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Tech-News Nr. 2012/06 Grundbau (Stand: 15.10.2012) Dipl.-Ing. Klaus Schäfer Prüfingenieur für Bautechnik VPI Wettbachstraße 18 71063 Sindelfingen
Grundlagen für Entwurf und Bemessung von Bauwerksgründungen Die vielfach immer noch übliche Vorgehensweise, dass der Tragwerksplaner als Grundlage für die Nachweise von Gründungsbauteilen eine zulässige Bodenpressung „annimmt“, entspricht nicht mehr den Regeln der Technik [300]. Abgesehen davon war es schon immer fragwürdig, die Verifizierung unbelegter Annahmen dem Bauleiter, dem Polier oder sonst wem zu überlassen. Nicht ganz selten führt diese Vorgehensweise entweder zu unwirtschaftlichen Gründungen, zu Schäden oder – wenn die Schwächen noch rechtzeitig erkannt werden – zu Umplanungen und Bauverzögerungen. Die juristische und versicherungsrechtliche Bewertung unbegründeter Annahmen von Baugrundeigenschaften durch den Tragwerksplaner oder den Entwurfsverfasser ist im Schadensfall sicherlich Gegenstand gesonderter Betrachtungen. Bautechnische Regeln
Aktuell gelten für Entwurf und Bemessung in der Geotechnik drei Regelwerke [1], [2], [3], die nur gemeinsam anzuwenden sind. DIN 1054:2010-12 [3] hat ihren Charakter gegenüber den Vorgängerversionen grundlegend geändert. Sie enthält nur noch ergänzende Regelungen zu [1] und [2]. Im „Handbuch Eurocode 7, Band 1“ [100], sind die drei Regelwerke in fortlaufendem Text anwenderfreundlich zusammengefügt. Geotechnische Grundlagen der Planung – Notwendigkeit eines Baugrundgutachtens
Die Anwendung der nach den aktuellen Regeln geforderten Sicherheitsnachweise setzt voraus, dass eine ausreichende Erkundung und Untersuchung des Baugrunds stattgefunden hat. Dabei ist es die Aufgabe des Entwurfsverfassers, den Bauherrn rechtzeitig auf die Notwendigkeit einer geotechnischen Untersuchung hinzuweisen.
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Die Mindestanforderungen an Umfang und Qualität der durchzuführenden geotechnischen Untersuchungen, Berechnungen und Überwachungsmaßnahmen richten sich nach der Geotechnischen Kategorie. Das bedeutet, dass das Bauwerk im Zuge der Grundlagenermittlung oder der Vorplanung in eine Geotechnische Kategorie einzustufen ist. [3] A 2.1.2 Geotechnische Kategorien [3] A 2.1.2.2 Geotechnische Kategorie GK 1: Die Geotechnische Kategorie GK 1 umfasst Baumaßnahmen mit
geringem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf Bauwerk und Baugrund.
[3] A 2.1.2.3 Geotechnische Kategorie GK 2: Die Geotechnische Kategorie GK 2 umfasst Baumaßnahmen mit
mittlerem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf Bauwerk und Baugrund.
Die Geotechnische Kategorie GK 2 setzt durchschnittliche
Grundwasserverhältnisse voraus.
[3] A 2.1.2.4 Geotechnische Kategorie GK 3: Die Geotechnische Kategorie GK 3 umfasst Baumaßnahmen mit
hohem Schwierigkeitsgrad im Hinblick auf Bauwerk und Baugrund.
Bauwerke der Geotechnischen Kategorie GK 3 erfordern über die
Vorgaben für GK 2 hinaus zusätzliche Untersuchungen sowie vertiefte
geotechnische Kenntnisse und Erfahrungen auf dem jeweiligen
Spezialgebiet.
Im (informativen) Anhang AA zu [3], Tabelle AA.1 sind „Merkmale und Beispiele zur Einstufung in die Geotechnischen Kategorien“ enthalten, die eine frühzeitige Einordnung des Bauwerks erlauben. Erforderlichenfalls muss die GK im Zuge der Planung oder der Baugrunduntersuchungen angepasst werden. [1] 2.1.2.2 Die Geotechnische Kategorie GK 1 sollte nur kleine und relativ
einfache Bauwerke umfassen, bei denen
- die grundsätzlichen Anforderungen auf Grund von Erfahrung und
qualitativen geotechnischen Untersuchungen erfüllbar sind;
- ein vernachlässigbares Risiko besteht.
Verfahren für Bauwerke der GK 1 sollten nur dort angewendet werden,
wo hinsichtlich Gefährdung durch Geländebruch oder Bewegungen im
Baugrund keine Bedenken bestehen, und bei Baugrundverhältnissen,
für die vergleichbare örtliche Erfahrungen für ein einfaches Verfahren
ausreichen.
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[3] A 2.1.2.2 Die Geotechnische Kategorie GK 1 setzt einfache und überschaubare
Baugrundverhältnisse voraus. Gegebenheiten, die diese Einstufung
rechtfertigen, liegen vor, wenn der Baugrund in waagrechtem oder
schwach geneigtem Gelände nach gesicherter örtlicher Erfahrung als
tragfähig und setzungsarm bekannt ist.
Die Einstufung in GK 1 setzt voraus, dass der Grundwasserspiegel
unterhalb der Baugruben- bzw. Gründungssohle liegt.
Gegebenheiten des Bauwerks, die eine Einstufung in GK 1
rechtfertigen,
liegen in der Regel vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- es handelt sich um setzungsunempfindliche, flach gegründete Bauwerke
mit Stützenlasten bis 250 kN und Streifenlasten bis 100 kN/m, wie
Einfamilienhäuser, eingeschossige Halle, Garagen;
- es handelt sich um Bauwerke, bei denen nach DIN EN 1998-5/NA im
Hinblick auf Erdbebenbelastung kein Nachweis der Standsicherheit
erforderlich ist.
Weitere einzuhaltende Kriterien sowie Beispiele für die Einstufung in
GK 1 sind in A 6.1.2 (Flächengründungen), A 9.1.3 (Stützbauwerke), A
11.1.2 (Gesamtstandsicherheit) und A 12.1.2 (Erddämme) angegeben.
[5] 6.2: In der Regel sind Ausschachtungen der GK 1, Gründungen neben
bestehenden Gebäuden der GK 2 und Unterfangungen in
Abhängigkeit vom Schwierigkeitsgrad der GK 2 oder der GK 3
zuzuordnen.
[4] A 2.2.2: Bei Baumaßnahmen der Geotechnischen Kategorien GK 2 oder GK 3
ist ein Sachverständiger für Geotechnik einzuschalten. Seine Mitarbeit
ist bereits zum Zeitpunkt der Grundlagenermittlung oder der
Vorplanung erforderlich.
[4] A 7.1: Für Baugrunduntersuchungen einschließlich der
Grundwasseruntersuchungen ist bei allen Geotechnischen Kategorien
ein schriftlicher Geotechnischer Bericht zu erstellen.
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Bei den Geotechnischen Kategorien GK 2 und GK 3 enthält der
Geotechnische Bericht über den Inhalt des Geotechnischen
Untersuchungsberichtes nach DIN EN 1997-2:2010-10 hinaus die
Bewertung der Ergebnisse des Untersuchungsberichtes,
Gründungsempfehlung sowie die Folgerungen für das Bauwerk und
die Ausführung. Die charakteristischen Werte der
Baugrundkenngrößen und Grundwasserstände sind in Abhängigkeit
vom Bauwerk anzugeben. Der Geotechnische Bericht ist Teil des
Geotechnischen Entwurfsberichtes nach DIN EN 1997-1, siehe Bild A
7.1
Bei der Geotechnischen Kategorie GK 1 darf sich der Inhalt des
Geotechnischen Berichts auf den Nachweis, dass die Geotechnische
Kategorie GK 1 vorliegt, beschränken, d. h., dass die in DIN
1054:2010-12
A 2.1.2.2 aufgeführten Bedingungen eingehalten sind.
[1] 2.8 Geotechnischer Entwurfsbericht
Die Voraussetzungen, Vorgaben, Rechenverfahren und die Ergebnisse
der Nachweise der Sicherheit und Gebrauchsfähigkeit müssen im
Geotechnischen Entwurfsbericht dokumentiert werden.
Der Geotechnische Entwurfsbericht sollte auf den Geotechnischen
Untersuchungsbericht und andere, mehr ins einzelne gehende
Unterlagen Bezug nehmen und in der Regel folgende Punkte
enthalten:
- eine Beschreibung des Baugrundstücks und seiner Umgebung - eine Beschreibung der Baugrundverhältnisse - Bemessungswerte für die Boden- und Felseigenschaften - Geotechnische Berechnungen und Zeichnungen - Empfehlung zur Gründung - Einen Hinweis auf Dinge, die während der Bauausführung zu
kontrollieren sind
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[3] A (3a) Im Geotechnischen Entwurfsbericht ist auf den Geotechnischen
Bericht nach DIN 4020:2010-12, A7.1 und Bild A7.1 Bezug zu nehmen.
[1] 3.4 Geotechnischer Untersuchungsbericht
[1] 3.4.1 Die Ergebnisse der Baugrunderkundung müssen in einem
Geotechnischen Untersuchungsbericht zusammengefasst werden, der
Teil des in 2.8 beschriebenen Geotechnischen Entwurfsberichtes sein
soll.
[3] 3.4.1 A (1a) Bei Bauvorhaben der Geotechnischen Kategorie GK 1 bedarf es
keines Geotechnischen Untersuchungsberichts. Jedoch muss in einem
Geotechnischen Bericht nach DIN 4020 schriftlich niedergelegt
werden, dass die in A 2.1.2.2 aufgeführten Bedingungen eingehalten
sind.
[3] 3.4.1 A (1b) Der Geotechnische Untersuchungsbericht muss im Geotechnischen
Bericht nach DIN 4020 enthalten sein.
Fazit:
Alle Bauvorhaben sind im Zuge der Grundlagenermittlung oder der Vorplanung in eine Geotechnische Kategorie einzustufen. Bei Bauwerken der GK 2 und GK 3 ist zwingend ein Baugrundgutachter hinzuzuziehen. Für alle Bauvorhaben ist ein Geotechnischer Bericht zu erstellen. Für die Einstufung in GK 1 sind in den Regelwerken abgrenzende Voraussetzungen definiert. In diesem Fall darf sich der Geotechnische Bericht auf den Nachweis beschränken, dass diese Voraussetzungen eingehalten sind. Die Einschaltung eines Baugrundsachverständigen und besondere Baugrunduntersuchungen sind dann nicht vorgeschrieben. Bauvorhaben, bei denen Unterfangungen von Nachbargebäuden erforderlich sind, sind im Allgemeinen mindestens der GK 2 zuzuordnen. Sofern sich im Zuge der Planung oder nach Beginn der Gründungsarbeiten zeigen sollte, dass die Voraussetzungen für die ursprüngliche Einstufung nicht mehr gegeben sind, ist das Bauwerk in die entsprechend höhere Geotechnische Kategorie einzustufen und entsprechend zu verfahren.
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Baubestimmungen:
[1] DIN EN 1997-1:2009-09 Eurocode 7: Entwurf, Berechnung und Bemessung in
der Geotechnik – Teil 1: Allgemeine Regeln [2] DIN EN 1997-1/NA:2010-12 Nationaler Anhang [3] DIN 1054:2010-12 Ergänzende Regeln zu DIN EN 1997-1 [4] DIN 4020:2010-12 Geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke – Ergänzende Regelungen zu DIN EN 1997-2 [5] DIN 4123:2011-05 Ausschachtungen, Gründung und Unterfangungen im
Bereich bestehender Gebäude Ergänzende Veröffentlichungen:
[100] Handbuch Eurocode 7: Geotechnische Bemessung Band 1: Allgemeine Regeln Beuth-Verlag [101] Kommentar zum Handbuch Eurocode 7 – Geotechnische Bemessung Allgemeine Regeln Beuth-Verlag [102] Handbuch Eurocode 7: Geotechnische Bemessung Band 2: Erkundung und Untersuchung Beuth-Verlag Literatur:
[200] Ziegler, M.: Geotechnische Nachweise nach EC7 und DIN 1054; 3. Auflage (2012) Verlag Ernst & Sohn [201] Schmidt, H.-H.: Grundlagen der Geotechnik; 3. Auflage (2006) Teubner-Verlag Veröffentlichungen:
[300] Harder, H.: Annahmen reichen nicht mehr aus
Deutsche Ingenieurblatt 10/10 [301] Schmidt, H.-H.: Der Baugrund wird zu oft links liegen gelassen
Deutsches Ingenieurblatt 07-08/08 [302] Steiner, J.: Problemfälle – Unterfangungen nach DIN 4123 und das Dickicht der
neuen geotechnischen Normen Bautechnik 9/2012