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32. FEBRUAR 2018

FREITAG

T h e m a

WIE SPORTVEREINE MIT AFD-MITGLIEDERN UMGEHEN: DEBATTE ÜBER AUSSCHLUSS

Scharfe Worte ohne rechtliche Wirkung

Der Präsident des Sportvereins Eintracht Frankfurt, Peter Fischer, hat andere Vereine in der Fußball-Bundesliga dazu aufgefordert, sich ebenfalls gegen die rechtspopulistische AfD zu positionieren. FOTO: DPA

Die AfD-Bundestagsabgeordneten wol-len einen eigenen Fußballverein grün-den, nachdem der FC Bundestag eini-

gen von ihnendieMitgliedschaft verweigerthat. „Die AfD-Kicker werden dem FC Bun-destag geschlossen fernbleiben und statt-dessen eine eigeneParlamentsfußballmann-schaft gründen“, sagte AfD-Fraktionsge-schäftsführer Hansjörg Müller dem „Spie-gel“. Dieser „Alternative FC Bundestag“werde allen Fraktionen offenstehen. „Wirgründen unseren Verein auf den WertenSportsgeist und Toleranz, gegen Hass undAusgrenzung, wiewir es vomFCBundestag

kennengelernt haben“, sagteMüller. Der FCBundestag hatte drei AfD-Parlamentarieraufgenommen.Müllerwar „auf hold gesetzt“worden, wie er berichtet hatte. Sein Frak-tionskollege Sebastian Münzenmaier da-gegen war ausdrücklich abgelehnt worden,weil er wegen Beteiligung an einem Über-fall auf Fußballfans zu sechs Monaten Haftauf Bewährung verurteilt worden war, wo-gegen er Berufung eingelegt hat. Insgesamthatten sieben AfD-Abgeordnete versucht,dem offiziellen Fußballklub des Parlamentsbeizutreten, dem aktuelle und frühere Mit-glieder des Bundestags angehören.

Alternativer FC Bundestag

Eswar der zentrale Satz in demInterview, das die „FAZ“EndeDezembermit Peter Fi-scher führte: „Es kann nie-mand bei uns Mitglied sein,

der die AfD wählt“, hatte der Ein-tracht-Präsident gesagt. Das war alsjuristische Festlegung verstandenworden, als Ankündigung der Ver-einsspitze, AfD-Mitglieder aus demVerein auszuschließen. Zweifel ander Praktikabilität im Bundesliga-Alltag waren schon damals erlaubt:Wie etwa sollte der FC Bayern mitseinen knapp 300000 Mitgliederneine AfD-Mitgliedschaft herausfin-den? Zumal die Partei in einem sol-chen Klima wohl kaum bereit wäre,ihre Datensätze herauszugeben.Mittlerweile hat Fischer relativiert,

dass es ihm nicht um denAusschlussvon AfD-Mitgliedern oder Wählerngeht. Doch die Debatte, ob dieProgrammatik der AfDmit denWer-ten eines modernen Profifußballver-eins vereinbar ist, ist in vollem Gan-ge. Und offenbar war das auch ge-nau das, was Fischer bezweckenwollte.Bei der FrankfurterMitgliederver-

sammlungamvergangenenWochen-ende klangen Fischers Klarstellun-gen jedenfalls eher als Aufforderungan Menschen mit rechtsradikalenEinstellungen, zu überprüfen, ob siegleichzeitig bei einem sich als welt-offen verstehenden FußballvereinMitglied sein können. Man könnenicht ein „Willensbekenntnis zuunserer Satzungabgebenundgleich-zeitig eins zu der von denAfD-Funk-tionären propagierten Gesinnung.“Dass sich die Eintracht so klar

gegen die AfD positioniert, kann da-bei nicht überraschen. Als der Thü-ringerAfD-RechtsaußenBjörnHöckevor einemJahr dasHolocaust-Mahn-mal in Berlin ein „Denkmal derSchande“nannte, gabEintracht-Vor-standsmitglied Axel Hellmann denTon vor. „Politische Neutralität hörtauf, wo Satzungsthemen, die bei unsverankert sind, verletzt werden.

schluss: „Ich finde es sehr löblich,dass sich ein Vereinsfunktionär maltraut, mehr zu sagen als die üblichenunverbindlichen Floskeln pro Tole-ranz. Aber das ist ein vereinspoliti-sches Statement ohne rechtlicheWir-kung.“ Mitglieder wieder loszuwer-den, sei zudemdeutlich schwerer alssie gar nicht erst aufzunehmen.Letzteres ist vielerorts ohne inhalt-

liche Begründung möglich, bestäti-gen Vereinssprecher aus der erstenund zweitenLiga.Undberichten vonVersuchen professioneller Schwarz-händler, einzutreten, um so an ver-günstigte Tickets zu gelangen. Hinundwiederwird auchVereinspolitikgemacht. So verweigerte Hannover96 im Juli vergangenen Jahres 119Eintrittswilligen die Mitgliedschaft,weil dieVereinsführung in ihnenOp-positionelle gegen die von MartinKind angestrebte Ausgliederungwähnte.Mitglieder können allerdings bei

den meisten Vereinen ausgeschlos-senwerden,wenn sie sich rassistischverhalten oder äußern.DynamoDres-den ging beispielsweise gegen Mit-glieder vor, die an denAusschreitun-gen gegenFlüchtlinge imDresdenerUmland beteiligt waren.AuchFischers Eintrachtwürdedas

so handhaben, unter Berufung aufParagraf 14 der Satzung „Der Aus-schluss kann nur bei vereinsschädi-gendem Verhalten besondererSchwere, insbesonderebei Fällen vonDiskriminierung, RassismusundGe-walt, erfolgen.“ Solche oder ähnlichformulierte Paragrafen haben diemeistenVereine in ihre Satzung auf-genommen.Auchder SCFreiburg,wodie Para-

grafen 2 und 4 den Ausschluss vonrassistischenAgitatoren rechtfertigenwürden. „Der SC hat in seiner Sat-zungWerte wie Solidarität und Fair-ness fest verankert. Der Verein trittrassistischen, verfassungs- und frem-denfeindlichen Bestrebungen ent-schieden entgegen“, erklärt einVer-einssprecher. Welche Partei ein Mit-glied wählt, das sich ansonsten sat-zungskonformverhält, habedenVer-

von CHRISToPH RUF Wenn sich ein Funktionär der AfDöffentlich sehr nahe an die Relativie-rung des Holocausts bewegt“, müs-se sein Klub Haltung zeigen.Eintracht-Präsident Fischer drück-

te sich 2013 im Interviewmit den „11Freunden“ sogar so deutlich aus, dassihmVerharmlosung vonGewalt vor-geworfen wurde: „Das braune Packsollte jede anständige Kurve selbst-ständig aus dem Block prügeln. Dashaben wir früher so gemacht, daswird in Frankfurt heute noch so ge-macht. Deswegen haben wir eine sogroße und bunte Szene, wo wirklichjeder willkommen ist, dessen Herzfür die Eintracht schlägt.“Dass die Frankfurter Funktionäre

sich so vehement von den Rechts-populisten absetzen, wundert denBerliner Philosophen und Sportwis-senschaftler Prof. Gunter Gebauernicht. „Das entspricht dem Geist inder alten Kaufmannstadt Frankfurt,die vielleicht die liberalste StadtDeutschlands ist.“ Doch so sympa-thisch Gebauer das klare Statementgegen rechts ist – lieber wäre es ihmgewesen, derVereinwürdenicht der-art mit Verboten kokettieren: „Es isteinewichtigeAufgabe vonVereinen,Demokratie zu organisieren und zuleben.“Debatten, die ja eineklareHaltung

nicht ausschlössen, seien ihm sym-pathischer als Zensur: „Mich erinnertdas andieBerufsverbote gegenKom-munisten aus denSiebzigern. Ichhat-te damals keinerlei Sympathie für dieSektierer von derDKP, abermich hates empört, dass sie nicht Beamtewer-den durften.“ Dass Werder Bremen2011 das damalige NPD-Vorstands-mitglied Jens Pühse ausschloss – einBeschluss, den das Landgericht Bre-men für rechtens erklärte –, heißtGe-bauer hingegen gut. „Aber bei allenkalkulierten Tabubrüchen und ver-fassungsfeindlichen Aussagen ein-zelner Funktionäre, ist die AfD dochdeutlich weniger radikal als dieNPD.“Dirk Kindsgrab, Sportrechtler aus

Essen, betont hingegen die juristi-schenHürdenbei einemVereinsaus-

ein allerdings nicht zu interessieren.„Parteipolitisch,weltanschaulichundkonfessionell verhält sich der SCneu-tral.“Ähnlich sieht es auch Markus

Aretz, Sprecher von Borussia Mön-chengladbach. „Ob jemand zurWahlvon SPD oder CDU aufruft, hat unsals Verein überhaupt nicht zu küm-mern.“Wer sich allerdings fremden-feindlich oder homophob äußere,müsse mit Konsequenzen rechnen:„Borussia sanktioniert VerstößegegendieseRichtlinien, in schwerenFällen auchmitVereinsausschlüssen.Wir kontrollieren nicht in jedemEin-zelfall, obVereinsmitgliederMitglie-der in politischen Parteien sind, be-haltenuns aber bei jedemAntrag aufMitgliedschaft vor, bei bekanntenGründen, die gegen eine Mitglied-schaft sprechen, diese zu verwei-gern.“Beim Deutschen Fußball-Bund in

Frankfurt betontmanderweil aufAn-frage, es gebe „vonunserer Seite kei-ne Richtlinie an die Vereine, wie mitMitgliedschaften zu verfahren ist.Auch mit einer juristischen Bewer-tung können wir Ihnen leider nichtdienen.“ Auch hier erfolgt der Ver-weis auf die DFB-Satzung, wo es inParagraf 2 heißt, man trete „verfas-sungsfeindlichen Bestrebungen so-wie jeder Form von diskriminieren-den oder menschenverachtendenEinstellungenundVerhaltensweisenentschieden entgegen.“Zurück zur AfD und nach Frank-

furt, wo Fischer am Sonntag seineBranchen-Kollegen aufgefordert hat,sich ebensodeutlich zupositionieren,wie er das getan hat: „Es wird aberhoffentlich Statements geben – ganzdeutliche. Und hoffentlich auchNachahmer.“ Es deutet vieles daraufhin, dass dieserWunsch realistischerist als die Fiktion von einem Vereinmit vielen tausend Mitgliedern, vondenen nicht ein einziger die AfDgewählt hat. Auch in der Main-metropole entfielen bei der vergan-genenBundestagswahl gut neunPro-zent der Zweitstimmen auf dieRechten.

Auch beim Hamburger SV gibt es Dis-kussionen über einen möglichen Aus-schluss von AfD-Mitgliedern. Peter

Gottschalk, Vorsitzender des Seniorenratsdes HSV, will darüber bei der Mitglieder-versammlungdesTraditionsclubs am18. Fe-bruar abstimmen lassen und hat einen ent-sprechendenAntrag eingebracht. „DieMit-gliederversammlung fordert das Präsidiumauf, dafür zu sorgen, dass AFD-Mitgliederoder gleichgesinnte PersonennichtMitgliedim Hamburger-Sport-Verein e.V. werdenoder derHSVFußballAGangehören“, heißtes. „Kein Platz für Rassismus! Toleranz und

Solidarität sind Werte, die innerhalb jederSportart zählen“, forderte der 76-jährige Pe-ter Gottschalk.Kritik kam prompt aus der AfD-Fraktion

derHamburgerBürgerschaft. „DerVorgangist skandalös“, schrieb Fraktionschef Ale-xander Wolf in einer Mitteilung. Erstens, soforderte er, solle Sport nicht mit Politik ver-mengt werden. „Zweitens: Während füh-rendeSportfunktionäre,VerbändeundSpit-zensportler immer wieder zu Toleranz auf-rufen, wird hier das genaue Gegenteil ge-fordert – Intoleranz pur“, meinte Wolf, dersich als bekennender Fan des Fußball-Bun-

desligistenbezeichnet. Es sei ein „seltsamesDemokratieverständnis, wenn man Mit-glieder der drittstärksten Partei im Deut-schen Bundestag stigmatisieren und aus-grenzen will.“Sein Parteikollege Kay Gottschalk, stell-

vertretender Bundesvorsitzender und nichtmit Peter Gottschalk verwandt, sagte: „Ichbin relativ entsetzt und werde bei dernächstenMitgliederversammlung des HSVauch das Wort ergreifen.“ Kay Gottschalkist seit 2005 Vereinsmitglied und hatte alsJugendlicher auch beim HSV Fußballgespielt.

Diskussion auch beim HSv

„Der SV WerderBremen setzt sichaktiv gegen Ge-walt, Rassismusund Diskrimi-nierung ein. (...)Wir können undwollen nicht dasWahlverhaltenunserer Mitgliee-der kontrollieren,aber wir sprechenunsere Mitgliederaktiv auf eine et-waige Verletzungunserer Wertean und forderneine Änderungihres Verhaltensein oder legen ih-nen den Austrittaus dem Vereinnahe.“

Hubertus Hess-Grunewald,Präsident des SV Werder

„Die Ultraszenewürde es definitivbegrüßen, wennWerder klare Kan-te gegen die AfDzeigen würde. Ichbin mir ziemlichsicher, dass dieUltras es gut fän-den, wenn WerderAfD-Mitgliederausschließen wür-de. (...) Es gab beiWerder ja auchschon einmalein Ausschluss-verfahren gegeneinen NPD-Poli-tiker. Das wurdein der Ultraszenepositiv aufgenom-men.“

Daniel Behmvom Fanprojekt Bremen

FOTO:CHRISTINAKUHAUPT

DPADPA

Jürgen
Hervorheben

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