Transcript

fiber einige bemerkenswerte Artemisien Von

Anton Heimerl (Wien)

1. ])as Zusammenvorkommen von Artemisia laxa und A. glacialis

im westlichen Alpenzuge (Ostgrenze der letzteren: Wallis, l~itterpaB im Binnental) hat einige l~¢[ale zu Angaben fiber Bastarde dieser gewii3 nahe verwandten Arten 1 geffihrt. Die erste, 1900 yon F. O. WOLF ~" herrfihrende, stellte sich als irrig heraus, da die (yon ihm als X A. Seileri) ausgegebenen Stficke zur bekannten, h~ufigen Form intermedia GAUD. yon A . gla- cialis geh6ren a. Mehr Wahrscheinlichkeit haben die betreffenden An- gaben in VACCARIS (unten zitiertem) Werk, S. 379 bis 380, for sich, doch siud alte im reichhaitigen Herbare WILCZEK enthaltenen und yon VACCARZ haadschrifttich als Hybride gedeuteten Stficke keine solchen, da die nach meiner Erfahrung allein beweiskr~tftige Analyse der K6pfehen keinen Zweifel fiber die Zugeh6rigkeit zu einer der beiden Arten liei]; Angaben fiber den floralen Bau fehlen fibrigens dem Werke dieses Forschers. Auch (lie Durchsicht des Herbars der Universit~it Lausanne und unserer groBen Wiener Sammlungen lieferte kein sicheres StOck der offenbar ~i, uBerst seltenen Hybride 4, die ich erst in letzter Zeit in einer Aufsammlung yon P~L~ZIEUX (Wallis, Col de fenStres de Bagnes, rochers et 6boulis, 1. Aug. 1910) antraf; der Entdecker hielt, wie er mir mitteilte, das einzige, mit den Stammarten vorgekommene StOck, bereits an Oft und Stelle ffir diese Bastardform. Die Pflanze ist A. laxa recht ~,hnlich, hat neun, bei 10 cm hohe Blfitenstengel mit (meist) gedrungenen, maBig reichkOpfigen, bis 12 mm langen und 11 mm breiten Standen yon 4 mm hohen und fast ebenso breiten Kapitulis. Die folgende Tabelle erlautert die intermedi~re Stellung des Fundes zwischen den Stammarten, wobei die Kennzeichnung

1 Eine Vereinigung beider mit A. nitida BERTOL. in eine Gesamtarfi, wie bei FIORI in der Flora analitica d'Italia, II (1927), S. 633, ist als unnatfirlich zu bezeichnen.

2 Verhandlg. d. Schweizer naturf. Gesellsch., 75. Session, S. 246. a Vgl. hiezu VACCAI~X, Catalogue raisonn~ des Plantes vasculaires de la

ValiSe d'Aoste, S. 380 (1911). - - A. Seileri wir4 auch yon PETITM,~NGLN fiir den N[onte Viso im Bullet. soc. des sciences de Nancy, 1906, S. 13 (des S.-Ab- druckes) angefiihrt.

4 Ich stehe hier in bewuBtem Gegensatze zu den Angaben yon G~_~s in ttegi Illustr. Flora yon 5Iitteleuropa, VI/2, S. 672.

A~'a'ON tIEI~EaL: L'ber einige bemerkenswerte Artemisien 165

yon A . l a x a auf der Unte r suchung yon Stricken aus dem g a n z e n a lp inen Verbrei tungsgebiete beruht .

Arlemisia glacialis Artemisia glacialis )< 7axa Artemisia laxa

R. reichtich behaart. R e z e p t a k e l dieht be- haart.

K 6 p f e h e n mit 23 bis 57 Bt., ~ mehr als doppelt bis tiber vier- real so viele als ~).

K o r o l l e n aller Bt. kahl (auBerst selten ~'in Zipfel mit 1 Hitr- ehen).

P o ] 1 e n wohl entwiekelt.

0 r a r e drtisenlos, ganz kahl; die Oberhaut fiihrt -4- reichlich L~ngsreihen abwei- chender, querbreiter, schmaler Zellen~, deren W~nde im Was- ser -~- aufquellen oder bis zu Schleim zer- fliel3en.

K. mit 16 bis 20 Bt., davon 6 his 8 ~ und 10 bis 12 ~.

K. der ~ Bt. kahl oder vereinzelt mit 1 Haare, dagegen die Zipfelder

Bt. am R~icken haartragend.

P. (auch in jth~gerenBt.) fehlend.

0. mit wenigen, unregel- m ~tgig zerstreuten Driisen, kahl oderver- einzelt haartragend ; kfirzere bis lhngere L£ngsreihen abwei- chender Zellen ~icht selten, Quellung nicht beobachtet.

R. selten kahl, 5fter nur mit vereinzelten BOrstchen, hhufig aber auch dichter be- haart.

K. mit 8 bis 20 Bt. (grSl3ere Zahlen nur bei Verschmelzung yon 2 K6pfchen zu einem); ~ Bt. meist in einer die ~ iiber- treffenden, selten in diesen fast gleich- kommender Zo~hl.

K. besonders der ~ Bt. auf dem R~icken (Mler oder einiger) Zipfel reichlich bis sp/irlich behaart.

P. wohl entwickelt.

0. auf der ganzen FI~- che reichlich clrfisig, besonders obenhin aufrecht abstehende H~irchen ! h~ufig aufweisend, seltener nebea behaar ten Ovaren auch einzelne kahle, noch seltener die kahlen fiberwie- gend. Die Oberhaut mit ~ zerstreuten, kurzen Reihen weni- ger, schmaler und fas t nie QueHung zeigen- der Zellen.

s Vgl. T. F. HaNAVS~K in 0sterr. botan. Zeitschr., LX (1910), S. 18ft., Taf. IV, Fig. 7 A bis E ; die Figur gibt hievon eine gute Vorstellung.

166 A~TON HEI-~IERL :

2. Aul3erhalb des Alpenzuges findet sich A. laxa in den Alpi Apuane und in den Pyrengen. Stiicke aus dem erstgenannten Gebiete, die PAMPANrSrI (YOre Monte gondinaio und yon den Alpen yon Barga) iiber- mittelte, zeigen keine Abweichung. Anders verbS, it es sich mit Exemplaren aus den Pyrengen. Die prachtvollen Exemplare, die R O ~ m E R ji ingsthin auf dem Gipfel des Canigou (2785 m) sammelte und yon SEN~E~ aus dem Vall6e (und vom Pic) d 'Eyne eingesendete ~, weichen durch sehr geringe bis fehlende (oder auf mikroskopische H~rchen beschr/~nkte) Ovar- und Fruehtbehaarung ab. Offenbar liegt hier die fast verschollene, yon MI/~GEVrLLE beschriebene A. oligantha 7 vor, die der Autor selbst als kahlfrfichtige, pyren~ische Vertreterin yon A laxa aufffihrt Von einer Artabtrennung kann wohl keine Rede sein, da in den Pyren~en auch behaartfrfiehtige Stiicke vorkommen (Pyrenees de Catalogne, rochers 5~ Nuria, um 2050 m, leg. SEgNE~) und im Alpenzuge solche mit ~ ver- kahlten Ovaren (recht ausgesprochen bei Exemplaren der Sch6nleiten bei Kals, leg. FLEISCIIMANN), wenn auch selten, anzutreffen sind.

3. Von Deformationen der KSpfchen 8, die zu Thuschungen Ver- anlassung geben k6nnen, kamen mir in den letzten Jahren wieder einige unter. So wurde eine A. gallica var. tenuiloba f. heterocephala SEN~EX et P. ,u yon SENNEN aus Aragonien (Nr. 858, Terruel, talus) ausgegeben, bei der neben vielen kleineren, noeh geschlossenen, normalen K6pfchen zerstreute, fast kirschkerngrol]e, deformierte auftreten, die aus vieten, naeh innen zu kleineren Blattgebilden bestehen, zwischen denen sich eine ~enge von Eriophyiden in allen Stadien der Ausbildung bef indet ; die B1/itenentwicklung fehlt. - - Eine merkwfirdige Deformation der K6pfchen yon A. laxa sammette P.a_LI~ZIEUX am Gornergrat bei Zermat t ; sie er- innert durch die K6pfchenanordnung an A. genipi und wurde (mit Zweifel) als Hybride dieser Arten angesprochen. Die schwachen, gegen 9 cm hohen Stengel gehen in eine schmale, ziemlich reich- und klein- k6pfige Ahrentraube fiber; das dichtbehaarte Rezeptakulum ist in einen dfinnhSmtigen, 2 mm langen, fast kegeligen K6rper umgewandett, in dem wieder ein £hnlich gestaltetes, hgutiges Gebilde steckt, dessen t I6h lung ganz durch die 1,5 mm lange Larve eines Insektes eingenommen weird. Aueh das Herbar WrLCZEX enthMt ebenso gedeutete, abet ganz A. laxa gleichende Stiicke (Val de Dix, H~remenance, Plain de Lappey, 2270 m, leg. WILCZEK), deren Scheibenbliiten mit den blasig aufgetr iebenen Ovaren zusammenh~,ngen und deren Korollen unentfaItet bleiben.

4. Zu meinem Aufsatze fiber die im Alpengarten der Universit / i t Lausanne (Pont de Nant, Alpen yon Bex) kultivierte Hybride: A. a$sin-

Aus den Hautes Pyrenees war nur 1 Exemplar (Bases de N~oa~rille) zu erlangen.

7 Bullet. de la soc. botan, de France, XVII I (1871), S: 368. s Vgl. meinen Aufsatz in ~sterr. botan. Zeitschr., L X X I I I (1924), S- 217.

iJber einige bemerkenswerte Artemisien 167

thium × laxa 9 bringt das Folgende Erg~inzungen. Die Pflanze ist, nach WILCZEKS Mitteilungen, vollkommen steriI und hat den stark bitteren Blattgeschmack yon A. absinthium. Ich habe die seidige Blattbekleidung nachgepriift und ~uch hierin eine Zwischenstellung zwischen den relativ kfirzeren und breiteren Endzellen der Zweispitzenhaare yon A. absinthium

und den schm~leren, mehr verl~ngerten yon A. laxa gefunden. - - Das in meiner Arbeit erw~,hnte, vom Gro[~en St. Bernhard angegebene zweite Exemplar der ttybride erhielt ich in der Zwischenzeit zur Einsicht und kann die Richtigkeit von dessen Deutung als Hybride der Kombination A. absinthium × laxa best~itigen 1°. Diese yon PAI~ZlEUX und FA~QU]~T ats A. Carroniana aufgeffihrte Pflanze ~1 gleicht :~iul]erlich in Bekleidung, BebI£tterung und KSpfchenbildung ganz der yon mi ra . a. 0. eingehend behandelten Pflanze, doch sind die Bliiten pollenlos, die Ovare aller Bliiten auf der ganzen F1/iche mit l~ngeren, aufrechten Haaren dicht bekleidet, reichlich drfisentragend und ihre Oberfl~che weist nur kurze Vereinigungen abweichender, nicht quellender Zellen auf. Es liegt also trotz ~iuBerer J~hnIichkeit deutliche Verschiedenheit in der floralen Ausbiidung yon meiner A. Wilczelciana vor.

Den Herren Professoren PAMPANINI, SENNEN und WILCZEK sowie Herrn Dr. P. DE PALI~ZIEUX und Regierungsrat ROXNmER bin ich fiir die durch Uberlassung yon Pflanzenmaterial gew~thrte Beihilfe zu grSl~tem Dank verpflichtet.

9 A. a. o., S. 213 his 218, Figur auf S. 216. lo Dasselbe trSgt die Etikette: ,,Artemisia clbsinthium × mutellina. Les

Combes au Grand St. Bernard, detritus des torrents alpins, 20 Aout 1877. Leg. C.~.~ILL]~ CA•RON."

1~ Bulletin de la Murithienne, fascic. XL (1920), S. 71 bis 73.


Recommended