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von der Essigssure befreit. Diese wird mit Alkohol aus- gezogen, wodurch man das Harz, das Fett und Wachs erhdt , welche, nach der friiher angegebenen Methode, von einander getrennt werden. Dasjenige, welches durch den Alkohol ausgezogen war, ist Gallerte und EiweiCs- stoff. Indem man diese gelindc mit Wasser abkocht, lbst sich die Gallerte auf , w3hrend der Eiweikstoff un- aufgeliist zuriickbleiht.

Die iibrigen in der Seide enthaltenen Kiirper iiber- gehen wir bis jetzt mit StiUschweigen; vorerst lniige es genugen, die Hauptbestandtheile derselben untersucht zu haben.

R o t t e r d am , November 1636.

VIII. Ueher die Substitutionstheorie des IIcrrn D u m a s und iiher die Constitution des Aethers; von J. L i e b i g .

v ’ e n n man zwei Ansichten hat, nach melchen man eine gcwisse Reihe von chemischen Verbiudringen in einen bestiiniuten Zusatntnenhaog bringen kaun, so ist diefs un- ter allen’ Umstanden als ein Vortbeil fur die Wissen- schaft zu betrachten. Die naturlicbe Folge davon ist, dafs man Thntsachen aufsucbt, UUI die eine oder die an-- derc zu stiitzen, und diefs kann nur zu wichtigen und interessanten Entdeckungen fiihren. Diese Thatsachen durfen den gewbhnlichen Gesetzen nicht widersprechen; sie miissen etwas mebr als Analogien seyn, wenn sic Be- weisliraft haben sollen. F u r die beste Ansicht iniisscii wir unstreitig diejeriige halten, welche eine Reihe von Veranderungen auf die uogezwuogenste uiid naturlichste Weise erklzrt, und gerade diesen Vorzug hat die Theo- rie, welche den Aether als das Oxyd eines zusaminen-

293 gesetzten Radikals betrachtet. Sic hat nicht die entfern- teste bypothetische Grnndlage , sondern ist der bloke Ausdruck, wenn inan will, die Uebersetzung in Worten von Vorgangen und Veranderungen, von denen sich nicht ein einzelner, sonderii zahllose Beweise in der anorga- nischeri Chemie finden. Fur die Chemiker, die einiges Interesse an diesen. Tbeorien iiehmen, will ich hier die Thatsachen aufzlhlen, welche zu Gunsten der einen und der anderen derselbes sprechen.

G r i i n d e f i ir d i e A n s i c h t , d a f s das 6 I b i l d e n d e G a s d i e B a s i s d e r A c t h e r v e r b i n d u n g e n i s t .

1) Terpeuthiniil, Citronenol u. s. vp. gehen mit Chlor- wasserstoffsaure, Pbospborwasserstoff mit Jodwasserstoff- ssure Verbindungen ein ( Baile' de chirnie, par Mr. D u- m a s , T. Y p . 96).

2 ) Naphthalin- verbindet sich rnit Schwefelslure zu einer der Weinschwefelszure analogen S u r e (IKd. p. 96).

3) Die Aether haben eiiie den Ammoninlisalzen ana- loge Zusammensetzung. Vier Volnme Ainrnoniakgas wer- den durch vier Volume 6lbildenden Gases ersetzt (-T6id. p. 89).

4 ) Die Einfachheit der Formeln. 5) Das ChIor verbindet sich mit dem olbildenden

Gase; die Verbindung bildet den Anfang der Reihe (Ibid p. 89).

Gr i inde gegen d i e o b i g e Ans ieht .

1) Das albildende Gas verbindet sich nicht mit der Cblorn,asserstoffsaure , noch rnit irgend einer andereu S" aure.

2) Die NapbthaliDschwefels~ure enlbzlt kein Naph- thalin (16id. p. 617).

3) Das Ammoniak enthaIt drei Atomc Wasserstoff, das 6lbildeude Gas nur zwei; die Zusalulnensetzuug bei-

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dcr ist also nicht analog, und es giebt kcinen Gruud die VerLinduogeii beider gleichzustellen (Trade, Isomor- phisme).

- 4 ) F a r a d a y ' s Bicarburct gicbt noch cinfachere Formeln.

5 ) Das O e l des ijlbildenden Gases cnthilt ltein ijl- bildendes Gas.

6) Biers Ocl liefert weder iin Sonnenlicht noch bei Zersetzuog durcli hlhnlien eine Aellierverbindnng. Durch Zerselzung der Aetherverbiiiduogen el I l ;r l t iiiau drei Koh- Ienwasserstoffe von gleicher Zusnininenselzung. WelcIier ist dic wahrc Basis des hcthcrs:

7 ) Wahrschcinlich ist das Wcinbl diesc Basis, denn bei der Dcstillatioii der weiuscbnefelsaiircn Salze iiiit Kalk (Ann. de chirn. ct de phys. 7'. L1.X p . 17G) zer- lest sicli 1 Atoni A c h r in:

4 At. Alkohol C2H6 0 und \Teiuol c , H, -- c , H * 0 0.

8) Die Suhsti[utionstheorie liefert, wie icli weitcr. liin zeigen werde, einen directen Bcweis gegen das Da- seyn vou Wasser in Aetber.

G r i i n d c f i ir d i e A n s i c h t , n a c h n e l c h e r d e r A e t h e r k e i n H y d r a t i s r

1 ) Schwefelsiurchydrat eiitzieht ihm kein Wasser, sondcrn bildet mit ihni cine Verbiudung, die Weinschwe- felsaure, von der man allc iibrigen ableiten knnn.

2 ) Wasserfreie Schwefelsaure eiitzieht dein Aether kein Wasser , soodcrii zcrsetzt denselbcn und es bildet sich nuf Kiosten sciiies Sauersloffs Wasse r ( A ~ N . de chim. et de phys. T. L I X p . 187).

3) Die vollasche SsuIe zersetzt den Aethcr nicht, wohl aber den wasserfreien Alkohol. Die Zersetzung

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beschrzukf sich auf lidas Hydratwasser , dessen Bestand- theile an den Polen erscheincn ( A r t h u r C o n n e 1 I) .

4 ) W a r e der Aetber ein Hydrat, so wiirde'sein Hydratwasser durch ein anderes Oxyd ersetzt werdeu kiinnen, was nicbt der Fall ist. Bei der Bildung des Oxarnethans kann das Ammoniak nicht zweierlei Rollcn spielcn ( D ti UI a s , Traite', p. 3%).

Gri indc x u G u n s t e n der T h e o r i e , nach w e l c h e r der Aet l ier e i n O x y d i s t .

1) Der Aether bildet ueutrale und saure Verbin- dungcn.

2) Rei der Neutralisirung der Skireti folgt e r den allgenieinen Gesetzen des Sattigungsverrniigcns der Sauren.

3) In den Doppelsalzen,tden Stberscliffefelsaurea Sal- Zen, verhalt sich der Sauerstoff dcr beiden Boseu (des Aethcrs und dcs Metalloyyds) zil dein der Saure wie 1 :3.

4 ) Bei den atherphosphorsaaren Salzen verhdt 'sich dcr Sauerstorf der drci Ensen ( Acther, Mctalloxyl und Wasse r ) ziim Sauerstoff der Sitire wie 3 : 5 (Graha in ) . D e r ~therphosphorsaure 13aryt vcrliert iibcr 120° C. einc dicscr Basen, 1 Atom Wnsser, und es bleibt ein delu Pyrophosphat eutsprechendes Salz, woriu dcr\Sauerstoff der beiden Basen zu dern dcr Siure wie 2 : 5.

5 ) Cblorwasserstoffsaure zersetzt den Aether, indeui dessen Snuerstoff niit dern WasserstofE der SPure Was- ser bildet.

6 ) Aus dieseni Grunde kanii der ChlorwasscrstofE- Elher nicht aus blbildendem Gasc und Chlorwasserstoff- gas gebildet werden. Die Vertlieidiger der neuen Theo- rie nehmen niclrt a n , dafs das Clllorwasserstoffgas dein iilbildenden Gase Wasserstoff ablrete ( Trai'te', p . 95).

7 ) Es giebt eine basische Verbindung des Aetliers, das Acetal, drei A t o m von der Basis enthaltend.

8 ) Der Aether, als Oxyd betrachtet, zerlegt sich nach den Gesetzeu der Su~stitutioiistheoric.

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Zu diesen Griinden will ich noch eine kiirzlich beob- achtete Analogies hinzufugen:

Durch Destillation . eines Gemengs von Manganhy- peroxyd, Schwefelsaure und Holzgeist hat Hr. G r e g o r y einen neuen Ytherartigen Klirper erhalten, der von Hrn. K a n e aus Dublin mit Genauigkeit untersucht und zer- legt worden ist. Die Zusammensetzung desselben kann durch zwei Formeln ausgedruclit werden. Nach der ei- nen ist er ein Oxyd des Aetherradikals, nlmlich C,H,,O,, nach der anderen dagegen eine Verbindung von:

1 At. AmeisensZure C,H, 0, 3 At. Methyleuather C, H , 0,

C, ~ 1 , 0 0 6 .

Die letztere halte ich fur den Ausdruck seiner wah- ren Zusammensetzuug. Hienach ist es das Acetal in der Keihe der Methylenverbindungen.

-Durch Behandlung mit Aetzkali wird der KUrper augenblicklich in ameisensaures Kali und Holzgeist zer- legt. Die schiinen Untersuchungen des Hm. G r a h a m haben bis zur Evidenz gezeigt, dafs in den basischen Ver- bindungen das Hydratwasser der Mctalloxpde oder der Sauren hdurch sein Aequivnlent von Metalloxyd oder einer entsprechenden Basis ersetzt wird. 1st in den Methylen- verbindungen die Basis der Kohlenwasserstoff C , H,, so wurde dieser neue Klirper, als Acetal, eine beispiel- lose Anomalie darbieten; er wiirde drei Aforne Hydrat- wnsser enthalfen. Verwerfen wir diese Formel, so sind wir gezwungen C,H, , O s anzunehmen, melche mit der alten Theorie unvereinbar ist, zu der neuen aber voll- komrnen stimmt.

Ich will 'nun, mittelst der Substitutionstheorie des Hm. D u m a s , zu beweisen versuchen , dafs die Theofie, welche den Aether als ein Oxyd ansieht, mit allen Zer- setzungen und Veranderungen dieses Kiirpers im Ein- klang steht; ich mill zeigen, dafs die Theorie, nach wel- cber der Aether das Hydrat vom ijlbildenden Gase ist,

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im bandgreiflichen Widerspruch ‘stebt init der Erfahrung und mit seinen eigenen Zcrsetzungsgesetzen. Die vOn Hrn. D u in a s aufgestellten Regeln sind folgende:

1) Wenn ein wasserhaltiger I<6rper der dehydro- genirenden Wirkung des Chlors, Broms, Jods, Sauer- doffs u. s. w. ausgesetzt wird, so nimmt er,jiir jedes uerlarene Atom Wasserstofl, ein Atom Chlor, &om, Jod oder ein halbes Atom Sauerstoff auf.

2 ) Enthalt der wassersto ffhaltige K6rper auch Wasser, so verliert dieses seinen Wasserstoff, ohne dafs er ersetzt wird; und wenn man ihrn volt du ab eine neue Menge Wussersioff entzieht, so wird dieser, wie vorhin, ersetzt.

Wenden wir nun diese Regeln auf die Bildung der Essigsaure an. Der Alkohol, ein wassersfoffhaltiger I(arper, der Wasser enthalt, wird der dehydrogenirenden Wirkung des Sauersto ffs ausgesetzt. B a s Wasser des- selben uerliert seinen Wasserstoff? ohne dafs er er- setzt wird; von nun an nimmt er fur jedes verlierende Atom Wasserstoff ein halbes Atom Sauerstoff auf. Nach Herrn D u m a s ist der Alkohol C,H, + H,O,. Ziehen wir demnach die 4 ALome Wasserstoff seines Wassers ab, und ersetzen 2 btome Wasserstoff seines iilbildenden Gases durch 1 Atom Sauerstoff, so erhal- ten wir:

C,H,+

C, H, 3.0 +

H,O, . . . Alkohol - H , + O - H H ,

0, =C,H, 0, wasserfreie Essigsaure.

Man ist also zur Bildung der Essigs;iure auf einem hochst sonderbaren Wege gelangt : der Wasserstoff uom Wasser des Alkohols ist durch Sauerstoff fortgenom- men, um mit diesern wieder Wasser zu bilden. Welch schiines Ergebuifs der zweiten Dumas’scheu Kegel! Er selbst hat inde€s bemerkt zu welcher Ungereiintheit sie fiihre. Denn bei dem Procefs der Essigbildung hiitet er

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sich, ihr Glauben beizumessen, vielmehr. erklart er die- sen (S. 100 s. Trm'le') folgendermaEsen:

'> L)er Alkohol verwandelt sich durch die oxydirende Wi rkung der Luft in Essigsaure. Angenommen er ent- halte C4H8 , H,O,, so mufs der Sauerstoff vorzugs- weise auf den Kohlenwasserstoff wirken, und wenn er diesem H, entzieht, dieselben durch 0, ersetzen. Dar- aus entsteht also C 4 H 8 0 , , d. b. wasserhaltige Essig- saure, welche durch die Formel C,H,O,+H,O vor- gestell t w erden kaun . (I

n'ehnicn wir seine Meinung an, und ersetzen den fortgenommenen Wasserstoff durch sein Aequivalent Sauer- stoff, so gelangen wir zu einer auderen Formel:

Alkohol C, H a -+- 2Aq - H , t Q ,

Essigsaure C, H, + 0 +- 2 Aq.

Hr. D u m a s will uns nun zwar iiberreden, daEs diese Forinel durch C, H, 0, +Aq vorgestellt werdeu kann ; allein die& ist keine Falgerung aus seiner Theorie.

Nehinrn wir nun als Ausgaugspunkt C, H , 0 + Aq fur die Zusaminensetzung des Alkohols, so brauchen wir keine unwahrscheinliche Annahme zu machen, urn daraus Essigsaure entspringen zii lassen. Nehmen.wir dem Aether vier Atoine W-asserstoff und ersetzen sie durch zwei Atorne Sauerstoff, so haben wir:

C,H,Ll 0 +Aq - H, 4 - 0 2

C4H6 0 , t A q . flier ist vollkommene Uebereinstilnmung zwischeri

unserer Theorie und der ersten Regel von Hrn. D u - rn as's Substitutionstheorie.

Beschaftigen wir uns jetzt mit der Erklarung, wel- che Hr. D u m a s von der Bildung des Chlorals gegeben hat, Es ist die Erzeugung dieses Kiirpers, welche ihm

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zur Aufstellung seiner zmeiten Regel veranlafsf hat, In seinem Trpiic, T. Y p. 101, heifst es:

,JvI(Tenn der Alkohol z,ur Formel C, H, + H , O , bat, so kann das Chlor ihm H i entziehen, ohne sie zu ersetzen, so . d a b der Alkohol in Essigsther ,C,H,O, verwaiideIt wird, was wirklich der Fall ist. V o n . hier ab wird jedes Atom entzogcnen Wasserstofb durch ein Atom Chlor ersetzt; und ohne uns mit den dazwischen Iiegenden Verbindongen zu beschsftigen, sagen wir, dafs sich Chloral C, H, CI, 0, bildet, wodurch die Anwendung der Regel sich richtig erweist. Es ist die Aoabse dieses Kijrpers, wclche zii ihrer Aufstellung gefiihrt hat.

Herr D u m a s nimmt a n , das Chlor entziehe dem Oxyde H,O, seinen Wasserstoff Ieichter als dem Kob- lenwasserstoff, wiewoiil das Chlor uorzugsweise auf den Kohlcnwusserstoff wirkcn mu). Ich will diefs anneh- men, obwobl ich weirs, dafs man Chlor stundenlang in siedendes Wasser leiten kaiin, ohne dafs sicb die klein- ste Blase Sauerstofl entwickcIt. Es bildet sich also C,H, 0,, was, nach Hrn. D u m a s , Essigather ist. Al- lein die Formel fur den Essigather ist niclit C,H,O,, sondern C, H , 0, +C, H, 0 oder C, H, +A¶. Man begreift durchaus nicht, vvie EssigsYure, welcbe 3 Atome Sauerstoff enthalt , sich in Chloral verwandeIn kann, das nur 2 Atome davou enthalt. Ich gebe Hrn. D u m a s noch die Foriiiel C, H, 0, fur den Essigather za , aber statt einer nulzlosen Discussion beguuge ich mich, ihm die folgende Frage vorzulegen: W a r u m schreibt Hr. Durn a s zur Bereitung des Chlorals absoluten Alkohol vor und nicht Essipther, viewoh1 der letztere augensclieiuliche Vorthcile vor dem ersten darbote? Der Essigiither ist leichter zu bereitcn als der absolute Alkohol; und bei seiner Umwandlung in Chloral wiirde man vie1 Zeit und 0,4 des Chlors ersparen. Ich will den Gruud den Che- inikern uiclit vorenthalten, er ist: daj der Essiguiher kein Chloral liqert. ,Auch mufs ich noch hinzuliigcn,

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dafs bei Einwirkung von trocknem ChIor auf absolutem Alhohol sich keine Spur von Essigssure bildet.

Das ist die Grundlage, auf welcher die zweite Re- gel der Substitutionstheorie errichtet ist. Ich will nun zeigen, dafs die erste nicht alle Falle umfafst , und dafs die Theorie iiber die Constitutioii des Aethers, welche denselben als ein Oxyd betractitet, nicht blofs die Uin- wnndlung des Alkohols in Chloral erklsrt, sondern auch den Uinstand, dafs 2 At. Wasserstoff in dem Chloral durch das Chlor nicht entzogen und ersetzt werden k6n- xien. Iu dein Vorhergeheuden babe ich nicht von d e n Aldeliyd gesprochen, noch von der Rolle, welche der- selbe bei der Bildung der Essigslure spielt. Dieser Kiir- per war ziir Zcit, als Hr. D u m a s seine Regeln aufstellte, noch uubekannt, und die Entdeckung desselben ist keine FoIge seiner Theorie gewesen. Urn die Bildung dieses K6rpers und den Uebergang desselben in Aldehyd- und Essigsiiure zu erkliiren, sehe ich mich genijthigt einige Gcsetzc aufzustellen; allein ich erkllare iin Voraus, dafs sic sehr alt und sehr uberflussig sind.

Wenn ein zusammengesetzler Kiirper der Wir- kurg des Sauerstoffs, des Chlors u. s. w. unferworfeen wird, so ivird deyenige Bestandtheil dieses Klirpers sich zuerst und vorzugsweise mit dem Chlor, dem Sauer- sfoff u, s. w. verbinden, welcher zu ihnen die grhysfe YerwandfschaJ? hat.

11. W e m eine der hiedurch entstehenden neuen Verbindungen, ads Ganzes, Verwandtschafi zum Sauer- sto ff hesitzt, so wird, wenn Sauerstoff genug vorhanden ist, der Verbindung mit dicsem nichls im Wege stehen.

Wenn bei partieller Zersetzung eines IGr- pers einer von dessen Bestandtheilen durch einen Be- stmdtheil des qf ihn einwirkenden Korpers verlre- ten wird, so geschicht diese Ersetzung nach Aequivn- lm!en.

I)as Altlchyd erzeugt sieh durch Einwirkung des

I.

IIL

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Cblors oder des Sauerstoffs auf Alkohol. Nach dem er- sten dieser Gesetze sagen wir, dafs das Chlor ausschliefs- lich auf den Wasers tof f des Aethers wirkt, da es bci gewtjhnlicher Temperatiir das Wasser nicht zersetzt, und sich bei derselben auch nicht mit Kohlensfoff vcrbindct. Ziinden wir ein Gemenge von Chlor und ijlbildentlcin Gnse an , so sehen wir nur ChlorwasserstoffsSure sich bilden und den Kohlenstoff als Kienrufs sicli aussclici- den. W e n n das Chlor dem Aetber 4 A t o m Wasser- stoff entzogen hat, so bleibt Aldebyd:

Alkohol C,H,,O+Xq H, -

Aldebyd C,H, O t A q . 1st der AlkohoI wasserfrei, so zerselzt cin Urbcr-

schufs von Cblor das gebildete Aldebyd. Each clem t l r i t - ton der obigen Gesetze nimmt e r fiir jedes vcrlorcne Wasserstoffatom das Aequivalent an Cblor auf:

Aldehyd c, He O+H,O - H, +C1,

Chloral c4 CI, O t H , 0. Das Wasser des Aldeliyds tritt in die Zusammcn-

setzung des Chlorals. Das ist dcr Grund, warurn die Ersetzung des Wasserstoffs bci eiuem gewissen Punkt aufh6rt.

Nimmt. man zu dieser Zersetzung wsfsrigen Alkoliol, so 'erzeigen sich, aufser intermcdizren Chlorverbinduii- gen, Essigsaure und Essigzther. Das Aldehyd besilzt eine grofse Verwandtschaft zum Sauerstoff; es absorhirt denselben rasch und gebt dabei in Essigsaure iiber. Chlor und Aldehyd, in Beriihrung mit Wasse r , zersetzen dns letztere, was das Chlor fur sich nicht vermag. Es wir- lien hier zwei Verwantltschaften auf die Bestandheilc des Wassers: die des Chlors ztiin Wasserstoff, und die des Aldehyds zuin Sauerstoff. Es bildet sich Essigsziire,

302 von der ein Tbeil iin Entstehucgszustand sich mit dem Aether des freien Alkohols verbindet.

Nach dein zweiten Gesetz absorbirt das Aldehyd 2 Atome Sauerstoff, urn Essigsaurehydrat, und 1 Atom, urn Aldehydsaure zu bilden.

C 4 H 6 0 +Aq I C,H,O +Aq 0

Essigsaure c, H, O , 0, -khq I c4 H6O2 +Aq Aldehydssure.

Die Bildung d e s AIdchyds durch Oxydation ist dcr durch Cblorung ganz analog, nur sind die Producte zahl- reicher. Die Wi rkung des Sauerstoffs besciirgnkt sicli nicht blors auf die Bildung des Aldehyds, der Essigsaure und des Essigathers; sie gcht weiter, denn sie erzeiigt uberdiefs Ameisensaure, Ameisenather una Kohlens" nure.

Suchen wir nun die Xildung dcs Aldehyds nach Hrn. D u m a s ' s 'erster Regel zu erklareu, und vergessen Jie zweite. Lassen wir Sauerstoff auf Alkohol S 4 H 8 + 2 A q reagiren, und ersetzen H, durch 0, so haben wir:

Alkohol C,H, t 2 A q - H d - 0

Aldehyd C4H, 0 + 2 A q .

Nach jhr wiirde das hldehyd 2 At. Wasser entbalten; wir ge- ben m, dafs sich ein Atom Wasse r Von demselben ab- geschieden habc, und mir finden sie d a m mit unserer tjbereinstimmend. Das Aldebyd verwandelt sich in Essig- saure; diese Saure eothiilt '3 Atome Sauerstoff, und, nach der ersten Regel des Hrn. D.umas , werden 4 htome Wasserstoff durch 2 Atome Saukrstoff entzogen und er - setzt.

hldehy d C 4 H , 0 + A q

Essigsaure C,H, 0, +Aq.

Diese Formel weicht von der unsrigen ab.

- H,it-O* ---

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Diese . Forinel entspricht nicht der Zusammensetzung der Essigsaure. Daratis folgt, cntweder dafs die von uns atigenomrnene unrichtig ist, oder dars das Gesetz des Hrn. D u m a s moditicirt werden mufs.

Erklaren wir nun die Bildung des Aldehyds durch Wi rkung des Clilors; wir werden schen, dafs wir auf eine ganz audere Zusammensetzung gerathen. Das Chlor eiitzielit dem Wasse r des Alkohols 4 Atome Wasserstoff, ohne sie zu ersetzen:

C4HI +Ha 0 2

- -Ma . hldebyd C4H,+ 0,.

Nach dieser Formel wurde das Aldehyd ein Oxyd des iAbildendeo Gases C,H, seyn urld kein Wasser enthalten. Bei Urnwandlung in Chloral begreift man nicht, warum das Chlor 'nur des Wasserstoffs ersetzt, warum + desselben darin bleibt.

I)as h ldehyd, niit Silberoxyd erhitzt, geht in hlde- hydsrure iiber. Mach der Substitutionstheorie werden 2 Atome Wasserstoff durch 1 Atotii Sauerstoff ersetzt :

C,H*+O, - H, t o

Aldehydsaure C,H, 03.

Diese Forinel druckt nicht die Zusamincosetzuog der Aldehydsnure aus ,- sondern die der EssigsYure. Urn die Bildurig der ersteren zu erklzren,' mufs man annehmen, d a k zwei Atome Sauerstoff ohne ~?+5atZ fortgenommen seyen, I Mithin ist entweder die gcgenwlrtig nngenonimene Zusammensetzuag dieser Saure unrichtig odcr Hrn. D u - mas ' s Gesetz nicht das wahre, und mufs dalier a b g e h - dert werden.

In dem Yors/chendeiz habe ich gezeigt, dr/s die &?dung dcr Essgsaure in oJenbarcm Ffidcrspruch steht

304 mit der Theorie, nach w e l d e r der Aether das Hydrat des olbildenden Gases seyn d l .

Ueberdiefs habe, ich geteigt, du/s allc Substitutions- regeln des Hm. D u m a s auf urwichtige und den best

estellfen Thoisuchen widersprechende Versuche ge- griindet sind. Ich habe gezeigt, dafs die neue Theo- Tie, nach welder der Aether ein O x y d C, H , ,, 0 ist, aIle Veriinderungen , welche derselbe erleidet , au f eine uolIkomrnen geniigende Weise erklart.

W o h e r kommt es nun , dafs Hr. D u m a s so lange in einem so wenig bcgreiflichen Irrthuni befangen bleiben konnte? Ich will es den Chemikern nicht verbergen. Es koinmt daher, dafs er das glnzliche Stillschweigen de r Chelniker fur eine directe Anerkennung seiner Grundge- setze hielt, dafs e r die seiner Theorie widcrsprechenden Thatsachen nicht fur beachtenswerth hielt, dafs e r es be- quemer f a d , die Riclitigkeit derselben in Zweifel zidicn, als ihre Unrichtigkeit auf dem W e g e der Erfahrung nach- zuweisen oder eine Erklarucig zu versuchen.

Ich erkenne vollkommen den Xutzen der Hypothe- sen und Theorien bei Untersuchungen in der organi- schen Chemie; wir werden alle Tage in unseren La- boratorien geniithigt Theorien aufzustellen; ohtle sie Iron- nen wir keinen Schritt thun; die Versuche vernichten oder verstarken sie; allein wir hiitcn uns wohl, in unse- ren Abhandlungen von Irrthumern zu sprechen, die uns zur Wahrheit gefuhrt;

W i r leben in der Entwicklungszeit der organischcn Chemie; sie hat bis jetzt nur ihre ersten Schritte getban, und wir sind noch weit davon entfernt, allc Tliateacheii unter allgemcine Gesetze bringen, und ihre Gesammtl?eit mit einer folgerechten Theorie umfassen zu k8nnen. W i r miissen jederzeit bereit stehen, die angenommenen Hy- pothesen gegen bessere Theorien zu vertauschen.

I X.


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