Projekt T-EST: NEWSLETTER 4/2014
T-EST
Transfer von Werkzeugen zur unterstützten Beschäftigung für Menschen mit Behinderung
Projekt-Nr. 2012-1-AT1-LEO05-06976 Vereinbarung Nr. - LLP-LDV-TOI-12-AT-0011
NEWSLETTER 4/2014
Unser Projekt neigt sich dem Ende zu. Zwei
Monate vor Ablauf der Projektzeit können wir
schon stolz verkünden, dass alle Projektziele
erfolgreich erreicht wurden. In diesem letzten
Newsletter finden Sie die Endergebnisse des
Projekts.
Viel Spaß beim Lesen!
Die T-EST Partnerschaft
Abschlusskonferenz in Izmir
Die KonferenzteilnehmerInnen
Am 19. September 2014 fand die T-EST-
Abschlusskonferenz in Izmir, Türkei statt. 95
TeilnehmerInnen aus den Partner-
organisationen, von öffentlichen Ein-
richtungen, Arbeitsagenturen, Universitäten
und Forschungseinrichtungen sowie NRO aus
dem Behindertenbereich nahmen daran teil.
Hauptredner auf der Konferenz: Vasilka Sabeva
(Partnerorganisation Bulgarien), Zoltan Elekes
(Partnerorganisation Ungarn), Güldan Kalem
(Partnerorganisation Türkei), Kamile Canbay
(Gastrednerin Consultancy Istanbul, Projekt RACE)
Robert Elston (Gastredner EUSE, Großbritannien)
Christine Pilz (Koordinatororganisation Österreich)
Die Konferenz begann mit Grußworten von
Ahmet Önal, Gouverneur des Distrikts Konak
und Vertreter der türkischen Partner. Der
Hauptredner und Vizepräsident von EUSE
(European Union for Supported Employment),
Robert ELSTON, sprach über die europäische
Strategie in Bezug auf die Methode der
unterstützten Beschäftigung. Michaela Meier
und Christine Pilz, die
Projektkoordinatorinnen, präsentierten die
Aktivitäten und Leistungen des T-EST-
Projekts.
Projekt T-EST: NEWSLETTER 4/2014
Am Vormittag widmete sich die Konferenz der
Umsetzung der unterstützten Beschäftigung
in den Transferländern Bulgarien, Rumänien
und Türkei. Nach der Präsentation des
Umsetzungsprozesses in Rumänien sprachen
zwei ArbeitsassistentInnen über ihre
Erfahrungen und präsentierten drei
Fallbeispiele. Auch zwei Arbeits-
assistentInnen aus Bulgarien sprachen über
ihre Umsetzungsaktivitäten und präsentierten
zwei weitere Fallbeispiele. Die türkischen
Partner berichteten über die laufende
Umsetzung in der Türkei und präsentierten
vier aktuelle Fallbeispiele.
Am Nachmittag gab es zwei Schwerpunkte.
Zunächst stellten Sonia Staskowiak von
EASPD (Projekt Pass It On) und Kamile
Canbay von CRM Consulting (Projekt RACE)
Projekte vor, die sich ebenfalls mit dem
Thema der unterstützten Beschäftigung
befassten. Die zweite Hälfte des Nachmittags
stand im Zeichen einer Podiumsdiskussion.
Das Publikum zeigte sich dabei sehr
interessiert. Die VertreterInnen der Partner
und die RednerInnen beantworteten
zahlreiche Fragen und man diskutierte vor
allem die Umsetzung des Konzeptes der
unterstützten Beschäftigung.
Umsetzungsphase in der Türkei In der Türkei begann der Prozess der
unterstützten Beschäftigung unmittelbar nach
der Ausbildung der TrainerInnen im Juni. An
der Ausbildung nahmen sechs TrainerInnen
von Konak İŞKUR, der türkischen
Arbeitsagentur, teil. Sie arbeiten als Arbeits-
und KarriereberaterInnen und ihre Aufgabe
ist es, Menschen mit und ohne
Behinderungen dabei zu helfen, in den
Arbeitsmarkt einzusteigen. Unternehmen, die
MitarbeiterInnen suchen, melden sich bei
İŞKUR und veröffentlichen ihre
Stellenangebote über das İŞKUR-System.
Am Umsetzungsprozess nahmen insgesamt
19 Personen mit Behinderung (4 Frauen und
15 Männer) teil. Sie waren zwischen 16 und
53 Jahren alt. Die Behinderungen reichten
von Gehörbeeinträchtigungen und
allgemeinen körperlichen Behinderungen über
kognitive Beeinträchtigungen und innere
Krankheiten bis zu Herzproblemen usw.
Die TrainerInnen begannen ihre Interaktion
mit den KlientInnen mit Vier-Augen-
Gesprächen, in denen sie die Menschen mit
Behinderung über das Projekt T-EST und das
Konzept der unterstützten Beschäftigung
informierten. Die TrainerInnen luden sie auch
Gruppenbild mit T-EST-PartnerInnen, TrainerInnen und RednerInnen
Projekt T-EST: NEWSLETTER 4/2014
ein, an den gemeinsamen Vorstellungs-
gesprächen zwischen Arbeitgebern (die eine
oder mehrere offene Stellen für Menschen
mit Behinderung anboten) und mehreren
Menschen mit Behinderung als KandidatInnen
teilzunehmen. Die Unternehmensver-
treterInnen befragten die BewerberInnen und
in den meisten Fällen wurden einigen
BewerberInnen Arbeitsplätze angeboten. Die
İŞKUR-TrainerInnen beobachteten diese
gemeinsamen Interviews und unterstützten,
wenn nötig, die Arbeitssuchenden während
der Interviews.
Sechs KlientInnen haben nun bereits eine
bezahlte Beschäftigung. Ein Klient begann
eine Berufsausbildung mit garantierter
anschließender Beschäftigung. Der
Umsetzungsprozess der unterstützten
Beschäftigung in der Türkei wird noch bis
Ende Oktober dauern.
Fallbeispiel aus der Türkei
Hr. Y. A. (links) während des gemeinsamen Vorstellungsgesprächs mit einem Unternehmensvertreter
Hr. Y. A. ist 22 Jahre alt und Berufsober-
schulabbrecher mit Computerkenntnissen.
Durch Hörverlust auf dem rechten Ohr (er
benutzt ein Gerät) und seine Sehbehinderung
beträgt seine Invalidität 64 %. Früher war er
für eine Reinigungsfirma tätig, wo er bis zu
zwölf Stunden pro Tag arbeitete, ohne
Überstunden bezahlt zu bekommen. Als er
sich bei der türkischen Arbeitsagentur (Iskur)
in Konak meldete, traf Hr. Y. A. gleich am
ersten Tag den Arbeitsassistenten Ulaş Kaya
und erklärte sich zur Teilnahme am Projekt
der unterstützten Beschäftigung bereit. Zu
dieser Zeit arbeitete er als Abwäscher in der
Küche eines Tourismusbetriebes, hatte also
einen Saisonarbeitsplatz.
Der Arbeitsassistent Ulaş Kaya erzählte ihm
zunächst von einer offenen Stelle in einem
Frachtunternehmen. Yakup ging zum Vor-
stellungsgespräch, meinte aber, dass der Job
nicht gut sei für ihn. Am Tag danach lud ihn
der Assistent ein, mit ihm im Iskur-Büro
darüber zu sprechen, was nicht passte. Er
erklärte, dass es sich um eine sehr an-
spruchsvolle Aufgabe handelte und er
Überstunden machen müsse; auch war der
Arbeitsplatz zu weit entfernt. Der Assistent
lud ihn daraufhin ein, am gemeinsamen
Vorstellungsgespräch teilzunehmen. Das
Unternehmen ISS Global, einer der weltweit
größten externen Dienstleister, hatte sechs
offene Stellen für Menschen mit Behinderung.
Zwei Vertreter des Unternehmens waren
beim Vorstellungsgespräch anwesend. Sie
schilderten, um welche Stellen es sich
handelte. Hr. Y. A. nahm die Stelle als
Reinigungskraft an.
Bis jetzt arbeitet er in einer Privatklinik als
Reinigungskraft. In Zukunft hat er eventuell
die Möglichkeit, im Front-Office zu arbeiten
und dort seine Computerkenntnisse
einzusetzen.
Fallbeispiel aus Rumänien: Unterstützte Beschäftigung in Aktion Peter ist 24 Jahre alt, körperlich behindert
und nutzt einen Rollstuhl. Er absolvierte das
Gymnasium und versucht seitdem, Arbeit zu
finden. Da für ihn viele Arbeitsplätze nicht
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zugänglich waren, war er bereit, jede Arbeit
anzunehmen, die er leisten konnte. Er
besuchte sogar einen Nähkurs. Schließlich
fand er eine Stelle als Verpackungsarbeiter,
worauf er sehr stolz war.
Aufgrund finanzieller Probleme musste das
Unternehmen MitarbeiterInnen entlassen und
Peter wurde gekündigt. Er war sehr
enttäuscht. Auf der Suche nach Unter-
stützung lernte er Zsuzsi, eine Assistentin bei
der Organisation, die Peter eine Ausbildung
angeboten hatte, kennen. Mit Hilfe des
Unterstützungsnetzes, das sich während des
T-EST-Projekts gebildet hatte, konnte Zsuzsi
Rechtsberatung in Bezug auf die Kündigung
von Peters Arbeitsvertrag organisieren. So
gelang es, Peter die Invaliditätsrente zu
sichern, die er wohl ohne die passenden
Informationen nicht erhalten hätte.
Rumänische AssistentInnen auf der Konferenz in Izmir
Im Zuge der Umsetzung der unterstützten
Beschäftigung wurden Peters Potenziale und
Schwierigkeiten bewertet und ein der
Methode entsprechender Aktionsplan
entwickelt. Wie sich herausstellte, hatte die
negative Erfahrung Peter stärker getroffen als
erwartet, er verlor die Hoffnung und seine
Zuversicht, obwohl er sich noch immer
wünschte, zu arbeiten. Während der Aus-
bildung trafen sie sich einmal wöchentlich für
ein oder zwei Stunden. Gelegentlich wurden
auch seine Freunde und seine Familie dazu
eingeladen, ihn auf seinem Genesungsweg zu
unterstützen.
Anschließend wurden allmählich Arbeitgeber
involviert. Peter übte mögliche Szenarien der
Kontaktaufnahme mit Arbeitgebern und
probte Vorstellungsgespräche. In der Realität
war es für Peter jedoch sehr schwierig,
diesen Kontakt aufzunehmen, da er die
Absagen der Unternehmen als negatives
Feedback gegen seine Person interpretierte.
Zsuzsi war immer an seiner Seite; sie leitete
ihn an, bot ihm emotionale Unterstützung
und versuchte, zwischen ihrem Kunden und
Arbeitgebern zu vermitteln. Mit Hilfe seiner
Assistentin realisierte Peter schließlich, dass
die Hauptursache für die Absagen der
Arbeitgeber auf die fehlende Barrierefreiheit
und auf Adaptierungsprobleme
zurückzuführen waren und nicht auf seine
negative Ausstrahlung.
Heute ist Peter wieder ein glücklicher
Mensch. Er ist zuversichtlich, bald einen
neuen Job zu haben. Und er hält immer noch
Kontakt mit Zsuzsi.
Sowohl Zsuzsi als auch Peter schätzen die
Methode der unterstützten Beschäftigung als
eine gute Erfahrung. Sie betrachten sie als
die einzige Möglichkeit für Menschen mit
Behinderung, eine Anstellung zu erhalten. Sie
betonen auch die Bedeutung der
Sensibilisierung für das Potenzial von
Menschen mit Behinderung, nicht nur bei den
Arbeitgebern, sondern auch bei den
Menschen mit Behinderung selbst.
Fallbeispiel aus Bulgarien
Eleonora ist 37 Jahre alt und hat eine mäßige
Lernverzögerung. Derzeit lebt sie in einem
betreuten Wohnhaus für Frauen mit
psychischen Problemen in Sliven. Zwar kann
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Eleonora keinen formalen Bildungsabschluss
vorweisen, sie hat jedoch verschiedene
informelle Schulungen in Form von Mentoring
und Praktika mitgemacht. Außerdem hat sie
schon als Hygienikerin, als Verkäuferin und
als Assistentin gearbeitet.
Diana arbeitet seit 2008 als Sozialarbeiterin
im betreuten Wohnhaus. Im Zuge ihrer Arbeit
setzt Diana verschiedene innovative
Methoden ein, um ihre KundInnen aktiv zu
unterstützen. Daher war sie gleich bereit, als
Trainerin bei der T-EST-Umsetzung
mitzuwirken.
Nach der Einführung Anfang Februar 2014
begann Diana sofort den Coachingprozess mit
Eleonora. Sie einigten sich darauf, sich zwei-
bis dreimal pro Woche für je eine Stunde zu
treffen.
Zunächst galt es, Eleonoras Stärken
festzustellen. Eleonora kann gut kochen und
ist gut im Bereich der persönlichen Hygiene
und der Umwelthygiene. Sie ist ruhig und
freundlich. Darüber hinaus hat Eleonora laut
ihrer Assistentin ein gutes Zeit-Management
und schätzt Regeln und Anweisungen. Eine
Einschränkung ist, dass sie bei fremden
Menschen sehr schüchtern ist. Gemeinsam
erarbeiteten sie Eleonoras Erwartungen in
Bezug auf ihre gewünschte Arbeit.
Sie waren sich einig, dass der Aktionsplan
Folgendes beinhalten sollte: Unterstützung
bei der Stärkung ihrer Fähigkeiten und ihres
Selbstwertgefühls; Unterstützung bei der
Auswahl geeigneter Arbeitsplätze;
Vorbereitung auf Bewerbungen; Treffen
potenzieller Arbeitgeber.
Die Entwicklung eines positives Bildes und
der Fertigkeiten für Vorstellungsgespräche
sowie die Stressbewältigung am Arbeitsplatz
waren die intensivsten Teile des Coaching-
Prozesses.
In der letzten Prozessphase organisierte
Diana Treffen mit BeraterInnen von
Arbeitsagenturen in Sliven und mit
potenziellen ArbeitgeberInnen. Schließlich
erhält Eleonora eine Stelle als Verkäuferin im
Supermarkt in der Nähe des betreuten
Wohnhauses, in dem sie lebt. Im ersten
Monat besuchte Diana Eleonora bei der
Arbeit, um sie zu unterstützen und mit den
KollegInnen und der Geschäftsführerin zu
sprechen. Dank der Bemühungen der
Assistentin konnte Eleonora ihren Arbeitsplatz
behalten; sie hat jetzt einen
Teilzeitarbeitsvertrag.
Während der Abschlussveranstaltung sagte
Eleonora: "Dank des T-EST-Projektes habe
ich jetzt den Arbeitsplatz, den ich wollte, und
ich bin Diana sehr dankbar für ihr
Engagement. Ich glaube, dass solche
Projekte für viele Menschen wie mich hilfreich
sind."
Die nächsten Schritte Die Umsetzung des Konzeptes der unter-
stützten Beschäftigung ist in allen drei
Transferländern abgeschlossen. Bis zum Ende
des Projekts im Dezember 2014 wird die
Überarbeitung der nationalen Handbücher zur
unterstützten Beschäftigung beendet sein.
Die endgültigen Fassungen werden in
gedruckter Form veröffentlicht und stehen
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kostenlos auf Türkisch, Ungarisch, Rumänisch
und Bulgarisch zur Verfügung. Durch die gute
Zusammenarbeit mit EUSE (European Union
for Supported Employment) konnten die
bulgarische Version des ursprünglichen
Toolkits und die nationalen Handbücher in
das EUSE-Portal aufgenommen werden.
Insgesamt erreichten wir in allen drei
Transferländern eine ausgezeichnete
Nachhaltigkeit, da entweder nationale
Projekte entwickelt wurden oder weitere EU-
Projekte bereits begonnen haben.
Schließlich wollen wir als KoordinatorInnen
allen beteiligten Partnern für ihre überaus
motivierte Arbeit während der zweijährigen
Kooperation danken!
Michaela Meier/Christine Pilz,
Jugend am Werk Steiermark, AT
Weitere Informationen erhalten Sie bei: Michaela Meier Jugend am Werk Steiermark GmbH Mobil: +43 664 8000 6 5011 E-Mail: [email protected]
Webseite: www.t-est.eu
Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Diese Veröffentlichung gibt nur die Standpunkte der Autorinnen/Autoren wider; die Kommission ist nicht verantwortlich für die Verwendung von darin enthaltenen Informationen.
In Zusammenarbeit mit: Sozialministeriumservice Landesstelle Steiermark, Österreich Child's Heart Association Dobrich, Bulgarien COMUNE DI FIRENZE, Italien CONFCOOPERATIVE TOSCANA, Italien MGK CONSULTANCY, Türkei Ministerium für Familie und Sozialpolitik der Republik Türkei - Generaldirektion Dienstleistungen für ältere Menschen und Menschen mit Behinderung