Transcript
Page 1: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

Uber das Silberfluorid und Silbersubfluorid. Von

LOTHAR WOHLER.

Nach einer kiirzlich erschienen Abhandlung gleicher Uberschrift konnten VANINO und PAULA SACRS weder durch Elektrolyse noch auf rein chemischem Weqe aus Silberfluorid und Silber nach GUNTZ Silbersubfluorid erhalten. Sie fanden vielmehr , daB in der hierbei erhaltenen charakteristischen lichtgriinen bronzemetallischen Sub- stanz - nicht messinggelb, wie man irrtumlich angegeben findet - das atomistische Verhaltnis von unloslichem Silber , welches beim Losen in Wasser zuriickbleibt, zu dem in Losung befindlichen Silber des Silberfluorids nicht einer Verbindung der Formel Ag,F ent- sprechend 1 : 1 ist, sondern wechselnd ist wie auch das Gesamtsilber, und beispielsweise 1 : 1.41 oder 1 : 1.5 betragt. Die weitere Tat- sacbe. daB das Produkt nur von viel Wasser gelost, von wenig Wasser aber unverandert gelassen wird - darauf schwimmt -, daA Silberfiuorid aber , Ag F, in Losung hydrolytisch gespalten ist, und Silberoxyd iiur in viel Wasser sich etwas lost und mit CO, aus der Losung als Karbonat ausfallt, wie das auch eine Losung des sogen. Suhfluorids tut, 1aBt die genannten Forscher annehmen, daW dieses S u b f l u o r i d n u r e i n G e m i s c h von b r o n z e g r i i n f a r b e n d e m S i l b e r o x y d m i t S i l b e r u n d S i l b e r f l u o r i d i s t ; sie meinen damit wohl, weil die Substanz doch zweifellos homogen ist, eine Adsorptions- verbindung dieser drei Bestandteile. Sie sehen eine Bestatigung dieser Annahme iu der Beobachtung, daB auch durch Eindampfen von AgF in einem Platintiegel sich die fragliche Substanz bildet, wobei das notwendige metallische Silber nach einer freilich schwer verstiindlichen Annahme infolge Bildung eines Primiirelements ent- stehen soll. IGs ist iibrigens nicht richtig, daB beim Eindampfen

Zeitschr. wnalyt. Chew. 50 (1911), 623; die Veroffentlichung der im folgenden beschriebenen Versuche hat sich verxogert, ein Ref. nach eiuern Vor- trage s. Zeitsch?. angeu?. C'hem. 21 (1912), 1073. Soeben hat auch M. GUATZ, Bd/. soe. rhirrb. [4] 11, 646 die Aogaberi von VANINO und SAWS kurz und ohrie nene Versuche zuruckgewiesen.

1 G *

Page 2: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

von reinem B g F in Platin hierbei die griine metallische Substanz ent- steht, wenn man im Dunkeln arbeitet. Im Tageslicht bilden sicli :illerdings infolge Zersetzung y o n AgF durch Licht, wenn auch kauni zu heobaclitende Spuren der schilleriiden Flitter, und auch eiii J h c i i sclies Praparat , das offenbar noch frisch war, verhielt sic11 ii idit anders, wahrend ein silberlialtiges Fluorid natiirlich irn Platin- tiegel die griine Substanz erzeugt. Das Schwimmen der griinen Substanz auf Wasser ist auch riicht stjiner Utiangreifbarkeit zuzu- schreiben, sondern nur die bekaiinte Erscheinung einer Oberflachen- spannung, wie sie stark z. €3. bekanritlich Arsenikpulver zeigt; denn beim Umruhren tritt sofort Zersetzung d e r Suhstanz ein.

Die weitergehende Anndirne yon VANINO unil SACHS, dafi auch die Existenz der iibrigen Subhalogenide nicht mit Sicherheit fest- gestcllt ware, ist unrichtig. Zwar habe ich selbstl die Ansicht T-Pr- treten und durch Versuche an Aziden gestutzt, daB die sog. Photo- haloide nicht chemische Subverbindungen, sondern Adsorptionsver- bindungen von Metal1 und Haloid sind, aher zweifellos auch dar- getan, daM Calciumsubchlorid, -subfluorid, -subjodid chemische Verbindungen stiichiometrischer Zusammensetzung sjnd. bYas das Silhersubfluorid betrifft, so erhalt man es nach der im folgendeii beschriebenen Darstellung als prachtvoll groae, schon mit der Lupe als Oktaeder erkennbare Kristalle. Danach ist es zwar nicht gerade wahrscheinlich , daB es eine Adsorptiorisverbindung darstellt, doch :Lber ztuch nicht ausgeschlossen, wie ich fruher in einer ausfiihr- lichen Experirnentalarbeit gemeirisam mit RODEWALD auseinander- setzte !, die gerade aus dieser letzten Erwagung heraus ausgefiihrt wurde, und VANINQ und SACHS offenbar entgangen ist. Yie zeigte, daB d;ts voii GUNTX gefundene atomistische Verhaltnis von unlos- licliem Silber zu loslicliem bei der Zersetzung des SubfluoriJs durch Wasser, 1 : 1.06, nicht zufallig dem berechneten nahe kommt,. sondern (la6 urisere Werte mit 1 : 1.03 bzw. 1.04 seinen Befund bestiitigten zugunsten der Anriahilie einer chemischen Verbindung.

Die Versuche hatten aber die groBe Schwierigkeit der Rein- tlarstellung des durch Wasserdampf ungemein leicht zersetzlichen schoiien Korpers dargetan, der ganzlichen Refreiung desaelben von tier Mutterlauge, wennschon das von VANINO urid SACHS gefundene Verhaltnis von 1 : 1.5 und 1 : 1.4 nie von uns erhalten wurde, ganz

Page 3: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

I h r c l a y Sdber/luorid w i d S'ilb~rsztbf1uoi.id. 2 1 1

ungewohnlich und seltsam ersuheint, um so niehr, als in der E'olge K. E i s e n r e i c h l nach unserer Arbeitsweise ohne Schwierigkeit unser Resultat bestatigen konnte. Dazu lrommt noch, daB von keiner Seite bisher das Fluor im Subfluorid bestimmt war, dessen dem Sauerstoff ahnliches Atomgewicht bei Bestimmungen des Uesamt- silbers einen Gehalt von Ag,O im Ag,P kaum erkennen 1HBt.

Es wurde daher nunmehr nicht nur das Qesamtsilber von neuem in vier verschiedenen Sutstanzen von mir bestimmt und durchaus iibereinstimlnend gefunden niit dem berechneten, es wurde auch gezeigt, daB in dem wasserunloslichen Teil des Silbers keine Spur Sauerstoff ist, und so direkt bewiesen, dab das Subfiuorid ent- gegen der Annahme von VANINO und SACHS gar kein Oxyd enthalt. SchlieBlich wurde das Fluor der vier Substanzen direkt bestimmt und innerhalb der zulassigen Fehler iibereinstimmend mit dem be- rechneten gefunden, s o daB n u n e in Zwei fe l n i c h t n u r a n d e r H o m o g e n i t ii t d e r b r o nz e g r iin e n s c h o n en K r i s t a l l e , s on d e r t i

auch a n i h r e n E i g e n s c h a f t e n e i n e r c h e m i s c h e n V e r b i n d u n g Ag,F n i c h t m e h r z u l a s s i g ist. Dabei ist es belanglos, daB auch bei diesen neuen Bestimmungen das Verhaltnis des unloslichen Silber- anteils zum wasserloslichen nicht streng = 1 gefunden wurde, sondern = 1.015-1.03, so daB die Menge des urilijslichen Silbers stets um 0.3-0.50/, zu grol3 ist. Dieser Uberschul3 besteht aber nicht etwa ur- spriinglichem aus Silbermetall, das nicht urngewandelt ware; vielmehr ist dessen Umwandlung quantitativ bei geniigend feiner Verteilung, z. B. durcli Beduktiori von Silbernitrat mit Formaldehyd, wie die genauen Be- stimmungen deb Gesamtsilbers einwandfrei beweisen, die nie zu hoch gefunden wurden. Da ferner Silberoxyd im wasserunloslichen Ruck- stande, wie erwiihnt, nicht vorhanden ist, so kaiin die kleine A t - weichung von der Theorie nur durch eine geringe Menge von unzer- setztem, aeil vom entstehenden metallischen Silber bei der plotzlicheri Umsetzung mit Wasser eingeschlossenen Ag,f? bedingt sein. Damit stimmt iiberein, daB die Fluormenge in der Losung jeweils um 0.3--0.4°/o zu gering gefunden wurde, was Clem UberschuB an Silber auch entspriclit. wenn man dazu noch berucksichtigt, daB die an- gewandte sonst sehr gute und bequeme Methode der Fluorbestim- mung als CaF, an sich schon stets um 0.1-0.2°/0, j e nach der angewandten Menge, zu niedrige Werte gibt.l Diese Differenz kann

Page 4: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

242 L. Wtihlor.

bei der guten obereinstimmung aller snalytischen Werte natiirlich keinen EinfluB auf den oben gezogeneri SchluB haben, daB Ag,F eine chemische Verbindung ist, die man ihrer Hildung entsprechend, wie KJ3 zweckmaBig als Komplex auffaBt von AgF und dem Neutral- teil Ag, wobei das Silber des Fluorids eine Koordinations- oder Kontravalenz betatigt Ag-AgF. Dementsprechend sind dann auch das Calcinmsubfluorid und die analogen Subhaloide als Komplex- salze aufzufassen und als Ca-CaF,, Ca-CaJ,, Ca-CaCl, zu schreiben.

Sehr vereinfachen lie6 sich die Reinigung des Ag,F, die bisher durch Abpressen mit FlieBpapier geschah und, wie die Versuche von VANINO und SACHS zeigen, grobe Fehler durch Zersetzung an feuchter Luft mit sich bringen, durch die neue Beobachtung, daB sich E’luorsilber in Alkohol reichlich lost, so da8 das Auswaschen der Mutterlauge damit sehr einfach sich gestaltet. In 1.9g klarer gesattigter Losung wurde 0.4 g, das sind 21°/,, AgF als gelber Riickstand gefuuden. Ag,F wird von absolutem Alkohol kaum an- gegriffen, da auch trotz Anwendung groBerer Mengen zum Wascheri der Gesamtsilbergehalt nie zii hoch gefunden wurde. Auch in absolutem Ather ist’s unloslich, so dab es damit von Alkohol zu befreien ist. Trocken ist es unempfindlich gegen Licht, wahrend AgF lichtempfindlich ist.

Nebenbei sei noch die Angabe von VANINO und SACHS erganzt, monach es ihnen nie gelungen ist, S i lbe r f luo r id -Kr i s t a l l e d e r F o r m e l AgE’.2H20 zu erhalten. Diese Substanz ist namlich leicht in wundervoll groBen farblosen und glasglanzenden Kristallen zu erhalten, wenn man nnter Vermeidung von SaureuberschuB, die Losung im Dunkeln ohne Vakunm eindampft bis gelbes AgP sich abzu- scheiden beginnt, und auch im Dunkeln kristallisieren 1aBt nach dem Einimpfen eines Kristallchens, das man durch schroffes Ab- kuhlen leicht gewinnt.

Experimenteller Tei1.l 5 g AgNO, mit NH, in geringem UberschuB in 250 ccm Losung

wurden mit 2-3 ccm Formalin unter Umriihren durch Stehenlassen bei Zimmertemperatur reduziert , das Metal1 mehrfach dekantiert, kalt gewaschen und zwischen FlieBpapier abgepreBt.

17 g &NO, (= 10.7 g Ag) in 100 ccm Losung wurden mit

I Die etwas grii5ere Ausfiihrlichkeit ist gewiihlt mit Riicksicht auf die entgegenstehenden Augaben von VANINO und SAWS.

Page 5: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

Cber dus Stlbe$uvrid und Silbersubfluorid. 243

Sodalosung k a l t gefallt, um Bildung schwerer liislichen Oxyds zu vermeiden , ausgewaschen, und der Ruckstand mit reiner FluBsiiiire in Platin gelost, auf dem Wasserbade die Losung konzentriert und filtriert. Trichter, Schalen, Ruhrstabe und Aufbewahrungsfiaschen waren von Platin.

Das abgepreBte Silber - ca. 3 g - wurde mit der 4 g Ag entsprechenden Menge AgF-Losung auf schwach siedendem Wasser- bade unter Riihren eingedampft , bis sich den bronzegriinen Ag,F- Kristallchen gelbbraune Krusten von AgF zuzugesellen gerade eben begannen. Im engen Filtrierrohrchen, oben 7 mm, Ansatz 3 mm dm, mit engmaschigem Platindrahtnetz als Filtermaterial, wird abfiltriert, dabei das Rohrchen oben mit einem CaC1,-RohrabschluB geschiitzt, und 4-5 ma1 mit je 1-2 ccm absolutem Alkohol (frisch uber Ca destilliert und uber CuSO, aufbewahrt) gedeckt , dann abgesaugt, rnit absolutem trockenem Ather mehrfach nachgedeckt und auch dieser abgesaugt. Unter Verwerfiing der dunnen Oberflachenschicht wird dann der Rest auf Filterpapier im Vakuum iiber H,SO, zwei Stunden getrocknet und im zugeschmolzenen Glasrohr verwahrt. Selbst am Licht ist das reine trockene Subfluorid monatelang un- verandert haltbar.

Zur Awalyse w i d die Substanz mit 5-10 ccm Wasser kalt unter Umriihren ubergossen, das abgeschiedene Ag filtriert, heiB gewaschen und vergluht. Das in Losung befindliche Ag wird nach Zusatz von 10 ccm Sodalosung 1 : 10 durch 10-12 Tropfen Hydrazin- hydrat unter Ruhren kalt abgeschieden, filtriert, heiB gewaschen, in HNO, wieder gelijst und mit HCl gefallt. Das Gesamtsilber wird nach dem Eindampfen mit HNO, und liallung mit HC1 im Qooch- tiegel gewogen. Zur E’luorbestimmung wird im sodahaltigen Filtrat in der Platinschale durch 20 ccm CaC1,-Losung 1 : 4 das CaF‘, zu- gleich rnit CaCO, in der Siedehitze gefallt, nach 1-2 Stunden fil- triert, gewaschen, in der Platinschale 15-25 Minuten gegliiht, in 50 ccm ’/,-norm. Essigsaure kalt gelost, auf dem Wasserbad die Losung zur Trockne gedampft, der Ruckstand mi t heiBem Wasser wieder gelost, dann filtriert, und CaF, im Platintiegel schwach gegluht.

Das A n a l y s e n r e s u l t a t entstammt vier verschiedenen Praparaten: Ber. fur Bg,F: Gesamt-Ag 91.89; F S.llo/o;

Gefunden I: 91.76; 7 . 7 ; 8.0; TI : 91.74; 7.6; 7.7;

111 : 91.67; 7.S; 7.7; IT : 91.88; 7.8;

Page 6: Über das Silberfluorid und Silbersubfluorid

244 T i Wvhter. Uber das SilDer,thrid und Xilbersub$uorid.

Ber. in H,O unl. Ag 45.95; in H,O losl. Ag 45.95’/, Gefunden 1: 46.5; 46.7; 45.1 ;

11: 46.7; 46,s; 45.00; 44.88; 111: 46.59; 1V: 46.33; 45.72.

Zur Restimmung eines event. Oxydgehaltes im wasserunlijslichen Ag wurde nach der Zersetzung von AglF durch kaltes Wasser der gewaschene unlosliche Teil feucht im Porzellanschiff im luftfreien C0,-Strom allmiihhch erliitzt bis zur Rotglut. Angewandt 0.4898 g Ag. Im vorgelegten ScHrmsclien Apparat sammelte sich iiber der Kali- lauge weniger a19 ccm Gas.

I< ri s t a l l was s e r h a1 t i g e s .ZgF.H,O wurde aus Silberkarbonat und etwas weniger als der berechneten Merige HF auf dem Wasserbade im Durikeln eingedampft, mit einem Kristsll geimpft und zur Kristal- lisation im Dunkeln belassen. Die grogen zwischen FlieBpapier abgeprefiteri Kristalle wurden ~ u r H,O-Bestimmung mit kleiner Flamme bis eben zum Schmeizeii erhitzt und nach dem Erkalten gewogen. Zur Ag-Bestimmuilg wurde eine andere Menge mit H,SO, zuerst im Luftbad, dann auf freier Fiamme his zur Rotglut erhitzt, Ag,SO, gewogen.

Ber. fur AgF.2H20: 22.1°/, H,O; 66.2O/, Ag. Angew. etwa je 0.3 g. Gefunden: 22.5O/, H,O; 65,8O/, Sg.

Uas wasserhaltige A g F und, wie daiiii auch zu erwarten, das reine Ag,F reagieren neutral gegen Lackmus, lassen aber infolge geringer Hydrolyse beim Einleiten von CO, etwas lichtgelbes Karhonat fallen. offenbar nur bis zum faBbaren Gleichgewicht mit der entstehenden FluBsiiure, auch ohne daB dies also durch Anwesenheit von Silber- oxyd in den Ausgangssubstanzen bedingt ware.

Herr Dr. TRAUMA” hat mit Sorgfalt und Zuverlassigkeit die Versuche mit mir ausgefiihrt, wofiir ihm bestens gedankt sei.

h r tn dad( , cheru. Inst. der Tech . LlochschuEe.

Bei der Redaktion eingegangen am 27. September 1912.


Recommended