2
Besprechungen 259 germanischen trt/trs (= Tarschisch/Tartessos)-Zone ist die Hypothese nicht abwegig, die Stelen repräsentierten, wie bereits die älteren schriftlosen sogenannten Krieger- Stelen, eine schmale Krieger-Kaste, deren Kontakte mit den alphabetisierten Nach- barn im Süden und Südosten in ihrem eigenen gesellschaftlichen Kontext zu einer neuen Spielart elitärer Selbstdarstellung geführt hätten. Das würde möglicherweise auch das Problem der eigenartigen räumlichen Verbreitung der beschrifteten Stelen klären können. Die Lösung des Problems ist erst von der Enträtselung der Formeln auf den Schrift-Stelen zu erwarten; auch die Überlegung, es handele sich um einen Traditionszusammenhang mit den viel älteren ‚Krieger‘-Stelen im Süden und Südwe- sten der Halbinsel (dazu zuletzt S. Celestino Pérez ) ist gegenwärtig keinesfalls mehr als eine Hypothese. Resumierend: John T. Kochs Beitrag bedeutet eine Anregung, keinesfalls eine Pro- blemlösung. Er enthält eine Fülle methodischer Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Interpretation antiker Schriftquellen und archäologischer Befunde. Seine Haupt- these verläßt allzu oft das sichere Terrain des wissenschaftlich Beweisbaren in Rich- tung auf Hypothetisches. Die Zukunft wird erweisen, ob Kochs Richtung stimmt - oder auch nicht. Stolberg-Zweifall Michael KOCH MARTIN KUCKENBURG: Die Kelten. Stuttgart: Theiss Verlag, 2010. 240 Seiten mit rund 200 farbigen Abbildungen. 24,5 x 29 cm, Hardcover, ISBN 978-3-8062-2274-6, 49,90. Bei diesem Buch handelt sich um eine durchaus empfehlenswerte populärwissen- schaftliche Darstellung der mitteleuopäischen Hallstatt- und Latènekulturen aus ar- chäologischer Sicht, kompetent und sehr gut lesbar verfasst. Es ist die 2., stark erweiterte und überarbeitete, Neuauflage der bisherigen Ausgabe „Die Kelten in Mitteleuropa“ desselben Autors, erschienen bei Theiss im Jahre 2004 (ISBN: 3-8062-1593-6). Die Kapitel „Mitteleuropa - das Ursprungsgebiet der Kelten“ (S. 6) bis „Die gallo- römische Kultur und das Ende der Kelten“ (S. 151-156) ist weitgehend identisch mit denen der ersten Auflage, lediglich das Kapitel „Die ‚Fürstensitze‘ der späten Hall- stattzeit als Siedlungs- und Wirtschaftszentren“ wurde teilweise überarbeitet und mit Verweisen auf die Neufunde vom Mont Lassois, vor allem den sog. „Palast“, ergänzt. Neu hinzugekommen sind neun Kapitel (oder 70 Seiten), die die wichtigsten Fragen der latènezeitlichen bis frühmittelalterlichen Archäologie der britischen Inseln, vor al- lem Großbritanniens, zusammenfassen. Die Bibliographie ist knapp, aber ausreichend, enthält die wichtigsten Titel der aktuellen Standardliteratur zum Thema und bietet eine Basis zum weiterführenden Studium. 6 Vgl. dazu KOCH, M. 1984: Tarschisch undHispanien, (siehe Anm. 3) 5; 111-116 7 CELESTINO PEREZ, Sebastián 2001: Estelas de guerrero y estelas diademadas. La precolonización yformación del mundo tartésico. Barcelona: Edicions Bellaterra. Interessant auch KRISTIAN- SEN, K. 1998: Europe before History. Cambridge: University Press, 157-160, der einen solchen Traditionsfaden unterstellt. DOI10.1515/zcph.2011.036 Brought to you by | Boston College O'Neill Library Authenticated Download Date | 11/28/14 7:24 PM

Zeitschrift für celtische Philologie (2011) () || MARTIN KUCKENBURG: Die Kelten

  • Upload
    daniel

  • View
    216

  • Download
    2

Embed Size (px)

Citation preview

Besprechungen 259

germanischen trt/trs (= Tarschisch/Tartessos)-Zone ist die Hypothese nicht abwegig, die Stelen repräsentierten, wie bereits die älteren schriftlosen sogenannten Krieger-Stelen, eine schmale Krieger-Kaste, deren Kontakte mit den alphabetisierten Nach­barn im Süden und Südosten in ihrem eigenen gesellschaftlichen Kontext zu einer neuen Spielart elitärer Selbstdarstellung geführt hätten. Das würde möglicherweise auch das Problem der eigenartigen räumlichen Verbreitung der beschrifteten Stelen klären können. Die Lösung des Problems ist erst von der Enträtselung der Formeln auf den Schrift-Stelen zu erwarten; auch die Überlegung, es handele sich um einen Traditionszusammenhang mit den viel älteren ‚Krieger‘-Stelen im Süden und Südwe­sten der Halbinsel (dazu zuletzt S. Celestino Pérez ) ist gegenwärtig keinesfalls mehr als eine Hypothese.

Resumierend: John T. Kochs Beitrag bedeutet eine Anregung, keinesfalls eine Pro­blemlösung. Er enthält eine Fülle methodischer Unzulänglichkeiten im Hinblick auf die Interpretation antiker Schriftquellen und archäologischer Befunde. Seine Haupt­these verläßt allzu oft das sichere Terrain des wissenschaftlich Beweisbaren in Rich­tung auf Hypothetisches. Die Zukunft wird erweisen, ob Kochs Richtung stimmt -oder auch nicht.

Stolberg-Zweifall Michael KOCH

MARTIN KUCKENBURG: Die Kelten. Stuttgart: Theiss Verlag, 2010. 240 Seiten mit rund 200 farbigen Abbildungen. 24,5 x 29 cm, Hardcover, ISBN 978-3-8062-2274-6, € 49,90.

Bei diesem Buch handelt sich um eine durchaus empfehlenswerte populärwissen­schaftliche Darstellung der mitteleuopäischen Hallstatt- und Latènekulturen aus ar­chäologischer Sicht, kompetent und sehr gut lesbar verfasst.

Es ist die 2., stark erweiterte und überarbeitete, Neuauflage der bisherigen Ausgabe „Die Kelten in Mitteleuropa“ desselben Autors, erschienen bei Theiss im Jahre 2004 (ISBN: 3-8062-1593-6).

Die Kapitel „Mitteleuropa - das Ursprungsgebiet der Kelten“ (S. 6) bis „Die gallo-römische Kultur und das Ende der Kelten“ (S. 151-156) ist weitgehend identisch mit denen der ersten Auflage, lediglich das Kapitel „Die ‚Fürstensitze‘ der späten Hall­stattzeit als Siedlungs- und Wirtschaftszentren“ wurde teilweise überarbeitet und mit Verweisen auf die Neufunde vom Mont Lassois, vor allem den sog. „Palast“, ergänzt. Neu hinzugekommen sind neun Kapitel (oder 70 Seiten), die die wichtigsten Fragen der latènezeitlichen bis frühmittelalterlichen Archäologie der britischen Inseln, vor al­lem Großbritanniens, zusammenfassen. Die Bibliographie ist knapp, aber ausreichend, enthält die wichtigsten Titel der aktuellen Standardliteratur zum Thema und bietet eine Basis zum weiterführenden Studium.

6 Vgl. dazu KOCH, M. 1984: Tarschisch undHispanien, (siehe Anm. 3) 5; 111-116 7 CELESTINO PEREZ, Sebastián 2001: Estelas de guerrero y estelas diademadas. La precolonización

yformación del mundo tartésico. Barcelona: Edicions Bellaterra. Interessant auch KRISTIAN-SEN, K. 1998: Europe before History. Cambridge: University Press, 157-160, der einen solchen Traditionsfaden unterstellt.

DOI 10.1515/zcph.2011.036 Brought to you by | Boston College O'Neill Library

AuthenticatedDownload Date | 11/28/14 7:24 PM

260 Besprechungen

Das Buch ist reich und in vorzüglicher Qualität bebildert. Warum allerdings als Beispiel für ein irisches Hochkreuz (S. 222) ausgerechnet ein neuzeitlicher Grabstein verwendet wurde, bleibt Geheimnis des Verlages.

Auch wie der Autor die unumgänglichen „heiklen“ Themen, wie „keltische Religi­on“ (S. 118-133, 169-175), oder die „Artus-Legende“ (S. 202-209), sachlich von esote­rischen Mythen befreit, ist sehr positiv im Sinne einer Darstellung „der Kelten“ für die nichtakademische Öffentlichkeit und macht das Buch zu einer willkommenen Er­gänzung zu Die Kelten - Mythos und Wirklichkeit, hrsg. von Stefan Zimmer. Stuttgart: Theiss 2004.

Es ist nicht nur für den interessierten, anspruchsvollen Laien geeignet, sondern auch für den wissenschaftlichen Einsteiger, der mit diesem Buch einen guten Über­blick über die komplexe - und oft verwirrende - Materie der Archäologie der mittel­europäischen Hallstatt- und Latènekulturen erhält. Allerdings entbindet es den aka­demischen Leser nicht von weiteren Studien und kritischer Hinterfragung.

So gesehen sehr gute Populärwissenschaft. Um den Anspruch des umfassenden Titels „Die Kelten“ zu erfüllen, wären allerdings auch einige Kapitel sowohl zu den Kelten auf der iberischen Halbinsel, die in diesem Buch lediglich unkommentiert auf einigen Karten erscheinen, als auch zur den Kelten östlich der Kernlande wünschens­wert gewesen - da müssen wir wohl die dritte Auflage abwarten.

Berlin Daniel BÜCHNER

LAJOYE, PATRICE: Des Dieux gaulois. Petits essais de mythologie. Budapest: Archaeolin-gua Alapítvány, 2008 (Archaeolingua Series Minor 26). 237 S., ISBN 978-963-8046-92-5. € 36.

Wie der Untertitel des Buches anzeigt, handelt es sich um eine Sammlung von insge­samt 22 weitgehend selbständigen Aufsätzen zur gallischen Mythologie, von denen sich zwölf mit gallischen Göttern, sieben mit gallischen Göttinnen, zwei mit jeweils einem Götterpaar und ein letzter (besonders umfangreicher) mit dem Gott Lugus be­schäftigen. Eingerahmt werden diese Aufsätze von einer zehnseitigen Introduction (mit Hinweisen zur Forschungsgeschichte, zum sujet d’étude, zur méthode und zu der vom Autor favorisierten méthode comparatiste) sowie von einem zweiseitigen Schluss­abschnitt En guise de conclusion (mit einigen Überlegungen zum Gott Ucuetis), einer 25-seitigen Bibliographie und einem Register der antiken und mittelalterlichen kelti­schen Namen.

Die Stärke des Bandes besteht darin, dass der Autor eine Fülle antiker literarischer und epigraphischer Quellen, Übersetzungen mittelalterlicher inselkeltischer Quellen sowie moderner Sekundärliteratur durchgearbeitet hat und dem Leser durch seine ausführliche Quellennachweise einen guten Eindruck von der Quellenlage und ihrer Problematik vermittelt. Dabei lernt man neben bekannten Hypothesen und Spekula­tionen auch einige neue Überlegungen und neuartige Kombinationen bereits bekann­ter Quellen kennen. Eine unleugbare Schwäche des Bandes liegt jedoch darin, dass der Autor vor allem französischsprachige und ins Französische übersetzte Autoren

DOI 10.1515/zcph.2011.037 Brought to you by | Boston College O'Neill Library

AuthenticatedDownload Date | 11/28/14 7:24 PM