.6).
Department Gesundheit
40
4.6 „Rund ums Alter“ in Deutschland
Das Konzept „Rund ums Alter“ von Berliner Koordinationsstellen ist ein im Sinne des Case
Management im ambulanten Bereich, in Deutschland implementiertes Modell mit
geschichtlichem Hintergrund (Ehlers, 2011, S. 94).
In den 1950er Jahren kam es in Deutschland zu einem Mangel an Gemeindeschwestern, da
zum einen der Pflegeberuf wenig attraktiv war und zum anderen die stationäre Versorgung
zunahm. Zeitgleich mit der kirchlich-ambulanten Pflege, entwickelten sich die sogenannten
Sozialstationen, in denen die unterschiedlichsten sozialen und auch pflegerischen Dienste in
der Familien und Hauskrankenpflege zusammengefasst waren. Ein weiterer Wandel kam 1993
mit der Einführung der Pflegeversicherung. Die finanziellen Förderungen der Sozialstationen
durch Bundesländer reduzierten sich und die privaten Pflegedienste wurden mir den
staatlichen gleichgesetzt. Das wiederum führte zu einer Änderung des Fokus der Pflege auf
der Gemeindebasis hin zur privatwirtschaftlichen Orientierung (ebd., 2011, S. 93).
Abbildung 4: Gemeindekrankenschwester 1950, Quelle: Ehlers, 2011, S. 93
Um Tätigkeiten „der Gemeindekrankenschwester“ weiterhin in das System zu implementieren,
bedienen sich die Berliner Koordinationsstellen dem Instrument des Case Management, um
Department Gesundheit
41
als begleitende und koordinierende Dienste in den Systemen „Gesundheit und Pflege“, im
ambulanten Bereich agieren zu können (Ehlers.,2011, S. 93).
Die Aufgaben der „Pflegestützpunkte Berlin“ gestalten sich wie folgt:
- Informieren, beraten und unterstützen zu allen Fragen rund um die Pflege.
- Angebot der gemeinsamen Erstellung eines Hilfeplanes.
- Vermitteln, organisieren und koordinieren der für den Kunden notwendigen Hilfen.
- Klärung der Finanzierungsmöglichkeiten und Unterstützung bei der Antragstellung.
- Beratung hinsichtlich eines senioren- und pflegegerechten Umbaus der Wohnung.
- Beantwortung von Fragen Vorfeld von Pflege und zu Hilfen im Alter
(Pflegstützpunkte Berlin, o.J., www).
Ziel der Koordinationsstellen ist es, den Kunden und Kundinnen ein Leben im häuslichen
Setting so lange wie möglich zu gewährleisten. Bei Bedarf führen die Mitarbeiter und
Mitarbeiterinnen auch kostenlose Hausbesuche durch. Auf systemischer Basis vernetzen sich
die Koordinationsstellen mit dem niedergelassenen medizinischen Bereich, der stationären
Pflege, Therapeuten und Therapeutinnen, sowie regionalen Wohnungsunternehmen. Die
Berliner Koordinationsstellen werden zum Teil vom Land und Bezirksämtern, aber auch durch
Verbände der freien Wohlfahrt finanziert (Ehlers, 2011, S.94).
4.7 Gemeinsamkeiten der internationale Konzepte
Die in diesem Kapitel beschriebenen Konzepte, weisen, wie in der Deklaration von Alma Ata
der WHO (1978) gefordert und im Sinne des Public Health Nursing beschrieben, zahlreiche
Gemeinsamkeiten auf. Alle Konzepte beinhalten als wesentliches Element die Hausbesuche
von pflege- und betreuungsbedürften, meist älteren Menschen, durch diplomierte
Gesundheits- und Krankenpflegepersonen. Der Fokus liegt bei allen Konzeptionen im
Gegensatz zur mobilen Hauskrankenpflege nicht auf dem konventionellen pflegerischen
Aspekt, sondern auf dem präventiven Charakter von Hausbesuchen im Sinne der
Gesundheitsförderung und -beratung, sowie in der optimalen Koordinierung von
Dienstleistungen für potentielle Kunden und Kundinnen im Sinne des Case Management.
Ziele sind neben einer Verringerung des Drehtüreffekts durch stationäre Folgeaufnahmen,
auch die Unterstützung älterer Menschen und deren pflegenden Angehörigen. Durch die
Förderung des Empowerment wird versucht ein Leben im häuslichen Setting solange wie
Department Gesundheit
42
möglich zu gewährleisten und daraus resultierend auch einer Kostenreduzierung der
Gesundheitsausgaben zu erzielen. Die folgende Grafik (Abbildung 5) veranschaulicht die
Gemeinsamkeiten der beschriebenen Konzepte.
Tätigkeiten im Rahmen der Hausbesuche im Sinne des
Public Health Nursing
„District
Nurse“ des
NHS in
Großbritannien
- Tägliche Hausbesuche zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen
- Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse
- Koordination und Organisation der optimalen regionalen
Versorgungsdienstleister
- Überwachung der Qualität der Versorgung
- Unterstützung von pflegenden Angehörigen
Ziel: Reduzierung der Krankenhauseinweisungen/ Optimierung
der Versorgung zu Hause
Burrtzorg
Modell-
„Community
Nurses“ aus
den
Niederlanden
- Aktivierung der Selbstpflege (Ressourcenaktivierung)
- Ganzheitliches Assessment zur Erhebung der Bedarfslage
- Vernetzung aller formellen und informellen Pflegepersonen
- Erbringung von Pflege und Betreuung
Ziel: Optimierung der extramuralen Versorgung durch
Förderung des Schnittstellenmanagement
Department Gesundheit
43
Präventive
Hausbesuche
in Dänemark
- Assessments im häuslichen Setting zur Erfassung der
individuellen Bedarfslage
- Förderung der Selbstständigkeit älterer Menschen, sowie
deren pflegenden Angehörigen
- Auswirkungen auf die regionale Ressourcennutzung, sowie
Kosten der Gesundheitsausgaben
Ziel: Entwicklung von funktionellen Einbußen verhindern,
sowie die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den
Gesundheitssektoren fördern
„Rund ums
Alter“ in
Deutschland
- Koordinationsstellen im Sinne des Case Management im
ambulanten Bereich
- Information und Beratung mit präventiven Charakter
- Organisation und Koordinierung durch das
Gesundheitswesen
Ziel: Das Leben im häuslichen Setting so lange wie
möglich zu gewährleisten
Projekt EIGER
in der Schweiz
- (E) IGER – innovative Geriatrische Hausbesuche
- Präventiver Besuch aller älterer Menschen - ab einem
bestimmten Alter
- Förderung der Familienpflege sowie die Selbstständigkeit der
Zielgruppe
Ziel: Langfristige Kostenreduzierung im
Langzeitpflegebereich durch Verzögerung oder
Vermeidung eines Pflegeheimeintrittes
Abbildung 5: Gemeinsamkeiten internationaler Konzepte, Quelle: Eigene Darstellung
Department Gesundheit
44
4.7.1 Die Begrifflichkeit RGKpP in Anlehnung an die Konzepte
Wie in der Einleitung beschrieben, stellt der Terminus „RGKpP – Regionale Gesundheits- und
Krankenpflegeperson“ eine zum Zwecke dieser Arbeit verwendete Begrifflichkeit dar und ist
somit keine gängige literaturgestützte Begrifflichkeit für „Public Health Nurse“, „District Nurse“;
oder „Gemeindekrankenschwester“. Trotz sorgfältiger Recherche konnte auch in der Literatur
keine einheitliche Bezeichnung für diesen Tätigkeitsbereich gefunden werden.
Der Teil „Regional“ steht in Anlehnung an „District“, „Community“ oder „Gemeinde“. Der Begriff
„Krankenpflegeperson“ wird als neutrale, gendergerechte Bezeichnung statt
„Krankenschwester“ verwendet. Wie in Kapitel sechs beschrieben wird, soll das Tätigkeitsfeld
der RGKpP eine Anlehnung an die beschriebenen internationalen Konzepte und somit auch
deren positiven Facetten darstellen.
Department Gesundheit
45
5 NUTZEN DER RGKPP AUS EXPERTEN UND
EXPERTINNENSICHT
Im folgenden Kapitel soll zur Darstellung der Umsetzung des Konzepts, in einer
Niederösterreichischen Gemeinde, vorab die Meinung von Experten und Expertinnen aus
verschiedenen Blickwinkeln eingeholt werden.
5.1 Methodik
Für die Beantwortung der Forschungsfrage erfolgen neben dem vorangegangenen
Literaturteil, sechs qualitative halb standardisierte Experten- und Expertinneninterviews im
Rahmen eines nicht- experimentellen Forschungsdesign.
Als Richtlinie für die Interviews dient ein eigens erstellter Interviewleitfaden.
Die Auswertung der Daten erfolgte mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.
Ziel der gewählten Methodik ist es, durch die breit gefächerten Wahl an Interview
TeilnehmerInnen einen 360 Grad Blick auf die Thematik „Schnittstellenproblematik“,
„Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von regionalen Gesundheits-
und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in das erstellte Berufskonzept
einfließen zu lassen.
Die Dimensionen der vorliegenden Auswertung sind zusammengefasst wie folgt:
- Design: Nicht- experimentelles Design.
- Umgebung: Feldforschung- Befragung im „natürlichen“ Kontext.
- Erhebungsverfahren: halb standardisierte Interviews.
- Art der Daten: deskriptive Daten.
- Auswertung: Inhaltsanalyse nach Mayring.
Das folgende Kapitel begründet die Wahl der Methodik, der Interviewpartner, die Konstruktion
des Interviewleitfadens, sowie die Auswertung der Daten mittels dem Konzept der
Inhaltsanalyse nach Mayring.
5.2 Methodenbegründung
Zur Beantwortung der Forschungsfragen wurden leitfadengestütze, problemzentrierte
Experten- und Expertinneninterviews gewählt.
Das Leitfadeninterview ist eine halb standardisierte Methodik die als Gesprächsgrundlage
offenen Fragen beinhaltet, welche von den Interviewpartner und -partnerinnen möglichst frei
Department Gesundheit
46
beantwortet werden sollen. Bei der Problemzentrierung steht die persönliche Sichtweise zu
einem gewissen Problembereich innerhalb einer Gesellschaft im Vordergrund. Die Befragung
von Experten und Expertinnen aus ihren jeweiligen Bereichen dient der Ermittlung von
Kontextwissen, sprich der Rekonstruktion des Wissens von Menschen, die in der Praxis in
einem bestimmten Umfeld tätig sind (Mayer,2007, S.181-182).
Die Aussagen der Interviewten Personen sollen die literarischen Fakten untermauern und mit
dem Wissen aus ihren Bereichen den Nutzen von Regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen, in Anlehnung an internationale Konzepte, in der österreichischen
Primärversorgung, aufzeigen. Mithilfe der gewonnen Erkenntnissen aus den Interviews, wird
eine Vervollständigung der theoretischen Ergebnisse, sowie die theoretische
Konzeptionierung des Aufgabengebiet einer regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegeperson in den österreichischen Gemeinden, angestrebt.
Wesentlich sind auch die Beispiele und Sichtweisen der Experten und Expertinnen aus dem
privaten und öffentlichen Sektor, sowie aus dem politischen und dem Berufsvertretungssektor.
5.2.1 Auswahl der Experten und Expertinnen
Nach Mayer (2007, S.183) wir jemand „als Experte angesprochen, der in irgendeiner Weise
Verantwortung für den Entwurf, die Implementierung oder Kontrolle einer Problemlösung trägt
und über einen privilegierten Zugang zu Informationen über Personengruppen und
Entscheidungsprozessen verfügt. Das bedeutet, dass ein Experte eine Expertin mehr ist als
ein bloßer Akteur oder eine Akteurin in dem bestimmten Feld in dem er oder sie sich bewegt.“
Die Auswahl der Interviewpartner und -partnerinnen für diese Masterarbeit beruht auf
mehreren Faktoren. Primärer Aspekt war es eine Auswahl an Interviewpartner und-
partnerinnen mit differenten Erfahrungen und Sichtweisen auf die Primärversorgung zu
befragen und daraus resultierend einen 360 Grad Blickwinkel auf die Thematiken
„Schnittstellenproblematik“, „Optimierung der Primärversorgung“ sowie „Implementierung von
regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen“ zu erhalten und in das Ergebnis in das
erstellte Berufskonzept einer RGKpP einfließen zu lassen.
Weiters stammen die Befragten sowohl aus dem privaten, dem öffentlichen und dem
Berufsvertretungssektor, wodurch kritische Perspektiven mit Praxisbezug generiert werden
können.
- Experteninterview I: Herr Rene Lobner - Bürgermeister der Stadt Gänserndorf und
somit auch wesentlicher Entscheidungsträger bei regionalen politischen
Gesundheitsentscheidungen.
Department Gesundheit
47
- Experteninterview II: Frau Christine Traunig - Pflegende Angehörige seit über zehn
Jahren, derzeit mit Unterstützung einer 24- Stunden Betreuung.
- Experteninterview III: Frau Betina Rauscher, MSc - Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum
zur qualitätsicherung in der häusliche Pflege sowie Stationsleitung in einem
niederösterreichischen Landespflegeheim.
- Experteninterview IV: Frau Thekla Stoff - 84 Jahre alt, wohnt in einer Wohnung des
Betreubaren Wohnen und war selbst auch pflegende Angehörige.
- Experteninterview V: Herr Werner Krammer - Diplomierter Gesundheits- und
Krankenpfleger, Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach.
- Experteninterview VI: Frau Birgit Meinhard- Schiebel, Präsidentin der
Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger sowie Senioren- und
Gesundheitssprecherin der Grünen Wien.
Die Interviews fanden in einem natürlichen Umfeld, im Büro, in einem Café nahe der
Arbeitsstätte oder zu Hause statt und hatten eine durchschnittliche Länge von je 30 Minuten
pro Interview.
5.2.2 Konstruktion der Interviewleitfäden
Die Leitfäden für die sechs problemzentrierten Interviews dieser Masterarbeit, beruhen
inhaltlich vorwiegend auf den Erkenntnissen des Literaturteiles und sind im Anhang A2- A7,
Leitfaden der Experten- und Expertinneninterviews, einzusehen und nachzulesen. Die Inhalte
wurden nach der Auswahl der Experten und Expertinnen, sowie an deren Kompetenzen
gewählt. Als Orientierungsrahmen für den Aufbau galten die Inhalte der Kapitel drei und vier
dieser Masterarbeit. Die Interviewleitfäden bestehen inhaltlich aus vier Themenblöcken. Dem
persönlichen Erfahrungswert in der Primärversorgung, in ihrer jeweiligen Rolle als Experte und
Expertin, dem Aspekt der Schnittstellenproblematik; dem Nutzen internationaler Konzepte wie
beispielsweise das der „Community Nurse“; sowie dem Aspekt der Implementierung von
Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson in Anlehnung an die besprochenen
Konzepte. Im Laufe der Gespräche wurde individuell genauer auf Unterpunkte und spezielle
Thematiken eingegangen.
Nach der Einführung in die Thematik durch die Interviewerin wurde mittels einer offenen
Fragestellung der Aufgabenbereich und die Erfahrungswerte im Rahmen der jeweiligen
Tätigkeit oder in der jeweiligen Rolle erfragt.
Nach der Leitfrage bzw. Erzählungsaufforderungen folgten im zweiten Block die Fragen zu
den inhaltlichen Aspekten der Primärversorgung. Je nach Qualifikation und Setting, zur
Department Gesundheit
48
Thematik pflegebedürftige Personen in der häuslichen Umgebung, den Versorgungsstrukturen
und Erfahrungsberichten aus dem Kontakt mit dem Gesundheitswesen. Da es sich um ein
halb standardisiertes Interview handelt, ergaben sich zahlreiche Fragen erst im Laufe des
Interviews.
Der dritte Themenblock behandelt die Inhalte der internationalen/ europäischen Konzepte wie
das der „District Nurse“ oder auch der sogenannten „Gemeindekrankenschwester“.
Nach einer Einführung und Erläuterung der Konzepte, sowie der Darstellung der
gemeinsamen Schwerpunkte im Rahmen des Interviews durch die Interviewerin, wurden die
Interviewteilnehmer und -teilnehmerinnen nach dem Nutzen der zentralen Aspekte der
Konzeptionen befragt.
Gegenstand der vierten Kernfrage waren die persönliche Meinung zu wesentlichen inhaltlichen
Aspekten sowie der Benefit der Implementierung von regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen zur Optimierung der Primärversorgung in den österreichischen
Gemeinden.
Durch die Vorgabe der Kernpunkte konnte sichergestellt werden, dass das gesamte Spektrum
der Themenbereiche abgedeckt wird. Die inhaltlich ähnliche Struktur der Interviews ist
Grundlage für die anschließende qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring.
5.2.3 Durchführung der Interviews
Im Zuge der ersten Kontaktaufnahme wurden die Experten und Expertinnen über die
Fragestellung des Interviews, die Grundzüge der Masterthesis und den Ablauf des geplanten
Gespräches informiert. Die Interviewpartner und -partnerinnnen wurden darauf hingewiesen,
dass die Befragung aufgezeichnet, transkribiert und die Inhalte anonymisiert in der Arbeit
verwendet werden. Alle Interviews wurden persönlich durchgeführt.
Den Experten und Expertinnen wurde jeweils eine Einverständniserklärung (siehe Anhang A1)
zum Interview zur Unterfertigung der genannten Punkte vorgelegt. Da alle Interviewpartner
und -partnerinnen mit einer Unterschrift einwilligten, wurden die Gespräche mit dem
Mobiltelefon aufgezeichnet. Zur Vermeidung externer Einflüsse fanden alle Interviews in
ruhiger und für die Gesprächspartner und -partnerinnen gewohnter Umgebung statt. Die Dauer
der Interviews variierte zwischen 25 und 30 Minuten. In allen Fällen erfolgte ein
kontinuierliches Gespräch nach dem festgelegten Schema.
Department Gesundheit
49
5.2.4 Auswertung der Interviews- Inhaltsanalyse nach Mayring
Wesentlich bei der Inhaltsanalyse nach Mayring ist die Orientierung nicht an vorab definierten
Kategorien, sondern diese aus dem erhobenen Material heraus zu bilden. Die Richtung geben
dabei ausschließlich die Forschungsfragen vor. Speziell für offene Erhebungsverfahren ist
diese Methode besonders geeignet. Das Vorgehen ist dabei wie folgt:
- Interviews lesen.
- Für den Inhalt wesentliche Stellen identifizieren.
- Zusammenhängende, inhaltstragende Aussagen paraphrasieren.
- Primärkategorien aus den Paraphrasen bilden.
- Zusammenfassen (= inhaltsgleiches streichen).
- Das Kategorieschema durch die Bearbeitung der restlichen Interviews ergänzen
(Mayer, 2007, S.246).
Abbildung 6: Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehung an
Mayring, 2003, S.60
Bestimmung der AnalyseParaphrasieren der Inhaltstragenden
Textstellen
Generalisierung der Paraphrase unter dem
Abstraktionsniveau
1. Reduktion durch Selektion und Streichung
bedeutungsgleicher Paraphrasen
2. Reduktion durch Bündelung und Integration von
Paraphrasen
Zusammenstellung der neuen Aussagen als
Kategorie System
Rücküberprüfung mit dem Ausgangsmaterial
Department Gesundheit
50
5.2.5 Entwicklung des Kategorieschemas
Wie bereits beschrieben wird für die Auswertung der durchgeführten Expertinnen und
Experteninterviews die qualitative Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring herangezogen. Der
Entscheid beruht auf dem Bestehen einer theoriegeleiteten Vorgangsweise, wodurch die
Daten mittels Kategorie- System überprüft, thematisch komprimiert und analysiert werden
(Mayring, 2015, S. 114). Die Wahl fiel auf die „inhaltliche Strukturierung“ bezüglich der drei
möglichen Analysetechniken, welche von Mayring beschrieben werden, da durch diese
Technik das vorliegende Datenmaterial hinsichtlich der speziellen Themen extrahiert und
zusammengefasst werden kann (Mayring, 2015, S. 85).
Für die Kategorie Darstellung wurden die Leitfäden der Interviews, welche auf den
Ergebnissen der Literaturrecherche beruhen, als Vorlage herangezogen. Da die Leitfäden alle
Hauptthemen beinhalten, ergaben sich keine Erweiterungen der Hauptkategorien. Das
angewandte Schema ist im folgenden in Abbildung sieben ersichtlich.
5.3 Ergebnisdarstellung der Experten- und
Expertinneninterviews
Das folgende Kapitel beschreibt die Ergebnisse sowie die Interpretation des empirisch
erhobenen Datenmaterials. Dabei wurde wie folgt vorgegangen: Es erfolgte eine
Paraphrasierung und Selektion der konstruktiven Aussagen der Interviewpartner und
-partnerinnen. Auf Basis der Inhalte wurden Subkategorien zu den Hauptkategorien des
Interviewleitfadens gebildet und die jeweiligen Paraphrasen den Themen zugeordnet.
Dementsprechend dienen die Subkategorien einer thematischen Strukturierung.
Department Gesundheit
52
5.3.1 Gesundheitspolitische Situation und Bedarfseinschätzung im Kontext
der Primärversorgung
5.3.1.1 Veränderung der Altersstruktur in der Gesellschaft
Die Demographische Entwicklung, welche durch die Alterung der Gesellschaft und somit auch
durch eine höhere Lebenserwartung einhergeht, ist unter anderem durch die Veränderung und
Häufung unterschiedlichster Krankheitsbilder gekennzeichnet. Was aus den Interviews klar
hervor geht, ist bereits jetzt zu erkennen, dass der Bedarf der gesundheits- und pflegerischen
Versorgung ansteigen wird und es zu einer Fokus Verschiebung hinsichtlich der
Betreuungsformen kommen wird.
„Das ganze Sozialsystem wird aufgrund der Altersstruktur unserer Gesellschaft in
Zukunft einfach ein zentrales Thema sein und da sind wir gut beraten uns jetzt einfach
schon Lösungsansätze zurecht zu legen, die uns dann in Zukunft das Leben erleichtern
werden.“ ([Interview I] siehe Anhang A.8)
„Wir werden alle älter. Da wird man sich was überlegen müssen. Die Generationen
werden immer älter und wie wollen wir das bewältigen (?)“ ([Interview II] siehe Anhang
A.9)
Eine Steigerung des Krankheitsbildes Demenz führt in der Versorgungsstruktur immer mehr
zu Herausforderungen die es durch die Adaption des primären Versorgungssystems, sowie
durch die schrittweise Anpassung an den aktuellen Versorgungsbedarf, zu bewältigen gilt.
Nicht außer Acht gelassen werden darf dabei vor allem die Änderung der
Gesellschaftsstruktur, hinsichtlich der sinkenden Zahl an funktionierenden Familien-
verbänden, versus steigender Zahlen an Singlehaushalten.
„Es gibt mehr dementielle Erkrankungen als früher. Ich glaube nicht, dass es der Grund
alleine ist, dass jetzt die Leute alle plötzlich hundert werden, denn sie werden nicht alle
hundert. Aber das man heute aufgrund der Diagnostik viel genauer hinschaut. (…) Man
muss auf alle Fälle bei der Planung der Versorgung miteinplanen, dass das langwierige
Erkrankungen sind, die ein erhebliches Ausmaß an Unterstützung benötigen“
([Interview VI] Anhang A.13)
„ Es gibt immer mehr ältere Menschen die alleiinstehend sind und die dann, wenn sie
wirklich erkranken oder ein Problem haben, diese Personen in das gesamte
Gesundheitsversorgungsnetz einzubinden, vor allem wenn eine dementielle
Erkrankung besteht, das ist ein Problem.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Department Gesundheit
53
5.3.1.2 Ökonomischer Aspekt pflegerischer Versorgung
Die Experten- und Expertinnenmeinungen der Interviewpartner und -partnerinnen gehen mit
der Literatur d‘ accord das auch hinsichtlich des ökonomischen Aspekts der pflegerischen
Langzeitversorgung ein gesundheitspolitisches Umdenken gefragt ist.
„Da gibt es dann immer die Sorge das kostet dann mehr Geld. (…) Wenn man klug und
ökonomisch mit den Pflegekräften umgeht und dann eben nur drei Menschen
permanent betreut, hat das vielmehr Effekt, als wenn ich 25 betreuen muss. Weil dann
sind wir bald einmal wieder dort, dass es ein Problem gibt. („Thematik Pflegeskandal
Lainz“) Aber diese Rechnung muss der Gesundheitsökonom machen und sagen, das
bringt in Wirklichkeit viel mehr. Und das bringt Volkswirtschaftlich mehr. Das ist ja
immer der Streitpunkt. Da sagt man immer das ist zu teuer, aber das stimmt nicht.
Letztendlich muss ich schauen, was bleibt am Ende über.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Es müssen die Effizienz sowie der langfristige Effekt der pflegerischen Betreuung betrachtet
werden. Durch eine hochqualitative Betreuung im kleineren Setting, kann der Fokus mehr auf
den gesundheitsfördernden sowie auf den Empowerment Ansatz gerichtet werden und
demzufolge auf längere Sicht eine Kostenreduktion in der Versorgung von (chronischen-)
Erkrankungen herbeigeführt werden.
5.3.1.3 Berücksichtigung des Wunsches der Bevölkerung
Der Wunsch und der Bedarf der Bevölkerung muss bei gesundheitsökonomischen
Entscheidungen eine Rolle spielen.
„50% der Landesmittel werden in die Bereiche Soziales und in Gesundheit investiert.
Es ist sehr wichtig, dass man die in individuellen Wünsche, oder auch die Wünsche der
Bevölkerung respektiert, beziehungsweise auch in Zukunft in die Bedarfsplanung
miteinfließen lässt. Da wird es ab und an wahrscheinlich neue Lösungsansätze geben
müssen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
5.3.1.4 Ausbau der Versorgung im extramuralen Bereich
Im Rahmen der Interviews zeigt sich deutlich die Tendenz, dass es zu einer Verschiebung der
Versorgungsstruktur, weg von der intramuralen stationären Versorgung in
Pflegeeinrichtungen, hin zu der extramuralen Betreuung zu Hause in der gewohnten
Umgebung kommt.
Department Gesundheit
54
„Meine Tante wollte, wie so viele alte Menschen, nicht in ein Heim. Ich habe gesagt,
okay, wenn sie so gar nicht will, dann machen wird das von zu Hause.“ ([Interview II]
Anhang A.9)
„Ich möchte nicht in ein Heim. Wenn ich es mir aussuchen kann, dann bleibe ich lieber
zu Hause in meinen eigenen vier Wänden.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
„Solange ich körperlich noch konnte, hätte ich ihn nie in ein Heim geben können.“
([Interview IV] Anhang A.11)
Auch der Ausbau alternativer Wohnformen wie das betreubare Wohnen, scheint für die
zukünftige Entwicklung des Betreuungssystems unabdingbar.
„Wir wissen, dass sehr viele ältere Menschen in den eigenen vier Wänden alt werden
wollen. Es ist so, dass das betreute Wohnen primär in den größeren Einheiten,
größeren Gemeinden, Kommunen Platz findet. Für die Menschen wird es immer
wichtiger für ihren Lebensabend die ideale Lösung zu finden. Darum wird die Thematik
„Betreutes Wohnen“ in den nächsten Jahren weiter steigen da der Bedarf enorm groß
sein wird.“ ([Interview I] Anhang A.8 )
5.3.1.5 Kapazität der Pflegeheimplätze
Die sinkenden Zahlen an Pflegeheimplätzen, vor allem auch im Bereich der Kurzzeitpflege
stellen ein Problem dar. Diese Problematik wirkt sich laut Experten- und Expertinnenmeinung
auch unmittelbar auf das regionale Entlassungsmanagement der Landeskliniken aus.
„In den Landespflegeheimen unterscheiden man zwischen Kurzzeitpflege,
Übergangspflege und Langzeitpflege. Grundlegend ist hier zu sagen, dass die
Kapazität der Betten eher dürftig ist. Es ist zu erkennen, dass der Trend zur 24 Stunden
Betreuung mehr wird. Die Heimplätze werden aus- mir nicht bekannten Gründen, nicht
erweitert. Es werden zwar Heime neu gebaut, aber die Bettenanzahl wird nicht erhöht.
(…) Die Kapazitäten gemessen an dem gegeben Bedarf werden nicht erhöht, obwohl
wir schon Leute haben, die 95 oder 100 Jahre alt werden.“ ([Interview V] Anhang A.12)
Ein weiterer Aspekt für den zunehmenden Abbau der intramuralen Versorgung in den
Pflegeeinrichtung basiert auf dem Kostenfaktor, sowie dem Aspekt, dass in diesem speziellen
Beispiel im Land Niederösterreich, für die finanziellen Aufwendungen der Pflege, auch
materielle Besitztümer herangezogen werden, was vor allem die Angehörigen abschreckt ihre
zu betreuenden älteren Menschen in einer Pflegeeinrichtung langfristig versorgen zu lassen.
Department Gesundheit
55
„Es ist sehr schwierig bei Angehörigen das Verständnis zu erlangen, dass die
pflegebedürftigen, die Besitz haben und diesen nicht weitergegeben haben, aber
bereits 85 Jahre alt sind, das dieser für einen Pflegeheimplatz belehnt wird. Das heißt
das Land erhebt für einen Pflegeheimplatz, wenn ein Eigentum zum Beispiel ein Haus
vorhanden ist und dieses nicht länger als fünf Jahre an Angehörige überschrieben
wurde, Anspruch auf dieses Eigentum. Derjenige der nichts hat, hier zahlt die
Allgemeinheit. Das ist ein großes Problem, wo dann natürlich Missmut gegenüber
unserem Versorgungsystem aufkommt.“ ([Interview V] Anhang A.12)
5.3.1.6 Bedarfsteigerung betreubarer Wohnformen
Wie bereits kurz erwähnt, entwickelt sich, wie auch aus den Interviews hervor geht, eine immer
häufig zu tragen kommende Versorgungsalternative im österreichischen Versorgungssystem,
das Betreubare Wohnen. Dabei handelt es sich um mehrere kleinere und größere
Wohneinheiten in einem Haus, die durch Pflegeeinrichtungen oder extramurale Dienste
mitversorgt werden. Den Bewohner und Bewohnerinnen steht jederzeit die Option offen, einen
mit Zusatzkosten verbundenen Betreuungsvertrag mit der jeweiligen Organisation
abzuschließen. Diese Form der Versorgungseinrichtung scheint für viele eine ansprechende
Alternative zu einer Betreuung zu Hause oder in einem Pflegeheim.
„Wenn ein neues Projekt betreutes Wohnen entsteht, ist das Interesse sehr groß. Das
heißt offensichtlich ist der Bedarf enorm groß. (…) Der Bedarf wird mit Sicherheit auch
in Zukunft weiter ansteigen. Jedes Mal wenn Einheiten hier entstehen, sind diese
innerhalb kürzester Zeit vergeben. Das heißt für mich, dass da ein enormer Bedarf da
ist und viele Leute die jetzt noch nicht in einer akuten Situation sind, trotzdem
weitblickend vorrausschauen, weil sie aus familiärer Sicht niemanden da ist der sie
unterstützt.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Zu Hause war ich ganz alleine und hier hat man ja doch irgendjemanden. In einem
Haus alleine bin ich nicht mehr zurechtgekommen, das war zu groß. Ich habe nicht
mehr alle Arbeiten machen können und so habe ich mich entschlossen, verkaufen und
hier her ziehen.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
Der Kostenfaktor, der jedoch bei jeder Form der Pflege und Betreuung in Österreich ein Thema
ist, lässt aus Sicht der Interviewpartner und -partnerinnen viele derzeit noch vor dem
Abschluss eines Betreuungsvertrages im Betreuten Wohnen, zurückschrecken.
„Die Leute die zum jetzigen Zeitpunkt in der akuten Situation sind, dass sie diesen
Vertrag in Anspruch nehmen, die sind froh darüber das es die Option gibt. Diejenigen
Department Gesundheit
56
die noch keinen Bedarf für sich darin sehen, die das eher als zukünftige Option sehen,
zögern da ein Stück weit, weil es natürlich auch mit monatlichen Kosten verbunden ist.
Aber so einen Vertrag zu haben, das ist auf jeden Fall sicher sinnvoll. „
([Interview I] Anhang A.8)
„Wenn man Betreuung möchte ist diese in einem Teil der Häuser integriert. Da ist die
Volkshilfe drinnen. Natürlich ist es das gleiche wie überall, wenn du es in Anspruch
nehmen willst, musst du es extra zahlen.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
5.3.1.7 Monitoring der 24-Stunden-Betreuung
Die vierte Versorgungssäule, die 24-Stunden-Betreuung welche sich durch eine
Gesetzesnovelle im Jahr 2007 legalisiert werden konnte, wird nach wie vor mit einer großen
Mehrheit von Personen aus der Slowakei oder Tschechien geleistet. Der Bedarf an 24-
Stunden-Betreuungskräften ist stetig steigend und rückt immer mehr in den zentralen Fokus
des österreichischen Versorgungssystems.
„Durch die in Anspruchnahme von 24- Stunden Kräften fühlen sich zahlreiche
pflegende Angehörige entlastet, denn wenn sonst das Telefon abends oder nachts
läutet, muss selbst die Initiative ergriffen werden. Das ist eben der Nachteil bei der
Hauskrankenpflege. Die können maximal drei bis viermal am Tag zum Patienten
kommen. Mehr geht von der Kostenseite her nicht. Darum habe ich manchmal den
Eindruck, dass die 24 Stunden Betreuung sukzessive mehr wird.“ ([Interview V] Anhang
A.12)
Die 24-Stunden-Betreuung wird von verschiedensten Anbietern, auf verschiedenste Art und
Weise angeboten. Von selbst organisierten Personen, über die zahlreich entstandenen
privaten Agenturen, bis hin zu Non Profit Organisationen.
„Es gibt die privat organisierten 24-Stunden Betreuerinnen die über diverse private
Agenturen oder ganz privat organisiert werden. Dann haben wir die Einrichtungen, wie
das Hilfswerk, wo man ein gewisses Monitoring, einen gewissen Überblick auch über
das Land direkt hat. Das ist bei den privaten eher weniger. Da haben wir weniger den
Zugang. Über das Hilfswerk direkt pflegen wir natürlich einen relativ intensiven Kontakt
und da funktioniert es aus meiner Sicht relativ gut.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Ganz viele sind über Organisationen organisiert, wie die Caritas oder das Hilfswerk.
Einige nehmen sich auch die „Helfenden Hände“. Kaum jemand hat sich es privat
organisiert. Der Großteil sicher 95% wickelt das über irgendeine Agentur ab. Ich denke
Department Gesundheit
57
auch deshalb um es nicht selbst abdecken zu müssen wenn jemand krank wird.“
([Interview III] Anhang A.10)
„Die Holding in Niederösterreich besitzt eine Liste wo neben Hilfswerk, Caritas und
Volkshilfe, auch alle genannten Firmen sind, die 24 Stunden Betreuung anbieten, die
auch einen sogenannten Qualitätszirkel über das Land Niederösterreich aufweisen
können. Das heißt diese Agentur muss sich auch kümmern, dass diese betreute
Person auch einen richtigen Umgang hat.“ ([Interview V] Anhang A.12)
Mit dem 1. Jänner 2009 wurden wie im Kapitel 3.2 bereits erwähnt, per Gesetzt
Qualitätsanforderungen im Bereich der Förderung der 24-Stunden-Betreuungsverhältnisse an
die Betreuungskräfte gestellt. Diese Kriterien werden durch das Kompetenzzentrum zur
qualitätsicherung der häuslichen Pflege kontrolliert und erst danach können Betroffene eine
Förderung in Anspruch nehmen.
„Wenn jemand angesucht hat um 24-Stunden-Pflege, dann ist er in er in einem
separaten Los Topf. Denn um die Förderung zu bekommen, erfolgt immer ein Besuch.
Wenn die Person aber nicht angegeben hat, dass sie 24-Stunden-Betreuung in
Anspruch nimmt, weil die Person gar nicht weiß das es eine Förderung gibt, dann ist
der oder diejenige im ganz normalen Los Topf und hat Glück, wenn jemand von der
Qualitätsicherung kommt und sagt, dass es da eine Förderung gibt.“ ([Interview III]
Anhang A.10)
Das Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der häuslichen Pflege führt jährlich eine
einmalige Kontrolle der 24-Stunden-Betreuung im häuslichen Setting durch. Diese zeigt in den
letzten Jahren durchwegs eine positive Resonanz.
„Die Betreuung erfolgt durchwegs durch ausländisches Personal. Ich hatte in den
letzten Jahren keine einzige österreichische 24 Stundenkraft. Also es sind durchwegs
Slowakische, oder Rumänische oder Polnische Kräfte, die nicht immer die Sprache gut
beherrschen, aber sich meiner Meinung nach gut um die Kunden kümmern. Fachlich
nicht immer gänzlich korrekt, aber durchwegs sehr bemüht sind.“ ([Interview III] Anhang
A.10)
Viele pflegende Angehörige haben auch negative Erfahrungen mit der meist laienhaften
Versorgung durch 24-Stunden-Betreuungskräfte gemacht. Hier wäre ein stetiges Monitoring,
sowie die Beratung und Unterstützung durch eine Pflegefachkraft, wie eine regionale
Gesundheits- und Krankenpflegeperson es darstellt von Vorteil.
Department Gesundheit
58
„Die Alternativen die es heutzutage gibt, die 24 Stunden Pflege, ist nicht so gestaltet,
dass die pflegenden Angehörigen sie wirklich als Entlastung erleben.“ ([Interview VI]
Anhang A.13)
„Es gibt Damen, die muss man einfach kontrollieren. (…) Wenn man gute PflegerInnen
hat, dann läuft es relativ gut. Es sind aber nicht alle PflegerInnen wirklich PflegerInnen
und gut. (…) In elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt. PflegerInnen über
Mundpropaganda, auf Empfehlung, über Agenturen. Man braucht Kräfte die das
ordentlich machen. (…) Zuletzt habe ich eine Agentur gehabt, wo man im Monat 140
Euro zahlt. Da ist niemals kontrolliert worden. Da ist niemals geschaut worden, wie
geht’s dem Patienten. Da bin ich niemals angerufen worden und das hat mich eigentlich
sehr gestört. Wenn ich eine Agentur habe, dann möchte ich auch unterstützt werden.“
([Interview II] Anhang A.9)
5.3.1.8 Qualitätssicherung häusliche Pflege
Begonnen wurde im Jahr 2001 mit rund 1.000 Hausbesuchen jährlich. Aufgrund der rasch
erkannten Notwendigkeit in dieser Sache ist die Anzahl dieser Zielgruppe seitens des BMASK
sukzessive angehoben worden. In den letzten Jahren wurde das Kompetenzzentrum zur
qualitätsicherung der häuslichen Pflege mit der Durchführung von mindestens 20.000
erfolgreichen Hausbesuchen pro Jahr bei Pflegegeld beziehenden und 24 Stunden Betreuung
in Anspruch nehmenden Personen, beauftragt.
„In der qualitätsicherung der häuslichen Pflege geht es darum, die Menschen zu Hause
zu besuchen und deren Versorgung sicher zu stellen. Ziel ist es zu schauen, ob die
Betroffenen über alle Informationen die es vor allem Bezirksbezogen und
Regionsbezogen gibt, bescheid wissen. Die Menschen zu informieren was es noch für
Möglichkeiten es sowohl rechtlich als auch fördermäßig gebe, als auch behelfsmäßig
und darüber zu informieren, welche Angebote zu ihrem Krankheitsbild es in der
Gemeinde oder im Bezirk gibt. (…) Die Beratung durch die Qualitätsicherung in der
häuslichen Pflege, erfolgt einmalig. Ist nach erfolgtem Besuch alles in Ordnung ist, ist
dieser Mensch für zwei Jahre von dem System gelöscht. 540.000 Pflegegeldempfänger
haben wir derzeit in Österreich. Und 20.000 werden jährlich von der Qualitätssicherung
besucht. Da kann man sich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass man wieder
besucht wird. (…) Die Hausbesuche stellen keinen laufenden Prozess im Sinne eines
Case Management dar. Die Kontrollen und Beratungen erfolgen einmalig und nur bei
Bedarf findet eine Nachkontrolle statt.“ ([Interview III] Anhang A.10)
Department Gesundheit
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5.3.1.9 Unterstützung pflegender Angehöriger
Dass die Laienpflege durch Angehörige einen unverzichtbaren Bestandteil des Pflegesystems
in Österreich darstellt, wurde im Kapitel 3.3. genauer erläutert. Auch die Experten und
Expertinnen haben den wesentlichen Aspekt und Förderbedarf pflegender Angehöriger
erkannt und mit Nachdruck betont.
„Die hunderttausend pflegenden Angehörigen in Österreich müssen besser
repräsentiert werden und vor allem das es von ihrer Seite her auch Forderungen gibt,
die ihren täglichen Lebensalltag betreffen. Es geht darum, dass sie bessere
Betreuungs- und Unterstützungsangebote bekommen. Wichtig sind niederschwellige
Zugänge und, dass das Pflegegeld jährlich valorisiert wird und nicht nur alle paar Jahre.
Es gilt von den systemischen Anforderungen zu erkenn, dass Menschen die in dieser
Situation sind, nicht alleine gelassen werden weil sie zumeist 24 Stunden mit der
Thematik beschäftigt sind.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.1.10 Primary Health Care Center (PHC)
Die vom Bundesministerium für Gesundheit entwickelten Konzepte zum Thema
“Primärversorgung Neu” wird Beispielweise in Wien als Pilotprojekt mit einem sogenannten
„Primary Health Care Center“ (s. Kapitel 2.1.1) umgesetzt. Das Projekt orientiert sich am
Modell für Gruppenpraxen mit freiberuflichen Ärzten und Ärztinnen und hat zum Ziel sich durch
längere Öffnungszeiten und Wochenenddienste, um insbesondere die kontinuierliche
Versorgung von chronisch Kranken, multimorbiden und geriatrischen Patienten und
Patientinnen zu kümmern. Kritisch zu betrachten ist dabei, dass es sich nach wie vor um ein
noch nicht ausgereiftes Projekt und nicht um ein konkretes gesetzlich verankertes Konzept
handelt.
„Das Gesetz dazu gibt es noch nicht. Es gibt eine Gesetzesvorlage und es steht zur
Diskussion ob diese im Herbst dann endlich fertig ist. Es gibt bereits zwei Pilotprojekte
in Wien. Es gibt auf der einen Seite die Diskussion, was machen dann die Hausärzte
(?) Wie muss das Setting aussehen (?) Darf das nur eine Variante geben und ist alles
andere dann nicht dementsprechend (?) Wenn zum Beispiel eine Komponente fehlt (?)
Das ist ein sehr komplexes Thema.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Department Gesundheit
60
5.3.2 Pflege- und Betreuungssituation im häuslichen Setting
5.3.2.1 Belastung pflegender Angehöriger
Die Ergebnisse aus den Experten- und Expertinneninterviews stimmen mit der Theorie über
ein. Wer pflegt, ist in der Regel langfristig gebunden und der Aufwand ist hoch. Die
Belastungen aus der Pflege sind zumeist über einen längeren Zeitraum im häuslichen Umfeld
existent und dieser Umstand wirkt sich verstärkend auf das pathogene Potential der
Pflegebelastungen aus. Das Augenmerk auf Belastungen zu legen ist auch von
gesellschaftlicher Bedeutung, da das verringerte Wohlbefinden und in Folge der
Zusammenbruch der häuslichen Pflegesituation, die langfristige Folge der Konfrontation mit
pflegebedingter Belastungen sein kann.
„Weil 80% in Form von Laienpflege passiert. Die Familien natürlich auch sehr, sowohl
zeitlich, als auch Ressourcen mäßig eingebunden sind und das eine enorme Belastung
ist für die Angehörigen ist. Auch weil die Angehörige oftmals unter massiven Druck
stehen und es sicher eine Belastung ist, die nicht zu unterschätzen ist. „([Interview I]
Anhang A.8)
„Es ist schon sehr anstrengend. Ich sag immer es ist mein Halbtagsjob. Ich bin Gott sei
Dank in Pension. Aber es ist, wenn ich es stundenmäßig zusammen rechne, ein
Halbtagsjob. Die Gedanken ruhen auch nicht. (…) Jedes Telefonat, wenn ich den
Nachnamen meiner Tante am Telefon sehe, das ist wenn mich eine Pflegerin anruft,
werde ich schon nervös. Das belastet schon. Vor allem über diese lange Zeit.“
([Interview II] Anhang A.9)
„Eine große Problematik ist auch der Stress und der psychische Faktor der hier vor
allem Auftritt. Viele Angehörige fühlen sich einfach verpflichtet und sind aber massiv
überlastet und kommen mit der Situation überhaupt nicht zurecht.“ ([Interview III]
Anhang A.10)
„Manchmal war es schon sehr belastend, weil er aggressiv war. (…) Er war auch immer
in der Nacht unruhig und ich hätte mir gewünscht ein wenig schlafen zu können. Das
war schon eine psychische Belastung.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
„Weil eines kommt noch hinzu, das gerade pflegende Angehörige oft dann irgendwann
einmal dann selbst krank werden, durch die Überlastung.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Die Pflege eines Familienmitglieds zu übernehmen erfordert ein hohes Maß an
Anpassungsleistung. Diese Anpassung bedeutet für die pflegenden Angehörigen ein
ständiges jonglieren mit Zeit, Geld, Arbeitsplatz und Gesundheit. Der Grad der Belastung
Department Gesundheit
61
nimmt mit der Höhe des Beschäftigungsgrades neben der pflegerischen Tätigkeit zu. Die
psychischen Belastungsfaktoren pflegender Angehöriger sind vielfältig. Neben mangelnden
Schlaf, sozialer Isolation, Überforderung oder familiären Problemen aufgrund der Pflege, sind
informell Pflegende auch zeitlich und finanziell stark belastet, da Angehörigenpflege oft ein
„Rund um die Uhr“ Job ist.
„Auch das Finanzielle ist eine enorme Belastung. Die Pension alleine reicht nicht aus
um die Pflege zu gewährleisten. Der Staat schießt natürlich zu, ohne den würde es ja
überhaupt nicht gehen. Und die finanzielle Belastung liegt zum Teil auch bei mir. (…)
Es ist ein Haus zu erhalten, es ist ein Haushalt zu bewältigen, es sind Pflegerinnen zu
zahlen, es entstehen enorme Apotheken kosten. Alles was ein bisschen besser ist
muss man sowieso privat zahlen. Und somit summiert sich das.“ ([Interview II] Anhang
A.9)
Soziale und demographische Trends haben zur Folge, dass immer mehr pflegebedürftige
Menschen auf immer weniger familiär erbrachte Pflegeleistungen zurückgreifen können.
Gesellschaftliche Entwicklungen wie die zeitlich längere Erwerbstätigkeit oder auch die
Zunahme von Singlehaushalten stehen der Zunahme alter und hochbetagter Menschen
gegenüber.
„Es ist nicht immer so, dass jede Familie ein harmonisches, gut funktionierendes
Zusammenleben hat. Es ist leider so, dass auch viele Kinder keinen guten Kontakt zu
ihren Eltern pflegen. Das wird leider immer mehr. (…) Es kommt je nach Familie auch
der Aspekt der Berufstätigkeit vieler Frauen, Kinder und Enkelkinder hinzu. Wenn die
Person alleine wohnt, wird meist auf eine 24 Stunden Betreuung zurückgegriffen. Vor
allem wenn die Person eine Demenz hat, die Mobilität eingeschränkt ist.“ ([Interview V]
Anhang A.12)
5.3.2.2 Strukturveränderung der gewohnten häuslichen Umgebung
Der Beratung und Unterstützung einer Pflegefachkraft steht oft die mangelnde Akzeptanz der
Betroffenen gegenüber etwas an ihrer gewohnten häuslichen Umgebung zu verändern. Eine
physische Veränderung des Zustandes, bedarf in den meisten Fällen auch einer baulichen
oder strukturellen Veränderung des gewohnten Settings zu Hause, damit eine optimale
Versorgung und Betreuung in den eignen vier Wänden gewährleistet werden kann.
„Ein weiteres Problem ist, dass viele Kunden nicht bereit sind Abstriche zu machen.
Das heißt sie wollen weiter in ihrem Bett schlafen. Man darf die Teppiche nicht
entfernen. In 99% der Haushalte finde ich eine erhöhte Sturzgefahr vor.“ ([Interview III]
Anhang A.10)
Department Gesundheit
62
„Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte im häuslichen Setting gestalten sich meist
besonders schwierig. Die Arbeitsbedingungen die sie oft vorfinden, sind für eine
optimale Betreuung ungeeignet. Für die Betroffenen aber auch die pflegenden
Angehörigen sind die Fachkräfte „Eindringlinge“ in ihrer gewohnten Umgebung. Hier
als Pflegeperson eine Veränderung anzuregen, wird meist als Eingriff in die persönliche
Sphäre und als Störfaktor empfunden.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.2.3 Versorgung durch die 24-Stunden-Betreuung
Die Versorgung pflegebedürftiger Personen mittels einer 24-Stunden-Betreuungskraft,
bedeutet für die Angehörigen und auch für die Betroffenen nicht, dass eine hundert prozentige
Entlastung stattfindet. Zum Einen muss seitens der betroffenen pflegebedürftigen Person die
Akzeptanz da sein, dass eine fremde Person ab sofort 24-Stunden zu Hause in der privaten
Atmosphäre mit lebt und zum Anderen bedeutet das für die pflegenden Angehörigen nicht
zwingend, dass der Betreuungsaufwand geringer wird.
„Man muss sich um sehr viel kümmern, aber nicht nur administrativ, sondern auch
welche Tätigkeiten die Personen bei der pflegebedürftigen Person übernehmen. Wie
gehen sie mit der zu pflegenden Person um. Wird die Person ordentlich gepflegt und
mobilisiert. Wird vor allem bei Diabetikern auch auf die Ernährung geachtet. All das
organisiere und kontrolliere ich. Sonst würde das nicht funktionieren“ ([Interview II]
Anhang A.9)
„Bei der 24 Stunden Betreuung kommt es natürlich auf die Person und deren Willigkeit,
oder deren Verständnis für den Patienten an. Wobei ich sagen muss, 80% sind bei der
Erstbesetzung sehr gut bis ausreichend. Aber bei 20% können gleich zu Beginn oder
während der Anfangsphase Probleme auftreten, die dann unmittelbar der Agentur
gemeldet werden muss.“ ([Interview V] Anhang A.12)
5.3.2.4 Versorgung durch die extramurale Pflege
Im Gegensatz zur 24-Stunden-Betreuung, bietet die mobile Hauskrankenpflege diverser
Pflegeanbieter den professionelleren Pflege- und Betreuungsdienst an.
„Bei der Hauskrankenpflege haben sie von der Ausbildung her die besseren
Voraussetzungen. Die können mit psychisch und physisch schwierigen Situationen
leichter umgehen. Beispiel Dekubitus. Wenn ein Dekubitus vorhanden ist, erfolgt durch
die Caritas, Volkshilfe oder Hilfswerk sicherlich die optimalere Versorgung.“ ([Interview
V] Anhang A.12)
Department Gesundheit
63
Kritisch zu betrachten ist die Problematik der Unflexibiltät im Bezug auf Zeitkontingente der
mobilen Hauskrankenpflege. Dies wurde auch mehrfach im Rahmen der Experten- und
Expertinneninterviews erwähnt. Diese Schwierigkeit ergibt sich sowohl für Betroffene als auch
für die Schnittstelle Entlassungsmanagement.
„Die sind einmal in der Früh um halb sieben gekommen und dann erst wieder um halb
neun. Und das geht am Anfang, solange der zu Pflegende noch etwas zur Pflege
beitragen kann. Aber wenn es dann schon so ist, dass du wirklich auf volle Hilfe
angewiesen bist, geht das nicht mehr. Die Pflegebedürftigen Menschen sind dann
stundenlang dazwischen alleine. Wenn die Leute nicht mehr alleine mobil sind und
trotzdem aufstehen möchten, ist das Sturzrisiko sehr hoch. Ich finde das eher
gefährlich.“ ([Interview II] Anhang A.9)
„Solange man nicht schwer krank ist, kann man sich ja stundenweise jemanden
nehmen. Ich habe eine Bekannte, die hat zum Beispiel die Caritas in der Früh und am
Abend. In der Früh helfen ihr die beim Aufstehen und bei der Pflege und am Abend
beim ins Bett legen. Aber es stört sie weil sie so zeitlich ins Bett gehen muss. Die
können auch nicht erst um neun, halb zehn am Abend kommen.“ ([Interview IV] Anhang
A.11)
„Die Hauskrankenpflege hat sehr gute und sehr flexible Leute. Handicap ist oft die
„Freitagsentlassung“, wo sie aufgrund der Personalplanung niemanden mehr
übernehmen können. Auch wenn jemand eine Demenz hat, ist eine Hauskrankenpflege
dreimal täglich oft nicht die ideale Versorgung, da ist eine 24 Stunden Betreuung die
optimalere Lösung.“ ([Interview V] Anhang A.12)
5.3.2.5 Versorgung im Betreubaren Wohnen
Diese neuartige Versorgungsform, Wohnungen für ältere Menschen mit Betreuungsoption,
können durch ihre eigens angepasste Struktur optimal, durch verschiedenste Formen der
Pflege- und Betreuungsanbieter, genutzt werden. Laut den Experten- und
Expertinneninterviews ist bei der Errichtung neuer Wohneinheiten auch die Lage besonders
wichtig um vorhanden Strukturen gut nutzen zu können.
„In Gänserndorf zum Beispiel gibt es optimale Synergien, weil die Personen die
Einrichtungen des Landespflegeheims optimal mitnutzen können. Hier gibt es auch die
Kooperation im Freizeitsektor, beispielsweise was das Mittagessen anbelangt, da
funktioniert die Zusammenarbeit in ausgezeichneter Art und Weise.“ ([Interview I]
Anhang A.8)
Department Gesundheit
64
„Wenn man Betreuung möchte, dann gibt es die Möglichkeit die im Haus ansässige
Volkshilfe zu beziehen. Diese ist bei in Anspruch genommener Leistung extra zu
bezahlen. (…) Jeden zweiten Montag kommt jemand zu uns ins Haus zur Beratung
und nimmt allfällige Beschwerden auf. An dem Tag bieten sie uns auch Aktivitäten wie
Turnen, Malen und Karten spielen an.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
5.3.3 Schnitt- und Nahtstellenmanagement der verschiedenen
Versorgungsebenen im Österreichischen Gesundheitssystem
5.3.3.1 Mangelndes Wissen und Informationsbeschaffung
Generell herrscht über das Versorgungssystem in Österreich und die Leistungen, Förderungen
und Möglichkeiten die es bietet sowohl bei den Betroffenen als auch deren pflegenden
Angehörigen, ein Wissensdefizit. Das Angebot an umfassender Beratung ist gering und wird
auch kaum genutzt.
„Es geht darum, dass die Menschen ganz wenig Erfahrung haben, wo bekommen sie
Dinge her, was gibt es für Förderungen und Unterstützung und wer könnte da behilflich
sein. Viele scheuen sich auch davor nach zu fragen. Oft ist es auch so, dass sie einfach
nicht die Möglichkeit haben sich Dinge zu organisieren, oder auch nicht wüssten wo
hin sie sich wenden könnten.“ ([Interview III] Anhang A.10)
„Es ist ganz ein kompliziertes Netzwerk das pflegende Angehörige entweder gar nicht
nützen weil sie es nicht wissen, oder es nicht dem entspricht was sie in ihrer Situation
brauchen.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.3.2 Gemeinde als Schnittstelle
Hinsichtlich der verschiedenen Leistungsanbieter im Betreuungs- und Pflegesektor, sowie der
Funktion als Auftraggeber und Überwacher struktureller Planungen im Gesundheitsbereich,
sollte die Gemeinde selbst als Schnittstelle zwischen den Versorgungsebenen und den
einzelnen Akteuren, agieren.
„Wir haben ein Betreutes Wohnen und sind jetzt gerade dabei einen weiteren Bau zu
errichten, um dem Thema auch gerecht zu werden. In solchen Fällen bekommt man
natürlich auch immer mit, wie unterschiedlich und diffizil die Anliegen der einzelnen
Akteure sind. Hier versuchen wir auch als Gemeinde als Schnittstelle zu funktionieren,
wobei das zum aktuellen Zeitpunkt nur in einem eingeschränkten Maße passiert.“
([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
65
5.3.3.3 Versorgungspotential im niedergelassenen medizinischen
Versorgungsbereich
Im Rahmen der Experten- und Expertinneninterviews ist zu erkennen, dass es wie in der
Theorie beschrieben, bestehende Schwächen hinsichtlich der Zusammenarbeit und
Kommunikation der Berufsgruppen im medizinisch/ therapeutischen Sektor gibt.
„Es gibt mit Sicherheit ein Verbessrungspotential, hinsichtlich der Zusammenarbeit mit
den niedergelassenen Ärzten und zum Beispiel dem medizinischen Zentrum in
Gänserndorf. Da könnte man sicher Effizienz steigernde Veränderungen bewirken. Da
wird es sicher notwendig sein einen entsprechenden „round table“ zum gegenseitigen
Erfahrungsaustausch und Erhebung des Unterstützungsbedarfes durchzuführen.
Derzeit erweckt die medizinische Versorgung das Gefühl, das sie parallel aneinander
vorbei läuft.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Auch hinsichtlich des Behandlungs- und Versorgungsfokuses der Hausärzte und
Hausärztinnen besteht aus Experten- und Expertinnensicht adaptionsbedarf.
„So mancher Hausarzt kann nicht verstehen, dass ein Patient gewisse Tätigkeiten nicht
mehr kann oder ihm eine gewisse Akzeptanz für seine Erkrankung fehlt. Der Hausarzt
setzt oft viel zu viel Wissen und „Handling“ von seinem Patienten voraus. (…) Die
Hausärzte sind oft nur auf ihren medizinischen Fokus bedacht und der pflegerische
Aspekt einer Behandlung geht leider oft unter. Das ist aber auch nicht der Schwerpunkt.
(…) Der Hausarzt sieht leider oft nur den Patienten mit den Medikamenten, der E-Card
und seine medizinische Versorgungsaufgaben. „([Interview V] Anhang A.12)
5.3.3.4 Hausärzte und -ärztinnen als Ansprechpersonen
Im Gegensatz dazu sehen viele der befragten Experten und Expertinnen den Hausarzt oder
die Hausärztin derzeit als einzige Ansprechperson am primären Versorgungssektor. Die
Befragten gaben an nicht zu wissen, wo sie sich bei Betreuungs- und Gesundheitsfragen
hinwenden sollten. Es geht deutlich hervor, dass es aus derzeitiger Sicht keine andere Person
im Betreuungssektor gibt, die eine Beratungsfunktion übernimmt.
„Die Ärztin kommt jede Woche, hört sie ab, spricht mit ihr und kontrolliert die Vitalwerte.
Wenn es irgendeine Frage gibt, hat sie immer ein offenes Ohr. Sie versucht immer die
optimale medikamentöse Behandlung für meine Tante zu finden. Hätt ich nicht so eine
gute Hausärztin die mir das alles gesagt hat, ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen,
dass es eine Physiotherapeutin gibt, die zu einer 85 Jährigen Frau kommt.“ ([Interview
II] Anhang A.9)
Department Gesundheit
66
„Der Herr Doktor ist einmalig. Wie ich einen Schlaganfall hatte war er sofort da und
dann war auch schon die Rettung da. Im Krankenhaus haben sie schon auf mich
gewartet, da hat der Herr Doktor schon angerufen. Wenn ich ihn zu Hause brauche
macht er auch Hausbesuche. Ich erwarte mir von einem guten Hausarzt das er
freundlich ist und das er bei Krankheiten parat ist und zuhört.“ ([Interview IV] Anhang
A.11)
Auch in Kooperation mit dem Entlassungsmanagement erweist sich die Zusammenarbeit mit
dem Hausarzt oder der Hausärztin als Hilfe und oftmals auch als einzige Option, Informationen
über die Lebenssituation von Menschen in Erfahrung zu bringen.
„Mit den meisten Ärzten gibt es eine gute Kooperation. Wenn wir keine Angehörigen,
oder niemanden in der Ortschaft, oder die Nachbarn erreichen, nehmen wir natürlich
immer mit dem Hausarzt Kontakt auf. Die sind sehr hilfsbereit und entgegenkommen
und erklären uns den Bedarf und wie der Patienten versorgt ist, beziehungsweise wer
ein möglicher Ansprechpartner ist. Oft sind keine Kinder mehr da. Das klappt sehr gut.
Wir können auch von den Hausärzten verlangen, wenn wir einen Patienten entlassen
und dieser zu Hause nicht optimal versorgt ist, dass sie dort aktiv werden. Ich muss
sagen, da haben wir eine zufriedenstellende Zusammenarbeit und auch die Hausärzte
begrüßen das.“ ([Interview V] Anhang A.12)
5.3.3.5 Städteplan/ medizinisches Cluster (PHC- Primary Health Care Center)
In Punkto medizinische Versorgung sind sich die Experten und Expertinnen speziell aus dem
operativen Sektor einig, dass es wie bereits politische angedacht ist, zu einer Umstrukturierung
der medizinischen Versorgung im primären Versorgungsektor kommen muss. Sehr lange
Wartezeiten sowie die dezentrale Lage der verschiedenen Leistungsanbieter werden als
Begründung herangezogen.
„Bei den Hausärzten in Gänserndorf hat man eine Wartezeit ohne Termin von minimum
einer bis zwei Stunden. Hier sollte eine Entlastung passieren.“ ([Interview III] Anhang
A.10)
„Da gäbe es einiges verbessern. Städteplanerisch wäre es sinnvoll einen
medizinischen Cluster zu schaffen. In Gänserndorf ist es so, dass der eine Facharzt
am ganz anderen Ende ist als der Andere. Das ist von der verkehrlichen Anbindung
suboptimal. Ich glaube wenn wir mittelfristig denken wäre es sinnvoll ein Ärztezentrum
oder einen entsprechenden medizinischen oder sozialen Cluster zu schaffen der auch
öffentlich gut erreichbar ist. Wo man die einzelnen Aufgaben der einzelnen Ärzte
bündeln kann. Wo jeder vom anderen dann auch entsprechend profitiert. Das ist mit
Department Gesundheit
67
Sicherheit eine effizienzsteigernde Maßnahme auch im Sinne einer
Informationspolitik.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Derzeit kommt es zu einer Spaltung der Berufsgruppen. In Wien gibt es bereits ein
PHC- also Primary Health Care Center. Das ist die ideale Kombination wenn ich alle
Professionen an einem Tisch haben möchte.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.3.6 Konkurrenz unter den Leistungsanbietern
Die diversen medizinisch- pflegerischen Gesundheitsdienstleister sehen sich auch am
primären Versorgungsmarkt als Konkurrenz. Hier kommt es auch zu dieser oben erwähnten
„Spaltung der Berufsgruppen“ was sich wiederum suboptimal auf die Versorgungsstruktur
auswirkt, da ein Konkurrenzdenken am Gesundheitsmarkt entsteht.
„Es wäre eine viel bessere Zusammenarbeit. Man könnte übergreifend arbeiten und
keiner hätte Sorge, dass der eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s
eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein
Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein Geschäft verliert.(…) Über
Schnittstellenmanagement wird sehr viel geschrieben und auch sehr viel darüber
berichtet und alle Versorgungsdienstleister meinen es mittlerweile zu leben, aber es
wird kaum umgesetzt. Das heißt, jeder bleibt in seinem Bereich.“ ([Interview III] Anhang
A.10)
5.3.3.7 Kommunikation der Berufsgruppen untereinander
Es kristallisiert sich heraus, dass die Ursache für die mangelnde Zusammenarbeit der
einzelnen Sektoren, also die Schnittstellenproblematik, auf einer Kommunikations-problematik
basiert.
„Wenn man das alles zusammen auf den Tisch legt, kommt man drauf, dass es ganz
viele Problematiken gibt die mit Schnittstellen zu tun haben. Aber nicht nur mit
Schnittstellen, sondern mit verschiedenen Berufsgruppen und mit Betroffenen oder den
pflegenden Angehörigen, die nicht gesehen oder gehört werden. Es wäre wichtig alle
Beteiligten an einen Tisch zu bekommen, um die Pflege- und Betreuung des einzelnen
optimal zu planen und zu organisieren und wo es die Möglichkeit gibt miteinander zu
kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“ ([Interview VI] Anhang
A.13)
Department Gesundheit
68
5.3.3.8 Miteinbinden von Betroffenen und Angehörigen ins System
Die Einbindung von Betroffenen beziehungsweise deren Angehörigen in die Planung der
individuellen Pflege- und Betreuungssituation ist für einen bestmöglichen Verlauf unabdingbar.
Es bedarf, wie auch in der Theorie des Case Management beschrieben, eines
Handlungsverständnisses der Betroffenen um eine optimale rund um die Uhr Versorgung zu
gewährleisten.
„Was in den Abläufen der PHC’s vielleicht noch fehlt ist, dass die Betroffenen noch
stärker miteingebunden sind. Nämlich auch die pflegenden Angehörigen mit dabei sind
und auch die Menschen die betroffen sind, die selber krank sind. Auch die Frage wie
die interne Kommunikation funktioniert. Es sollten alle denselben Wissensstand haben,
und das ist schwierig. Ich glaube schon, dass sie in einem PHC miteinander
kommunizieren. Aber ich kenne das aus der Sozialarbeit, man spricht dann über „den
Fall“, ohne das „der Fall“ als Person anwesend ist und die eigene Position vertreten
werden kann und sagen kann was persönlich für die Betreuung auch noch wichtig
wäre. Wenn das funktioniert, wäre es das ideale Versorgungssetting.“ ([Interview VI]
Anhang A.13)
5.3.3.9 Beratung und Unterstützung durch das Entlassungsmanagement
Wie in der Theorie beschrieben versucht der sekundäre Versorgungsektor, also der stationäre
Bereich, durch das Entlassungsmanagement genau dort, an der im Kapitel 5.3.3.8
beschriebenen Problematik anzusetzen. Die individuelle Pflegeberatung im Rahmen des
Entlassungsmanagement hat zum Ziel, Pflegebedürftige und deren Angehörige zu
unterstützen und gemeinsam die weitere häusliche Versorgung zu planen, um eine Kontinuität
bei der der medizinischen und pflegerischen Versorgung im häuslichen Setting gewährleisten
zu können.
„Wir nehmen dann mit den PatientInnen und auch mit den Angehörigen Kontakt auf
und informieren diese bereits im Vorfeld, welche Möglichkeiten es gibt. Über
Förderungen, Pflegegeld und alle Sozialleistungen die man in Anspruch nehmen kann.
Welchen Heilbedarf, sowie welche Heilbehelfe es gibt. Welche Organisationen und wie
das Förderungssystem aussieht. Das Entlassungsmanagement darf erst agieren wenn
der Patient oder die Angehörigen ihr Einverständnis gegeben haben“ ([Interview V]
Anhang A.12)
Im Rahmen des Entlassungsmanagements muss immer bedacht werden, dass sich die
betroffene Person im Krankenhaus und somit in einem Ausnahmezustand befindet. In solchen
Department Gesundheit
69
Situationen, wesentliche Entscheidungen zu treffen, gestaltet sich oftmals für beide Seiten
besonders schwierig.
„Wenn der Patient bei uns ist hat er schmerzen, er ist verwirrt, er ist in einer neuen
Umgebung. Es kommt jemand vom Entlassungsmanagement im Krankenhaus und
sagt ihm welche Möglichkeiten der weiten Versorgung es gibt. Der Patient ist mit der
Situation überfördert. Er kommt mit seinen Beschwerden ins Krankenhaus und kann
auch meist keine genaue Auskunft geben, weil er es bisher nicht gekannt hat. Auf ihn
wirkt so viel ein und das kann den Menschen im ersten Moment nur belasten und er
wird Vorschläge durch das Entlassungsmanagement verneinen. Das ist auch der
Grund warum bei uns im Entlassungsmanagement auf drei, vier oder manchmal sogar
fünf, sechs Gespräche geführt werden bis man das Einsehen vom Patienten
irgendwann erlangt.“ ([Interview V] Anhang A.12)
5.3.3.10 Entlassungsmanagement aus Sicht betroffener
Das Entlassungsmanagement in den Krankenhäusern wird in den meisten Fällen von
diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonen als Vollzeitbeschäftigung
durchgeführt. Laut Krammer, kümmert sich das Entlassungsmanagement im Landesklinikum
Mistelbach um rund 2000 Patienten pro Jahr. ([Interview V] Anhang A.12)
Betroffene oder auch deren pflegenden Angehörige haben im Rahmen eines stationären
Aufenthaltes eine nicht so optimale Betreuung und Beratung erlebt, was sich in Aussagen der
Experten- und Expertinneninterviews widerspiegelt.
„Vom Entlassungsmanagement oder vom Pflegepersonal hat niemand mit mir
gesprochen. Der Fall war abgeschlossen. Man hat zu mir gesagt: „Sie können ihre
Tante mit nach Hause nehmen. Alles Weitere macht der Hausarzt.“ (…) Das ist alles
eine Bürokratie. Wenn sich die Medikamente ändern, dann bekommst du keine mit
nach Hause sondern nur Rezepte. Egal an welchem Wochentag du nach Hause gehst,
ob am Freitag, oder am Samstag oder am Sonntag musst du schauen wie du die
Medikamente organisierst“ ([Interview II] Anhang A.9)
„Ich habe einen leichten Schlaganfall gehabt. (…) Ich bin einfach entlassen worden.
Weil es ja nicht so schwer war. Ich bin einfach entlassen worden und die haben mich
gar nicht gefragt wie es weiter geht.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
Die Problematik liegt hier auch wieder bei der mangelnden Kommunikation der Schnittstellen,
im speziellen wenn beim Patienten oder bei der Patientin bereits eine Versorgungsstruktur
vorhanden ist.
Department Gesundheit
70
„Das Krankenhaus ruft zwar im extramuralen Bereich an und sagt, dass jemand nach
Hause entlassen wird, aber die Informationen sind meist unvollständig und somit kann
sich die Organisation die denjenigen übernimmt nicht gut vorbereiten. Ein gutes
Schnittstellenmanagement bedeutet, alle Informationen im Vorfeld zur Verfügung zu
stellen und sicherzustellen, dass der Klient wenn er wieder nach Hause kommt, all das
vorfindet was er in seiner veränderten Situation braucht.“ ([Interview III] Anhang A.10)
5.3.3.11 Schnittstelle intra- und extramurale Versorgung
Wie bereits erläutert soll durch das Entlassungsmanagement die Kontinuität der Versorgung
an den Schnittstellen gewährleistet und eine verbesserte Kommunikation zwischen den
beteiligten ambulanten oder stationären Versorgungsbereichen eingeführt werden. Trotz alle
dem kommt es immer wieder auch aus Experten- und Expertinnensicht bei einer Vielzahl an
Patienten und Patientinnen zu einem Drehtüreffekt, den es jedoch zukünftig zu vermeiden gilt.
„Es sollte kein Drehtüreffekt entstehen. Es wird mit Unterstützung des
Entlassungsmanagements eine weitere Versorgung gemeinsam mit den Angehörigen
organisiert, sodass der Patient optimal zu Hause in seinem Alltag weiterleben kann.
Dann schickt man die Person nach Hause und dieser kommt jedoch nach zwei
Monaten, sechs Wochen oder sogar nach zwei Wochen wieder ins Krankenhaus.
Wenn man dann mit den Angehörigen Rücksprache hält erfährt man, dass nichts weiter
zu Hause organisiert wurde. Wenn eine lückenlöse und eine flächendeckenden
Versorgung funktionieren würde, könnte man den Patienten zahlreiche
Krankenhausaufenthalte ersparen.“ ([Interview V Anhang A.12)
Ein weiteres Problem stellt auch das nicht immer akut vorhandene Kontingent an
Versorgungskapazitäten der extramuralen Pflegedienste dar. Trotz einer raschen Planung zu
Beginn eines stationären Aufenthaltes, verlängert sich die Verweildauer im Krankenhaus für
die Betroffenen, weil in der Region in der der Patient wohnt im Moment keine
Betreuungskapazitäten frei sind.
„Die Organisation der Versorgung im extramuralen Bereich dauert oft bis zu 14 Tage,
drei Wochen. Deshalb versuchen wir in den ersten zwei bis drei Tagen mit den
Betroffenen oder Angehörigen Kontakt aufzunehmen. (…) Es ist auch ein Problem,
dass eine Hauskrankenpflege freitags niemanden übernehmen kann, da der
Dienstplan schon Tage vorher steht. Das heißt wenn wir am Donnerstag noch
jemanden entlassen könnten, können wir die Person oft nicht nach Hause entlassen,
weil es am Freitag keine Kapazität von der Hauskrankenpflege gibt. Das heißt die
Department Gesundheit
71
Person bleibt bis Montag mindestens weiter im Krankenhaus.“ ([Interview V Anhang
A.12)
5.3.4 Vorteile internationaler Primärversorgungskonzepte
Im Rahmen des Interviews wurden den Interviewpartner und -partnerinnen diverse auch in
dieser Arbeit angeführte primäre Versorgungskonzepte vorgestellt und deren wesentlichen
Gemeinsamkeiten näher erläutert. Folgende Vorteile sehen die Experten und Expertinnen in
den folgenden genannten Konzepten.
5.3.4.1 Das Versorgungssystem in den skandinavischen Ländern
Im Speziellen der finanzielle Aspekt der Pflegevorsorge und die diversen alternativen
Betreuungsformen werden als attraktive Versorgungsmodelle empfunden.
„Da gefallen mir die nordischen Länder sehr gut. (…) Während des aktiven Lebens,
wird ein Beitrag einbezahlt und wenn du dann alt bist und Hilfe brauchst, wird das alles
vom Staat bezahlt. (…) Die haben auch ganz tolle Pflegeheime wo sie zum Beispiel
junge Leute integrieren“ ([Interview II] Anhang A.9)
5.3.4.2 Verpflichtende Hausbesuche mit Altersgrenze
Dieser Aspekt der Beispielsweise im Projekt EIGER, oder in Dänemark Anwendung findet,
wird von den Experten und Expertinnen kritisch betrachtet. Es besteht die Sorge, dass dies
von den Menschen als entmündigend betrachtet werden könnte.
„Es ist immer die Frage in wie weit etwas Verpflichtendes akzeptiert und als sinnvoll
erachtet wird. Ich glaube das Angebot zu haben, dass jemand da ist der täglich oder
zumindest routinemäßig vorbei schaut, ist ein gutes Angebot. Aber ob das jetzt ab
einem gewissen Alter verpflichtende sein sollte, bin ich persönlich etwas skeptisch. Die
körperliche Konsistenz der Menschen ist unterschiedlich. Es gibt Leute die sind mit 85
noch Topfit und dann gibt’s Leute die sind mit 65 in einer Pflegesituation. Ich glaube
man sollte die präventiven Hausbesuche nicht mit einem fixen Alter versehen. Die
Option wenn Hilfe gebraucht wird, oder wenn man dieses Angebot in Anspruch
nehmen möchte ist sehr gut und glaube ich absolut zukunftsträchtig. Ich würde es aber
wie gesagt nicht verpflichtend sehen und nicht mit einer Altersgrenze versehen. Ich
glaube da wäre die Akzeptanz nicht da und da würde man doch sehr viele Leute vor
den Kopf stoßen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
72
„Die Menschen werden später krank und brauchen erst später etwas. Daher ist es auf
jeden Fall besser die Hausbesuche frühestens ab dem 70. Lebensjahr durchzuführen.
Es ist ein wenig schwierig denn für viele Menschen entsteht der Eindruck, dass dies
eine Kontrolle ist und das haben die wenigsten Menschen gerne. Die Frage ist, wie
setzt man es gut an. Auf der einen Seite find ich es gut, weil man dadurch eine soziale
Kontrolle hat und schauen kann, wie geht es dem Menschen in seinem Lebensumfeld,
braucht er irgendetwas.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.4.3 Alles aus einer Hand
Optimal wie in den vorliegenden Konzepten, ist eine Person oder Einrichtung die „alles aus
einer Hand“ für die Betroffenen auf dem primären Versorgungssektor organisiert und die
Menschen berät.
„Es ist ein Topangebot, weil viele Menschen mit der Situation überfordert sind. Es gibt
ein breit gefächertes Angebot und sozusagen aus einer Hand alle Möglichkeiten zu
bekommen ist sicher sehr hilfreich. In diesem Dschungel an unterschiedlichen
Angeboten und Fördermöglichkeiten, ist schwierig für den „Normalsterblichen“ das
Richtige für sich heraus zu filtern.“ ([Interview I] Anhang A.8)
5.3.4.4 Präventive Erhebungen
Die Präventiven Hausbesuche die den Hauptfokus aller beschriebenen internationalen
primärversorgungs Konzepte darstellen, werden von allen befragten Experten und
Expertinnen als positiv und wesentlichen Mehrwert für die Versorgungsstruktur erachtet.
„Eine professionelle Hilfe, eine präventiv Erhebung ist mit Sicherheit sowohl für den
einzelnen, als auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze
Gesundheitswesen sehr hilfreich. Bei uns im Land wäre es auch von Vorteil, weil man
dadurch auch ein Gefühl bekommt, was die individuelle Wünsche der Bevölkerung
sind, beziehungsweise, „wo der Schuh drückt, sowie daraus resultierend wo man am
ehesten nachjustieren kann, beziehungsweise wie man die Ressourcenverteilung
optimal gestaltet.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Ein wesentlicher Faktor ist dabei, ob die Bedarfssituation vom Betroffenen akzeptiert wird, um
gemeinsam mit den pflegenden Angehörigen einen präventiven Versorgungsplan erstellen zu
können.
„Ist der Patient soweit, dass er seine Versorgung akzeptiert und auch bestimmen kann,
oder ist es ein Angehöriger. Es immer wichtig, dass eine Bezugsperson ermittelt wird,
Department Gesundheit
73
mit der man dann gemeinsam mit dem Betroffenen einen Versorgungsplan erstellt.“
([Interview V] Anhang A.12)
5.3.4.5 Beratung und Unterstützung der Familienpflege
Gerade in Österreich wo 80% der Pflege durch Angehörige übernommen wird, muss es einen
wesentlichen Aspekt in der Primärversorgungs darstellen den pflegenden Familienverband
ebenso wie die Betroffenen zu beraten und unterstützen. Auch hier sind sich die Experten und
Expertinnen einig, dass dieser Aspekt der verschieden Konzepte auch einen absoluten Nutzen
in Österreich hätte.
„Je mehr man in erster Instanz weiß, umso besser kann man agieren. In Dänemark
versucht man beispielsweise die pflegenden Angehörigen erst gar nicht in die Situation
kommen zu lassen. Denn je mehr Unterstützung und Beratung man ihnen anbietet,
umso weniger kommen sie in diese Betreuungssituation. Auch das wäre ein
wesentlicher präventiver Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
„Da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Hier eine fachliche Unterstützung
zu erfahren, ist mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert. Wenn man da als pflegender
Angehöriger jemanden an der Hand hat, wo man weiß der ist vom Fach, ist das sicher
sehr dienlich und hilfreich und das würden sehr viele dankend annehmen. Sowohl was
die fachliche Perspektive anbelangt, was die Pflege betrifft, als auch was
Unterstützungsformen jeglicher Art betrifft. Sei es finanziell oder sei es durch
Betreuungseinrichtung die man als solches auch nicht kennt. Also ich glaube das wäre
auch für die Angehörigen, oder diejenigen die die Pflege vollziehen, sicher ein
absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Wenn ich als pflegende Angehörige am Anfang so einer Situation stehen würde, wäre
so ein Hilfsangebot hilfreich. Am Anfang weiß man gar nicht wo es anfängt und wo
aufhört.“ ([Interview II] Anhang A.9)
„Man könnte durch eine dauernde Begleitung, vor allem die Angehörigen in dem was
sie tun unterstützen und sie darin bestärken, dass das was sie tun das richtige ist, damit
sie nicht die Sorge haben müssen sich auszupowern. Und das sie, wenn sein einmal
eine Woche auf Urlaub fahren möchten, wissen wo bekomme ich die Unterstützung
her. Derzeit ist es so, dass kaum jemand von den Angehörigen irgendwohin fährt, weil
sie selbst, aber auch die zu pflegenden einfach nicht bereit sind jemand Fremden zu
akzeptieren und auch nicht bereit sind für kurze Zeit in ein Pflegeheim zu ziehen. Im
Rahmen dessen und der Festigung der individuellen Bedarfslage jedes Kunden, wäre
das eine tolle Sache.“ ([Interview III] Anhang A.10)
Department Gesundheit
74
5.3.4.6 Längerfristige oder dauerhafte Begleitung
Ob eine Begleitung im Rahmen eines Case Managements, oder eine dauerhafte
kontinuierliche Betreuung, hier sind die Ergebnisse aus den Interviews eindeutig. Eine
Begleitung wie durch eine „Community Nurse“ muss stetig beziehungsweise kontinuierlich
erfolgen. Sie darf nicht wie das Entlassungsmanagement an einem Punkt enden und auch
nicht wie die Hausbesuche durch das Kompetenzzentrum für häusliche Pflege nur einmalig,
beziehungsweise maximal ein zweites Mal stattfinden.
„Meistens ist die Nachhaltigkeit nicht gegeben und während der Besuche zur
Qualitätssicherung tauchen so viele Fragen auf, die in Wirklichkeit meinen zeitlichen
Rahmen den ich veranschlagt habe, sprengen. Ich fände eine Nachhaltigkeit viel
besser, auch im Sinne der Angehörigenentlastung und der dauerhaften Begleitung.“
([Interview III] Anhang A.10)
„Natürlich ist eine dauerhafte Begleitung die optimalste Art der Betreuung. Das ist das
einzige wo man durchgängig erkennt, was sich verändert, was sich verschlechtert und
auch was sich verbessert hat. Optimal wäre es auch wenn man dann die Möglichkeit
hat zu entscheiden, dass man im Moment niemanden benötigt und wenn, dann kann
man die Person jederzeit wieder anrufen. Aber letzendes ist es eine Vertrauensperson-
und eine Gemeindekrankenschwester ist eine Vertrauensperson, jemand der mich
lange Zeit begleitet und damit sehr gut regulieren kann was für die betroffene Person
die optimale Lösung ist.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5 Umsetzung und Nutzen von RGKpP in den österreichischen Gemeinden
Die Interviewpartner und -partnerinnen wurden gefragt wie das Berufsbild einer Regionale
Gesundheits- und Krankenpflegeperson auch in Anlehnung an die internationalen Konzepte
gestaltet sein sollte, welchen Nutzen es für die österreichische Primärversorgung hätte und
wie man es aus ihrer Sicht am optimalsten in die Gemeindestruktur implementieren kann. Der
letzte Teil der Ergebnisdarstellung stellt diese Aspekte kategorisch dar.
5.3.5.1 Auftreten
Wichtig ist neben der fachlichen Kompetenz auch das Auftreten einer Person in ihrer
Beratungsfunktion, um dadurch eine Vertrauensbasis zu schaffen.
„Wenn ich jemanden sehe, dann muss mir der zuerst sympathisch sein, dann nehme
ich auch Rat und Tat an. Es müssten berufene Leute sein, das kann nicht ein jeder
machen. Das ist sicher kein leichter Job und sie müssen auch auf die Leute eingehen
Department Gesundheit
75
und wir sind ja alle verschieden. Die Person hat es bestimmt nicht leicht. Ein
kompetentes, sympathisches und sicheres Auftreten sind wesentliche Faktoren einer
Pflegeperson in Beratungsfunktion.“ ([Interview II] Anhang A.9)
5.3.5.2 Charakter einer Schnittstelle
Die Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson sollte den Charakter einer Schnittstelle
vermitteln. Sie koordiniert und vernetzt die Personen und Leistungsanbieter im System.
„Diese Person sollte den Charakter einer Schnittstelle haben. Das heißt, dass sie den
einen oder anderen zusammen bringt. Es ist ja oft so, das Rad muss nicht immer neu
erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo eine Problemstellung hat und eine
individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann kann man das mit Sicherheit
auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das heißt Erfahrung
jemanden anderen zu teil werden lassen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Sie soll mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel ein PHC nicht
möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion.“
([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5.3 Vernetzen durch Informationsvortrage
Eine Anregung aus einem Experten- und Expertinneninterviews könnte auch eine zukünftige
Aufgabe einer RGKpP in einer Gemeinde darstellen.
„Da ist es natürlich sinnvoll Informationsvorträge für pflegende Angehörige, oder für
die Betroffenen selbst zu verschiedensten Thematiken zu halten. Das wäre auch eine
Möglichkeit Personen zu vernetzen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
5.3.5.4 Vorbeugung vor Vereinsamung
Mit der Verschlechterung der Mobilität entsteht oft eine zunehmende Vereinsamung von
alleinstehenden Personen im häuslichen Setting. Dem könnte durch das Netzwerken einer
RGKpP entgegengewirkt werden.
„Oft ist es so, dass die Vereinsamung ein großes Thema ist. Da eine Schnittstelle zu
haben, die Personen auch zusammen führen kann, die vernetzten kann, damit
alleinstehende Personen im häuslichen Setting auch weiterhin positive
Alltagserlebnisse haben, das wäre ein Gewinn für das Versorgungssystem.“ ([Interview
I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
76
5.3.5.5 Beratung und Unterstützung
Eine wesentliche Hauptaufgabe der RGKpP sollte die (präventive) Beratung und
Unterstützung von älteren Menschen und/ oder deren Familienverband darstellen. Eine der
befragten Experten und Expertinnen beschreibt das Aufgabengebiet wie folgt:
„Inhaltliche Aspekte von A-Z. Eine Erhebung des Ist Stand und eine Beratung was für
Möglichkeiten es gibt wenn sich die Situation verschlechtert. Was wäre dann der
nächste Schritt. Eine Beratung welche Hilfsangebote es regional gibt. Auch was die
Arbeit der 24- Stunden Betreuungskraft und meine als pflegende Angehörige
erleichtern könnte. Eine Physiotherapie nach einem Sturz oder andere
Leistungsanbieter. Prinzipiell gibt es zahlreiche Möglichkeiten, nur man weiß das
alleine nicht.“ ([Interview II] Anhang A.9)
5.3.5.6 Ansprechperson/ Mentale Unterstützung
Laut Meinung der Befragten, hat eine RGKpP nicht nur eine Beratungsfunktion, sondern stellt
bei einer kontinuierlichen Begleitung auch eine Vertrauensperson dar. Hierbei entsteht auch
die Aufgabe die Menschen im Rahmen ihrer Tätigkeit, durch Gespräche und das Gefühl „da
zu sein“, mental zu unterstützen und zu begleiten.
„Viele Dinge sind einfach ein Befindlichkeitsproblem. Wenn ich das Gefühl habe, ich
kann dort anrufen, dann ist vielen schon geholfen. Weil dieses Vertrauen in diese
Gemeindekrankenschwestern denke ich sehr groß ist. (…) Oft genügt ein Telefonat,
oder ein Gespräch. Vor allem Menschen die eine chronische Erkrankung haben
brauchen manchmal nur das Gefühl, dass da jemand für mich da ist, jemand dem ich
traue, der die Kompetenz hat.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5.7 Präventive Gesundheitsförderung
Eine weitere wesentliche Aufgabe der RGKpP auch im Sinne des „Primary Health Nursing“
sollte durch die Beratung und Unterstützung, sowie eine durch die Förderung des
Empowerment resultierende präventive Gesundheitsförderung darstellen. Schwierigkeiten
sehen die befragten Interviewpartner und -partnerinnen bei der Akzeptanz der Betroffenen
etwas an ihrer gewohnten Lebenssituation, vor allem bevor noch eine Verschlechterung des
Gesundheitszustandes eingetreten ist, zu ändern.
„In der Jugend beziehungsweise als gesunder Mensch an das denkt man noch gar
nicht. Aber im Alter kommt vieles auf einen zu. Und mit professioneller Hilfe von A-Z
lässt sich ist das bewältigen.“ ([Interview II] Anhang A.9)
Department Gesundheit
77
„Das merkt man erst wenn man älter ist, dass es nicht mehr so geht. Das glaubt man
ja vorher nicht.“ ([Interview IV] Anhang A.11)
„Meistens ist es so, dass die Menschen zu dem Zeitpunkt in einem Intervall leben, in
dem sie glauben, es bleibt immer so und sie verschlechtern sich nicht. Sie akzeptieren
den Gedanken einer Verschlechterung nicht. Es ist hier sicher zu überlegen, ob man
mit den Personen in dem besagten Zustand Kontakt aufnimmt und sie darauf anspricht,
was weiter passieren soll wenn sich ihr Allgemeinzustand verschlechtert. Wenn die
Leute dann nicht mehr die Akzeptanz zur Hauskrankenpflege, Langzeitpflege, 24
Stunden Betreuung, Übergangspflege haben, weil sie es oft nicht mehr begreifen
wollen oder auch können, dann ist es meist zu spät. Wenn man rechtzeitig mit den
Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt, „was stellen sie sich vor“, ihnen
sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität verschlechtert sich, oder eine
Demenz könnte eintreten und wer soll dann was entscheiden.“ ([Interview V] Anhang
A.12)
„Die Gesellschaft hat leider immer noch den Ansatz, wenn ich krank bin, dann brauche
ich etwas und das brauche ich gleich und schnell und ist dann entsetzt wenn das nicht
sofort so funktioniert wie man sich das Vorstellt. (…) Es bedarf ein Stück
Eigenverantwortung die man fördern sollte. Das ist ganz wichtig. Wenn ich selbst in der
Lage bin für meine eigene Gesundheit etwas zu tun und dafür verhindere das ich
deshalb krank werde, dann wäre einen ganz wichtiger Ansatz, auch im Sinne der
Health literacy“ erfüllt. Gesundheitsförderungsprogramme sollten viel niederschwelliger
angesetzt werden. Es gibt beispielsweise die Gesunden Gemeinden. Da funktioniert
das auch solange sie es gemeinsam machen. In dem Augenblick wo das Programm
wegfällt, fallen die Beteiligten in ihr altes Verhaltensmuster. Es ist daher wesentlich,
dass es sich dabei um einen permanenten Prozess handelt.“ ([Interview VI] Anhang
A.13)
„Es ist daher wesentlich das die Regionalschwester ihren Tätigkeitsbereich sehr breit
sieht damit sie bereits präventiv die Menschen auf ihren Gesundheitszustand, sprich
Ernährung und Bewegung hinweisen kann und es dadurch langfristig vielleicht gar nicht
zu „hausgemachten“ Zustandsverschlechterungen kommt.“ ([Interview III] Anhang
A.10)
5.3.5.8 Zusammenarbeit mit dem Hausarzt
Um auch gesundheitsfördernd im Sinne der Betroffenen agieren zu können, ist eine gute
Kooperation und ein qualitativer Austausch mit dem Hausarzt oder der Hausärztin
Department Gesundheit
78
unabdingbar. Eine Zusammenarbeit von regionalen Pflegepersonen mit der ansässigen
niederschwelligen medizinischen Versorgungsstruktur, sind für die Umsetzung des Berufsbild
wesentliche Bestandteile.
„Zum einen wäre es als eine massive Entlastung der Hausärzte hier in Gänserndorf zu
sehen, zumal wir hier einfach unterversorgt sind. (…) Weiters im Rahmen ihres
Tätigkeitsbereiches Dinge abzudecken, die derzeit durch den Arzt abgedeckt werden
für die er in der Realität eigentlich keine Zeit hat. Das geht von guten
Anamnesegesprächen, bis hin zu Blutabnahmen und zu Vorsorgeuntersuchungen im
häuslichen Setting, sowie die Mitbetreuung von Disease Management Programmen.
All diese Dinge die bisher in den Tätigkeitsbereich des Hausarztes fallen, könnten diese
regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen in Kooperation übernehmen und
würde damit den Kunden häufige Besuche beim Arzt ersparen, da sie im Vorfeld die
Situation bereits einschätzen kann.“ ([Interview III] Anhang A.10)
5.3.5.9 Erweitertes Entlassungsmanagement
Die RGKpP sollte aus Experten- und Expertinnensicht auch die Aufgabe haben, als erweitertes
Entlassungsmanagement, also als Schnittstelle zwischen dem intra- und extramuralen Sektor
zu agieren, die Menschen aus der stationären Betreuung im Krankenhaus zu übernehmen und
dadurch auch das begonnene Beratungs- und Organisationsprozedere im Sinne des Case
Management weiter zu führen. Ziel ist es einen Drehtüreffekt, sprich nicht notwendige wieder
Aufnahmen im Krankenhaus, zu vermeiden.
„Die Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im Spital mit der
Aufnahme und endet wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap ist, nicht
kontrollieren und überprüfen zu können was wirklich außerhalb vom Krankenhaus, das
heißt wenn der Patient zu Hause ist, weiter erfolgt. Oft ist es auch so, dass wir Patienten
haben die von der Entlassungsmanagement Seite her entlassen werden und wo die
Situation in erster Instanz keine Hilfe erfordert weil derzeit kaum bis kein Bedarf
vorhanden ist. Diese Patienten könnte man an solche regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen weiter tragen, weil zum Beispiel eine mögliche
Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Sei es onkologisch oder
neurologisch, oder auch ein operatives, kardiales oder sonstiges Problem. Wo man
vorahnen kann, wie der Krankheitsverlauf sein könnte und das genau dort die
regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit der betroffenen Person
bespricht, wie schaut die Situation aus und dort bereits erste Informationen gibt, welche
Department Gesundheit
79
Möglichkeiten der weiteren Versorgung es im extramuralen Bereich gibt.“ ([Interview V]
Anhang A.12)
„Sie verhindert den Drehtüreffekt. (…) Entlassungsmanagement darf nicht bei der
Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden. Es braucht
innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die sogenannte
Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das hat Florence Nightingale
bereits verlangt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5.10 Vermeidung einer stationären Aufnahme im Krankenhaus
Wie in dem Konzept des ACSC - Ambulatory Care Sensitive Conditions beschrieben, ist eine
optimale Betreuung in der Primärversorgung der Schlüssel um Krankenhausaufenthalte zu
vermindern oder gar zu vermeiden. Hier könnte die RGKpP eine zentrale Funktion
übernehmen.
„Es würde in erster Instanz verhindern, dass die Leute sehr leicht ins Krankenhaus
gehen, in eine Ambulanz gehen und dort eigentlich gar nicht hingehören. Wenn das so
flexibel ist, dass das Modell der Regionalschwester auch im Notfall zur Verfügung steht,
dann wäre das immer noch besser als die Rettung zu rufen wenn sie nicht gebraucht
wird. In Wien gibt es ein Modell der Johanniter. Die haben einen Notruf für das
Wochenende mit Pflegepersonal. Dort können Betroffene anrufen und sagen, ich
brauche zum Beispiel einen Verbandswechsel. Es wäre toll wenn es das es das in jeder
Gemeinde einfach ganz grundsätzlich gibt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5.11 Gesundheitsökonomischer Aspekt
Durch all die beschriebenen Aspekte des Aufgabengebiets einer Regionalen Gesundheits-
und Krankenpflegeperson, könnten auf langfristige Sicht betrachtet auch Kosteneinsparungen
am Gesundheitssektor erzielt werden. Sowohl hinsichtlich der Vermeidung von (Folge-)
Aufnahmen in Krankenanstalten, also auch gesundheitsökonomisch betrachtet durch die
Auswirkungen von (präventiven) gesundheitsfördernden Maßnahmen, speziell im Sektor der
immer älter werdenden Gesellschaft.
„Durch die Niederschwelligkeit kann es Gesundheitsökonomisch billiger wird. Es ist ein
Unterschied ob ich jetzt eine intensive, hochqualifizierte Intervention brauche die viel
Geld kostet, oder ob ich es anders lösen kann. (…) Beispielsweise bei einer
Krebserkrankung in einem relativ letalen Stadium. Da habe ich nicht nur eine Person,
da habe ich meistens zwei drei um mich herum. Wenn es eine Person gibt die Abläufe
mitkoordiniert, das ist natürlich eine Systemfrage, aber auf längere Sicht betrachtet
Department Gesundheit
80
billiger. Es ist wichtig hinzuschauen. Denn wenn man das Versorgungssystem
umschichten kann und sagen kann, dafür kann ich auf der anderen Seite mehr leisten,
ohne dass die Pflegekraft überfordert wird, wäre das auf jeden Fall ein Vorteil.“
([Interview VI] Anhang A.13)
5.3.5.12 Organisatorische und finanzielle Rahmenbedingungen einer RGKpP
In Anlehnung an die internationalen Konzepte sieht vor allem die regionale Expertise der
Befragten einen Vorteil bei der Implementierung des Konzeptes einer regionalen Gesundheits-
und Krankenpflegeperson im Bezirk Gänserndorf. Augenmerk bei der Umsetzung muss laut
Meinung der Befragten vor allem in Hinblick auf die Organisation und Finanzierung des
Modells gelegt werden.
„Das Konzept der RGKpP lehnt sich auch an das Thema Gemeindeschwester, Primary
Nursing Konzept gut an. Ich finde es ist eine gute Sache und sollte mehr gelebt werden,
weil es für eine Gemeinde ganz wichtig ist. Ebenso weil man hier ganz gut Brücken
bauen kann und einfach auf seine Gemeindebürger schauen kann.“ ([Interview III]
Anhang A.10)
„Es gibt in anderen Ländern, sei es in den Niederlanden, in Deutschland, in der
Schweiz, aber auch in Dänemark, die unterschiedlichsten Piloten und Erfahrung. Das
regionale System wäre gut beraten wenn man sich der Dinge die bereits gut
funktionieren annimmt. Da muss man wahrscheinlich ab und an auch auf regionaler
Ebene Pionierarbeit leisten und sagen, ich bin dazu bereit auch zu investieren. Nur,
wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend auch bereit ist in etwas zu investieren,
kann man eine Verbesserung herbeiführen. Und ich glaube das sollte unser Ansatz
sein. Wir wissen auch, dass es speziell für uns als Kommunen immer schwieriger wird,
die breit gefächerten Aufgaben in allen Belangen der Gesundheitsversorgung
entsprechend professionell zu gewährleisten.
Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region als Pilotprojekt installieren möchte,
wird es sicher auch notwendig sein, dass finanzielle Ressourcen frei gegeben werden.
Man muss sich dann genau anschauen, durch welche Träger ein solches Modell
finanziert werden kann. Von den Ressourcen her, beispielsweise ein Büro zur
Verfügung zu stellen und auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren wird
wahrscheinlich das geringste Problem darstellen. Es geht darum und das wird ein
laufender Prozess sein, wie professionell beziehungsweise wie intensiv man eine
solche Einrichtung installieren und fördern möchte. Wenn viele helfende Hände, oder
Institutionen an einem Strang ziehen, könnte in Hinblick dessen durchaus auch etwas
Department Gesundheit
81
möglich sein. Zuerst muss man die Rahmenbedingung definieren und den Bedarf
evaluieren, sowie Stunden als solches erheben und dann kann eruieren wie viel
Finanzbedarf vorhanden ist und wo jeder bereit seinen Beitrag dazu zu leisten.“
([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
82
6 DARSTELLUNG DER UMSETZUNGSMÖGLICHKEIT
EINER RGKPP IN ÖSTERREICH AM BEISPIEL
BEZIRK GÄNSERNDORF
Dieses Kapitel dient der Beantwortung der zweiten und dritten Forschungsfrage, sowie der
zusammenfassenden Darstellung des Berufsbildes der Regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegeperson, am Beispiel Bezirk Gänserndorf, in Anlehnung an bestehende
internationale primäre Versorgungskonzepte. Wie von der regionalen Expertise als Ergebnis
des Interviews auch gefordert, sollte im Rahmen dessen eine Bedarfserhebung durch
regionale Determinanten, sowie eine Marktsegmentierung der möglichen Zielgruppe
durchgeführt werden. Des Weiteren wird das Aufgabenprofil der RGKpP als mögliche
Stellenbeschreibung, auch in Hinblick auf die Ergebnisse aus den Experten und
Expertinneninterviews, dargestellt. Ein kurzer Einblick in mögliche rechtliche und finanzielle
Komponenten wird das Kapitel abschließen.
6.1 Regionale Determinanten
„Die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in ländlichen Gebieten, aber lediglich 38 % des
Krankenpflegepersonals und sogar nur 24 % der Ärzte arbeiten im ländlichen Raum“
Czypionka, Titelbach & Klambauer (2012 zitiert nach WHO, 2010).
In Niederösterreich lebten 2010 79.717 Personen, die 80 Jahre und älter waren, 2026 werden
es 115.814 Personen sein (Zuwachs: 45%). Ein Blick auf die 90-jährigen und Älteren zeigt
eine noch stärke Zunahme, nämlich von 8.875 Personen auf 17.288 Personen (Zuwachs:
94,8%) (Ehgartner, Bittner, 2011, www).
Angesichts der demographischen Entwicklung ist davon auszugehen das die Anzahl der
pflegebedürftigen älteren Menschen weiter steigen wird, die Zahl der jüngeren Personen die
diese Menschen zu Hause betreuen kann bzw. will, wird im Gegensatz dazu jedoch sinken.
Betrachtet man die aktuellen Zahlen der Personen die zu Hause durch Angehörige betreut
werden und überlegt was passiert wenn sich diese Zahl um bis zu 25% minimieren würde,
stellt sich die Frage welche anderen Leistungsanbieter diesen Prozentsatz an
pflegebedürftigen Personen in Zukunft decken soll. Die verschiedenen Anbieter sind gefragt
der fortwährenden Nachfrage am Markt nachzukommen. Umso wichtiger ist es ein
umfangreiches Leistungs- und Unterstützungsangebot für pflegende Angehörige zu bieten, um
ihnen die Rahmenbedingungen des Betreuungsalltags beziehungsweise die Pflege zu Hause
Department Gesundheit
83
von Familienangehörigen zu erleichtern. Ziel sollte es sein die „informelle Pflege“ als wichtige
Säule in der Altenbetreuung zu erhalten und zu fördern und somit auch der wichtige
Prozentsatz an Angehörigen die ihre Familienmitglieder zu Hause pflegt.
Abbildung 8: Ablaufschema Bedarfsplanung. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www
Department Gesundheit
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Der prozentueller Anteil sowie die Prognosen der Leistungserbringer in der Altenpflege speziell
im Bundesland Niederösterreich gliedern sich wie folgt:
Vergleicht man die oberen Abbildungen stellt man fest, dass der Anteil an Personen die zu
Hause versorgt werden mit 90,2% den absolut größten Anteil der Betreuungssituation in
Niederösterreich darstellt. Dem untergeordnet ist die Versorgung durch Angehörige mit einem
Prozentsatz von 67,7% welche im Jahr 2010 am höchsten ist.
Der Ausbau des primären Versorgungssektors ist angesichts der stabil bleiben Anzahl an
Personen die im häuslichen Setting betreut werden (Abbildung 9), sowie der Steigerung der
Pflegegeldbezieher bis 2026 um 36% im Bezirk Gänserndorf (Abbildung 10) von enormer
Wichtigkeit.
Abbildung 9: Betreuungssituation in NÖ. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www
Abbildung 10: Steigerung der PflegegeldbezieherInnen der Stufen 5+ bis 2021. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www
Department Gesundheit
85
Die aktuellen regionalen Determinanten des Bezirk Gänserndorf gliedern sich wie folgt:
Wohnbevölkerung 60+ Bezirk Gänserndorf, Stand: 2015
Wohnbevölkerung 2015
Verwaltungsbezirk / Gemeinde
Verwaltungsbezirk / Gemeinde
60 - 64 65 - 79 80+
Niederösterreich 1.636.778 93.414 234.606 86.962
Gänserndorf 98.645 5.914 13.883 4.745
Aderklaa 201 14 19 7
Andlersdorf 147 11 14 9
Angern an der March 3.348 205 487 181
Auersthal 1.871 116 270 101
Bad Pirawarth 1.658 129 223 93
Deutsch-Wagram 8.187 446 1.116 313
Drösing 1.112 77 176 66
Dürnkrut 2.268 166 341 107
Ebenthal 868 37 111 41
Eckartsau 1.224 78 191 56
Engelhartstetten 1.966 128 277 111
Gänserndorf 10.828 554 1.328 411
Glinzendorf 269 15 39 11
Groß-Enzersdorf 10.292 544 1.446 349
Groß-Schweinbarth 1.276 51 145 64
Großhofen 90 3 12 5
Haringsee 1.175 85 145 75
Hauskirchen 1.243 100 187 77
Hohenau an der March 2.689 209 455 190
Hohenruppersdorf 910 64 126 54
Jedenspeigen 1.081 78 191 62
Lassee 2.632 142 332 116
Leopoldsdorf im Marchfelde 2.655 142 361 113
Mannsdorf an der Donau 382 25 47 20
Marchegg 2.947 187 446 140
Markgrafneusiedl 826 51 111 38
Matzen-Raggendorf 2.785 184 382 114
Neusiedl an der Zaya 1.228 97 196 69
Obersiebenbrunn 1.689 92 217 70
Orth an der Donau 2.029 133 305 162
Palterndorf-Dobermannsdorf 1.286 84 216 70
Parbasdorf 164 8 18 8
Prottes 1.381 74 203 68
Raasdorf 656 38 81 39
Department Gesundheit
86
Ringelsdorf-Niederabsdorf 1.298 112 185 109
Schönkirchen-Reyersdorf 1.970 145 267 82
Spannberg 947 48 111 48
Strasshof an der Nordbahn 9.109 506 1.331 374
Sulz im Weinviertel 1.201 67 181 60
Untersiebenbrunn 1.617 97 208 62
Velm-Götzendorf 742 52 120 63
Weiden an der March 1.020 47 139 60
Weikendorf 1.978 140 279 95
Zistersdorf 5.400 333 848 382
Abbildung 11: Wohnbevölkerung Gänserndorf 2015, Quelle: Amt der NÖ Landesregierung, 2016, www
Pflegegeldbezieher Bezirk Gänserndorf, Stand: 2013
Datenquelle: Pflegegeldinformation (PFIF) des Hauptverband der
österreichischen Sozialversicherungsträger
Datum: 26.3.2013
Stichtag: 31.12.2012
Pflegegeldstufe Männlich Weiblich Gesamtergebnis
1 299 734 1033
2 451 894 1345
3 273 458 731
4 221 517 738
5 140 315 455
6 79 99 178
7 35 75 110
Gesamtergebnis 1498 3092 4590
Department Gesundheit
87
6.1.1 Marktsegmentierung und Zielgruppe
Im Bezirk Gänserndorf leben derzeit 98.645 Personen. Davon sind 6% zwischen 60-64 Jahre
alt, 14% 65-79 Jahre alt und 5% sind über 80 Jahre alt. Das ergibt eine altersmäßige
Zielgruppe (über 60 Jahre) von 25% der gesamten Wohnbevölkerung im Bezirk Gänserndorf.
Abbildung 12: Altersstruktur im Bezirk Gänserndorf. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an die Daten des Amt der NÖ
Landesregierung
Die Gesamtzahl von 24.542 Personen im Bezirk Gänserndorf die 60 Jahre und älter sind
können grundsätzlich als Zielgruppe für die Tätigkeit der Regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegeperson im Bezirk Gänserndorf herangezogen werden.
Geht man von der Gesamtzahl der Pflegegeldbeziehenden Personen in Gänserndorf aus,
sowie davon das 90,2% der Bevölkerung in Niederösterreich zu Hause betreut werden
(siehe Abbildung 9) aus, ergibt das mit dem Stand 2013 eine Zielgruppe auf Basis der
Pflegegeldbezieher und -bezieherinnen eine Zielgruppe von 4140 Personen.
bis 4 Jahre
4% 5- 14 Jahre
10%
15-19 Jahre
6%
20-44 Jahre
30%45-59 Jahre
25%
60-64 Jahre
6%
65-79 Jahre
14%
80+ Jahre
5%
Department Gesundheit
88
6.2 Darstellung des Berufsbildes der RGKpP
Sowohl die Entwicklung des extramuralen Systems, als auch das gesamte
Gesundheitssystem in Österreich an sich ist für die Klienten und Klientinnen, aber auch für
deren Anbieter der einzelnen Dienste unübersichtlich geworden und die einzelnen Teile von
Leistungsangeboten liegen wie Ertl und Kratzer (2001) es beschreiben „wie ein
durchgewirbeltes Puzzle neben-, unter- und übereinander“ (S. 60).
Eine wesentliche zukünftige Aufgabe der professionellen Akteure und Akteurinnen im
Gesundheitswesen- wie es RGKpP darstellen, sollte es sein, eine geordnete, umfassende
Gesamtbetreuung für die einzelnen Klienten und Klientinnen zu planen, zu koordinieren und
zu evaluieren.
Dazu gehört ein umfangreiches Wissen über das Gesundheitssystem, Kenntnis über
Einrichtungen in der unmittelbaren Umgebung oder Region, sowie die Kenntnis über ihr
Leistungsprofil. Inhalt dieses Leistungsprofil, sollte sein, Klienten und Klientinnen dabei zu
unterstützen, aus den verschieden liegenden „Puzzleteilen“ ein bedürfnisgerechtes und
stabiles Betreuungsnetz zu knüpfen (ebd., 2001, S. 60-61).
Abbildung 13: Das Gesundheits- und Sozialsystem- Schnittstelle RGKPP, Quelle Eigene Erstellung in Anlehnung an Ertl&
Kratzer (2001, S.39)
Department Gesundheit
89
Das Tätigkeitsfeld der RGKpP soll sich im Wesentlichen an den von der Ertl & Kratzer (2001,
zitiert nach ÖBIG, 1992) beschriebenen Aufgaben der IGSS (Kapitel 3.1) orientieren, die sich
wie folgt aufgliedern:
- Laufende Feststellung und Evaluierung der regionalen Versorgungssituation.
- Planung und Förderung der auf Grund der Bedarfserhebung erforderlichen
extramuralen Dienste.
- Koordination der Anbieter und ihrer Leistungen durch Informationsaustausch; Schaffen
eines gemeinsamen Arbeitsverständnisses, Entwickeln von einheitlichen
Qualitätsstandards.
- Information und Hilfestellung für die Klienten und Klientinnen bei der Inanspruchnahme
von Leistungen.
- Initiieren und Durchführen gemeinwesenorientierter Maßnahmen zur
Gesundheitsvorsorge und -förderung sowie Unterstützung von Selbsthilfegruppen
(S.62-63).
Department Gesundheit
90
6.2.1 Aufgabenprofil
Das Aufgabenprofil der RGKpP orientiert sich an den bestehenden internationalen Konzepten
aus Großbritannien, Dänemark, Niederlanden, Deutschland und der Schweiz, sowie an den
Ergebnissen der Experten und Expertinneninterviews die unter anderem im Kapitel 5.4.5
dargestellt sind.
Die Stellenbeschreibung der Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson gestaltet
sich für mich daraus wie folgt:
Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson (m/w) im Bezirk Gänserndorf
Das Tätigkeitsfeld der RGKpP hat zum Ziel durch
- die Optimierung der Versorgung zu Hause,
- die Entlastung und Unterstützung der Familienpflege,
- die Förderung der interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den
Gesundheitssektoren,
- sowie die Reduzierung der Krankenhauseinweisungen,
das Leben im häuslichen Setting so lange wie möglich zu gewährleisten und
dadurch langfristig die Betreuung in der Primärversorgung zu optimieren.
Ihr Profil:
- Abgeschlossene Ausbildung zur Diplomierten Gesundheits- und Krankenschwester/Diplomierten Gesundheits- und Krankenpfleger beziehungsweise abgeschlossenes Studium Bachelor of Science in Health Studies (BSc) inkl. Berufsberechtigung
- Mindestens 3 Jahre Berufserfahrung inkl. im geriatrischen Pflegebereich
- Erfahrungen/ Weiterbildungen im Bereich Case- und Caremanagement
- Erfahrung im extramuralen Pflegebereich
- Kenntnisse über (regionale-) Hilfs- und Förderungsangebote
- Kunden- und KlientInnenenorientierung
- professionelle und ausgeglichene Kommunikation auch in schwierigen Gesprächen
- Selbständigkeit, insbesondere im eigenverantwortlichen und mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich
- Organisationstalent
- Verlässlichkeit, zeitliche Flexibilität und Belastbarkeit
Department Gesundheit
91
Ihre Aufgaben:
- Durchführung von präventiven Hausbesuchen bei der Zielgruppe Personen 60+, sowie pflegenden Angehörigen im häuslichen Setting
- Durchführung eines ganzheitlichen Assessments zur Erhebung der aktuellen Bedarfslage
- Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse
- Durchführung von Informations- und Beratungsgesprächen mit präventiven Charakter auch im Sinne der Gesundheitsförderung
- Koordinierung der KundInnen im Sinne des Case Management im ambulanten Bereich
o Erstellung einer individuellen Bedarfsplanung gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren auch im Sinne der optimalen regionalen Ressourcennutzung
- Förderung der Selbstständigkeit älterer Menschen
- Laufende Beratung und Unterstützung pflegender Angehöriger
- Überwachung der Versorgungsqualität auch im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung
- Durchführung von Sprechstunden in den regionalen Einrichtungen des Betreubaren Wohnen sowie im Gemeindeamt
- Quartalsmäßige Fachvorträge zu verschiedensten Gesundheitsthematiken
- Monatliche Betreuung der 24- Stunden Beratungs-/ Notfalls Hotline
- Organisation von monatlichen Seniorentreffen
- Administrative Tätigkeit zur Datengewinnung regionaler Determinanten und Statistiken, sowie zur Qualitätssicherung
- Schnittstellenmanagement:
o Zusammenarbeit mit allen Gesundheitsversorgungsdienstleistern (mobile Dienste, Landespflegeheime, Physiotherapeuten, Bandagisten, Rettungsdiensten, etc.) in der Region
o Zusammenarbeit mit dem Entlassungsmanagement der umliegenden Landesklinken sowie dem Medizinischen Zentrum in Gänserndorf
o Kooperation mit dem niedergelassenen medizinischen Versorgungsbereich unteranderem bei der Umsetzung von Disease Management Programmen, sowie der lückenlosen Versorgung nach Krankenhausaufenthalten
o Zusammenarbeit/ Rücksprache mit dem Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der Häuslichen Pflege – für die Durchführung eines bedarfsmäßigen weiteren Monitorings im häuslichen Setting
Department Gesundheit
92
6.3 Rechtlicher Hintergrund
Rechtlich orientiert sich das Aufgabenprofil der Regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegeperson primär am österreichischen Gesundheits- und Krankenpflegegesetz
(GuKG). Wesentlich sind dabei die Teile des Berufsbildes laut § 4 -9 GuKG sowie der
eigenverantwortliche,- mitverantwortliche,- und interdisziplinäre Tätigkeitsbereich
entsprechend § 13-16 GuKG (RIS, 2016, www).
Ebenso zu berücksichtigen sind die generellen Bestimmungen des Bundesgesetzes über
Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (Arbeitnehmer- und
Nehmerinnenschutzgesetz - ASchG) in Österreich. (ebd., www)
6.4 Finanzierung
„Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region als Pilotprojekt installieren
möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass finanzielle Ressourcen frei gegeben
werden. Man muss sich dann genau anschauen, durch welche Träger ein solches
Modell finanziert werden kann.
Zuerst muss man die Rahmenbedingung definieren und den Bedarf evaluieren, sowie
Stunden als solches erheben und dann kann eruieren wie viel Finanzbedarf vorhanden
ist und wo jeder bereit seinen Beitrag dazu zu leisten.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Die Darstellung eines genauen Finanzierungsmodelles ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht
möglich. Sinnvoll wäre jedoch die Finanzierung des Modelles über mehrere regionale
Kommunen gemeinsam, prozentual an der Größe und dem Bedarf gemessen.
Für eine optimale Umsetzung bedarf es zu Beginn einer Anstellung von zwei
vollzeitäquivalenten Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, Tendenz je nach
Anzahl und Betreuungsaufwand der Kunden und Kundinnen, steigend.
Die Bruttogehälter richten sich nach den Berufsjahren und den Zusatzqualifikationen der
RGKpP. Das derzeitige Einstiegsgehalt einer diplomierten Gesundheits- und
Krankenpflegeperson liegt bei bis zu 2300 Euro brutto (AMS, o.J., www).
Department Gesundheit
93
7 ZUSAMMENFASSENDE SCHLUSSBETRACHTUNG
UND AUSBLICK
Das nachstehende Kapitel beschreibt die erhobenen Ergebnisse des Literaturparts und des
empirischen Abschnittes dieser Masterthesis. Unter Kapitel 7.2 werden die anfangs gestellten
Forschungsfragen beantwortet. Die Diskussion der Ergebnisse erfolgt im Kapitel 7.3.
Abschließend wird unter 7.4 ein Resümee aus den Ergebnissen gezogen und ein Ausblick auf
zukünftig mögliche Ansätze und Entwicklungen gegeben.
7.1 Zusammenfassung
Das österreichische Gesundheitssystem, im speziellen auch der primäre Versorgungsektor,
wird sich zukünftig nicht nur aufgrund des demographischen Wandels und der Änderung der
Familienstruktur, sondern auch aufgrund zahlreicher bestehende Schwachstellen im System,
vielfältigen neuen Herausforderungen stellen müssen. Die mögliche Barrieren und
Herausforderungen wurden in der vorliegenden Arbeit durch Literatur belegt und durch
Aussagen von Expertinnen und Experten gestützt.
Es gibt im österreichischen Gesundheitsversorgungssystem bereits zahlreiche Konzepte die
auf dem Streben nach Effektivität und Effizienz auch im Sinne des Public Health Aspektes
konzipiert wurden. Dazu zählen die integrierte Versorgung, welche durch das CCIV von der
österreichischen Sozialversicherung 2006 ins Leben gerufen wurde, das Disease
Management Programm „Therapie Aktiv“ welches eine flächendeckende Versorgung von
Menschen mit der chronischen Erkrankung Diabetes Mellitus II zum Ziel hat, die Case
Management Programme der verschiedensten Sozialversicherungsträger und das
Entlassungsmanagement welches in fast allen größeren Krankenanstalten in Österreich
implementiert wurde.
Es darf jedoch nicht nur die Krankenversorgung vordergründig sein, sondern es muss ebenso
der Wunsch des Einzelnen auch im Hinblick auf gesundheitsfördernde Maßnahmen, sowie
dem zu Grunde liegend die Förderung des Empowerment auch auf Basis der Familienpflege,
eine tragende Rolle spielen. Die Schwachstellen in der österreichischen Primärversorgung
stützen sich auf verschiedene Aspekte, auf die im folgenden Kapitel 7.2 bei der Beantwortung
der Forschungsfragen näher eingegangen wird. Was die WHO- Deklaration von Alma Ata im
Jahr 1978 forderte und auch durch die Experten und Expertinnen im Rahmen des Interviews
bestätigt wurde,
Department Gesundheit
94
„braucht es innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die
sogenannte Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das hat
Florence Nightingale bereits verlangt.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Die Prävention, Gesundheitsförderung und Beratung sollte vor allem am primären
Gesundheitssektor einen wesentlichen Teil des Aufgabengebietes der Gesundheits- und
Krankenpflege darstellen. Vor allem die Nordeuropäischen Länder wie Dänemark, die
Niederlande, England oder auch Deutschland haben sich dieser Forderung bereits
angenommen und verschiedenste Konzepte des Public Health Nursing gesetzlich im
Gesundheitssystem verankert. All diese Konzepte haben sich zum Ziel gesetzt durch laufende
und flächendeckende Hausbesuche bei der immer älter werdenden Generation, die
extramurale Versorgung auch durch eine Förderung des Schnittstellenmanagements, sowie
die Nutzung der lokalen Ressourcen zu optimieren und durch Beratung und Unterstützung
Betroffener sowie deren pflegenden Angehörigen, das Empowerment zu stärken und durch
den verstärkten Ansatz der Gesundheitsförderung die Zahl der Krankenhauseinweisungen zu
reduzieren und dadurch auch dem Menschen ein selbstständiges Leben zu Hause in seiner
gewohnten Umgebung so lange als möglich zu gewährleisten. Dies hätte auf längere Sicht
betrachtet auch einen positiven gesundheitsökonomischen Nebeneffekt.
Die Implementierung einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson in Anlehnung
an die beschriebenen internationalen Konzepte, hätte auch aus Sicht der befragten Experten
und Expertinnen wesentliche Vorteile für den primären Versorgungssektor auch im Hinblick
auf die bestehenden, durch die Ergebnisse aus den Interviews bestätigten Schwächen und
Schnittstellenproblematiken im österreichischen Gesundheitswesen.
„Da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Hier eine fachliche Unterstützung
zu erfahren, ist mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
95
7.2 Beantwortung der Forschungsfragen
Die theoretischen und empirischen Forschungsergebnisse dieser Masterthesis ermöglichen
nun eine Beantwortung der eingangs gestellten Forschungsfragen.
I. Welche strukturellen Schwächen bestehen hinsichtlich der
Schnittstellenproblematik im österreichischen primären Versorgungssystem?
Die strukturellen Schwächen im primären Versorgungsystem hinsichtlich der
Schnittstellenproblematik beruhen auf Basis von mehrerer Faktoren.
Betrachtet man das aktuelle Gesundheitsversorgungssystem in Österreich stellt man fest,
dass es sich nicht um ein geschlossenes System handelt, sondern das es dadurch
gekennzeichnet ist, dass jede Gruppe der Leistungserbringer für sich als Einzelner agiert und
somit im Sinne der Patienten- und patientinnenkarrieren meist große Hürden aufweist, die es
zu bewältigen gilt.
„Naja, es ist auch wieder die Spaltung der Berufsgruppen an sich.“ ([Interview VI]
Anhang A.13)
Bereits in den 1990er Jahren hat man diese Problematik erkannt und es wurde vom ÖBIG im
Auftrag des Bundesministeriums ein Konzept erstelle. Dieses stellt die Implementierung von
Integrierten Gesundheits- und Sozialsprengel (IGSS) dar, um alle Leistungsanbieter der
verschiedenen Versorgungsebenen miteinander zu vernetzen. Trotz bestehender
Forderungen wurde dieser Entwurf in keinem der neun Bundesländer in seiner angedachten
Form implementiert (Ertl& Kratzer, 2001, S.62).
„Ich glaube da könnte man sicher einiges verbessern. Städteplanerisch, wäre es
sinnvoll einen medizinischen Cluster zu schaffen. Wo man die einzelnen Aufgaben, der
einzelnen Ärzte bündeln kann. Da mit Sicherheit ein effizienzsteigernde Maßnahmen,
im Sinne einer Informationspolitik vorhanden.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Es kommt nach wie vor zu einer sektoralen Trennung auch auf Basis der Finanzierung und
Verwaltung. Der niedergelassene Bereich wird auch auf Basis der Bedarfsplanung getrennt
vom Krankenanstalten betrachtet, was laut Hofmarcher (2013, S.260) ebenso zu ungenützten
effizienzpotentialen führt. Die mangelnde Kooperation und Vernetzung der Nahtstellen
(niedergelassene medizinische Versorgung/ Krankenhaus/ Pflege) führen ebenso zu einem
Qualitätsdefitzit der medizinischen und pflegerischen Versorgung und Mehrkosten, wie auch
die bereits angesprochene mangelnde Vernetzung der einzelnen Dienstleister im
Gesundheitswesen.
Department Gesundheit
96
„Es wäre eine viel bessere Zusammenarbeit. Man könnte übergreifend arbeiten und
keiner hätte Sorge, dass der eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s
eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein
Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein Geschäft verliert.“ ([Interview III]
Anhang A.10)
Dadurch werden die Behandlungsprozesse unterbrochen und eine lückenlose
Informationsweitergabe, welche auch durch eine mangelnde einheitliche Dokumentation von
Leistungen und Diagnosen ursächlich ist, fehlt oft sogar gänzlich.
„(…) im konkreten, glaub ich das es mit Sicherheit Verbessrungspotential gibt, was die
Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten anbelangt“ ([Interview I] Anhang
A.8)
„Ich glaube das ist eine ganz große Herausforderung, wie bringt man die beteiligten
Personen an einen Tisch, damit sie verstehen, gegenseitig, wo gibt es eine Möglichkeit
miteinander zu kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“
([Interview VI] Anhang A.13)
Des Weiteren herrscht im gesamten gesundheitssystemischen Denken nach wie vor ein
krankheits- und defizitorientiertes Medizin- und Pflegeverständnis, sowie eine einseitige
Akzentuierung auf rein körperbezogene Maßnahmen (Schaeffer 2000, zitiert nach Schmitt
2011). Dieses Denken hat natürlich langfristig dazu geführt, dass auch der Mensch im Umgang
mit seiner eigenen Gesundheit erst agiert wenn er krank ist.
„Weil wir ja immer noch den Ansatz haben, dann wenn ich krank bin, dann brauche ich
etwas. (…) Wenn ich selbst in der Lage bin für meine eigene Gesundheit etwas zu tun
und dafür verhindere, dass ich deshalb krank werde, dann hätte ich auch einen ganz
wichtigen Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Dem entgegen zu wirken wäre eine, wie auch im GuKG definierte, Aufgabe der Gesundheits-
und Krankenpflege. Die Förderung der Selbst- Pflege sowie rehabilitative und präventive
Interventionen sind beispielsweise in der mobilen Hauskrankenpflege keine fremden
Begrifflichkeiten, nur ist es aufgrund der derzeitig vorherrschenden Rahmenbedingungen nicht
möglich diese Komponenten aktiv umzusetzen (Ertl & Kratzer, 2001, S. 44).
Es bedarf generell einem fundamentalen Umdenkprozess um im Sinne ganzheitlicher und
systemischer medizinischer und pflegerischer Versorgung agieren zu können.
Ein wesentlicher Aspekt dem in Österreich zum aktuellen Stand noch zu wenig
Aufmerksamkeit zugebracht wird, jedoch für das Versorgungssystem eine wesentliche Rolle
spielt, ist die Pflege und Betreuung durch Angehörige. Mehr als 80% der Pflegeleistungen in
Österreich wird informell durch die Familie erbracht, wodurch im System laut Schätzungen
Department Gesundheit
97
zwei bis drei Mrd. Euro pro Jahr an Versorgungskosten eingespart werden können (ÖBIG,
2005, S.I). Auch deshalb ist es von zentralerer Bedeutung die Angehörigen bei ihrer Aufgabe
zu stützen und zu fördern. Die Zunahme chronischer Erkrankungen und Multimorbidität, sowie
vielfältige gesellschaftliche Entwicklungsprozesse die zu einer Änderung der strukturellen und
ökonomischen Entwicklung führen machen eine Umstrukturierung des Aufgabenprofils der
Pflege unabdingbar. Eine Ursache für die begrenzte Umsetzung pflegerischer
Gesundheitsberatung- und förderung speziell im primären Versorgungssektor, stellen neben
den dafür noch nicht ausgerichteten Rahmenbedingungen, auch das vermutlich mangelnde
Wissen an dem gesundheitswisssenschaftlichen- und ökonomischen Effekt von „Primary
Nursing“ dar.
II. Wie könnte das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegeperson (RGKpP) zur Optimierung der Primärversorgung in den
österreichischen Gemeinden gestaltet sein?
Das Berufsbild einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson sollte sich primär an
der Verbesserung der bestehenden systemischen Schwächen, welche überwiegend durch
Schnittstellenproblematiken gekennzeichnet sind und dadurch auch an einer Optimierung der
Versorgung im primären Gesundheitssektor richten. Die Orientierung an den Inhalten bereits
bestehender Konzepte wie das der „Community Nurse“, der „District Nurse“ oder der
„Gemeindekrankenschwester“ aus dem mittel- und nordeuropäischen Raum erweist sich
dabei als vorteilhaft. Wie auch beispielsweise im Konzept Dänemarks handelt und agiert die
RGKpP vor allem im ländlichen Raum, im Setting „Gemeinde“. Die folgenden Punkte wurden
im Rahmen der Theorie und Empirie für die Konzipierung des Konzeptes einer RGKpP als
wesentliche Inhalte definiert. Ebenso wie die Durchführung von kostenlosen präventiven
Hausbesuchen bei der Zielgruppe ältere oder chronisch kranke Personen, sowie deren
pflegenden Angehörigen im häuslichen Setting, um die Menschen in der immer komplexer
werdenden Gesundheitsversorgung zu unterstützen.
„So eine präventiv Erhebung mit Sicherheit sowohl für den einzelnen sehr hilfreich,
als auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze
Gesundheitswesen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Im Fokus steht dabei die Menschen vorwiegend in einer Phase ihres Lebens zu erreichen,
in der sie noch nicht zwingend auf Hilfe und Pflege angewiesen sind und sie dahingehend
auf alle zukünftigen bestehenden Optionen zu Beraten und bei der Vorsorge zu unterstützen.
Department Gesundheit
98
„Wenn man rechtzeitig mit den Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt,
„was stellen sie sich vor“, ihnen sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität,
eine Demenz, wer soll dann was entscheiden (?) Welche Vorstellungen haben die
Personen. (…) Das wäre eine gute Sache, wenn viele so etwas rechtzeitig abschließen
würden.“ ([Interview V] Anhang A.12)
Für die Qualitätssicherung ist dabei die Durchführung eines ganzheitlichen Assessments zur
Erhebung der aktuellen Bedarfslage wesentlich. Die Assessments sind wie dem dänischen
Konzept angelehnt, nicht nur ein Gesundheitscheck, sondern auch die Möglichkeit die
individuelle Bedarfslage, sowie die (Gesundheits-) Bedürfnisse des einzelnen, ebenso wie
das seines sozialen Umfeldes zu erfassen und zu beurteilen, um dadurch in weiterer Folge
Fördermöglichkeiten entwickeln zu können. Ein wesentlicher Teil des Assessments beinhaltet
in weiterer Folge auch die Durchführung von Informations- und Beratungsgesprächen mit
präventiven Charakter auch im Sinne der Gesundheitsförderung.
„Je mehr man in erster Instanz weiß, umso besser kann man agieren und je mehr wir
anbieten, umso weniger kommen sie in diese Situation. Und ich glaube das wäre ein
ganz präventiver Ansatz.“ ([Interview VI] Anhang A.13)
Eine wesentliche Hauptaufgabe der RGKpP stellt die Koordinierung der Kunden und
Kundinnen im Sinne des Case Management im ambulanten Bereich dar. Wie bei den Berliner
Koordinationsstellen geht es darum mittels des Instruments des CM-Regelkreises als
begleitende und koordinierende Dienste in den Systemen der Gesundheitsversorgung agieren
zu können (Ehlers, 2011, S.93). Hauptaufgabe dabei ist die Erstellung einer individuellen
Bedarfsplanung gemeinsam mit allen betroffenen Akteuren auch im Sinne der optimalen
regionalen Ressourcennutzung, des Schnittstellenmanagements und der längerfristigen,
kontinuierlichen Begleitung.
„Ich fände eine Nachhaltigkeit viel besser, auch im Sinne der Angehörigenentlastung und
der dauerhaften Begleitung.“ ([Interview III] Anhang A.10)
Durch diesen laufenden und nachhaltigen (Überwachungs-) Prozess kann es der RGKpP
zukünftig ebenso möglich sein die Selbstständigkeit der älteren Menschen zu fördern, sowie
die Vielzahl an pflegenden Angehörigen laufend auch im direkten häuslichen Setting beraten
und unterstützen zu können.
„Also ich glaube da wäre auch für die Angehörigen, oder diejenigen die die Pflege
vollziehen, sicher ein absoluter Mehrwert.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
99
Weiterer Aspekte des Tätigkeitsfeldes der RGKpP die sich vor allem auch aus den
Ergebnissen der Experten und Expertinneninterviews ergeben haben, sind zum einen die
Überwachung der Versorgungsqualität auch im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung,
„Es sind aber nicht alle Pflegerinnen, wirklich Pflegerinnen und gut. Das ist das Problem
in dieser Angelegenheit. (…) Also in elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt.
Da gibt es Damen, die muss man einfach kontrollieren. Ich sag es wie es ist.“ ([Interview
II] Anhang A.9)
sowie die Durchführung von Sprechstunden in den regionalen Einrichtungen des Betreubaren
Wohnens sowie im Gemeindeamt.
„Es kommt jemand alle 14 Tage, ich weiß es jetzt nicht so genau, ins Haus und da kann
man sich beschweren und informieren wie es halt so läuft. Das finde ich gut.“ ([Interview
IV] Anhang A.11)
„(…) auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren. Also da glaube ich, dass es
mit Sicherheit nicht scheitern wird. Es geht einfach darum das es ein laufender Prozess ist
(…)“ ([Interview I] Anhang A.8)
Neben dem großen Aspekt der Aufgabe als Prozessbegleitung und Beratungsfunktion sehen
die Experten und Expertinnen auch positive Unterstützungsmöglichkeiten einer RGKpP durch
die Durchführung von quartalsmäßigen Fachvorträge zu verschiedensten
Gesundheitsthematiken,
„Da ist es natürlich sinnvoll Informationsvorträge zu halten, zum Beispiel für Angehörige
die in der Pflege als solches sind, beziehungsweise selbst betreuen. Und da zu vernetzen“
([Interview I] Anhang A.8)
in der Implementierung einer 24- Stunden Beratungs-/ Notfalls Hotline,
„Es oft genügt ein Telefonat, genügt ein Gespräch. Weil, ich denke oft an Menschen
die eine chronische Erkrankung haben, die brauchen nur das Gefühl da ist jemand.“
([Interview VI] Anhang A.13)
sowie bei der Organisation von monatlichen regionalen Seniorentreffen.
„Personen, die man durchaus auch zusammen führen kann, die man da vernetzten kann. (…)“([Interview I] Anhang A.8)
Eine Aufgabe im Rahmen des GuKG stellt die Dokumentation der administrativen Tätigkeit
dar, welche auch zur Datengewinnung regionaler Determinanten und Statistiken, sowie der
Darstellung der Qualität herangezogen werden kann.
Department Gesundheit
100
Eine weitere Hauptaufgabe der RGKpP, die sich aus ihrer Beratungs- und
Organisationsstätigkeit erschließt, ist die Koordinierung der verschiedenen
Gesundheitsdienstleister auch im Sinne des Schnittstellenmanagements. Die Experten
Expertinnen haben es treffend formuliert:
„Diese Person sollte auch den Charakter einer Schnittstelle haben. Das heißt, dass
sie den einen oder anderen zusammen bringt. Es ist ja oft so, das Rad muss nicht
immer neu erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo eine Problemstellung hat
und eine individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann kann man das mit
Sicherheit auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das heißt
Erfahrung jemanden anderen zu teil werden lassen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
„Sie kann mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel ein PHC
nicht möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion.“
([Interview VI] Anhang A.13
Beim Erstellen der individuellen Versorgungspläne gemeinsam mit den Betroffenen und deren
pflegenden Angehörigen, erfolgt eine Zusammenarbeit mit allen
Gesundheitsversorgungsdienstleistern (mobile Dienste, Landespflegeheime,
Physiotherapeuten, Bandagisten, Rettungsdiensten, etc.) in der Region.
„Ich glaube das ist eine ganz große Herausforderung, wie man die beteiligten Personen
an einen Tisch bring, damit sie verstehen, wo es eine Möglichkeit gibt miteinander zu
kooperieren und zu kommunizieren, damit es gut gelingen kann.“ ([Interview VI]
Anhang A.13)
Ein wesentliches Aufgabenbiet der regionalen Pflegeperson liegt auch in der Zusammenarbeit
mit dem Entlassungsmanagement der umliegenden Landesklinken sowie dem Medizinischen
Zentrum in Gänserndorf, auch um einen lückenlosen Transfer innerhalb der
Versorgungsebenen zu gewährleisten und dadurch auch den sogenannten Drehtüreffekt zu
vermeiden.
„Unsere Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im Spital mit der
Aufnahme und endet, wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap ist nicht
kontrollieren und überprüfen zu können, was wirklich außerhalb vom Krankenhaus, das
heißt wenn er zu Hause ist weiter erfolgt.“ ([Interview V] Anhang A.12)
„Sie verhindert den Drehtüreffekt, (…) Entlassungsmanagement darf nicht bei der
Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden.“ ([Interview
VI] Anhang A.13)
Department Gesundheit
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Eine Kooperation mit dem niedergelassenen medizinischen Versorgungsbereichen spielen
eine wesentliche Rolle, ebenso die Umsetzung von beispielsweise Disease Management
Programmen und um generell durch präventives medizinisches und pflegerisches Handeln,
nicht unbedingt notwendige Krankenhausaufenthalte zu vermeiden.
Als Kooperationsaspekt könnte auch die Zusammenarbeit beziehungsweise die Rücksprache
mit dem Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung in der häuslichen Pflege gesehen werden,
um im Anschluss an deren Hausbesuche, als RGKpP ein bedarfsmäßiges weiteres Monitoring
im häuslichen Setting durchführzuführen. Denn
„die Beratung durch die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege, erfolgt einmalig.
Nach erfolgtem Besuch und wenn alles in Ordnung ist, wird dieser Mensch für zwei
Jahre von dem System gelöscht.“ ([Interview III] Anhang A.10)
Durch das Agieren der RGKpP als Schnittstelle auch in diesem Bereich wären eine optimalere,
durchgängige Kontrolle und Begleitung der älter werdenden und pflegebedürftigen
Gesellschaft, sowie deren pflegenden Angehörigen gewährleistet.
III. Welchen Nutzen hat die Implementierung von regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen (RGKpP) aus vergleichender Sicht mit bestehenden
internationalen Konzepten, sowie aus Expertensicht, für die österreichische
Primärversorgung.
Der Nutzen einer Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson basiert auf mehreren
Facetten.
Zum einen bietet sich durch die langfriste Beratung und Betreuung sowie die Koordinierung
der immer älter werdenden Gesellschaft, auch im Rahmen eines Case Managements
Prozesses eine Optimierung der Versorgung im häuslichen Setting. Im Rahmen dessen
kommt es auch, speziell vor dem Hintergrund der steigend Zahlen an dementiellen
Erkrankungen, zu einer Entlastung und Unterstützung der Familienpflege, die wesentlich zu
der Stabilisierung des primären Versorgungssektors beiträgt. Die Betroffenen werden dadurch
auch aktiv in das System der Gesundheitsversorgung mit eingebunden und mit Hilfe der
RGKpP die interdisziplinäre Teamarbeit zwischen den Gesundheitssektoren, vor allem die
Schnittstelle niedergelassener medizinischer Versorgungsbereich und stationäre
Einrichtungen, gefördert.
Langfristig betrachtet kann man zum Einen durch eine Reduzierung der
Krankenhauseinweisungen beziehungsweise Wiederaufnahmen und zum Anderen durch eine
Department Gesundheit
102
kontinuierliche Gesundheitsförderung und eine Stärkung des Selbstfürsorge Verhaltens der
Menschen bzw. eine Förderung des Empowerment, eine Kostenreduktion aus
gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten herbei führen. Wesentlich Hauptnutzen der
Implementierung einer RGKpP stellt jedoch das Ziel dar, das Leben im häuslichen Setting so
lange wie möglich zu gewährleisten, sowie langfristig die Betreuung in der Primärversorgung
zu optimieren.
7.3 Diskussion
Wie auch aus der Theorie hervorgeht, ist die Förderung des primären Gesundheitssektors,
sowie die Stärkung des pflegerischen Tätigkeitsbereiches, speziell die Gesundheitsförderung
und -beratung keine unbekannte Thematik.
Warum es trotz zahlreichen Forderungen unter anderem durch die WHO bereits 1978 und
mehrerer Versuche durch das Bundesministeriums im Rahmen von Gesetzesnovellen,
Implementierung von Modellen wie die Integrierten Gesundheits- und Sozialsprengel (1992),
des Competence Center Integrierte Versorgung, Disease Management Programmen und
aktuell den Primary Health Care Centern in Wien als Pilotprojekte zu denen es derzeit ebenso
keine feste gesetzlichen Verankerungen gibt, noch zu keiner flächendeckenden und vor allem
einheitlichen Optimierung der Primärversorgung auch im Sinne von Public Health in
Österreich gekommen ist, bleibt im Rahmen dieser Arbeit ungeklärt.
Durch die vorliegenden Ergebnisse dieser Arbeit zeigt sich, dass Modelle wie „Primary
Nursing“, „Public Health Nursing“ wie aus zahlreichen gut funktionierenden internationalen
Systemen hervorgeht, einen absoluten Mehrwert für alle Ebenen der Gesellschaft (Micro,-
Meso,- Makroebene), sowie die Ebenen des Gesundheitsversorgungsystems mit sich bringen
würde.
Die bestehenden komplexen gesetzlichen Rahmenbedingungen des österreichischen
Gesundheitswesens, im speziellen im Kontext der Finanzierung eines neuartigen Modelles wie
es die RGKpP darstellen würde, erschweren die Implementierung als solches. Auch in Hinblick
auf die Klärung der Verantwortlichkeiten gäbe es zahlreiche offene Fragen. Einer der befragten
Experten und Expertinnen aus dem operativen Sektor hat dies im Rahmen des Interviews sehr
treffend erläutert:
„Wenn man so etwas als Kommune, oder als Region sowas als Pilotprojekt installieren
möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass man finanzielle Ressourcen frei gibt.
Das muss man sich genau anschauen, durch welche Träger, ein solches Modell
Department Gesundheit
103
finanziert werden kann. Wenn Institutionen an einem Strang ziehen ist da durchaus
auch etwas möglich. ([Interview I] Anhang A.8)
7.4 Schlussfolgerungen und Ausblick
Ziel dieser Arbeit war es auch die Wichtigkeit und auch die Wertigkeit von „Primary Nursing“
bzw „Public Health Nursing“, vor dem Hintergrund des systemischen Wandels gesteuert durch
die demographische Entwicklung und die geänderten Anforderungen an die
Gesundheitsversorgung, darzustellen. Wie aus Theorie und Empirie deutlich hervorgeht ist es
wesentlich, dass die Anpassung des primären Versorgungsettings unmittelbar in den nächsten
Jahren erfolgen muss und nicht erst wenn es bereits zu einer Verschiebung der Altersstruktur
gekommen ist. Die Implementierung einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson,
hätte wie sich in den Ergebnissen gezeigt hat einen breit gefächerten Nutzen in verschiedenen
Settings. Es wäre daher wesentlich für zukünftige Planungen und Steuerungen im
Gesundheitswesen, speziell in kommunalen Regionen diesen Nutzen zu erkennen und im
Versorgungssystem zu implementieren.
Es wäre wünschenswert wenn durch den Ansatz dieser empirischen Arbeit, eine Gemeinde
oder ein politischer Bezirk diese Möglichkeit nutzen würde, um als Vorzeigeprojekt den Anstoß
für eine flächendeckende Umsetzung zu geben und dahingehend sogar einen Meilenstein in
der österreichischen Primärversorgung zu setzten.
„Da muss man wahrscheinlich ab und an auch vielleicht, ein bisschen, zumindest auf
regionaler Ebene Pionierarbeit leisten dazu bereit sein auch zu investieren. Weil nur,
wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend auch bereit ist in etwas zu investieren,
kann man eine Verbesserung herbeiführen.“ ([Interview I] Anhang A.8)
Department Gesundheit
104
8 VERZEICHNISSE
8.1 Literaturverzeichnis
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Department Gesundheit
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8.2 Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Case Management Regelkreis, Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an
Moxley, D. (1989, S.18) ....................... ....................................................................... 15
Abbildung 2: Pflegekette- Stufenaufbau der Pflege und Betreuung alter Menschen, Quelle:
Eigene Erstellung in Anlehnung an Ertl & Kratzer (2001, S.45) .................................... 20
Abbildung 3: "Baustellen" der integrierten Versorgung, Quelle: Amelung und Janus (2005,
S.21) .................................................... ....................................................................... 24
Abbildung 4: Gemeindekrankenschwester 1950, Quelle: Ehlers, 2011, S. 93 ...................... 40
Abbildung 5: Gemeinsamkeiten internationaler Konzepte, Quelle: Eigene Darstellung ........ 43
Abbildung 6: Zusammenfassende Inhaltsanalyse nach Mayring, Quelle: Eigene Darstellung
in Anlehung an Mayring, 2003, S.60 .... ....................................................................... 49
Abbildung 7: Kategorieschema Quelle: Eigene Darstellung ................................................. 51
Abbildung 8: Ablaufschema Bedarfsplanung. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www............... 83
Abbildung 9: Betreuungssituation in NÖ. Quelle: Ehgartner et.al, 2011, www ..................... 84
Abbildung 10: Steigerung der PflegegeldbezieherInnen der Stufen 5+ bis 2021. Quelle:
Ehgartner et.al, 2011, www .................. ....................................................................... 84
Abbildung 11: Wohnbevölkerung Gänserndorf 2015, Quelle: Amt der NÖ Landesregierung,
2016, www ........................................... ....................................................................... 86
Abbildung 12: Altersstruktur im Bezirk Gänserndorf. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung
an die Daten des Amt der NÖ Landesregierung .......................................................... 87
Abbildung 13: Das Gesundheits- und Sozialsystem- Schnittstelle RGKPP, Quelle Eigene
Erstellung in Anlehnung an Ertl& Kratzer (2001, S.39) ................................................. 88
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114
A ANHANG
A.1 Einverständniserklärung zum Interview
Einverständniserklärung zum Interview
Forschungsprojekt: Masterthesis – Optimierung der Primärversorgung n den
österreichischen Gemeinden, durch die Implementierung von „Regionalen Gesundheits-und
Krankenpflegepersonen“.
Durchführende Institution: Im Rahmen des Masterstudium Management im
Gesundheitswesen an der FH Burgenland
Verantwortliche: Stephanie Elisabeth Walla, BA
Interviewte/Interviewter:
Interviewdatum:
Ich erkläre mich dazu bereit, im Rahmen der genannten Masterthesis an einem Interview
teilzunehmen. Ich wurde über den Inhalt des Forschungsprojekts informiert. Ich kann das Interview
jederzeit abbrechen und meine Einwilligung in eine Aufzeichnung und Niederschrift des Interviews
zurückziehen, ohne dass mir dadurch irgendwelche Nachteile entstehen.
Ich bin damit einverstanden, dass das Interview mit einem Aufnahmegerät aufgezeichnet und sodann
von der Verantwortlichen der Masterthesis in Schriftform gebracht wird.
Für die weitere wissenschaftliche Auswertung des Interviewtextes
- können alle von mir gemachten Angaben zu meiner Person aus dem Text verwendet werden.
- sollen alle Angaben zu meiner Person entfernt und/oder anonymisiert werden.
(Nicht zutreffendes bitte streichen.)
Mir wird außerdem versichert, dass das Interview in der wissenschaftlichen Arbeit nur in Ausschnitten
zitiert wird, um sicherzustellen, dass ich auch durch die in den Interviews erzählte Reihenfolge von
Ereignissen nicht für Dritte erkennbar werde.
Ort, Datum, Unterschrift
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115
A.2 Interviewleitfaden B1
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartner: Rene Lobner Aufgabengebiet: Bürgermeister der Stadt Gänserndorf Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:
Einführungsphase durch die Interviewerin
- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
- Sie sind Bürgermeister der Stadt Gänserndorf. Mit welchen Aufgaben hinsichtlich der Pflege und Betreuung älterer Menschen sind sie im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert? Bitte erzählen sie davon.
- Welche Pflege und Betreuungsangebote gibt es derzeit in ihrer Stadt und den umliegenden Gemeinden?
Inhaltliche Aspekte
- Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes- gibt es Defizite hinsichtlich der derzeitige Betreuungs- und Pflegesituation in ihrer Stadt, sowie in den umliegenden Gemeinden? Bitte gehen sie darauf näher ein.
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“
Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte
- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des
Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne
des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen
- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?
- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement? - In ihrer Stadt/ in ihrer Region - Generell in der österreichischen Primärversorgung
- Welchen Nutzen würden Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, in Ihrer Stadt sehen?
- Gibt es noch etwas das Sie z der Thematik anfügen/ sagen möchten?
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A.3 Interviewleitfaden B2
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartner: Frau Christine Traunig
Aufgabengebiet: Pflegende Angehörige- Ihre Tante wird von eine 24 Stunden Pflegekraft betreut. Frau Horvath kümmert sich um die administrativen Aufgaben rund um die Versorgung ihrer Tante. Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:
Einführungsphase durch die Interviewerin
- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
Sie sind pflegende Angehörige und kümmern sich um die administrativen Aufgaben rund um die
Versorgung ihrer Tante.
- Erzählen Sie mir bitte von ihrem Alltag als pflegende Angehörige. Wie geht es Ihnen mit dieser Situation?
Inhaltliche Aspekte
- Welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem (Krankenhaus, Hausarzt, Fachärzte, pflegerische Betreuung, etc.) gemacht?
o Bei negativen Erfahrungen (narrativ wiederholen) Wie haben Sie sich dabei gefühlt/ wie ist es Ihnen dabei gegangen? Welche Unterstützung hätten Sie sich in dieser Situation gewünscht?
- Gibt es jemanden der Sie bei der Organisation von Gesundheits- und medizinischen Angelegenheiten ihrer Tante unterstützt?
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“ – Im Gegensatz zur Hauskrankenpflege, nicht für die pflege an sich zuständig Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte - Vorbeugende Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen, „Hilfe zur
Selbsthilfe“– Nutzen? - Unterstützung bei der Organisation von passenden Hilfsangebote und Zusammenarbeit mit
dem Hausarzt bei der Überwachung von Vitalwerten- Vorteile? Nachfragen
- Würden Sie so jemanden für ihre Tante in Anspruche nehmen? o Und wenn ja, warum? o Wenn nein, warum und wenn unter welchen Vorrausetzungen?
Department Gesundheit
117
A.4 Interviewleitfaden B3
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartnerin: Fr. Betina Rauscher, MSc
Aufgabengebiet: Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum Qualitätssicherung häusliche Pflege, Stationsleitung in einem niederösterreichischen Landespflegeheim Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:
Einführungsphase durch die Interviewerin
- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
- Sie sind Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum Qualitätssicherung häusliche Pflege, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.
Inhaltliche Aspekte
- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert? - Welche (weitere) Problematik besteht im speziellen bei der Betreuung im häuslichen
Setting für Betroffene bzw. deren pflegende Angehörige?
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“
Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte
- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des
Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne
des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen
- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?
- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?
- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, speziell in den österreichischen Gemeinden?
- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?
Department Gesundheit
118
A.5 Interviewleitfaden B4
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartner: Fr. Thekla Stoff
Aufgabengebiet: Alleinstehende ältere Dame, wohnt in einer Einrichtung des Betreuten Wohnen, war selbst pflegende Angehörige bis zum Tod ihres Gatten Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:
Einführungsphase durch die Interviewerin
- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
- Sie sind Sie sind xx Jahre alt und wohnen alleine in einer Wohnung des Betreuten Wohnen. - Erzählen Sie mir bitte von ihrem Alltag. - Wie geht es Ihnen?
Inhaltliche Aspekte
- Welche positiven, aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem (Krankenhaus, Hausarzt, Fachärzte, pflegerische Betreuung, etc.) gemacht?
o Bei negativen Erfahrungen (narrativ wiederholen) Wie haben Sie sich dabei gefühlt/ wie ist es Ihnen dabei gegangen? Welche Unterstützung hätten Sie sich in dieser Situation gewünscht?
- Gibt es jemanden der Sie bei der Organisation von Gesundheits- und medizinischen Angelegenheiten unterstützt?
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“ – Im
Gegensatz zur Hauskrankenpflege, nicht für die pflege an sich zuständig
Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte
- Vorbeugende Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen, „Hilfe zur
Selbsthilfe“– Nutzen? - Unterstützung bei der Organisation von passenden Hilfsangebote und Zusammenarbeit mit
dem Hausarzt bei der Überwachung von Vitalwerten- Vorteile? Nachfragen
- Würden Sie so jemanden in Anspruch nehmen?
o Und wenn ja, warum? o Wenn nein, warum und wenn unter welchen Vorrausetzungen?
Department Gesundheit
119
A.6 Interviewleitfaden B5
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen
zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartner: DGKP Werner Krammer
Aufgabengebiet: Entlassungsmanager und Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger im Landesklinikum Mistelbach Datum des Interview: Uhrzeit des Interview: Ort:
Einführungsphase durch die Interviewerin - Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
- Sie sind Mitarbeiterin im Entlassungsmanagement des Landesklinikum Mistelbach, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.
Inhaltliche Aspekte
- Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes- gibt es Defizite hinsichtlich des Entlassungsprozess sowie der Folgeversorgung nach stationären Aufenthalts und können sie diese genauer erläutern?
- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert?
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“
Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte
- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des
Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne
des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen
- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?
- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?
- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, auch hinsichtlich des Entlassungsmanagement?
- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?
Department Gesundheit
120
A.7 Interviewleitfaden B6
Interview zum Thema „Implementierung von Regionalen Gesundheits- und
Krankenpflegepersonen zur Optimierung der Primärversorgung“
Interviewpartnerin: Fr. Birgit Meinhard- Schiebl
Aufgabengebiet: Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger sowie Gesundheits- und Seniorensprecherin der Grünen Wien Datum des Interview: 20.06.2016 Uhrzeit des Interview: 18:15 Ort: Cafe Eiles Wien
Einführungsphase durch die Interviewerin
- Einverständniserklärung - Eigenes Tätigkeitsfeld und Interesse an der Thematik erläutern - Erläuterung – Sinn und Zweck des Interview (Master) sowie geplante Dauer
Leitfrage/ Erzählungsaufforderung
- Sie sind Präsidentin der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger, sowie Gesundheits- und Seniorensprecherin der Grünen in Wien, bitte erzählen Sie mir von ihrem Aufgabengebiet.
Inhaltliche Aspekte
- Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert? - Welche (weitere) Problematik besteht im speziellen bei der Betreuung im häuslichen
Setting für Betroffene bzw. deren pflegende Angehörige?
Internationale/ Europäische Konzepte „District Nurse“/ „Gemeindekrankenschwester“
Inhaltliche Gemeinsamkeiten der Konzepte
- Präventive Hausbesuche, Erhebung der individuellen Bedarfslage – in wie fern hilfreich? - Beratung und Unterstützung bei pflegerischen und Gesundheitsfragen im Sinne des
Empowerment Ansatz – Nutzen? - Unterstützung beim Nutzen der optimalen lokalen Ressourcen und Hilfsangebote im Sinne
des Schnittstellenmanagement – Auswirkungen auf die Primärversorgung? Nachfragen
- Welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild einer „RGKpP“ ihrer Meinung nach noch beinhalten?
- Welche (noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte) Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach (noch) vor allem im Bereich des Schnitt- bzw. Nahtstellenmanagement?
- Welchen Nutzen sehen Sie bei der Implementierung von „RGKpP“ in Anlehnung an die Internationalen Konzepte, speziell in den österreichischen Gemeinden?
- Gibt es noch etwas das Sie zu der Thematik anfügen/ sagen möchten?
Department Gesundheit
121
A.8 Transkription Interview I
Experteninterview I
Interviewdatum: 06.06.2016
B1: Rene Lobner- Bürgermeister der Stadt Gänserndorf
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Sie sind Bürgermeister der Stadt Gänserndorf, mit welchen Aufgaben hinsichtlich der 1
Pflege und Betreuung älterer Menschen, sind sie im Rahmen ihrer Tätigkeit konfrontiert (?) 2
Bitte erzählen sie einfach mir davon. 3
B1: Klarer weiser in meiner Form als Bürgermeister bin ich mit allen Organisationen die sich 4
diesem Thema widmen in Kontakt, sei es unser Landespflegeheim, sei es Einrichtungen wie 5
Hilfswerk sei es andere Institutionen, da Versucht man natürlich immer als Schnittstelle und 6
als Kommunikationsplattform zu dienen. Auch was das Betreute oder (,) betreubare Wohnen 7
anbelangt in unserer Gemeinde, versucht man natürlich da die Anliegen der älteren 8
Generationen (,) im speziellen oder den Anliegen gerecht zu werden. Wir haben ja bereits ein 9
Betreutes Wohnen und sind jetzt gerade dabei einen weiteren Bau zu errichten, um dem 10
Thema auch gerecht zu werden und da bekommt man natürlich auch immer wieder mit, wie 11
unterschiedlich und diffizil die Anliegen sind. Also die Grundvoraussetzungen (,) und da 12
versuchen wir auch als Gemeinde … ein bisschen als Schnittstelle zu funktionieren … wobei 13
das natürlich (,) auch nur in einem eingeschränkten Maße passiert. 14
I1: Das heißt sie haben schon ein paar Angebote, die es in der Stadt und auch in den 15
umliegenden Gemeinden eventuell gibt, aufgezählt. (,) Sie haben kurz das Thema Defizite 16
angesprochen … aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes, gibt es Defizite hinsichtlich der 17
derzeitigen Betreuungssituation (?) … in den umliegenden Gemeinden, können sie näher 18
darauf eingehen, wo sehen sie da die Problematik (?) 19
B1: Ja wir wissen, dass sehr viele ältere Menschen in den einengen vier Wänden alt werden 20
wollen, ja (,) Stichwort betreutes Wohnen … und da ist es so, dass natürlich (,) das betreute 21
Wohnen primär in den größeren Einheiten, größeren Gemeinden, Kommunen Platz findet … 22
da ist mit Sicherhit in den umliegenden Gemeinden von Gänserndorf (,) eine gewisse 23
Drucksituation … Wir bekommen das mit, wenn ein neues Projekt … betreutes Wohnen 24
entsteht, ist das Interesse sehr groß. Das heißt offensichtlich ist der Bedarf enorm groß, und 25
wir haben in unmittelbaren Nähe, in Strasshof, in Deutsch Wagram und in Gänserndorf (,) 26
respektive, also wie gesagt in den größeren Einheiten, diese Einrichtungen, in den kleineren 27
Department Gesundheit
122
nicht, weil natürlich die Infrastruktur nicht gegeben ist, und insofern (PAUSE) haben wir da 28
sicher auch in Zukunft weiter Bedarf, weil jedes Mal wenn Einheiten hier entstehen die 29
innerhalb kürzester Zeit vergeben sind (,) spricht das für mich, dass da ein enormer Bedarf da 30
ist und das auch viele Leute, die auch jetzt noch nicht in der Situation akut sind, aber trotzdem 31
weitblickend vorrausschauen., weil aus familiärer Sicht hätten sie niemanden der sie 32
unterstützt. Wir haben private Häuser mit Gärten (,) wo sie sagen, das werde ich in ein paar 33
Jahren mit Sicherheit nicht mehr schaffen das selbstständig zu pflegen (,) und darum schauen 34
diese auch zeitgerecht das sie für ihren Lebensabend sozusagen, die ideale Lösung finden (,) 35
und darum glaube ich das, dass Problem oder die Thematik, (,) sagen wird nicht Problem, aber 36
die Thematik in den nächsten Jahren, weiter steigen wird (,) und da der Bedarf enorm groß 37
sein wird. 38
I1: (Zustimmendes Nicken) Wie sind die betreuten Wohnformen, also das betreute Wohnen, 39
man kann sich ja die Option offen halten ob man den Beratungsvertrag nimmt oder nicht … 40
B1: Zustimmendes Ja 41
I1: wie sind die Leute die sich den Betreuunngsvertrag dazu nehmen (,) momentan, wie 42
werden die betreut oder versorgt (?) 43
B1: Also bei uns ist es so im aktuellen (,) betreuen Wohnen in der Barbaraheimstrasse, wird 44
das in Kooperation mit dem angrenzenden Landespflegeheim erledigt. Da gibt es natürlich 45
optimale Synergien, weil die die Einrichtungen des Landespflegeheims optimal mitnutzen 46
können. Da gibt es auch die Kooperation im Freizeitsektor, auch was das Mittagessen 47
anbelangt, da funktioniert es in ausgezeichneter Art und Weise und da glaub ich haben alle 48
bis auf einen dieser Bewohner einen Betreuungsvertrag unterzeichnet … Im neuen betreuten 49
Wohnen da wird jetzt gerade eine neue Option ausgelotet (PAUSE) Da kann ich aber zur 50
aktuellen Situation nichts sagen (,) weil das gerade … am Ausarbeiten ist. Da wird es meines 51
Wissens nicht mehr über das Landespflegeheim passieren, sondern da sucht man eine neue 52
Option (,) unter Umständen über das Hilfswerk (,) und wie da der Zugang sein wird, getraue 53
ich mir zum jetzigen Zeitpunkt nicht zu sagen. Die Leute die zum jetzigen Zeitpunkt in der 54
akuten Situation sind, dass sie diesen Vertrag in Anspruch nehmen, die tun das gerne … die, 55
die das eher als zukünftige Option haben, die zaudern und zögern da ein Stück weit, weil es 56
natürlich auch mit monatlichen Kosten verbunden ist. Aber so einen Vertrag zu haben, das ist 57
auf jeden Fall sicher sinnvoll. 58
I1: Abgesehen von betreuten Wohnformen die es in Gänserndorf gibt, haben sie schon 59
angesprochen, gibt es auch anderen Betreuungsformen wie das Hilfswerk … 60
B1: Zustimmendes Ja 61
Department Gesundheit
123
I1: … Beispiel. Haben sie da Erfahrungswerte oder Berichte gehört, dass es da Defizite oder 62
Problematiken gibt, hinsichtlich Betreuungsverträgen, … oder auch mit 24 Stunden Pflege. 63
B1: Naja es ist halt die Frage (PAUSE) Probleme … es gibt die privat organisierten 24- 64
Stunden (,) Pflegeeinheiten, oder Betreuerinnen die über Organisationen, oder private 65
organisiert werden, und dann haben wir die Einrichtungen, ala Hilfswerk, wo man eine gewisse 66
(,) ein gewisses Monitoring, einen gewissen Überblick auch über das Land direkt hat. Das ist 67
bei den privaten eher weniger. DA haben wir weniger den Zugang. Über das Hilfswerk direkt, 68
da pflegen wir natürlich einen relativ intensiven Kontakt und da funktioniert es aus meiner Sicht 69
relativ gut. Wie es in den privaten Formen ausschaut mit der Qualität, tue ich mir relativ schwer 70
zu sagen, weil wir da relativ wenig Einblick und Überblick haben. 71
I1: Es gibt internationale oder Europäische Konzepte. Ich werde diese kurz erläutern. Es gibt 72
zum Beispiel die sogenannte „District Nurse“ in National Health Service in Großbritannien 73
beispielsweise. Es gibt das „Burrtzorg“ Modell, community nurses aus den Niederlanden. Es 74
gibt Projekte, das Projekt „EIGER“, geriatrisch innovative Hausbesuche aus der Schweiz. Also 75
es gibt verschiedene Modelle, international, die sich der Thematik, der 76
Schnittstellenproblematik schon angenommen haben und es dort auch umsetzten. … Ich 77
werde verschiedene Tätigkeiten auch kurz erläutern und das wir zu jeder Tätigkeit, darauf 78
eingehen. … 79
I1: Der Hauptfokus liegt bei präventiven Hausbesuchen. Das heißt beispielsweise bei den 80
District nurses erfolgen tägliche Hausbesuche zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen. Beim 81
Projekt EIGER in der Schweiz gibt es ddie Möglichkeit, dass die Leute ab einem bestimmten 82
Alter besucht werden müssen, um den aktuellen Bedarf zu erheben. Was würden sie von 83
solchen präventiven Hausbesuchen in Gänserndorf ab einem gewissen Alter, sagen wir 75, 84
halten. Für Leute die zu Hause wohnen, um einen Ist Stand zu erheben, von der aktuellen 85
Bedarfs- und Betreuungssituation (?) 86
B1: Es ist immer die große Frage in wie weit etwas verpflichtendes dann akzeptiert ist und 87
sinnvoll ist. Ich glaube einfach, dass Angebot zu haben, dass jemand da ist, der täglich oder 88
zumindest routinemäßig vorbei schaut, ist ein gutes Angebot. Aber ob das jetzt ab einem 89
gewissen Alter verpflichtende sein sollte, oder muss, bin ich persönlich etwas skeptisch. Sage 90
ich ganz offen und ehrlich. Weil die körperliche Konsistenz, die ganz unterschiedlich ist. Es 91
gibt Leute die sind mit 85 noch Topfit und dann gibt’s Leute die sind halt schon mit 65 in einer 92
Pflegesituation, oder auch schon weiter darunter. Das heißt ich glaube man sollte das nicht 93
mit einem fixen Alter versehen. Die Option wenn Hilfe gebraucht wird, oder wenn man dieses 94
Angebot in Anspruch nehmen möchte ist sehr gut und glaube ich absolut zukunftsträchtig. Ich 95
würde es aber wie gesagt nicht verpflichtend sehen und nicht mit einer Altersgrenze versehen. 96
Department Gesundheit
124
Ich glaube da wäre die Akzeptanz nicht da und da würde man doch sehr viele Leute vor den 97
Kopf stoßen. 98
I1: Die Hauptaufgabe, die sich bei allen Modellen durchzieht, ist in erster Instanz eine 99
Beurteilung der individuellen Gesundheitsbedürfnisse, ein Assessment, eine Erhebung der 100
Bedarfslage. Wenn diese Hausbesuche nicht verpflichtend wären, aber das Angebot da wäre 101
… Was denken sie darüber wenn man solche Hausbesuche auch im Sinne eines Case 102
Management macht. Das heißt man erhebt mal die individuelle Bedarfslage und plant dann 103
mit der Person gemeinsam, welche Betreuungsangebote passen für die Person am besten 104
und organisiert das dann auch mit der Person, oder für die Person (?) 105
B1: Ich glaube das wäre ein Topangebot, weil viele Menschen einfach überfordert sind mit der 106
Situation. Es gibt ein breit gefächertes Angebot (,) aber aus einer Hand sozusagen alle 107
Möglichkeiten zu bekommen, ist sicher sehr sehr hilfreich, weil in diesem Dschungel an 108
unterschiedlichen Angeboten, oder auch an Fördermöglichkeiten, ist es sehr schwierig für den 109
Normalsterblichen das richtige für sich heraus zu filtern. Und da wär so eine professionelle 110
Hilfe (,) so eine präventiv Erhebung mit Sicherheit sowohl für den einzelnen sehr hilfreich, als 111
auch in weiterer Folge natürlich auch für die Gemeinde und das ganze Gesundheitswesen. 112
Bei uns im Land sehr hilfreich, weil man da auch ein bisschen ein Gefühl bekommt (,) wie 113
wirklich der individuelle Wunsch ist (,) beziehungsweise, „wo der Schuh drückt“. 114
Beziehungsweise wo man am ehesten nachjustieren kann, beziehungsweise wo man am 115
ehesten die Ressourcen hingibt. 116
I1: Ein weiterer Punkt, bei den Konzepten ist auch die Beratung und Unterstützung, nicht nur 117
von den betreuungsbedürftigen Personen selbst, im Sinne der Ressourcenförderung, sondern 118
auch die Beratung und Unterstützung der Familienpflege, der pflegenden Angehörigen. 80% 119
der Pflege wird in Österreich durch Laienpflege geleistet, durch Angehörige geleistet. Wie 120
sehen sie da den Nutzen daraus, oder den Ansatz daraus (?) 121
B1: Ich glaube auch da wäre der Ansatz, oder der Nutzen ein enormer. Weil die Familien und 122
sie haben es ja auch gerade gesagt, dass 80% (,) in Form von Laienpflege passiert. Natürlich 123
auch sehr (,) sowohl zeitlich, auch Ressourcen mäßig, eingebunden sind und das eine enorme 124
Belastung ist für die Angehörigen ist. Und das da eine fachliche Unterstützung zu erfahren, ist 125
mit Sicherheit ein absoluter Mehrwert. Weil auch die Angehörigen da oftmals unter massiven 126
Druck stehen und es sicher eine Belastung die nicht zu unterschätzen ist. … Und wenn man 127
da jemanden an der Hand hat, wo man weiß der ist vom Fach, ist das sicher sehr dienlich und 128
hilfreich und ich glaube das würden auch sehr viele dankend annehmen. Sowohl … was die 129
fachliche Perspektive anbelangt, was die Pflege betrifft, als auch was Unterstützungsformen 130
jeglicher Natur betrifft. Sei es finanziell, sei es durch irgendwelche Betreuungseinrichtung, die 131
Department Gesundheit
125
man als solches auch nicht kennt. Also ich glaube da wäre auch für die Angehörigen, oder 132
diejenigen die die Pflege vollziehen, sicher ein absoluter Mehrwert. 133
I1: Wenn wir uns vorstellen (,) es würde so ein Konzept, so eine Regionale Gesundheits- und 134
Krankenpflegeperson in Gänserndorf implementiert werden (,) welcher Aspekt sollte das 135
Berufsbild ihrer Meinung nach, für ihre Stadt für die umliegenden Gemeinden, noch enthalten, 136
oder wie sollte es ihrer Meinung nach gestaltet sein (?) 137
B1: (PAUSE) Also ich glaube das diese Person einfach auch den Charakter einer Schnittstelle 138
haben sollte. Das heißt, dass die auch wirklich den einen oder anderen zusammen bringt. Es 139
ist ja oft so, das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Das heißt wenn man irgendwo 140
eine Problemstellung hat und eine individuelle Lösung für ein konkretes Problem hat, dann 141
kann man das mit Sicherheit auch durch eine entsprechende Vernetzung weiter geben. Das 142
heißt Erfahrung (,) jemanden anderen auch zu teil werden lassen. Da ist es natürlich sinnvoll 143
natürlich dann ich irgendwann Informationsvorträge zu halten, für Angehörige, die (,) in der 144
Pflege als solches sind, beziehungsweise selbst betreuen. Und da einfach zu vernetzen, zu 145
sagen- Pass auf, da gibt es diese Unterstützung, da gibt es Möglichkeiten auch gemeinsam 146
auch Dinge zu unternehmen. Weil es ist auch oft, dann so , das die Vereinsamung als solches 147
auch oft ein großes Thema ist (,) und ich denke mir einmal da eine Schnittstelle zu haben, wo 148
man sagt da gibt es zwei, drei, vier, fünf, zehn Personen, die man durchaus auch zusammen 149
führen kann, die man da vernetzten kann …. Damit einfach auch die, wie soll ich sagen, in 150
einer geselligen Form (,) ihre positiven Alltagserlebnisse haben, weil das ist auch oft eines der 151
größten Probleme, die im Laufe einer längeren Pflege entstehen, dass die Leute auch 152
irgendwo sehr abgeschieden sind von der Öffentlichkeit und dann wirklich nur mehr die 153
Pflegerin oder die eine Verwandtschaft als Ansprechperson haben und vielleicht kann man da 154
auch über diese professionelle Hilfe (,) Verbesserungen herbei führen. 155
I1: (PAUSE) Oft steckt auch ein großer organisatorischer Aufwand dahinter, können sie sich 156
vorstellen wie man das organisatorisch lösen könnte, die Implementierung solch einer Person 157
(?) Auf welcher Basis (?) 158
B1: Organisatorisch … wenn man so etwas als Kommune, oder als Region sowas als 159
Pilotprojekt installieren möchte, wird es sicher auch notwendig sein, dass man (,) finanzielle 160
Ressourcen frei gibt. (,) Das muss man sich dann auch genau anschauen, durch welche 161
Träger, ein solches Modell auch finanziert werden kann. Das heißt von den Ressourcen sag 162
ich jetzt einmal, ein Büro zur Verfügung zu stellen, das wird wahrscheinlich das Geringste 163
sein. Oder auch Sprechstunden am Gemeindeamt zu installieren. Also da glaube ich, dass es 164
mit Sicherheit nicht scheitern wird. Es geht einfach darum und das wird ein laufender Prozess 165
sein, wie professionell beziehungsweise wie intensiv man eine solche Einrichtung auch 166
Department Gesundheit
126
installieren möchte und fördern möchte. … Ich könnte mir schon vorstellen, wenn da viele 167
helfende Hände, oder Institutionen an einem Strang ziehen, das da durchaus auch etwas 168
möglich ist. Aber da muss man zuerst einmal die Rahmenbedingung definieren … den Bedarf 169
evaluieren, (,) die Stunden als solches einmal erheben und dann kann man sich einmal 170
anschauen, okay, wie viel Finanzbedarf ist vorhanden und wo ist dann jeder bereit seinen 171
Beitrag dazu zu leisten. 172
I1: Gehen wir nochmal ein Stück weit weg von den Regionalen Gesundheits- und 173
Krankenpflegepersonen … kurz ein Stück weit in ihren Erfahrungswert. Jeder Mensch ist mit 174
Erkrankung und mit gesundheitlichen Problemen ein Stück weit konfrontiert, gibt’s von ihrer 175
persönlichen Ebene, abgesehen von der Bürgermeister Ebene, Erfahrungswerte die sie 176
gemacht haben auch im Sinne von- Schwächen im Schnittstellenmanagement, 177
Nahtstellenmanagement (?) 178
B1: Jetzt konkret was die Pflege anbelangt (?) 179
I1: Einfach vom Gesundheitsversorgungssystem her. Man kommt ins Krankenhaus und wird 180
nachher weiter Betreut, weitere Versorgung … 181
B1: Ja bei uns im konkreten, glaub ich das es mit Sicherheit Verbessrungspotential gibt, was 182
die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Ärzten anbelangt, und zum Beispiel das 183
Medizinische Zentrum in Gänserndorf. Also ich glaube da, könnte man sicher Effizienz 184
steigernd unterwegs sein. Da wird es sicher notwendig sein (,) vielleicht einen entsprechenden 185
„round table“ zu machen. Wo man (,) gegenseitig einmal die Erfahrungen austauscht. Wo man 186
einmal sagt, okay da könnten wir unterstützen. Momentan habe ich so ein bisschen das 187
Gefühl, das rennt zumindest parallel aneinander vorbei. Ich glaube da könnte man sicher 188
einiges verbessern. Wo ich auch glaube (,) jetzt rein Städteplanerisch, dass es sinnvoll wäre 189
irgendwie (,) einen medizinischen Cluster zu schaffen. Bei uns ist es oft so, dass der ein 190
Facharzt am ganz anderen Ende ist als der andere. Was einfach von der verkehrlichen 191
Anbindung, suboptimal ist. Ich glaube wenn wir mittelfristig denken, es sinnvoll wäre, ein 192
Ärztezentrum oder einen entsprechenden medizinischen oder sozialen Cluster zu schaffen. 193
Wo man schauen kann, dass man das besser öffentlich anbindet. Wo man einfach die 194
einzelnen Aufgaben, der einzelnen Ärzte, vielleicht bündeln kann. Wo jeder vom anderen dann 195
auch entsprechend profitiert. Das glaube ich auf jeden Fall, auch mit den Angeboten die wir 196
haben. Auf der einen Seite haben wir das Hilfswerk, auf der anderen Seite haben wird die 197
Volkshilfe, auf der anderen Seite haben wir den Sozialhilfe Verein mit Essen auf Rädern. Also 198
ich glaube das da mit Sicherheit (,) effizienzsteigernde Maßnahmen, im Sinne einer 199
Informationspolitik (,) vorhanden sind und die muss man auch sukzessive erheben. 200
Department Gesundheit
127
I1: Sie haben die wichtigsten Punkte, sehr schön zusammengefasst. Gibt es generell noch 201
etwas das sie zu der Thematik sagen, oder anfügen möchten (?) 202
B1: (PAUSE) Also ich glaube man muss das Gesundheitswesen, es werden 50% der 203
Landesmittel in Soziales und in Gesundheit (,) investiert, dass es schon sehr wichtig ist, das 204
man, die in individuellen Wünsch, oder auch die Wünsche der Bevölkerung respektiert, 205
beziehungsweise auch in Zukunft einfließen lässt. Da wird es ab und an wahrscheinlich (,) 206
neue Lösungsansätze geben müssen. Wie auch immer die dann aussehen. (,) Sie haben es 207
am Anfang schon genannt. Es gibt in anderen Ländern, sei es in den Niederlanden, in 208
Deutschland, in der Schweiz, aber auch in Dänemark, die unterschiedlichsten (,) Piloten, 209
Erfahrung und ich glaube das wir da gut beraten wären, das wir uns der Dinge die bereits gut 210
funktionieren einfach annehmen. Da muss man wahrscheinlich ab und an auch vielleicht, ein 211
bisschen (,) zumindest auf regionaler Ebene Pionierarbeit leisten und sagen, okay, ich bin 212
dazu bereit, auch zu investieren. Weil nur, wie oftmals im Leben, wenn man entsprechend 213
auch bereit ist in etwas zu investieren, kann man eine Verbesserung herbeiführen. Und ich 214
glaub das wird unser Ansatz sein. Wir wissen auch, dass es speziell für uns als Kommunen 215
immer schwieriger wird, die breit gefächerten Aufgaben in allen Belangen, entsprechend 216
professionell auch zu gewährleisten. Aber ich glaub Gesundheit, das ganze Sozialsystem (,) 217
wird aufgrund der Altersstruktur unserer Gesellschaft in Zukunft einfach ein ganz ein ganz ein 218
zentrales Thema sein und da sind wir gut beraten uns jetzt einfach schon Lösungsansätze 219
zurecht zu legen, die uns dann in Zukunft (,) das Leben erleichtern werden. 220
I1: Dann danke ich für das Gespräch. 221
222
Department Gesundheit
128
A.9 Transkription Interview II
Experteninterview II
Interviewdatum: 06.06.2016
B2: Frau Christine Traunig- Pflegende Angehörige
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Ihre Tante wird abwechselnd von zwei 24 Stunden Kräften betreut. Erzählen sie mir von 1
ihrem Alltag als pflegende Angehörige, wie geht es ihnen mit der Situation, wie läuft die 2
Situation ab (?) Einfach offen erzählen. 3
B2: Ja wenn man gute Pflegerinnen hat, dann läuft es relativ gut. Es sind aber nicht alle 4
Pflegerinnen, wirklich Pflegerinnen und gut. Das ist das Problem in dieser Angelegenheit 5
eigentlich. … Man muss sich um sehr viel kümmern, aber nicht nur administrativ, sondern was 6
machen diese Leute. Wie gehen sie mit der zu pflegenden Person um. (,) Was machen sie (,) 7
bewegen sie sie (,) pflegen sie sie ordentlich (,) wie ist die Versorgung … was wird zum Essen 8
gemacht, gesund, nicht gesund. … Als diese Sachen, auf die schaue ich halt und alles andere 9
besorge ich halt. Sprich (lächelt) also angefangen von sämtlichen Pflegeprodukten, … 10
Windeln, Arztbesuche, die ich organisiere. Rezepte, wenn was Neues gebraucht wird, wenn 11
was gestrichen wird von Rezepten. Das ganze Haushaltsgeld, alle finanziellen 12
Angelegenheiten … Das ist von der Pflegerin, bis hin zur Bezahlung der Gemeindeabgaben, 13
etc. Also alles Finanzielle wird auch von mir erledigt. Also um das kümmern sich die 14
Pflegerinnen überhaupt nicht. 15
I1: Wie sind sie dazu gekommen, dass sie jetzt pflegende Angehörige sind, also wie hat sich 16
die Situation ergeben (?) Wie war das für sie im ersten Moment zu sehen- okay ihre Tante hat 17
jetzt einen Bedarf an Pflege …Wie waren so die ersten Schritte, die sie gesetzt haben (?) 18
B2: Die ersten Schritte waren eigentlich, die Tante ist gestürzt und hat sich einen 19
Oberschenkelhalsbruch gehabt. Und war dort dann im Krankenhaus und meine Tante ist nicht 20
wirklich eine Kämpferin, die lässt sich gleich gehen (Pause) Und so hat das angefangen, dass 21
wir erst Betreuung hatten, die sich eher mehr um den Haushalt gekümmert haben und (,) da 22
war sie noch kein wirklicher Pflegefall. In Zwischenzeit ist sie leider ein wirklicher Pflegefall, 23
aber hat halt so begonnen und step by step ist das immer mehr geworden, eigentlich. Auch 24
vom wirklichen Pflegeaufwand her. Das heißt heute ist es so, dass meine Tante eine Windel 25
hat, immer auch während dem Tag. Das hat sie vor zehn Jahren noch nicht gehabt und so ist 26
es mit allem ein bisschen schlechter geworden. … Mal mehr, mal weniger. Warum ich das 27
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129
übernommen habe (?) Es ist ja eigentlich meine Tante und nicht meine Mutter. … Der Sohn 28
meiner Tante ist vor sieben Jahren gestorben, da war sie schon, also da hatten wir schon 29
Betreuung (,) und meine Tante wollte, wie so viele alte Menschen, partu nicht in ein Heim. Und 30
da meine Tante wirklich eine schwere Jugend gehabt hat und (,) auch kein wirklich leichtes 31
Leben, ist es auch von mir ausgegangen, dass ich gesagt hab, okay, wenn sie so gar nicht 32
will, dann machen wird das von zu Hause. Und haben das eben versucht, dass wir das eben 33
auf die Reihe bekommen (schmunzelt). Ja, soweit ist das jetzt, glaub ich ganz gut gelungen. 34
I1: Wie sind sie zu der 24 Stunden Pflege gekommen, die sie jetzt haben, die ihre Tante jetzt 35
betreut (?) Über das Internet (?) über Plattformen (?) Wie sind sie dazu gekommen (?) 36
B2: Also in elf Jahren, habe ich schon vieles gehabt. (,) Auf Mundpropaganda, auf Empfehlung, 37
auf Agenturen, auf mehrere Agenturen. Die eine besser, die andere schlechter muss ich 38
sagen. Ebenso das Pflegepersonal und jetzt hab ich das Glück, dass ich über eine Bekannte 39
(,) die … die die Dame vermittelt bekommen hat. Die hat die Mutti von ihr gepflegt. Und die hat 40
sie mir so empfohlen, indem sie gesagt hat, glaube mir, meine Mutter ist gestorben und hat 41
nicht einen roten Fleck am Körper gehabt. Und das hat mich eigentlich überzeugt. Weil jetzt 42
wie gesagt, braucht sie wirklich intensive Pflege und (,) es ist, Hygiene vor allem (,) und dazu 43
brauchen wir jetzt wirklich Kräfte, die das ordentlich machen. 44
I1: Das heißt sie haben die 24 Stunden Pflege privat organisiert (?) 45
B2: Jetzt ist sie zum ersten Mal privat. 46
I1: Und zuvor war das über einen Verein, einen Non Profit Verein den man kennt. 47
B2: Ja 48
I1: Wie haben sie da das erlebt, die Organisation vom Verein selbst (?) (Pause) Gab es da 49
Kontrollen (?) Ist da jemand gekommen und hat kontrolliert oder unterstützt (?) 50
B2: Also das ist mir zum Beispiel viel zu wenig. Also ich habe zuletzt eine Agentur gehabt, wo 51
du im Monat 140 Euro zahlst … Da ist niemals kontrolliert worden. Da ist niemals geschaut 52
worden, wie geht’s dem Patienten. Da bin ich niemals angerufen worden (,) und das hat mich 53
eigentlich sehr gestört. Und sie sind jährlich teurer geworden (,) Also auch die Pflegekräfte 54
dann natürlich. Und jetzt zum Schluss war das eigentlich für mich (,) schon sehr unverschämt. 55
I1: Also da gab es auch rundherum keine Unterstützung, im Sinne von anderen … eine 56
Unterstützung für organisatorisches. Das heißt für einen Rollstuhl, oder für Pflegebehälfe (?) 57
B2: Nein überhaupt nicht, das habe alles ich erledigt und ich muss auch dazu sagen, auch die 58
Pflegerinnen wurden nicht betreut von dieser Agentur. Wenn da irgendwas war mit Finanzamt, 59
Steuerausgleich (,) das hab alles ich dann für die Pflegerinnen (schmunzelt) gemacht. Die 60
Pflegerinnen haben ja auch an die Agentur gezahlt. Also das, das kann es eigentlich nicht 61
Department Gesundheit
130
sein, denn wenn ich eine Agentur hab, dann erhoff ich mir, oder dann möchte ich auch 62
unterstützt werden. 63
I1: Und normale Hauskrankenpflege wie sie vom Hilfswerk, oder von der Caritas angeboten 64
wird, also mobile Hauskrankenpflege war nie eine Option (?) 65
B2: Das war ganz am Anfang, haben wird das gehabt, nur das hat- heute klappt es vielleicht 66
besser- dazumal vor zehn Jahren eben, hat das nicht gut geklappt. Die sind einmal in der Früh 67
um halb sieben gekommen und dann um halb neun. Und das geht am Anfang, solang der 68
Patient, also der zu Pflegende auch noch etwas dazu beitragen kann. Aber wenn es dann 69
schon so ist, das du wirklich wirklich Hilfe brauchst, dann geht das nicht mehr. Weil die sind 70
dann stundenlang dazwischen alleine (,) und du weißt nicht was ihnen einfällt. Meine Tante 71
sitzt zum Beispiel jetzt im Rollstuhl, und die bleibt nicht sitzen. Sie fängt dann an- sie will raus- 72
(lächelt) und wenn die dann alleine aufsteht und es ist niemand da, find ich eher gefährlich. 73
Also das geht in dem Station sag ich jetzt, nicht mehr. 74
I1: Und wie geht es ihnen persönlich mit der Situation, im Sinne vom Alltagsmanagement. Man 75
hat auch ein Privatleben und Aufgaben die man selbst regeln muss. Wie funktioniert das (?) 76
B2: Es ist schon sehr anstrengend. Ich sag immer es ist mein Halbtagsjob. Ich bin Gott sei 77
Dank in Pension. Aber es ist, wenn ich es stundenmäßig zusammen rechne, ein Halbtagsjob. 78
Die Gedanken ruhen auch nicht. Du beendest das, indem du dort warst und dir denkst, was 79
ist heut wieder los. Das arbeitet ja dann auch. Jedes Telefonat, wenn ich den Nachnamen 80
meiner Tante am Telefon sehe, das ist wenn mich eine Pflegerin anruft, werde ich schon 81
nervös. Das belastet schon. Vor allem über diese lange Zeit. … Und jetzt fürchtet man natürlich 82
(,) das der Tod kommt. Vor dem fürchtet sich jeder Angehörige. … Oder ein 83
Krankenhausaufenthalt. Vor dem fürchte ich mich schon fast mehr, muss ich ehrlich sagen, 84
wie vor dem Tod. (,) 85
Weil Krankenhausaufenthalt für sie eine enorme Belastung ist. Vor zwei oder drei Jahren, da 86
hatte sie Rotlauf, da war sie vier Wochen im Krankenhaus. … Vom Krankenhaus möchte ich 87
jetzt gar nicht reden wie es dort zugegangen ist. (,) Weil ich habe sie zurückbekommen (,) also 88
da habe ich wirklich geglaubt sie stirbt in den nächsten 14 Tagen. Aber da habe ich eine gute 89
Pflege gehabt. Da haben wir es geschafft, da konnten wir sie wieder mobilisieren, raus aus 90
dem Bett und schön langsam hat sich das Ganze wieder ins positive umgekehrt. Aber das sind 91
halt (,) denk ich die Sorgen. 92
Und auch das Finanzielle ist eine enorme Belastung, weil wir alle wissen (,) so alte Leute wie 93
meine Tante mit 85, mein Gott was hat die für eine Pension. Der Staat schießt natürlich zu, 94
ohne den würde es ja überhaupt nicht gehen. Und die finanzielle Belastung liegt zum Teil auch 95
bei mir. Also das geht sich nicht aus mit der Pension. Mit dem (,) die Leute haben auch gespart 96
Department Gesundheit
131
(lacht), aber das wird alles aufgebraucht, Es ist ein Haus zu erhalten, es ist ein Haushalt zu 97
bewältigen, es sind Pflegerinnen zu zahlen, enorme Apotheken kosten. Alles was ein bisschen 98
besser ist muss man sowieso privat zahlen. …Das wissen sie wahrscheinlich eh am besten. 99
(lächelt) Und somit summiert sich das ganz schön. 100
Es müssen Haare geschnitten werden, wir brauchen Fußpflege. Sie ist Diabetikern, also da 101
muss man schauen das man (,) ob gesundes Essen serviert wird und das ist alles teuer. 102
I1: Bezieht sie Pflegegeld (?) 103
B2: Ja 104
I1: Welche Stufe (?) 105
B2: Stufe 4 106
I1: Stufe 4 derzeit.- Weil sie vorhin angesprochen haben. Sie war im Krankenhaus, ist in einem 107
nicht guten Zustand zurückgekommen. Das würde auch zu meiner nächsten Frage passen- 108
Welche positiven aber auch negativen Erfahrungen haben sie mit dem Gesundheitssystem an 109
sich, auch in Bezug auf ihre Tante, mit dem Krankenhaus, mit dem Hausarzt, mit Fachärzten, 110
generell der pflegerischen Betreuung gemacht (?) Können sie mir da ein bisschen etwas 111
schildern (?) Wie erleben sie das Gesundheitssystem an sich und auch die Zusammenarbeit 112
mit stationären Einrichtungen wie dem Krankenhaus, aber auch den niedergelassenen 113
Bereich, wie Hausärzten zum Beispiel (?) 114
B2: Also Krankenhaus bin ich absolut unzufrieden. Also man hat ihr nicht einmal im Pflegebett 115
dieses Gitter vorgegeben, weil man gesagt hat, „das darf man nicht“. Das hat so lange 116
gedauert bis sie raus gefallen ist. So, dann war das Thema einmal gegessen. Also 117
Krankenhaus überhaupt- und absolut nicht zufrieden muss ich sagen. Die Schwestern sind 118
zwar sehr lieb und nett gewesen, aber die sind überlastet und haben keine Zeit. (,) Und ich 119
sag jetzt einmal, man kümmert sich mehr um jüngere Patienten. Also ein alter Mensch im 120
Krankenhaus (,) tun mir wirklich leid muss ich sagen. … Also ich habe dort wirklich Sachen 121
gesehen, die mir überhaupt nicht gefallen. Wenn ein Mensch nicht selber essen kann und ich 122
stelle ihm das Essen hin, jeden Tag wiederholt sich das. Weil ich war jeden Tag bei meiner 123
Tante, und Strasshof und Mistelbach ist eine breite Strecke. Und hab gesehen wie es in dem 124
Zimmer zugeht, Danke Krankenhaus … (lacht) Es können andere auch sein, aber dieses wo 125
wir waren, gar nicht. 126
Hausarzt mehr als zufrieden. Also wir haben einen Mann als Hausarzt gehabt, Der ist leider in 127
Pension gegangen, Das war wirklich ein Spitzenarzt. Dann kam der Nachfolger. Auch sehr 128
sehr gut und jetzt haben wir eine Frau Doktor. Auch sehr sehr gut. Kommt jede Woche, hört 129
sie ab, spricht mit ihr, Blutdruck messen, Zucker messen. … Wenn es irgendeine Frage gibt, 130
immer ein offenes Ohr. Medikamentenumstellung, was könnte man machen. Meine Tante hat 131
Department Gesundheit
132
sehr schlechte Nierenwerte. Da wird immer überlegt man immer, was gibt man, was belastet 132
die Niere nicht. Also die macht sich echt Gedanken. Verschreibt nicht nur. Also mit Hausarzt 133
sehr sehr zufrieden. 134
I1: Haben sie das ausgemacht das der Hausarzt einmal pro Woche kommt, … 135
B2: Ja 136
I1: Also das ist ausgemacht … und das ist fix jede Woche (?) 137
B2: Die kommt fix jede Woche. 138
I1 Ist das extra zu bezahlen oder ist das eine Kassenleistung (?) 139
B2: Nein, das ist in der Kassa inkludiert. 140
I1: Ich möchte trotzdem nochmals kurz auf die Krankenhaussituation eingehen. Sie ist ja dann 141
entlassen worden. Hat da irgendjemand vom Krankenhaus, von den Pflegepersonen vom 142
Entlassungsmanagement mit ihnen gesprochen, was sich verschlechtert hat, gibt es 143
Medikamentenänderungen. Im Sinne eines Entlassungsmanagement, das heißt man bereitet 144
sie jetzt wieder auf die häusliche Pflege vor. Gab es da von Seitens dem Krankenhaus eine 145
Leistung, ein Gespräch (?) 146
B2: Nein. (Pause) 147
I1: Gar nichts (?) 148
B2: Nein. Also der Fall war abgeschlossen. Ich sage, das Antibiotika war abgeschlossen, oder 149
diese Kur, diese Medikation beendet und (,) „Sie können ihre Tante mit nach Hause nehmen. 150
Alles Weitere macht der Hausarzt.“ 151
I1: Als wurde nicht nach der Betreuungssituation zu Hause gefragt (?) 152
B2: Nein gar nicht. 153
I1: Wie haben sie sich dabei gefühlt (?) Wie ist es ihnen dabei gegangen (?) Was hätten sie 154
sich gewünscht in der Situation, dass ihnen mehr geholfen gewesen wäre, oder auch das sie 155
zufriedener mit der Versorgung im Krankenhaus und auch mit der Entlassung aus dem 156
Krankenhaus, wieder in die häusliche Pflege gewesen wären (?) 157
B2: Das ist alles eine Bürokratie. Sie hat zum Beispiel im Krankenhaus andere Medikamente 158
bekommen. Ich weiß nicht wie es heute ist. Die musst du dann- da bekommst du keine mit 159
nach Hause- da musst du dann, egal ob du am Freitag, oder am Samstag oder am Sonntag 160
nach Hause gehst, da musst du dann schauen- woher bekommst du jetzt die Medikamente 161
überhaupt (?) Man hat ja gar nicht gewusst, was ist das jetzt überhaupt (?) Was nimmt sie da 162
überhaupt für Medikamente (?) Warum das (?) Warum nicht das Alte (?) Also das muss man 163
dann wirklich alles mit dem Hausarzt besprechen. Und wenn man keinen guten Hausarzt hat, 164
… ist das schon ein Problem. Also das hat mir überhaupt nicht gefallen. 165
Department Gesundheit
133
I1: Gibt es sonst jemanden, der sie bei der Organisation Gesundheits- und medizinischen 166
Angelegenheiten ihrer Tante unterstützt (?) 167
B2: Naja ich habe Freundinnen und wenn ich nicht da bin, die schauen halt dann vorbei und 168
rufen mich an, dass alles in Ordnung ist und das und das ist angefallen. … Ist keine wirkliche 169
Unterstützung in dem Sinn, aber ist (,) ein gutes Gefühl, das man weiß, wenn jetzt was ist (,) 170
dann würde das meine Freundin organisieren. (Pause) Wie gesagt, die Pflegerinnen …. 171
Wissen oft nicht einmal die Telefonnummer vom Arzt. (Kopfschütteln) 172
Das heißt Unterstützung bekommen sie hauptsächlich von Freunden und Bekannten. Das 173
heißt von einer Fachkraft an sich, gibt es keine Beratung und Unterstützung derzeit (?) 174
B2: Nein. 175
I1: Es gibt internationale, oder europäische Konzepte, die sich mit der Betreuungssituation von 176
Menschen zu Hause beschäftigen. Ich erzähle ihnen ganz kurz, wie diese Konzepte aufgebaut 177
sind. 178
Es gibt die sogenannte District Nurse zum Beispiel, im National Health Service in 179
Großbritannien. Es gibt das sogenannte Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den 180
Niederlanden. Es gibt ein Projekt aus der Schweiz, das Projekt heißt EIGER- innovative 181
geriatrische Hausbesuche. 182
All diese Modelle haben im Fokus, nicht die Pflege an sich, so wie eine mobile 183
Hauskrankenpflege, sondern es geht primär um Hausbesuche. Um Hausbesuche die einen 184
starken vorbeugenden, präventiven Charakter haben. In Großbritannien zum Beispiel sind das 185
tägliche Hausbesuche zu Hause. Die Kontrollieren eben auch, beziehungsweise überwachen 186
die Versorgungsqualität zu Hause. – Wenn sie so etwas hören, was halten sie prinzipiell davon 187
(?) 188
B2: Von so etwas halte ich sehr viel. Da gefallen mir die nordischen Länder sehr gut. Da gibt’s 189
zum Beispiel Schweden. Die haben zum Beispiel, seit deinem aktiven Lebens, zahlst du einen 190
Beitrag und wenn du dann eben alt bist und Hilfe brauchst, wird das alles vom Staat bezahlt. 191
Die haben auch ganz tolle Pflegeheime wo sie junge Leute integrieren. Wo zum Beispiel bei 192
dem Pflegeheim ein Spielplatz dabei ist. Ein Kaffeehaus. Das da jung, alt, mittelalt gemischt 193
wird. Dass die Leute auch (,) ich mein es ist ja furchtbar traurig wenn du heute in ein 194
Pflegeheim gehst… Da sitzen ja nur diese alten Leute, und das den ganzen Tag rund um den 195
Tisch. Ich habe das selbst erlebt mit einer bekannten und das ist mir zu wenig. Also ich halte 196
von diesem neuen System sehr viel, wird mich auch einmal betreffen. 197
Ich werde mir zum Beispiel keine 24 Stunden Pflege mehr leisten können (,) Ich werde dann 198
auf so ein System, hoffe ich zurückkommen können. (lacht) 199
Department Gesundheit
134
I1: Wenn sie sich vorstellen, dass jemand bevor noch der hauptsächliche Bedarf da ist, das 200
man Pflege … 201
B2: Betreuung 202
I1: … Betreuung in Anspruch nehmen muss, das jemand nach Hause kommt und einfach 203
einmal die individuelle Bedarfslage erhebt. Wie geht es mir (?) Was benötige ich (?) Was 204
benötige ich für Unterstützung (?) Und auch was benötigen meine Angehörigen für 205
Unterstützung, dass ich wir uns selbst helfen können (?) 206
B2:(PAUSE) 207
I1: Wenn sie so etwas hören, was denken sie darüber (?) 208
B2: Total offen für so etwas. Das ist sehr gut, das kann eigentlich nur gut sein. Wir werden alle 209
Älter, nicht alle (lacht), aber generell sagt die Statistik, wir werden jedes Jahr um ein paar 210
Monate älter. Da denke ich, dass solche Sachen und man wird sich da was überlegen müssen. 211
Denn wie gesagt, die Generationen werden immer älter und wie wollen wir das bewältigen (?) 212
I1: Das heißt jemand der nach Hause kommt und vielleicht auch ihre Tante, aber vielleicht 213
auch sie selbst, im Sinne der Betreuung der Tante mit der 24 Stunden Pflege unterstützt, so 214
etwas würden sie als hilfreich erachten (?) 215
B2: Würde ich als hilfreich erachten. Ich sage, jetzt in dem Fall, dass ich das schon so viele 216
Jahre mache, brauche ich das nicht wirklich. Stehe am Anfang so einer Situation, auf jeden 217
Fall. 218
I1: Das heißt, in ihrer Momentanen Situation, würden sie die Unterstützung und Beratung bei 219
der Organisation von den Ressourcen, die es in der Umgebung gibt, nicht brauchen, da sie 220
schon lange in der Betreuungssituation sind. Aber wenn sie am Anfang stehen würden, wäre 221
es für sie sehr hilfreich (?) 222
B2: Auf jeden Fall sehr hilfreich. Für jeden hilfreich. Weil am Anfang weiß man gar nicht wo 223
fängt es an, wo hört es auf (?) 224
I1: Wenn sie zurück denken, an die Anfänge. Bevor die Betreuungssituation ihrer Tante ins 225
Rollen gekommen ist, wie stellen sie sich so eine Person vor (?) Was müsste so eine Person 226
für sie tun, so eine Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson, so eine 227
Gemeindekrankenschwester (?) … Wo der Fokus nicht auf der Pflege liegt, sondern zu 228
unterstützen und bei organisatorischen Fragen. 229
B2: Also wie stell ich mir die vor … Also wir haben eine tolle Physiotherapeutin… Also ich bin 230
ein Mensch … wenn ich jemanden sehe, dann muss mir der zuerst sympathisch sein (lacht). 231
Dann nehme ich auch Rat und Tat an. (PAUSE) Ich find das müsste berufenen Leute sein. Ich 232
glaube das kann nicht ein jeder machen. Das ist sicher kein leichter Job und die müssen auf 233
Department Gesundheit
135
der anderen Seite auch auf die Leute eingehen und wir sind ja auch alle verschieden. Also die 234
hat es bestimmt nicht leicht. (Pause) Kompetent, sympathisch, sicheres Auftreten. 235
I1: Von den inhaltlichen Aufgaben. Was wären so die Dinge, die man als pflegender 236
Angehöriger, oder als älterer Mensch, der vor einer Betreuungssituation steht- was müssten 237
die inhaltlichen Punkte sein, die diese Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson 238
übernimmt. (?) 239
B2: Also die mich informiert (?) Also inhaltlich, was gibt es für Möglichkeiten oder so (?) 240
Inhaltlich … Von A-Z. Wie ist der Ist Stand. Was kann man machen, wenn sich die Situation 241
verschlechtert. Wie ist der nächste Schritt. Was kann man alles tun, was gibt es für 242
Hilfeleistungen. Was erleichtert auch den Job der Pflegerin zum Beispiel. Eine Physiotherapie 243
nach einem Sturz oder so etwas. Das eine Physiotherapeutin kommt. Es ist alles möglich, nur 244
man weiß das nicht. Hätt ich nicht so eine gute Hausärztin die mir das alles gesagt hat, ich 245
wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass es eine Physiotherapeutin gibt, die zu einer 85 246
Jährigen Frau kommt. Also solche Sachen. Hilfestellung bei allem. Ob sie einen Augenarzt 247
benötigt. Meine Tante ist nicht leicht transportfähig. Du brauchst immer eine Rettung. Was ist 248
zu tun, was brauche ich (?) Mit einem Begleitschein, weil wenn ich nur die die Rettung rufe, 249
kann ich nicht mitfahren. Dann ist die zu pflegende natürlich sehr aufgeregt und es ist immer 250
besser, man macht das mit einem Angehörigen. Wenn Sich jemand bereit erklärt von den 251
Angehörigen, die da mitfahren. Ein alter Mensch ist immer verunsichert und hat Angst, sobald 252
er sein gewohntes Areal verlässt. Sprich seine Wohnung. 253
I1: Und im Sinne der 24 Stunden Pflege. Erachten sie es als sinnvoll, wenn die Person berät 254
und auch Kontrollfunktion ausübt, über die 24 Stunden Betreuerin (?) 255
B2: Ja. Weil dort gibt es Damen … die muss man einfach kontrollieren. Ich sag es wie es ist. 256
I1: Gibt es etwas, dass sie zu der Thematik noch sagen möchten (?) Etwas, dass sie noch 257
loswerden möchten auf Basis ihrer Erfahrungen (?) Etwas das sie noch anfügen mochten (?) 258
B2: (Lacht) Ja (,) ich hoffe das meine Generation auch Betreut wird. Ihre (lacht) Generation 259
auch. Und immer besser, kann man sich nur wünschen. Denn wie gesagt, wir sollen alle „älter 260
werden“ und das Alter ist … ist halt nicht so leicht zu meistern. Es kommt, halt einiges… In der 261
Jugend, an das denkt man noch gar nicht (lacht). Aber es kommt vieles. Und mit Hilfe (,) mit 262
professioneller Hilfe von A-Z wie gesagt, ist das sicher zu bewältigen. 263
I1: Dann danke für das Gespräch. 264
B2: Bitte. 265
Department Gesundheit
136
A.10 Transkription Interview III
Experteninterview III
Interviewdatum: 09.06.2016
B3: Frau Betina Rauscher, MSc- Mitarbeiterin im Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung
Häusliche Pflege sowie Stationsleitung in einem niederösterreichischen Landespflegeheim
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Frau Rauscher, sie sind Mitarbeiterin beim Kompetenzzentrum zur qualitätsicherung 1
Häuslich Pflege. Bitte erzählen sie mir von ihrem Aufgabengebiet. 2
B3: In der qualitätsicherung der häuslichen Pflege geht es darum (,) die Menschen zu Hause 3
zu besuchen und deren Versorgung sicher zu stellen. … Es geht darum zu schauen, ob sie 4
über alle Informationen die es in der Umgebung gibt, bescheid wissen, vor allem 5
Bezirksbezogen und Regionsbezogen. Die Menschen zu informieren was es noch für 6
Möglichkeiten gebe, sowohl rechtlich als auch fördermäßig, als auch behelfsmäßig und 7
darüber zu informieren, welche Angebote zu ihrem Krankheitsbild es in der Gemeinde oder im 8
Bezirk gibt. Zur Qualitätsicherung in der häuslichen Pflege gibt es drei Grundsäulen … Es gibt 9
die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege (,) die den Kranken direkt betrifft. Hier erfolgt 10
der Auftrag direkt vom Bundesministerium, aufgrund des Pflegegeldantrages. Die zweite Säule 11
ist die das Angehörige anrufen und von sich aus gerne eine qualitätsicherung in Anspruch 12
nehmen wollen. Die dritte Säule ist in der 24 Stunden Betreuung. Die qualitätsicherung in der 13
häuslichen Pflege ist notwendig, um die Förderung in Niederösterreich für die 24 Stunden 14
Pflege zu erhalten. 15
I1: Sie haben auch von Beratungsfunktion gesprochen. Wie flächendeckend erfolgt diese 16
Beratung (?) Ist die Beratung einmalig oder öfters (?) Wie ist das gestaltet (?) 17
B3: Die Beratung durch uns, also durch die qualitätsicherung in der häuslichen Pflege, erfolgt 18
einmalig. … Nach erfolgtem Besuch und wenn alles in Ordnung ist, wird dieser Mensch für 19
zwei Jahre von dem System gelöscht. Das heißt die nächsten zwei Jahre kommt fix niemand 20
von der Qualitätssicherung und dann kommt er wieder in diesen „Pott“ hinein. 540.000 21
Pflegegeldempfänger haben wir derzeit in Österreich. Und 20.000 werden jährlich von der 22
Qualitätssicherung besucht. Da kann man sich die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass man 23
wieder besucht wird. 24
I1: Wenn der Besuch stattfindet und man merkt es gibt dort einen Bedarf, werden die Besuche 25
dann weiter geführt, oder ist es trotzdem nur eine einmalige Beratung (?) 26
Department Gesundheit
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B3: Wenn es ein Bedarf ist hinlänglich einer Maßnahmendarstellung, wenn zum Beispiel eine 27
Wohnung vermüllt ist, oder wenn ich das Gefühl habe, es ist jemand nicht gut versorgt, aber 28
nicht weil das Geld nicht für die Pflege verwendet wird, sondern einfach weil sie es nicht besser 29
wussten. Dann gibt es von unserer Seite her die Möglichkeit dies in einem Bericht zu 30
vermerken und wenn eine gewisse Punkteanzahl überschritten wird (,) dann wird automatisch 31
in einem halben Jahr nochmal dieser Bewohner besucht, um nachzuschauen ob sich die 32
Situation verbessert hat. 33
I1: Das heißt wenn ich es richtig verstanden haben kann man es nicht (,) als laufenden Prozess 34
im Sinne eines Case Management betrachten (?) 35
B3: Nein. 36
I1: Das ist es nicht … 37
B3: Nein … 38
I1: Okey (,) Wie schaut es regional in Niederösterreich von der Abdeckung her aus (?) Können 39
sie mir da Zahlen nennen (?) Wie weit Niederösterreich betreut wird (?) 40
B3: Ich habe diesbezüglich keine genauen Zahlen, aber es ist bezirksweise in Niederösterreich 41
vergeben. Das heißt pro Bezirk gibt es einen bis fünf Mitarbeiter die einen Bezirk betreuen. 42
Wie viele das im Detail sind, da müsste man anfragen. Ich selbst bin über die 43
Sozialversicherung der Bauern angestellt. Ich kenne jemanden, der ihnen genauere 44
Informationen geben könnte. 45
I1: Wie kommt man zu diesem Besuch des Kompetenzzentrum qualitätsicherung häusliche 46
Pflege (?) Ist es ein Losverfahren (?) 47
B3: Richtig. Es ist ein Losverfahren. Jeder der Pflegegeld bezieht in Österreich. Seit 2010 gibt 48
diese qualitätsicherung in der häuslichen Pflege und seit 2014 ist es so, dass alle 49
Pflegegeldempfänger besucht werden. Bisher war es so, dass nur Pflegegeldempfänger ab 50
Pflegegeldstufe 4 besucht worden sind. Dementsprechend ergibt sich dieses Losverfahren. Im 51
ersten Halbjahr ist es meisten so, das die Pflegegeldstufen 2-4 besucht werden und im zweiten 52
Halbjahr werden die höheren Pflegegeldstufen besucht. 53
I1: Und welche Betreuung die bisher haben, ist unabhängig davon (?) … Also wiesen vor dem 54
Losverfahren, ob jemand eine 24 Stunden Betreuung hat, oder nicht (?) 55
B3: Das kommt darauf an. Wenn jemand angesucht hat um 24 Stunden Pflege, dann ist er in 56
er in einem separaten Los Topf. Weil um die Förderung zu bekommen, erfolgt immer dieser 57
Besuch…. Wenn er aber das nicht angegeben hat weil er gar nicht weiß das es eine Förderung 58
gibt, dann ist er im ganz normalen Los Topf drinnen und hat Glück, wenn ich komme und ihm 59
sage, dass es da eine Förderung gäbe. 60
Department Gesundheit
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I1: Welche Qualifikation benötigt man, um solche Hausbesuche durchführen zu können bzw. 61
zu dürfen (?) 62
B3: Man benötigt das Diplom … Eine Erfahrung von mindestens drei bis fünf Jahren am Bett 63
und am Liebsten ist es dem Bundesministerium auch im extramuralen Bereich. Man benötigt 64
eine gute Vernetzung im Bezirk und einfach das know how beim Thema, was gibt es für 65
Förderungen und rechtlichen Dingen die abzudecken sind. Und man hat dann eine 66
Einschulung von einem Tag. 67
I1: Wird das finanziell honoriert (?) 68
B3: Die Qualitätssicherung in der häuslichen Pflege (?) Ja, die wird finanziell honoriert. Und 69
zwar wird die pro Besuch wird die abgegolten. Pro geleisteter Leistung. 70
I1: Und der Besuch beim Patienten ist kostenlos, oder muss der Patient den Besuch bezahlen 71
(?) 72
B3: Nein. Für den Patienten, für den Kunden ist dieser Besuch gratis. Das übernimmt das 73
Bundesministerium. 74
I1: Also nicht die Krankenkasse, sondern das Bundesministerium (?) 75
B3: Richtig. Darüber gibt es auch im Internet eine Auswertung von den letzten Jahren mit 76
Statistiken und Zahlen. 77
I1: Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener, sind sie in ihrem Beruf/ Alltag beim 78
Kompetenzzentrum Qualitätssicherung, konfrontiert (?) 79
B3: Häufig geht es darum, dass die Menschen ganz wenig Erfahrung haben, wo bekommen 80
sie Dinge her. Was gibt es für Förderungen und Unterstützung und wer könnte da behilflich 81
sein. Da scheuen sie sich auch meistens davor nach zu fragen. … Oft ist es auch so, dass sie 82
einfach nicht die Möglichkeit haben, sich Dinge zu organisieren, oder auch nicht wüssten, wo 83
hin sie sich wenden könnten, wo sie was her bekommen. Wir haben ganz viel natürlich auch 84
mit Angehörigen zu tun. Hier vor allem eher mit den Angehörigen, die von sich aus anrufen 85
und sagen, sie möchten gerne ein Angehörigengespräch. Was eine wichtige Sache ist in der 86
qualitätsicherung (,) ist, dass wir versuchen Jugendliche (,) Angehörige, denen die speziellen 87
Angebote näher zu bringen, die es ja extra gibt, für Jugendliche die jemanden pflegen. Und 88
das wir generell versuchen Angehörige stützen in dem wir ihnen ein (,) Angehörigengespräch 89
anbieten. Welches durch eine Psychologin getätigt wird. Auch das ist kostenfrei und kann den 90
Angehörigen angeboten werden. 91
I1: Wie erleben sie die Betreuung durch die 24 Stunden Pflege im häuslichen Setting (?) 92
B3: … Hier bin ich sehr positiv überrascht. (Pause) Die Betreuung erfolgt durchwegs durch 93
Ausländisches Personal. Also ich hatte in den letzten Jahren keine einzige österreichische 24 94
Stundenkraft. Also es sind durchwegs Slowakische, oder Rumänische oder Polnische Kräfte, 95
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die nicht immer die Sprache gut beherrschen, aber meiner Meinung nach gut um die Kunden 96
kümmern. Fachlich nicht immer gänzlich korrekt, aber … die da sehr bemüht sind. 97
I1: Gibt es da eine Tendenz, ob diese 24 Stunden Betreuungskräfte, privat organisiert werden 98
oder durch Non Profit Organisationen, oder durch solche 24 Stunden Betreuungsvereine, die 99
jetzt zahlreich gegründet worden sind (?) 100
Ganz viele sind über Organisationen gekommen, wie Caritas oder Hilfswerk. … Und einige 101
nehmen sich auch die „Helfenden Hände“. Kaum jemand hat sich es privat organisiert. Der 102
Großteil sicher 95% macht das über irgendeine Organisation (,) Um auch glaub ich, es nicht 103
selbst abdecken zu müssen wenn jemand krank wird. 104
I1: Sie haben vorher angesprochen, dass eine Problematik im häuslichen Bereich darin 105
besteht, dass oft nicht gewusst wird, wo organisiere ich mir Hilfsmittel, wo bekomme ich 106
Förderungen. Also im Organisatorischen Sektor. Wo gibt es ihrer Meinung nach noch 107
Problematiken, im speziellen in der Betreuung im häuslichen Setting für Betroffene aber auch 108
für deren pflegenden Angehörigen (?) 109
B3: Eine große Problematik ist auch der Stress und der psychische Faktor, der hier vor allem 110
Auftritt. Viele Angehörige fühlen sich einfach verpflichtet und sind aber massiv überlastet und 111
kommen mit der Situation überhaupt nicht zurecht. … Ein weiteres Problem ist einfach, dass 112
viele Kunden nicht bereit sind auch Abstriche zu machen. Das heißt sie wollen weiter in ihrem 113
Bett schlafen. Man darf die Teppiche nicht entfernen… Also in 99% der Haushalte finde ich 114
eine erhöhte Sturzgefahr vor. 115
I1: Das heißt Umgebungsbedingte Faktoren als Risikofaktoren. 116
B3: Richtig. 117
I1: Das Kompetenzzentrum qualitätsicherung häusliche Pflege macht, wie sie gesagt haben, 118
Hausbesuche. Es gibt international, oder in Europa ähnlich Konzepte, jedoch mit einem 119
anderen Fokus. 120
Es gibt zum Beispiel die so genannte District Nurse in den National Health Service in 121
Großbritannien, es gibt das Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den Niederlanden. 122
Es gibt ein Projekt in der Schweiz, mit dem Namen EIGER- innovative geriatrische 123
Hausbesuche. … Auch hier der präventive Charakter sehr stark im Vordergrund. Die Erhebung 124
der individuellen Bedarfslage. Inwiefern erachten sie so etwas als nützlich. Sie führen zwar 125
selbst Hausbesuche im Rahmen ihrer Tätigkeit durch, aber hier liegt der Fokus auch darauf, 126
dass der Hausbesuch nicht nur einmalig erfolgt, sondern regelmäßig. Täglich, wöchentlich 127
oder monatlich. 128
B3: Das fände ich sehr gut, weil in manchen Fällen die Nachhaltigkeit nicht gegeben ist und 129
während meiner Besuche so viele Fragen auftauchen, die in Wirklichkeit meinen zeitlichen 130
Department Gesundheit
140
Rahmen, den ich veranschlagt habe, sprengen. Ich fände eine Nachhaltigkeit viel viel besser, 131
auch im Sinne der Angehörigenentlastung und der dauerhaften Begleitung. 132
I1: Ein weiterer Punkt in den Konzepten ist neben der Beratung und Unterstützung, auch die 133
Förderung im Sinne des Empowerment Ansatz, der Ressourcenförderung der familiären 134
Pflege, der pflegenden Angehörigen. Sie werden bestimmt wissen, dass 80% der Pflege in 135
Österreich informell geleistet wird. Welchen Nutzen würden sie daraus erkennen (?) 136
B3: Ich glaube man könnte durch eine dauernde Begleitung (,) vor allem die Angehörigen 137
unterstützen in dem was sie tun und sie darin bestärken, dass das was sie tun das richtige ist 138
und das sie nicht Sorge haben müssen einfach auszupowern und das sie wenn sein einmal 139
eine Woche auf Urlaub fahren möchten, wissen wo bekomme ich die Unterstützung her. Jetzt 140
ist es wirklich so, dass kaum jemand von den Angehörigen irgendwohin fährt, weil die Meisten 141
Kunden (,) einfach nicht bereit sind jemand Fremden zu akzeptieren und auch nicht bereit sind 142
in ein Pflegeheim für kurze Zeit zu ziehen, Und im Rahmen dessen und der Festigung und der 143
Darstellung der individuellen Bedarfslage jedes Kunden, wäre das eine tolle Sache. 144
I1: Sie haben auch selbst angesprochen ein Tätigkeitsfeld des Kompetenzzentrum 145
qualitätsicherung häusliche Pflege, ist es so wo auch in den Modellen, welche ich ihnen zuvor 146
geschildert habe, ist es die lokalen Ressourcen und Hilfsangebote optimal zu nutzen, auch im 147
Sinne des Schnittstellenmanagement. Bemerken sie da auch selbst, oder gibt es da 148
Auswirkungen auf die Primärversorgung, auf die Optimierung der Primärversorgung (?) 149
B3: … Also im Moment spüre ich da keinerlei Auswirkungen. 150
I1: Auch in Zusammenarbeit mit Hilfsorganisationen (,) Hilfswerk, Caritas, Rotes Kreuz, der 151
niedergelassene Bereich, den Ärzten, aber auch mit den Krankenhäuser (?) Gibt es da keine 152
Resonanz (?) 153
B3: Nein 154
I1: Momentan nicht. Woran könnte das ihrer Meinung nach liegen (?) 155
B3: … An mangelnden Interesse. 156
I1: Mangelnden Interesse (,) von der Person die zu Hause lebt, oder … 157
B3: … von den Institutionen. 158
I1: Glauben sie, wenn, so wie in den Modellen der District Nurse zum Beispiel, da wird ganz 159
gezielt darauf geschaut, die Umgebungsfaktoren, die lokalen Ressourcen und Hilfsangebote 160
zu nutzen. Glauben sie, wenn das in einer Region aktiv gelebt werden würde, dass es dann 161
Auswirkungen auf das Schnittstellenmanagement hätte (?) 162
B3: Glaube ich schon, ja, dass das Auswirkungen hätte. Weil es eine viel bessere 163
Zusammenarbeit wäre. Man könnte übergreifend arbeiten und keiner hätte Sorge, dass der 164
eine dem anderen etwas wegnimmt. Darum geht’s eigentlich. Jeder hat Sorge, wenn er 165
Department Gesundheit
141
preisgibt, wo eigentlich seine Region, sein Aufgabenbereich aufhört, dass er dann dort sein 166
Geschäft verliert. 167
I1: Welche noch nicht in dem Rahmen dieses Interview erwähnte Schwäche bestehen ihrer 168
Ansicht nach, noch im Bereich des Schnittstellen- bzw. Nahstellenmanagement (?) 169
B3: Schnittstellenmanagement wird sehr viel geschrieben und auch sehr viel darüber berichtet 170
und alle Häuser meinen es mittlerweile zu leben, aber es wird kaum umgesetzt. Das heißt, 171
jeder bleibt in seinem Bereich. Das Krankenhaus ruft zwar an im extramuralen Bereich und 172
sagt, dass jemand nach Hause entlassen wird, aber die Informationen sind meist unvollständig 173
und somit kann sich die Organisation die denjenigen übernimmt nicht gut vorbereiten. Auch 174
wenn sie es gerne würde. Ein gutes Schnittstellenmanagement heißt für mich, alle 175
Informationen im Vorfeld zur Verfügung zu stellen und einfach sicherzustellen, dass der Klient 176
wenn er nach Hause kommt, all das vor zu finden was er braucht. 177
I1: Auch im Sinne dessen, welche weiteren Aspekte sollte das Berufsbild so einer regionalen 178
Gesundheits- und Krankenpflegeperson ihrer Meinung nach noch beinhalten (?) 179
B3: Ich glaube, dass sie im Rahmen ihres Tätigkeitsbereiches einige Dinge abdecken könnte, 180
die jetzt durch den Arzt abgedeckt werden, aber in Wirklichkeit, ihn Zeit kosten und er sich 181
diese Zeit nicht wirklich nehmen kann. Das geht von guten Anamnesegesprächen, bis hin zu 182
Blutabnahmen, bis zu Vorsorgeuntersuchungen. All diese Dinge die bisher in den 183
Tätigkeitsbereich des Hausarztes fallen, könnten diese regionalen Gesundheits- und 184
Krankenpflegepersonen in Kooperation übernehmen und würde damit den Kunden häufige 185
Besuche beim Arzt ersparen, wenn sie im Vorfeld die Situation bereits einschätzen kann und 186
die Kunden dieser Person auch das Vertrauen schenken. 187
I1: Sie sind selbst aus Gänserndorf. Welchen Nutzen würden sie bei der Implementierung 188
einer regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson, in Anlehnung an die erwähnten 189
internationalen Konzepte und mit den Aspekten, die sie gerade erwähnt haben für Gänserndorf 190
sehen, wo würden sich da Vorteile ergeben (?) 191
B3: Ich würde eine massive Entlastung der Hausärzte hier in Gänserndorf sehen, zumal wir 192
hier einfach (,) unterversorgt sind. Bei den Hausärzten in Gänserndorf hat man eine Wartezeit 193
ohne Termin von Minimum einer bis zwei Stunden und hier könnte eine Entlastung passieren. 194
Genauso natürlich auch im Vorfeld, denn wenn die Regionalschwester ihren Tätigkeitsbereich 195
sehr breit sieht, dann wird sie auch im Vorfeld die Menschen auch auf ihren 196
Gesundheitszustand, sprich Ernährung und Bewegung hinweisen und es kommt vielleicht 197
kommt dann vielleicht gar nicht so weit wie es oft schon kommt. 198
I1: Gibt es sonst etwas, auch aus dem privaten Aspekt, dass sie zu der Thematik noch anfügen 199
möchten (?) 200
Department Gesundheit
142
B3: Ich finde das Thema ganz wichtig. Das lehnt sich auch an das Thema 201
Gemeindeschwester, Primary Nursing Konzept gut an. Ich finde es ist eine gute Sache, sollte 202
mehr gelebt werden, weil es für eine Gemeinde ganz wichtig ist. Ebenso weil man hier ganz 203
gut Brücken bauen kann und einfach auf seine Gemeindebürger gut schauen kann. 204
I1: Danke für das Gespräch. 205
B3: Bitte gerne. 206
Department Gesundheit
143
A.11 Transkription Interview IV
Experteninterview IV
Interviewdatum: 09.06.2016
B4: Frau Thekla Stoff, wohnt in einer Wohnung des Betreubaren Wohnen, war selbst
pflegende Angehörige
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Frau Stoff, sie sind 84 Jahre alt und wohnen alleine in einer Wohnung des Betreubaren 1
Wohnen. Erzählen sie mir von ihrem Alltag. Wie geht es ihnen (?) 2
B4: Mir geht es ganz gut, Mir gefällt es ganz gut da, muss ich ehrlich sagen. Wir halten alle 3
zusammen. Gestern haben wir zum Beispiel zusammen alle Geburtstag gefeiert. Und das ist 4
ganz nett und mir gefällt es. Zu Hause ganz alleine … hier hat man ja doch irgendjemanden. 5
Ich habe im Winter eine Grippe gehabt … und habe nicht aufstehen können, da haben mir die 6
Nachbarinnen das Essen gebracht. Das war ganz toll. 7
I1: Wie sind sie zu dem Betreubaren Wohnen gekommen (?) 8
B4: Das habe ich von einer Bekannten gehört. Denen hat es auch gut gefallen. Das Haus hier, 9
ist bereits das zweite. Und naja (,) in einem Haus alleine, da bin ich nicht mehr 10
zurechtgekommen, das war zu groß und auch der Grund. Ich habe Schwierigkeiten mit dem 11
Kreuz. Ich habe nicht mehr alle Arbeiten machen können und so habe ich mich entschlossen, 12
verkaufen und hier her ziehen. 13
I1: Wie lange wohnen sie hier (?) 14
B4: Wie lange wohne ich jetzt hier (Pause) Zwei Jahre. 15
I1: Es besteht die Möglichkeit Betreuung zu nutzen… Wie funktioniert das System des 16
Betreubaren Wohnens, wenn man Betreuung möchte (?) 17
B4: Wenn man Betreuung möchte … dann ist in einem Teil der Häuser, die Volkshilfe drinnen. 18
Natürlich, dass ist das gleiche wie überall, wenn du es in Anspruch nehmen willst, musst du 19
es zahlen. Extra zahlen. 20
I1: Und was würden die machen, wenn man sie in Anspruch nehmen würde (?) 21
B4: Naja, die Betreuen einen schon. Was man halt so braucht. 22
I1: Das heißt die kommen und unterstützen einen bei der Körperpflege und im Haushalt. 23
B4: Sehr richtig. 24
I1: Das heißt die kommen nur, wenn man sie bestellt. 25
Department Gesundheit
144
B4: Sehr richtig. Ja. Es kommt aber … jeden Montag, oder alle 14 Tage (,) ich weiß es jetzt 26
nicht so genau, jemand ins Haus und da kann man sich … beschweren, oder was halt ist, 27
informieren wie es halt so läuft. 28
I1: Das heißt es gibt einmal in der Woche einen Beratungstag (?) 29
B4: Sehr richtig. Einmal in der Woche kommt auch eine Volkshilfe aus St. Pölten und die macht 30
mit uns Turnen, Malen, Karten spielen, alles Mögliche. 31
I1: Das heißt einen aktivierungstag. Ist der extra zu bezahlen (?) 32
B4: Nein der wird nicht bezahlt. 33
I1:Das heißt, der ist inkludiert hier im Haus. 34
B4: Wir müssen sowieso für die Volkshilfe 40 Euro jeden Monat zahlen. Da haben wir uns 35
beschwert. Wozu, wenn sich nichts machen. Und deswegen kommen sie jetzt. 36
I1: Und da gibt es Aktivierung und Programm einmal in der Woche. … Sie haben erzählt, wie 37
sie krank waren, haben sie Hilfe bekommen. Von ihren Nachbarn, oder … (?) 38
B4: Ja von den Nachbarn. 39
I1: Das heißt sie unterstützen sich da gegenseitig. 40
B4: Sehr richtig, ja. 41
I1: Und die Nachbarn sind in ihrem Alter (?) 42
B4: Ich bin eigentlich die Älteste Es sind alle jünger. Also meine Nachbarin, ist erst 57. Die 43
anderen sind so um die 70. Es gibt auch jüngere… 44
I1: Wissen sie haben die anderen Personen hier im Haus eine Betreuungsvertrag mit dem 45
Hilfswerk abgeschlossen (?) 46
B4: Nein, eigentlich nicht. 47
I1: Die wenigsten. Gibt es im Haus hier jemanden, der eine 24 Stunden Pflege in Anspruch 48
nimmt (?) 49
B4: In unserem Haus nicht, aber auf der anderen Seite schon. Da sind noch ältere und die 50
wohnen schon länger dort und die haben eine 24 Stunden Pflege. 51
I1: Wie geht es ihnen gesundheitlich (?) Erzählen sie mir ein bisschen. 52
B4: Naja… was soll ich sagen. … Irgendwas ist immer. Die Wehwehchen sind immer da. 53
I1: Waren sie vor kurzem im Krankenhaus (?) 54
B4: Ja, vor fünf Wochen. 55
I1: Können sie mir ein wenig über den Krankenhausaufenthalt erzählen (?) 56
B4: Mir gefällt es ganz gut in Mistelbach. Ich habe in der Früh einen leichten Schlaganfall 57
gehabt. Mir ist nur die Hand runter gefallen und … der Herr Doktor ist ja da einmalig. Der war 58
sofort da dann war auch schon die Rettung da. Im Krankenhaus haben sie schon auf mich 59
gewartet, da hat der Herr Doktor schon angerufen gehabt. … Also mir gefällt es im 60
Department Gesundheit
145
Krankenhaus Mistelbach. Manchen gefällt es gar nicht. Ich glaube es kommt immer darauf an 61
auf welcher Station man liegt. 62
I1: Bevor sie nach Hause gegangen sind, war da jemand bei Ihnen im Krankenhaus und hat 63
sie gefragt, wie es bei ihnen zu Haue weiter geht (?) Wie sie betreut sind (?) Oder sind sie 64
einfach entlassen worden (?) 65
B4: Ich bin einfach entlassen worden. Weil es ja nicht so schwer war. Ich bin einfach entlassen 66
worden und die haben mich gar nicht gefragt wie es weiter geht. Aber wenn was Schwereres 67
wäre würde man glaub ich schon gefragt werden. 68
I1: Aber sie in ihrem konkreten Fall, nach dem leichten Schlaganfall und dem 69
Krankenhausaufenthalt, sind von niemanden gefragt worden, wie sie zu Hause betreut sind, 70
ob jemand da ist … 71
B4: Nein, eigentlich nicht. 72
I1: Wie geht es ihnen jetzt gesundheitlich (?) Merken sie eine Veränderung (?) 73
B4: Ganz so richtig ist es noch immer nicht, aber es wird schon besser. 74
I1: Kommt jetzt nach dem Vorfall jemand zu ihnen (?) 75
B4: Die Kinder, oder die Schwiegertochter. Wenn es was zum Putzen gibt. 76
I1: Wie ist die Betreuung durch den Hausarzt. 77
B4: Ich habe Glück. Die Betreuung ist einmalig. 78
I1: Kommt der hierher, oder müssen sie hin fahren (?) 79
B4: Wenn ich ihn rufe dann kommt er hier her. Aber ich war heute zum Beispiel bei ihm und 80
bin selbst hin gefahren. 81
I1: Aber er macht auch Hausbesuche. 82
B4: Selbstverständlich, er war sogar schon hier. Wenn ich ihn brauche kommt er. 83
I1: Was erwarte sie von einem guten Hausarzt (?) 84
B4: Was ich erwarte (?) … Naja das er freundlich ist und das er parat ist bei Krankheiten und 85
zuhört. 86
I1: Sie haben mir erzählt, sie waren sehr zufrieden mit der Betreuung im Krankenhaus. Haben 87
sie auch schon einmal negative Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem gemacht (?) Also 88
mit dem Krankenhaus, mit dem Hausarzt oder mit Fachärzten, mit pflegerischer Betreuung (?) 89
B4: Eigentlich nein. Zum Beispiel sind mit dem Hausarzt nicht zufrieden (,) Ich habe da kein 90
Problem. 91
I1: Haben sie Schilderungen und Erfahrungen von anderen gehört, wo es Probleme gegeben 92
hat mit dem Krankenhaus oder mit dem Hausarzt (?) 93
B4: Ich weiß leider nichts. (lacht) 94
I1: Glauben sie gibt es sonst Probleme im Gesundheitssystem in Österreich (?) 95
Department Gesundheit
146
B4: Sicher. 96
I1: welche kennen sie, oder haben sie schon einmal davon gehört oder gelesen (?) Welche 97
sind ihnen geläufig (?) 98
B4: Naja, das System ist schon schwierig und man ist nicht ganz so zufrieden … 99
I1: Was konkret könnten die Leute da meinen (?) 100
B4: Naja ich bin zufrieden, weil ich einen guten Hausarzt habe, aber andere wieder nicht so. 101
I1: Wenn sich ihr gesundheitlicher Zustand verschlechtern würde und sie merken es geht nicht 102
mehr alles so wie sie möchten und sie brauchen Unterstützung. Wo würden sie sich da die 103
Unterstützung holen (?) 104
B4: Wenn was ist, dann eine 24 Stunden Pflege … 105
I1: Und warum gerade eine 24 Stunden Pflege und zum Beispiel die Volkshilfe, das Hilfswerk 106
oder die Caritas, die mobil kommt (?) 107
Naja, solange man nicht (PAUSE) so ganz schwer krank ist, kann man sich ja stundenweise 108
jemanden nehmen. Ich habe eine Bekannte, die hat zum Beispiel die Caritas in der Früh und 109
am Abend. In der Früh helfen ihr die beim Aufstehen und bei der Pflege und am Abend beim 110
ins Bett legen. Aber eins stört sie halt, weil sie dann so zeitlich ins Bett gehen muss. Weil die 111
können auch nicht erst um neun halb zehn am Abend kommen. 112
I1: Das heißt, wenn sie Hilfe brauchen und es ist noch nicht so schlimm, würden sie die mobile 113
Hauskrankenpflege in Anspruch nehmen. Und wenn es schwieriger wäre, eine 24 Stunden 114
Pflege. 115
B4: Ja so auf die Art. Das ich nicht ins Heim muss … 116
I1: Das würde für sie nicht in Frage kommen. 117
B4: Naja man weiß es nicht … 118
I1: Aber wenn sie es sich aussuchen, dann werden sie in ihren eignen vier Wänden bleiben. 119
B4: Ja, sehr richtig. 120
I1: Ich erzähle ihnen ein bisschen was- es gibt internationale oder europäische Konzepte. Der 121
deutsche Überbegriff ist „Gemeindekrankenschwester“. Die Englischen Begriffe sind District 122
Nurse, Community Nurse. Es gibt Projekte und Konzepte in der Schweiz, in den Niederlanden 123
in Großbritannien. Alle diese Konzepte, haben folgenden Fokus. Das sind Krankenschwestern, 124
die vorbeugend zu den Leuten nach Hause. Sie müssen sich das so vorstellen, es käme 125
einmal in der Woche eine Krankenschwester zu Ihnen, die aber nicht für die Pflege zuständig 126
ist, sondern für die Beratung und sie nach ihrem Zustand fragt, sie fragt was sie brauchen. 127
B4: Psychische Betreuung (lacht) 128
Department Gesundheit
147
I1: Auch, aber nicht nur psychische Betretung, sondern stark der Fokus auf der 129
organisatorischen Unterstützung- auch in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt. Wenn sie so 130
etwas hören, was denken sie über sowas. 131
B4: Nicht schlecht. Ich denke nicht, dass so etwas schlecht ist … 132
I1: Könnten sie sich in ihrer jetzigen Situation vorstellen, so jemanden in Anspruch zu nehmen 133
würden, wenn es das Angebot von der Gemeinde in geben würde (?) 134
B4: Jetzt eigentlich noch nicht. Ich kann noch Auto fahren… 135
I1: Wenn die Ressource, das Autofahren mal nicht mehr geht (?) 136
B4: Ja dann ist das was anderes. (lacht) 137
I1: Die Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson würde auch darauf schauen, dass 138
man die Ressourcen die man noch hat, erhält. So zu sagen, Hilfe zur Selbsthilfe. Glauben sie 139
hat das einen großen Nutzen (?) 140
B4: Ich glaube schon. (Pause) Das glaube ich schon. Das merkt man erst wenn man älter ist, 141
dass es nicht mehr so geht. Das glaubt man ja vorher nicht. 142
I1: Und wenn diese Gemeindekrankenschwester, oder eben Regionale Gesundheits- und 143
Krankenpflegeperson auch eng mit dem Hausarzt zusammen arbeitet. Das heißt mit dem 144
Hausarzt zusammen arbeitet, die Vitalwerte kontrolliert, zum Hausarzt fährt und Rezepte und 145
Transportscheine organisiert. Sehen sie da einen Vorteil draus, wäre das für sie eine Option 146
(?) 147
B4: Wenn man nicht mehr kann ist es sicher ein großer Vorteil. (Pause) 148
I1: Das heißt, ich fasse zusammen (,) Wenn es jemanden geben, wenn sich ihre Situation 149
verschlechtern würde, der vorbeugend aber auch unterstützend hier zu ihnen nach Hause 150
kommt, sie berät, mit ihnen gemeinsam schaut, welche Hilfsmittel gibt es und sie auch 151
unterstützt in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, dann würden sie so jemanden in Anspruch 152
nehmen (?) 153
B4: Angenommen ich hätte einen schwereren Schlaganfall gehabt und ich könnte nicht mehr, 154
wäre das schon ein Vorteil. Da muss man ja sowas in Anspruch nehmen. 155
I1: Was würden sie sich von so einer Regionale Gesundheits- und Krankenpflegeperson noch 156
wünschen, beziehungsweise, was sollt die noch können oder tun,… organisatorisch oder 157
fachspezifisch (?) 158
B4: Naja zusammenräumen tun die ja nicht … 159
I1: Nein diese Person selbst nicht, aber sie hilft ihnen jemanden zu organisieren, der das dann 160
für sie tut 161
Können sie sich vorstellen, dass diese Person ein bis zweimal pro Woche ins betreubare 162
Wohnen und Beratungsgespräche in einem größeren Rahmen durchführt (?) 163
Department Gesundheit
148
B4: Naja, ich sag ja, wir haben so etwas von der Volkshilfe, aber derzeit brauchen wir das 164
nicht. Ab und zu vielleicht. 165
I1: Zusammengefasst, benötigen sie derzeit keine Unterstützung. Sie haben eine gute 166
Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, weil sie derzeit noch mobil sind. Aber der Hausarzt macht 167
auch Hausbuche … 168
B4: Ja zu meiner Bekannten kommt er jede zweite Woche, nimmt Blut ab und verschreibt ihr 169
die Medikamente… 170
I1: … So eine Gemeindekrankenschwester könnten sie sich nur dann vorstellen in Anspruch 171
zu nehmen, wenn sich ihr Zustand verschlechtern würde und auch ihre Mobilität nicht mehr so 172
gegeben wäre. 173
B4: Na wenn man es braucht, selbstverständlich würde ich es dann in Anspruch nehmen. 174
I1: Würden sie es als positiv Empfinden, wenn so ein Hausbesuch durch eine Regionale 175
Gesundheits- und Krankenpflegeperson ab einem gewissen Alter verpflichtend wäre (?) 176
Einfach um zu schauen, ist der Zustand und wenn nichts gebraucht wird gehen sie wieder. 177
B4: Naja wäre nicht schlecht… ich glaube schon. 178
I1: Auch wenn das alter vorgegeben und der Besuch verpflichtend wäre (?) 179
B4: Ich glaub schon, dass das gut wäre. Manche sind mit zum Beispiel 80 ja noch rüstig und 180
die anderen wieder nicht. 181
I1: Gibt es sonst noch irgendwas, das sie zur Thematik Gesundheit und Krankheit, Versorgung 182
sagen möchten, erzählen möchten (?) 183
B4: Gesundheit… (Pause) 184
I1: Fällt ihnen noch was ein zum Thema Gesundheit und Krankheit in Österreich (?) 185
B4: Das Gesundheitssytems … Die anderen haben zumindest eine Pflegestufe. Bekommt man 186
eh nicht viel mehr. Zum Beispiel mein Mann (,) der war ja so krank und hat die Pflegestufe 2 187
bekommen. … Bettlägerig gewesen. Dann habe ich nochmal angesucht, aber da ist er dann 188
gestorben, da hätte er die vierer bekommen…. Solche Sachen erlebt man halt. 189
I1: Wie haben sie die Versorgung von ihrem Mann erlebt. 190
B4: …Das war nicht schlecht, außerdem bin ich zum Schluss jeden Tag ins Spital gefahren. 191
Ich habe ihn sonst eh zu Hause gehabt, aber wenn es gar nicht mehr gegangen ist und er 192
dazwischen Krank geworden ist, ist er ins Krankenhaus gekommen. 193
I1: Sind sie vom Krankenhaus im Sinne der Betreuung ihres Mannes, beraten worden damals, 194
bevor er entlassen worden ist (?) 195
B4: Nein, ich habe auch nicht geglaubt das er sterben muss. Alle haben es gewusst nur ich 196
habe es nicht geglaubt und so haben sie mit mir darüber auch nicht gesprochen und nichts 197
gesagt. 198
Department Gesundheit
149
I1: Haben sie Beratung im Krankenhaus bekommen bezüglich ihrem Mann und der Pflege und 199
Betreuung zu Hause (?) 200
B4: Naja (Pause) eigentlich nicht dann,… weil zum Schluss war er nur noch im Spital und dann 201
ist er eh nicht mehr nach Hause gekommen. 202
I1: Aber es keiner Nachgefragt (?) 203
B4: Nein, wegen der Entlassung nicht. 204
I1: Das heißt sie waren auch pflegende Angehörige. 205
B4: Acht Monate haben wir ihn gepflegt zu Hause. 206
I1: Hatten sie Unterstützung? 207
B4: Eigentlich habe ich ihn alleine gepflegt, aber mein Sohn hat daneben gewohnt, der hat 208
mir ab und an geholfen. 209
I1: Wie war die Situation für sie als pflegende Angehörige (?) 210
B4: Ich habe es gern gemacht. (,) Ich hätte ihn auch nie ins Heim gegeben, wenn ich ehrlich 211
bin, solange ich können habe. Wenn ich nicht mehr können hätte, wäre es ja nicht mehr 212
gegangen. 213
I1: Haben sie da jemanden gehabt der sie bezüglich Hilfsmittel und organisatorischem Beraten 214
hat (?) Zum Beispiel wo ich ein Pflegebett her bekomme (?) 215
B4: Ja das haben wir alles vom Nachbarn gehabt. 216
I1: Aber sie hatten keine Fachkraft die sie beraten hat. 217
B4: Nein daran habe ich gar nicht gedacht. Ich hab auch schon die Oma des Nachbarn 218
gepflegt. 219
I1: War die Situation als pflegende Angehörige oft schwierig für sie (?) 220
B4: Manchmal schon sehr, weil er war aggressiv und wehleidig. Er war immer schon so ein 221
Heferl. Aber ich hab mir dann die Neurologin geholt und die hat ihn dann mit Medikamenten 222
gut eingestellt. 223
I1: Das heißt sie haben sowohl als pflegende Angehörige, als auch selbst als Patientin viel 224
mitgemacht. 225
B4: Ja er war auch immer in der Nacht unruhig und ich hätte mir gewünscht ein wenig schlafen 226
zu können. Das war schon eine psychische Belastung. 227
I1: Und warum haben sie sich da keine Hilfe, externe Hilfe genommen (?) 228
B4: Ich habe das schon irgendwie geschafft und ein wenig hat mir eh auch die 229
Schwiegertochter geholfen, wen ich sie gebraucht habe. Zum Beispiel im Haushalt. 230
I1:Wenn wir nochmals auf die Thematik der Regionale Gesundheits- und 231
Krankenpflegeperson eingehen. Wenn diese Person zu ihnen als pflegende Angehörige zur 232
Beratung und Unterstützung gekommen wäre, hätten sie diese Hilfe angenommen (?) 233
Department Gesundheit
150
B4: Naja sicher zwischendurch wäre das gar nicht so schlecht gewesen,… so eine Beratung 234
und Unterstützung. (PAUSE) 235
I1: Okay, dann danke für das Gespräch. 236
B4: Gerne. 237
Department Gesundheit
151
A.12 Transkription Interview V
Experteninterview V
Interviewdatum: 13.06.2016
B5: Herr Werner Krammer, Diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger,
Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Herr Krammer sie sind Entlassungsmanager im Landesklinikum Mistelbach. Bitte erzähle 1
sie mir von ihrem Aufgabengebiet, von ihrer Tätigkeit. 2
B5: Unser Aufgabengebiet ist einfach erklärt. Die Patienten die im Haus stationär 3
aufgenommen werden, werden beraten, dass sie bei der Entlassung eine optimale Versorgung 4
haben. Es sollte kein Drehtüreffekt entstehen. Das heißt der Patient wird entlassen, wird mit 5
unserer Hilfe, mit den Angehörigen so versorgt, dass er optimal zu Hause in seinem Alltag 6
weiterleben kann. 7
I1: Sind sie hauptberuflich im Entlassungsmanagement tätig (?) 8
B5: Ja, ich bin hauptberuflich. Wir sind zwei Personen zu je 40 Stunden angestellt und 9
betreuen fast schon 2000 Patienten im Jahr. 10
I1: Wie kommt jemand im Landesklinikum Mistelbach zum Entlassungsmanagement (?) Trifft 11
das jeden, oder wer wird dafür ausgewählt (?) 12
B5: Im Zuge der Aufnahme wird bei uns ein sogenanntes Assessment Verfahren eingeleitet. 13
Das heißt (,) bei der Befragung werden mehrere Punkte abgefragt und wenn die Punkteanzahl 14
die Zahl 4 nicht übersteigt, werden sie übergeleitet zu uns in unser Büro und wir sehen dann 15
um welchen Patienten es sich handelt, oder welche Station es ist. Oftmals ist hier bereits 16
vermerkt welche Versorgung er bereits hat beziehungsweise geplant ist. Wir entscheiden dann 17
ob das zu wenig ist und nehmen mit dem Patienten oder Angehörigen oder auch Sachwalter 18
Kontakt auf und besprechen die weitere Versorgung. Die zweite Möglichkeit ist es noch, wen 19
ein Patient länger da ist (,) und es tritt nach einer Woche erst eine Verschlechterung ein, gibt 20
es auch eine sogenannte elektronische Anforderung. (,) Das ist fast das Gleiche wie bei dem 21
vorhergehenden Verfahren. Es ist nur so, dass man das auch später berücksichtigen kann. 22
I1: Das Assessment wird durch wen durchgeführt (?) 23
B5: Von dem diplomierten Pfleger oder Schwester, die den Patienten auf der Station aufnimmt. 24
I1: Zu welchem Zeitpunkt führt die Person das Assessment durch (?) 25
Department Gesundheit
152
B5: Innerhalb von 24 Stunden sollte es erfolgen. Erfolgt es auch meistens. Dann ist es auch 26
natürlich die Wertigkeit. (,) Weil oft Organisation der Versorgung im extramuralen Bereiches 27
doch bis zu 14 Tagen, drei Wochen dauert. Deshalb versuchen wir es auch nach einer 28
Wertigkeit zu reihen und in den ersten zwei bis drei Tagen mit den Angehörigen Kontakt 29
aufzunehmen. 30
I1: Wo liegt der Hauptfokus ihres Aufgabengebiets, vom organisatorischen Aspekt her (?) 31
B5: Vom organisatorischen ist es ganz einfach gesagt. Es ist so der Patient kommt und hat 32
sich verändert wenn er bei uns ist. Das heißt er brauch Hilfe. Das heißt er ist vielleicht er ist 33
noch mit dem Auto gefahren, hat einen Schlaganfall. Er konnte vorher noch gehen, essen, 34
sprechen und schlucken. Das hat sich verändert. Jetzt müssen wir in Kooperation mit den 35
Stationen, sprich Ärzten und dem zuständigen Pflegepersonal abstimmen, was wird derjenige 36
brauchen. Wir nehmen dann mit ihm oder auch mit den Angehörigen Kontakt auf und 37
informieren diese bereits im Vorfeld, welche Möglichkeiten es gibt. Welche Förderungen, 38
Pflegegeld, alle Sozialleistungen die man in Anspruch nehmen kann. Welchen Heilbedarf es 39
gibt, welche Heilbehelfe es gibt. Welche Organisationen, wie schaut das Förderungssystem 40
aus. Wie weit geht es in den Bereich Sachwalterschaft. Wann wird man sie brauchen, wird 41
man sie überhaupt brauchen. Hier kommen natürlich mehrere Versorgungstechnische Sachen 42
hinzu. Weil es oft gebietsmäßig auseinander geht. 43
I1: Habe ich das richtig verstanden- haben sie nur die Beratungsfunktion, oder auch das 44
Organisatorische selbst (?) Also auch die Organisation von Verordnungsscheinen … 45
B5: Verordnungsscheine, das macht die Station. Die zuständige betreuende Pflegeperson. Wir 46
dürfen, wenn der Patient das wünscht (,) das heißt wenn der Patient sagt, er will das Hilfswerk, 47
Caritas oder Volkshilfe, dann dürfen wir das weiter organisieren. Wir dürfen nicht entscheiden 48
welche Organisation er nimmt. (,) Aber im Auftrag des Patienten, das wird natürlich auch 49
dokumentiert, können wird das alles veranlassen. Bei der 24 Stunden Versorgung, ist unsere 50
Aufgabe hauptsächlich diese Beratung wie läuft das ab. Was können sie, was müssen sie 51
können. Wie schaut das her von der Kostenseite, von der Förderungsseite. (,) Welche 52
Agenturen gibt es. Die Holding in Niederösterreich besitzt eine Liste wo neben Hilfswerk, 53
Caritas und Volkshilfe, auch alle genannten Firmen sind, die 24 Stunden Betreuung anbieten, 54
die auch einen sogenannten Qualitätszirkel über das Land Niederösterreich aufweisen 55
können. Das heißt (,) diese Agentur muss sich auch kümmern, dass diese betreute Person 56
auch einen richtigen Umgang hat. … Was Landespflegeheime betrifft, oder Hospiz (,) in 57
Rücksprache mit den Angehörigen sind wir da auch sehr involviert. Wir haben sehr viel Kontakt 58
mit unseren Heimen, um im Vorgespräch viel abklären können und vor allem auch mit den 59
Department Gesundheit
153
Angehörigen bereits die Formalitäten erledigen zu können und das dann an die zuständige 60
Bezirkshauptmannschaft beziehungsweise an das zuständige Heim weiter zu leiten. 61
I1: Aus dem Aspekt ihres Tätigkeitsfeldes. Gibt es Defizite hinsichtlich des 62
Entlassungsprozess, sowie der Folgeversorgung nach stationären Aufenthalts (?) Wenn ja, 63
können sie mir diese genauer erläutern (?) 64
B5: Die Problematik ist heut zu Tage so, dass ein Spital ein medizinisches Institut ist und unter 65
Anführungszeichen gesagt, den pflegerischen Aspekt müssen andere Organisationen 66
übernehmen. Es ist jetzt das erste Problem, dass eine Hauskrankenpflege freitags niemanden 67
übernehmen, da der Dienstplan schon Tage vorher steht. Das heißt wenn wir am Donnerstag 68
noch jemanden entlassen könnten, können wir oft die Person oft nicht nach Hause entlassen, 69
weil es am Freitag keine Kapazität von der Hauskrankenpflege gibt. Das heißt die Person liegt 70
bis Montag mindestens. Das nächste Problem ist auch, die 24 Stunden Betreuung, wenn ich 71
es kurz zusammen fasse, ist eine sehr gute Organisation, hat auch gute Leute, aber von der 72
Kostenseite bleiben dem Patienten, oder den Angehörigen ein Betrag von 8000 oder 9000 73
Euro und das ist natürlich nicht selbstverständlich, dass das bei jedem verfügbar ist. (,) Die 74
Situation bei den Landespflegeheimen, da muss man konkret sagen, da unterscheiden wir 75
zwischen Kurzzeitpflege, Übergangspflege und Langzeitpflege. Grundlegend ist hier zu sagen, 76
dass die Kapazität der Betten eher dürftig ist. … Man kann es heute so sehen, der Trend zur 77
24 Stunden Betreuung wird mehr. Die Heimplätze werden aus (,) mir nicht bekannten Gründen 78
nicht erweitert. Es werden zwar Heime neu gebaut, aber die Bettenanzahl wird nicht erhöht. 79
Speziell bei der Übergangspflege, wo doch der Hintergedanke ist, dass der Patient nach dieser 80
84 Tage Versorgung, wieder nach Hause kann und „preiswerter“ versorgt werden sollte. (,) In 81
unserem Bereich, Gänserndorf/ Mistelbach erhöhen sich die Kapazitäten gemessen an dem 82
gegeben Bedarf nicht, obwohl wir schon Leute haben, die 95 oder 100 Jahre alt werden. 83
I1: Wie erleben sie die Zusammenarbeit, abgesehen vom pflegerischen Aspekt, den sie schon 84
gut erläutert haben, mit dem niedergelassenen ärztlichen Bereich, mit den niedergelassenen 85
Ärzten (?) 86
B5: Mit unseren Ärzten gibt es eine gute Kooperation. Wir haben natürlich die Aufgabe, wenn 87
wir keine Angehörigen, oder niemanden in der Ortschaft, oder die Nachbarn erreichen, 88
nehmen wir natürlich immer mit dem Hausarzt Kontakt auf. Die sind sehr hilfsbereit und 89
entgegenkommen und erklären uns diesen Bedarf, wer versorgt den Patienten, wer ist 90
Ansprechpartner. Oft sind keine Kinder mehr da. Das klappt sehr gut. Auch wir können von 91
unseren Hausärzten verlangen, wenn wir einen Patienten entlassen, weisen wir darauf hin, 92
wenn es pflegerisch nicht passt, dass sie dort aktiv werden. Ich muss sagen, da haben wir 93
eine sehr sehr gute Zusammenarbeit und auch unsere Hausärzte begrüßen das. 94
Department Gesundheit
154
I1: Und das funktioniert durchwegs gut, oder gibt’s da auch regionale Unterschiede (?) 95
B5: … Derjenige der um seine Patienten bemüht ist, pflegt den Kontakt mehr. Derjenige der 96
es als Belästigung empfindet, da merkt man schon im Gespräch, dass das vielleicht nicht als 97
positiv erachtet wird. 98
I1: Mit welchen Erfahrungsberichten Betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert, 99
haben sie spezielle Geschichten, die die Wünsche und Bedürfnisse von Betroffenen und auch 100
pflegenden Angehörigen wiederspiegeln (?) 101
B5: Es ist die große Problematik im Weinviertel, wir haben sehr viele Sorge mit Leute die 102
keinen Arbeitsplatz haben, keine Versicherung, zu wenig Pension haben. … Durch den 103
Alkoholismus (,) sehr stark geprägt sind. (,) Die quasi über die Nacht obdachlos geworden 104
sind, die zu versorgen wird immer schwieriger. Es kommt hinzu, die große Problematik, die 105
Heimversorgung. Es ist sehr schwierig bei Angehörigen das Verständnis zu erlangen, das die 106
pflegebedürftigen, die Besitz haben und diesen nicht weitergegeben haben, aber bereits 85 107
Jahre alt sind, das dieser für einen Pflegeheimplatz belehnt werden. Das heißt das Land erhebt 108
für einen Pflegeheimplatz, wenn ein Eigentum zum Beispiel ein Haus vorhanden ist und dieses 109
nicht länger als fünf Jahre an Angehörige überschrieben wurde, Anspruch auf dieses 110
Eigentum. Derjenige der nichts hat, hier zahlt die Allgemeinheit. Das ist ein großes Problem, 111
wo dann natürlich Missmut gegenüber unserem Versorgungsystem aufkommt. 112
I1: Wie ihnen sicherlich bekannt ist, werden 80% der Pflege in Österreich durch Laienpflege 113
geleistet, wo sehen sie hier die Problematik, auch im Fokus der Bedürfnisse der pflegenden 114
Angehörigen (?) 115
B5: Wir haben ein großes Problem mit der Laienhaften Pflege. Ich unterscheide zum einen die 116
Hauskrankenpflege. Die Hauskrankenpflege hat überall sehr gut und sehr flexible Leute. Die 117
Führungen sind sehr flexibel. Das einzige Handicap ist oft die blöde Freitagsentlassung, was 118
oft kritisch ist. Dadurch haben wir oft nur vier Tage zum Entlassen. (,) Natürlich muss man 119
unterscheiden, wenn der Patient „nur“ eine Demenz hat, dann ist eine Hauskrankenpflege 120
dreimal täglich oft nicht die ideale Versorgung und dann gehen wir über in eine 24 Stunden 121
Betreuung. Es ist immer ein zweischneidiges Schwert, welche die ideale Versorgung auch im 122
Sinne der Angehörigen ist. Es zeigt sich dann im Endeffekt, dass derjenige der eine 24 123
Stunden Betreuung durch eine Agentur in Anspruch nimmt, sich sagt der Patient hat 24 124
Stunden eine Betreuung, ich bin damit entlastet, denn wenn sonst das Telefon abends oder 125
nachts läutet, muss ich selbst die Initiative ergreifen und das ist eben der Nachteil bei der 126
Hauskrankenpflege. Die können maximal drei bis viermal am Tag zum Patienten kommen. 127
Und darum ist oft so, man würde manchmal beides brauchen. Geht von der Kostenseite her 128
Department Gesundheit
155
nicht. Darum habe ich manchmal den Eindruck, dass die 24 Stunden Betreuung sukzessive 129
mehr wird. 130
I1: Und die Laienpflege durch pflegende Angehörige, also durch die pflegenden Angehörigen 131
selbst, nimmt das zu, nimmt das ab, wie sehen sie da die Entwicklung (?) 132
B5: Ich würde eher sagen, die Zunahme ist wie bisher, aber es kommt je nach Familie auch 133
der Aspekt der Berufstätigkeit vieler Frauen, Kinder und Enkelkinder hinzu. Wenn die Person 134
alleine wohnt, wird meist auf eine 24 Stunden Betreuung zurückgegriffen. Vor allem wenn die 135
Person eine Demenz hat, die Mobilität eingeschränkt ist. (,) Es ist immer von Fall zu Fall 136
unterschiedlich. Man merkt das beim Gespräch schon, wenn die Angehörigen hören, da wäre 137
rund um die Uhr jemand da. Die Person geht einkaufen und kocht vielleicht noch, da sind die 138
Kostenstrukturen vielleicht auch leichter, als wenn die Person mehrmals am Tag eine 139
Hauskrankenpflege, Essen auf Rädern in Anspruch nimmt. Dann braucht er vielleicht noch 140
jemanden fürs Rasenmähen oder handwerkliche Tätigkeiten … da geht es um das 141
Gesamtprogamm und vor allem Kosten. 142
I1: Merkt man Unterschiede bei der Betreuungsform. Wenn Leute ins Krankenhaus 143
eingewiesen werden, am Zustand der Patienten, von wem sie im häuslichen Setting versorgt 144
werden (?) 145
B5: Würde ich schon so beurteilen. Es ist sicherlich bei der Hauskrankenpflege, die haben von 146
der Ausbildung her die besseren Voraussetzungen. Die können auch mit gewissen Situationen 147
leichter umgehen. Eine Situation ist zum Beispiel, ich muss das ansprechen, Dekubitus. 148
Dekubitus ist, wenn vorhanden, sicher Caritas, Volkshilfe oder Hilfswerk, sicherlich die 149
optimalere Versorgung. Wir in Mistelbach haben sogar einen Wundmanager. Der ist auf einer 150
Privatbasis und arbeitet mit jeder Hauskrankenpflege zusammen. Das ist sicher optimal. Bei 151
der 24 Stunden Betreuung kommt es natürlich auf die Person und deren Willigkeit, oder deren 152
Verständnis für den Patienten, an. Wobei ich sagen muss, 80% sind bei der Erstbesetzung 153
sehr gut bis ausreichend. Aber bei 20% können gleich zu Beginn oder während der Zeit 154
Probleme auftreten, die dann unmittelbar der Agentur gemeldet werden muss. 155
I1: Es gibt internationale/ europäische Konzepte, die ich ihnen gerne kurz näher beschreiben 156
möchte. Es gibt zum Beispiel die District Nurse im National Health Service in Großbritannien. 157
Es gibt ein neues Modell, das Burrtzorg mit den Community Nurses in den Niederlanden. Es 158
gibt in Dänemark Konzepte. Es gibt das Projekt EIGER in der Schweiz. EIGER – innovative 159
geriatrische Hausbesuche. All diese Konzepte haben präventive Hausbesuche zur Erhebung 160
der individuellen Bedarfslage im Fokus. Inwiefern erachten sie so etwas als Hilfreich im System 161
(?) 162
Department Gesundheit
156
B5: Es ist bei uns bei der Bedarfserhebnug, das große know how, im Erstgespräch zu erfahren 163
(,) wer ist die ausschlaggebende Ansprechperson. Ist der Patient soweit, dass er seine 164
Versorgung akzeptiert und auch bestimmen kann, oder ist es ein Angehöriger. Für uns ist es 165
immer wichtig, dass wir uns eine Bezugsperson ermitteln, mit der man dann, immer mit der 166
gleichen Person, einen Versorgungsplan erstellt. Schwierig wird es, wenn die Problematik 167
auftaucht, drei Kinder zum Beispiel, jedes Kind hat eine andere Meinung. Das ist ein großes 168
Problem, dass wir hier bei der Versorgung haben. Auch die Akzeptanz, dass der Patienten 169
sich jetzt sicher verändert hat und nicht mehr mobil oder so aktiv ist. Bis hin zu einem Pflegefall, 170
der vielleicht nie wieder einen Angehörigen erkennen wird. 171
I1: Wenn sie sich vorstellen, abgesehen vom Entlassungsmanagement, dass noch bevor sich 172
ältere Menschen verschlechtern und ins Krankenhaus kommen, präventiv Hausbesuche und 173
eine Bedarfserhebung durchführt werden, sowie ein Assessment zur Erhebung der 174
Bedarfslage (?) Was denken sie darüber – bevor noch ein Ereignis, eine Verschlechterung 175
eintritt (?) 176
B5: Im Familienverband ist es so, das die Eltern zu diesem Zeitpunkt meist in einem Intervall 177
leben, in dem sie glauben, es bleibt immer so und sie verschlechtern sich nicht. Sie akzeptieren 178
den Gedanken einer Verschlechterung nicht. Es ist hier sicher zu überlegen, ob man mit den 179
Personen in dem besagten Zustand Kontakt aufnimmt und sie darauf anspricht, was weiter 180
passieren soll, wenn ich ihr Allgemeinzustand verschlechtert. Wenn die Leute dann nicht mehr 181
die Akzeptanz zur Hauskrankenpflege, Langzeitpflege, 24 Stunden Betreuung, 182
Übergangspflege haben, weil sie es oft nicht mehr begreifen wollen oder auch können. Wenn 183
man rechtzeitig mit den Angehörigen und den Betroffenen spricht, und sie fragt, „was stellen 184
sie sich vor“, ihnen sagt was in zehn Jahren sein könnte. Die Mobilität, eine Demenz, wer soll 185
dann was entscheiden (?) Welche Vorstellungen haben die Personen. Auch im Bereich der 186
Beratung für eine Vorsorgevollmacht. Das wäre eine gute Sache, wenn viele so etwas 187
rechtzeitig abschließen würden und dann schriftlich hätten, das wäre sicher auch eine gute 188
Lösung. 189
I1: Das heißt sie würden es als Vorteil erachten, wenn es eine Person gäbe, die präventiv nach 190
Hause kommt und Beratungsgespräche durchführt (?) 191
B5: Ja auf jeden Fall. Vor allem sie müssen sich vorstellen, wenn der Patient bei uns ist hat er 192
schmerzen, er ist verwirrt, er ist in einer neuen Umgebung. Es kommt jemand vom 193
Entlassungsmanagement im Krankenhaus und sagt ihm welche Möglichkeiten der weiten 194
Versorgung es gibt. Der Patient ist der Situation damit überfördert. Er kommt mit seinen 195
Beschwerden ins Krankenhaus und kann auch meist keine genaue Auskunft geben, weil er es 196
bisher nicht gekannt hat. Auf ihn wirkt so viel ein. Ist auch verständlich, wenn jemand 50 oder 197
Department Gesundheit
157
60 Jahre seine Leben auf eine Art und Weise gelebt hat und jetzt kommt jemand uns sagt „ab 198
morgen machen wir es anders“, kann es den Menschen im ersten Moment nur belasten und 199
es wird verneint. Das ist auch der Grund warum bei uns im Entlassungsmanagement auf drei, 200
vier oder manchmal sogar fünf, sechs Gespräche geführt werden bis man das Einsehen vom 201
Patienten irgendwann erlangt. 202
I1: Wenn sie sich vorstellen, dass es so eine regionale Gesundheits- und 203
Krankenpflegeperson, die solche präventiven Hausbesuche durchführt, aber auch 204
fallspezifische Hausbesuche bei akuter Verschlechterung durchführt, im Bezirk Gänserndorf, 205
Bezirk Mistelbach gäben würde. Eine Person, mit der man auch im Sinne des 206
Entlassungsmanagement kooperieren könnte. Jemand der den Fall quasi von ihnen 207
übernehmen würde, auch um den Drehtüreffekt zu vermeiden. – Was halten sie von solch 208
einem Konzept (?) Welche Inhalte müsste das Tätigkeitsfeld dieser Person noch beinhalten 209
(?) Wie wäre das aus ihrem Aspekt hilfreich (?) 210
B5: Ich glaube, dass es oft so ist, dass wir oft Patienten haben, die wir von unserer Seite her 211
entlassen und wo Situation die Hilfestellung in erster Instanz erledigt ist und wo derzeit kaum 212
bis kein Bedarf vorhanden ist. Diese Patienten könnte man an solche regionalen Gesundheits- 213
und Krankenpflegepersonen weiter tragen, weil eine mögliche Verschlechterung des 214
Gesundheitszustandes zu erwarten ist. Sei es onkologisch oder neurologisch, oder auch ein 215
operatives, kardiales oder sonstiges Problem. Wo man vorahnen kann, wie der 216
Krankheitsverlauf sein könnte und das genau dort die regionalen Gesundheits- und 217
Krankenpflegepersonen mit der betroffenen Person bespricht, wie schaut die Situation aus, 218
wie kann sie sich entwickeln und dort bereits erste Informationen gibt, welche Möglichkeiten 219
der weiteren Versorgung es im extramuralen Bereich gibt. 220
I1: Das heißt weiterführend nach der Entlassung … 221
B5: Ja. 222
I1: Und auch im Sinne der Qualitätskontrolle. Sie beginnen im Krankenhaus mit den 223
Angehörigen und den Betroffenen im Rahmen des Case Management mit der Organisation 224
der weiteren Versorgung und die regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson kommt 225
dann nach der Entlassung nach Hause und führt eine Qualitätskontrolle der Betreuung durch 226
und adaptiert bei Bedarf noch weiter. Denken sie, dass das einen Nutzen hätte (?) 227
B5: Sicher ein Vorteil. Ich muss noch eines dazu sagen. Bei uns heißt es, wir sind Care und 228
Case Management. (,) Unsere Versorgung durch das Entlassungsmanagement beginnt im 229
Spital mit der Aufnahme und endet, wenn der Patient entlassen wird. Unser großes Handicap 230
ist, ich kann nicht kontrollieren, ich kann nicht überprüfen, was wirklich außerhalb vom 231
Department Gesundheit
158
Krankenhaus, das heißt wenn er zu Hause ist, wirklich erfolgt. Die Zusage von den 232
Angehörigen oder vom Patienten, „das und das ist gemacht“, kann ich nicht überprüfen. 233
I1: Das heißt aus ihrem Aspekt zusammengefasst, die Aufgabe einer regionalen Gesundheits- 234
und Krankenpflegepersonen, wäre dann vom Ansatz her auch die weiterführende Kontrolle 235
und auch das weiterführende Case Management in der häuslichen Betreuung (?) 236
B5: Das ist sicher eine Möglichkeit, wo ich sehr viel Sinnvolles darin sehe. Es ist ja so, man 237
hat ja die Erfahrung. Es wird eine weitere Versorgung für die Patienten organisiert. Dann 238
schickt man die Person nach Hause und die kommt nach zwei Monaten, sechs Wochen oder 239
sogar nach zwei Wochen wieder ins Krankenhaus. Wenn man dann mit den Angehörigen 240
Rücksprache hält, erfährt man dann, dass nichts weiter zu Hause organisiert wurde. Bei einer 241
flächendeckenden Versorgung, erspart man dem Patienten oft mehrere 242
Krankenhausaufenthalte. Wir haben aber, zur Erklärung, eine Möglichkeit, bei Fällen wo wir 243
uns sicher sind, das die weitere Versorgung nicht optimal klappt, dass wir mit den Sozialämtern 244
in Mistelbach zusammenarbeiten können. In solchen Situationen ersuchen wir sie dann, bei 245
den betroffenen Damen oder Herren einen Hausbesuch abzustatten und das Geschehen zu 246
überprüfen. Ist es so wie besprochen, gibt es Abweichungen, oder haben wird den Bedarf 247
über- oder unterschätzt. 248
I1: Was sind die Herrschaften von der Qualifikation her (?) 249
B5: Sozialarbeiter. 250
I1: Sozialarbeiter, aber pflegerische Ausbildung haben sie keine (?) 251
B5: Pflegerische Ausbildung haben sie keine. 252
I1: Welche noch nicht im Rahmen dieses Interviews erwähnte Schwächen- wenn sie an die 253
erwähnte Konzeption denken, regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, sowie 254
das es keine weitere Kontrolle nach dem Entlassungsmanagementprozess gibt,- bestehen 255
ihrer Ansicht nach im Bereich Schnittstellenmanagement, Nahtstellenmanagement. Fallen 256
ihnen noch Beispiele ein wo ein Adaptionsbedarf besteht (?) 257
B5: Es ist oft sicher der Bedarf, speziell bei einigen Hausärzten. Wo man sagt, man muss mit 258
dem Patienten wirklich Kontakt pflegen und das nicht nur aus medizinischer sondern vor allem 259
auch aus pflegerischer Sicht. So mancher Hausarzt kann nicht verstehen, dass ein Patient 260
gewisse Tätigkeiten nicht mehr kann oder gewisse Akzeptanz für seine Erkrankung fehlt. Der 261
Hausarzt setzt oft viel zu viel voraus. Oft auch bei den Angehörigen. Es ist nicht überall so, 262
dass jede Familie ein harmonisches, gut funktionierendes Zusammenleben hat. Es ist leider 263
so, dass auch viele Kinder keinen guten Kontakt zu ihren Eltern pflegen. Das wird leider immer 264
mehr. Da sind die Hausärzte leider oft nur auf ihren medizinischen Fokus bedacht und das 265
pflegerische geht leider oft unter, ist aber auch nicht der Schwerpunkt. 266
Department Gesundheit
159
I1: Das heißt, die Vernetzung von regionalen Gesundheits- und Krankenpflegepersonen mit 267
dem Hausarzt wäre aus ihrer Ansicht auch sehr wichtig (?) 268
B5: Wäre auch sehr wichtig. Da könnte man sicher noch einiges ausbauen. Gerade oft nicht 269
nur der Manager zum Hausarzt, sondern auch der Hausarzt. Diese sind oftmals überfordert 270
und wissen nicht weiter, was gibt es im Versorgungsystem noch. Wen kann ich anrufen und 271
fragen. Wer kann mir sagen, was die Person in welchen Zustand benötigen. Der Hausarzt 272
sieht leider oft nur den Patienten mit den Medikamenten, der E-Card und seine medizinische 273
Versorgungsaufgabe. 274
I1: Gibt es noch etwas, dass sie zur Thematik anfügen möchten (?) 275
B5: … Die Tätigkeit die alle Leute dieser Branche machen, die machen sie nicht für sich, 276
sondern sie machen es nur für sich und die Angehörigen. Es freut uns wenn es positiv 277
angenommen wird, es gibt aber auch schon sehr viele, wo man schon beim Erstgespräch 278
hinten angestellt wird. (,) Da muss man durch. Ansonsten ist es sehr sehr Aufgabenreich und 279
es ist jeder Tag aufs Neue spannend. 280
Department Gesundheit
160
A.13 Transkription Interview VI
Experteninterview VI
Interviewdatum: 20.06.2016
B6: Frau Meinhard- Schiebel, Präsidentin der Interessensgemeinschaft Pflegender
Angehöriger, Senioren und Gesundheitssprecherin der Grünen Wien
I1: Stephanie Walla, BA
I1: Frau Meinhard- Schiebel, sie sind Präsidentin der Interessensgemeinschaft Pflegender 1
Angehörigen. sowie Senioren und Gesundheitssprecherin der Grünen Wien, bitte erzählen sie 2
mit von ihrem Aufgabengebiet (?) 3
B6: Auf der Seite der Interessensgemeinschaft pflegender Angehöriger habe ich vor allem die 4
Aufgabe auf der politischen Ebene, mich mit dem Team dafür einzusetzen (,) dass die 5
hunderttausend pflegenden Angehörigen in Österreich besser repräsentiert werden und vor 6
allem das es auch Forderungen gibt, die ihren täglichen Lebensalltag betreffen. Also da geht 7
es auf der einen Seite darum, dass sie bessere Betreuungsangebote bekommen. Das sie 8
niederschwellige Zugänge bekommen, dass das Pflegegeld jährlich valorisiert wird und nicht 9
nur alle paar Jahre. (,) Und es geht auch überhaupt darum, dass Menschen die in dieser 10
Situation sind, nicht alleine gelassen werden, weil sie ja zumeist 24 Stunden mit dem Thema 11
beschäftigt sind. Die Alternativen die es heutzutage gibt, die 24 Stunden Pflege oder die (,) 12
Heimhilfe, oder die Pflegehelfer, etc., sind eben nicht so gestaltet, dass die pflegenden 13
Angehörigen sie wirklich als Entlastung erleben. (,) Es ist ganz ein kompliziertes Netzwerk das 14
da ist, aber das pflegende Angehörige entweder gar nicht nützen weil sie es nicht wissen, oder 15
aber das es nicht dem entspricht was sie brauchen in ihrer Situation. Das ist der eine Punkt. 16
… Als Seniorensprecherin weiß ich natürlich, dass es eben immer mehr ältere Menschen gibt 17
die auch alleiinstehend sind und die dann, wenn sie wirklich erkranken oder ein Problem 18
haben, in dieses gesamte Gesundheitsversorgungsnetz eingebunden zu werden … das ist 19
besonders bei Menschen mit einer dementiellen Erkrankung ein Problem, die alleine sind. Und 20
als Gesundheitssprecherin der Wiener Grünen bin ich im Gemeinderat und bin auch eben dort 21
auch für das Thema Gesundheit und Pflege, für Menschen und Pflege und Menschen mit 22
Behinderung und Generationen zuständig. Und dort habe ich natürlich auch mit dem gesamten 23
Gesundheitswesen in Wien zu tun. 24
I1: Mit welchen Erfahrungsberichten betroffener sind sie in ihrem Berufsalltag konfrontiert (?) 25
Können sie mir Geschichten aus dem Leben Betroffener schildern (?) 26
Department Gesundheit
161
B6: (Lacht). Also ich persönlich bin ja keine pflegende Angehörige. Ich bin auch keine 27
Betroffene in diesem Sinn. Aber ich habe natürlich ganz ganz viel damit zu tun, dass ich von 28
Menschen erfahre wie es ihnen geht, aber auch wie es dem Pflegepersonal geht. Also es gibt 29
jetzt zum Beispiel ein Schwarzbuch des „KIF“- also der Interessensvertretung von 30
Pflegekräften. Die beschreiben in ihrem Schwarzbuch natürlich die Situation die sie vorfinden 31
in ihren Berufsfeldern. Und wenn man das alles zusammen auf den Tisch legt, kommt man 32
drauf, dass es ganz viele Problematiken gibt die mit Schnittstellen zu tun haben. Aber nicht 33
nur mit Schnittstellen zu tun haben, sondern mit verschiedenen Berufsgruppen und umgekehrt 34
dann wieder mit den pflegenden Angehörigen, die halt nicht gesehen werden, oder (,) die dann 35
vielleicht auch schwierig sind. Also wenn ich die mir alle miteinander vorstelle, denk ich mir, 36
wie bekommt man alle an einen Tisch um miteinander zum Beispiel zu planen, wie kann Pflege 37
und Betreuung gut funktionieren, in welchem Fall auch immer. 38
I1: Welche Problematik sehen sie, im speziellen bei der Betreuung im häuslichen Setting, für 39
Betroffene, aber auch für die pflegenden Angehörigen (?) Also von beiden Seiten her, wo 40
sehen sie da die Problematik (?) 41
B6: Ich glaube es ist ganz schwierig, gerade im häuslichen Setting, weil das eben sozusagen 42
der private Raum ist. Das auf der einen Seite die Pflegekräfte die kommen (,) sozusagen 43
Eindringlinge sind und natürlich ganz oft Arbeitsbedingungen vorfinden, die natürlich 44
überhaupt nicht geeignet sind. Da etwas anzuregen und zu sagen, damit ich gut arbeiten kann, 45
brauche ich das und das und das. Das funktioniert sehr sehr schlecht. (,) Das ist immer ein 46
Eingriff in die persönliche Sphäre. Und für die pflegenden Angehörigen, oder auch die 47
Betroffenen, ist eine Fremde Person die kommt, natürlich auch ein Störfaktor. Auch wenn man 48
sie braucht. (,) Aber wie grenzt man das gut ab (?) Wie kann das gut funktionieren (?) Und 49
was würde man als Vermittlung brauchen, damit es gut funktioniert (?) Ich glaube das ist eine 50
ganz große Herausforderung, wie bringt man die beteiligten Personen an einen Tisch, damit 51
sie verstehen, gegenseitig, wo gibt es eine Möglichkeit miteinander zu kooperieren und zu 52
kommunizieren, damit es gut gelingen kann. 53
I1: Wo sehen sie, vor allem auf politischer Ebene die Problematik im primären 54
Versorgungssystem in Österreich (?) 55
B6: Naja, es ist auch wieder die Spaltung der Berufsgruppen an sich. Ich kenne das PHC bei 56
uns in Wien. Also in Mariahilf und ich bin ja ein Fan vom PHC- also Primary Health Care 57
Center, weil ich mir denke, dass ist die ideale Kombination wenn ich alle Professionen an 58
einem Tisch haben. Was in den PHC’s vielleicht noch fehlt, ist das die Betroffenen noch stärker 59
miteingebunden sind. Nämlich auch die pflegenden Angehörigen dort mit dabei sind und auch 60
Menschen die betroffen sind, die selber krank sind. Das sie in das Setting miteingebunden 61
Department Gesundheit
162
sind, als kompetente Menschen ihrer Situation. Das funktioniert zum Teil natürlich. Aber wenn 62
ich mir vorstelle es gibt eine Sozialarbeiterin, ein Psychotherapeutin, es gibt eine Psychologin 63
(,) es gibt verschiedene Medizinerinnen und Mediziner, dann ist halt die Frage (,) wie gehen 64
sie dann damit um, wenn die eine Person die Pflege und Betreuung braucht, alleine ist. Und 65
sich plötzlich ausgesetzt fühlt, so einem ganzen Team von Menschen. Beziehungsweise wie 66
funktioniert dann die interne Kommunikation. Also angenommen (,) Patientin, Patient, oder 67
pflegende Angehörige spricht mit der Sozialarbeiterin… Sie sollte gemeinsam mit der 68
Sozialarbeiterin sprechen damit alle denselben Wissensstand haben, und das ist ganz ganz 69
schwierig. Also ich würde mir immer wünschen, so eine Art Familienkonferenz wo alle 70
Beteiligten am Tisch sitzen. 71
I1: Das heißt, sie sehen sehr stark die Problematik darin, dass zu wenig zwischen den 72
Professionen untereinander Kommuniziert wird, zum einen und zum anderen auch der Zugriff 73
zu den einzelnen Professionen (?) 74
B6: (Zustimmendes Nicken). Ich glaube schon, dass die- in einem PHC zum Beispiel, 75
miteinander kommunizieren. Aber ich kenne das aus der Sozialarbeit, man spricht dann über 76
„den Fall“, ohne das „der Fall“ als Person anwesend ist und auch die eigene Position vertreten 77
kann und dann auch sagen, aber das und das wäre für mich auch noch wichtig. Das wäre das 78
ideale Setting. Für mich. 79
I1: Das PHC, ist ja ein Pilotmodell, ein Pilotprojekt … (?) 80
B6: Ja 81
I1: Gibt es meines Wissens nach sonst in Österreich noch nicht … 82
B6: Das Gesetz gibt es noch nicht. Es gibt eine Gesetzesvorlage und es steht zur Diskussion 83
ob es im Herbst dann endlich fertig ist. Und Pilotprojekt gibt es bereits, in Wien wird es noch 84
ein zweites geben. Aber ich glaube man darf das nicht so abtrennen voneinander. Es gibt auf 85
der einen Seite die Diskussion, was machen dann die Hausärzte (?) … Wie muss das Setting 86
aussehen (?) Darf das nur eine Variante haben und ist alles andere dann nicht 87
dementsprechend (?) Wenn zum Beispiel eine Komponente fehlt (?) Es ist irrsinnig kompliziert 88
weil es auch in der Form des Betriebes ganz schwierig ist. Es ist ja nicht nur abhängig davon, 89
sind alle da, sondern wie schaut das aus, welche Gesellschaftsformen brauche ich. Das ist ein 90
sehr komplexes Thema. 91
I1: Wenn sie sich das vorstellen, es gibt ja auch- wie sie bereits kurz angesprochen haben, 92
viele Menschen die alleine sind, die keine pflegenden Angehörigen haben, wie sollen die mit 93
solch einem Modell angesprochen werden (?) Wie kommen die zu dieser Leistung (?) 94
B6: Ja. Ich bin ja eine Verfechterin des erweiterten Entlassungsmanagement. Ich habe das 95
auch wirklich von Anfang an gesagt. Entlassungsmanagement darf nicht bei der 96
Department Gesundheit
163
Krankenhaustüre enden und es darf auch nicht nur punktuell stattfinden. Angenommen da gibt 97
es einen Stützpunkt, da kommt jemand, schaut sich die Situation an und geht wieder. Es 98
brauch innerhalb des Prozesses, eine permanente Begleitung durch die sogenannte 99
Community Nurse- wie auch immer man sie dann nennt. Das ist nichts Neues. Das hat 100
Florence Nightingale bereits verlangt. 101
I1: Lacht zustimmend. 102
B6: Ja (lacht) … und noch immer ist es nicht da. Da denke ich mir, das kann nicht so schwierig 103
sein, denn die Person die den Prozess so gut kennt, kann ganz viel abfangen. Sie verhindert 104
den Drehtüreffekt, die kann mit allen in Kommunikation stehen. Genau dort wo zum Beispiel 105
ein PHC nicht möglich ist, kann genau sie diese Funktion erfüllen. Sie hat eine Multifunktion. 106
I1: Wir sind gerade bei dem Thema … Es gibt verschiedenste internationale/ europäische 107
Konzepte. Es gibt District Nurse in den National Health Service in Großbritannien, es gibt das 108
sogenannte Burrtzorg Modell mit den Community Nurses in den Niederlanden, es gibt das 109
Projekt EIGER- innovative geriatrische Hausbesuche in der Schweiz, es gibt die Community 110
Nurses in Dänemark, die das auch schon sehr lande durchführen. … Alle diese Konzepte 111
haben im Vordergrund die präventiven Hausbesuche, die Hausbesuche in erster Instanz, die 112
Erhebung der individuellen Bedarfslage. In wie fern erachten sie so etwas als hilfreich (?) 113
B6: … Also ich halte das absolut für hilfreich. Ich denke je mehr man in erster Instanz weiß, 114
umso besser kann man dann agieren. Ich weiß zum Beispiel aus Dänemark das man versucht 115
die pflegenden Angehörigen erst gar nicht in die Situation kommen zu lassen. Weil man 116
gesagt, je mehr wir anbieten, umso weniger kommen sie in diese Situation. Und ich glaube 117
das wäre ein ganz präventiver Ansatz. Weil eines kommt noch hinzu, das gerade pflegende 118
Angehörige oft dann irgendwann einmal dann selbst krank werden durch Überlastung. Und 119
dann muss ich da wieder ansetzen, anstatt das ich schon im Vorfeld etwas tun kann. 120
I1: Das Projekt EIGER in der Schweiz und auch in Dänemark gibt es einen Stichtag, ein 121
bestimmtes Alter, zum Beispiel 65 oder 70 Jahre, mit dem die Leute dann verpflichtend 122
besucht werden. Halten sie das für sinnvoll (?) 123
B6: Das gibt es in Wien auch. Das macht … der Dachverband der sozialen Einrichtungen, also 124
diese Organisationen. (,) Aber die haben jetzt das Alter hinauf gesetzt. Weil sie gesagt haben 125
die Menschen werden später krank und brauchen erst später etwas und es ist klüger zu sagen, 126
wir gehen nicht wenn sie 65 sind, sondern wenn sie 70 sind zu Besuch. (Pause) Es ist ein 127
wenig schwierig, weil ich mir denke, für viele Menschen entsteht so der Eindruck das ist eine 128
Kontrolle. Und das haben die wenigsten Menschen gerne. Die Frage ist, wie setzt man es gut 129
an. (Pause) Also auf der einen Seite find ich es gut, weil man dadurch wirklich ein wenig soziale 130
Kontrolle hat und schauen kann, wie geht es dem Menschen in seinem Lebensumfeld, braucht 131
Department Gesundheit
164
er irgendwas (?) Auf der anderen Seite finde muss man wahrscheinlich … Man kann ja nicht 132
Nikolo spielen. So heute ist Nikolo, heute stehe ich vor der Türe. (Lacht) Aber einer der großen 133
Möglichkeiten ist immer im öffentlichen Raum anzufangen und zu sagen, Parkgespräche, etc. 134
und dann besuch man jemanden. Also einfach mehrere Zugänge zu haben. … Ich habe 135
wirklich die Erfahrung gemacht, Parkgespräche bringen wirklich viel, weil Menschen sich 136
einfach im Sommer hinsetzen und dort kann man ungezwungen mit ihnen reden. Und dann 137
kann man sagen, ist es ihnen recht wenn ich auch zu ihnen nach Hause komme und schauen 138
wir einmal, was brauchen sie alles. 139
I1: Ein weiterer Teil der Konzepte ist auch die Beratung und Unterstützung bei pflegerischen 140
und Gesundheitsfragen. Das heißt es ist eigentlich weniger die Pflege an sich, das macht die 141
mobile Hauskrankenpflege, es gibt wirklich um die Beratung und Unterstützung bei 142
Gesundheitsfragen im Sinne des Empowerment Ansatzes. Sowohl für den Betroffenen als 143
auch für die Angehörigen. Wo würden sie da den Nutzen darin erkennen, im Hinblick auf 144
Österreich (?) 145
B6: Das ist ein ungemein wichtiges Thema, weil wir ja immer noch den Ansatz haben, dann 146
wenn ich krank bin, dann brauche ich etwas und das brauche ich gleich und schnell und ist 147
dann entsetzt wenn das nicht so funktioniert. Aber das ist da so, und ich bin hier sehr vorsichtig 148
mit meiner Aussage, ein Stück Eigenverantwortung die man wirklich fördern soll. Das finde ich 149
ganz ganz wichtig. Wenn ich selbst in der Lage bin für meine eigenen Gesundheit etwas zu 150
tun und dafür verhindere das ich deshalb krank werde, dann hätte ich auch einen ganz 151
wichtigen Ansatz den ich selbst erfüllen kann und diese „Health literacy“ die halte ich für 152
ungemein förderbar. Aber da muss man eben sehr sensibel umgehen. Es ist immer dasselbe. 153
Menschen verändern nicht sehr gerne etwas in ihrem Verhalten und wir haben eine lange 154
Phase der Zeit hinter uns, wo wir gesagt haben, tja, wird alles gemacht, wird alles erledigt, 155
brauche ich mich selbst nicht kümmern darum. Und jetzt sind wir mehr in der Situation wo wir 156
sagen, naja, wie kann man auch selbst etwas tun. Und das ist ganz ganz kompliziert. … Außer, 157
es verändert sich etwas und das glaube ich schon, durch das Internet. Weil die Leute etwas 158
haben, gleich einmal nachschauen. Was zum Teil auch gefährlich ist. Das stehen dann Dinge 159
– um Gottes Willen. Aber in gewisser fördert das auch das Verständnis dafür, aha, das könnte 160
das oder das sein. Was hat dann fehlt ist eine professionelle Beratung. Ist das wirklich so (?) 161
I1: Die Konzepte haben auch gemeinsam, die Unterstützung beim optimalen Nutzen der 162
lokalen Ressourcen und Hilf Angebote, auch im Sinne des Schnittstellenmanagement. Welche 163
Auswirkungen auf die Primärversorgung könnte dies auch in Österreich haben, wenn es eine 164
solche Gemeindekrankenschwester, eine regionale Gesundheits- und 165
Department Gesundheit
165
Krankenpflegepersonen gäbe, die auch bei der Nutzung der optimalen lokalen Ressourcen 166
helfen würde. Welche Auswirkungen würde das ihrer Meinung nach haben (?) 167
B6: Es würde in erster Instanz einmal verhindern, dass die Leute sehr leicht ins Krankenhaus 168
gehen, in eine Ambulanz gehen und dort eigentlich gar nicht hingehören. Wenn das so flexibel 169
ist, dass das auch im Notfall zur Verfügung steht, dann wäre das immer noch besser als die 170
Rettung zu rufen wenn ich sie nicht brauche. Aber ich weiß es nicht. Es gibt in Wien ein Modell 171
bei den Johannitern. Die haben so einen Notruf … für das Wochenende für das 172
Pflegepersonal. Das heißt ich kann dort anrufen und sagen, ich brauch einen 173
Verbandswechsel, oder was eine Krankenschwester ebenso darf. Und das ist eine ganz tolle 174
Einrichtung, weil ich mir denk, damit kann man ganz viel steuern. Also das würde ich mich 175
Wünschen das es das in jeder Gemeinde einfach ganz grundsätzlich gibt. Das man sagt, ok- 176
und ich kann dann auch ganz einfach entscheiden, brauch ich eine pflegerische Intervention 177
oder brauche ich wirklich was anderes. Und was ich auch interessant finde, das ist ja jetzt in 178
Wien so, dass der Ärztefunkdienst mehr berät. Das heißt man ruft an und der fragt ab und erst 179
dann wird erst interveniert. Das kann auch bis dahin gehen, ok eigentlich brauchen wir eine 180
Krankenschwester. Das würde allen Beteiligten weiter helfen. 181
I1: Das heißt im Sinne so wie eine Hotline, die man kontaktieren kann. Auch am Wochenende, 182
24 Stunden (?) 183
B6: Ja genau. 24 Stunden und ich weiß ok. Bei manchen Dingen weiß man ganz genau das 184
man eigentlich eine Krankenschwester braucht und keinen Arzt. 185
I1: Wenn sie sich vorstellen, man würde dieses Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und 186
Krankenpflegeperson in Österreich implementieren in österreichischen Gemeinden. Ich 187
spreche jetzt gezielt von Gemeinden, weil Wien einen andern Aspekt hat. … 188
B6: Ja natürlich, das ist klar. 189
I1: Wie würden sich dieses Berufsbild, diese Person, diesen Aufgabenbereich, dieser 190
regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson vorstellen (?) Wie soll ihrer Meinung nach 191
gestaltet sein (?) 192
B6: Es ist schon so diese Gemeindeschwester so quasi. In Wien kann sie ja 193
„Gretzelschwester“ heißen, aber eine Gemeindeschwester, das erinnert mich an die 30er 194
Jahre. Da gab es so etwas auch. Da gab es die Fürsorgerin, die war für die Kinder da und 195
dann gab es die Gemeindeschwester, die war so ein bisschen auch bei der Kirche angesiedelt, 196
weil da ist oft gleich der Seelsorger mitgekommen. (lacht) Aber das hat funktioniert. Und das 197
würde ich für unheimlich wichtig halten das man so etwas auch im Verständnis der 198
Bevölkerung wieder verankern kann. Das die wissen, ja mit der kann ich auch nur reden. 199
Vielleicht brauche ich auch nichts. Aber ich kann sie anrufen und sagen, heute habe ich 200
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Kopfweh. Und die kann dann immer noch mitentscheiden, sie darf nicht diagnostizieren das 201
ist mir schon klar, aber sie kann wenn sie die Leute kennt, schon gut unterscheiden, was 202
könnte es den jetzt sein. 203
I1: Auch in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt (?) 204
B6: Ja natürlich, wenn sie merkt, hoppla, da ist etwas, dann mit dem Hausarzt gemeinsam, 205
klar. Also im Zusammenspiel. Viele Dinge sind einfach ein Befindlichkeitsproblem. Wenn ich 206
das Gefühl habe, ich kann dort anrufen, dann ist schon viel viel geholfen. Weil dieses 207
Vertrauen in diese Gemeindekrankenschwestern denke ich sehr groß ist. Ich kenne es ein 208
bisschen aus der Hauskrankenpflege in der Steiermark. Also diese Hauskrankenschwestern 209
haben ja Multifunktionen in Wirklichkeit. Die fahren da irgendwo auch zu den Bauern hinauf. 210
Die sind wie Familienmitglieder und die kennen auch alles. Und die werden natürlich auch 211
angerufen. 212
I1: Das Kompetenzzentrum zur Qualitätssicherung häusliche Pflege macht auch 213
Hausbesuche, beraten, da ist es aber so, dass das einmalig ist, maximal ein zweites Mal. … 214
Vom Organisatorischen her, wenn man sich das Berufsbild einer regionalen Gesundheits- und 215
Krankenpflegeperson vorstellt, wie sollte das ihrer Meinung nach gestaltet sein (?) Ein bis zwei 216
Mal, oder wie ein Case Management, das heißt einen Fall den man beginnt und bis zum 217
Abschluss, bis der Fall abgeschlossen ist begleitet, oder eine Dauerhafte Begleitung (?) 218
B6: Also ich bin natürlich für eine dauerhafte Begleitung. Weil ich glaube das ist das einzige 219
wo man durchgängig erkennt, was verändert sich, was verschlechtert sich, was verbessert 220
sich auch. Und wenn man dann die Möglichkeit hat zu entscheiden- ok jetzt braucht es ein 221
Monat lang keinen Besuch, aber die Person kann anrufen, dann kann man das gut umsetzten. 222
Ich denke, da gibt es dann immer die Sorge das kostet dann mehr Geld, das glaube ich nicht. 223
Ich glaube … ich meine das ist natürlich auch eine Frage der Arbeitszeitenregelung- da hängt 224
unheimlich viel daran. Aber letzendes ist es eine Vertrauensperson- und das ist eine 225
Vertrauensperson, jemand der mich lange Zeit begleitet und damit sehr gut regulieren kann, 226
braucht es jetzt wirklich etwas, oder genügt ein Telefonat, genügt ein Gespräch. Weil, ich 227
denke oft an Menschen die eine chronische Erkrankung haben, die brauchen nur das Gefühl 228
da ist jemand. Und manchmal nicht einmal die Angehörigen, sondern da ist jemand dem ich 229
traue, der die Kompetenz hat. Da hat man dann das Vertrauen. 230
I1: Das heißt diese Person wäre dann auch quasi der Manager der Schnittstelle zwischen dem 231
Betroffenen und dem weiteren primären Versorgungsbereich, dem sekundären und tertiären 232
Versorgungsbereich (?) 233
B6: Genau. Die hat ja dann die Möglichkeit diejenigen einzuschalten die gebraucht werden. 234
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I1: Beim Thema Schnittstelle. Welche noch nicht im Rahmen dieses Interview erwähnten 235
Schwächen bestehen ihrer Ansicht nach noch, vor allem im Bereich Schnitt- und 236
Nahtstellenmanagement (?) 237
B6: (Pause) Also ich weiß nicht wie weit es wichtig ist durch Dokumentation, diese dann auch 238
weiter zu geben. Das heißt, eine Krankenschwester darf ja nicht diagnostizieren, aber sie darf 239
dokumentieren, aber darf sie das dann den anderen zur Verfügung stellen (?) Gerade wenn 240
es so eine Primärversorgung gibt. Darf sie zum Beispiel der Psychologin was sagen, oder auch 241
nicht (?) In wie weit, also diese Abgrenzungen sind dann ganz schwierig. Weil man nicht das 242
Ganze sieht, sondern immer nur einen Teilaspekt und das halte ich schon für schwierig. 243
I1: Das heißt auch bei der Weitergabe von Informationen … 244
B6: Genau. Ich kenn das eben von den Hauskrankenschwestern und den Pflegehelferinnen 245
und von den Heimhilfen, die mir sagen, mit einem Fuß stehe ich im Gefängnis, weil ich etwas 246
tue, das ich eigentlich nicht tun dürfte. Aber es ist logisch, dass das dazu gehört. Ich kann nicht 247
einfach sagen, dass ignorier ich, dass macht dann die Nächste. Das halte ich für extrem 248
schwierig. 249
I1: Nochmals zum Thema regionalen Gesundheits- und Krankenpflegeperson. Welchen 250
Nutzen sehen sie generell bei der Implementierung in Anlehnung an internationale Konzepte, 251
speziell für die österreichischen Gemeinden (?) 252
B6: Also erstens einmal sehe ich den Nutzen darin, dass es durch die Niederschwelligkeit … 253
Gesundheitsökonomisch billiger wird. Es ist ein Unterschied ob ich jetzt eine intensive, 254
hochqualifizierte Intervention brauche die viel Geld kostet, oder ob ich es anders lösen kann. 255
Das zweite ist, das man eben wirklich versuchen kann, das Umfeld mit zu nehmen und zu 256
entlasten, Wenn ich jetzt nur einen betroffenen Menschen habe, ich denke an eine 257
Krebserkrankung. In einem relativ letalen Stadium. Da habe ich nicht nur eine Person, da habe 258
ich meistens zwei drei um mich herum. Wenn ich die mitbetreuen kann, die irgendwie 259
einbinden kann, dann wird es im System, und das ist natürlich eine Systemfrage, billiger. Aber 260
das darf nicht das auschlaggebende Argument sein. Aber es ist wichtig einfach hinzuschauen. 261
Denn wenn man das umschichten kann und sagen kann, aber dafür kann ich auf der anderen 262
Seite mehr leisten, ohne das die Pflegekraft überfordert wird, aber sie sieht es anders. Also 263
ich würde es für eine unglaublich gute Sache halten. 264
I1: Warum glauben sie hat man dieses Konzept noch nicht umgesetzt, wenn man den Nutzen 265
daraus so genau kennt (?) 266
B6: (Lacht). Tja, weil wir auf der einen Seite eine extreme Spezialisierung haben. Also eine 267
wirklich extreme Spezialisierung. Auf der anderen Seite die einzelnen Berufsgruppen, habe 268
ich den Eindruck, nicht gut miteinander kooperieren. Obwohl ich sage, das sind alles Sorge 269
Department Gesundheit
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Berufe. (Pause) Und wenn ich mir das anschaue wie das in der Wertigkeit ausschaut. Ich bin 270
„nur“ eine Pflegeassistenz, oder ich bin „nur“ ein Pflegefachassistenz, oder ich bin diplomiert, 271
allein das macht es schon so schwierig. (Pause) Und das aufzumachen und zu sagen, alle 272
Gruppen miteinander … können einander in die Hand arbeiten. Ich mein ich weiß das ist sehr 273
simpel. Bekomm ich sicher Prügel dafür (grinst) wenn ich das sage. Denn pflegende 274
Angehörige dürfen alles. Alles. Und das ist unwahrscheinlich. Solange sie ihren Angehörigen 275
nicht umbringen, ist alles gut. Das ist ein völlig absurder Zustand. Und es ist die Angst davor, 276
wegen der Haftungsfrage geklagt zu werden und Schwierigkeiten zu bekommen, weil man 277
irgendwas nicht richtig gemacht hat. Und das halte ich an und für sich für eine Abgrenzung 278
die mehr Schaden als Nutzen anrichtet. 279
I1: Gibt es sonst noch etwas das sie zur Thematik sagen, oder anfügen möchten (?) 280
B6: Also ich glaube eines ist ganz wichtig und da darf man nicht wegschauen, Es gibt mehr 281
dementielle Erkrankungen als früher. … Ich glaube nicht, dass es der Grund alleine ist, dass 282
jetzt die Leute alle plötzlich alle hundert werden, denn sie werden nicht alle hundert. Aber das 283
man heute aufgrund der Diagnostik viel genauer hinschaut. (,) Also das man das auf jeden 284
Fall mitbedenkt, denn das sind langwierige Erkrankungen. Da braucht es von allen Seiten ganz 285
viel Unterstützung. Auch für die Pflegekräfte. Das ist emens anstrengend. Und ich glaube auch 286
(,), dass man, eigentlich ist eine Pflegekraft müsste so quasi ein Wunderwuzi sein. Und das 287
kann mein eigentlich nicht verlangen. (lacht) Also sie muss von der Kinderpflege angefangen 288
bis hin zur Demenz alles können. Das (Pause) Ja ich würde es mir wünschen. (Pause) Ich 289
weiß nicht, manchmal denke ich mir … Ja, wenn man (,) klug und ökonomisch mit den Kräften 290
umgeht und sagt, ok, dann habe ich eben nur drei Menschen die ich permanent betreue, aber 291
das hat vielmehr Effekt, als wenn ich 25 betreuen muss. Weil dann sind wir bald einmal wieder 292
dort, dass es ein Problem gibt. Aber diese Rechnung das muss der Gesundheitsökonom 293
machen und sagen, das bringt in Wirklichkeit viel mehr. Und das bringt Volkswirtschaftlich 294
mehr. Das ist ja immer der Streitpunkt. Da sagt man immer das ist zu teuer, aber das stimmt 295
ja nicht. Letztendlich muss ich schauen, was bleibt am Ende über. Und dafür trete ich auch 296
immer ein. Also ich muss zwei Seiten anschauen. Ich muss auf der einen Seite schauen. Was 297
erspare ich mir wenn diese Form von Betreuung und Pflege so effizient ist, das ich eigentlich 298
Krankheit vermeide, oder verhindere, oder besser mache und wie kann ich Menschen einfach 299
dazu bringen, dass sie einfach auch ein Stück weit selbst Verantwortung übernehmen und 300
sagen, ok. Wenn ich jeden Tag Spearrips esse, zwanzig Zigaretten rauche und fünf Bier trinke, 301
dann darf ich mich nicht wundern, wenn mein Pankreas irgendwann mal sagt, danke und jetzt 302
reicht’s. Dann kann ich das nicht abwälzen. Und da bin ich schon sehr dafür, dass man so 303
Gesundheitsförderungsprogramme viel niederschwelliger Ansetzt. Es gibt ja die Gesunden 304
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Gemeinden. Da funktioniert das auch. Solange sie es gemeinsam machen. In dem Augenblick 305
wo das Programm weg ist, fallen sie wieder schnell herunter und es ist wieder schnell vorbei. 306
Also wie kann man es so machen, dass es ein permanenter Prozess ist … 307
I1: Eine Nachhaltigkeit hat… 308
B6: Natürlich. 309
I1: Dann danke vielmals fürs Gespräch. 310
B6: Gerne311