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germanischen trt/trs (= Tarschisch/Tartessos)-Zone ist die Hypothese nicht abwegig, die Stelen repräsentierten, wie bereits die älteren schriftlosen sogenannten Krieger-Stelen, eine schmale Krieger-Kaste, deren Kontakte mit den alphabetisierten Nachbarn im Süden und Südosten in ihrem eigenen gesellschaftlichen Kontext zu einer neuen Spielart elitärer Selbstdarstellung geführt hätten. Das würde möglicherweise auch das Problem der eigenartigen räumlichen Verbreitung der beschrifteten Stelen klären können. Die Lösung des Problems ist erst von der Enträtselung der Formeln auf den Schrift-Stelen zu erwarten; auch die Überlegung, es handele sich um einen Traditionszusammenhang mit den viel älteren ‚Krieger‘-Stelen im Süden und Südwesten der Halbinsel (dazu zuletzt S. Celestino Pérez ) ist gegenwärtig keinesfalls mehr als eine Hypothese.
Resumierend: John T. Kochs Beitrag bedeutet eine Anregung, keinesfalls eine Problemlösung. Er enthält eine Fülle methodischer Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Interpretation antiker Schriftquellen und archäologischer Befunde. Seine Hauptthese verläßt allzu oft das sichere Terrain des wissenschaftlich Beweisbaren in Richtung auf Hypothetisches. Die Zukunft wird erweisen, ob Kochs Richtung stimmt -oder auch nicht.
Stolberg-Zweifall Michael KOCH
MARTIN KUCKENBURG: Die Kelten. Stuttgart: Theiss Verlag, 2010. 240 Seiten mit rund 200 farbigen Abbildungen. 24,5 x 29 cm, Hardcover, ISBN 978-3-8062-2274-6, € 49,90.
Bei diesem Buch handelt sich um eine durchaus empfehlenswerte populärwissenschaftliche Darstellung der mitteleuopäischen Hallstatt- und Latènekulturen aus archäologischer Sicht, kompetent und sehr gut lesbar verfasst.
Es ist die 2., stark erweiterte und überarbeitete, Neuauflage der bisherigen Ausgabe „Die Kelten in Mitteleuropa“ desselben Autors, erschienen bei Theiss im Jahre 2004 (ISBN: 3-8062-1593-6).
Die Kapitel „Mitteleuropa - das Ursprungsgebiet der Kelten“ (S. 6) bis „Die gallo-römische Kultur und das Ende der Kelten“ (S. 151-156) ist weitgehend identisch mit denen der ersten Auflage, lediglich das Kapitel „Die ‚Fürstensitze‘ der späten Hallstattzeit als Siedlungs- und Wirtschaftszentren“ wurde teilweise überarbeitet und mit Verweisen auf die Neufunde vom Mont Lassois, vor allem den sog. „Palast“, ergänzt. Neu hinzugekommen sind neun Kapitel (oder 70 Seiten), die die wichtigsten Fragen der latènezeitlichen bis frühmittelalterlichen Archäologie der britischen Inseln, vor allem Großbritanniens, zusammenfassen. Die Bibliographie ist knapp, aber ausreichend, enthält die wichtigsten Titel der aktuellen Standardliteratur zum Thema und bietet eine Basis zum weiterführenden Studium.
6 Vgl. dazu KOCH, M. 1984: Tarschisch undHispanien, (siehe Anm. 3) 5; 111-116 7 CELESTINO PEREZ, Sebastián 2001: Estelas de guerrero y estelas diademadas. La precolonización
yformación del mundo tartésico. Barcelona: Edicions Bellaterra. Interessant auch KRISTIAN-SEN, K. 1998: Europe before History. Cambridge: University Press, 157-160, der einen solchen Traditionsfaden unterstellt.
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Das Buch ist reich und in vorzüglicher Qualität bebildert. Warum allerdings als Beispiel für ein irisches Hochkreuz (S. 222) ausgerechnet ein neuzeitlicher Grabstein verwendet wurde, bleibt Geheimnis des Verlages.
Auch wie der Autor die unumgänglichen „heiklen“ Themen, wie „keltische Religion“ (S. 118-133, 169-175), oder die „Artus-Legende“ (S. 202-209), sachlich von esoterischen Mythen befreit, ist sehr positiv im Sinne einer Darstellung „der Kelten“ für die nichtakademische Öffentlichkeit und macht das Buch zu einer willkommenen Ergänzung zu Die Kelten - Mythos und Wirklichkeit, hrsg. von Stefan Zimmer. Stuttgart: Theiss 2004.
Es ist nicht nur für den interessierten, anspruchsvollen Laien geeignet, sondern auch für den wissenschaftlichen Einsteiger, der mit diesem Buch einen guten Überblick über die komplexe - und oft verwirrende - Materie der Archäologie der mitteleuropäischen Hallstatt- und Latènekulturen erhält. Allerdings entbindet es den akademischen Leser nicht von weiteren Studien und kritischer Hinterfragung.
So gesehen sehr gute Populärwissenschaft. Um den Anspruch des umfassenden Titels „Die Kelten“ zu erfüllen, wären allerdings auch einige Kapitel sowohl zu den Kelten auf der iberischen Halbinsel, die in diesem Buch lediglich unkommentiert auf einigen Karten erscheinen, als auch zur den Kelten östlich der Kernlande wünschenswert gewesen - da müssen wir wohl die dritte Auflage abwarten.
Berlin Daniel BÜCHNER
LAJOYE, PATRICE: Des Dieux gaulois. Petits essais de mythologie. Budapest: Archaeolin-gua Alapítvány, 2008 (Archaeolingua Series Minor 26). 237 S., ISBN 978-963-8046-92-5. € 36.
Wie der Untertitel des Buches anzeigt, handelt es sich um eine Sammlung von insgesamt 22 weitgehend selbständigen Aufsätzen zur gallischen Mythologie, von denen sich zwölf mit gallischen Göttern, sieben mit gallischen Göttinnen, zwei mit jeweils einem Götterpaar und ein letzter (besonders umfangreicher) mit dem Gott Lugus beschäftigen. Eingerahmt werden diese Aufsätze von einer zehnseitigen Introduction (mit Hinweisen zur Forschungsgeschichte, zum sujet d’étude, zur méthode und zu der vom Autor favorisierten méthode comparatiste) sowie von einem zweiseitigen Schlussabschnitt En guise de conclusion (mit einigen Überlegungen zum Gott Ucuetis), einer 25-seitigen Bibliographie und einem Register der antiken und mittelalterlichen keltischen Namen.
Die Stärke des Bandes besteht darin, dass der Autor eine Fülle antiker literarischer und epigraphischer Quellen, Übersetzungen mittelalterlicher inselkeltischer Quellen sowie moderner Sekundärliteratur durchgearbeitet hat und dem Leser durch seine ausführliche Quellennachweise einen guten Eindruck von der Quellenlage und ihrer Problematik vermittelt. Dabei lernt man neben bekannten Hypothesen und Spekulationen auch einige neue Überlegungen und neuartige Kombinationen bereits bekannter Quellen kennen. Eine unleugbare Schwäche des Bandes liegt jedoch darin, dass der Autor vor allem französischsprachige und ins Französische übersetzte Autoren
DOI 10.1515/zcph.2011.037 Brought to you by | Boston College O'Neill Library
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