5. Jahrgang – Ausgabe Juni 2019 Zugleich Mitgliederzeitschrift der Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V.
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Das Magazin für Führungskultur im Mittelstand
SCHWERPUNKTTHEMA
MODERN FÜHREN UND RICHTIG ENT-SCHEIDEN! Wie kann das funktionieren? Und mit welchen Risi-ken und Nebenwirkungen ist welche Vorgehens-weise verbunden?
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ERFOLG HAT DREI BUCHSTABEN:
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UNSERE MISSION
Erfolg durch herausragende Führungskultur
Die „Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V.“ fördert eine attraktive Führungskultur
in mittelständischen Unternehmen.
Eine Führungskultur in diesem Sinne basiert auf gemeinsamen Werten und stellt das Erreichen unternehmerischer Ziele sicher. Sie
ermöglicht den Mitarbeitern dabei gleichzeitig ihre persönlichen Potenziale zu nutzen und zu entwickeln. Eine attraktive Führungs-
kultur trägt auf diese Weise zum Unternehmenserfolg und zum Persönlichkeitswachstum aller bei. In Zeiten des demografischen
Wandels wird die Qualität der Unternehmensführung erfolgskritisch.
Werden auch Sie Mitglied in der „Manufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V.“ und profitieren Sie vom
Erfahrungsaustausch mit anderen Unternehmern und Entscheidern.
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Impressum
Herausgeber
Manufaktur für Führungskultur
im Mittelstand e.V.
Kreativpark Freiburg | Paul-Ehrlich-Str. 7 |
79106 Freiburg | Tel.: 07471/ 9841 353
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Vorstand
Michael Kohlhaas (Vorsitzender)
Michael Kirsch (Stellv. Vorsitzender),
Mirko Bahr, Sigrid Büttner, Volker Kleinert
Sitz der Vereins:
Kreativpark Freiburg | Paul-Ehrlich-Str. 7 |
79106 Freiburg
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Amtsgericht Stuttgart: VR 721653
USt-Ident-Nr.: DE300698961
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§ 5 TMG: Michael Kohlhaas, Göhrenstraße 2,
72414 Rangendingen
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rubicon – Das Magazin für Führungskultur im
Mittelstand ist die Mitgliederzeitschrift der Ma-
nufaktur für Führungskultur im Mittelstand e.V.
Der rubicon ist kostenlos und wird aus-
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teressierten Menschen zur Verfügung gestellt.
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Redaktion:
Michael Kohlhaas (mk)
E-Mail an die Redaktion:
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Modern führen und richtig entscheiden! Wie kann das funktionieren? Und mit welchen Risiken und Nebenwirkungen ist welche Vorgehensweise verbunden?
Die Chefinnen und Chefs von heute haben es nicht leicht: Früher war es ganz normal, dass die Lei-
tungsebene in jeglicher Sache den Kurs vorgibt und im Zweifelsfalle auch methodisch im Detail ent-
scheidet, wie eine Aufgabe zu erledigen ist. Und damit basta! Um das zu tun, hatten frühere Chefs
üblicherweise viel Erfahrung und das meiste Wissen in der Organisation. Mit derartiger Bevormun-
dung (wieso Bevormundung?) oder gar „Mikro-Management“ kämen die heutigen Mitarbeiterschaf-
ten zumeist gar nicht mehr klar. Moderne Mitarbeitende erwarten zwar eine starke Führung und wol-
len sich dennoch möglichst frei entfalten können.
Erschwerend kommt der Trend hinzu, sehr junge
Fach- und Führungskräfte in leitende Funktionen
zu setzen, ohne dass sie zuvor langjährige Erfah-
rung sammeln konnten. In manchen Konzern-
landschaften wird der Begriff des „High Potential“
sogar ausschließlich auf Menschen unter 35 Jah-
ren angewandt. Mit dem 36. Geburtstag geht die-
ser Status kurioserweise unwiederbringlich verlo-
ren.
Wie ist dieses Konglomerat sich widerstrebender
Anforderungen lösbar?
In einer zunehmend komplexer werdenden wirt-
schaftlichen, aber auch kulturellen und
gesellschaftspolitischen Umgebung (Stichwort
VUKA) und mit individuell weniger Einarbeitungs-
und Ausbildungszeit in der jeweiligen Funktion
sollen dennoch Führungs- und Entscheidungs-
prozesse in möglichst hoher Qualität gelingen.
Mit zunehmender Arbeitsteilung der Geschäfts-
prozesse und Expertise in den Fachabteilungen
ist es unklug, auf die Kompetenz der Mitarbei-
ter*innen zu verzichten und alle wesentlichen
Entscheidungen weiterhin ausschließlich top-
down zu treffen. Stattdessen scheint es sinnvoll,
den Einsatz neuer Werkzeuge und Methoden zu
prüfen.
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Eine faszinierende und radikale Möglichkeit –
die evolutionäre Führung
Wenn also die fachliche Expertise in wesentli-
chen Bereichen nicht mehr nur in der Chefetage,
sondern auch in der Mitarbeiterschaft liegt, ist es
dann nicht sinnvoll, eine moderne Organisations-
form einzunehmen, die dieser Veränderung
Rechnung trägt?
In den verschiedenen Ausprägungen der evoluti-
onären Führung wird die Verantwortung für Ent-
scheidungen in die Bereiche = Kreise abgege-
ben, die davon betroffen sind. Diese Kreise wäh-
len einen Sprecher und entscheiden autonom
über die Belange des eigenen Bereichs. Für
übergeordnete Entscheidungen werden entspre-
chende Gremien gebildet, in denen Entscheidun-
gen mehrerer Kreise gemeinsam nach einem vor-
gegebenem Regelwerk getroffen werden. Auch
wenn es bereits einige Beispiele von evolutionär
geführten Unternehmen gibt, so mag dieser Weg
nicht für jedes Unternehmen gangbar und die Me-
thode nicht für jeden Unternehmer das richtige
Werkzeug sein. Mit zunehmender Ent-Hierarchi-
sierung nimmt die Einflussmöglichkeit der Füh-
rung ab. Die Unternehmensführung ist bei die-
sem Vorgehen auf Gedeih und Verderb darauf
angewiesen, dass die jeweiligen Entscheidungs-
träger das Wohl der Unternehmung gleicherma-
ßen wie die persönlichen Interessen berücksich-
tigen.
Je nach Verantwortungsbewusstsein und Zu-
sammensetzung der Belegschaft sind hier in glei-
cher Ausgangslage sehr verschiedene Resultate
denkbar. Auch der adäquate Informationsrück-
lauf an die Leitungsebene kann problematisch
werden, wenn Mitarbeitende nicht in jeder Situa-
tion erkennen, dass mehrere kleine und schein-
bar unwichtige Änderungen im komplexen Um-
feld dennoch gravierende systemische Auswir-
kungen haben können.
Eine moderate Vorgehensweise – die struktu-
rierte Entscheidungsfindung
Als ein bewährtes Werkzeug zur gezielten Demo-
kratisierung von Entscheidungsprozessen in
klassisch-hierarchisch geführten Unternehmen
soll an dieser Stelle die strukturierte Entschei-
dungsfindung vorgestellt werden. Bei dieser Me-
thode werden Lösungsalternativen erarbeitet und
nachfolgend nach einem selbst definierten Prüf-
raster systematisch bewertet.
Dieses Vorgehen bietet erfahrungsgemäß ver-
schiedene Vorteile:
Das jeweilige Projektteam sollte so zusammen-
gestellt werden, dass sowohl die Kompetenzin-
haber als auch diejenigen, welche die Lösung
umsetzen und/ oder von den Konsequenzen der
Entscheidung betroffen sein werden, am gesam-
ten Prozess beteiligt sind. Die Leitungsebene
kann sich einbringen, muss dies aber nicht. Bei
dieser Methode ist es sinnvoll, den Prozess von
einem erfahrenen Moderator gestalten zu lassen,
was dem Projektteam insbesondere in Abwesen-
heit der Leitung einen gefühlten großen Gestal-
tungsspielraum gibt
Die Entscheidungsfreiheit des Teams führt dazu,
dass die Mitwirkung der Einzelnen als Wertschät-
zung der Führung empfunden wird: „Weil die
Chefs mir vertrauen, darf ich an dieser wichtigen
Entscheidung mitwirken.“ Zumeist arbeiten diese
Teams daher sehr konzentriert und liefern gern
eine fundierte Entscheidungsvorlage ab. Diese
Entscheidungsvorlage erlaubt es einem Ent-
scheidungsgremium, dem Vorschlag zu folgen,
oder aber ergänzende Kriterien oder Szenarien
hinzuzufügen, um so mit der Einbindung aller Be-
teiligten zur Entscheidung zu kommen. Wenn
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auch bei diesem Prozessschritt das Projektteam
eingebunden bleibt, dann gelingt es, die positive
Grundstimmung für die Entscheidung zu erhal-
ten, was für die Umsetzung des Projektes von
Bedeutung ist.
Die strukturierte Entscheidungsfindung läuft in
folgenden Phasen ab:
1) Zusammenstellung der Alternativen, die in Be-
tracht kommen
2) Definition von Muss-Kriterien
Welche essenziellen Minimalanforderungen
müssen erfüllt werden, damit eine Alternative
überhaupt in Frage kommt? Damit wird die
Zahl der Alternativen vorab reduziert.
3) Definition von Soll-Kriterien
Welche wünschenswerten Anforderungen soll
eine möglichst gute Lösung erfüllen?
4) Priorisierung der Soll-Kriterien
Zunächst sortiert das Entscheidungsgremium
alle Soll-Kriterien der Reihenfolge nach von
wichtig zu unwichtig. Diese Projektphase ist
potenziell konfliktreich und benötigt eine er-
fahrene Moderation. Doch genau in dieser
Phase lernen die Beteiligten das Projekt aus
verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und
zu verstehen.
5) Gewichtung der Soll-Kriterien
Um eine Gewichtung der Priorität in der Ent-
scheidungsfindung zu bekommen, kann man
von wichtig nach unwichtig einen Multiplikator
einsetzen, der zum Beispiel Kriterien mit je-
dem Kriterium von 10 = wichtig schrittweise
bis nach 1 = unwichtig heruntergezählt wird.
6) Das Entscheidungsgremium entscheidet.
Dies kann im Plenum in einer offenen Diskus-
sion gut gelingen, wenn eine Diskussion ziel-
führend und unter Beteiligung aller Stakehol-
der geführt wird und eine gute Gesprächs- und
Streitkultur im Unternehmen etabliert ist. Er-
scheint eine offene Abstimmung im Plenum
nicht sinnvoll, so kann jedes Mitglied allein
nach bestem Wissen entscheiden und eine
Konsolidierung durch Zusammenführen der
Einzeleinschätzungen durch den Moderator in
einer Tabellenkalkulation erfolgen. Für jede
Alternative und jedes Kriterium werden auf ei-
ner zuvor definierten Skala Punkte vergeben.
Diese Vorgehensweise kann man mit einer
nachfolgenden Präsentation kombinieren, bei
der die konsolidierten Ergebnisse vorgestellt
werden und die Kriterien, bei denen die Ent-
scheider des Entscheidungsgremium zu be-
sonders weit auseinanderliegenden Einschät-
zungen gekommen sind, nochmals bespro-
chen werden.
Die Entscheidung liegt in Form einer konkreten
Punktezahl vor. Die Summe der Einzelbewertun-
gen führt zu einem Gesamtergebnis für jede Al-
ternative. Der Abstand zwischen den Punktzah-
len der Alternativen macht zeigt, um wie viel die
eine Lösung besser ist als die andere. Der Preis
einer Lösung spielt erst jetzt beim Vergleich der
Punktezahlen eine Rolle: Der Abstand in Punkten
kann einen Hinweis geben, ob sich ein Mehrpreis
für ein Mehr an Leistung lohnt, oder ob für
enorme Kosten nur marginale Verbesserungen
zu bekommen sind.
Abbildung 1: Strukturierte Entscheidungsfindung
Ein weiterer Vorteil der Methode ist die gute Ein-
bindung der Leitungsebene selbst im Falle der
physischen Abwesenheit durch den strukturierten
und protokollierten Entscheidungsweg. Beson-
dere Bedeutung kommt der Moderation des Pro-
zesses zu. Wenn die Rahmenvorgaben der Ent-
scheidung von der Leitung vor der detaillierten
Entscheidungsfindung explizit benannt werden,
dann erhöht dies ganz beträchtlich die Wahr-
scheinlichkeit, auf Anhieb Erfolg zu haben. Je
nachdem wie heterogen und kontrovers die Dis-
kussion im Projektteam verläuft, kann die Ent-
scheidungsfindung zeitlich erhebliche Ressour-
cen benötigen. Doch dieser Aufwand ist gut in-
vestiert; denn je besser die Konflikte im geschütz-
ten Raum ausgetragen und adäquat adressiert o-
der gar gelöst werden, umso weniger
Konfliktpotenzial besteht nachfolgend bei der Re-
alisierung und Umsetzung. Die hohe Qualität der
Entscheidungsvorbereitung ist auch für die Kom-
munikation der Leitungsebene gegenüber weite-
ren Genehmigungsinstanzen, zum Beispiel ge-
genüber Gesellschaftern oder Banken, von gro-
ßem Vorteil. Einen profund analysierten und auf-
gearbeiteten Prozess kann man weder einfach
argumentativ torpedieren noch ignorieren.
Zusammenfassung
Die Kompetenz der Leitungsperson allein kann in
der heutigen Komplexität der Geschäftswelt nicht
mehr alle erforderlichen Bereiche in beliebigem
Detailgrad abdecken. Es wäre daher unklug, die
Kompetenzen der gesamten Belegschaft eines
Unternehmens nicht zu nutzen. Die Beantwor-
tung der Frage, ob signifikante Entscheidungen
unter Beteiligung aller verfügbaren Kompetenzen
getroffen werden sollen, ist jedoch nicht ausrei-
chend. Die strukturierte Entscheidungsfindung
geht noch einen Schritt darüber hinaus und be-
antwortet die nachfolgende Frage: Wie kann die
Entscheidung zum Wohl der Firma unter Berück-
sichtigung der verschiedenen Interessenlagen
getroffen werden?
■ Dr. Jan Arne Gewert
Dr. Jan-Arne Gewert
Gewert Consulting
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