Delbaere BMJ 2010
gering
hoch
PhysiologischesSturzrisiko
gering hochWahrgenommenes Sturzrisiko
Risiken über-schätzend, ängstlich
Risiken unter-schätzend
rüstig, fit
Sturzrisikenwahrnehmend
Physiologisches und wahrgenommenes Sturzrisiko
(Allgemeinbevölkerung, > 65 Jahre)
Risiken unterschätzend
Sturzrisiken angemessen
wahrnehmend
Physiologisches und wahrgenommenes Sturzrisiko
(Patient/innen nach Hüftfraktur, > 65 Jahre)
Risiken überschätzend
Förderung einer flexiblen und kontextspezifischen Wahrnehmung
Stürze ↑ Vermeidung ↑
Posttraumatische Symptome nach sturzbedingter Fraktur
bei kognitiv nicht beeinträchtigten sturzängstlichen Patienten (N = 116)
▪ Belastende Erinnerungen an das Sturzereignis(28,7% gelegentlich, 20% häufig)
▪ Vermeidung von Aktivitäten, die Erinnerungen an das Sturzereignis auslösen(21,7% gelegentlich, 22,6% häufig)
▪ Situationen, die an das Sturzereignis erinnern lösen belastende körperliche Reaktionen aus(13,9 % gelegentlich, 4,3% häufig)
▪ Situationen, die an das Sturzereignis erinnern lösen belastende psychische Reaktionen aus (22,6% gelegentlich, 14,8% häufig)
Sturzangst Assessment (Aufnahme Reha)
Frage(bogen) Items Beispielitem
Falls Efficacy Scale –International (FES-I Short) (Kempen et al. 2008)
7 Welche Bedenken haben Sie zu stürzen, wenn Sie eine Treppe hinauf oder hinunter gehen.
Kurzform günstiger, problematisch bei erst teilmobilisierten Patient/innen
Perceived Ability to Manage Falls (PAMF)(Lawrence et al. 1998)
5 Wie überzeugt sind Sie, dass Sie einen Weg finden können, Ihr Sturzrisiko zu verringern?
Im Rahmen von sturzpräventiven/-edukativen Ansätzen
Einzelfragen Haben Sie in der Regel Angst davor hinzufallen?
Haben Sie irgendeine Aktivität vermieden, weil Sie Angst hatten zu stürzen?
Frage splitten, vor dem Sturz und aktuell.
Ergänzen mit Frage zu aktuell erlebten sturzkritischen Situationen
Fear of Falling Questionnaire Revised (FFQ-R) (Bower et al. 2015)
6 z.B. Falls ich stürze, werde ich mich wahrscheinlich auf irgendeine Art verletzen.
Deutschsprachige Version wird derzeit noch validiert. (Dautel et al. in Vorb.)
Fallbeispiele aus der Reha von Hüftfrakturpatienten
Patient soll sich nach dem Aufstehen aus dem Rollstuhl an der Lehne eines Stuhl festhalten.
Der Patient zeigt massive
Angstsymptome, versteift sich, zittert,
kann das Gleichgewicht nicht mehr halten.
Trotz gegebener Gehfähigkeit weigert sich Frau S. mit dem Rollator zum
Speisesaal zu gehen.
Sie äußert dahingehende Bedenken, dass sie plötzlich große Angst zu
stürzen bekommen könne und dann Gefahr liefe hinzufallen.
Sie benutze deshalb lieber den Rollstuhl, da die Krankenpfleger sich
weigern würden, sie auf die gewünschte Weise zu begleiten.
Interventionskomponenten I
Risikoverhalten
▪ Edukation(Wissen über Stürze und Sturzrisiko)
▪ Erfassung und Besprechung von Stürzen und sturzkritischen Situationen
▪ Verhaltensplanung und –anpassung(Berücksichtigung der motorischen, sensorischen und kognitiven Kapazität des Patienten)
▪ Vor Entlassung „Imagination eines Tages zuhause“ (Identifikation von Sturzrisiken und Sturzfallen)
▪ Wann soll Hilfe bzw. Begleitung angefragt werden (Hilfe ohne Ängste anfragen, auf Hilfe warten)
▪ Ggf. freiwillige, begleitete Erprobung eigener körperlicher Grenzen
Hill et al. Lancet 2015, Pfeiffer in Jamour, Betz, Becker (Hrsg.) Geriatrisch-Rehabilitatives Basis-Management. Kohlhammer 2017, Pfeiffer in Klöppel, Jessen (Hrsg.) Praxishandbuch Gerontopsychiatrie- u. –psychotherapie. Elsevier 2018
Interventionskomponenten II
Sturzangst und Aktivitätsvermeidung
▪ Psychoedukation(Sturzangst ist per se nicht problematisch, Zusammenhang von Kognition, Angst und Verhalten)
▪ Sturzangst und Aktivitätsvermeidung(Analyse von entsprechenden Situationen, Gedanken, Gefühle, Verhalten)
▪ Intervention(Kognitive Restrukturierung, graduelle Exposition (z.B. an der Treppe), ggf. Strategien zur Emotionsregulation wie akzeptanzfördernde Strategien oder Entspannungstraining)
▪ Ermutigung und Verstärkung
▪ Edukation zu Verhalten nach Sturz(Sich bemerkbar machen, Hausnotruf, Backward-Chaining)
Pfeiffer in Jamour, Betz, Becker (Hrsg.) Geriatrisch-Rehabilitatives Basis-Management. Kohlhammer 2017, Pfeiffer in Klöppel, Jessen (Hrsg.) Praxishandbuch Gerontopsychiatrie- u. –psychotherapie. Elsevier 2018
Interventionskomponenten III
Gezieltes motorisches (Selbst-)Training▪ Schwerpunkt Kraft und Balance
Förderung körperlicher (Alltags-)Aktivität▪ Setzen von für den Patienten bedeutsamen Aktivitätszielen
(inkl. Zwischenziele, Rückmeldung von Fortschritten)
Rahmenmodell
Personalitystructural & process components
Individual mobility and physical activty goals
Outcome expectations for excercise
Trainingadherence
Physicalactivity
Lower-bodyperformance
Fall risk(future falls)
Degree of exposure, environment
Depression and
anxiety
Post traumatic symptoms
Fear of falling
Falls efficacy
Fall relatedsymptoms
of fear
Lower-body performance ↓
Hip/pelvicfracture
after falling
Feartriggers
Contextual (in)sensitive & (in)flexibleappraisal processes
“Psychological flexibility”Emotionalresponses
Avoidanceresponding
Socialparticipation
Appraisal of fall risk
Interventionsmodule
Personalitystructural & process components
Individual mobility and physical activty goals
Outcome expectations for excercise
Trainingadherence
Physicalactivity
Lower-bodyperformance
Fall risk(future falls)
Degree of exposure, environment
Depression and
anxiety
Post traumatic symptoms
Fear of falling
Falls efficacy
Fall relatedsymptoms
of fear
Lower-body performance ↓
Hip/pelvicfracture
after falling
Feartriggers
Contextual (in)sensitive & (in)flexibleappraisal processes
“Psychological flexibility”Emotionalresponses
Avoidanceresponding
Socialparticipation
Appraisal of fall risk
Übungsprogramm(Kraft & Balance)
Bedeutsame Aktivitätsziele im Alltag
Sturzrisiko und -fallen
Entspannung
Emotionsregulation & Umgang mit Sturzangst
Planung/Implementierung von Training/Aktivitäten
Kampe et al. Clin Rehab 2017
Beispiel: Schritt für Schritt wieder mobil (RCT)
Intervention durch Physiotherapeuten & SportwissenschaftlerSupervision durch einen klinischen Psychologen
Studiendesign
T0-Assessment / Rehabeginn (N = 116)
Randomisation
Intervention (N = 57):
Standard Rehabilitation
Sturzangst-Intervention
Kontrolle (N = 58):
Standard Rehabilitation
T2-Assessment / 3 Monate (N = 96)
FortsetzungSturzangst-Intervention
T1-Assessment / Rahaende (N = 107)
Abbruch (N = 5)T0 nicht durchführbar (N = 3)Verlegung (N = 1) Sonstige (N = 1)
Verlegung (N = 5)Abbruch (N = 3)
Abbruch (N = 9)Entfernung wg. Umzug (N = 1)T2 nicht durchführbar (N = 1)Tod (N = 1)Sonstige (N = 1)
Einverständnis (N = 126)
Patientin 97 Jahre
„Ich habe jetzt einfach aus diesem Sturz
ein bestimmtes Angstgefühl bekommen,
das ich vorher nie hatte, wenn ich
gestürzt bin. Da bin ich eben gestürzt und
dann war der Fall erledigt. Aber das jetzt,
das ist jetzt nachhaltig. Ich bin jetzt in der
Beziehung ängstlicher geworden und
glaube auch, dass ich vorsichtiger…oder
ich bemühe mich, vorsichtiger zu sein,
jetzt.“
Sturzangst Assessment (Aufnahme Reha)
* = p < .05; ** = p< .01; *** = p<.001
Eckert et al. in preparation
Sturzangst Assessment (Aufnahme Reha)
* = p < .05; ** = p< .01; *** = p<.001
Eckert et al. in preparation
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
Aufnahme (T0) Entlassung (T1) 3 Mo Follo-up (T2)
Intervention
Kontrolle
Falls Efficacy Scale International (FES-I Short)(z.B. „Haben Sie Bedenken hinzufallen, wenn Sie sich an- oder ausziehen“ – 7 Items)
high
moderate
low
Sturzbezogene Selbstwirksamkeit
FES-I*Gruppe[p = 0,028]
11
11,5
12
12,5
13
13,5
14
Aufnahme (T0) Entlassung (T1) 3 Mo Follo-up (T2)
Intervention
Kontrolle
Perceived Ability to Manage Falls (PAMF)(z.B. „Wie überzeugt sind Sie, dass Sie es schaffen können, sicherer auf Ihren Beinen zu stehen?“ – 5 Items)
Sturzbezogene Selbstwirksamkeit
PAMF*Gruppe[p = 0,017]
11
16
21
26
31
36
41
46
Aufnahme (T0) Entlassung (T1) 3 Mo Follo-up (T2)
Intervention
Kontrolle
Gehzeit pro Tag [Min](activPal)
Aktivität
Gehzeit*Gruppe[n.s.]
6
6,5
7
7,5
8
8,5
9
9,5
10
Aufnahme (T0) Entlassung (T1) 3 Mo Follo-up (T2)
Intervention
Kontrolle
Gehgeschwindigkeit
Gehgeschwindigkeit*Gruppe[p = 0,32]
nicht durchführbar(I: 22,8%; K: 17,2%]
nicht durchführbar(I: 5,6%; K: 7,7%]
nicht durchführbar(I: 4,3%; K: 8,3%]
Zeit für 4 Meter Gehstrecke [s]
2
2,5
3
3,5
4
4,5
5
5,5
Aufnahme (T0) Entlassung (T1) 3 Mo Follo-up (T2)
Intervention
Kontrolle
Short Physical Performance Battery
SPPB*Gruppe[p = 0,016]
ANCOVAs (T0 measure covariate)
T1 (Ende Reha) Cohen‘s d
T2 (3 Monate nach Reha)Cohen‘s d
Falls Efficacy Scale International Short (-.12) (-.43)*
Perceived Ability to Manage Falls (.43)* (.42)*
Short Physical Performance Battery (.36)+ (.51)*
Walking time (24 h) [activePAL] (-.07) (-.07)
+ = p < .10; * = p < .05; ** = p< .01
Ergebnisse
Schritt für Schritt wieder mobil (RCT)
Personen mit ≥ 1 Sturz (N)
15,1%
p = 0,043
3,7%
25,0%
36,7%
n.s.
Intervention:
Knöchelfraktur (n = 1)
Rippenfraktur (n = 1)
Kontrolle:
Femurfraktur (n = 2)
Beckenfraktur (n = 1)
Wirbelfraktur (n = 1)
Während Rehabilitation Intervention Kontrolle
Intervention+354 Min (Intervention
Studie)
Routineversorgung+42 Min (Physio einzel)
+75 Min (Physio Gruppe)
Nach Rehabilitation
Intervention+104 Min (Hausbesuch)
+121 Min (3,9 Telefonate)
Stationäre Behandllungstage 194 309
Kurzzeitpflege (Tage) 95 119
+ = p < .10; * = p < .05; ** = p< .01
Interventionsdauer
Erstes Fazit & Ausblick
• Gute Adhärenz
• Positive Auswirkungen auf die sturzbezogeneSelbstwirksamkeit
• Signifikanten Effekt auf die Anzahl der Stürzer (Reha) und die Gesamtzahl der Stürze (Reha & Follow-up)
• Keinen Effekt auf die tägliche Gehzeit und Gehgeschwindigkeit(55% in der Kontrollgruppe bekommen ebenfallsPhysiotherapie)
Rückmeldungen Teilnehmer/innen
• „Sehr zu empfehlen ist die CD „Schritt für Schritt“ (Anm.: Entspannungs CD), die ich beinahe täglich höre.“
• „Ich habe nach einigen Wochen (Anm. nach 6 Wochen) mein Wunschziel erreicht, nämlich sicher am Stock zu laufen.“
• „Ich fand an diesem Therapieangebot die Anleitung zur Selbsthilfe gut.“
• „Durch die Besprechung und die Übungen wächst das Selbstbewusstsein.“
• „Wir besprachen auch die Angstsituationen – ohne bewertende Kritik, aber Güte und mit hilfreichen Vorschlägen. Erst nach diesem Besuch der Therapeutin erledigte ich diese Gänge alleine und relativ angstfrei.“
Welche Erfahrungen haben Sie selbst mit Sturzangst oder mit Patienten mit Sturzangst?
Welche Situationen/Aktivitäten sind bei Patienten häufig mit Sturzangst besetzt?
Mobilitätsziele: Der Lebenskompass
Kulturelle
Veranstaltungen
Gesundheit,
Fitness, Sport
Spiritualität
ReisenNatur
Einkaufen
Haushalt,
Garten
Freunde,
Bekannte
Familie,
Verwandte
Aktivitäten mit Partner
(falls vorhanden)
Verein
Sonstige Aktivitäten
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
WichtigkeitWichtigkeit
Entspannungstechniken
Angeleitete Entspannung im Rahmen der Interventionseinheiten während des Rehaaufenthalts (PMR oder Atementspannung)
Audio-Entspannung mit MP3-Player oder Walkman
CD oder Kassette für zu Hause
Techniken zur Kurzentspannung
Sturzbezogene Kognitionen
Identifikation schwieriger Situationen
In sensu exposition
In vivo Exposition
„Evaluation“
Strategien für schwierige Situationen
… über andere zu sprechen ist oft leichter!
Geschichten als Einstieg, über ein unangenehmes Thema zu sprechen
Botschaft: Du bist nicht alleine mit deiner Angst
Gemeinsam nach Lösungen suchen
Bezug zu „eigenen“ Geschichten kommt oft von ganz alleine
Storytelling
Planung von Training und Aktivitäten
Trainingsplanung
•Wann?
•Wo?
•Was brauche ich?
•Was motiviert mich?
•Was könnte mich vom Training
abhalten?
Stolperfallen/ Umgang mit Stürzen
Stolperfallen
Verhalten
Was tun nach einem Sturz
Aufstehen nach einem Sturz
Fallstudie
Frau Müller, 80 years old
Psychologin
Betreutes Wohnen
Sturz während des Aussteigens aus einem Bus
Pertrochantäre Femurfraktur, mit proximalen Femurnagelfixiert
Mobilitätsziele: Der Lebenskompass
Kulturelle
Veranstaltungen
Gesundheit,
Fitness, Sport
Spiritualität
ReisenNatur
Einkaufen
Haushalt,
Garten
Freunde,
Bekannte
Familie,
Verwandte
Aktivitäten mit Partner
(falls vorhanden)
Verein
Sonstige Aktivitäten
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
Wichtigkeit
WichtigkeitWichtigkeit
Vorlesungen Uni
Selbständig Einkaufen
Besuche Kinder mit Zug
Reise Südfrankreich
Theater/Austellungen
Kochen
Wirbelsäulengymnastik
9
6
8
9
5
7
Frau Müllers Ziele
Kinder mit Zug besuchen
Reise Südfrankreich
Vorlesungen an der Uni besuchen
10 Minuten 20 Stufen
Umgang mit Sturzangst: Treppensteigen
▪ Therapeut direkt daneben
▪ Therapeut ein paar Stufen dahinter
▪ Therapeut wartet auf Treppenabsatz
▪ Therapeut beobachtet durch Fenster
▪ ohne Therapeut
Evaluation
▪Wie habe ich mich gefühlt?
▪Wie wahrscheinlich war ein Sturz?
Zuhause
Anpassung des Trainingsprogramms aufgrund von Herzproblemen
Das Haus alleine verlassen
In Begeitung rausgehen; Arm eingehakt
In Begleitung rausgehen; Arm nicht eingehakt
Treppe steigen ohne Handlauf
Alleine zur Bank gehen
In Begleitung Bus fahren
Was habe ich gelernt?
Ziele konkretisieren (lassen)
Heimtraining und Aktivitäten frühzeitig planen
„Hands off“ bei Aktivitäten und Heimtraining
Verhaltensänderung benötigt Zeit
Es zählt, wie/was der Patient denkt und fühlt
Entspannung hilfreich
Rolle der Angehörigen
Supervision sehr hilfreich
Danke für Ihre Aufmerksamkeit
Team: K. Pfeiffer, M. Kohler, K. Kampe, D. Albrecht, C. Becker