Transcript

Hilfe im TrauerfallWENN EIN MIETER STIRBT, GIBT ES EINIGE RECHTLICHE DINGE ZU BEACHTEN

Stirbt ein Mieter, können die Erben den Vertrag auflösen und die Schlüssel an den Vermieter zurückgeben.Müssen sie aber nicht: Denn Angehörige müssen nicht aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen – derMietvertrag bleibt in der Regel weiterhin in Kraft. FOTO: SEBASTIAN WILLNOW

„Anhaltspunkt füreinen gemeinsamen

Haushalt ist aucheine gemeinsameHaushaltskasse“

Michael EggertMietrechtsanwalt

„Das Mietverhältniswird mit den Erben

fortgesetzt, fallskein Mitbewohner inden Vertrag eintritt“

Ulrich RopertzDeutscher Mieterbund

Der Mietvertrag bleibt nachdem Tod erst einmal bestehenVON MONIKA HILLEMACHER

Mitbewohner eines verstorbe-nen Mieters sind vor demRauswurf aus der Wohnunggeschützt. Der Gesetzgeber hatentsprechende Regeln aufge-stellt. Die wichtigste lautet: Derbestehende Mietvertrag läuftzunächst weiter. Der Vermieterkann also auch nach dem Toddes Mieters Mitbewohnernicht einfach vor die Tür set-zen. Laut dem BürgerlichenGesetzbuch rutschen Partneroder Kinder automatisch indas Mietverhältnis hinein, so-fern sie schon zuvor mit in derWohnung gelebt haben (BGB,Paragrafen 563, 563a).

Auch Verwandte, beispiels-weise Onkel, Cousinen, Oma,aber auch Freunde und WG-Mitbewohner dürfen in der Re-gel in der Wohnung bleiben.

Voraussetzung: Sie haben mitdem Gestorbenen einen ge-meinsamen Haushalt geführt.„Anhaltspunkte dafür sind lan-ges Zusammenleben, eine ge-meinsame Haushaltskasse,keine andere Partnerschaft“,sagt Mietrechtsanwalt MichaelEggert.

Der Mitbewohner über-nimmt den Vertrag mit allenRechten und Pflichten. Das be-deutet: Wer sein sogenanntesEintrittsrecht nicht nutzenwill, muss den Vermieter infor-mieren – und zwar innerhalb

eines Monats nach Kenntnisvom Tod des Mieters. Praktischkommt das einer Kündigungdes Vertrags gleich. Das Fort-setzen des Mietverhältnisseshat für den Vermieter hingegenenorme Auswirkungen. Denner hat kein außerordentlichesKündigungsrecht gegenüberdemjenigen, der in der Woh-nung bleiben will. Es sei denn,es gäbe einen wichtigen Kün-digungsgrund (BGB, Paragraf563 Abs. 4). Das ist beispiels-weise der Fall, wenn Eigentü-mer und der künftige Mietersich spinnefeind sind oderwenn jemand wegen Drogen-problemen oder Kriminalität

im Haus bereits mehrfach auf-gefallen ist.

Eigentümer können – andersals bei einer Neuvermietung –auch keine höhere Mietedurchsetzen. Außerdem dür-fen sie keine Neuregelung zuSchönheitsreparaturen oderzu den Nebenkosten vereinba-ren. „Sind diese im Altmietver-trag nicht geregelt, können sienicht neu eingeführt werden“,sagt Eggert. Das ist gerade beiälteren Menschen ein wichti-ger Punkt, die seit Jahrzehntenin ihrer Wohnung gelebt ha-ben.

Dem Eigentümer könnendadurch finanzielle Nachteileentstehen – vor allem in teurenBallungszentren. Eggert be-richtet von einer 350 Quadrat-meter großen Altbauwohnungin bester Münchner Lage. Da-für zahlte die alte Mieterin nurknapp 900 Euro. Nach ihremTod berief sich die Familie aufihr Eintrittsrecht. Der Eigentü-mer scheiterte mit seinem Vor-haben, die Wohnung für meh-rere tausende Euro neu zu ver-mieten.

Sterben alleinlebende Men-schen, bleibt der Mietvertragnach ihrem Tod weiter in Kraft.

„Das Mietverhältnis wird mitden Erben fortgesetzt, fallskein anderer Mitbewohner inden Vertrag eintritt“, erläutertUlrich Ropertz vom DeutschenMieterbund in Berlin. Der oderdie Erben müssen zunächst dieMiete weiter zahlen (BGB, Pa-ragraf 564).

Sie haben jedoch die Mög-lichkeit, die Wohnung inner-halb eines Monats mit einerFrist von drei Monaten zu kün-digen. Alternativ können siedas Erbe auch ausschlagen,um so das Mietverhältnis zubeenden. Das kann manchmalsinnvoll sein: Denn Erbenmüssen auch für Mietschuldenaufkommen, erläutert Ropertz.Außerdem sind sie Ansprech-partner des Eigentümers,wenn es um ausstehendeSchönheitsreparaturen geht.

Gegenüber Erben kann derVermieter den Mietvertragkündigen. Mit der Besonder-heit: „Das Schreiben muss analle Erben geschickt werden“,sagt Alexander Wiech vom Ei-gentümerverband Haus &Grund Deutschland. Umge-kehrt gilt: Wollen Erben dieWohnungen kündigen, müs-sen auch alle unterschreiben.

Alternativ kann ein Einzelnerdiese Aufgabe übernehmen.Dann braucht er aber Voll-machten der Miterben.

Wenn sich keine Angehöri-gen melden, sollte sich der Ei-gentümer zügig an das Nach-lassgericht wenden. Dort er-fährt er, ob es Erben gibt, die eranschreiben kann. Falls nicht,sollten Vermieter beim Nach-lassgericht eine Nachlasspfleg-schaft beantragen, rät Wiech.

Der Nachlasspfleger handeltstellvertretend für die unbe-kannten Erben. Ihm gegen-über kann der Vermieter denVertrag auflösen und Mietefordern. Auch wenn es prak-tisch erscheint: Das Geld vomKonto des gestorbenen Mieterskann der Vermieter nur einzie-hen, solange das Konto ge-deckt ist. Aus dem Erbe werdenauch Kosten etwa für die Räu-

mung der Wohnung oder Re-novierungen bezahlt. Auch da-rum kümmert sich der Nach-lasspfleger. Wenn kein Geld imNachlass ist, bleiben Vermieterlaut Wiech gegebenenfalls aufKosten sitzen.

Dennoch dürfen Eigentü-mer die Wohnung nicht auf ei-gene Faust leer räumen. Daswäre Hausfriedensbruch. Au-ßerdem kann ihnen Schaden-ersatz drohen, wenn späterbeispielsweise ein Erbberech-tigter auftaucht und die ent-sorgten Gegenstände zurück-fordert. Denn dann gilt: „DerVermieter hat das Beweispro-blem“, erklärt Eggert.

Auch Verwandte dürfen dieWohnung nicht einfach betre-ten, um sie auszuräumen. Soll-ten Mitbewohner des Toten insMietverhältnis eingetretensein, brauchen Angehörige de-ren Erlaubnis, bevor sie einenFuß über die Schwelle setzen.Und selbst dann dürfen dieVerwandten nicht einfach Ge-genstände – etwa Omas Spar-buch oder Schmuck – mitneh-men.

Nach dem Tod eines Angehörigen kommt für die Hinterbliebenen zur Trauer oft noch die Sorge um die Wohnung. Bei Mietwoh-nungen gilt: Für Mitbewohner des Verstorbenen greifen besondere Schutzregelungen. Gleichzeitig ergeben sich einige Pflichten.

Digitaler Nachlass sollterechtzeitig geregelt werden(tmn) Prinzipiell fällt der digi-tale Nachlass eines Toten unddamit der Zugang zu den On-line-Konten den Erben zu. DasProblem ist: „Ohne Zugänge zuden Konten können die Erbenden Nachlass kaum ordnungs-gemäß verwalten“, sagt Ste-phanie Herzog, Rechtsanwäl-tin und Mitglied des Ge-schäftsführenden Ausschussesder Arbeitsgemeinschaft Erb-recht im Deutschen Anwalt-verein (DAV). Ein Beispiel: Te-lefon- oder Stromanbieterschicken oft nur noch Online-Rechnungen. „Wie will mandie zahlen, wenn der Zugangzum Mail-Postfach fehlt?“,fragt Herzog.

Dabei ist die Organisationgar nicht so schwer, sagt Bar-bara Steinhöfel von der Ver-braucherzentrale. Sie rät, einehandschriftlich unterschrie-bene Vollmacht für eine Ver-trauensperson zu erstellen.

Darin steht idealerweise, wasgenau mit Online-Accountspassieren soll: Was wird ausdem Facebook-Konto? Werdarf über die Bilder auf demFlickr-Account verfügen?Steinhöfel empfiehlt, in derVollmacht ins Detail zu gehen:„Sonst kann die Vertrauens-person letztlich mit den Datenmachen, was sie will.“ Die Zu-gangsdaten für die Accounts

sollten in einem Dokument ge-sammelt sein, das zum Beispielauf einem gesicherten USB-Stick gespeichert ist. Das Pass-wort für den Stick sollte nurdemjenigen Menschen be-kannt sein, den man für denNachlass bevollmächtigt. ImTodesfall wird die Verwaltungdes digitalen Nachlasses damitviel einfacher für die Hinter-bliebenen.

Die Zugangs-daten für On-line-Accountssollten für dieHinterbliebe-nen in einemDokument ge-sammelt sein.

FOTO: THINKSTOCK

DU-K17

C5RHEINISCHE POSTDIENSTAG, 10. JANUAR 2017

Recommended