4. Überarbeitete auflage
Wohlstand, armut & umverteilung in Österreich
Fakten und Mythen
inkl. fakten zu vermögen und reichtum
„Ihr werdet die Schwachen nicht stärken, indem ihr die Starken schwächt. Ihr werdet denen, die ihren Lebensunterhalt verdienen müssen, nicht hel-fen, indem ihr die ruiniert, die sie bezahlen. Ihr werdet keine Brüderlich-keit schaffen, indem ihr Klassenhass schürt. Ihr werdet den Armen nicht helfen, indem ihr die Reichen ausmerzt. Ihr könnt den Menschen nie auf Dauer helfen, wenn ihr für sie tut, was sie selber für sich tun sollten und können.“ Abraham Lincoln
Inhalt 3|
inhaltsverZeichnis
vorwort 5
fakten zu Wohlstand und reichtum 6Wie reich ist Österreich? 7Was ist vermögen? 8Wie groß ist das geldvermögen in Österreich? 8Wie ist das vermögen in Österreich verteilt? 9bewirkt eine vermögensteuer mehr umverteilung? 10vermögensteueraufkommen im internationalen vergleich 11substanzbesteuerung bedeutet enteignung 12Die Abschaffung der Vermögensteuer wurde mehr als kompensiert 12Werden erträge aus vermögen zu gering besteuert? 13Zahlen die „reichen“ zu wenig steuern? 13Zahlen die unternehmen zu wenig steuern? 14Zahlt „das Kapital“ zu wenig Steuern? 15der mythos „managergehälter“ 15
fakten zur armut 17Was bedeutet „armutsgefährdung“? 18„armutsgefährdung“ ist nicht gleich „armut“ 19die ursachen von armut 20Wie kann armut weiter verringert werden? 20der mythos „lohnquote“ 25soziale mobilität 26Wer zahlte die Krise? 27transfers und staatsschulden 28
fakten zur umverteilung 29lehren aus der „transferfalle“ 30der Wunsch nach umverteilung 31umverteilung historisch betrachtet 32nettotransferzahler und nettotransferbezieher 33umverteilung durch das steuersystem 35umverteilung durch staatsausgaben 37von der „einkommensschere“ zur „umverteilungszange“ 41der mythos „sinkende reallöhne“ 42umverteilung durch die sozialversicherung 43Gespaltene Gesellschaft durch Schutzschirm des Staates 46
Zusammenfassung der wichtigsten fakten 48
Vorwort 5|
Ein zentrales Ziel der Wirtschaftspolitik ist die Erhöhung des Wohlstandes und damit einhergehend die Steigerung der Lebensqualität und die Verringerung von Armut. Der wichtigste Hebel zu mehr Wohlstand ist eine höhere Produktivität als Ergebnis von Innovationsgeist, individueller Verantwortungsbereitschaft und richtigen Rahmenbedingungen.
In Österreich existiert „Armut im Wohlstand“ – um diese weiter zu verringern und damit den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erhalten, bedarf es auch eines gewissen Maßes an Umverteilung. Österreich gehört heute zu den am meisten umverteilten Ländern der Welt. Vor diesem Hintergrund stehen wir vor zweierlei Herausforderungen:
Erstens werden die Mittel nicht immer dorthin verteilt, wo sie der Allgemeinheit im Sinne von mehr Wohl-stand für Alle am besten dienen. Zweitens – und diesem Phänomen widmet sich die vorliegende Broschüre – wird der hohe Grad an Umverteilung von den Begünstigten nur selten wahrgenommen. Umverteilung kann nie die in jeder Gesellschaft vorhandene Ungleichheit und Vielfalt zur Gänze nach oben nivellieren. So bleibt trotz erheblicher Umverteilungsmechanismen in den meisten Fällen immer noch ein subjektives Gefühl von Ungerechtigkeit – das ist zumeist weder für die Transferzahlerinnen und Transferzahler noch für die Empfängerinnen und Empfänger zufriedenstellend.
Die vorliegende Broschüre soll auch in ihrer vierten überarbeiteten, aktualisierten und mit neuen Erkennt-nissen zum Thema „Reichtum und Vermögen“ angereicherten Auflage einen Beitrag dazu leisten, die Fakten zum Thema Umverteilung in Österreich transparenter zu machen. Sie zeigt den aktuellen Status-quo von Reichtum, Armut und Umverteilung. Es zeigt sich dabei, dass eine Minderheit in Österreich die Masse des umzuverteilenden allgemeinen Wohlstandes erwirtschaftet und damit im Wesentlichen das Sozialsystem aufrechterhält.
Das vorliegende IV-Papier ist frei von Forderungen oder normativen Zielvorstellungen und verfolgt die Absicht, oft unwidersprochenen politischen Mythen die Fakten gegenüberzustellen.
Mag. Christoph NeumayerGeneralsekretär
der Industriellenvereinigung
Dr. Clemens WallnerWirtschaftspolitischer Koordinator
der Industriellenvereinigung
Ausgaben für die lokale Polizei und das Feuerwehrwesen sAowie verschiedene andere Gemeinde- dienstleistungen.
Aufgaben6 |
faKten Zu Wohlstand und reichtum
Wie reich ist Österreich?
Österreich ist das drittreichste land der eu und das zehntreichste land der Welt, wenn man das BIP pro Kopf (kaufkraftbereinigt) vergleicht – also das, was im Land pro Jahr produziert wird und das, was sich die Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich leisten können. Diese Wohlstandsrechnung ist aber eine Ertrags-berechnung und gibt daher noch nicht darüber Auskunft, ob der Wohlstand auch zukunftsfähig ist – das heißt, ob auch die basis vorhanden ist, diesen Wohlstand auch in Zukunft erwirtschaften zu können.
Dazu benötigt man einen Vergleich des Vermögens der Volkswirtschaften, also des heutigen Barwertes der zukünftigen Konsummöglichkeiten. Diesen Vergleich hat die Weltbank im Jahr 2005 in ihrer Studie „Where is the Wealth of nations? – Measuring Capital for the 21st Century“ angestellt. Sie hat nicht nur die klassi-schen materiellen Vermögenswerte wie Maschinen und Gebäude, sondern auch die immateriellen Vermö-genswerte wie Humankapital berechnet. In dieser Studie belegt Österreich beim Pro-Kopf-Vermögen nach der Schweiz, Dänemark, USA, Deutschland und Japan den siebten Platz weltweit – noch vor dem rohstoffrei-chen Norwegen.
Interessant ist dabei die struktur des vermögens: Abgesehen von der Schönheit des Landes verfügt Öster-reich kaum über natürliche Ressourcen. Nur ein Prozent des heimischen Reichtums besteht aus natürlichen Rohstoffen, 15 Prozent aus festem Kapital wie Maschinen und Gebäude und der überwiegende rest (84 Prozent) aus dem Wissen und den fertigkeiten und dem Know-how seiner bevölkerung, der Qualität der Institutionen und dem Sozialkapital.
Das bedeutet: Wir haben in Österreich unseren Reichtum nicht den natürlichen Rohstoffvorkommen oder der Ballung von Finanzvermögen zu verdanken, sondern wir haben unseren Reichtum ausschließlich mit dem Leistungswillen, der Kreativität und der Innovationskraft der Menschen im Land erarbeitet.
Wie reich ist Österreich? 7|
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natürlichen Ressourcen
Maschinen und Gebäuden
Humankapital,Wissen, Know-how
Was ist Vermögen? | Wie groß ist das Geldvermögen in Österreich?8 |
Was ist vermögen?
Der Begriff „Vermögen“ wird in der öffentlichen Debatte immer nur auf Finanzvermögen beschränkt. Das ist falsch. In der Unternehmensbilanz setzt sich Vermögen sowohl aus Geld-, Immobilien- und sonstiges Sachvermögen, aber auch aus immateriellem Vermögen (Lizenzen, Urheberrechte, Patente, Markenwerte) zusammen. Für private Haushalte gibt es in der Wissenschaft keine präzise Definition von Vermögen, sondern lediglich „Usancen“.
Nach Aristoteles ist das Vermögen die aktive Potenz, also das Vermögen etwas hervorzubringen. Der Begriff „Vermögen“ umfasst somit das Vermögen eines Menschen, etwas aus sich zu machen. Angefangen vom Leistungsvermögen, vom Denkvermögen bis hin zum Durchhaltevermögen, dem Einfühlungsvermögen in andere Menschen und dem Erkenntnisvermögen im Kant‘schen Sinne. Soziale Netzwerke gehören genauso zum Vermögen einer Person wie das Wissen, die Talente, die Gesundheit, das Glück am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen zu sein, die richtigen Lehrerinnen und Lehrer gehabt zu haben oder die richtigen Personen zur richtigen Zeit kennengelernt zu haben. All das ergibt das Humanvermögen, das nicht weniger zur Chancengleichheit beiträgt als das Finanz- oder Sachvermögen.
Wie groß ist das geldvermögen in Österreich?
Das Geldvermögen der privaten Haushalte betrug per Ende 2011 in Österreich 466 Mrd. Euro. Dem stehen Verpflichtungen (also Schulden) in der Höhe von 163 Mrd. Euro gegenüber. Das Nettovermögen beträgt demnach 303 Mrd. Euro (Quelle: OeNB).
Die OECD hat in ihrer Initiative des „better-life-index“ das Sparen und den Vermögensaufbau als ein wichtiges Kriterium zur besseren Lebensqualität festgelegt. Je mehr die Menschen sparen, umso besser können sie ihren Konsum über den lebenszyklus glätten (und damit auch für Krisen vorsorgen) und die Investitionen der Unternehmen im Land refinanzieren. Hier hat Österreich einen deutlichen Schwachpunkt, der uns im Ranking zurückfallen lässt: Einerseits weisen Österreichs Privathaushalte eines der niedrigs-ten Bruttogeldvermögen der westlichen Welt, andererseits nach Luxemburg das zweithöchste verfügbare haushaltseinkommen der eu und das dritthöchste der Welt auf. Das bedeutet, dass in Österreich die pri-vaten Haushalte gemessen an ihren Nettoeinkommen, Sozialtransfers und Sachleistungen des Staates den zweitgrößten Spielraum zur Vermögensbildung haben und dennoch relativ wenig Geldvermögen angespart haben. Jede Art von Vermögensteuer würde auch diese geringe Neigung zur Vermögensbildung noch weiter schmälern.
Wie ist das Vermögen in Österreich verteilt? 9|
Wie ist das vermögen in Österreich verteilt?
Das Geld- und Immobilienvermögen in Österreich ist ungleicher verteilt als die Einkommen. Das liegt in der Natur der Sache, da es sich beim Vermögen um kumulierte höhere Einkommen handelt, also um Bestands-werte, die über Jahrzehnte erwirtschaftet wurden. Der Vermögensaufbau ist ein Spiegelbild von 60 Jahren ohne Krieg und Enteignungen (etwa durch Hyperinflation) – somit ist er nichts „Unehrenhaftes“.
Die genaue Verteilung des Geld- und Immobilienvermögens wird derzeit statistisch noch kaum erfasst. Einziger Anhaltspunkt zur Vermögensverteilung sind derzeit noch nicht international vergleichbare frei-willige Stichprobenerhebungen in österreichischen Haushalten durch die Nationalbank (Immobilienver-mögenserhebung aus dem Jahr 2008 und die Geldvermögenserhebung aus dem Jahr 2004), die noch in den Kinderschuhen stecken. Fehlende Angaben werden einfach „imputiert“, das heißt, fehlende Werte werden lediglich geschätzt. Genauere und international vergleichbare Zahlen werden von der EZB erst im Herbst 2012 veröffentlicht.
Die Umfragen der Nationalbank ergeben jedenfalls, dass 10 Prozent der Haushalte 54 Prozent des Geldver-mögens und 60 Prozent des Immobilienvermögens besitzen.
Wenn man darüber hinaus aber auch das Pensionsvermögen bzw. die gesetzlich zugesagten Pensionsan-wartschaften zum vermögen dazuzählt, die ja eine zentrale Vermögensposition auch für Personen ohne Geld- oder Immobilienvermögen darstellen, so wird die verteilung der vermögen wesentlich nivelliert. In Deutschland entsprechen die Pensionsanwartschaften rund 70 Prozent des gesamten Geld- und Sachver-mögens und reduzieren die Ungleichverteilung der Vermögen um gut 20 Prozent. In Österreich dürfte dieser Effekt durch die wesentlich höheren Pensionsleistungen noch höher sein.
BRUTTOGELDVERMÖGEN DER PRIVATEN HAUSHALTE, 2009
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* EU-15, Norwegen. Schweiz, Malta, Zypern
Bewirkt eine Vermögensteuer mehr Umverteilung?10 |
die Pensionsanwartschaft ist ein vermögen, das im Laufe des Lebens angespart wurde und im Umlagesys-tem von den Beschäftigten finanziert (und von den gutverdienenden Steuerzahlern immer stärker subven-tioniert) wird. Ein Durchschnittsverdiener (Mittelwert von Mann und Frau) bekommt in Österreich nach der derzeitig gültigen Rechtslage im Schnitt 8,2 Jahresnettoeinkommen als Pension ausgezahlt. dieses „verges-sene“ vermögen, das eine Durchschnittsösterreicherin, ein Durchschnittsösterreicher an Pensionsanwart-schaften im Umlageverfahren angespart hat, beträgt in aktuellen Werten immerhin rund 318.000 euro netto pro Person (Tendenz steigend durch immer höhere Lebenserwartung und höhere Pensionsanpassungen).
Eine Niedrigverdienerin, ein Niedrigverdiener (Hälfte des Durchschnittseinkommens) kommt bereits auf 9,9 Nettojahreseinkommen (immerhin 191.000 Euro), eine Gutverdienerin, ein Gutverdiener (das Doppelte des Durchschnittseinkommens) allerdings nur auf 5,4 Nettojahreseinkommen (419.000 Euro) als gesamte Pensionsleistung. die Pensionsanwartschaften wirken daher stark umverteilend.
bewirkt eine vermögensteuer mehr umverteilung?
Der oft gepriesene theoretische umverteilungseffekt der vermögensteuer ist in der Praxis nicht nachvoll-ziehbar. Ein Ländervergleich zeigt, dass die Höhe der Vermögensteuern mit einer ausgeglichenen Einkom-mensverteilung nichts zu tun hat. Eher im Gegenteil: gerade in ländern mit niedrigen vermögensteuern, wie in Skandinavien, den Niederlanden und Österreich, ist der Wohlstand gleichmäßiger verteilt. Staaten wie Großbritannien, USA und Kanada, die relativ hohe Vermögenssteuern haben, weisen viel größere un-gleichheiten auf. Denn dort ist die Sozialversicherung weit weniger ausgebaut, die Beiträge sind niedriger – und nur mit ihrer Hilfe können nennenswerte Umverteilungseffekte erzielt werden.
in ländern mit hohen vermögenssteuern stehen diesen oft weitaus niedrigere ertragssteuern gegenüber. Das bedeutet: Der Vermögensaufbau wird geringer besteuert als in Österreich, das Halten (und Vererben) des Vermögens dafür höher.
Staatliches Pensionsvermögen der Österreicher/innenStaatliche Pensionsanwartschaften nach Einkommen (x-fache des Nettojahreseinkommens)
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DURCHSCHNITT REICHPersonen mit dem Doppelten des Durchschnittseinkommens
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Vermögensteueraufkommen im internationalen Vergleich 11|
vermögensteueraufkommen im internationalen vergleich
Die Besteuerung von Kapitalstock und Vermögen inkl. Grund und Boden macht in Österreich laut EU-Kom-mission statistisch gesehen mit einem Prozent am BIP nur einen relativ geringen Anteil an der Wirtschafts-leistung aus. Unter diese Kategorie fallen sowohl die Grundsteuer, als auch die Grunderwerbsteuer sowie Steuern und Abgaben auf Kraftfahrzeugbesitz (motorbezogene Versicherungsteuer, Kraftfahrzeugsteuer). Das Aufkommen hat sich in Österreich seit dem Jahr 2000 genauso wie im EU-Durchschnitt im Vergleich zum BIP kaum merklich verändert.
Die Argumentation, dass andere Länder eine weitaus höhere Vermögensbesteuerung aufweisen und der EU-Durchschnitt bei 1,8 Prozent des BIP liegt, verschweigt jedoch die Tatsache, dass diese auf die höheren Grundsteuern zurückgeht. internationale vergleiche zur vermögensbesteuerung sind aus diesem grund wenig aussagekräftig, denn in vielen Hoch-Grundsteuer-Ländern sind Müll, Wasser und Abwassergebüh-ren durch die Grundsteuer abgegolten. In Österreich sind die Staatseinnahmen durch Gebühren (bzw. im Fachjargon durch „Produktionserlöse von öffentlichen Betrieben“) mit 1,3 Prozent des BIP fast doppelt so hoch wie im EU-Schnitt. Inklusive dieser Gebühren, die übrigens nicht in der offiziellen Steuer- und Abga-benquote enthalten sind, schließt das reelle Vermögensteueraufkommen in Österreich mit 1,7 Prozent des BIP deutlich zum EU-Durchschnitt von 1,8 Prozent des BIP auf.
Mit der ab 2011 wirksamen bankenabgabe, die in Österreich im internationalen Vergleich besonders hoch ausgefallen ist und auf die Bilanzsumme (Vermögen) erhoben wird, steigt der Anteil der Vermögenssteuern ab dem Jahr 2011 auf 1,9 Prozent des BIP und übertrifft damit den eu-durchschnittswert.
Vermögensteueraufkommen in der EU, 2010in % des BIP
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EU-Durchschnitt 1,8 %
inkl. Grundgebühren und Bankenabgabe
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Substanzbesteuerung bedeutet Enteignung | Die Abschaffung der Vermögensteuer wurde mehr als kompensiert12 |
substanzbesteuerung bedeutet enteignung
Eigentum verpflichtet. es ist das wichtigste fundament einer Wohlstandsgesellschaft, weil es zur Verant-wortung erzieht und weil die Möglichkeit einer sachrechtlichen Verpfändung des Eigentums jede Form von unternehmerischem Handeln überhaupt erst ermöglicht. Eine Verpflichtung in Form von Erhaltung und Pflege für die Gemeinschaft und für die Nachkommenschaft sollte jedoch nicht noch zusätzlich mit Vermö-gensteuern belastet werden.
Als Sollertragsteuer wird die Vermögensteuer zur ungerechtfertigten Substanzsteuer und damit zu einer „stillen enteignung“, wenn tatsächlich kein ausreichender gewinn erwirtschaftet wird. Es wird oft ver-
kannt, dass bei einer Vermögensteuer ja nicht das Vermögensvolumen selbst besteuert werden kann, da es ja nur schwer teilbar ist (eine Türschnalle einer Immobilie pro Jahr, ein Ersatzteil des Autos, zwei bis drei Unternehmensanteilsscheine, zwei Prozent des Anlei-henwertes etc.), sondern indirekt der Ertrag, der aus diesem Vermögen erwirtschaftet wird (Mieterträge, Kapitalerträge). Wie sieht es aber bei Eigentum aus, das entweder keinen Ertrag oder zu wenig realen Ertrag abwirft (Perlenkette; Kunstgegenstände; Aktien, die an Wert verlieren; Beteiligung an Unternehmen, die einige Jahre keinen Gewinn erwirtschaf-ten)? Dann würde auch die ertragslose Substanz besteuert – nur wovon? Die Steuerleistung kann dann nur mehr erbracht werden, wenn Substanz zwangsveräußert wird. Das ist weder wachstumspolitisch wünschenswert noch demokratiepolitisch akzeptabel.
Die Abschaffung der Vermögensteuer wurde mehr als kompensiert
Als die alte einprozentige österreichische Vermögensteuer 1994 abgeschafft wurde, erbrachte sie ein Auf-kommen von 750 Mio. Euro inklusive des damals ebenfalls abgeschafften Erbschaftsteueräquivalents. Ein Jahr zuvor wurde jedoch die Kapitalertragsteuer (KESt) eingeführt. die Kest ist wesentlich einfacher ein-zuheben, da sie eine Quellensteuer ist und beim ertrag ansetzt, statt beim schwer eruier- und erfassbaren vermögenswert. Diese Umstellung von Vermögensbesteuerung auf Ertragsbesteuerung ist auch fiskalpo-litisch wesentlich nachhaltiger, weil sie den Ertrag besteuert und nicht die Ertragsbasis (Letztere ist ja die Grundlage für zukünftige Steuereinnahmen).
mit der Kest wurde damals auch offiziell die alte Vermögensteuer auf Spareinlagen und festverzins-liche Wertpapiere abgegolten, weil es sich um eine Endbesteuerung handelt. Da die KESt jedoch eine Ertragsteuer ist, wird sie statistisch nicht unter den Vermögensteuern, sondern unter den Ertragsteuern erfasst. das aufkommen der Kest betrug bereits im Jahr 1995 1,8 Mrd. Euro und hat sich bis vor der Krise (2008) auf 3,75 Mrd. Euro mehr als verdoppelt. Damit das minderaufkommen durch den Wegfall der ver-mögensteuer mehr als kompensiert. 2011 wurden 2,71 Mrd. Euro durch die KESt eingenommen.
Finanzpolitische Weichenstellung Steueraufkommen in Österreich 1993 - 2011, in Mrd. Euro
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VERMÖGENSTEUER
KAPITALERTRAGSTEUER
1993
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Werden Erträge aus Vermögen zu gering besteuert? | Zahlen die „Reichen“ zu wenig Steuern? 13|
Werden erträge aus vermögen zu gering besteuert?
Es wird oft argumentiert, dass Vermögen besteuert werden sollen, weil die Vermögenserträge zu gering besteuert sind. Bei der Besteuerung von Einkünften der Kapitalerträge unterliegt eine zu oberflächliche Betrachtungsweise einem gravierenden Fehler: Der scheinbar geringe KESt-Satz von 25 Prozent verdeckt die Tatsache, dass die Kest auf den nominalzins entrichtet wird und nicht auf den realzins (nach Abzug der Inflation). Das bedeutet de facto einen Steuersatz von bis zu 80 Prozent (je nach Inflation und Zinssatz) auf den erzielten Mehrwert. Beispiel für das Jahr 2008: Bei einem halbwegs risikolosen nominellen Zinssatz von 4,63 Prozent (3-Monats-Euribor) und einer Inflation von 3,2 Prozent entspricht der reale Ertrag 0,73 Prozent. Der KESt-Satz von 25 Prozent wird jedoch vom nominellen Zinssatz abgezogen, was einem realen Steuersatz von 81 Prozent des realen Ertrags entspricht. In den Jahren 2005 und 2010 gab es sogar negative Realzinsen, das bedeutet, die KESt wurde auch auf reale Verluste eingehoben.
außerdem: vermögenseinkommen sind wesentlich volatiler und konjunkturreagibler als arbeitnehmer-entgelte oder sozialleistungen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Arbeitnehmerentgelte (um 37 Prozent) und die monetären Sozialleistungen (um 38 Prozent) ständig und stetig gestiegen, während die Vermögenseinkommen der privaten Haushalte sogar insgesamt um neun Prozent gesunken sind.
Zahlen die „reichen“ zu wenig steuern?
Folgende Fakten erübrigen wohl jeglichen Kommentar: Das oberste Prozent der einkommensbezieher (100. Perzentil) zahlt (2008) im Durchschnitt fast 74.000 euro jährlich an einkommenssteuer (im Jahr 2000 waren es 10.000 Euro weniger). Die obersten 10 Prozent (10. Dezil) der Einkommensbezieher zahlen im Durch-schnitt 21.900 euro jährlich an Einkommensteuer (im Jahr 2000 waren es noch knapp 4.000 Euro weniger). Näheres dazu im Kapitel „Umverteilung“.
VERMÖGENSEINKOMMEN UND REALE STEUERBELASTUNG VON VERMÖGEN20
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2006
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Reale Steuerbelastungder Vermögenseinkommen
VermögenseinkommenIndex 100 = Q4 2001)
Vermögenseinkommen
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ArbeitnehmerentgeltmonetäreSozialleistungen
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Zahlen die Unternehmen zu wenig Steuern? 14 |
Zahlen die unternehmen zu wenig steuern?
Es wird gerne vergessen, dass unternehmen, unterneh-merinnen und unternehmer nicht nur Gewinnsteuern abführen, sondern auch andere, in summe wesentlich höhere Zwangsabgaben entrichten: Neben dem Beitrag der Selbstständigen werden zahlreiche Abgaben gerne ausgeklammert oder fälschlicherweise der Belastung der Arbeitnehmerseite zugeschlagen, obwohl diese abgaben von den unternehmen geleistet werden.
Darüber hinaus existiert noch eine reihe von weiteren Produktionsabgaben. Laut Eurostat schultern die heimi-schen unternehmen z.b. 60 Prozent des energieabgaben-aufkommens – und das trotz der Energiesteuerdeckelung. Das heißt, die Unternehmen zahlen mehr Energieabgaben als die Haushalte.
Zuletzt existieren zusätzlich andere gebühren wie mauten oder die Ökostromabgaben von der Wirtschaft, die in den Steuerstatistiken nicht aufscheinen, da es sich rechtlich nicht (mehr) um öffentliche Abgaben handelt. in summe leisten die österreichischen unternehmen zusätzlich zur Körperschaftsteuer von 5,6 Mrd. Euro über 40 Mrd. Euro an weiteren steuer- und Zwangsabgaben. Bei der Gesamtsteuerbelastung der Unternehmen liegt Österreich weltweit auf Platz 147 (eine der höchsten Belastungen) von 183 untersuchten Standorten laut einer Untersuchung der weltweit tätigen Steuerberatungskanzlei PriceWaterhouseCoopers im Jahr 2012.
JÄHRLICHE PRO-KOPF-STEUERLEISTUNG NACH EINKOMMENSHÖHE
100. Perzentil
10. Dezil
9. Dezil
8. Dezil
7. Dezil
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20082000
Körperschaftsteuer 5.582
Einkommensteuer der Selbstständigen 3.148
Steuern auf die Lohnsumme* 7.875
Sozialbeiträge der Arbeitgeber 20.466
Wohnbauförderungsbeitrag der Unternehmen 422
Kapitalertragsteuer von Unternehmen 678
Kammerbeiträge von Unternehmen 517
Stiftungseingangssteuer 18
Kapitalverkehrssteuern 77
Vergnügungssteuern 115
Wett-, Spiel- und Lotteriesteuern 518
Biersteuer 189
Energieabgabe von Unternehmen 475
Mineralölsteuer von Unternehmen 2.500
Werbeabgabe 111
Fremdenverkehrsabgabe 162
Sonstige Produktionsabgaben** 1.106
neu seit 2011: Bankenabgabe 510
außerbudgetär: LKW-Maut 1.062
Ökostromabgabe der Unternehmen 367
summe 45.898
abgaben der unternehmen in Österreich (2011)in Mio. Euro
* z.B. Dienstgeberbeiträge zum FLAF, Kommunalsteuer, U-Bahnabgabe ** z.B. KFZ-Steuern und Zulassungsteuern der Unternehmen, Stempelgebühren
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Zahlt „das Kapital“ zu wenig Steuern? | Der Mythos „Managergehälter“ 15|
Zahlt „das Kapital“ zu wenig Steuern?
Es wird auch oft behauptet, dass die Lohnempfängerinnen und -empfänger im Gegensatz zum Kapital und zu den unternehmensgewinnen zu stark steuerlich belastet werden. Das gilt aber nur für Gutverdienende. Die vereinfachte Gegenüberstellung der Steuerbelastung der Unternehmensgewinne und Kapitaleinkünfte auf der einen Seite (Flat-Tax von jeweils 25 Prozent) und der Lohneinkünfte auf der anderen Seite (progres-siver Steuersatz von bis zu 50 Prozent) ergibt bei genauerer betrachtung ein gänzlich anderes bild:
Wenn man die tatsächliche durchschnittliche steuerbelastung aller lohneinkommen berechnet – also das gesamte Lohnsteueraufkommen dividiert durch die gesamten Lohneinkünfte (und damit auch jene 2,6 Millionen Lohnsteuerpflichtigen einbezieht, die sich unter der Steuerfreigrenze befinden), so ergibt sich ein durchschnittlicher lohnsteuersatz von 15,7 Prozent (die zusätzlichen SV-Beiträge werden hier natürlich nicht inkludiert, weil es sich dabei um keine Steuerleistung handelt, sondern um Versicherungsprämien, denen konkrete individuelle Leistungen gegenüberstehen).
Wenn man hingegen die gesamten Gewinne der Kapitalgesellschaften (zu versteuernde Einkommen inkl. Verlustvorträge) dem gesamten KöSt-Aufkommen gegenüberstellt, ergibt sich laut jüngst verfügbaren Daten ein effektiver durchschnittlicher Körperschaftsteuersatz von 22,2 Prozent – um ein Drittel HÖHER als der durchschnittliche lohnsteuersatz.
der mythos „managergehälter“
Ein weiterer Mythos über Reichtum in Österreich sind die „überzogenen Managergehälter“, die angeblich jedes Maß an Gerechtigkeit übersteigen. Faktum ist: exzellente managementleistung hat ihren Wert. Über eine Bestrafung jener Managerinnen und Manager nachzudenken, die mit vollem Einsatz versuchen, hei-mische Arbeitsplätze zu erhalten und Betriebe zukunftsfähig zu machen, ist befremdlich – zumal die Fakten den Mythen der „horrenden“ Managergehälter widersprechen.
Durchschnittlicher Steuersatz für Lohn- und Kapitaleinkommenin Österreich
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Lohneinkommen Unternehmensgewinne Kapitalerträge
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Der Mythos „Managergehälter“16 |
Laut Triconsult-Studie im Auftrag des WdF (Wirtschaftsforum der Führungskräfte) verdienten Vorstände (Generaldirektorinnen, -direktoren und Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer) im Jahr 2011 durch-schnittlich 112.500 Euro netto. Managerinnen und Manager der zweiten Führungsebene (Abteilungs- und Bereichsleiterinnen und -leiter) erhielten im Schnitt 69.000 Euro netto, Führungskräfte der dritten Ebene 51.000 Euro netto. Damit verdienten 2011 die Managerinnen und Manager der obersten Führungsetagen (Vorstände) das 5,4-fache des tatsächlichen medianeinkommens in Österreich (21.000 Euro netto pro Jahr); Managerinnen und Manager der zweiten Führungsebene das 3,3-Fache und Managerinnen und Manager der dritten Führungsebene „nur“ das 2,4-Fache.
Bei den Managerinnen und Managern gilt das Prinzip: Mehr Verantwortung, mehr Gehalt. Bei Unterneh-men mit weniger als 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern liegt die Jahresgage im Schnitt bei 72.000 Euro netto, bei über 1.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei 163.000 Euro netto. Dass die Vorstände der ATX-Unternehmen das 48-Fache eines Durchschnittseinkommens bekommen, wie oft medial behauptet wird (hier werden u.a. Brutto- und nicht Nettogehälter verglichen), entspricht nicht einmal der Gehalts-wirklichkeit der österreichischen Top-Führungskräfte: Bei den größten Unternehmen (Umsätze über 500 Mio. Euro) liegen die Vorstandsgehälter mit 216.500 Euro netto beim 10,3-Fachen des Netto-Medianlohns in Österreich.
1. Führungsebene
112.500
5,4-Fache
2. Führungsebene
69.000 3,3-Fache
3. Führungsebene
51.000 2,4-Fache
Managergehälter in ÖsterreichDurchschnittliches Nettojahreseinkommen 2011 in Euro Vergleich zum Nettomedianeinkommen von 21.000 Euro (90 % Männer)
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Aufgaben 17|
Ausgaben für die lokale Polizei und das Feuerwehrwesen sAowie verschiedene andere Gemeinde- dienstleistungen.
faKten Zur armut
Was bedeutet „Armutsgefährdung“?18 |
Was bedeutet „armutsgefährdung“?
armutsgefährdet ist laut EU ist jeder Mensch, dessen Haushaltseinkommen inkl. Sozialleistungen unter der Armutsgefährdungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens seines EU-Mitgliedstaates liegt. Aus dem Ergebnis von EU-SILC ("Community Statistics on Income and Living Conditions") 2010 wurde die Zahl der armutsgefährdeten Personen in Österreich auf zwischen 912.000 und 1,096.000 Menschen bzw. zwi-schen elf Prozent und 13,2 Prozent (Mittelwert: zwölf Prozent der Bevölkerung) hochgerechnet. 2003 waren es noch rund 40.000 Personen mehr. Der EU-Durchschnitt liegt bei 16,3 Prozent.
Wichtig ist aber: die armutsgefährdung in Österreich sinkt tendenziell – vom Mittelwert 13,2 Prozent im Jahr 2003 (erste Erhebung nach EU-SILC) auf 12,1 Prozent im Jahr 2010 (sh. Statistik), obwohl sie im EU-15-Schnitt im gleichen Zeitraum sogar tendenziell gestiegen ist – von 15 Prozent auf 16,2 Prozent.
noch wichtiger ist aufzuzeigen, dass die armutsgefährdungsquote die „relative“ armut anzeigt. Damit würde es aber selbst in einer fiktiven Volkswirtschaft, in der nur Millionäre leben, offiziell noch immer eine Armutsgefährdung geben. Faktum ist: einem, einer armutsgefährdeten in Österreich geht es besser als ei-nem, einer armutsgefährdeten in ungarn, wo das medianeinkommen niedriger ist. Dazu die Vergleichszah-len: Während die Einkommensschwelle, ab der ein Haushaltsmitglied als armutsgefährdet gilt, in Österreich bei 1.031 Euro pro Monat liegt, gelten in weniger reichen EU-Mitgliedstaaten, wie z.B. in Portugal, Haushalts-mitglieder mit knapp 433 Euro, oder in Ungarn bereits mit 212 Euro als armutsgefährdet. Auch viele wohl-habende Volkswirtschaften der EU haben einen geringeren Schwellenwert als Österreich. In Deutschland liegt er bei 939 Euro, in Schweden bei 985 Euro oder in Italien bei 796 Euro. damit ist man in Österreich bei gleichem einkommen deutlich schneller armutsgefährdet als in anderen eu-mitgliedstaaten.
außerdem verzerrt die steigende anzahl von single-haushalten die armutsgefährdungsquote. Die Armutsge-fährdungsschwelle wird nämlich vom Haushaltseinkommen – noch genauer: vom Äquivalenzeinkommen –
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EU-27-Durchschnitt: 16,4%
„Armutsgefährdung“ ist nicht gleich „Armut“ 19|
berechnet. Je mehr Personen in einem Haushalt wohnen, desto geringer sind die Lebenshaltungskosten je-des, jeder Einzelnen – ein klassischer Effekt der „Economies of Scale“. Durch immer mehr Single-Haushalte (von 450.000 im Jahr 1960 auf 1,3 Mio. im Jahr 2010) sollte die Armutsgefährdungsquote seit Jahrzehnten eigentlich rasant steigen. Aber sie tut es nicht – im Gegenteil. es geht uns heute also besser, obwohl wir uns seit Jahrzehnten freiwillig für mehr persönliche Freiheit und gegen mehr Sicherheit im Familienverbund entscheiden.
„armutsgefährdung“ ist nicht gleich „armut“
In der Armutsdiskussion besteht auf EU-Ebene Konsens, dass Einkommen als alleiniger Indikator zur Messung von Armut unzureichend ist. Armut ausschließlich über niedriges Einkommen zu definieren, be-rücksichtigt nicht das subjektive Empfinden der sozialen Ausgrenzung. Von „manifester armut“ wird daher nur dann gesprochen, wenn zusätzlich zu niedrigem Einkommen gewisse Mängel oder Einschränkungen in grundlegenden Lebensbereichen auftreten (wie z.B. keine angemessene Wohnung oder Heizmöglichkeit,Kleidung oder Ernährung).
Wer ein Einkommen unter der Armutsgefährdungsschwelle hat und in mindestens einem von fünf Berei-chen (z.B. Lebensführung, Wohnung, Gesundheit) mindestens zwei Benachteiligungen hat (z.B. Lebensfüh-rung: Wohnung kann nicht warm gehalten werden und unerwartet anfallende Ausgaben sind ein Problem; Wohnung: kein Bad oder WC in der Wohnung und Belastung durch Schimmel und Feuchtigkeit), gilt als„arm“. 2010 konnten bei 6,2 Prozent der Bevölkerung in Privathaushalten gleichzeitig niedriges Einkommen (Armutsgefährdung) sowie Probleme in zentralen Lebensbereichen beobachtet werden. hochgerechnet sind also etwa 511.000 Menschen in Österreich „arm“, und nicht über eine Million, wie oft behauptet wird.
Die jährliche persönliche Haushaltsbefragung im Zuge der Erhebung der manifesten Armut (an der über 6.800 Haushalte teilnehmen) macht aber im Umkehrschluss eines deutlich sichtbar: Der technische und soziale Fortschritt und der Wohlstand in Österreich ist bemerkenswert, wovon letztlich auch die armuts-gefährdeten Haushalte profitieren: von den 8,3 millionen Österreicherinnen und Österreichern kann sich laut eu-silc-umfrage heute nur eine verschwindende minderheit jene Produkte nicht leisten, die vor einiger Zeit noch unter die Kategorie „luxus“ gefallen wären, heute aber laut EU-SILC ein Indikator für soziale Ausgrenzung sind: 487.000 Österreicherinnen und Österreicher (nur sechs Prozent der Bevölkerung) können sich kein eigenes Auto (selbst unter den „Armutsgefährdeten“ sind es nur 25 Prozent); vier Prozent der Bevölkerung können sich keinen eigenen PC und überhaupt nur weniger als ein Prozent kann sich kein eigenes Handy und keine eigene Waschmaschine leisten.
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SO VIELE ÖSTERREICHER/INNENKÖNNEN SICH DAS NICHT LEISTEN...
Quelle: EU-SILC 2009
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Die Ursachen von Armut | Wie kann Armut weiter verringert werden?20 |
die ursachen von armut
Die OECD führt regelmäßige Erhebungen darüber durch, welche Ereignisse das Abgleiten in die Armut in der Regel auslösen. Neben den strukurellen Gründen der Armut, wie z.B. mangelnde Bildung, wird bei die-sem internationalen Vergleich besonders ersichtlich, dass vor allem in Österreich die Wahrscheinlichkeit des eintritts in die armut weniger im einflussbereich des staates (transferleistungen) noch im einflussbe-reich der Unternehmen (Erwerbstätigkeit, Erwerbseinkommen), sondern viel mehr im privaten Einfluss-bereich liegt. In keinem OECD-Staat außer Dänemark ist der Anteil der Personen, die beim Eintritt in Armut einer Änderung der Familienstruktur unterliegen (Scheidung, Trennung, Verwitwung etc.), mit 42 Prozent so groß wie in Österreich.
Wie kann armut weiter verringert werden?
Ein direkter, kurzfristiger Hebel zur Verringerung von Armut sind soziale Transfers. Österreichs Sozialquote (Sozialausgaben in Prozent des BIP) ist mit 30,9 Prozent (2009) eine der höchsten in der EU. Damit werden in Österreich fast drei Viertel aller heimischen Steuer- und Abgabeneinnahmen im Sozialbereich ausgege-ben. (Näheres dazu im Kapitel „Umverteilung“)
Vergleicht man die staatlichen Sozialschutzausgaben (monetäre Ausgaben und Sachtransfers in den Berei-chen Krankheit | Gesundheitsversorgung, Invalidität | Gebrechen, Alter, Hinterbliebene, Familien | Kinder, Arbeitslosigkeit, Wohnen, soziale Ausgrenzung) nicht in Prozent des BIP, sondern pro Kopf der Bevölke-rung, so liegt Österreich mit 9.009 Euro noch deutlicher über dem EU-Durchschnitt von 6.935 Euro und damit sogar auf Platz 3 des EU-Rankings (ohne Luxemburg).
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Wie kann Armut weiter verringert werden? 21|
ohne sozialtransfers würde die armutsgefährdungsquote in Österreich statt bei zwölf Prozent mehr als doppelt so hoch bei über 24 Prozent liegen. Ohne Sozialtransfers und Pensionen sogar bei 43 Prozent. das ist ein direkter, aber eben nur kurzfristiger Weg aus der armutsgefährdung. um armut langfristig zu ver-ringern, muss der hebel bei nachhaltigeren anreizen zu mehr verfügbarem einkommen angesetzt werden. Es gibt fünf weitere wichtige strukturelle Schrauben, an denen gedreht werden kann, um die Armutsgefähr-dung nachhaltig zu verringern:
1. mehr beschäftigung
Bei Arbeitslosen liegt die Armutsgefährdungsquote in Österreich bei 38 Prozent, bei Erwerbstätigen hin-gegen nur bei sechs Prozent (Vollzeit fünf Prozent, Teilzeit neun Prozent). Ohne Sozialleistungen hätten Arbeitslose in Österreich sogar eine Armutsgefährdungsquote von 45 Prozent. In diesem Bereich hat Öster-reich mit der niedrigsten Arbeitslosenrate innerhalb der EU eine besonders gute Ausgangsposition (Quelle: EU-SILC 2010).
2. mehr bildung und bessere integration
Eine gute Qualifikation gewährleistet eine besser bezahlte Erwerbsarbeit und verringert das Armutsgefähr-dungsrisiko: Für Personen mit maximal einem Pflichtschulabschluss liegt das Armutsgefährdungsrisiko bei 21 Prozent, mit Matura bei zehn Prozent, mit Universitätsabschluss bei fünf Prozent. Selbiges gilt für die Integration: Für in Österreich geborene Menschen beträgt das Armutsrisiko zehn Prozent, bei eingebürger-ten Personen 25 Prozent (Quelle: EU-SILC 2010). Eine qualifizierte Zuwanderung würde daher nicht nur den heimischen Fachkräftemangel abmildern, sondern auch die Armutsgefährdungsquote in Österreich – vor allem bei Migrantinnen und Migranten – deutlich verringern.
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STAATLICHE SOZIALSCHUTZLEISTUNGENin Euro pro Einwohner, kaufkraftbereinigt inkl. Sachleistungen (ohne Luxemburg), 2009
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Wie kann Armut weiter verringert werden?22 |
3. mehr Kaufkraft
Es wird oft vergessen, dass der nachhaltigste Weg aus der Armut nicht über mehr Transfers, sondern über bessere und günstigere Produktangebote der Wirtschaft führt. Entscheidend für die Kaufkraft ist schließlich, was man sich tatsächlich um das verfügbare Einkommen am Markt kaufen kann. hier haben die unter-nehmen mit ihren international handelbaren Waren den wichtigsten beitrag geleistet und die teilweisen Preissteigerungen bei den öffentlichen Dienstleistungen mehr als kompensiert.
Mehr Kaufkraft bedeutet, dass immer neue und verbesserte Produkte zu einem immer niedrigeren Preis für die Menschen erhältlich sind. Ein Blick auf die Teuerung in den ersten 15 Jahren seit dem EU-Beitritt zeich-net ein klares Bild. in jenen sektoren, die dem Wettbewerb am stärksten ausgesetzt waren und sich an der internationalen arbeitsteilung beteiligt haben (in blau), sind die Preise am stärksten gesunken – auch zum Wohle der beschäftigung und armutsverringerung in den nicht-industriestaaten. am teuersten wurden hingegen jene Produkte und leistungen, die nicht handelbar sind (in rot), z.B. öffentliche Dienstleistun-gen. Die Grafik zeigt die Abweichung der Preissteigerungen in den verschiedenen Produktkategorien zum gesamten HVPI von 1996 bis 2011. nicht hohe lohnabschlüsse und soziale transfers steigern nachhaltig die Kaufkraft der menschen, sondern vor allem die bessere Qualität und die günstigeren Preise der Produkte.
globalisierung und Kaufkraft
Ein wichtiger Bestandteil des Wettbewerbs ist natürlich die internationale Arbeitsteilung – vulgo „globa-lisierung“. Sie ist hauptverantwortlich dafür, dass die handelbaren Waren immer günstiger werden. Am Beispiel eines Mittelklassewagens kann man gut erkennen, wie teuer den Konsumentinnen und Konsumen-ten in Österreich eine Rückentwicklung der geöffneten Weltmärke zu stehen kommen würde: Bei einem Auto aus dem gehobenen Kleinwagensegment und einem aktuellen Durchschnittslistenpreis von 20.000 Euro verteilt sich die Wertschöpfung derzeit zu 40 Prozent aus Niedriglohnländern, zu 20 Prozent aus den
Steigende Kaufkraft durch Wettbewerb
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Produkte mit den GERINGSTEN jährlichen Preissteigerungen relativ zur Gesamtinflation (HVPI)
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Gesamtinflation (HVPI)
Wie kann Armut weiter verringert werden? 23|
Euroländern, zu zehn Prozent aus Österreich und zu 30 Prozent aus osteuropäischen Staaten. gäbe es keine Vorproduktion im Ausland, würde sich der Neukaufpreis für österreichische Konsumenten von 20.000 Euro auf 72.000 euro fast vervierfachen.
historische entwicklung der Kaufkraft
die längerfristige historische Kaufkraftentwicklung wird durch den sogenannten „mannerschnitten-index“ am deutlichsten sichtbar: Die „10-er Packung“ Mannerschnitte ist jenes Produkt der österreichischen Industrie, das sich für die Darstellung der langfristigen Kaufkraftentwicklung der Österreicherinnnen und Österreicher am besten eignet, weil sie seit ihrer Markteinführung im Jahr 1898 als einziges Produkt unver-ändert blieb. Das Ergebnis: Für eine Stunde Arbeitszeit konnte sich ein männlicher Industriearbeiter im Jahr 1926 drei Packungen Mannerschnitten leisten. Im Jahr 1953 konnte die Kaufkraft der Zwischenkriegszeit mit drei Packungen pro Arbeitsstunde wiederhergestellt werden. Nach den Wirtschaftswunderjahren stieg die Kaufkraft auf 15 Packungen im Jahr 1975 und lag 2010 bereits bei 24 Packungen. Würde man allerdings die sozialtransfers, die seit Anfang der 1970er-Jahre stark ausgeweitet wurden, zu den Stundenlöhnen dazu-rechnen, würde die Säule noch steiler anwachsen und im Jahr 2010 schon 33 Mannerschnittenpackungen hoch sein, also mehr als zehnmal höher als noch in der Vorkriegszeit.
Wohlstandsgewinn durch GlobalisierungBeispiel VW Golf (aktuell: 10 % der Produktion in Österreich)
Quelle: icei, 2009
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Wie kann Armut weiter verringert werden?24 |
4. mehr eigenverantwortung
Verantwortung für die eigene Zukunft liegt nicht nur bei der Allgemeinheit, sondern auch beim Einzelnen selbst. Der in den Konsumerhebungen gemessene durchschnittliche Warenkorb der österreichischen Haus-halte hat sich historisch betrachtet enorm verändert, wobei sich mit gestiegener Kaufkraft das schwerge-wicht weg von den grundbedürfnissen wie ernährung und bekleidung hin zu den ausgaben für freizeitund verkehr verschoben hat. Während 1954 noch 64 Prozent des Haushaltseinkommens für Ernährung und Bekleidung verwendet werden mussten, waren es im Jahr 2010 nur noch 26 Prozent. damit haben die haushalte heute mehr denn je die möglichkeit, die frei gewordene Kaufkraft in regeneration und bildung zu investieren, um sich für Selbstfindung, für gesellschaftliche Aufgaben oder für den Arbeitsmarkt zu rüsten. Tatsächlich fallen jedoch unter den steigenden Ausgaben für Freizeit, Verkehr und Kommunikation heute nur erschreckende ein Prozent (28 Euro pro Monat) für die Zukunftsinvestition „Bildung“ an. Fazit: Wenn sich die haushalte mehr leisten können, sollte auch ihre verantwortung dafür steigen, wofür sie die zusätzlich gewonnene Kaufkraft ausgeben.
5. mehr leistungswille
Nicht nur mehr Eigenverantwortung, sondern auch eine gesunde Einstellung zu gesellschaftlicher Teilhabe, Leistung und Arbeit würde die Neigung zur Armutsgefährdung verringern. Eine Evaluierung der Lifestyle-Studien der vergangenen zwanzig Jahre (GfK Fessel) bringt jedoch zum Vorschein, dass die klassischen leitsätze der arbeits- und leistungsgesellschaft offenbar vermehrt hinterfragt werden. So schwand die Zustimmung zu der Aussage „man muss bereit sein, für seine Arbeit auch private Opfer zu bringen“ von 71 Prozent in 1987 auf 34 Prozent in 2007. Im gleichen Zeitraum stieg die Ablehnung dieser Ansicht von acht Prozent auf 28 Prozent. Rund die Hälfte der Bevölkerung stimmte sowohl 1987 als auch 1992 der Aussage „nur durch Leistung bringt man es wirklich zu etwas“ voll und ganz zu, 2007 war es lediglich knapp ein Viertel.
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Ernährung und Bekleidung
KONSUMAUSGABEN DER HAUSHALTE SEIT DER NACHKRIEGSZEIT
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Der Mythos „Lohnquote“ 25|
Das ist übrigens eine typisch europäische Entwicklung, die uns vor Augen führt, warum Europa in Sachen Produktivität und Wirtschaftswachstum den USA und vielen anderen aufstrebenden Staaten, etc. seit Jahren ständig hinterherhinkt. Laut „World Value Survey“, der umfangreichsten und weiträumigsten Umfrage über menschliche Werte, sind 60 Prozent der US-Amerikaner der Meinung, nur mit leistung die Karriereleiter hochklettern zu können. In Europa sind es nur knapp 40 Prozent.
der mythos „lohnquote“
Ein weiterer Mythos, der das Thema Löhne und Armutsgefährdung verbindet, ist die Debatte um die sogenannte „Lohnquote“. Die „Lohn-quote“ wird gerne als Spiegelbild einer angeb-lich wachsenden Einkommensschere zwischen Arm und Reich missbraucht, obwohl sie nicht die Einkommensverteilung zwischen Arm und Reich misst, sondern die Verteilung zwischen Lohneinkommen und Kapitaleinkommen. die sinkende lohnquote der vergangenen Jahr-zehnte bedeutet keinesfalls eine ungleichere einkommensverteilung (das relevante Maß hierfür ist der „Gini-Koeffizient“ – Näheres dazu im Kapitel "Umverteilung") oder etwa, dass die löhne zu lasten der unternehmens-gewinne sinken.
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Österreich
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Soziale Mobilität26 |
die lohnquote sinkt…
… weil sie sich seit dem rasanten anstieg der 1970er-Jahre wieder normalisiert. In den 1950er- und 1960er-Jahren hatte die heimische Lohnquote einen ähnlichen Wert wie heute, bis überproportionale Lohnerhö-hungen und höhere Steuern und Abgaben sie auf ein Rekordmaß aufblähten. Erst allmählich nähert sie sich nun wieder einem Normalmaß. Heute hat Österreich immer noch eine wesentlich höhere Lohnquote (Lohn-summe in Prozent des BIP) als der EU-Durchschnitt (siehe Grafik auf Seite 25, Entwicklung der Lohnquote).
…weil es in einer modernen Gesellschaft bei Arbeits- und Kapitaleinkommen immer größere Überschnei-dungen gibt. Kapitaleinkommen (Zins-, dividenden- und mieterträge, private Pensionsvorsorge, Bausparen) werden in der Lohnquotenberechnung den „Gewinnen“ zugerechnet, obwohl sie vermehrt das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erhöhen. In den vergangenen zehn Jahren haben sich alleine die Kapitalerträge der privaten Haushalte von 13 Mrd. Euro auf 29 Mrd. Euro verdoppelt (Quelle: Statistik Austria).
… weil sogar die private Nutzung einer Eigentumswohnung monetär bewertet wird („fiktive Mieterträge“) und in die Kategorie „Betriebsüberschüsse“ fällt. Da immer mehr Eigentumswohnungen privat genutzt werden, stiegen die „Betriebsüberschüsse“ alleine aus dieser Kategorie seit 1995 um mehr als 2,6 Mrd. Euro (Quelle: Statistik Austria).
… weil jedes zusätzlich geschaffene unternehmen und jeder neue „Freiberufler“ dazu beiträgt, die Lohn-quote zu senken. Heute werden jährlich bereits doppelt so viele Unternehmen neu gegründet wie noch vor zehn Jahren. Auch der Anteil der Einkommen der freien Berufe am Gesamteinkommen der Volkswirtschaft hat sich seit den 1960er-Jahren mehr als verdoppelt (Quelle: Statistik Austria).
…weil hingegen die steigenden sozialtransfers (Pensionen, Arbeitslosen- und Familienleistungen) in der Lohnquote nicht enthalten sind. Mit der demografischen Entwicklung sinkt die Lohnquote schon allein dadurch, dass tendenziell immer mehr Löhne und Gehälter durch Pensionstransfers ersetzt werden. Ein Be-weis: Während die Summe der Arbeitnehmerentgelte seit 1995 um 32 Prozent gestiegen ist, ist die Summe der Pensionstransfers (Pensionsleistungen plus Ausgleichszulage) um fast 50 Prozent regelrecht explodiert (Quelle: Statistik Austria).
… weil insbesondere Arbeitnehmerinnen vermehrt die Möglichkeit von teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen, die Berechnung der Lohnquote aber nicht vollzeitbereinigt ist.
... weil durch die demografische entwicklung ein Struktureffekt eintritt: Bei jedem zusätzlichen Pensionsan-tritt wird aus einem Lohneinkommen ein Transfereinkommen (Pension), das statistisch nicht unter „Arbeit-nehmerentgelt“ erfasst wird.
soziale mobilität
Die Beleuchtung von Armut und Einkommensungleichheit ist eine rein statische betrachtungsweise über den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft. Die Daten können kaum Aussage darüber treffen, in-wieweit armut und armutsgefährdung auch „vererbbar“ ist, und damit im Umkehrschluss, wie sehr die Chancengleichheit in der Gesellschaft vorhanden ist, durch eigene Leistungen seinen sozialen Einkom-mensstatus zu verbessern. Die Frage der „Vererbbarkeit von Armut“ wird vom Grad der „sozialen Mobilität“ beantwortet, die Auskunft über die Wahrscheinlichkeit gibt, ob Einkommens- und Bildungsarmut auch an die Kinder weitergegeben wird oder ob die rahmenbedingungen in einer gesellschaft vorhanden sind, dass
Wer zahlte die Krise? 27|
Kinder sich aus eigener Kraft aus der elterlichen armut befreien können. Dieser Grad der intergenerationa-len sozialen Mobilität wurde kürzlich von der OECD für die EU-Staaten erhoben.
Bemerkenswert dabei ist, dass in Österreich mit abstand der höchste grad an sozialer mobilität in allen un-tersuchten Staaten vorhanden ist – sowohl bei der Bildung als auch bei den Einkommen. Beim Mittelwert der Frauen und Männer liegt nur Dänemark bei der Bildungsmobilität vor Österreich. Das bedeutet, dass die oft zitierte „gläserne Decke“ bei Bildung und Einkommen in Österreich am durchlässigsten ist und damit die Frage von Armut und Bildungsniveau in Österreich am wenigsten unter allen OECD-Staaten eine Frage der Geburt ist. Es entscheidet also in Österreich weniger die „Geburtsprämie“ als vielmehr die eigene Motivati-on und leistung über einkommen und bildung.
Wer zahlte die Krise?
An dieser Stelle soll noch mit einem weiteren Mythos aufgeräumt werden, der in den vergangenen Jahren die Umverteilungsdebatte stark geprägt hat: Jenem Mythos, dass der „kleine Mann“ der Hauptverlierer der Krise gewesen sei. Wenn man sich rückblickend die Daten des Jahres vor und nach dem Crash im Septem-ber 2008 näher betrachtet, wird schnell klar: Es waren hauptsächlich jene von der Krise betroffen, die den mut und die Kosten nicht gescheut haben, weltweit unternehmerisch tätig zu sein und investiert zu haben. Die Einkommen der Selbstständigen sind zum Tiefpunkt der Krise um 7,3 Prozent gesunken, die Industrie-produktion um 20,3 Prozent, die Vermögenseinkommen der privaten Haushalte (Zinsen und Dividenden) haben sich sogar um 52 Prozent verringert und die Marktkapitalisierung bei Aktien um regelrechte 70 Prozent.
die masse der arbeitnehmerinnen und arbeitnehmer, der Pensionistinnen und Pensionisten und der Transferempfängerinnen und -empfänger hat im Gegensatz dazu durch die Krise kaum Einbußen erlitten: Die Arbeitnehmerentgelte und Sozialleistungen sind auch nach der Lehman-Pleite ständig gestiegen: die Arbeitnehmerentgelte seit September 2008 um 9,1 Prozent und die Sozialleistungen inkl. Pensionen seither sogar um 12,4 Prozent.
WIE SEHR IST BILDUNG VERERBBAR?Bildungspersistenz in Prozent, Mittelwert bei Frauen und Männern im Alter von 33-44 Jahren
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WIE SEHR SIND EINKOMMEN VERERBBAR?Einkommenspersistenz in Prozent, Mittelwert bei Frauen und Männern im Alter von 33-44 Jahren
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28 | Transfers und Staatsschulden
transfers und staatsschulden
Bevor wir uns nun dem Thema Umverteilung widmen, vorab kurz eine Klarstellung: Wir befinden uns aktu-ell in einer schuldenkrise, weil wir in einer transfergesellschaft leben. Die Transfers wurden in den ver-gangenen Jahrzehnten auf Pump finanziert und haben die Zukunftsausgaben des Staates zurückgedrängt. Die Ausgaben des Staates (Bund, Länder und Gemeinden) haben sich seit der Schuldenpolitik Anfang der 1970er-Jahre stark zugunsten der Transfers und zuungunsten der Investitionen entwickelt. Die öffentlichen ausgaben für investitionen sind (inklusive der Beiträge der ausgegliederten Einheiten wie ÖBB, ASFINAG, BIG und Gemeindebetriebe) seit 1976 um über zwei Prozentpunkte des BIP zurückgegangen und haben sich damit fast halbiert. Im Gegensatz dazu sind die ausgaben für transfers im gleichen Zeitraum um über acht Prozentpunkte des BIP gestiegen. Die Staatsausgaben haben sich also schrittweise von investiven, produk-tiven Ausgaben (sogenannten „Zukunftsausgaben“) schwerpunktmäßig in Richtung unproduktiver Umver-teilungsausgaben entwickelt.
WER ZAHLTE DIE KRISE?Index 100 = Q3 2008
Q3 2008 2009 2010 Q4 2011
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monetäre Sozialeistungen 112,4109,1108,4
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Arbeitnehmerentgelte
Vermögenseinkommen
Lehman-Pleite
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Veränderung der Staatsausgaben (in Prozentpunkten des BIP, Index 0=1976)
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Transfers
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1976
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2000
2005 2011
Aufgaben 29|
Ausgaben für die lokale Polizei und das Feuerwehrwesen sAowie verschiedene andere Gemeinde- dienstleistungen.
faKten Zur umverteilung
Lehren aus der „Transferfalle“30 |
lehren aus der „transferfalle“
Wir haben gelernt, dass der nachhaltigste Weg, Menschen aus der Armut zu führen, über Bildung, Beschäf-tigung, Integration und Wettbewerb geht. transfers ohne gegenleistung sollten nur als anschubhilfe fun-gieren und zumindest aussichten auf zukünftige gegenleistung haben. Der Staat muss sehr wohl fürsorgen, wenn Menschen zeitweilig Hilfe benötigen; er muss auch vorsorgen, um den Menschen die bestmöglichen Chancen im Leben zu geben, aber er darf nicht versorgen.
Die aktuelle Eurokrise zeigt uns deutlich, dass Transfers ohne Appell an Leistung in eine Sackgasse führen, aus der Volkswirtschaften und deren Menschen nur schwer herausfinden. Alleine Griechenland hat seit dem EU-Beitritt über 60 Mrd. Euro an Transfers erhalten – ganz zu schweigen von den billigen Krediten durch die niedrigen Realzinsen nach dem Euro-Beitritt.
Beim Beispiel der deutschen Wiedervereinigung vor 20 Jahren wird das Phänomen der „Transferfalle“ be-sonders anschaulich. Hier wurde die Umverteilung rückblickend betrachtet nicht produktiv eingesetzt: Seit der Wende haben die reichen „alten Bundesländer“ jährlich fast fünf Prozent ihres BIP an Transfers an den Osten überwiesen. 2,1 Billionen Euro (!) waren es bisher insgesamt. Das Resultat: Die Produktivität im Osten ist zwar in den ersten vier Jahren von 30 Prozent des Westniveaus rasch auf knapp 70 Prozent gestiegen, aber seit 1995 stagniert sie weitgehend bei den erreichten 70 Prozent (BIP je Einwohner – also inklusive der nicht Erwerbstätigen). hier liegt die grenze dessen, was umverteilung in richtung Konsum und nicht produktiven Investitionen leisten kann. Sie verzeichnet schnelle Erfolge, aber bindet auf längere Sicht die Produktivität und damit die einzige Chance, mit eigener Kraft aus der Armut zu entkommen.
Weltweit kann man gut beobachten, dass jene Staaten, die vor der Krise ständig mehr konsumiert als pro-duziert und daher von Krediten und Transfers gelebt haben (Verbrauchsüberhang in Form von Leistungsbi-
20082005200019951991
DIE BILANZ DER DEUTSCHEN WIEDERVEREINIGUNG
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BIP/Arbeitsstunde
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100Westniveau = 100 %
59,2 %
44,3 %42,9 %
78,6 %75,8 %
70,9 %
Der Wunsch nach Umverteilung 31|
lanzdefiziten und erhaltenen Transfers), heute zu den Problemstaaten in punkto finanzieller Nachhaltigkeit gehören. Sie haben auf Pump gelebt, ohne eine Basis für zukünftige Erträge zu schaffen – eine klassische Transferfalle.
Das Fazit: umverteilung, ohne die leistung zu fördern, kann nie ungleichheit nachhaltig nach oben nivel-lieren. Dieser Traum endete in der ehemaligen DDR, in den Peripheriestaaten der Eurozone und auch in den USA mit einem Fiasko: Das Einfamilienhaus für jeden Amerikaner war ein Traum, der vom Staat subven-tioniert wurde und sich in einem Platzen der Erwartungsblase aufgelöst hat. Wir müssen daraus unsere Lehren ziehen, um weitere Blasen durch Schuldenberge zu vermeiden.
der Wunsch nach umverteilung
an der schnittstelle zwischen armut und reichtum befindet sich der Wunsch nach umverteilung. Zwei Aspekte sind dabei zu beachten: Erstens ist der Wunsch nach Umverteilung nur dort erfüllbar, wo es etwas zum Umverteilen gibt – also dort, wo Wohlstand bereits generiert wurde. Zweitens ist der Wunsch nach Umverteilung dort besonders vorhanden, wo die gefühlte Ungerechtigkeit besonders groß ist, also auch wieder nur dort, wo es bereits Wohlstand gibt, der Ungleichheiten überhaupt erst zulässt. dass der ruf nach umverteilung in Österreich besonders groß ist, soll daher in anbetracht des großen Wohlstandes nicht verwundern.
der ruf nach umverteilung entsteht immer dort, wo die hohen und die niedrigen einkommen als nicht fair empfunden werden. Die Universität Zürich hat 2009 den Zusammenhang des Wunsches nach Umverteilung mit der gefühlten Ungerechtigkeit der Markteinkommen in Österreich erforscht, da Österreich in ihren Au-gen eine der niedrigsten Einkommensungleichheiten weltweit aufweist (und daher besonders die gefühlte Komponente der Ungerechtigkeit zum Tragen kommt) und weil das Transfersystem als nicht besonders treffsicher gilt (und daher die objektive Rechtfertigung der Umverteilung in Frage gestellt werden kann).
Anhand von über 700 Befragungen wurden die geschätzten gehälter verschiedener Berufsgruppen den als fair empfundenen Gehältern gegenübergestellt. Tatsächlich werden die hohen gehälter als wesentlich höher eingeschätzt, als es dem Gerechtigkeitsempfinden der Befragten entspricht. Das bedeutet: Ohne die
-15 -12 -9 -6 -3 0 3 6 9 12 15
WER KONSUMIERT ZU VIEL?in % des BIP 2008
Quelle: OECD, ifo-Institut für Ostdeuschland
Schweiz
Niederlande
Schweden
Deutschland
Österreich
Finnland
China
Japan
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Frankreich
UK
USA
Spanien
Portugal
Ostdeutschland
VERBRAUCHSÜBERHANG
PRODUKTIONSÜBERHANG
Umverteilung historisch betrachtet 32 |
tatsächliche Höhe der Gehäl-ter überhaupt zu kennen, wird automatisch angenommen, dass Gutverdienende überbezahlt und Schlechtverdienende unter-bezahlt sind. Der Ruf nach Um-verteilung ist also nicht nur ein Wohlstandsphänomen, sondern auch ein Phänomen der gefühl-ten ungerechtigkeit bei der Entlohnung durch das Markt-einkommen – das meistens nur die subjektiv eingeschätzten und nicht die tatsächlichen Gehälter als Empfindungsgrundlage hat.
umverteilung historisch betrachtet
Aus der historischen Perspektive ist ein Trend unübersehbar: Die umverteilung zwischen steuerzahlerin-nen, Steuerzahlern und Transferempfängerinnen, Transferempfängern hat rasant zugenommen. Heute beansprucht die Öffentliche Hand in Österreich knapp 42 Prozent der gesamten heimischen Wirtschafts-leistung in Form von Steuern und Abgaben. In der Nachkriegszeit waren es noch unter 30 Prozent. fast drei viertel der steuerleistung (über 30 Prozent des biP) fließt heute in soziale transfers. In der Nachkriegszeit war diese Relation noch wesentlich geringer. im Jahr 1955 floss gerade einmal die hälfte des gesamten steuer- und abgabenvolumens in die sozialausgaben (Steuer- und Abgabenquote von 28,8 Prozent und Sozialquote von 15,9 Prozent). Die Sozialquote (Sozialausgaben in Prozent des BIP) hat sich seit 1955 von 16,7 Prozent auf 30,4 Prozent des BIP fast verdoppelt:
Die Empirie zeigt: Je mehr die Bevölkerung mit Steuern belastet wird, desto mehr wird direkt umverteilt und desto weniger werden die Steuereinnahmen für Zukunftsausgaben wie Bildung, Forschung oder Infrastruk-tur ausgegeben.
1955
1960
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DIE GRENZEN DER STEUERBELASTUNG
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Steuer- und Abgabenquote(in % des BIP)
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Transfer
DIFFERENZ ZWISCHEN GESCHÄTZTEM UND ALS GERECHT EMPFUNDENEM GEHALTSchätzen Sie das Gehalt der folgenden Berufsgruppen. Um wie viel Prozent verdient die Berufsgruppe nach Ihrem Gerechtigkeitsempfinden "zu viel" oder "zu wenig".
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Nettotransferzahler und Nettotransferbezieher 33|
nettotransferzahler und nettotransferbezieher
Bevor wir uns der Umverteilung durch das Steuersystem mittels Sozialtransfers oder durch Leistungen der Sozialversicherung näher widmen, sollten wir kurz die erste Ebene der Umverteilung näher betrachten: Sie findet dort statt, wo Erwerbstätige jene Leistungen erbringen, die Nichterwerbspersonen konsumieren.
Der Staatshaushalt kann, ähnlich wie die Volkswirtschaft als Ganzes, mit einem Topf verglichen werden, in den die Menschen das einbringen, was sie leisten können und wollen, und sich das herausnehmen, was sie benötigen oder bedürfen. Im Prinzip sollten jene, die sich am Topf bedienen, auch eigene Leistungen einbringen. In einer Gesellschaft der wünschenswerten Vielfalt wird es jedoch immer – schon aus dem Blickwickel des Generationenausgleichs heraus – auf der einen Seite Nettotransferzahlerinnen und -zah-ler (also jene, die mehr Abgaben einzahlen, als sie an Transfers herausbekommen) und auf der anderen Seite Nettotransferbezieherinnen und -bezieher (jene, die mehr an Transfers beziehen, als sie an Abgaben zahlen) geben. dieses system funktioniert aber nur, solange die balance zwischen transferzahlerinnen, -zahler und transferbezieherinnen, -bezieher ausgewogen bleibt und solange die nettotransferzahlerin-nen und -zahler nicht in ihrer leistungserbringung übermäßig behindert und belastet werden.
das aktuelle bild sieht folgendermaßen aus:
Die österreichische Volkswirtschaft umfasst rund 8,3 Mio. Menschen. Davon sind weniger als die Hälfte (rund 46 Prozent) aktive Erwerbspersonen und mehr als die Hälfte (54 Prozent) sind Nicht-Erwerbsperso-nen (darunter Pensionisten; Arbeitslose; Invalide; in Ausbildung stehende Jugendliche; Kinder und aus-schließlich im Haushalt tätige Personen). Im Großen und Ganzen erwirtschaftet damit eine knappe Minder-heit die Konsummöglichkeiten für eine knappe Mehrheit.
Was die Transferlast betrifft, so ist die Re-lation noch drastischer. Von den knapp über 3,9 Mio. Erwerbstätigen sind laut Berechnungen der Statistik Austria (Lohn- und Einkommensteuerstatistik) 1,8 Mio. Nettotransferbezieherinnen, -bezieher und zahlen damit weniger Lohnsteuer, als sie an Transferleistungen (ohne Kinder-betreuungsgeld) bekommen. Darüber hinaus beziehen laut Daten der Umvertei-lungsstudie des WIFO mindestens weitere 200.000 unselbstständig Beschäftigte mehr Leistungen aus der öffentlichen Krankenversicherung, als sie an Lohnsteu-ern, Transfers und Beiträgen zur Kranken-versicherung (inkl. Dienstgeberbeitrag) einzahlen. das bedeutet, dass sich selbst unter den 3,9 mio. aktiv beschäftigten ins-gesamt mindestens zwei mio. nettotrans-ferbezieherinnen und -bezieher befinden (und damit nur rund 1,9 Mio. Nettotrans-ferzahlerinnen und -zahler).
ERWERBSTÄTIGE
3,9 Mio.47 %
selbstständige und unselbstständige
NICHTERWERBSTÄTIGE
4,4 Mio.53 %
Pensionisten, arbeitslose, invalide, Kinder, haushalt, in ausbildung
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1,9 Mio.
NETToTRaNSfERBEZIEHER
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8,3 Mio.
Erwerbsstatus in Österreich 2011
Quelle: Statistik Austria (Lebensunterhaltskonzept); IV-Berechnungen
Nettotransferzahler und Nettotransferbezieher34 |
Das bedeutet: Weniger als die hälfte (49 Prozent) der beschäftigten in Österreich sind nettotransferzah-lerinnen und -zahler. Von der Gesamtbevölkerung ist es sogar weniger als ein Viertel, das mehr an Lohn-steuern und Sozialabgaben zahlt, als es an sozialen Transfers bekommt – ein Zustand der sich aufgrund der demografischen Entwicklung ohne Änderung der politischen Rahmenbedingungen in Zukunft eher noch verschärfen wird.
anders ausgedrückt:
derzeit schultert jede, jeder der 1,9 mio. nettotransferzahlerinnen und -zahler in Österreich mehr als drei nettotransferbezieherinnen und -bezieher (von den insgesamt 8,3 Mio. Einwohnern). Selbst in der Gruppe der 3,9 Mio. aktiv Beschäftigten muss jede, jeder der 1,9 mio. beschäftigten nettotransferzahlerinnen und -zahler eine, einen weitere/n beschäftigte/n nettotransferbezieherin oder -bezieher erhalten.
Was bedeutet das für das Wahlverhalten?
Die Einteilung der Bevölkerung in Nettotransferzahlerinnen, -zahler und Nettotransferbezieherinnen, -bezieher hat auch einen wichtigen Einfluss auf das Wahlverhalten der Österreicher. 1,9 Mio. Nettotrans-ferzahlerinnen und -zahler ergaben bei 6,33 Mio. Wahlberechtigten bei den Nationalratswahlen 2008 eine Quote von 30 Prozent. Das bedeutet: Weniger als ein Drittel aller wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher waren (auch bereinigt um die Auslandsösterreicherinnen, -österreicher und um die nicht wahlberechtigten ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner) Nettotransferzahlerinnen, -zahler und mehr als zwei Drittel (70 Prozent) waren Nettotransferbezieherinnen, -bezieher. Oder anders betrachtet: ein wahlberechtigter nettotransferzahler, eine wahl-berechtigte nettotransferzahlerin schulterte zwei wahlberechtigte nettotrans-ferbezieherinnen und -bezieher. Daher ist davon auszugehen, dass aufgrund eigennütziger Wahlmotive die Wünsche nach Transfer- und damit nach Steuer-erhöhungen gegenüber den Wünschen nach Steuerentlastungen eindeutig in der Mehrzahl sind.
BESCHÄfTIGTE GESaMTBEvÖlKERUNG
1 Nettotransferzahler schultert
1 Nettotransferbezieher
1 Nettotransferzahler schultert
3 Nettotransferbezieher
WaHlBERECHTIGTE
1 Nettotransferzahler schultert
2 Nettotransferbezieher
Umverteilung durch das Steuersystem 35|
nota bene:
bei diesen berechnungen handelt es sich nicht um nettotransferbezieherinnen, -bezieher und nicht um nettosteuerzahlerinnen, -zahler. auch nettotransferbezieherinnen und -bezieher sind steuerzahlerinnen und steuerzahler bei den Konsum- und verbrauchssteuern. Die verbrauchsbezogenen Abgaben1 sind in der Berechnung über die Nettotransferzahlerinnen und -zahler nicht enthalten, weil der Nettotransferberech-nung nur direkte Steuern und Abgaben (Lohn- und Einkommensteuer, Sozialbeiträge, Lohnsummenabga-ben) zugrunde liegen und den Ausgaben für Sozialtransfers gegenübergestellt werden. Beide bewegen sich im Bereich von 80 bis 85 Mrd. Euro und bilden den mit Abstand größten Ausgaben- und Einnahmenblock des Staates. damit wird deutlich, dass die soziale umverteilung durchwegs von abgaben finanziert werden könnte, die lohn- und einkommen als bemessungsgrundlage haben.
umverteilung durch das steuersystem
Die im internationalen Vergleich äußerst gleichmäßige sekundäre Einkommensverteilung (nach Steuern und Transfers) in Österreich soll nicht weiter verwundern, ist doch das österreichische Lohn- und Einkom-mensteuersystem dem „Leistungsfähigkeitsprinzip“ unterworfen, wonach die Leistungsfähigen mehr zur Finanzierung der öffentlichen Ausgaben herangezogen werden als jene mit geringem Einkommen. Das ergibt folgende Progressionseffekte:
Progression in der lohn- und einkommensteuer
Die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher erwirtschaften 34 Prozent des Einkommens, aber tragen 56 Prozent der Steuerleistung.
Auf das oberste Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher entfallen neun Prozent des Einkommens und 19 Prozent der gesamten Einkommenssteuerleistung.
1) Die verbrauchsbezogenen Abgaben können auch als „Kostenersatz für die Bereitstellung der öffentlichen Güter als Vorleistung“ gesehen werden (z.B. öffentliche Infrastruk-tur, Verwaltung, Rechtssprechung und Vollziehung der Gesetze, etc.). Der Erwerb eines Konsumgutes und damit die Befriedigung des Konsumbedürfnisses sind ohne staatliche Vorleistungen bei Verwaltung und Infrastruktur nicht denkbar. Dafür muss auch ein Preis gezahlt werden, der in Form von Verbrauchsteuern (vor allem der Mehrwertsteuer) von den Konsumentinnen und Konsumenten abgegolten wird.
UMVERTEILUNG BEI DER LOHNSTEUER UND EINKOMMENSTEUER
DIE OBERSTEN
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des Einkommens des Steueraufkommens
10 % 34 % 56 %
DAS OBERSTE
und zahlthat
des Einkommens des Steueraufkommens
1 % 9 % 19 %
Umverteilung durch das Steuersystem36 |
Auf die gesamte untere Hälfte der Einkommensbezieherinnen und -bezieher entfällt ein knappes Fünftel der Einkommen, aber nur ein Vierzigstel (!) (2,5 Prozent) der Steuerleistung.
2,6 Mio. Steuerpflichtige zahlen ab der Steuerreform 2009 keine Steuer mehr, das sind fast 40 Prozent (!) aller österreichischen Lohnsteuerpflichtigen. Dieser Anteil hat sich seit 1970 mehr als verzweieinhalbfacht.
Die Steuerprogression ist ständig gestiegen
trotz steuerreformen in den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Progressionsgrad der lohnsteuer nicht verringert, sondern sogar wesentlich erhöht. Während die Steuerbelastung der oberen Einkommen durch die „kalte Progression“ über die Jahrzehnte gestiegen ist, wurden die niedrigen Einkommensgruppen im Zuge der Steuerreformen der Jahre 1993, 1995, 2000, 2005 und 2009 mittels Tarifsenkungen oder Anhebun-gen der Absetzbeträge, verbunden mit Negativsteuerelementen, deut-lich entlastet. die durchschnittliche einkommensteuerbelastung ist für die unteren 40 Prozent der einkom-mensbezieherinnen und -bezieher seit 2000 gesunken, während sie für alle anderen gestiegen ist (im Durchschnitt um 1,3 Prozentpunkte) und für die obersten Einkommen sogar um drei Prozentpunkte höher war als im Jahr 2000.
1970 1982 1995 2010
SO VIELE LOHNSTEUERPFLICHTIGE SIND ZUR GÄNZE VONDER LOHNSTEUER BEFREIT
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33 %39 %
*in % der Haushalte (bis 1972 Haushaltsbesteuerung)
ENTWICKLUNG DER STEUERBELASTUNG NACH EINKOMMENSHÖHE
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in % des Einkommens
0 5 10 15 20 25 30 35 40
20082000
Umverteilung durch Staatsausgaben 37|
verteilung der gesamten steuer- und abgabenlast
auch inklusive aller anderen (nicht progressionsbezogenen) steuern und abgaben, wie der Mehrwertsteuer oder den Sozialversicherungsbeiträgen, findet eine klare Umverteilung von Reich zu Arm statt. Wenn man alle Steuern und Abgaben zusammenzählt, tragen die zehn Prozent Ärmsten (1. Dezil in der Grafik unten) der Bevölkerung haushaltsbereinigt nur 2,4 Prozent zum gesamten Steuer- und Abgabentopf bei (im Schnitt 190 Euro pro Monat) und die Reichsten zehn Prozent (10. Dezil) mit 26,8 Prozent mehr als zehnmal so viel (im Schnitt 2.088 Euro pro Monat). Hier findet eine klare Umverteilung über die Nutzenfunktion statt. Sogar der Anteil der Steuer- und Abgabenlast am Bruttoeinkommen ist höher, je höher das Einkommen. Die zehn Prozent Ärmsten zahlen im Schnitt 26,7 Prozent ihres Gesamteinkommens an Steuern und Abgaben und die zehn Prozent Reichsten 38,3 Prozent. Keine Rede also von flacher Progression im gesamten Steuer- und abgabensystem.
umverteilung durch staatsausgaben
Der Großteil der Umverteilung in Österreich findet jedoch nicht über das Steuersystem, sondern über das Transfersystem statt. Das große Bild des Umverteilungssystems durch Steuern und Transfers ist in der Tat bemerkenswert: Teilt man die privaten Haushalte in Österreich je nach Primäreinkommen (Marktein-kommen ohne soziale Transfers) in Drittel auf, so zahlt laut WIFO das untere einkommensdrittel nur rund 13 Prozent des Steuer- und Abgabenaufkommens, bekommt dafür jedoch rund 43 Prozent der leistungen (monetäre Transfers und Sachtransfers des Staates). das mittlere einkommensdrittel zahlt rund 28 Prozent der Abgaben und bekommt 32 Prozent der Staatsleistungen und das obere einkommensdrittel trägt 59 Prozent der Abgabenlast und bezieht dafür nur 25 Prozent der gesamten Leistungen.
WER TRÄGT WIE VIEL ZUM GESAMTEN ABGABENTOPF BEI?
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1. Dezil
Anteil aller Steuern und Abgaben der Haushalte nach Dezilenin % der gesamten Steuern und Abgaben
0 5 10 15 20 25 30
26,8 %
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10,6 %
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7,6 %
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5,0 %
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2,4 %
Umverteilung durch Staatsausgaben38 |
Das bedeutet, dass im unteren Einkommensdrittel satte 84 Prozent des Einkommens aus sozialen Transfers (ohne Pensionen) bestehen. Im mittleren Einkommensdrittel sind es immerhin noch 29 Prozent und im oberen Drittel nur mehr zwölf Prozent.
der internationale vergleich
Im internationalen Vergleich ist Österreich damit Spitzenreiter: Der Anteil der Transferleistungen an den verfügbaren Einkommen der Haushalte ist mit 36,6 Prozent so hoch wie in keinem anderen OECD-Land (Durchschnittswert: 22 Prozent). damit wird genau ein drittel des verfügbaren haushaltseinkommens in Österreich nicht durch markteinkommen erwirtschaftet, sondern wird im Zuge der umverteilung vom staat überwiesen. Ohne Pensionshaushalte, also nur bei der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren, macht dieser Anteil noch immer 27,4 Prozent aus. Der OECD-Durchschnitt liegt nur bei 16 Prozent.
SOZIALE TRANSFERS IM VERGLEICH ZUM MARKTEINKOMMEN
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UMVERTEILUNG DURCH STAATSAUSGABEN
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(in Prozent der gesamten Abgaben)
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„ARM“
„MITTEL“
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Umverteilung durch Staatsausgaben 39|
der historische vergleich
Wenn man einen historischen vergleich anstellt, sieht man, dass die soziale umverteilung in Österreich in den vergangenen Jahren deutlich an gewicht gewonnen hat. Haben sich laut WIFO die monetären und Sachtransfers 1983 noch auf 49 Prozent und 1991 auf 79 Prozent des Markteinkommens der zehn Prozent ärmsten Haushalte belaufen, so sind sie 2000 schon bei 154 Prozent angelangt und im Jahr 2005 sogar schon bei 242 Prozent. Das bedeutet: Vor gut 20 Jahren haben die zehn Prozent ärmsten Haushalte noch mehr Markteinkommen erzielt, als sie Transfers erhalten haben – heute bekommen sie bereits fast 2,5-mal mehr an sozialen Transfers, als sie an Markteinkommen erwirtschaften.
Österreich
Frankreich
Deutschland
Großbritannien
Belgien
SchwedenLuxemburg
FinnlandAustralien
KanadaNeuseeland
USASüdkorea
Italien
NiederlandeSchweiz
TschechienOECD-Durchschnitt
NorwegenJapanIrland
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ÖSTERREICHER LEBEN VON SOZIALTRANSFERSAnteil der Sozialtransfers am verfügbaren Haushaltseinkommen (2006), in %
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0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100
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19,717,7
17,116,0
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gesamtes verfügbares Einkommen
davon Transfers
2005200019911983
DIE ENTWICKLUNG DER TRANSFERS
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Einkommen der 10 % ärmsten Haushalte aus sozialen Transfers, in % des Bruttomarkteinkommens
0
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Bruttomarkteinkommen
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242 %
Umverteilung durch Staatsausgaben40 |
Diese doch überraschend starke Zunahme der Transferausgaben hat damit zu tun, dass es sich bei einem Großteil der Ausgaben um Sachtransfers vor allem im Bereich Gesundheit, Pflege und Bildung handelt. Sie sind unbemerkt noch stärker gestiegen als die Geldtransfers. Insgesamt handelt es sich bei den gesamten Transferausgaben (ohne Pension) zu 56 Prozent um Gesundheits- und Pflegeleistungen, zu 21 Prozent um bildungsleistungen, zu 13 Prozent um familienleistungen, zu sieben Prozent um arbeitslosen-, notstands-, und sozialhilfe und zu drei Prozent um hinterbliebenen- und Wohnbeihilfen (Quelle: WIFO).
Das große Bild des Umverteilungsprozesses
Der Umverteilungsprozess über die Staatsausgaben verläuft über zwei Stufen: Bei der ersten Stufe werden vom Haushaltseinkommen, das auf dem Markt erzielt wird (das sogenannte „Primäreinkommen“), die steu-ern und abgaben an den Staat abgezogen und in der zweiten Stufe werden die transfers, die mit diesen Abgaben finanziert werden, neu an die Haushalte verteilt. In Österreich sieht dieser Vorgang laut WIFO folgendermaßen aus: Das „ärmste“ Drittel der Haushalte zahlt 35 Prozent des Markteinkommens an Steu-ern und Abgaben; das mittlere Drittel ebenfalls 35 Prozent und das „reichste“ Drittel zahlt rund 37 Prozent. Damit ist diese Stufe aufgrund des großen Volumens an Verbrauchabgaben (z.B. MwSt) nur wenig progres-siv ausgestaltet. Aber die wirkliche Umverteilung spielt sich erst in der zweiten Stufe ab: Hier erhält das unterste Drittel der Haushalte 84 Prozent seines Markteinkommens an sozialen Transfers wieder zurück, das mittlere Drittel nur 29 Prozent und das oberste Drittel sogar nur 12 Prozent seines Markteinkommens. Nach diesen zwei Stufen der Umverteilung sieht das echte verfügbare Einkommen (das sogenannte „Se-kundäreinkommen“) der Haushalte folgendermaßen aus: Das unterste Drittel verfügt nun über 149 Prozent seines ursprünglichen Markteinkommens, das mittlere Drittel über 95 Prozent und das oberste Drittel sogar nur mehr über 74 Prozent des ursprünglich erwirtschafteten Markteinkommens. Anders ausgedrückt: Während das untere Drittel der Haushalte durch den Umverteilungsprozess rund die Hälfte seines Markt-einkommens dazuverdient, wird dem oberen Drittel mehr als ein Viertel des ursprünglichen Einkommens abgenommen und an das untere drittel verteilt.
DER UMVERTEILUNGSPROZESS IN ÖSTERREICHin Prozent der Bruttomarktäquivalenzeinkommen
VORHERHaushaltseinkommen
ÄRMSTES DRITTEL
MITTLERES DRITTEL
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Von der „Einkommensschere“ zur „Umverteilungszange“ 41|
von der „einkommensschere“ zur „umverteilungszange“
Diese neue Betrachtungsweise wirft auch ein gänzlich neues bild auf die entwicklung der einkommens-verteilung in Österreich. Üblicherweise ist immer nur davon die Rede, dass die Einkommensverteilung ungleicher wird, weil der berühmte „Gini-Koeffizient“ bei den Lohneinkommen von 0,302 im Jahr 1990 auf 0,320 im Jahr 2008 gestiegen ist (je näher bei Null desto gleichmäßiger verteilt). Bereinigt man die Daten jedoch um die Teilzeitarbeit und inkludiert die Pensionierten (oder nimmt man gar Nettoeinkommen und nicht Bruttoeinkommen), so ist die „Einkommensschere“ bei den Personeneinkommen eine reine Fiktion. Laut Lohn- und Einkommensteuerstatistik ist die einkommensentwicklung des vergangenen Jahrzehnts in den untersten einkommensklassen am stärksten, in den höchsten einkommensklassen am niedrigsten. Während die Pro-Kopf-Einkommen in den Jahren 2000 bis 2008 in den unteren Einkommensklassen (2. Dezil) um 27 Prozent gestiegen sind, hat das oberste Einkommenszehntel nur einen Zuwachs von 13 Prozent erzielen können (netto sogar nur 0,7 Prozent). Die Behauptung „Die Reichen werden reicher, die Armen werden ärmer“ ist daher empirisch nicht haltbar und bei der weltweit höchsten Kollektivvertragsdichte (95 Prozent) in Österreich auch kaum begründbar.
gehen wir aber einen schritt weiter: Nicht die Veränderung der Primäreinkommen – also dessen, was jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeit-nehmer als Arbeitseinkommen erzielt (sprich: der Nettolöhne) – ist ausschlaggebend über die Kaufkraft-entwicklung einer Person, sondern deren „verfügbares Haushaltseinkommen“ – also das, was sie inklusive sozialer Transfers tatsächlich zur Verfügung hat. dieses „verfügbare haushaltseinkommen“ bezeichnet man als „sekundäreinkommen“ und es ist die eigentlich korrekte messlatte zur feststellung einer etwai-gen „einkommensschere“.
Es wird oft vergessen, dass die „Sekundäreinkommen“ in Österreich nach dem Umverteilungsprozess mit einem Gini-Koeffizienten von 0,261 heute wesentlich gleichmäßiger verteilt sind als noch vor 15 Jahren (0,27 im Jahr 1995). Ergo: bei den real verfügbaren einkommen der haushalte geht die berüchtigte „einkom-mensschere“ nicht auseinander. im gegenteil: sie ist durch das großzügige umverteilungssystem sogar im Begriff eine „Umverteilungszange“ zu werden.
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EINKOMMENSVERTEILUNG IN DER EU 2010(Gini-Koeffizient: je niedriger der Wert, desto gleichmäßiger die Umverteilung)
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EU-15-Durchschnitt: 30,5 %
ungleicher gleicher
Der Mythos „sinkende Reallöhne“42 |
im eu-vergleich – hier werden von Eurostat vernünftigerweise die Sekundäreinkommen berechnet (also inkl. der sozialen Transfers) – zeichnet sich Österreich übrigens mit einem der niedrigsten Quotienten aus. Im EU-15-Vergleich sind nur die Einkommen in Schweden, Finnland und den Niederlanden noch gleich-mäßiger verteilt als in Österreich. Vor diesen Staaten liegen lediglich die nicht vergleichbaren ehemaligen Ostblock-Staaten Tschechien, Ungarn, Slowakei und Slowenien.
der mythos „sinkende reallöhne“
An dieser Stelle sollte mit einem weit verbreiteten Missverständnis aufgeräumt werden: Wir haben nun gesehen, dass nicht die Entwicklung der Nettolöhne für die Veränderung des Individual-Wohlstandes aus-sagekräftig ist, sondern das „verfügbare Haushaltseinkommen“ – also das, was jemand inklusive sozialer transfers in einem gemeinsamen haushalt zur verfügung hat (je mehr Personen in einem Haushalt woh-nen, desto geringer sind die Lebenshaltungskosten und desto höher ist die Kaufkraft jedes Einzelnen).
der unterschied zwischen diesen beiden einkommensmesslatten ist bedeutend: Zwar stiegen die teilzeit-bereinigten Nettoreallöhne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (inflationsbereinigt nach Abzug der Steuern) laut WIFO seit 1995 „nur" um 5,6 Prozent, die „verfügbaren haushaltseinkommen“ (ebenfalls inflationsbereinigt) jedoch bereits um 17,1 Prozent.
Rechnet man nicht nur die monetären (Geld-)Transfers des Staates, sondern auch die Sachtransfers (Ge-sundheit, Bildung, Kinderbetreuung etc.) in die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte, dann ha-ben die Österreicherinnen und Österreicher laut Eurostat sogar die höchsten real verfügbaren Einkommen in der EU.
Wenn behauptet wird, dass die „Nettoreallöhne sinken“, wie es statistisch gesehen z.B. 2001 der Fall war, dann bezieht man sich nur auf den durchschnittslohn oder den medianlohn, der u.a. deswegen sinkt, weil sich die Anzahl der Lohneinkommen vergrößert (Beschäftigungszuwachs) und die neuen Arbeitnehmerin-
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REALE EINKOMMENSENTWICKLUNG SEIT 1999(Index 100=1999, deflationiert mit VPI)
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verfügbares Haushaltseinkommen
Nettoreallöhne
plusSozialtransfersundHaushaltsbereinigung
+ 17,1 %
+ 5,6 %
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Umverteilung durch die Sozialversicherung 43|
nen und Arbeitnehmer eher mit Löhnen unter dem Durchschnitts- bzw. dem Medianlohn in den Arbeits-markt einsteigen. Die kollektivvertraglichen Lohnabschlüsse (Mindestlöhne bzw. „Soll-Löhne“) waren, kumuliert betrachtet, immer über der kumulierten Inflationsrate (blaue Linie), wie die nächste Grafik bestätigt. Daher kann keinesfalls von Reallohneinbußen für die einzelne Arbeitnehmerin, den einzelnen Arbeitnehmer die Rede sein. die kumulierten reallohneinkommen (d.h. die kumulierten lohneinkommen im vergleich zum kumulierten vPi) sind, im gegenteil, in Österreich ohne ausnahme ständig gestiegen. Die Industrie kann sogar auf höhere Lohnabschlüsse (sowohl für Facharbeiterinnen und Facharbeiter als auch für Hilfsarbeiterinnen und Hilfsarbeiter) verweisen als der Durchschnitt aller Kollektivverträge.
umverteilung durch die sozialversicherung
Jeder Mensch ist laufend verschiedenen Risken ausgesetzt, die seine wirtschaftliche, gesundheitliche und gesellschaftliche Existenz bedrohen. Dazu zählen etwa Krankheit, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, Invali-dität, Alter, Arbeitslosigkeit oder Tod. Durch die Schaffung des ASVG im Jahr 1956 hat man diese Risken mit dem folgenden solidarischen Versicherungsprinzip abgedeckt: In der Sozialversicherung werden nicht nur die Risken zwischen Alt und Jung, zwischen Kranken und Gesunden und zwischen Arbeitslosen und Nicht- Arbeitslosen aufgeteilt, sondern auch zwischen arm und reich umverteilt. Es erfolgt nämlich keine Auftei-lung dieses Gesamtaufwandes auf die Versicherten zu gleichen Teilen, sondern es wird auf das einkommen der einzelnen versicherten rücksicht genommen: Wer wenig verdient, zahlt wenig, auch wenn er ein hohes Versicherungsrisiko darstellt. Wer viel verdient, zahlt viel, auch wenn er ein geringes, somit „gutes“ Ver-sicherungsrisiko darstellt. Damit unterliegt die Sozialversicherung nicht nur dem Äquivalenzprinzip (jeder bekommt die Leistung in der Höhe seiner Beiträge), sondern de facto auch dem Leistungsfähigkeitsprinzip (jeder zahlt nach seiner Leistungsfähigkeit).
Bevor dieses Umverteilungssystem in den drei Teilbereichen der Sozialversicherung (der Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung) näher beleuchtet wird, vorweg noch ein grafischer Überblick über die Entwicklung der Sozialversicherungsausgaben, die durch ihr steigendes Volumen eine immer stärkere Umverteilungswirkung erzielen.
ENTWICKLUNG DES TARIFLOHNINDEX (MINDESTLÖHNE) VERGLICHEN MIT DEM VPI 1986-2010Index 100 = 1986
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Beschäftigte insgesamt
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Facharbeiter Industrie
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Umverteilung durch die Sozialversicherung44 |
Pensionsversicherung
Die Pensionsversicherung soll den Lebensstandard im Alter absichern, unabhängig vom Einkommen und mit einem direkten Bezug zum Aktiveinkommen. Vom Prinzip her sollte also das Pensionssystem nicht umverteilen, denn Umverteilung fand bereits in der Zeit des Aktivbezuges statt. Dieses Prinzip wird aber in der politischen Realität nicht eingehalten und es findet ständig ein schleichender Abschied vom Versiche-rungsprinzip statt. Im Zeitraum 1990 bis 2010 ist die „Mindestpension“, der sogenannte „Ausgleichszulagen-richtsatz“, von 399 Euro auf 793 Euro fast verdoppelt (+99 Prozent) worden und doppelt so schnell gestie-gen wie die Inflation (+52 Prozent). Die Höchstpensionen, die in den vergangenen Jahren systematisch von der allgemeinen Pensionsanpassung (teilweise mit Einmalzahlungen) entkoppelt wurden, sind im selben Zeitraum nur um 41 Prozent gestiegen. die umverteilungsschere zwischen reich und arm geht bei den Pensionsanpassungen also immer weiter auseinander.
1956 1966 1976 1986 1996 2006 20102009
ENTWICKLUNG DER DER SOZIALVERSICHERUNGSAUSGABEN
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ANPASSUNGSSCHERE HÖCHSTPENSION – MINDESTPENSION(Index 100=1990)
Quel
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IV
Höchstpension
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141VPI
„Mindestpension“
Umverteilung durch die Sozialversicherung 45|
Dieser ständige Umverteilungseffekt ergibt, dass heute die einkommensärmeren (Hälfte des Durchschnitts-einkommens) über 91 Prozent ihres ehemaligen nettoverdienstes an Pensionsbezügen erhalten und die einkommensreicheren (Doppelte des Durchschnittseinkommens) nur knapp 63 Prozent. Dazu kommt noch, dass Mindestpensionistinnen und -pensionisten keine Steuern zahlen, während diejenigen die Höchst-pension beziehen, sehr wohl vom Fiskus zur Kasse gebeten werden. Bei einer Pension vom 0,5-Fachen des Durchschnitts fällt in Österreich ein Steuer- und Abgabensatz von 11,1 Prozent an, beim 1,5-Fachen des Durchschnitts sind es bereits 29,7 Prozent an Steuerleistungen. Damit ist in Österreich die Steuerprogressi-on bei den Pensionsbezügen noch stärker als bei den aktivbezügen und eine der höchsten der oecd.
Krankenversicherung
99 Prozent der Bevölkerung sind heute in Österreich durch die soziale Krankenversicherung geschützt. Damit hat Österreich eines der dichtesten öffentlichen Krankenversicherungsnetze der Welt. Die Kranken-versicherung sollte gemäß Versicherungsprinzip eigentlich eine horizontale Verteilung von den Gesunden zu den Kranken sein. da die beiträge der unteren einkommensschichten zur Krankenversicherung aber bei weitem nicht den leistungen abdecken, die von ihnen konsumiert werden, ist bei der Krankenversicherung auch die soziale Umverteilung besonders ausgeprägt. Die Gesundheitsausgaben werden laut WIFO zu 36 Prozent vom unteren Einkommensdrittel der Haushalte konsumiert, zu 33 Prozent vom mittleren und zu 31 Prozent vom oberen Drittel. Der Konsum ist also halbwegs gleich verteilt – wenn auch mit einer kleinen Progression nach unten (was vor allem damit zu erklären ist, dass Pensionistinnen und Pensionisten, die vermehrt im unteren Einkommensdrittel zu finden sind, die höheren Gesundheitsaufwendungen in An-spruch nehmen). Der Knackpunkt liegt aber nicht beim Konsum der Gesundheitsleistungen, sondern bei den beiträgen. Bei der Krankenversicherung, die knapp zwei Drittel der gesamten öffentlichen Gesund-heitsausgaben finanziert, zahlt laut WIFO das untere Drittel der Haushalte nur zwölf Prozent des Volumens der Arbeitnehmerbeiträge, das mittlere Drittel bereits 31 Prozent und das obere Drittel sogar 57 Prozent. das bedeutet, dass das untere einkommensdrittel bei annähernd gleichem leistungsbezug fast fünfmal weni-ger an beiträgen einzahlt, als das obere drittel.
UMVERTEILUNG DURCH DIE KRANKENVERSICHERUNG
ZAHLT
57 %
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BEKOMMT
... DER BEITRÄGE ... DER LEISTUNGEN
OBERES EINKOMMENS-
DRITTEL
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UNTERESEINKOMMENS-
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9 (D
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5)
Gespaltene Gesellschaft durch Schutzschirm des Staates46 |
arbeitslosenversicherung
Auch die Arbeitslosenversicherung ist dem Äquivalenzprinzip unterworfen und damit zumindest theo-retisch eine umverteilung zwischen beschäftigten und arbeitssuchenden und nicht zwischen arm und reich. Aber auch hier sieht die Praxis anders aus, denn die Betroffenheit von Arbeitslosigkeit und damit die Inanspruchnahme von Leistungen ist in den Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Einkommen wesentlich stärker ausgeprägt als in den oberen Einkommensgruppen. Bezieht man auch die Finanzierung der Arbeits-losenversicherung über die Beiträge mit ein, dann wird durch das system noch massiver von oben nach un-ten umverteilt als bei der Krankenversicherung: Während – analog zur Krankenversicherung – das untere Drittel der Haushalte nur zwölf Prozent des Volumens der Arbeitnehmerbeiträge zahlt und das obere Drittel 57 Prozent, sieht die Diskrepanz bei den Leistungen noch drastischer aus: Fast 89 Prozent der passiven arbeitsmarktmittel (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) fließen in das untere Drittel der Haushalte, und nur knapp zwei Prozent ins obere Drittel.
Gespaltene Gesellschaft durch Schutzschirm des Staates
Bei der versorgung durch den staat und bei den Risken des Jobverlustes, die in der Wirtschaftskrise be-sonders zu tragen gekommen sind, ist die Gesellschaft in Österreich gespalten: Den knapp 3,46 Millionen unselbstständig und selbstständig Beschäftigten in der Privatwirtschaft stehen knapp 3,23 Millionen Men-schen gegenüber, die ihr geld risikolos vom staat erhalten (Beschäftigte im öffentlichen Dienst und alle, die überwiegend von Transfergeldern des Staates leben).2 Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise und des weltweiten Konjunktureinbruchs bietet dieser schutzschirm des staates einen besonderen Vorteil gegen-über Angestellten und Arbeitern, deren Gehalt und Arbeitsplatz vom Marktrisiko abhängt.
UMVERTEILUNG DURCH DIE ARBEITSLOSENVERSICHERUNG
ZAHLT
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BEKOMMT
... DER BEITRÄGE ... DER LEISTUNGEN
OBERES EINKOMMENS-
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MITTLERESEINKOMMENS-
DRITTEL
UNTERESEINKOMMENS-
DRITTEL Quel
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200
9 (D
aten
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200
5)
2) Hier sind mangels näherer Zahlen noch nicht jene selbstständigen Landwirte miteinbezogen, deren Agrarsubventionen höher sind als ihre Markteinkommen. Insgesamt gibt es in Österreich rund 95.000 selbstständige Landwirte, die in dieser Aufstellung alle unter die 428.000 „Selbstständige und freie Dienstnehmer“ und damit unter jene, die ihr Geld nicht vom Staat erhalten, fallen.
Gespaltene Gesellschaft durch Schutzschirm des Staates 47|
3,237 Mio. erhalten ihr Geld vom Staat
Quelle: Statistik Austria, HV, BMWFJ, BMASK, IV, PVIllustrationen: Stefan Pommer
Gespaltene Gesellschaft in Österreich (in Tausend) 2010
3,465 Mio. erhalten ihr Geld nicht vom Staat
arbeiter und angestellte in der Privatwirtschaft
2.935
selbstständige undfreie dienstnehmer
530
Beschäftigte im öff entlichen Dienst (inkl. ausgliederungen)
534
Pensionsbezieher/innen
2.210
Kinderbetreuungsgeld- bezieher/innen
166
Empfänger von Arbeitslosengeld und notstandshilfe
188
Sozialhilfeempfänger (2007)(Allein- und Hauptunterstützte)
90
bezieher von staatlichen renten (Kriegsopfer etc.)
43
Ausgaben für die lokale Polizei und das Feuerwehrwesen sAowie verschiedene andere Gemeinde- dienstleistungen.
Aufgaben48 |
Zusammenfassung der Wichtigsten faKten
Fakten zu Wohlstand und Reichtum 49|
faKten Zu Wohlstand und reichtum
Österreichs Reichtum besteht aus Humankapital
Nur ein Prozent des heimischen Reichtums besteht aus natürlichen Rohstoffen, 15 Prozent aus festem Kapi-tal wie Maschinen und Gebäude und der überwiegende Rest (84 Prozent) aus dem Wissen und den Fertig-keiten und dem Know-how seiner Bevölkerung, der Qualität der Institutionen und dem Sozialkapital.
Österreich bei der geldvermögensbildung im schlussfeld
Österreichs Privathaushalte weisen zwar einerseits nach Luxemburg das zweithöchste verfügbare Haus-haltseinkommen der EU und das dritthöchste der Welt, aber andererseits eines der niedrigsten Bruttogeld-vermögen der westlichen Welt auf. Österreichs private Haushalte haben also den zweitgrößten Spielraum zur Vermögensbildung, aber dennoch relativ wenig Geldvermögen angespart.
Die Pensionsanwartschaften nivellieren das private Vermögen der Haushalte
Wenn man neben dem Geld- und Immobilienvermögen auch das Pensionsvermögen bzw. die gesetzlich zugesagten Pensionsanwartschaften zum Vermögen dazuzählt, so wird die Verteilung der Vermögen we-sentlich nivelliert. Eine Niedrigverdienerin, ein Niedrigverdiener (Hälfte des Durchschnittseinkommens) kommt als gesamte Pensionsleistung bereits auf 9,9 Nettojahreseinkommen (immerhin 191.000 Euro), eine Gutverdienerin, ein Gutverdiener (Doppelte des Durchschnittseinkommens) allerdings nur auf 5,4 Nettojah-reseinkommen (419.000 Euro). Die Pensionsanwartschaften wirken daher stark umverteilend.
eine vermögensteuer bewirkt nicht mehr umverteilung
Ein Ländervergleich zeigt, dass die Höhe der Vermögensteuern mit einer ausgeglichenen Einkommens-verteilung nichts zu tun hat. Eher im Gegenteil: Gerade in Ländern mit niedrigen Vermögensteuern, wie in Skandinavien, den Niederlanden und Österreich, ist der Wohlstand gleichmäßiger verteilt. Staaten wie Großbritannien, USA und Kanada, die relativ hohe Vermögensteuern haben, weisen viel größere Ungleich-heiten auf.
die „reichen“ zahlen genug steuern
Das oberste Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher zahlt heute im Durchschnitt fast 74.000 Euro jährlich an Einkommensteuer (vor zehn Jahren waren es 10.000 Euro weniger). Die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher zahlen im Durchschnitt 21.900 Euro jährlich an Einkommensteuer (vor zehn Jahren waren es noch knapp 4.000 Euro weniger). Die untersten 40 Prozent zahlen überhaupt keine Einkommenssteuer.
Fakten zur Armut50 |
die unternehmen zahlen genug steuern
Es wird gerne vergessen, dass Unternehmen, Unternehmerinnen und Unternehmer nicht nur Gewinnsteu-ern abführen, sondern auch andere, in Summe wesentlich höhere Zwangsabgaben entrichten, wie z.B. Lohnsummenabgaben, Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, Produktionsabgaben, LKW-Maut etc. Insgesamt leisten die österreichischen Unternehmen zusätzlich zur Körperschaftsteuer von 5,6 Mrd. Euro über 40 Mrd. Euro an weiteren Steuern- und Zwangsabgaben.
managergehälter sind nicht überhöht
Managerinnen und Manager der obersten Führungsetagen (Vorstände) verdienten 2011 das 5,4-Fache des tatsächlichen Medianeinkommens in Österreich; Managerinnen und Manager der zweiten Führungsebene das 3,3-Fache und Managerinnen und Manager der dritten Führungsebene „nur“ das 2,4-Fache. Dass die Vorstände angeblich das 48-Fache eines Durchschnittseinkommens bekommen, entspricht nicht einmal der Gehaltswirklichkeit der österreichischen Top-Führungskräfte.
faKten Zur armut
Österreich bei Pro-Kopf-Sozialschutzausgaben im EU-Spitzenfeld
Vergleicht man die staatlichen Sozialschutzausgaben (monetäre Ausgaben und Sachtransfers in den Berei-chen Krankheit | Gesundheitsversorgung, Invalidität | Gebrechen, Alter, Hinterbliebene, Familien | Kinder, Arbeitslosigkeit, Wohnen, soziale Ausgrenzung) pro Kopf der Bevölkerung, so liegt Österreich mit 9.009 Euro noch deutlicher über dem EU-Durchschnitt von 6.935 Euro auf Platz 3 (ohne Luxemburg).
soziale mobilität in Österreich am größten
Österreich hat mit Abstand den höchsten Grad an intergenerationaler sozialer Mobilität in allen unter-suchten Staaten – sowohl bei der Bildung als auch bei den Einkommen. Das bedeutet, dass die oft zitierte „gläserne Decke“ bei Bildung und Einkommen in Österreich am durchlässigsten ist und damit die Frage von Armut und Bildungsniveau in Österreich am wenigsten unter allen OECD-Staaten eine Frage der Geburt ist. Es entscheidet also in Österreich weniger die „Geburtsprämie“ als vielmehr die eigene Motivation und Leistung über Einkommen und Bildung.
armutsgefährdung in Österreich ist gering
Zwölf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher sind armutsgefährdet. Das ist nach den Niederlanden der zweitniedrigste Wert der EU-15. Die Tendenz ist in Österreich weiterhin sinkend, obwohl sie im EU-15-Schnitt eher steigt – auf derzeit 16,4 Prozent.
Fakten zur Umverteilung 51|
manifeste armut ist noch geringer als die armutsgefährdung
Von „manifester Armut“ wird nur dann gesprochen, wenn zusätzlich zu niedrigem Einkommen gewisse Mängel oder Einschränkungen in grundlegenden Lebensbereichen auftreten (wie keine angemessene Wohnung oder Heizmöglichkeit, Kleidung oder Ernährung). Das betrifft in Österreich derzeit nur 6,2 Prozent der Bevölkerung. Hochgerechnet sind also etwa 511.000 Menschen in Österreich „arm“, und nicht über eine Million, wie oft behauptet wird.
Jammern auf hohem niveau
Nur sechs Prozent der Bevölkerung können sich kein eigenes Auto leisten (selbst unter den „Armutsgefähr-deten“ sind es nur 25 Prozent); vier Prozent der Bevölkerung können sich keinen eigenen PC und überhaupt nur weniger als ein Prozent kann sich kein eigenes Handy und keine eigene Waschmaschine leisten.
faKten Zur umverteilung
ein österreichischer leistungsträger, -trägerin schultert drei transferbezieher, -bezieherinnen
Derzeit schultert jede beschäftigte Nettotransferzahlerin, jeder beschäftigte Nettotransferzahler in Öster-reich einen beschäftigten Nettotransferbezieher, eine beschäftigte Nettotransferbezieherin. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung schultert jede Nettotransferzahlerin, jeder Nettotransferzahler sogar drei Nettotrans-ferbezieherinnen, -bezieher. Rund zwei Drittel aller wahlberechtigten Österreicherinnen und Österreicher sind Nettotransferbezieherinnen, -bezieher.
die umverteilung hat nicht ab-, sondern zugenommen
Die Umverteilung zwischen Steuerzahlerinnen, Steuerzahlern und Transferempfängerinnen, Transferemp-fängern hat in Österreich rasant zugenommen. Fast drei Viertel aller Steuern und Abgaben fließen heute in soziale Transfers. Im Jahr 1955 war es noch knapp die Hälfte.
Das Lohn- und Einkommensteuersystem ist stark progressiv gestaltet
Die obersten zehn Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher tragen rund 56 Prozent der Einkommensteuerleistung. Das oberste Prozent der Einkommensbezieherinnen und -bezieher erwirtschaf-tet neun Prozent des Einkommens, aber zahlt 19 Prozent der gesamten Einkommensteuerleistung. Auf die gesamte untere Hälfte (50 Prozent) der Einkommensbezieherinnen und -bezieher entfallen nur knapp 2,5 Prozent des Einkommensteueraufkommens. Fast 40 Prozent aller Einkommensbezieherinnen und -bezieher sind überhaupt von der Lohnsteuer befreit.
Fakten zur Umverteilung52 |
auch das gesamte abgabensystem verteilt um
Auch inklusive aller anderen (nicht progressionsbezogenen) Steuern und Abgaben, wie der Mehrwertssteu-er oder den Sozialversicherungsbeiträgen, findet eine klare Umverteilung von Reich zu Arm statt. Die zehn Prozent Ärmsten der Bevölkerung tragen nur 2,4 Prozent zum gesamten Steuer- und Abgabentopf bei (im Schnitt 190 Euro pro Monat) und die Reichsten zehn Prozent mit 26,8 Prozent mehr als zehnmal so viel (im Schnitt 2.088 Euro pro Monat).
Die Steuerprogression ist ständig gestiegen
Die durchschnittliche Einkommensteuerbelastung ist für die unteren 40 Prozent der Einkommensbeziehe-rinnen und -bezieher seit 2000 gesunken, während sie für alle anderen gestiegen ist (im Durchschnitt um 1,3 Prozentpunkte) und für die obersten Einkommen sogar um drei Prozentpunkte höher war als im Jahr 2000. Umverteilung ist durch die Staatsausgaben besonders ausgeprägt.Die wahre Umverteilung findet über die Staatsausgaben statt. Das untere Einkommensdrittel in Österreich zahlt nur 13 Prozent des Steuer- und Abgabenaufkommens, bekommt jedoch 43 Prozent der Staatsausgaben für soziale Transfers. Das obere Einkommensdrittel trägt hingegen 59 Prozent der Abgabenlast und bezieht dafür nur 25 Prozent der gesamten Leistungen.
transfers und steuern: die reichen finanzieren die armen
Nach Steuern und sozialen Transfers verfügt das unterste Einkommensdrittel in Österreich nun über 149 Prozent seines ursprünglichen Markteinkommens, das mittlere Drittel über 95 Prozent und das oberste Drittel sogar nur mehr über 74 Prozent des ursprünglich erwirtschafteten Markteinkommens. Das bedeutet: Während das untere Drittel der Haushalte durch den Umverteilungsprozess rund die Hälfte seines Markt-einkommens dazuverdient, wird dem oberen Drittel mehr als ein Viertel des ursprünglichen Einkommens abgenommen und auf das untere Drittel verteilt.
die umverteilung steigt seit 20 Jahren rasant an
Haben sich die sozialen Transfers 1991 noch auf 79 Prozent des Markteinkommens der zehn Prozent ärms-ten Haushalte belaufen, so sind sie 2000 schon bei 154 Prozent angelangt und im Jahr 2005 sogar schon bei 242 Prozent. Das bedeutet, vor gut 20 Jahren haben die zehn Prozent ärmsten Haushalte noch mehr Markt-einkommen erzielt als sie Transfers erhalten haben. Heute bekommen sie bereits fast 2,5-mal mehr an sozialen Transfers als sie an Markteinkommen erwirtschaften.
Österreich ist „transferweltmeister“
Der Anteil der Transferleistungen an den verfügbaren Einkommen der Haushalte ist mit 36,6 Prozent so hoch wie in keinem anderen OECD-Land (Durchschnittswert: 22 Prozent). Damit wird mehr als ein Drittel des verfügbaren Haushaltseinkommens in Österreich nicht durch Markteinkommen erwirtschaftet, sondern wird im Zuge der Umverteilung vom Staat beigetragen.
Fakten zur Umverteilung 53|
die „einkommensschere“ wird in Wirklichkeit zur „umverteilungszange“.
Bei den real verfügbaren Einkommen der Haushalte – also den Einkommen nach dem Umverteilungspro-zess – ist der „Gini-Koeffizient“ nicht nur seit Jahren rückläufig (immer gleichmäßigere Verteilung), son-dern auch im EU-Spitzenfeld: Im EU-15-Vergleich sind nur die Einkommen in Schweden, Finnland und den Niederlanden noch gleichmäßiger verteilt als in Österreich. Bei den Einkommen inklusive sozialer Transfers geht also die vielzitierte „Einkommensschere“ nicht auseinander, sondern sie wird durch das großzügige Umverteilungssystem sogar eine „Umverteilungszange“.
IMPRESSUM
Vereinigung der Österreichischen Industrie (Industriellenvereinigung), Schwarzenbergplatz 4, 1031 Wien, Tel.: +43 1 711 35 - 0, Fax: +43 1 71135 - 2910, [email protected], http://www.iv-net.atVereinszweck gemäß § 2 Statuten: Die Industriellenvereinigung (IV) bezweckt, in Österreich tätige industrielle und im Zusam-menhang mit der Industrie stehende Unternehmen sowie deren Eigentümer und Führungskräfte in freier und demokratischer Form zusammenzufassen; ihre Interessen besonders in beruflicher, betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu vertreten und wahrzunehmen, industrielle Entwicklungen zu fördern, Rahmenbedin-gungen für Bestand und Entscheidungsfreiheit des Unternehmertums zu sichern und Verständnis für Fragen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu verbreiten.
Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Clemens Wallner, Grafik: Mag. Lisi Schörghofer, Nicola Askapa, Illustrationen: Stefan Pommer
Wien, im August 2012, 4. überarbeitete Auflage