Transcript

ZUHÖREN. VERSTEHEN. HANDELN – CHEMIE3 IM DIALOG

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“ am 4. November 2015 in Berlin

TOP

Inhaltsverzeichnis

1. Eröffnung der Allianzpartner: „Drei gute Gründe für einen Dialog“...................... 2

2. Vorstellung der Themen: „3 Aufgaben, 3 Ideen“ .................................................... 5

3. Perspektive der jüngeren Generation: „3 Hoffnungen, 3 Sorgen“ ........................ 9

4. Dokumentation der Workshops .............................................................................. 13

Workshop 1: Nachhaltige Lieferketten gestalten – Gemeinsame Aktivitäten der Chemie ....... 13

Workshop 2: Nachhaltigkeit sichtbar machen – Transparenz in der Chemie .......................... 18

Workshop 3: Ressourcen effizienter nutzen – Beispiele und Perspektiven

aus der Chemie .................................................................................................. 23

Workshop 4: Soziale Nachhaltigkeit messen – Chemie3-Indikatoren in Entwicklung ............. 28

5. Querdenker-Impuls: „3 Thesen zum Weiterdenken“ ............................................ 34

6. Fazit der Allianzpartner:„3 Dinge, die wir mitnehmen“ ........................................ 35

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

1

Wie kann das Leitbild Nachhaltigkeit in der Chemie verankert werden? Um hierzu

Lösungswege aufzuzeigen, haben VCI, IG BCE und BAVC vor zwei Jahren die

Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 gestartet. Der Dialog mit Politik, Wissenschaft,

Wirtschaft und Zivilgesellschaft gibt uns wichtige Impulse zur Ausgestaltung der

Initiative.

Um Nachhaltigkeit im unternehmerischen Handeln der Chemieindustrie besser sichtbar zu

machen und zu stärken, hatte die Nachhaltigkeitsinitiative Chemie3 am 4. November 2015

Vertreter aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft zur Tagung

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die

Praxis umsetzen lässt“ nach Berlin eingeladen. Die Veranstaltung bildete den Auftakt zur

neuen Gesprächsreihe „Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog“.

In mehreren Workshops diskutierten die gut 130 Teilnehmer über Schlüsselthemen

nachhaltigen Wirtschaftens. Ziel der neuen Gesprächsreihe ist es, im Dialog an Lösungen zu

arbeiten. Dies gilt zum Beispiel für die Frage, wie Nachhaltigkeit in den Lieferketten verankert

werden kann – eines der Themen, um die es in den Workshops ging. Dieses Ziel, so zeigte

die Diskussion, können Unternehmen nur dann erreichen, wenn Kooperationsmöglichkeiten

genutzt werden und für alle Beteiligten ein Mehrwert entsteht.

Ähnliches gilt auch für den Anspruch, die Nachhaltigkeitsbeiträge der Branche transparent zu

machen: Ob Berichterstattung oder der Dialog mit den Stakeholdern – immer gilt, dass

Transparenz einen Nutzen für beide Seiten bieten sollte. Nur so können Stellschrauben

erkannt und Nachhaltigkeit im Unternehmen weiterentwickelt werden.

Ein anderes zentrales Thema der Chemie, mit dem sich die Teilnehmer beschäftigten, war die

Ressourceneffizienz. Unter anderem ging es im Workshop darum, wo Potenziale der Chemie

liegen, die effiziente Nutzung von Ressourcen in der eigenen Produktion und in den

Wertschöpfungsketten zu fördern.

Des Weiteren widmeten sich die Teilnehmer dem Begriff der „sozialen Nachhaltigkeit“ und

erörterten, wie Indikatoren zur Fortschrittsmessung sozialer Nachhaltigkeit entwickelt werden

können.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

2

1. Eröffnung der Allianzpartner: „Drei gute Gründe für einen Dialog“

Chemie3 hat sich zum Ziel gesetzt, Nachhaltigkeit als Leitbild in der Branche zu

verankern. Hierzu hat sich die Allianz von Unternehmen und Beschäftigten auf den Weg

gemacht. Die Veranstaltung am 4. November dient als Startschuss für eine neue

Veranstaltungsreihe, die Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen zu sehr

konkreten Fragen nachhaltigen Wirtschaftens zusammenbringt.

Die Vertreter der Allianzpartner Dr. Utz Tillmann, Petra Reinbold-Knape und Dr. Klaus-Peter

Stiller ordneten die Veranstaltung in die bisherigen Aktivitäten der Initiative ein und gaben

einen Ausblick auf die Zukunft: Dr. Utz Tillmann, der

Hauptgeschäftsführer des VCI, warf zu Beginn einen Blick

zurück auf die lange Tradition des Nachhaltigkeits-

engagements in der Chemie, zum Beispiel mit der seit mehr

als 20 Jahren bestehenden Initiative Responsible Care, und

verwies auf den besonderen Ansatz von Chemie3: So

würden nicht nur alle beteiligten Gruppen im Unternehmen

einbezogen, vom Mitarbeiter bis zum Management, es

würde auch die gesamte Branche – große wie kleine Unternehmen aller Sparten – involviert.

Gleichzeitig führe die Initiative von Beginn an den Dialog mit Vertretern der Politik, der

Gesellschaft, der Wissenschaft und anderen Branchen. Tillmann betonte, wie wichtig der

Dialog mit allen relevanten Stakeholdern sei. Die Auftaktveranstaltung für eine neue

Gesprächsreihe ‚Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog‘ folge diesem Ansatz.

„Die besten Fortschritte macht man, wenn man der anderen Seite erst einmal zuhört, und

zwar offen und unvoreingenommen.“ Rückblickend auf den Start von Chemie3 vor 2,5 Jahren

stellte Tillmann zudem den ersten Chemie3-Fortschrittsbericht vor. Der Bericht sei ein Beispiel

dafür, wie ernst die Initiative die Hinweise von Stakeholdern nehme: So sei zum ersten

Branchenbericht von Chemie3 kritisch angemerkt worden, dieser sei zu werblich. Der aktuelle

Bericht konzentriere sich daher ganz auf die Fortschritte und die Aufgaben für die Zukunft. Der

Bericht steht auf der Website der Allianz (https://www.chemiehoch3.de) zum Download bereit.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

3

Petra Reinbold-Knape, Mitglied des geschäftsführenden

Hauptvorstands der IG BCE, unterstrich die Bedeutung, die

nachhaltige Entwicklung seit vielen Jahren für die IG BCE

habe, immer mit einem besonderen Blick auf die Arbeitswelt.

Sie betonte die Bedeutung eines vernetzten Blicks auf die

Wirkungszusammenhänge von wirtschaftlichen, sozialen und

ökologischen Gestaltungsfeldern für eine nachhaltige

Entwicklung. Sie wies darauf hin, dass in den Chemie3-

Leitlinien die soziale Dimension durchgehend verankert sei. Reinbold-Knape unterstrich die

besondere Bedeutung der jungen Generation für die Zukunft der Branche und für den Dialog.

Nur wer zuhöre, könne ein nachhaltiges Handeln entwickeln. Sie hob hervor, dass es uns bei

der Arbeit auch um die Ausbildung und Weiterbildung gehe. „Eigentlich geht es uns um so

etwas wie „Erwerbsbiografie-Management“ von der Ausbildung bis eben zur Frage, wie

kommt man in die Rente“. Abschließend verwies sie auf den Workshop 4: Soziale

Nachhaltigkeit messen – Chemie3-Indikatoren in der Entwicklung, in dem das Projekt der

Chemie-Sozialpartner zur Entwicklung von Fortschrittsindikatoren für die soziale Dimension

der Nachhaltigkeit vorgestellt wurde.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

4

Dr. Klaus-Peter Stiller, Hauptgeschäftsführer des BAVC,

verwies abschließend darauf, dass Chemie3 eine Initiative

sei, die zum einen nach innen wirken wolle, um die Branche

nachhaltiger zu machen, zum anderen aber auch an der

öffentlichen Debatte teilnehmen wolle, um die politischen

Rahmenbedingungen mitzugestalten. Dabei gehe es immer

um Vertrauen und Glaubwürdigkeit, denn diese seien die

Basis für ein gemeinsames Arbeiten an nachhaltiger

Entwicklung. Auch Stiller unterstrich die besondere

Bedeutung des Projektes zur Entwicklung von sozialen Fortschrittsindikatoren. „Ziele sind

immer gut, aber das Entscheidende ist, dass man hinterher auch zeigen kann, wir haben sie

erreicht“. Neben der Entwicklung von Indikatoren verwies er auf die Neuaufstellung der

gemeinsamen Bildungseinrichtung der Sozialpartner „Gesellschaft zur Information von

Betriebsräten über Umweltschutz in der chemischen Industrie“ (GIBUCI), die sich unter dem

neuen Namen „So.WIN – Sozialpartner-Werkstatt für Innovation und Nachhaltigkeit“ neu

ausgerichtet habe und nun alle Themen der Nachhaltigkeit aufgreife. Diese Zusammenarbeit,

erläuterte Stiller, würde durch die besondere Chemie-Sozialpartnerschaft ermöglicht. Die

Freiheit, diese Zusammenarbeit zu gestalten, sei daher nicht nur aus diesem Grund ein hohes

Gut, das es zu erhalten gelte. Im Sinne dieses guten, konstruktiven, aber auch kritischen

Dialogs, lud Stiller die Teilnehmer zu einer regen Teilnahme an den folgenden Diskussionen

ein.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

5

2. Vorstellung der Themen: „3 Aufgaben, 3 Ideen“

Die vier Themenpaten aus der Industrie stellten anschließend die Themen der am

Nachmittag folgenden Workshops vor und gaben erste Impulse.

Stefan Haver, Leiter des Zentralbereichs Corporate

Responsibility bei Evonik Industries AG, setzte den Impuls für

Workshop 1: Nachhaltige Lieferketten gestalten –

Gemeinsame Aktivitäten der Chemie. Er machte deutlich,

dass das professionelle Management von Lieferketten eine

Grundvoraussetzung für den unternehmerischen Erfolg

darstelle. Einkäufer, die den Grundsatz „beste Qualität zum

besten Preis“ beherzigen, würden dabei immer die drei

Dimensionen von Nachhaltigkeit berücksichtigen. Zum einen

gelte es, den ökonomischen Mehrwert im Blick zu halten. Billig sei dabei zu wenig. Haver

erläuterte, dass kurzfristige Kosteneffizienz nicht ausreiche, es gehe darum, über die

Qualitätssicherung in den Lieferketten einen langfristigen Beitrag zum Unternehmenserfolg zu

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

6

leisten. Mit Blick auf den ökologischen Mehrwert geht es in seinen Augen um mehr als

Regulierung: „Was ökologisch richtig ist, muss auch ökonomisch wichtig sein.“ Steigende

Anforderungen an Transparenz und Reporting würden Unternehmen heute vor zusätzliche

Aufgaben stellen. Gleichzeitig böten sie aber auch die Chance, frühzeitig auf sich

verändernde Märkte zu reagieren. Der soziale Mehrwert eines auf Nachhaltigkeit

ausgerichteten Lieferkettenmanagements liegt für Haver im Ende des „Einzelkämpfertums“:

Die zunehmende Komplexität habe die Lieferantenbeziehungen tiefgreifend verändert: Heute

gehe es darum, strategische Partnerschaften aufzubauen, um eine gute Zusammenarbeit

entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen. Die Initiative Together for

Sustainability (http://www.tfs-initiative.com), mit der Chemieunternehmen eine gemeinsame

Plattform für die Gestaltung nachhaltiger Lieferketten gegründet haben, sei ein erster guter

Ansatzpunkt hierzu.

Thorsten Pinkepank, Director Corporate Sustainability

Relations bei der BASF SE, führte anschließend in den

Workshop 2: Nachhaltigkeit sichtbar machen –

Transparenz in der Chemie ein. Er betonte gleich zu Beginn,

dass Transparenz kein reiner Selbstzweck sein dürfe. Vielmehr

solle sie einen Beitrag dazu leisten, Nachhaltigkeit

voranzutreiben. Transparenz müsse immer mit einem Nutzen

auf beiden Seiten – beim Unternehmen genauso wie bei den

Stakeholdern – verbunden sein. Dieser Nutzen könne nach innen in Verfügbarkeit von Daten

für die Steuerung des Unternehmens Richtung Nachhaltigkeit liegen; nach außen sei

Transparenz die Basis für Dialog und Vertrauen. Er wies dann auf einen existierenden

Zwiespalt hin: So sei Transparenz einerseits überschätzt, da sie häufig als Ziel an sich

verstanden würde. Transparenz sei jedoch zunächst einmal ein Mittel, um Informationen

zugänglich zu machen. Mögliche Probleme würden dadurch noch nicht gelöst. Andererseits,

so Pinkepank, werde Transparenz aber auch unterschätzt, wenn sie lediglich als

Kommunikationsinstrument wahrgenommen werde. „Gute“ Transparenz könne man an der

Funktion erkennen, die sie übernimmt. Sie muss, laut Pinkepank, bedeutsam sein – für das

Unternehmen und für die Stakeholder. Die Funktion „guter“ Transparenz sei, relevantes

Wissen zur Verfügung zu stellen, also das Verstehen von Nachhaltigkeit im Unternehmen zu

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

7

fördern und Handlungsoptionen zu erschließen. Auf Nachfrage nach der Rolle von

Nachhaltigkeitsberichterstattung erläuterte er den oft hohen Aufwand auf Seiten der

Unternehmen, der damit verbunden sei. Gleichzeitig dürfe Berichterstattung nicht als

Synonym für Transparenz betrachtet werden. Berichterstattung sei zunächst ein

Referenzrahmen, auf dessen Basis ein Unternehmen Transparenz herstellen könne.

Einen Einblick in den Workshop 3: Ressourcen effizienter

nutzen – Beispiele und Perspektiven aus der Chemie gab

Dr. Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH

am Beispiel von InfraLeuna, einem der größten deutschen

Chemieparks mit ca. 100 Unternehmen am Standort Leuna.

Die Unternehmen im Chemiepark arbeiten im Verbund, d.h. in

vernetzten Stoff- und Energieströmen, erläuterte Günther. Es

sei dabei die Aufgabe des Chemieparkbetreibers, bestehende

Energie- und Ressourcennutzungen möglichst effizient zu gestalten und potenzielle weitere

Synergien zu identifizieren und zu heben. Die Vernetzung in der Verbundstruktur biete die

Möglichkeit, Ressourcen über das einzelne Unternehmen hinaus zu nutzen und damit deutlich

effizienter zu werden. Im Rückblick werde deutlich, wie groß diese Potenziale seien: Mit der

Privatisierung und Restrukturierung der Leuna Werke habe sich der Output verdoppelt,

gleichzeitig seien die Emissionen auf Bruchteile (nur noch 5 % des Abwassers und 15 % der

Energie) reduziert worden. Günther stellte dar, dass die Vernetzung in der Verbundstruktur

eine Schüsselfunktion für die Nachhaltigkeit des Chemiestandorts darstelle: ökonomisch

durch mehr Wettbewerbsfähigkeit; ökologisch durch eine Entlastung der Umwelt; sozial durch

die hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Durch das zentrale Management der Verbundstruktur

und eine enge Zusammenarbeit mit Forschung und Wissenschaft vor Ort, würden die

Potenziale im Chemiepark kontinuierlich weiterentwickelt. Die Ressourceneffizienz werde

durch zahlreiche Projekte zur Reduzierung des Erdgasbedarfs, zur Nutzung von Abfällen, zur

Reduzierung des Wasserverbrauchs etc. fortlaufend optimiert.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

8

Für Workshop 4: Soziale Nachhaltigkeit messen –

Chemie3-Indikatoren in der Entwicklung übernahm der

Moderator des Workshops Dr. Klaus-W. West,

Geschäftsführer der Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie

(CSSA), die Einführung für Frau Schönherr, die

krankheitsbedingt absagen musste. Er ging dabei auf die

Herausforderung ein, sich auf eine Definition für soziale

Nachhaltigkeit zu einigen. So gelte es, deutlich zu machen,

was soziale Interessen für Nachhaltigkeit bedeuten. Bislang würde Nachhaltigkeit oftmals eher

als reines „Öko-Thema“ definiert, weil die ökologische und auch die ökonomische Dimension

von Nachhaltigkeit „ausbuchstabiert“ seien. Das soziale Thema sei weniger selbsterklärend

und sehr subjektiv geprägt. Es sei deshalb Aufgabe der Sozialpartner, auch das Soziale

auszubuchstabieren, wenn man zu einem Gleichgewicht in Chemie3 kommen wolle, zu einer

Balance der drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales. Ein Unternehmen, das eine

der drei Dimensionen vernachlässige, werde nach der Einschätzung von West Probleme

bekommen: es werde entweder nicht mehr wettbewerbsfähig sein oder als Umweltsünder

dastehen oder aber als unsozial gelten. Die zweite Aufgabe der Sozialpartner im Rahmen von

Chemie3 laute, Indikatoren zur Fortschrittsmessung sozialer Nachhaltigkeit zu entwickeln.

Eng verknüpft damit sei die dritte Aufgabe: die Herstellung von Sichtbarkeit. Die Entwicklung

der Fortschrittsindikatoren sozialer Nachhaltigkeit schaffe Sichtbarkeit und Wirksamkeit.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

9

3. Perspektive der jüngeren Generation: „3 Hoffnungen, 3 Sorgen“

Nachhaltige Entwicklung ist ein gesellschaftlicher Transformationsprozess, der nur

dann gelingen kann, wenn sich alle Akteure miteinander vernetzen, voneinander lernen

und gemeinsam neue Lösungen entwickeln. Chemie3 ist daher nicht nur eine

gemeinsame Initiative von Unternehmen und Beschäftigten der Chemie, alle Ideen und

Aktivitäten von Chemie3 wurden von Beginn an mit den Stakeholdern diskutiert. Für die

Partner von Chemie3 war und ist es wichtig, die Erwartungen an die Chemiebranche

besser kennenzulernen und gemeinsam über die möglichen Beiträge der Chemie zu

einer nachhaltigen Entwicklung zu diskutieren. Seit 2014 gehört auch der gezielte

Austausch mit der jungen Generation zum Dialog von Chemie3.

Vorgeschaltet zur Fachtagung fand am 3. November 2015 in Berlin ein Workshop mit jungen

Interessierten und Engagierten aus Verbänden, Netzwerken, Wissenschaft, Politik sowie mit

jungen Beschäftigten aus der Chemie statt, in dem gemeinsam über Herausforderungen und

Lösungsansätze auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft diskutiert wurde. Die

Nachhaltigkeitsinitiative der Chemie bot dabei einen konkreten Rahmen mit Beispielen aus

der Praxis und einem großen Interesse, die Erwartungen und Ideen der jungen Generation

besser kennenzulernen. Die Teilnehmer des Jugendworkshops erarbeiteten ihren inhaltlichen

Input für die Fachveranstaltung des folgenden Tages.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

10

Die Teilnehmer des Workshops waren eingeladen, ihren Impuls mit den Expertinnen und

Experten aus der Chemie, der Politik, der Gesellschaft und der Wissenschaft im Rahmen

einer Panel-Diskussion und in den Fachworkshops zu teilen. Dazu wurden aus der Gruppe

vier Vertreter nominiert: Jasmin Burgermeister (Jugenddelegierte zu den UN-Konferenzen

zu Nachhaltiger Entwicklung), Maximilian Höß (Vorsitzender der Jugend- und

Auszubildendenvertretung bei Roche Diagnostics Penzberg), Ines Pyko (SNEEP - student

network for ethics in economics and practice) und Steve Waitschat (JungChemikerForum).

Jasmin Burgermeister betonte in ihrem Statement den

universellen Charakter der Nachhaltigkeit, der auch in den

jüngst von der Staatengemeinschaft verabschiedeten

Sustainable Development Goals (SDGs) unterstrichen werde.

Sie forderte von der Industrie, Nachhaltigkeit auf allen Ebenen,

in allen Prozessen und Bereichen zu verankern, nicht nur in den

Nachhaltigkeitsabteilungen. Zu oft fehle ihr die Glaubwürdigkeit,

Hochglanzbroschüren zu „Modethemen“ wie bspw. Klima

wirken wie Greenwashing auf sie.

Auch Maximilian Höß betonte die Notwendigkeit, alle

Mitarbeiter innerhalb eines Unternehmens mitzunehmen. Allen

Beschäftigten müsse zielgruppengerecht und verständlich

erklärt werden, was Nachhaltigkeit für sie und für ihren Bereich

bedeute. In Bezug auf die Initiative Chemie3 forderte er die

Allianzpartner auf, keine Alibidiskussionen mit Vertretern der

jüngeren Generation zu führen, sondern diese langfristig und

ernsthaft einzubinden.

Ines Pyko kritisierte, dass die Leitlinien von Chemie3 sehr abstrakt und schwer greifbar seien.

Sie forderte von der Initiative, Mut zu zeigen und

voranzuggehen, also ambitionierte und konkrete Ziele zu

formulieren und nach außen zu tragen. Außerdem wies sie auf

die Verantwortung der Unternehmen entlang des gesamten

Lebenszyklus und auch entlang der gesamten Lieferkette der

Produkte hin, auch der Umgang mit Chemikalien in

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

11

Drittländern dürfe nicht vergessen werden. Gleiches gelte für die Berücksichtigung von

Rebound-Effekten und Zielkonflikten.

Steve Waitschat unterstrich das große Interesse, das in der

chemischen Wissenschaft an Nachhaltigkeit bestehe,

machte aber auch klar, dass das Thema noch nicht im

Zentrum der wissenschaftlichen Debatte angekommen sei.

Aus seiner Sicht sei es daher zentral, dass die Wissenschaft

aktiv in die Initiative Chemie3 einbezogen werde, zumal die

Initiative für sich reklamiere, die Chemie in Deutschland

widerzuspiegeln. Weiterhin verwies er auf das große

Potential von KMU, denn diese hätten es oft leichter, Dinge

umzusetzen, weil sie schneller agieren könnten. Es müsse deshalb ein Ziel von Chemie3 sein,

gerade kleinen Unternehmen einen besseren Zugang zu Nachhaltigkeitsthemen zu

ermöglichen und eine Kultur des gegenseitigen Lernens zwischen großen und kleinen

Unternehmen zu schaffen.

Anschließend wurden die Themenpaten zu den Jugendvertretern auf die Bühne

gebeten, um gemeinsam mit den jungen Experten über ihre Erwartungen an die

chemische Industrie zu diskutieren.

Stefan Haver griff den Vorwurf des Greenwashing auf und betonte, dass Unternehmen bei

dem Thema sehr zurückhaltend agieren würden, da ihnen die Gefahr bewusst sei. Mit den

vermeintlichen Modethemen seien zudem Verpflichtungen verbunden, welche Unternehmen

fordern würden. Außerdem gäbe es aufmerksame NGOs als Watch Dogs. Ines Pyko

erwiderte, dass Modethemen oft einfacher zu adressieren seien, Unternehmen jedoch auch

komplexere Themen angehen und kommunizieren müssen.

Thorsten Pinkepank unterstützte die Forderung nach mehr Mut, auch beim Thema

Kommunikation. So diene es der Glaubwürdigkeit, auch Grenzen, Herausforderungen und

Nichterreichtes einzugestehen. Zudem betonte er, dass Nachhaltigkeit kein Thema sei,

sondern ein Paradigma: alles Handeln sollte sich danach ausrichten. Jasmin Burgermeister

ergänzte noch ihre Zweifel an der aktuell laufenden Entwicklung von Indikatoren: Es sei

fraglich, ob es sinnvoll sei, dass die Branche selbst die Indikatoren entwickle, an denen sie

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

12

sich messen lassen wolle. Hier gehe es doch um Vergleichbarkeit und um Transparenz und

Nachvollziehbarkeit für die Stakeholder. Pinkepank wies darauf hin, dass Indikatoren nicht

der zentrale Punkt seien. Nicht alles, was zähle, sei auch zählbar. Nachhaltigkeit habe

vielmehr etwas mit Haltung zu tun.

Klaus West griff den Wunsch nach einem kontinuierlichen Dialog mit den Jugendvertretern

auf und betonte, dass mit Rechten auch Pflichten kommen. Maximilian Höß bestätigte dies

und verwies darauf, dass die junge Generation auch bereit sei zu einem verbindlichen

Engagement.

Aus dem Publikum kam die Frage, ob Nachhaltigkeit den Verbraucher mehr Geld kosten

würde. Christof Günther erwiderte, dass ökonomischer und ökologischer Mehrwert immer

Hand in Hand gehen würden, Nachhaltigkeit würde in diesem Sinne Geld sparen. Stefan

Haver ergänzte, dass es zwar vielfach zu Anlaufkosten käme, betonte aber, dass dies ein

Anreiz sei, Verfahren günstiger zu machen und sich dies am Markt regeln würde.

Die Frage aus dem Plenum, ob es für die Jugendvertreter von Relevanz bei der Auswahl

eines Arbeitgebers sei, wie nachhaltig das Unternehmen agiere, bejahten alle Vertreter der

jungen Generation. Thorsten Pinkepank verwies ergänzend auf eine Studie zum Thema

Employer Branding, die ergeben habe, dass Nachhaltigkeit unter den ersten zwei Plätzen bei

den Auswahlkriterien für die Stellensuche lag – in China und Indien, nicht in Europa.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

13

4. Dokumentation der Workshops

Workshop 1: Nachhaltige Lieferketten gestalten – Gemeinsame Aktivitäten der Chemie

Themenpate: Stefan Haver

Head of Corporate Responsibility, Evonik Industries AG

Impulsgeber/innen: RDir. Dr. Malte Hauschild

Referat VC3 Auslandsinvestitionen/Nationale Kontaktstelle OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen, Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)

Franziska Killiches

Arbeitsbereich Bergbau und Nachhaltigkeit, Sektorvorhaben Rohstoffe und Entwicklung, Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR)

Thomas Udesen

Global Head of Procurement, Bayer HealthCare AG

Michael Windfuhr

Stellv. Direktor, Deutsches Institut für Menschenrechte e. V. (DIMR)

Romina Laumann

Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

14

Vertreter/innen der jüngeren Generation:

Jasmin Burgermeister

UN-Jugenddelegierte für Nachhaltige Entwicklung (Deutscher Bundesjugendring)

Sabine Fortmann

Bayer Health Care

Ines Pyko

SNEEP student network for ethics in economics and practice

Marius Trapp

Corporate Citizenship/Strategy, BASF SE

Nathalie Wenker

SNEEP student network for ethics in economics and practice

Moderator: Henning Banthien IFOK GmbH

Leitfragen / Erwartungen Themenpate

Der Workshop beschäftigte sich mit den Fragen, was Lieferkettenmanagement leisten kann

und was die Erwartungen an ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement sind. Was sind die

Herausforderungen für Unternehmen und welche Ideen und Verfahren können helfen,

Lieferketten nachhaltig zu gestalten?

Impulsvorträge

Romina Laumann, GIZ, machte in ihrem Impulsvortrag deutlich, dass sich die Bedingungen,

wie Unternehmen Geschäfte machen, geändert haben und dass es nicht mehr ausreichend

sei, innerhalb des eigenen Unternehmens für die Einhaltung gewisser Regeln und Standards

zu sorgen. Man müsse vielmehr über das eigene Unternehmen und die eigene Industrie

hinausblicken. Gemeinsame Initiativen, wie z. B. Together for Sustainability (TfS), begrüßte

sie ausdrücklich und betonte, dass Audits in der Lieferkette sehr wichtig und hilfreich seien,

aber nicht ausreichend, um Bedingungen zu verbessern. Viel notwendiger sei technische

Beratung: Lieferanten müssen wissen, wie sie was verbessern können und vor allem auch

warum.

Franziska Killiches von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe betonte in

ihrem Impulsstatement, dass beim Rohstoffeinkauf alle drei Dimensionen kritisch sein können.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

15

Da der Rohstoffbezug über viele Zwischenstufen verlaufe, sei ein gutes

Lieferkettenmanagement extrem wichtig. Sie merkte an, dass sich der Staat zunehmend für

dieses Thema interessiere, dass es immer höher auf der politischen Agenda stehe. Beim

Umgang mit Konfliktrohstoffen komme vor allem kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)

eine wichtige Rolle zu: das Gros der Unternehmen in der Lieferkette seien KMUs, die meist

über nur knappe finanzielle und personelle Ressourcen verfügen. Dies zeige auch eine eben

erschienene Studie der Bundesanstalt. Die Studie mache außerdem deutlich, dass allen

Akteuren, auch dem Staat, eine wichtige Rolle bei der Unterstützung von KMUs zukomme,

insbesondere was Informations-, Beratungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten angehe. Es

müssen realistische Anforderungen in gesellschaftlichem und rechtlichem Rahmen gestellt

werden.

Auch Dr. Malte Hauschild, BMWi, bestätigte in seinem Impuls, dass das Thema politisch

aktuell hoch aufgehängt sei, vor allem durch die Verabschiedung konkreter

Umsetzungsschritte für Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards in globalen Lieferketten beim

G7-Gipfel in Elmau Anfang Juni 2015. Die G7-Staaten verpflichteten sich darin, Maßnahmen

zu ergreifen, die zur Förderung besserer Arbeitsbedingungen führen, indem die Transparenz

erhöht (insbesondere Transparenz bei Siegeln und durch Multi-Stakeholder-Initiativen), das

Erkennen und die Prävention von Risiken gefördert und Beschwerdemechanismen gestärkt

würden. Am Beispiel des Brandes in einer Textilfabrik in Bangladesch verdeutlichte Hauschild

die Rolle der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze für Multinationale Unternehmen:

die Stelle gehe Beschwerden und Hinweisen auf Verstöße gegen die Leitsätze nach und prüfe

im Moment, ob die Unternehmen in diesem Fall ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht genüge

getan haben.

Michael Windfuhr vom Deutschen Institut für Menschenrechte erläuterte in seinem

Impulsstatement den Nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte“, der das Ziel

verfolge, die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte

umzusetzen. Diese formulieren menschenrechtliche Pflichten von Staaten und zeigen die

Verantwortung von Unternehmen in globalen Wertschöpfungs- und Lieferketten auf. Im

Moment finden dazu Expertenanhörungen statt, das Deutsche Institut für Menschrechte

unterstütze die Regierung bei der Umsetzung.

Thomas Udesen, Bayer, betonte in seinem Impuls, dass der Einkauf heute schon lange nicht

mehr nur preisgetrieben sei. Bei der Entscheidungsfindung würden auch ökologische und

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

16

soziale Aspekte berücksichtigt. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass Firmen, die

Nachhaltigkeit lange ignoriert hätten, am Ende dafür zahlen mussten. Bei Bayer spiele der

Verhaltenskodex für Lieferanten eine wichtige Rolle, um Lieferantenbeziehungen

entsprechend der eigenen Nachhaltigkeitsstandards zu gestalten. Den im Kodex formulierten

Grundsätzen zuzustimmen, sei die Grundlage jeder Geschäftsbeziehung.

Diskussion In der anschließenden Diskussion erörterten die Teilnehmer zunächst die Frage, wie

Nachhaltigkeitskriterien in der Lieferkette überprüfbar sein können beziehungsweise wie man

diese sicherstellen kann. Einig waren sich die Teilnehmer darin, dass die Initiative Together

for Sustainability (TfS) sinnvoll sei und dabei helfe, ein Nachhaltigkeitsbewusstsein bei

Zulieferern zu schaffen. Udesen betonte, dass die Audits mit anschließendem Aktionsplan

dabei helfen, Umwelt- und Sozialstandards auch bei Lieferanten zu verankern, die den

hiesigen Standards noch nicht vollständig entsprechen. Aber auch Due Diligence Prüfungen

im Vorfeld zu Lieferantenbeziehungen seien unabdingbar. Grundlage dafür sei allerdings ein

gemeinsames Verständnis von Käufer und Lieferant darüber, was „nachhaltig“ sei. Daher sei

es wichtig, den Zulieferern die Anforderungen mit eindeutigen Beschreibungen verständlich zu

machen.

Aber trotz zahlreicher Initiativen und vieler Bemühungen stoßen auch Unternehmen immer

wieder an Grenzen ihrer Einflussmöglichkeit, so die Erfahrungen aus der Praxis. Laumann

mahnte an, dass Unternehmen aufpassen müssen, sich nicht in den politischen

Aufgabenbereich zu begeben. Große Unternehmen hätten zwar die Möglichkeit, durch ihre

Marktmacht Standards zu verlangen, Entwicklungspolitik sei aber weiterhin eine staatliche

Aufgabe. Dagegen widersprachen die Vertreter der Jugend: Entwicklungszusammenarbeit sei

nicht nur Aufgabe des Staates, sondern liege auch in der Verantwortung von Unternehmen.

Einen „Gap zwischen Staat und Wirtschaft“ gebe es so nicht, betonten sie.

Auch wurde die Frage erörtert, ob freiwillige Initiativen wirklich zielführend seien oder ob

gesetzliche Regelungen nicht verbindlicher wären. Regulierungen können helfen,

Nachhaltigkeit in den Lieferbeziehungen zu verankern, meinte Hauschild. Die Gefahr, dass

nicht intendierte Effekte entstehen und Unternehmen sich aus einzelnen Regionen

zurückziehen, ohne dass sich die Lage vor Ort verbessert, sei jedoch groß. Als Beispiel dafür

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

17

nannte er die amerikanische Gesetzgebung zu Konfliktmineralien aus dem Kongo, die es

Unternehmen verbiete, Rohstoffe aus dieser Region zu beziehen. Eine Besserung der Lage

im Konfliktgebiet sei damit bisher nicht erreicht worden. Viel wichtiger sei es, freiwillige und

damit flexible Lösungen zu finden, um gemeinsam auf einem partnerschaftlichen Weg Ziele zu

erreichen. Den größten Hebel für mehr Nachhaltigkeit beim Rohstoffeinkauf sieht Killiches bei

den Hüttenwerken und Rohstoffbörsen. Diese seien neuralgische Punkte für eine nachhaltige

Rohstoffgewinnung. Nur mit gemeinsamen Konzepten und Initiativen, die diese Hebelpunkte

gezielt in den Blick nehmen, könne es gelingen, den Rohstoffeinkauf nachhaltig zu gestalten.

Generell müsse man „out of the box“ denken und kreativer sein, welche Stellen noch Einfluss

haben und eine Veränderung hervorrufen könnten.

Konsens erzielten die Teilnehmer darin, dass ein erfolgreiches Lieferkettenmanagement ein

hohes Maß an Offenheit und Kreativität verlangt. Experten betonten, dass es eine

hundertprozentige Sicherheit im Einkauf nicht geben könne. Ein Lieferantenmanagement

verfolge immer einen prozess- und risikoorientierten Ansatz. Es sei aber enorm, was in

verschiedenen Bereichen bisher schon geleistet werde.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

18

Workshop 2: Nachhaltigkeit sichtbar machen – Transparenz in der Chemie

Themenpate: Thorsten Pinkepank

Director Corporate Sustainability Relations, BASF SE

Impulsgeber/innen: Dr. Eike Messow

Leiter Nachhaltigkeit, Sto SE & Co. KGaA

Annette Schmidt-Räntsch

Referat G I 5 Wirtschaft, Innovation, Beschäftigung, nachhaltige Unternehmensführung, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

Eick von Ruschkowski

Leiter Fachbereich Naturschutz und Umweltpolitik, Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)

Volker Weber

Vorstand Forum Nachhaltige Geldanlagen

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

19

Vertreter/innen der jüngeren Generation:

Michael Porschen

Leiter der Abteilung Junge Generation der IG BCE

Johanna Schwarz

Deutsche Model United Nations „One World. One Future. Once Chance“

Loreen Wachsmuth

SNEEP student network for ethics in economics and practice, Vorstand

Steve Waitschat

JungChemikerForum der GDCh, Vorstand

Moderatorin: Dr. Margit Aufterbeck

IFOK GmbH

Leitfragen / Erwartungen Themenpate

Der Workshop beschäftigte sich mit den Fragen, wozu braucht man Transparenz und wann

bietet sie einen Nutzen für Unternehmen und für Stakeholder. Gibt es „gute“ und „schlechte“

Transparenz? Und was zeichnet gute Transparenz aus? Was kann Berichterstattung leisten,

um unternehmerische Nachhaltigkeit zu fördern und welche Funktion hat sie als Beitrag zur

Transparenz?

Impulsvorträge

Dr. Eike Messow, Sto, betonte in seinem Impuls, dass Transparenz eng mit dem Bedürfnis

nach Vertrauen und Glaubwürdigkeit verbunden sei. Transparenz solle zum einen der Gefahr

entgegenwirken, mit Nachhaltigkeit Green-Washing zu betreiben. Zum anderen solle

Nachhaltigkeit in Unternehmen als Grundlage für eine „gute“ Entscheidung dienen. Bereits die

Diskussion über Green-Washing zeige, dass nicht genügend Vertrauen in der Gesellschaft

vorhanden sei und dass Vertrauen bereits missbraucht wurde. Hinter dem Bedürfnis nach

Vertrauen und Glaubwürdigkeit stecke auch der Wunsch, ein guter Mensch oder auch ein

guter Staat oder eine gute Organisation zu sein. Wer nachhaltig handle, möchte also „gut und

richtig“ agieren. Ein weiteres Motiv nach Transparenz bestehe darin, Gewissheit zu haben, um

sich beispielsweise gegen gesundheitliche Folgen schützen zu können. Mit den Informationen

fangen jedoch die Herausforderungen für die Unternehmen an. Denn es gebe drei

Interessengruppen, die einen unterschiedlichen Wissensstand haben: 1. Jemand möchte sich

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

20

ein eigenes Bild über ein Produkt oder eine Sachlage machen. 2. Es werden Informationen

benötigt, die an eine dritte Partei zur Weiterverarbeitung und Bewertung weitergereicht

werden, wie zum Beispiel durch Umweltlabel. 3. Hier geht es beispielsweise um Behörden, die

prüfen, ob Unternehmen gesetzliche Anforderungen einhalten. Für diese drei Zielgruppen

müssen die Informationen unterschiedlich aufbereitet werden.

In seinem Impulsvortrag erläuterte Volker Weber, Forum Nachhaltige Geldanlagen, die

Bedeutung von Transparenz als eine Grundlage für eine vernünftige Bewertung von

Unternehmen. Hierfür seien zwingend Nachhaltigkeitsdaten notwendig. Diese seien jedoch

schwierig zu messen, auch wenn es bereits über 800 unterschiedliche Nachhaltigkeitskriterien

gebe. Seiner Auffassung nach gehörten beispielsweise auch Angaben zur Motivation von

Mitarbeitern, Fluktuation von Beschäftigten oder der Umgang mit dem Thema „Gender“ zu

solchen Kriterien dazu. Für Investoren seien darüber hinaus Informationen über nachhaltiges

Handeln in der Lieferkette von großer Bedeutung. Ebenso spiele das

Reputationsmanagement in den Betrieben eine immer wichtigere Rolle für die Bewertung von

Unternehmen. Die verabschiedete EU-Richtlinie zur Erhöhung der Unternehmenstransparenz

in Sozial- und Umweltbelangen sei eine wichtige Hilfe, um an Firmendaten heranzukommen.

Start-up-Unternehmen empfahl Weber, schon bei der Gründungsphase nachhaltiges Handeln

mit zu bedenken und dies im Laufe der Firmenentwicklung dann weiter auszubauen.

Eick von Ruschkowski, NABU, machte in seinem Impulsstatement zunächst deutlich, dass

auch der NABU unter Nachhaltigkeit eine Balance von ökonomischen, ökologischen und

sozialen Aspekten verstehe. Allerdings konzentriere sich die Organisation vor allem auf die

Umweltaspekte. Dabei komme es darauf an, wie die Leitlinien formuliert seien und wie sie in

der Praxis tatsächlich umgesetzt würden. Eine Berichterstattung über Corporate Social

Responsibility (CSR) könne helfen, Transparenz zu schaffen. Dazu dürfen die Unternehmen

aber nicht nur über Schönwetter-Themen informieren, sondern sie müssen konkret Aussagen

auf Basis „harter“ Indikatoren treffen. Ebenso wichtig wie die Berichterstattung seien auch

Governance-Strukturen in den Unternehmen. Hierbei sei es wesentlich, wo das

Nachhaltigkeitsmanagement in den Betrieben organisatorisch verankert sei. Auch, ob

nachhaltiges Handeln in die Entlohnung des Managements einfließe, sei von Bedeutung.

Über die politischen Vorgaben einer nachhaltigen Entwicklung sprach Annette Schmidt-

Räntsch, BMUB. Sie betonte, dass Unternehmen zurzeit nur rudimentär über soziale Aspekte

berichten würden. So hätten nur etwa 2.500 Betriebe von über 42.000 großen Unternehmen in

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

21

der EU über CSR berichtet. Bei der Umweltberichterstattung nach EMAS sehe es besser aus.

Hier hätten allein in Deutschland 1.900 Betriebe solche Berichte vorgelegt und damit den

ökologischen Aspekt von Nachhaltigkeit abgedeckt. Diese Form der Berichterstattung helfe

den Betrieben, da sie beispielsweise auch im Ordnungsrecht anerkannt seien. Bis Ende 2016

wolle die Bundesregierung jetzt die neue EU-Richtlinie zur CSR-Berichterstattung umsetzen.

Diese Richtlinie legt neue Berichtspflichten für große Unternehmen von öffentlichem Interesse

fest, d.h. insbesondere für börsennotierte Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten. Sie

müssen in ihren Lageberichten künftig stärker als bisher auf wesentliche nichtfinanzielle

Aspekte der Unternehmenstätigkeit eingehen. Diese Angaben müssen – wie auch die

Lageberichte – veröffentlicht werden. Über die schon heute notwendigen Angaben zu Umwelt-

und Arbeitnehmerbelangen würden künftig auch Angaben zu den vom Unternehmen

verfolgten Konzepten zur Korruptionsbekämpfung, zur Achtung der Menschenrechte und zu

weiteren sozialen Belangen erwartet.

Diskussion

In der Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass Transparenz zur Förderung von

Nachhaltigkeit beitragen kann. Dabei seien jedoch die verschiedenen Zielgruppen und ihr

jeweiliger Wissensstand zu berücksichtigen. Die Informationen müssen daher in einem

unterschiedlichen Detaillierungsgrad in Bezug auf Fakten und Daten aufbereitet sowie an die

Sprache der jeweiligen Zielgruppe angepasst werden. Mit Blick auf die große Datenflut sei es

zudem notwendig, die relevanten und wesentlichen Daten herauszufiltern und sich dann auf

die Faktoren zu konzentrieren, bei denen der größte Veränderungsbedarf bestehe.

Gleichzeitig müsse man aber auch auf Vollständigkeit achten. Seien diese Voraussetzungen

erfüllt, könne eine „gute“ Transparenz gelingen, die sowohl dem Unternehmen als auch den

Stakeholdern nutze. Dazu gehöre aber auch, dass die Unternehmensführung selbst zur

Transparenz beitrage. Die Diskussionsteilnehmer betonten weiter, dass es wichtig sei, dass

die Betriebe freiwillige Transparenz schaffen. Dafür müssen sie zunächst die Daten intern

analysieren und bewerten.

Übereinstimmend empfahlen die Teilnehmer, dass man besser von einer nachhaltigen

Entwicklung sprechen solle als von Nachhaltigkeit. Denn es handele sich letztendlich um

einen Prozess, der ständig vorangetrieben werden müsse. Konsens erzielten die Teilnehmer

ebenfalls darin, dass Unternehmen mit Hilfe von Transparenz Akzeptanz schaffen können.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

22

Denn nur so könne man die „license to operate“ sicherstellen und damit die

Wettbewerbsfähigkeit der Industrie vorantreiben.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

23

Workshop 3: Ressourcen effizienter nutzen – Beispiele und Perspektiven aus der Chemie

Themenpate: Dr. Christof Günther

Geschäftsführer InfraLeuna GmbH

Impulsgeber/innen: RDir. Dr. Harald Bajorat

Leiter Referat WR III 1 Nationale und grundsätzliche Angelegenheiten der Ressourceneffizienz, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB)

Dr. Andreas Kicherer

Director Sustainability Strategy, BASF SE

Dr.-Ing. Katja Saulich

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, VDI Zentrum Ressourceneffizienz GmbH (VDI ZRE)

Alois Vedder

Leiter Fachbereich Politik, World Wide Fund For Nature (WWF) Deutschland

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

24

Vertreter/innen der jüngeren Generation:

Michael Linden

JungChemikerForum der GDCh

Andreas Link

BUNDjugend, Bundesvorstand

Christian Schaumberg

JungChemikerForum der GDCh

Johannes Wunderlich

JungChemikerForum der GDCh

Moderatorin: Martina Richwien

IFOK GmbH

Leitfragen / Erwartungen Themenpate

Der Workshop beschäftigte sich mit den Fragen, welche Wege die Chemie bei der Energie-

und Ressourceneffizienz bisher verfolgt hat und was bereits erreicht wurde. Wo liegen die

Potenziale der Chemie, die effiziente Nutzung von Ressourcen in der eigenen Produktion und

in den Wertschöpfungsketten zu fördern? Welche innovativen Strategien brauchen wir für die

Zukunft, um Stoffströme im Sinne der Nachhaltigkeit zu steuern?

Impulsvorträge

Dr. Harald Bajorat, BMUB, schilderte in seinem Vortrag die Entwicklung im Umgang mit dem

Thema Ressourceneffizienz auf europäischer und nationaler politischer Ebene. Den Beginn

datierte er ins Jahr 2008, als die weltweite Verknappung der Rohstoffbasis erstmals ins

Bewusstsein gerückt sei. Drei Jahre später habe die Europäische Union sieben „Leitinitiativen

für ein ressourcenschonendes Europa“ und im vorigen Jahr einen „Aktionsplan

Ressourceneffizienz“ verabschiedet. Bei den Themen Abfallverordnung, Öko-Design-

Richtlinie und Berichterstattungspflicht für Unternehmen tue sich eine Menge. Die

Bundesregierung habe 2012 ein deutsches Ressourceneffizienzprogramm beschlossen, das

alle vier Jahre überarbeitet werde. Derzeit geschehe dies zum ersten Mal. Es beruhe

allerdings überwiegend auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Der Chemiebranche bescheinigte

Bajorat, schon viel getan zu haben. Allerdings würde es gerne gesehen, wenn der

Rohstoffverbrauch auch absolut sinken würde.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

25

Das „Umwelt- und Nachhaltigkeitsgewissen der BASF“, so wurde Dr. Andreas Kicherer

vorgestellt. Eine gute und eine nicht ganz so gute Nachricht eröffneten seinen Vortrag:

Ressourceneffizienz spiele in der Chemie schon immer eine wichtige Rolle. Bei effizienten

Verbundproduktionen werde z.B. der Reststoff des einen Verfahrens als Rohstoff für das

nächste verwendet, soweit die gute. Andererseits immer noch 880.000 Tonnen Abfall jährlich.

Rohstoffe und Energie, und damit auch Kosten zu sparen, bleibe also ein Anliegen, nicht nur

in den eigenen Herstellungsverfahren. Die Frage sei auch, ob unsere Produkte den Kunden

helfen, Ressourcen einzusparen. Kicherer nannte als Beispiele Klebstoffe mit erhöhter

Haftwirkung, Farben, die bei einmaligem Streichen bereits vollständig decken, Tenside, die

bei 40 Grad dieselbe Waschleistung erzielen wie andere bei 100, Autolacke, die nur noch

zwei statt drei Brennvorgänge erfordern. „Doing more with less“, laute das Prinzip. Derzeit

machen solche Produkte 12 Prozent des Branchenumsatzes aus.

Dr.-Ing. Katja Saulich ist beim VDI zuständig für die Themen Innovation und

Ressourceneffizienz. Wie kleinere und mittlere Unternehmen mit dieser Herausforderung

umgehen, lautete ihre Ausgangsfrage. Die Antwort, neuerdings in einer Studie des VDI

nachzulesen: Sie benötigen Förderung und Unterstützung von außen, um Einsparpotentiale

zu erkennen und zu realisieren. Dem Handlungsdruck, Kosten zu senken und

Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, seien KMU in mindestens gleichem Maße ausgesetzt wie

Konzerne. Anders als diese verfügen sie aber über geringere eigene Kapazitäten. Eine Rolle

spielen auch psychologische Innovationshemmnisse wie die Scheu vor Risiken und Kosten,

die mit Eingriffen in vermeintlich bewährte Prozesse einhergehen. Oft fehle es am

innerbetrieblichen Informations- und Erfahrungsaustausch. Nicht zuletzt fange

Ressourceneffizienz im Kleinen an. Es seien die einzelnen Mitarbeiter, die sensibilisiert

werden müssen.

Der Planet habe die Grenzen seiner Belastbarkeit erreicht, warnte Alois Vedder vom WWF

Deutschland. Bevölkerungswachstum und Entwicklungsdruck in den Ländern des Südens

lassen die Rohstoffvorräte wie auch die Aufnahmefähigkeit der Biosphäre für Emissionen

immer knapper werden. Wenn die Industrie nicht schnell und aus eigener Initiative umsteuere,

seien radikale Eingriffe der Politik zu erwarten, die zum Problem für ganze Branchen werden

können. Das Schicksal der Stromkonzerne in der Energiewende sei ein warnendes Exempel.

Die Chemie habe zwar viel geleistet, um Rohstoffe einzusparen, der Produktionszuwachs

lasse den Ressourcenverbrauch dennoch weiter steigen. Auf Dauer werde man ohne

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

26

verbindliche Obergrenzen, die Rationierung von Rohstoffen also, nicht auskommen. Dafür

müsse die Politik einen verlässlichen Rahmen setzen. Wer in diesem Prozess vorangehe,

werde zu den Gewinnern, wer sich querlege, zu den Verlierern zählen.

Diskussion

Trotz der Erfolge bei der Ressourceneffizienz fallen jährlich immer noch 880.000 Tonnen

Abfall an. Ist es machbar, dass der Rohstoffverbrauch auch absolut sinkt? Das war die Frage

für die Teilnehmer einer Arbeitsgruppe unter dem Titel „Ressourcen effizienter nutzen“. Und

es war Themenpate Christof Günther, der das Dilemma auf den Punkt brachte: Recycling

funktioniere, wenn es wirtschaftlicher sei als Abfall. Wenn Recycling teurer sei, gehe es nur

mit Zwang. Der Markt müsse nachhaltige Produktion honorieren, sonst helfe allein eine

entsprechende Gesetzgebung.

Da mochten sich die Zuhörer an die Worte Vedders vom World Wide Fund For Nature (WWF)

Deutschland erinnern, einer der vier Impulsgeber, der die Industrie gewarnt hatte: Es sei

unabdingbar, externe, also bisher der Umwelt angelastete, Kosten zu internalisieren. Je

später und zögerlicher die Unternehmen sich auf dieses Erfordernis einer nachhaltigen

Wirtschaftsweise einstellen, umso weniger marktwirtschaftlich werde der Prozess ablaufen.

Wie viel Markt, wie viel Staat, das waren die Pole, zwischen denen sich die Diskussion zwei

Stunden lang bewegte und dabei eine Vielzahl von Themen streifte: die Motivation der

Mitarbeiter in den Betrieben, das Verhalten der Verbraucher, die Lage auf den

Rohstoffmärkten, absehbare Ressourcenknappheit.

Für eine Industrie mit dem Anspruch, nachhaltig zu wirtschaften, fängt das Problem schon mit

der Frage an, wie sie an Rohstoffe gelangt, die unter ethisch und ökologisch akzeptablen

Bedingungen statt zum Beispiel in kongolesischen Minen durch Kinderarbeit unter Aufsicht

bewaffneter Rebellen gewonnen werden. Was eine einzelne Branche hier bewegen könne,

hieß es, hänge von ihrer Marktmacht ab. So sei die Chemie der weltweit größte Einkäufer von

Palmöl ebenso wie von Konfliktmineralien aus Krisenländern, wohingegen ihr Anteil am

Erdölverbrauch unter zehn Prozent liege.

Dass ein schonender Umgang mit Ressourcen im Kleinen beginne, beim einzelnen

Beschäftigten, betonte Saulich. Der Knackpunkt sei der Mitarbeiter, der Energie spare oder

nicht. Wie bringe man den eigenen Mitarbeiter zum Bewusstsein, dass er Teil in einem großen

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

27

Räderwerk sei? Eine Unternehmensphilosophie der Nachhaltigkeit müsse über verschiedene

Ebenen heruntergebrochen werden. Dass hier noch manches im Argen liege, war weitgehend

unbestritten. Wie abzuhelfen sei, eine offene Frage. Durch Prämien? Immaterielle Anreize?

Wichtig sei, dass die obere Ebene mitmache und Mitarbeiter, die sich mit Ideen einbringen,

Wertschätzung erfahren.

Für offene Fragen sorgt auch das Verbraucherverhalten. Ist der Handel bereit, für nachhaltig

produzierte Waren mehr zu zahlen? Oder regiert das Geiz-ist-geil-Prinzip? Welche Rolle

komme dem Konsumenten zu? Laut Bajorat sei es ganz schwierig, mit den Verbrauchern ins

Geschäft zu kommen, und sei es nur mit der Empfehlung, sich wärmer anzuziehen, um zu

Hause die Heizung herunterdrehen zu können.

Hilft also nur mehr staatliche Regulierung? Sie habe jedenfalls in der Vergangenheit schon in

manchen Fällen einer zögerlichen Industrie auf die Sprünge geholfen, merkten mehrere

Teilnehmer an. Man könne die Probleme nicht mit Appellen regeln, meinte etwa der WWF-

Mann Vedder. Oft müssen Rahmenbedingungen gesetzt werden, um unglaubliche

Innovationen auszulösen.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

28

Workshop 4: Soziale Nachhaltigkeit messen – Chemie3-Indikatoren in Entwicklung

Themenpatin: Ida Schönherr (erkrankt ausgefallen)

Impulsgeber: Dr. Martin von Broock

Vorsitzender des Vereinsvorstands und Mitglied des Stiftungsvorstands, Wittenberg-Zentrum für Globale Ethik (WZGE) e. V.

Dr. Torsten Christen

Referat VI b 3: CSR — Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS)

Prof. Dr. Dennis Lotter

Studiendekan Sustainable Marketing & Leadership (M.A.) Idstein, Hochschule Fresenius gGmbH

Dr. Jochen Wilkens

Hauptgeschäftsführer ChemieNord – Arbeitgeberverband für die Chemische Industrie in Norddeutschland e. V.

Vertreter/innen der jüngeren Generation:

Maximilian Höß Vorsitzender der Jugend- und Auszubildendenvertretung bei Roche Diagnostics Penzberg

Christian Moog

Vorsitzender der Gesamt-Jugend- und Auszubildendenvertretung der Bayer AG

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

29

Daniel Schubert

Arbeitgeberverband HessenChemie

Moderator: Dr. Klaus-W. West

Geschäftsführer, Chemie-Stiftung Sozialpartner-Akademie (CSSA)

Leitfragen / Erwartungen Themenpate

Der Workshop beschäftigte sich mit der Frage, wie man sich dem Begriff „soziale

Nachhaltigkeit“ nähern könne. Wie werden die Indikatoren zur Fortschrittsmessung sozialer

Nachhaltigkeit entwickelt? Was erwarten wir von der Entwicklung der Fortschrittsindikatoren

sozialer Nachhaltigkeit?

Da Ida Schönherr, die Themenpatin, krankheitsbedingt abwesend war, übernahm der

Moderator Dr. Klaus-W. West die kurze Einführung. Er betonte, dass man die drei

Dimensionen der Nachhaltigkeit nicht trennen könne. Außerdem warnte er davor, bei sozialer

Nachhaltigkeit immer nur die Kosten in den Blick zu nehmen. So gebe es bspw. Studien, die

eine Korrelation von Führungskräfteverhalten und Krankenstand zeigen; durch ein

nachhaltiges Management könne man also auch Kosten sparen. Ergänzend fügte er hinzu,

dass die zu entwickelnden Indikatoren nicht nur technisch seien, sondern auch eine starke

kommunikative Funktion haben.

Impulsvorträge

Dr. Martin von Broock, WZGE, definierte Nachhaltigkeit als den Wunsch aus Sicht eines

Akteurs, künftige Handlungsbedingungen positiv zu beeinflussen. Ein Bekenntnis zu

Nachhaltigkeit erfordere drei Voraussetzungen: (1) eine klare Kommunikation, was man

darunter versteht, (2) das Aufzeigen von Herausforderungen und (3) die Definition von

Schritten, wie man mit diesen umgeht. Die soziale Dimension von Nachhaltigkeit beziehe sich

nach seinem Verständnis auf Teilhabe, Solidarität und Fairness. Gleichzeitig betonte er, dass

jede Messung immer auch auf eine Einbettung in den Kontext angewiesen sei. Das Problem

unserer Zeit sei aber, komplexe Herausforderungen auf möglichst einfache Messungen

herunterzubrechen. Ein unerwünschter Nebeneffekt sei, dass nur das gemacht werde, was

gemessen werden könne.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

30

Prof. Dr. Dennis Lotter, Hochschule Fresenius, beschrieb als Projektberater den Prozess der

Entwicklung der Fortschrittsindikatoren. Bislang gebe es keine allgemein akzeptierte Definition

von sozialer Nachhaltigkeit. Deshalb müsse es das Ziel sein, einen Dialog zum

Grundverständnis sozialer Nachhaltigkeit zu führen. Kriterien des Prozesses seien: (1)

Vollständigkeit = alle Themen in den Betrieben der Branche und relevante Themen aus den

Chemie3-Leitlinien identifizieren, (2) Glaubwürdigkeit = moderierter Prozess mit allen

Interessengruppen und Sozialpartnern; Berücksichtigung der Anforderungen der

Stakeholder/Gesellschaft an die Branche, (3) Anschlussfähigkeit zur internationalen

Sichtweise, (4) Wesentlichkeit = nicht Quantität, sondern Qualität und (5) Transparenz im

Vorgehen und in den Entscheidungsstrukturen = Steuerungskreis, Expertenrat (als

Schnittstelle nach außen, besetzt mit Wissenschaftlern und Praktikern) und Projektbeirat (für

politische Leitplanken). Das Ziel seien klare, erläuterte Indikatoren, die in Steckbriefen

aufgearbeitet werden.

Dr. Jochen Wilkens, AGV Norddeutschland, stellte in seinem Impuls die Besonderheit der

Allianz heraus: Chemie³ sei die einzige substanzielle Nachhaltigkeitsinitiative auf

Branchenebene weltweit, an der auch die Sozialpartner beteiligt seien. Die Branche wolle

Vorreiter sein und setze den Gleichklang von guter Arbeit und guten Gewinnen als

Selbstverständnis voraus. Die Sozialpartner begegnen sich auf Augenhöhe. Soziale

Nachhaltigkeit sei wichtig, um Mitarbeiter zu binden. Gleichzeitig merkte er an, dass

Nachhaltigkeit häufig noch stark ökologisch fokussiert sei, auch in den Unternehmerköpfen.

Dr. Torsten Christen, BMAS, nannte zunächst die zunehmenden Versuche, sich jenseits von

gesetzlicher Regulierung zu verständigen, z.B. über das Textilbündnis. Er ordnete die These

von Wilkens in den Zusammenhang der internationalen Nachhaltigkeitsdebatte ein und

betonte, dass das Thema soziale Nachhaltigkeit hier mittlerweile große Aufmerksamkeit habe:

zuletzt bei der G7-Präsidentschaft, aber auch durch die OECD-Leitsätze für multinationale

Unternehmen und die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Gleichzeitig

betonte er, dass „echte“ Messbarkeit begrenzt sei. Er stellte vor allem Fragen an das Projekt:

Wie sich die Indikatoren zum Thema Compliance verhalten und wie soft oder hart das, was

man vereinbaren möchte, werden würde? Welche Rechte und Pflichten sich ergeben und ob

man die Punkte im Unternehmen als Betriebsrat einfordern könne? Letztlich sei Nachhaltigkeit

aber eine kulturelle Frage, die man nicht erzwingen könne. Deshalb sollte es das Ziel der

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

31

Initiative sein, möglichst viele Akteure einzubinden und auch konfliktive Diskussionen

zuzulassen.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

32

Diskussion

Ein kontrovers diskutierter Aspekt war die Bestimmung der Kriterien für den Prozess der

Entwicklung der Fortschrittsindikatoren. Am Beispiel der Wesentlichkeit wurde kritisiert, dass

diese nicht nur von der Branche selbst festgelegt werden dürfe, sondern von externen

Stakeholdern zumindest kritisch hinterfragt werden müsse. Sonst drohe ein zu einseitiger

Blick auf Geschäftsinteressen. Dem wurde entgegensetzt, dass im Entwicklungsprozess die

identifizierten Themen an die (externen) Stakeholder im Expertenkreis gespiegelt werden und

außerdem eine Befragung innerhalb der Branche stattfinde. Ergänzend wurde angemerkt,

dass letzten Endes Wesentlichkeit ohnehin ein gesellschaftlicher Aushandlungsprozess sei

und folglich eine politische Entscheidung, was sich durchsetze. Insgesamt wurde aber

gefordert, den Prozess der Kriterien-Entwicklung möglichst transparent und greifbar zu

machen (Benchmarks, Governance etc.).

Auch die Schwierigkeiten bei der konkreten Definition wurden erörtert. So warnte ein

Teilnehmer vor der Gefahr, entweder zu abstrakt zu bleiben oder zwar konkret zu werden,

aber auf Kosten von Redundanz (z.B. soziale Nachhaltigkeit mit CSR oder ISO 9001 oder den

ILO-Kernarbeitsnormen gleichzusetzen). Ein anderer Teilnehmer ergänzte, dass viele

Themen tatsächlich schon besetzt und gelebte Alltagspraxis seien, z.B. im Rahmen der ISO-

Qualitätsnormen. So sei Weiterbildung ein klassisches ISO 9001-Thema, das regelmäßig

geprüft werde.

Daran schloss sich eine Debatte um die Messbarkeit an. Es wurde kritisch angemerkt, dass

nicht alles, was an Nachhaltigkeitsbemühungen messbar ist, auch nachhaltig sei. So lasse

sich Weiterbildung zwar gut belegen und messen (z.B. über absolvierte

Weiterbildungsstunden). Sie wird aber erst nachhaltig, wenn man von der Teilnahme an der

Maßnahme zum eigentlichen Lernen komme, d.h. wenn am Ende echte Kompetenz stehe.

Andererseits können Themen über gewisse Kennzahlen aber auch besser auf

Managementebene gehoben und so eine „Schwammigkeit“ bei Aktionen vermieden werden.

Schlussendlich wurde die Umsetzung diskutiert. Dabei wurde die Bedeutung der

Unternehmenskultur als wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Integration von Nachhaltigkeit in

die Unternehmensprozesse benannt. Diese beinhalte eine Offenheit neuen Ideen gegenüber,

eine Förderung von Lernprozessen und eine Kultur, die auch Scheitern zulasse.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

33

In diesem Zusammenhang wurde auch die Ansprache und Einbindung aller Mitarbeiter

genannt. Wichtig sei jeweils eine zielgruppenspezifische Ansprache. Die Mitarbeiter als

wichtigste Ressource eines Unternehmens müssen ermutigt werden, sich einzubringen.

Außerdem sei eine Akzeptanz des Themas nur zu gewährleisten, wenn die Mitarbeiter sich

nicht benachteiligt fühlen; gute Arbeit bilde die Grundvoraussetzung, sich für übergeordnete

Themen zu interessieren und zu engagieren.

Reinbold-Knape zog stellvertretend für Schönherr ein Fazit: Sie betonte, dass es wichtig sei,

die Promotorenaufgabe der Betriebsräte und auch der Jugend- und Auszubildenden-Vertreter

zu stärken bzw. stärker wahrzunehmen. Wilkens betonte, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber

als Botschafter des Themas noch besser zusammengebracht und der Austausch weiter

vertieft werden sollte. Christen gab für den Prozess die Frage nach Benchmarks und die

Frage nach der Governance, also der Einbindung externer Dritter, mit. Von Broock forderte

die Projektverantwortlichen auf, die Erwartungen, die ausgelöst wurden, zu berücksichtigen

und Lotter nahm das Bedürfnis nach mehr Partizipation als Hausaufgabe mit.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

34

5. Querdenker-Impuls: „3 Thesen zum Weiterdenken“

Im Anschluss an die Workshops griff der

„Querdenker“ Ralf Fücks noch einmal die Heraus-

forderungen nachhaltigen Wirtschaftens unter dem

Motto „3 Thesen zum Weiterdenken“ auf.

Er nannte als entscheidenden Faktor für die Integration

von Nachhaltigkeit die Kultur in Unternehmen,

besonders die Offenheit und den Umgang mit Fehlern.

Nachhaltigkeit müsse in diese Unternehmenskultur verankert sein, sonst fehle die

Glaubwürdigkeit nach innen und nach außen. Nachhaltigkeit dürfe dabei nicht nur Kosmetik

sein. Vielmehr sei eine völlig andere Produktionsweise notwendig. Er nannte fünf konkrete

Ziele für eine nachhaltige Wirtschaftsweise:

1. Mittel- bis langfristig angelegte CO2-Reduktion – also den Wechsel der

Rohstoffbasis der Industrie, weg von fossilen Rohstoffen und von Lebensmitteln

als Energieträger, hin zu Abfällen;

2. Ressourcen- und Energieeffizienz – hierfür bringe die Chemie, die bereits in

Kaskadenprozessen arbeite, die besten Voraussetzungen mit;

3. Zero Waste – also die abfallfreie Produktion. Dies beinhalte neue

Geschäftsmodelle und die Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus der

Produkte, inklusive der Wiederverwertung;

4. Entgiftung – also die Substitution durch inhärent wiederverwertbare Produkte;

5. Globale Standards – also keine Doppelstandards zwischen Standorten in Europa

und in Entwicklungsländern, d.h. einheitliche Sicherheits- und Umweltstandards

für die gesamte Lieferkette, einschließlich der Zulieferer und ein unabhängiges

Monitoring.

Auch wenn all diese Aspekte mit Kosten verbunden seien, würden sich diese auf lange Sicht

amortisieren. Abschließend stellte er die These auf, dass mittelfristig die Unternehmen am

besten überleben, die sich dem Wandel stellen, anstatt sich ihm zu verweigern.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

35

6. Fazit der Allianzpartner:„3 Dinge, die wir mitnehmen“

Nachhaltigkeit lebt von einer guten Dialogkultur, innovativen Ideen und greifbaren

Erfolgen. Chemie3 bietet einen Rahmen, um die richtigen Fragen zu stellen und

gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

In ihrem gemeinsamen Fazit fassten die Allianzpartner die Hausaufgaben, die sie aus den

Workshops mitgenommen hatten, zusammen. Petra Reinbold-Knape würdigte zunächst den

Beitrag der Jugendvertreter/innen zum Erfolg der Veranstaltung. Sie hätten der Industrie den

Spiegel vorgehalten. Als besonders wichtig für eine Integration von Nachhaltigkeit wertete sie

eine offene Diskussionskultur; Nachhaltigkeit dürfe nicht von oben verordnet werden, sondern

die Mitarbeiter müssen mitgenommen werden. Soziale Nachhaltigkeit messbar zu machen,

sei ein langfristiger Prozess, den sie weiter mit Nachdruck verfolgen und begleiten werde.

Dr. Eckhard Koch bezeichnete Lieferkettenmanagement als ein sehr wichtiges, aber auch

sehr komplexes Thema. Er habe in WS 1 große Zustimmung zu Together for Sustainability

wahrgenommen, aber auch einige Herausforderungen, darunter die Rahmenbedingungen im

Zusammenhang mit internationalen Lieferketten und die Einbindung von KMU. Beim Thema

Ressourceneffizienz aus WS 3 habe sich viel getan, aber es seien noch Potentiale zu heben,

z.B. über die verbesserte Einbindung von Mitarbeitern auf Produktionsebene. Außerdem

müsse die Rolle der Verbraucher noch genauer betrachtet werden. Insgesamt sei die Chemie

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

36

ein elementarer Bestandteil, wenn man zu einer nachhaltigen Gesellschaft kommen möchte.

Dr. Klaus-Peter Stiller resümierte die Bedeutung von Transparenz, intern für eine bessere

Steuerung sowie extern für die Erzeugung von Vertrauen. Gute Transparenz sei eine, die

zielgruppenspezifisch aufgebaut sei, mit zielgruppenspezifischer Kommunikation. Es gehe

dabei nicht um verschiedene Wahrheiten, sondern darum, den jeweiligen Stakeholdern das

offen darzulegen, was für sie von Interesse sei.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

37

Mit der gemeinsamen Initiative Chemie3 von VCI, IG BCE und BAVC arbeitet erstmals eine

ganze Branche daran, Nachhaltigkeit als Leitbild zu verankern. Nachhaltigkeit wird als

Verpflichtung gegenüber den jetzigen und künftigen Generationen verstanden – und als

Zukunftsstrategie, in der wirtschaftlicher Erfolg mit sozialer Gerechtigkeit und ökologischer

Verantwortung verknüpft ist.

Der Verband der Chemischen Industrie (VCI) vertritt die wirtschaftspolitischen Interessen von

über 1.650 deutschen Chemieunternehmen und deutschen Tochterunternehmen

ausländischer Konzerne gegenüber Politik, Behörden, anderen Bereichen der Wirtschaft, der

Wissenschaft und den Medien. Der VCI steht für mehr als 90 Prozent der deutschen Chemie.

Die Branche setzte 2014 knapp 191 Milliarden Euro um und beschäftigte etwa 444.800

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) vertritt die Interessen ihrer

680.000 Mitglieder. Die Gewerkschaft deckt Berufe in den Branchen Bergbau, Chemie, Gas,

Glas, Kautschuk, Keramik, Kunststoffe, Leder, Mineralöl, Papier, Sanierung/Entsorgung,

Steinkohle und Wasserwirtschaft ab. Unabhängig von politischen Parteien und anderen

gesellschaftlichen Institutionen sucht die IG BCE die kritisch-konstruktive Auseinandersetzung

mit den Arbeitgebern, Politikern und der Regierung.

Der Bundesarbeitgeberverband Chemie (BAVC) ist der tarif- und sozialpolitische

Spitzenverband der chemischen und pharmazeutischen Industrie sowie großer Teile der

Kautschuk-Industrie und der kunststoffverarbeitenden Industrie. Er vertritt die Interessen

seiner zehn regionalen Mitgliedsverbände mit 1.900 Unternehmen und 550.000 Beschäftigten

gegenüber Gewerkschaften, Politik und Öffentlichkeit.

Zuhören. Verstehen. Handeln – Chemie3 im Dialog

„Lieferkettenmanagement, Transparenz, Ressourceneffizienz – Wie sich Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzen lässt“

38

Ansprechpartner

Verband der Chemischen Industrie e.V. (VCI):

Dr. Martina Ludwig

Mainzer Landstraße 55

60329 Frankfurt

Telefon: +49 (69) 2556-1369

Fax: +49 (69) 2556-1612

IG Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE):

Christian Hülsmeier

Königsworther Platz 6

30167 Hannover

Telefon: +49 (511) 76 31-6 98

Fax: +49 (511) 7 00 08 91

Bundesarbeitgeberverband Chemie e.V. (BAVC):

Sebastian Kautzky

Abraham-Lincoln-Straße 24

65189 Wiesbaden

Telefon: +49 (611) 77881-61

Fax: +49 (611) 77881-23

E-Mail: kontakt(at)chemiehoch3.de


Recommended