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Uetber den Cyanschwund in gesuckerten Bitter- mimdelwasser - Zubereitungen.

Von E. R u p p und A. H o l z l e .

(Eingegangen den 24. VII. 1916.)

I m ,,Archiv der Pharmazie"l) berichteten wir iiber die experi- mentelle Klarung der unter intensiver Ammoniakentwickelung ver- laufenden Einwirkung von Kaliumcyanid und Baryumcyanid auf Dextroselosung.

Es konnte gezeigt werden, da13 der Vorgang gleich der Ein- wirkung von freier Blausaure auf Dextrose nach K i l i a n i und E. F i s c h e r durch eine Nitrilierung der Aldose eingeleitet wird. Hier angelangt, kommt die Reaktion jedoch nicht zum Stillstand, sondern schreitet infolge Hydrolyse und Alkaliwirkung uber das Ammonsalz bis zum Kalium- bzw. Baryumsalz der Glykohepton- saure weiter. Durch Zerlegung des Baryumsalzes mit verdiinnter Schwefelsaure gelangt man 80 auf iiberaus einfachem Wege zur a-Glykoheptonsaure bzw. deren Anhydrid.

I n gleicher Weiae wurden andere Zuckerarten der Einwirkung von Alkali- und Erdalkalicyanid unterworfen. Es ergab sich, daB alle reduzierenden Zucker ihnlich der Dextrose reagieren. Hieriiber wird spater berichtet werden.

Praktisch-pharmazeutisch interessierend erschien uns in dieseni Zusammenhange das Verhalten von Bittermandelwasser in gesuSten Arzneimischuagen. Erleidet in solchen der Cyanwasserstoffgehalt einen Riickgang, oder ist der Cyankomplex im Bittermandelwasser durch seine Bindung als Benzaldehydcyanhydh

C,H,CGO H + HCN = C$&,.C<ZH

6s; gegen die Einwirkung eaccharider Karbonylgruppen gefeit 1

Zur Entscheidung dieser Frage wurden mixturahnliche ver- diinnte Losungen von Aqua Amygdalarum amararum und Sirupus

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simplex, Sirupus Cerasorum, Sirupus Rubi Idaei sowie Invert- zuckersaft bereitet. Nach verschieden bemessenen Zeitfristen wurde der Cyanwaseerstoff durch Destillation isoliert und nach dem Ver- fahren des Arzneibuches mit Anwendung von Jodk&liMsi ale Indikator argentometrisch bestimmt.

In entsprechenden Vorproben waren die Bedingungen fur einq quantitative Verflijahtigung dea A3yaawasseratoffs. &us Bitter- mandelwasser dahin festgestellt, worden, da13 die betreffenden Losungen vor der Deetillation leicht natronalkalisch und etliche Minuten hinterher weinsauer zu machen sind. Hierauf wird bci guter Kuhlung mit eintauchendem VorstoB in etwas Wasser uber- destilliert. Die Alkalivorbehandlung bewirkt e k e Spaltung des Benzaldehydcyanhydrins. Ohne eine solche gehen nur 7&76y0 des Cyanwasserstoffs fliichtig.

Das zu nachstehenden Versuchsreihen verwendete Bitter- mandelwasser enthielt 0,102% Cyanwasserstoff. 50 ccm der jeweils zu bestimmenden Mixtur wurden mit 100 ccm Wasser verdiinnt und davon 50 cam' Destillat aufgefangen. Die Titrationsergebnisse sind direkt auf Prozente des urspriinglich vorhandenen %an- wasserstoffs berechnet.

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I. Sirup. simpl. 50 g, Aq. Amygd. amr. 20 g, Aq. 300 ccm:

Nach 1 Tage 5.85 ccm *g/loo= 96% HCN ,, 2 Tagen 533 ,, 9 , = 94% 9,

., 3 5 3 ,, ,, = 94% ,. ,, 1 W&he 5,75 ,, ,, = 9 3 3 ,, ,, 2 Wochen 5,3 ,, ,, = 86 /o ,, ,, 3 ,, 495 , I 9 , = 73% 1 ,

11. Sirup. Cerasor. 50 g, Aq. Amygd. amar. 20 g, Aq. 500 ccm:

Nach 1 Tage 4 , l ccm *g/loo = 66,5y0 HCN ,, 2 Tagen 3,s ,, ,, = 61,5% ,, , I 4 2,9 ,, ,, = 4 7 3 ,. ,, 1 Wzche 2,9 ,, ,, = 47 /o ,, ., 2 Wochen 2,6 ,, ,, = 42% ,. ,, 4 ,, 2,6 ,, ,, = 42% ,,

111. 300 ccm:

Sirup. Rub. Idaei 50 g, Aq. Amygd. amar. ZO.-g,, Aq.

Nach 1 Tage 4,5 ccm = 7376 HCN ., 2 Tagen 4 , l ,, ,, = 66,5% ,, ,, 3 4.1 ,, ,, = 66,5'?0 9 ,

,, 1 W&he 3,35 ,, ,, = 54,6y0 ,, ,, 2 Wochen 3,2 ,, ,, = 62,5r0 ,, 3, 3 9,. 3.0 9 , 9 , = 4895 /o 7 )

IV. Invertzuckerdt 50 g, Aq. Amygd. amar. 20 g, Aq. 300 ccrn:

Mach 1 Tage 4,2 ccm *g/loo = 67,8%HCN ,, 2 Tagen 3,7 ,, ,, = 60% ,, 9 , 4 3,O ,, ,, = 49% ,, ,, 1 W&he 2,75 ,, ,, = 45Yb ,,

destill.

destill.

destill-

destill,

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Wie man sieht, vermindert sich der Cyangehalt in der Invert- zuckerlosung binnen Tagesfrist urn etwa ein Drittel, und ist nach einer Woche auf die Hiilfte abgefallen. G w ebenso verhielten sich die fruchtsafthaltigen Mischungen waa nicht uberraschen kann, da in diesen Sirupen der Rohrzucker durch die Fruchtsauren mehr oder wepiger inyertiert ist.

€a Lol3seatriedierGn Ltieuagen wiirde das Bad wahrscheidcfrer- weise ein noch ungmsti@res seiq, denu nach wnseren Messungen an Dextrose-Kaliumcyanidlosungen steigt der prozentische Cyan- schwund mit der Konzentration.

In der Rohr- bzw. Rubenzuckerlosung ging der Cyangehalt binnen Wochenfrist urn einen praktisch nur bedeutungslosen Betrag zuriick. Nach mehreren Wochen ist der Verlust aber doch recht merkbar. Gegen solche Zubereitungen la& sich also nicht allzu vie1 einwenden, insoweit es sich um ex tempore bereitete und zu ver- brauohende Arzneien handelt.

Der Struktur des Saccharosemolekiils gemaB sollte man erwarten, daI3 der Rohrzucker den Cyankomplex intakt liiBt. I n der Tat ist in koneentrkrten Lijsungen von Cyankalium und reineter, mehrfach umkrystallisierter Saccharose anch keine Ammoniak- entwickelung festzustellen. Zu oben verwendetem Sirupus simplex benutzten wir aber, der Praxis entaprechend, natiirlich nur die Raffinade des Hmdels. Es sind also wohl deren Vmunreinigungen bzw. Spuren vorhandenen oder allmiihlich sich bildenden Invert- zuckers, die den Cyanschwund verursachen.

Nioht versiiumt wurden Blindproben mit einer zuckerfreien Bitkrmandelwasser-Verdiinnung 20 = 300. 60 ccm dieser Losung erforderten nach einer Stehdauer von

1 Stunde 6,2 ccm n/,,,-Ag = 100% HCN 1 Woche 6,3 ,, ,, = 100% ,, 2 Wochen 6,3 ,, ,, = 100% I,

3 ,, &3 ,, 1 , = 100.9, ,, Wie man sieht, ist die LCyanfestigkeit in zuckerfreier Losung

tine weit @Bere, sogar tiberraschend groI3. Id benzaldehydfreier Losung wiirde wohl kaum eine solche Titerfestigkeit zu verzeichnen sein. Die Bchutzwitkung des Benzaldehyds auf hochverdiinnte Cyanwasserstoffltisungen scheint uns hiernach unverkennbar. Sie versagt jedoch bei Gegenwart von Zucker.

Zusamknenfassend ergibt sich : A r z n e i 1 ip h e B i t t e r- in a n d e I w a s B e r - Z u b e r e i t u n g e n a m b e s t e n u n g e z u c k e r t . K e i n e s f a l l s s o l l t e n s i e m i t F r u c h t s a f t e n g e s i i B t w e r d e n .

b 1 e i b e n

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