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Schwerte1918/19

VonProf.Dr.WilfriedReininghaus

2019isteinJahrvielerGeschichtsjubiläen.Wirerinnernunsan30JahreMauerfall,70Jahre

GrundgesetzundGründungvonBundesrepublikundDDR,80JahreBeginndesZweiten

Weltkriegs,100JahreVersaillerVertragunderstedemokratischeWahlenfürMännerund

Frauen.AufeinesdieserJubiläengeheichheuteein:dieWahlenimJanuarundMärz1919.Sie

hingenunmittelbarabvonderRevolutionimNovember1918unddamitvomÜbergangvom

KaiserreichzurRepublik.WieverliefendieMonatevonNovember1918bisMärz1919in

Schwerte?DennderpolitischeUmbruchspieltesichnichtnurinBerlin,sonderninallenTeilen

Deutschlandsab.IchwerdedieallgemeinenRahmenbedingungennuramRandestreifenund

michverstärktdenFrauenundMännernzuwenden,die1918/19politischeVerantwortung

übernahmenunddamitWegbereiterderDemokratiewaren,wiewirsieheutekennen.

ZunächstmußicheinigeWorteüberSchwertezuBeginndes20.Jahrhundertsverlieren,also

SchwertevorderKommunalreformdesJahres1974/75.Im„alten“Schwertelebtendamals

rund15.000Menschen.(IchwerdealsonichtaufWesthofen,Wandhofen,GeiseckeundVilligst

eingehen).DieStadtwarnachderAnbindungandieEisenbahn1867durchzwei

Industrieansiedlungenenormgewachsen:einerseitsdieEisenindustrieAG,dasspätere

Profileisenwalzwerk,andererseitsdasNickelwerk,südlichbzw.nördlichdesBahnhofsgelegen.

DasEisenbahnausbesserungswerkinSchwerte-Ostwurdeerstnach1918fertiggestellt.Seitdem

späten19.JahrhundertentstandinSchwerteeinemoderneInfrastruktur,diemitBürgermeister

EmilRohrmanninVerbindungzubringenist.Wirwerdenihmnochmehrfachbegegnen.Die

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politischeWillensbildunginSchwertegeschahzudenBedingungendesDreiklassen-Wahlrechts.

Auf90%derWähler(Frauendurftennichtwählen!)entfielnureinDrittelderStadtverordneten,

dieübrigenzweiDrittelstelltendieBesitzenden,vorallemdieFabrikdirektoren.

BereitsimOktober1918warklar,dassdieseVerhältnissevorbeiwaren.ImZeichender

militärischenNiederlagemußtendiealtenElitendesKaiserreichsdieParlamentarisierungdes

Reichstagsundallgemeine,freieWahlenakzeptieren,diedannendgültigam12.November

1918fürallepolitischenGremienverkündetwurden.DreiTagevorherhattederKaiser

abgedanktundwardieRepublikausgerufenworden.EinRatderVolksbeauftragtenübernahm

dieprovisorischeRegierungsgewalt.Sobaldwiemöglichsollteeineverfassunggebende

NationalversammlungvonallenFrauenundMännernüber20Jahregewähltwerden.Der

TerminwurdekurzvorWeihnachten1918aufden19.Januar1919festgelegt.Innerhalbvon

einemMonatmußtendieWahlvorbereitungenimprovisiertwerden.Siewarenüberschattetvon

innenpolitischenKämpfenundPutschen,vonerstengroßenStreiksundallgemeiner

Unsicherheit.IchnennenurStichworte:derSchockdermilitärischenNiederlage,die

DemobilisierungeinesMillionenheeres,dieVersorgungskrisebeifortdauernderenglischer

Blockade,dieSorgefürKriegsbeschädigte,dieSorgenumdieFolgendesKrieges,denndie

TruppenderEntentestandenschonamRhein.

InSchwerteverliefendieRevolutionsmonateohnedramatischeHöhepunktewieinBerlin,wo

zeitweiseBürgerkriegherrschte.AberauchimVergleichzuStädtendesRuhrgebietswie

Duisburg,Mülheim,HambornoderGelsenkirchengabesinSchwertekeinegewalttätigen

Konflikte.Woranlagdas?DasZusammenspielvonBürgermeisterRohrmannmitdemArbeiter-

undSoldatenratwirktimNachhineinalsgelungenesKrisenmanagement.Rohrmannbestand

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nichtaufeinerwilhelminischerAttitude,sondernkooperiertemitdemRat,dervongemäßigten

Sozialdemokratenbeherrschtwurde.DerRatwaram9.November1918gewähltworden.Ihm

standHeinrichJöckelvor,derderMetallarbeitergewerkschaftvorstandundderDortmunder

SPDunterdemReichstagsabgeordnetenMaxKönignahestand.Könighatteam4.November,

alsonochvorderRevolution,aufeinerKundgebungimFreischützverkündet,dassdienunmehr

anderRegierungdesPrinzenMaxvonBadenbeteiligteParteijetztschondieZeitder

Volksherrschaftangebrochensehe.AnihremreformistischenKurshieltdieSPDimGroßraum

fest,siemußteabererleben,dassihraufdemlinkenFlügelradikalereingestellteMitglieder

wegliefen,diemehralsReformenwollten.HierausentstandauchinSchwertedieParteider

UnabhängigenSozialdemokraten,späterdanndieKPD.

BürgermeisterundArbeiter-undSoldatenrathieltendieOrdnungaufrecht,wieesam11.

NovemberperAnzeigeinder„SchwerterZeitung“zugesichertwordenwar.ZweiTagevorher

warabends,nachArbeitsschluß,derArbeiter-undSoldatenratmitJöckelanderSpitzeim

ReichedesWassersgewähltworden.DanachzogeinDemonstrationszugzumNeuenRathaus,

womitRohrmannüberdieBedingungenderKooperationverhandeltwurden.Am15.

NovemberberiefenRohrmannundJöckeleinenBürgerausschußein.ErhattedieAufgabe,

QuartierefürdieheimkehrendenSoldatenzuschaffen,derenEinheiteninkommendenWochen

inSchwerteaufgelöstwerdensollten.VorsitzenderderEinquartierungskommissionwar

DirektorWaltenbergvonder„Eisenindustrie“.

ImDezember1918begannderWahlkampffürdieWahlzurNationalversammlung.Die

KatholikeninSchwerte,dieeinDrittelderBevölkerungstellten,erhieltenbereitsfrühzeitig

Wahlkampfmunition,dennsiewarenüberdieTrennungvonKircheundStaatunddiegeplante

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AbschaffungderKonfessionsschulendurchdieSPDundUSPDempört.Imkatholischen

Arbeiterverein,derdenlinkenFlügelderZentrumsparteistellte,hieltesschonEndeNovember

PrälatRöseler„fürdiePflichtjedesDeutschen,dieneueRegierungzuunterstützen“.Abererrief

zugleichzumProtest„gegendiegeplanteTrennungvonStaatundKircheunddiedamit

verbundeneEntchristlichungderSchule“auf.2

AllegesellschaftlichenGruppenundParteienwandtensichandieFrauen,umsieaufdieWahlen

vorzubereiten.Die„SchwerterZeitung“begannam30.NovembermiteinerSerie„Wasdie

deutscheWählerinwissenmuß!“.Fürden8.DezemberhattederSchwerterFrauenverbandein

prominenteRednerinverpflichtet.DieDortmunderStadtarchivarinDr.LuisevonWinterfeld

referierteüber„dasneueWahlrechtunddieWahlpflichtderFrau“.EinBerichtliegtnichtvor,

aberwirdürfensichersein,dassWinterfeldauskonservativerSichtinVerfassungund

Staatskundeeinführte.DieSchwerterSPDeröffneteihrenWahlkampfam13.Dezemberim

WestfälischenHofmiteinemzweistündigenReferatdesDortmunderArbeitersekretärsKlupsch

zumgleichenThema.Fürden3.AdventssonntaghattedieSPDindas„ReichedesWassers“

eingeladen.DerDortmunderGewerkschaftsführerKahlbrachteseinen500Zuhörern„Die

ErrungenschaftenderRevolution“nahe.ErwarntevorderEinführungrussischerZustände

(gegenLiebknechtunddieUSPD)undverwiesaufdieEinführungdesAcht-Stunden-Tagssowie

dieAnerkennungderGewerkschaften.GleichzeitiggeißelteerdieseparatistischenPlänedes

rheinischenZentrums.AusderVersammlungkamWiderspruch.EinekleineRandbemerkung:

beiallenWahlkampfveranstaltungenderParteientraten1918/19imGegensatzzuheute

RednerderübrigenParteienaufundverwickeltendieVeranstalterinmitunterheftige

Diskussionen.DerevangelischePastorOhligwarnteaufdieserSPD-Veranstaltungdavor,den

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ReligionsunterrichtausdenSchulenzuentfernen.Kahlstimmteihmzuundversprach,diedafür

verantwortlicheUSPDmöglichstbaldabzuschütteln.DieSchlußresolutionderVersammlungan

diesem15.Dezember1918kennzeichnetedieErwartungshaltungderSPD,denndie

Anwesendenversprachen„mitallenMittelndemSozialismusamTagederNationalwahlzum

Siegezuverhelfen“.MitanderenWorten:dieSPDerwarteteeinenWahlsieg,umihreZielezu

verwirklichen.Wasaber„Sozialismus“genauhieß,darüberwurdeindennächstenWochenund

Monatenkontroversdebattiert.OhligsInterventionhattegezeigt,dassauchdieevangelischen

ChristenerbitterteGegnerderSchulpolitikvonSPDundUSPDwaren.AmgleichenWochenende

hatteaufeinerGemeindeversammlunginSt.ViktorPastorWischnathdieEntrüstungvieler

hundertChristeninSchwerteformuliert.

BisMitteDezemberwarenvorallemdieSPDunddasZentruminSchwerteinErscheinung

getreten.Dasbürgerliche,nicht-katholischeLagerhattenachderRevolutionmit

Organisationsproblemenzukämpfen.Links-undRechtsliberalefandennichtzueinanderund

jeweilsgründeteneigeneParteien.DieLinksliberalenfandenalsDeutscheDemokratiePartei

(DDP)zusammenundgrenztensichvonderDeutschenVolkspartei(DVP)unterStresemannab,

weilderenMitgliedereinenSiegfriedenangestrebthattenundderMonarchienachtrauerten.

DastatenauchdieehemaligeKonservativenalsDeutsch-NationaleVolkspartei(DNVP),deren

ZielsogardieWiedereinführungderMonarchiewar.DDPverweigertejedeZusammenarbeitmit

DVPundDNVP,dieihrerseitsinWestfalen-SüdeinegemeinsameListefürdenWahlkampf

aufstellten.InSchwertepräsentiertesichdieserVerbundals„NationalerWahlverein“am20.

Dezember.Erwarbürgerlich,großbürgerlichgeprägt,anderSpitzemitDirektorTerbrüggenvon

denNickelwerken.EineOrtsgruppederDDPinSchwertehattesichzweiTagevorher

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konstituiert.IhrstandderKaufmannOttoHomelgemeinsammitdemEisenbahnbeamten

KonradHeinzerlingvor.DieDDPsetztesichinbesonderemMaßefürdieRechtederFrauenein.

MitLiFischer-EckertausHagenundMarthaDönhoffausWittenbesaßsieinSüdwestfalen

prominenteFrauenrechtlerinnen,diebeidenWahlenimJanuar1919aufdieaussichtsreiche

Positiongesetztwurden.Fischer-EckertundDönhoffwarenimWahlkampfpausenlosunterwegs

undmachtenauchinSchwerteanderenFrauenMut,sichöffentlichzupolitischenThemenzu

äußern.3

AlserstemeldetesichAgnesTütelam2.Januar1919zuWort.SieschriebinderSchwerter

ZeitungindererstenAusgabedesneuenJahreseinenLeitartikelzumThema„Demokratieund

Christentum“.4SiereagiertedamitaufdiegroßeKundgebungderDDPam29.Dezember1918.

DerHauptrednerProf.GuttmannausDortmundfaßtedasheißumstritteneThemaKircheund

Staatanundhieltesnichtfürschädlich,wenneszurTrennungkäme.AgnesTütelwidersprach.

SiehieltmitgutlutherischenArgumentendafür,dass„dieDemokratiedenBodendes

Christentumsnichtverlassendarf“unddieReligionnichtausderSchuleentfernendarf.Sie

bekanntesichaberausdrücklichzurDemokratieundhoffte,dass„beiderNeugestaltung

MännerundFrauenzuWortundEinflußkommen,diesichdafüreinsetzen,dassimneuen

Deutschlandeinfreies,stolzesGeschlechtaufwachse…DiebestenKräftemüssensicheinsetzen

fürdieVerwirklichungdieserhohenIdee“.DieGegenredeeinesSozialdemokratenließnicht

langeaufsichwarten.IneinemLeserbriefinderSchwerterZeitungzweifelteWernerKlewitzdie

engeVerbindungzwischenStaatundKirchealsVoraussetzungderDemokratiean.5Er

wünschte,dieneueRegierungsolleverhindern,„daßdieReligionsolcheMachtbekommt,wie

siesievordemKriegimaltenStaathatte“.6

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WerwarAgnesTütel?EinigewerdendenAgnes-Tütel-WegamRuhrtalgymnasiumkennen.Er

erinnertdaran,dasssiedieVorgängerschule,dasLyzeumoderdiehöhereTöchterschule,von

1893bis1920leitete.AlsTochtervonSanitätsratDr.Tütel1865geborenundinderGroßen

Marktstraßeaufgewachsen,legtesie1894diePrüfungalsLehrerinnenab.IhrRufinSchwerte

wirktebisindie1950erJahrenach,dennsiestarberstimhohenAltervonfast92Jahren1957.

SchwertesFrauenrechtlerinnenberufensichseitlangemaufsie,wußtenabernicht,dasssiesich

auch1918/19politischengagierte.SiemeldetesichnichtnurmitdemzitiertenArtikelzuWort,

sonderntratauchindenVeranstaltungenderDDPaufundließsichaufderenListeals

KandidatinfürdieStadtverordnetenversammlungimMärzalsNr.6aufstellen.Dasreichtenicht,

umgewähltzuwerden,aberihrpolitischesEngagementverdientallenRespekt.WennSiemir

gestatten,willichmeinepersönlichenBeziehungenzuihraufdecken,dennsiewarmeine

Patentante.Daskamso:meineGroßmutterhatihrzehnJahrealsMagdundKöchingedient.Als

meinVater1921geboren,wurdesieseinePatin,undalsich1950geboren,wurdesiemeine

Ehren-Patentante.

InchronologischerReihefolgewarLuiseEliasdiezweiteFrau,dieinSchwerte1918/19indie

Öffentlichkeittrat–undzwarvielexponierterundaucherfolgreicheralsAgnesTütel.Im

gleichenJahrwiesie1865wurdeLuiseEliaswurdealsTochtereinesjüdischenLehrersinRheda

geboren.1893heiratetesiedenKaufmannSallyEliasausSchwerte,der1903derjüdischen

SynagogengemeindevorstandundinderHüsingstraße1einenModehandelbetrieb.Den

AnstoßfürihrpolitischesEngagementgabeineWahlkampfveranstaltungderDVPam6.Januar.

DerRedner,JustizratSchultzausHagen,einengerVertrauterderDortmunderGeneraldirektors

AlbertVögler,hatteimüberfüllten„WestfälischenHof“antisemitischeTendenzeninseinen

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Vortrageinfließenlassen.InderSchwerterZeitungwardavonnichtszulesen,aberaus

ParallelaktionenderDVPinWestfalenwissenwir,dasssieJudenfortlaufenddenunizierte.Was

siegehörthatte,warfürLuiseEliasAnlaßgenug,aufderFrauenversammlungderSPDam12.

JanuarnebenAnnaLexaufzutreten.Lex‘WahlwerbungfürdieSPDandiesemAbendstießalle

bürgerlichenFrauenvordenKopf,wieeinLeserbriefzeigt:Wassie„vorbrachte,dashatalle

weiblichfühlendenWesen–soweitsienichtimParteifanatismusbefangenwaren–angewidert.

DaswarkeineAufklärung,daswardieallergewöhnlichsteAufhetzung“.7Dergleichenwurde

LuiseEliasnichtunterstellt.IhrThema„AntisemitismusundWahlagitation“warallerdings

heikel.Wassieumtrieb,verdeutlichtambesteneinLeserbrief,denihreGlaubensgenossinLise

Sternschrieb.8Schultzmüssewidersprochenwerdenwegenseiner„einseitigen,andie

niedrigstenInstinkteappellierendenAngriffegegendasJudentum“.Schultzhabebehauptet,zu

vieleJudenseienSozialdemokraten.Deswegenwolleersie„vonderdeutschenGemeinschaft

ausschließen“.„WirJudensindnichtinternational!WirsinddeutscheStaatsbürgerjüdischen

Glaubens“.LisaSternwarTochterdesDDP-StadtverordnetenBernhardSternunddürftewohl

kaumSPDgewählt.ÜberdieEntscheidungvonLuiseEliaszugunstenSPDfehlenuns

Informationen.SiehattesichallerdingseinenNamengemacht,referierteaufder

SchlußkundgebungderSPDamVorabendderWahlzurNationalversammlung,9kandidiertebei

derKommunalwahlaufdemdrittenPlatzundzogalseinevonzweiFrauenindieneue

Stadtverordnetenversammlungein.AlsBerufgabsie„Schriftstellerin“an.SieschriebGedichte.

InderSchwerterZeitungverwandtesiedasPseudonym„ErnstHeiter“,inder„Westfälischen

Arbeiter-Volkszeitung“derSPD,dieinDortmunderschienen,verwandtesieihrenwirklichen

Namen.Dorterschienam17.FebruarzuerstdasGedicht„Arbeit“,daszweiTagespäterinder

„SchwerterZeitung“nachgedrucktwurde.10DurchdieDoppelveröffentlichungistimübrigen

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dasinSchwerteverwandtePseudonymauflösen.Wasveranlaßtesie,eszugebrauchen?Denn

werbeideZeitungennebeneinanderlas,wußtewer„ErnstHeiter“tatsächlichwar.IhreZeilen

gehörennichtzudenSpitzenproduktendeutscherLyrik,dasVersmaßistholprig.IchwillIhnen

aberAuszügeausdiesemGedichtnichtvorenthalten:

„ArbeitmachtdasLebensüß,

DiesesgiltfüralleZeiten,

unddieWege,diesiewies,

sollderbraveMannbeschreiten;

WodieArbeitWürdigungfand,

wosichrührtmanchefleiß’geHand

indemredlichstenBemühen

mußauchderErfolgerblühen.

DeutschlandistinNotundPein,

schmachtendindesUnheilsKetten,

nurdieArbeitganzallein

kannunshelfen,kannunsretten;

Arbeitist’s,dieWerteschafft,

inderArbeitliegtdieKraft,

diedasGlückvermagzuschmieden,

dieunsFreudebringtundFrieden.

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TrübeistdieGegenwart

undwirhabennichtszulachen.

ArbeitüberArbeitharrt,

umdasStaatsschiffflottzumachen.

NichtdieRedeundderRat,

nurdieArbeitunddieTat,

werdenschnellzumZieleführen,

daßdenSegenwirverspüren.“

WeitereInterpretationenundGedichte:

LuiseEliasmußtesichimJanuar1921ausderStadtverordnetenversammlungzurückziehenund

starbmitnur58JahrennachlangerschwererKrankheitam20.Oktober1923.

DiedritteSchwerterFrau,dieimWinter1918/19inderPolitikauftrat,warSofieLudwig.Für

den16.JanuarhattenmehrerekatholischeFrauenvereinezueinerVersammlungeingeladen,

beiderdieRednerin,ein„FräuleinBreuer“ausDortmund,dieAufgabender

Natioalversammlungumrißund–wieschonLuisevonWinterfeldimDezember–überdie

WahlpflichtderFraugesprochen.SofieLudwigleitetedieVersammlungundführtemiteinem

ÜberblicküberdieLagedesVaterlandesein.SofieLudwiglebteseit1887inSchwerteund

wurdespäterKonrektorinderHaselackschule.Die1863inBadHonnefgeboreneFrauwarin

jungenJahrenmitihrerFamilienachRußlandausgewandert,woderVaterals

Vermessungstechnikerarbeitete.NachihrerRückkehrvondortwurdesieinArnsbergals

LehrerinausgebildetundkamüberHallenbergnachSchwerte.HierarbeiteteihrBruderJosef

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hieralsPostbeamterundvertratseit1913dasZentrumalsStadtverordneter.Beider

Kommunalwahl1919kandidiertenbeidefürdiesePartei,eralsNr.3undsiealsNr.6.Beide

wurdengewählt.SofieLudwiggehörtebis1931derStadtverordnetenversammlunganundstarb

1941inSchwerte.IhrpolitischesEngagementfürdieZentrumsparteiteiltesiemitvielen

katholischenLehrerinneninWestfalen.HedwigDransfeld,VorsitzendedesKatholischen

FrauenbundesDeutschlandundLehrerininWerl,motiviertevieleandere,sichfürdieBelange

derkatholischenFrauenindieKommunalpolitikeinzusteigen.

BevorichaufdasWahlsystemunddieWahlergebnissezusprechenkomme,mußnocheine

politischeEntwicklunginSchwertezurJahreswende1918/19zusprechenkommen:die

AbspaltungdeslinkenFlügelsderSPDunddieGründungeinereigenenUSPD-Ortsgruppe.Bis

EndeDezemberbliebdieMehrheitssozialdemokratieinSchwerteunangefochten.ImBergischen

LandbisnachHagen-Schwelmwaren1917dieallermeistenAnhängerderSPDzurUSPD

gewechselt.SiewolltendieBewilligungvonKriegskreditennichtlängermittragen.DieUSPDwar

jedochaußerhalbdesBergischenLandesunddeswestlichenRuhrgebietsnurschwachin

Westdeutschlandschwachvertreten.SchwertegehörtezumWahlkreisDortmund-Hördemit

einemdominantreformistischenKursderSozialdemokratie.ErsterWiderstanddagegenerhob

sichinder„SchwerterZeitung“am30.Dezember1918perAnzeige.AchtArbeiterprangerten

MißständeimArbeiterratanundberiefenfürdenAbendeineProtestversammlungimReiche

desWassersein.Siewarvon1000Personenbesucht.Esgingu.a.umUngerechtigkeiteninder

MilchversorgungundumeineMißhandlungdurchPolizeisergeantKranefeld.Späterwurdeauch

nochbekannt,dieSchmalzversorgungüberdenSchlachthofnichtfunktioniere.Zudemtatsich

einstrukturellesProblemauf.DerVorsitzendedesSoldatenratsFabischwarfJöckelvor,zusehr

mitBürgermeisterRohrmannzupaktieren;erseiausgeschaltet.Jöckelbemühtesich,alle

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Vorwürfeauszuräumen,dochbliebderEindruckhaften,dassesnunmehrinSchwertenicht

wenigeAnhängerderUSPDgab,diederSPDkritischgegenüberstanden.Andiesem30.

DezembersprachenbereitsdreiPersonen,diebeiderKommunalwahlimMärzdieerstendrei

ListenplätzederUSPDbelegten,alsOpponentenvonJöckelauf:JuliusHenschel,HeinrichDöring

undRudolfSeegref.HenscheltraterstAnfangFebruarderUSPDbei.Am16.Januarspracher

nochfürdieMSPD,alsdercharismatischeDortmunderUSPD-SekretärMeinberginSchwerte

heftigeAttackengegendieMSPDritt.MeinbergverlangtediesofortigeSozialisierungaller

Betriebe,seineKorreferentinFrauHübnergriffGewerkschaftsführeran,diepolitischmotivierte

Streiksverhinderternwollten.ZahlreicheFrauenausderSchwerterArbeiterschaftwarenbei

denUSPD-Veranstaltungenanwesend.SiesolltenkünftigvonderUSPDverstärktangesprochen

werden.DieRedeschlachtam16.JanuargingimübrigennachMeinungdesRedakteurs

aufgrunddesBeifallsnochzugunstenderMSPDaus.DiesspieltesichdreiTagespäterinden

Wahlergebnissenwider.

Bevorwirdaraufzusprechenkommen,muß–wenigsteninGrundzügen–dasWahlsystem1919

erklärtwerden.Deutschlandwarin38Großwahlkreiseaufgeteilt.Schwertegehörtezum

größtenimReich:„Westfalen-Süd“.ErwaridentischmitdemRegierungsbezirkArnsbergund

umfaßte1,8MillionenMenschen.JederWahlkreiserhieltaufgrundderBevölkerungsstärkeeine

ZahlvonAbgeordnetenzugewiesen.Umdie15PlätzefürWestfalen-Südkonkurriertenfünf

Parteien,dieSieschonkennen:SPDundUSPD,Zentrum,DDPundDVP/DNVP.Aufden

SpitzenpositionenderListenstandenprominenteMänner.AufNr.1stelltedieSPDstellteMax

König,dasZentrumdenBergarbeiterführerHeinrichImbusch,dieDDPdenliberalenSiegener

GewerkschafterPaulZiegler,dieDVP/DNVPdenWattenscheiderBergmannWinnefeld.Frauen

tauchtenerstabNr.4auf.HierstandenKlaraBohm-Schuch(SPD)unddieDortmunderinAgnes

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NeuhausfürdasZentrum.

NacheinemintensivenWahlkampfgingenam19.Januar1919knapp7.000Menschenin

Schwerte.Mit90%lagdieWahlbeteiligungenormhoch–daszeigtdasüberwältigende

InteresseandieserWahl.SchwertewaraufgeteiltinfünfStimmbezirke,sodasswirgut

erkennen,woinderStadtdieeineoderandereParteipräferiertwurde.InderneuenSchuleam

MarktwähltediewestlicheAltstadt,inderSedanschule(=Eintrachtschule)dieneuen

Wohngebietehinzur„Eisenindustrie“.DieStraßenzwischenPostplatzundNickelwerkwählten

inderBismarckschuleinderKuhstraße.DerBezirk,derinderHaselackschulewählenging,

reichtevonderSchwerterheidebiszumNordwall.DersüdöstlicheStadtbezirkvomMarktbis

zurOstbergerstraßewählteinderhöherenTöchterschuleanderOstenstraße.

ImSchwerterGesamtergebnislagdieSPDklarmit48,1%vorne.Sieverfehlteaberhierwieauf

ReichsebeneihrZiel,dieabsoluteMehrheit,selbstwennmandieStimmenderUSPD(in

Schwerte1,2%)mitrechnete.ZweitstärksteKraftwardasZentrummit20,1%.Esbliebdeshalb

hinterseinemZiel,weilesoffenbarKatholikengab,dienichtZentrum,sondernwahrscheinlich

SPDwählten.DieDDPschnittmit17,7%gutab,vorallembesseralsDVP/DNVP,dienur13%der

Stimmenerreichten.Insgesamtläßtsichfesthalten:dieSchwerterwiediedeutscheBevölkerung

ingesamtwähltenmitDVP/DNVPdieParteienab,diedieStützendesKaiserreichsgewesen

waren.

DerBlickindieeinzelnenWahlbezirke(Tab.1)lohnt,denndieParteienhattenHochburgenund

Schwachstellen.DieStärkederSPDlagindenArbeiterviertelnrundumdieEisenindustrieund

demNickelwerk.DasZentrumverzeichneteüberdurchschnittlicheErgebnisserundumdie

katholischeKirche.DieDDPwarinderAltstadtgutvertreten,dieDNVP/DVPrundumSt.Viktor.

Tab.1:Wahlergebnisseam19.Januar1919inSchwertenachWahlbezirken(in%)

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Wahlbezirk USPD DDP Zentrum SPDDVP/

DNVP

I:westliche

Altstadt

(neueSchule

amMarkt)

0,4 28,8 16,1 22,7 14,4

II:neue

Wohngebiete

(Sedanschule

)

2,8 10,2 22,7 56,3 8,0

IIInördlicher

Stadtbezirk

(Schule

Kuhstraße)

0,9 14,9 20,6 50,0 13,6

IV

nordöstlicher

Stadtbezirk

(Haselacksch

ule)

1,7 15,6 24,9 45,8 12,0

Vsüdlicheru.

südöstlicher

Stadtbezirk

0,8 17,0 15,7 49,7 16,7

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(Mädchensch

le)

Schwerte

insgesamt1,2 17,4 20,1 48,1 13,0

EineWochenachdemWahlenzurNationalversammlungmußteschonwiedergewählt.Obwohl

dieZukunftPreußens,desgrößtendeutschenTeilstaates,zudiesemZeitpunktnochoffenwar,

entschiedmansich,dieWahlimAbstandvonnureinerWocheanzusetzen.Sokonnten

Synergieeffektegenutztwerden.DieWahlbeteiligungam26.Januarsank.Rundfünfhundert

WählerinnenundWählerwenigergingenandieUrnen.DasErgebniswichkaum,nurumwenige

ProzentpunktevonderWahlzurNationalversammlungab.BeigenauererBetrachtungfälltauf,

dassdieNichtwählereineWochefrühervorallemSPDgewählthabenmüssen.DieUSPD

gewannrelativundabsolutmehrStimmen,vorallemrundumdieBeckestraße.Inder

NachbetrachtungverändertesichimJanuardasVerhältniszwischenbeidenParteien.Beider

WahlzurpreußischenLandesversammlungkandidierteübrigensdereinzigeSchwerterim

WahlkreisWestfalen.KonradHeinzerlingvertrataufPlatz9dieDDP.ErwarEisenbahnbeamter,

gebürtigausSiegenundwohntenurkurzinSchwerte.InderheißenWahlkampfzeitimJanuar

undFebruar1919hatteerhäufigdieLeitungderDDP-Veranstaltungeninne.

BeidenStadtverordneteninSchwertestießdieAnkündigungderpreußischenRegierung,bis

spätestenszum2.MärzNeuwahlanzusetzen,aufkeineBegeisterung.SiewolltendieseWahl,zu

dersicheinEndeihrerMachtaufgrundderJanuarergebnisseabzeichnete,solangewiemöglich

hinausschieben.Siesprachenvoneiner„DiktaturderjetzigenMachthaber“,diedieseWahl

einfachverfügthätten.11DerDirektorderNickelwerkeTerbrüggendrohteinderSitzungam10.

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FebruarmiternstenKonsequenzen.Waspassiere,wenndieNickelwerkeHauptverwaltungund

TeilederProduktionverlegten?SchließlichseidieStadtaufdieIndustrieangewiesen.

UngeachtetsolcherDrohungensetzteinderzweitenFebruarwoche1919einelebhafte

Diskussiondarüberein,wersichzurKommunalwahlstellensolle.VonderGrößederStadther

wurdederKreisderzuwählendenMandatsträgerauf30stattbisher18ausgeweitet.Mehrere

EntscheidungenfielenimVorfeld.DieSPD-LeitungimRaumDortmund/Hördeweigertesich,

Listenverbindungenmitandereneinzugehen.SolcheEinheitslistenwarenimländlichen

Westfalenüblich.SieschufenimVorfeldderWahleinenbreitenKonsens,wurdenaberin

IndustriestädtekonterkariertdurchdieInteressengegensätzevonArbeitern,kleinenundgroßen

Unternehmern.ImBürgertumverwahrtesichdieDDPgegendasAnliegen,derSPDwenigstens

einegeeinteListeentgegenzusetzen.StattdessenzerfieldasbürgerlicheLagerinmehrere

konkurrierendeListen.DasZentrumstandunterdemDruckseinesArbeitnehmerflügelsund

stellteeigeneKandidatenauf.EinzelneBerufsständesorgtensichumeineangemessene

RepräsentanzimRat.Sievermuteten,dasssieaufdenListenderübrigenParteienzukurz

kommenwürden.ZweivonihnenbewarbensichdeshalbinSchwerteumWählerstimmen:1)

dieHandwerkerundGewerbetreibenden,2)dieBeamten.FürdieBeamtenaller

Laufbahngruppenwardiesnachvollziehbar,wennsiekonnten1919erstmalsvom

KoalitionsrechtGebrauchmachen.DieHandwerkerwarenangestacheltvomWestfälischen

Handwerkerbund,dermassivdieInteressenseinerKlientelgegenIndustrieundArbeiterschaft

verteidigte.

InSchwertevermehrtesichsomitdieZahldereingereichtenListenaufsieben,alsozweimehr

alsbeiderWahlzurNationalversammlung.DiesmalstandenPersönlichkeitenzurWahl,die

WählerinnenundWählernnichtunbekanntblieben,wiebeidenfrüherenWahlenimJanuar.

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DieAnalysederam25.Februar1919inderSchwerterZeitungveröffentlichtenKandidatenliste

sowieihrerUnterstützergruppen,dieineinerAkteimStadtarchivvorliegen,istdeshalb

aufschlußreich.Werwarendie143Personen,dieam2.März1919kandidierten?

DieSPDsetzteaufdenbewährtenHeinrichJöckelanNr.1,gefolgtvomEisenbahnschlosser

WilhelmBurgemeisterundvonLuiseElias.Dieübrigen27Plätzefielenüberwiegendan

FabrikarbeitersowieanzweiBergleute.DerBerginvalideKarlSürigvonderSchwerterheide

standaufPlatz9.EineinzigerHandwerkerwarzufinden,BäckermeisterKuchheuserausder

Ostbergerstraße.NureineweitereFraufindenwiraufderSPD-Liste,AugusteBremsheyausder

TheodorstraßeaufPlatz18.SiewurdealsAugusteWerth1880inVilligstgeboren,warMutter

vonfünfKindern.1919reichteihrListenplatznicht,sierückteaber1920nach.Nachihrem

AusscheidenausdemRatwechseltesiezurKPD.BeimAngriffaufdieNickelwerkekamsieam

31.Mai1944umsLeben.

DieListedesZentrumswarvonArbeitern,AngestelltenundHandwerkerngeprägt.Arbeiter

JosefKemmerlingrangierteaufPlatz1.NebenSofieLudwigstandenzweiweitereFrauenauf

derListe.AnnaDahlbüddingwarFraueinesArbeitersausderFleitmannstraße,„FrauJosef

Tetampel“wohnteinderHaselackstraße.WegendesBauunternehmersCarlFrageausden

SedanstraßefehltenUnternehmernichtvöllig.

AufderListederBeamtenmachtesichbemerkbar,dassSchwerteeineEisenbahnerstadtwar.

Fünfder15KandidatenwarenEisenbahner,darunterdieNr.1BetriebswerksmeisterRudolf

KreckundalsNr.5BahnhofsvorsteherJuliusHesse.WirfindennebenPostbeamtenauch

StadtsekretärHeinrichSchulteunddreiLehrer,wobeiderWortführerdieserGruppe,

GymnasialprofessorHermannSöffing,nuraussichtslosaufdemletztenPlatzkandidierte.

AufderListederHandwerkerundGewerbetreibendenfindenwirbisindieGegenwarthinein

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bekannteSchwerterNamen:WirtHeinrichDuisberg,KaufmannOttoWilkes,Schuhmacher

FriedrichSteinschulte,BäckerFriedrichKohlhase,BauunternehmerWilhelmScherff,Konditor

AugustKöhle.

DieDVP/DNVPsetztemitdemProkuristenHeinrichBrandundDirektorTerbrüggenVertreter

derArbeitergeberseiteaufPlatz1und2.SelbstFräuleinAnnaWaltenbergistihrzuzurechnen,

dennihrVaterwarDirektorder„Eisenindustrie“.MitderLehrerinamLyzeumIdaScherftauchte

einezweiteFrauauf.Siefielspäterdadurchauf,dasssiespäterdieKaiserbilderinihrerSchule

wiederaufhing.DiescharakterisiertnichtnurihrepersönlicheHaltung,sonderndendieser

konservativenPartei.SieerfuhrUnterstützungdurchdieevangelischeKirche,dennPfarrer

GeorgWischnathkandidierteimhinterenTeilderListe.

DieListederUSPDumfaßtedreißigPersonen,sieschöpftealsoalseinzigenebenderSPDihr

vollesPotentialaus.DieKritikerderSPDvom30.Dezember,JuliusHentschel,HeinrichDöring

undRudolfSeegref,belegtendiePlätze1bis3.EsfolgteAlmaSinn,FraudesSchleifersWilhelm

Sinn,aufPlatz4.DieUSPDberücksichtigteinsgesamtneunFrauenaufden30Listenplätzen.

AllesamtwarensieArbeiterfrauen,darunterdieFrauenderdreiSpitzenkandidatenKlara

Döring,LuiseSeegrefundKatharinaHenschel.Wirwissenwenigübersieunddieübrigen:Maria

Neuhaus,MariaVorschütz,PaulaBerkenhoff,FranziskaVoß.SiesindvonderSchwerter

Stadtgeschichtsforschungnochnichtentdeckt,vielleichtweilsiebeiderWahldurchfielenoder

nichtaufvorderenPlätzenstanden.EinenGrundwillichnichtverschweigen:fastalleUSPD-

Kandidaten,obmännlichoderweiblich,warenbeiderEisenindustriebeschäftigt,stammtenaus

demViertelrundumdieBeckestraße,daspolitischimLaufderWeimarerRepubliknachlinks

wanderte,dielokalenKaderderKPDstellteundWiderstandgegendieNaziherrschaftausübte.

DiesmageinGrundfürihrBeschweigennachdemKrieggewesensein,dasichhiergerne

Page 19: Von Prof.Dr. Wilfried Reininghaus - Schwerter Mitte

aufbreche.

DieDDPstelltemitDr.FritzMestereinenerfahrenenKommunalpolitikeraufdenersten

Listenplatz,gefolgtvomZugführerKarlGorholtundArbeiterKarlMöhle.AgnesTütelmußtesich

hinterKaufmannCarlTrogundMetzgerAugustStörringaufPlatz6einreihen,abernochvor

dembekanntenGastwirtFrankaufderHagenerStraße.DiesertieferangesetzteListenplatzgab

amEndedenAusschlagdafür,dasssienichtgewählt.ÜberlegungenderParteienzur

Listenaufstellungwarentaktischgeprägt.SowohldasZentrumalsauchdieDDPrechneten

offenbardamit,rund20%derStimmenzuerreichen.DersechstePlatz,aufdemSofieLudwig

bzw.AgnesTütelstanden,warkritisch,abererwargeeignet,umFrauenzurStimmabgabezu

mobilisieren.BeimZentrumgingdieRechnungauf,beiderDDPnicht.MitFriedaOstermann,

eineHandwerkersgattin,erschienaufihrerListeeineweitereFrauaufPlatz12.BernhardStern,

dessenFrauLisewirkennengelernthaben,entschiedsichbewußtgegeneineKandidaturauf

einemvorderenPlatz.

Tab.2:Wahlergebnisseam2.März1919inSchwertenachWahlbezirken(in%)12

Wahlbezi

rkSPD

Zent-

rum

Beam-

te

Hand-

werker

DVP/DN

VPUSPD DDP

I:

westliche

Altstadt

(neue

Schule

26,7 10,7 9,6 18,6 9,0 5,1 20,3

Page 20: Von Prof.Dr. Wilfried Reininghaus - Schwerter Mitte

am

Markt)

II:neue

Wohngeb

iete

(Sedansc

hule)

40,8 22,8 5,4 7,5 6,6 12,5 4,3

III

nördliche

r

Stadtbezi

rk

(Schule

Kuhstraß

e)

45,2 18,0 11,4 4,5 10,3 3,0 7,7

IV

nordöstli

cher

Stadtbezi

rk

(Haselack

schule)

37,5 22,1 14,1 5,6 8,4 4,2 8,0

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V

südöstlic

her

Stadtbezi

rk

(Mädche

nschule)

39,3 15,0 7,4 8,4 11,1 4,0 14,7

Schwerte

insgesam

t

38,1 17,7 10,0 8,7 9,1 5,4 10,9

ImVergleichzudenWahlenimJanuarbedeutetedasErgebnisderWahlenzur

StadtverordnetenversammlungeineschwereSchlappefürdieSPD.SieverlorinSchwerte

innerhalbvonsechsWocherund10%derStimmen.Daslagzumeinenanderniedrigeren

BeteiligungdermüdenWählerinnenundWähler.Siesankvon89%auf68,4%der

Wahlberechtigten.DiesgingvorallemzuLastenderSPD.NehmenwirdieHochburgderSPD,

dasArbeiterviertelzwischenBeckestraßeundStadtmitte.Hierhattesie56,3%imJanuargeholt,

imMärznurnoch45,2%.Hierverlorsiemehralsdreihundertihrer648Stimmen.Dieser

WahlbezirklieferteinenweiterenwichtigenHinweis,warumdieMehrheitssozialdemokraten

beidieserWahlsogewaltigStimmeneinbüßten.DenndieUSPDlegtehierzuundkamauf

12,5%.ImGesamtergebnisderStadtsprangdieUSPDvon1,2%imJanuarauf5,4%imMärz.Das

reichte,ummitJuliusHenscheleinender30Stadtverordnetenzustellen.

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NichtnurdieSPD,auchdieanderenParteien,dieimJanuarangetretenwaren,littenunterdem

separatenAuftretenderBeamten-undHandwerker-Listen,dieeinknappesFünftelder

Stimmenaufsichvereinigten.AmwenigstentrafesdasZentrum,dasnur2,7%derStimmen

verlor.Andersformuliert:dasZentrumkonntedietreuenkatholischenAnhängerfürsich

mobilisieren.SchwergetroffenwardieDDP,die6,5%Stimmenverlor.MitgutenGründen

hattensieindenWahlanzeigenEndeFebruardieBeamtenunddieHandwerkerdesEgoismus

bezichtigt–sieschienihreStimmverlustegeahntzuhaben.133,4%Stimmenbüßteaberauchdie

ListevonDVP/DNVPein.DieverstecktenDrohungenihresSpitzenkandidatenTerbrüggenhatten

keineWirkunggezeigt.

WasbedeutetedasWahlergebnisfürdieSitzverteilungunterdenStadtverordneten?DieSPD

stellte12der30Sitze,dasZentrum5,DVP/DNVP,DDP,HandwerkerundBeamteje3,dieUSPD

einenSitz.ZweiFrauenhieltenEinzug:LuiseEliasundSofieLudwig.ImSchwerter

StadtparlamentgabeseinebürgerlicheMehrheitgegendieSPD.DieersteSitzungam20.März

eröffneteBürgermeisterRohrmann.14Ersagteu.a.„endlichsindauchFrauengewählt“.

RohrmannbenannteneinenganzenAufgabenkatalog,dendieStadtzubewältigenhabe:den

Wohnungsbau,denAusbauderSchulen,dieBewältigungdesKriegsunddieanstehenden

VersorgungenderKriegsbeschädigtenundHinterbliebenen.DieStadtverordnetenwähltenden

SozialdemokratenHeinrichJöckelzumVorsitzenden,zuseinemStellvertreterDirektor

Terbrüggen.NursechsWochen,nachdemdieseWahlenzuoktroyierten,aufgezwungenen

deklariertwurde,hattenoffenbardieParteienundGruppierungenihrenFriedenmitderneuen

demokratischenOrdnunggemacht.SiegingengleichandieparlamentarischeArbeit.Die

HaushaltsdebattedieseserstenfreiundgleichgewähltenSchwerterStadtparlamentskreisteum

dieSteuernunddiewirtschaftlicheLage.DieDDPforderteeineSteuererhöhungundlöstedamit

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einelebhafteDebatteaus,weilunklarblieb,werdieSteuerlasttragensolle.ZentrumundSPD

wolltendiekleinenEinkommenverschonen.DemstimmteauchTerbrüggezu,warntejedoch

wiedervoreinerAbkehrderLeutemitgroßemEinkommen,fallsdieSteuernzuhochgeschraubt

würden.


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