Was ist Biodiversität –und was hat das mit mir zu tun?
Seminar Biodiversität begreifen – gewusst wie!28. Jänner 2016, Steinschaler Dörfl
Dr. Julia Kelemen-Finan, Niederösterreichische Naturschutzakademie
R. Sinn J. Kelemen-Finan R. Sinn J. Kelemen-Finan
Grundsätze:Gemeinnütziger Verein, parteipolitisch neutral u. unabhängig
Ziele: Förderung des Dialogs zwischen Forschung und PraxisPlattform für FortbildungsangeboteVermittlung von Wissen über ökologische und ökonomische
Zusammenhänge
Aktionsradius (bisher):Niederösterreich, Burgenland, Wien
Wer ist die NÖ Naturschutzakademie?
Österreichische Biodiversitätsstrategie 2020+(BMLFUW 2014) Naturschutzkonzept Niederösterreich (2015) Österreichische Strategie zur Bildung für
nachhaltige Entwicklung (BNE, 2008)Mitglied im Netzwerk Umweltbildung
Niederösterreich (seit 2014)
Übergeordnete Prinzipien der NAK
Biologische Vielfalt: Vielfalt des Lebens auf der Ebene derLebensräume, Arten und Gene.
„Biodiversität bedeutet die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft,darunter u.a. Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme, und die Komplexe, zudenen sie gehören: dies umfasst die Vielfalt der Arten und zwischen den Arten und dieVielfalt der Ökosysteme.“(CBD, Artikel 2, www.cbd.int)
Weltweites Bekenntnis zum Schutz der Biodiversität:„Biodiversitätskonvention“ (CBD) Rio 1992
Rechtliche Verankerung in Österreich: u.a. in den Landesnaturschutzgesetzen Wichtigstes Instrument zur Implementierung in der EU: Natura 2000-
Verordnungen (FFH- und Vogelschutzrichtlinie)
1. Was ist Biodiversität?
Ökosystem(dienst)leistung (ecosystem services):„Nutzenstiftungen“ bzw. „Vorteile“, die Menschen vonÖkosystemen beziehen. (Millennium Ecosystem Assessment 2005,TEEB)
Ökosysteme erbringen Leistungen, ohne die Leben auf der Erde nichtdenkbar wäre.
Bedeutung der Biodiversität
VersorgungsleistungenNahrungsmittelRohstoffe (Pflanzen als Bau- undBrennmaterial)Rohstoffe für ArzneimittelSüßwasser
RegulierungsleistungenKlima und LuftqualitätKohlenstoffabscheidung und –speicherungAbschwächung v. ExtremereignissenAbwasserreinigungErosionsvermeidung und BodenfruchtbarkeitBestäubungSchädlingsbekämpfung
UnterstützendeLeistungen/LebensräumeHabitate für Tier- undPflanzenartenErhaltung der genetischen Vielfalt
Kulturelle LeistungenErholung und Gesundheit2
TourismusÄsthetischer GenussAnregung für künstlerische und kulturelleLeistungenSpiritualität und Heimat
Ökosystemleistungen: Klassifikation1
1 Quelle: bearb. nach: Wittmer & Gundimeda (Hrsg.) 2013: TEEB – Die Ökonomie von Ökosystemen undBiodiversität für kommunale und regionale Entscheidungsträger, www.teebweb.org2 UWD 2015: Biodiversität und Gesundheit: Biologische Vielfalt erhalten heißt Gesundheit schützen
Bedeutung der Biodiversität für Ökosystemleistungen: Oft sind artenreiche Ökosysteme funktionstüchtiger als artenarme (Baur 2010). Intensive Bewirtschaftung kann die Artenvielfalt reduzieren > Abnahme der Dienstleistung Nicht für jede Art ist die „Funktion“ bekannt, manche können auch redundant sein.
Grenzen des ÖDL-Ansatzes: viele Datengrundlagen fehlen Bewertungsgrundlage ist oft der Zahlungsbereitschafts- oder Ersatzkosten- Ansatz Viele „Trade-offs“ rein anthropozentrische Perspektive
Pluspunkt: Inwertsetzung von Aspekten, die sonst gesellschaftlich als „selbstverständlich“eingestuft werden.
Biodiversität und Ökosystemleistungen
Ziel: Zustand erfassen > Veränderungen feststellen >Maßnahmen setzen
Erfassung der gesamten B. ist zu aufwändig Mögliche repräsentative Indikatoren:
Artenvielfalt in einer oder mehreren Gruppen (z.B.: Pflanzen, Vögel, Tagfalter,Heuschrecken, Bodenorganismen…)
Indirekte Indikatoren wie Vegetationstyp oder Landnutzungsart, Flächenbilanzen…
Bsp. für Indikatoren, die in EU u. Ö verwendet werden: der „günstige Erhaltungszustand“ von Natura 2000 - Arten und Lebensräumen
(verankert in Artikel 17-Bericht der Mitgliedstaaten) Feldvogel-Index, Waldvogel-Index, Tagfalter-Index für ausgewählte häufigere & seltenere
Arten
Biodiversität Messen und Bewerten
Zustand der Biodiversität in Österreich 1
Lebensräume:In der Kontinentalen Region sind nur die „felsigenLebensräume und Höhlen“ in günstigem Erhaltungszustand(grün)!
LRT in ungünstigem oder schlechtem EZ…
Fotos: J. Kelemen-Finan
Zustand der Biodiversität in Österreich 2
Arten:In der alpinen Region:Nur 18% der geschützten Arten sind in einem günstigenErhaltungszustand! (grün)In kontinentalen Region: nur 13% günstig*• am besten: Säugetiere (ohne Fledermäuse)• am schlechtesten: Käfer, Fische & Krebse, Reptilien, Amphibien
*Biber, Per Harald Olsen CC BY-SA 3.0
*Fischotter, B. Landgraf, CC-BY-SA3.0
*Gr. Feuerfalter, Jeff deLonge CC-BY-SA3.0
Arten in ungünstigem oder schlechtem EZ…
D. W. Ameisen-bläuling, Kelemen Schlingnatter, Ch.Fischer CC BY-SA 3.0
Gelbbauchunke, Ch.Fischer CC BY-SA 3.0Ziesel, Jan Svetlik CC BY-SA 2.0 http
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Zustand der Feldvögel
Feldvogelindex: zw. 1998 und2014 um 42% zurückgegangen!
Verschlechterung gerade auchbei (ehemals) häufigen Vögeln!
Fotos: © BirdLife, Josef Limbergerhttp://www.birdlife.at/presse/2015-12-22-birdlife-oesterreichs-feldvoegel-weiter-im-sinkflug.html
Rebhuhn
Kiebitz
Quelle:http://www.birdlife.at/downloads/BirdLife_Broschuere_Voegel-und-Landwirtschaft.pdf
Gründe für den Biodiversitätsverlust
Quelle: Art.17 Bericht 2013,http://bd.eionet.europa.eu/activities/Reporting/Article_17/Reports_2013/
Fotos: J. Kelemen-Finan
2. … und was hat das mit mir zu tun?
…Biodiversität positivzu erleben: Spaßfaktor!
… Biodiversität zubeobachten und erforschen
…Handlungskompetenzzu erlangen
NaturvermittlerInnen bringen der BevölkerungBiodiversität näher…
Biodiversität beobachten u. erforschen
warum?Film
Beobachten lernen Aussagen hinterfragen und kritisch beurteilen Probleme lösen lernen
… im Sinne der Kompetenzmodelle derBildungsstandards in ö. Schulen
„Erkundende Naturerfahrung“: warum?
Citizen Science:Biodiversität erleben und erforschenmit „Laien“
Ziele von Citizen Science („Bürgerwissenschaft“):BewusstseinsbildungBeitrag zur Forschung
Projekt: Natur vor der Haustür – Citizen Science macht Schulehttp://naturvorderhaustuer.boku.ac.at/
Projekt mit 16 Schulen, > 500 SchülerInnen, zum Beobachten und Erforschen vonausgewählten Arten in Gärten und Parks, und den Zusammenhang mit derGartenausstattung und -bewirtschaftung:
WildbienenSchmetterlingeVögelIgel
Wildbienen
Facts: ca. 650 Wildbienenarten in Österreich Ökosystemleistungen: 20% der Arten sorgen
für 80% der Bestäubung bei Kulturpflanzen
Beobachtungen derSchülerInnen: Flugdauer der Roten und
Gehörnten Mauerbiene 2015: > 85 Nisthilfen,
Dateneingaben von 54Gärten
5 Diplomarbeiten an HAKund HTL
Foto
s: J.
Kele
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„Dem Igel auf der Spur“
Aufgabe: Vorkommen von Igeln (und anderen
nachtaktiven Arten) festzustellen
Spuren im Igeltunnel (in 76 Gärten): Nr. 1 – Katzen (62 % aller Gärten) Nr. 2 – Igel (54 %) Nr. 3 – Mäuse/Kleinsäuger (12 %)
Quelle: S. Winter et al. (2015): Natur vor der Haustür –Citizen
Science macht Schule. Zwischenbericht 2015. BOKU Wien.Zum Mitmachen:http://igelimgarten.boku.ac.at/
„Vogelpaten“
Beobachtungen derSchülerInnen in Gärten (2015): Pro Beobachtung: 9 Vögel
und 7 Vogelarten Pro Garten: 13 Vögel und 8
Vogelarten Häufigste Arten – Top 3 –
decken sich mit Stunde derWintervögel (BirdLife Ö) undStunde der Gartenvögel(NABU D)
Quelle: S. Winter et al. (2015): Natur vor der Haustür -Citizen Science macht Schule. Zwischenbericht 2015. BOKU Wien.
Vogel-Facts: 119 Brutvogel-
Arten in Wien
„Falterjäger“
Beobachtungen der SchülerInnen: 16 Zielarten 126 Erhebungen aus 81 Gärten Mittlere Artenzahl pro Garten: 2 Häufigste Arten: „Kohlweißling“,
Zitronenfalter undTagpfauenauge
Tagfalter-Facts: Wien: 137 Arten NÖ: 175 Arten
Quelle: S. Winter et al. (2015): Natur vor der Haustür -Citizen Science macht Schule. Zwischenbericht 2015. BOKU Wien.
Olaf Leillinger CC BY-SA.3.0 Joerg Hempel CC BY-SA2.0 Joerg Hempel CC BY-SA.2.0
Beliebtheit der Tiere:• Vor Beginn (rot): Vögel am
beliebtesten• Am Ende (blau): Igel am
beliebtesten• Beliebtheit der Bienen ist
stark angestiegen
Quelle: S. Winter et al. (2015): Natur vor der Haustür -Citizen Science macht Schule. Zwischenbericht 2015. BOKU Wien.
SpaßfaktorBefragung der SchülerInnen zum CiSci Projekt
Generell beurteilten die SchülerInnen dasProjekt sehr positiv, am besten dieVolksschülerInnen
SchülerInnen und LehrerInnen möchten selbst etwaszum Schutz der Arten beitragen
Handlungskompetenz erlangen
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um dabei zu helfen, die Arten zuschützen
aus Interesse an den Arten
um mit meinen Freunden zusammendaran zu arbeiten
um einen Beitrag zu „echter“ Forschungbeizusteuern
um wissenschaftliches Arbeiten zulernen
um neue Leute kennen zu lernen
Gründe, wieder an einem Citizen Science Projekt teilnehmenzu wollen; in %, n=71
Quelle: Kelemen-Finan et al (2013): Citizen Science – voll cool oder nur doof? NuL 45/2013
PädagogInnen und Biodiversität 1
Abb.: „Haben Sie innerhalb der letzten fünf Jahre mit einer Schulklasse einProjekt zum Thema Biodiversität und/oder Naturschutz durchgeführt, das mitFreilandarbeit verbunden war?“; n=571 (österreichweit), (Schultypen: p < .05);
Bisherige Teilnahme an Projekten zum Thema Biodiversität:Die meistenProjekte inVolksschulen undPrivatschulen(Montessori u.a.)
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Ergebnisse einer österreichweiten Befragung von Lehrpersonen (n=571)
PädagogInnen und Biodiversität 2
Abb.: „Ich erkenne viele auffällige heimische Insekten (z.B. ….) undkann Aussagen zu deren Lebensweise machen“, bzw. „Ich kann diemeisten heimischen Pflanzen bis auf Artniveau bestimmen“; n=571.
Biodiversitäts-Kenntnisse:
Beste Artenkenntnis(Selbsteinschätzung):Lehrpersonen inGymnasien, zw. inBHS;geringste inVolksschule
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PädagogInnen und Biodiversität 3
Abb.: Bereitschaft der Lehrpersonen, ein neues Klassenprojekt im Freilandzur Förderung des Biodiversitätsverständnisses (…) durchzuführen, undbevorzugte Konzeption des Projektes; n=571; p < .05.
Lust auf weitere Biodiversitäts-Projekte:
Bevorzugtes Formatvon B.-Projekten:Als „fertiges Paket“mit externenExpertInnen;v.a. in Volks-,Hauptschule und NMS
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>>> Potentialfür Natur-VermittlerInnen!?
Veranstaltungen d. NAK zur Biodiversität
1. Fach-Fortbildungen
2. Fortbildungen f.MultiplikatorInnen
4. Austausch,Vernetzung, F&E
3. Naturerlebnismit Biodiversitäts-Aspekten
Veranstaltungen mit Biodiv.-Bezug1. Fach-Fortbildungen
ZG: Planer, Biologen,...Inhalt: Tiergruppen, Lebensräume,Technische Tools, SprachenFormat: 1- bis mehrtägiger Kurs zumSelbstkostenpreisÜ.Z: BD Strategie Ziel 1&2*;Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
*Ö. Biodiversitäts-Strategie:Ziel 1: Bedeutung der Biodiversität istvon der Gesellschaft anerkanntZiel 2: Biodiversitätsforschung und –monitoring sind ausgebaut
Veranstaltungen mit Biodiv.-Bezug
2. Fortbildungen für„MultiplikatorInnen“ZG: PädagogInnen, NaturvermittlerInnenI: jährl. wechselnde fachliche Schwerpunkte (Tagfalter,TR, Wegesrand); Toolkit: Testen von spez. Materialenu. MethodenF: halbtägig (NM), oder Lehrgang; an verschiedenenSchulstandorten; kostenlos; oft in Kooperation mitStudierendenÜ.Z: BD Strategie Ziel 1*; BNE
*Ö. Biodiversitäts-Strategie:Ziel 1: Bedeutung der Biodiversität istvon der Gesellschaft anerkannt
Veranstaltungen mit Biodiv.-Bezug3. Naturerlebnis mitBiodiversitäts-AspektenZG: Bevölkerung, Schulklassen, Kinder, FamilienInhalt: Begegnung mit Tieren und Pflanzen imnatürlichen Lebensraum;„Praxischeck“, um in Kontakt mit denNaturvermittlern zu bleibenJährlich verändert, „experimenteller Charakter“Format: halb- bis mehrtägiger Kurs zumSelbstkostenpreis od. kostenlosÜ.Z: BNE, BD Strategie Ziel 1*
*Ö. Biodiversitäts-Strategie:Ziel 1: Bedeutung der Biodiversität istvon der Gesellschaft anerkannt
Veranstaltungen mit Biodiv.-Bezug
4. Austausch, Vernetzung,F&EZG: Forschung, Naturschutz(büros),Behörden, LandnutzerInhalt: Wissenstransfer, Anregung für BD-Forschung & EntwicklungFormat: Tagungen, Workshops, Exkursionen,zum SelbstkostenpreisÜ.Z: BNE, BD Strategie Ziel 1, 2, 3, 10*
*Ö. Biodiversitäts-Strategie:Ziel 1: Bedeutung der Biodiversität ist von derGesellschaft anerkanntZiel 2: Biodiversitätsforschung und –monitoringsind ausgebautZiel 3: Land- und Forstwirtschaft tragen zurErhaltung und Verbesserung der Biodiversität beiZiel 10: Arten und Lebensräume sind erhalten
© H. Seehofer
…. sowie Weiteres auch aufWunsch bzw. fürgeschlossene Gruppen…
Spez. Weiterbildung zu Citizen Science
3 Semester (Juli 2016 –Aug. 2017)
7 Lehrgangsblöcke, meistFreitag + Samstag
Eigenes Projekt wirdumgesetzt
Seminarstandorte: Wienund Umgebung
Exkursionen Lernplattform „moodle“
www.agrarumweltpaedagogik.ac.at>Fort- und Weiterbildung>>Lehrgänge>>>LG Citizen Science
Citizen Science Film:https://www.youtube.com/watch?v=unm4caE_WLg
[email protected] der NÖ Naturschutzakademie:http://www.naturschutzakademie.at/index.php/naturschutzakademie-veranstaltungenUnterlagen und Druckvorlagen der BOKU für Projekte zum download:http://naturvorderhaustuer.boku.ac.at/downloads/http://igelimgarten.boku.ac.at/Literaturempfehlung:Bruno Baur (2010): Biodiversität. UTB, Haupt Verlag, ISBN 978-3-8252-3325-9
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Foto: H. Höttinger