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Page 1: Zur Begriffsbestimmung des chemischen Elements

DIE NATURWISSENSCHAFTEN Herausgegeben yon

Dr. Arnold Berliner .~a Prof. Dr. August Piitter

Seehster Jahrfftmg. 6. S e p t e m b e r 1918. Heft 36

Zur B e g r i f f s b e s t i m m u n g dos c h e m i s c h e n E l e m e n t s .

Von Dr. tteinrich Remy, Paderborn.

Die yon Boyle auigestellte Definition der cke- mischen E~e.mente als derjenigen Stoffe, die nich~ welter zerlegt we~-den kknnen, hat' sick gegeniiber deim eh.emals tier im Bewugtseih der 2~[.ensehheit verankerten aristoteliseh-seholastisehen Element- begrif~, trotz dessen nieht abzuleugnendennatur - philosopkischen Tiefsinns, wegen ~krer auf reine Empirie gegrtindeten Klarheit u n d ihrer eminent praktischen Brauehbarkeit siegreieh durchgesetzt und ~dureli e4n ¥ier te l J~hrtause~d ~anange~oehten behauptet; in allerneuster Zeit jedoeh ist sie wie- der Gegen,stand ernsthafter Diskusslon geworden.

Anlag ,4azu hag zuniiehst d~e Entwieklung cler radiologisehen Forsehung gegeben. Diese maehte die Annahme notwendig, dag S~offe vkllig g~ei- ch, en chemischen Verhaltens nieht nut dureh ihre radioaktl.ven E igefischa~ten sick seharf yon ein- ander unterscheiden, sondern auch in i hren Atom- g~wichten erhebliehe Differenzen untereinander aufweisen, andererseits hingegen Stoffe gleichen Atomgew~cMs ganz versehiedene Eigensehaften zeigen kknnen. Dadureh wurde tier Glaube an die Eind,eutigkeit des Atomgewichts fiir die Charak- terJsiernng sines ehemiscgen Grunlgstoffs zum minSesten stark erschfittert. A]s dann ,bald da- r suf der analytischen Chemic der exakte Naeh- weis gelang, dal~ z. ]3. Ble,i, welches aus verschie- denen Gesteinsarten gewonnen ist, ,deutlieh von- einander abw.eiehende Atomgewichte (zwischen 206,0 und 207,9) besitzt und ,dab g]eiehwohl die so erhaltenen untersehiedl.lehen Bleiarten in ihrem ,ehemisehen" Verha]ten, d. 'h. in ¥al.enz, Aff ini- t~it, elektroehemisehem Potential, Atomvolumem (molarer) LksHehkeit, Verbrennungswiirme, Mas- sen~irkung, ja setbst in ihrem L.iehtspektrum und (hkehstwahrseheinlieh) aueh in ihrem charakteri- stiseh.en Rkntgen'spektrum ~) sick als vkllig i4en- tiseh zeigen, so dal3 sic bei den d.iesbezfigHchen Reaktionen in ganz beliebi~er Weise einander ver- t reten kkni~en, .da wurd,e die Frage aktuell, ob solehe Stoffe, ,die wie diese versehiedenen Blei-. arten hoehgradlge Uberemst lmmung in ihrem son-. st~gen Verhalten mit betriichtlieken Untersehieden in ihren Ato~massen ver`binden, als verschiedene ehemisehe Elemente zu bezeiehnen s eien oder ob man sie als ein und dasselbe Element anzu- spreehen babe.

Um die `bests Antwort Merauf zu finden, wol- len wit zuerst rauf die ¥ors te] lung einge'hen, die

~) VergJ. M. Siegbah~, J a,hrb, d. ~ d . u. Elekt.rrmik XlII, 332 (1916).

sieh die heutigen Chemiker im allgemeinen yore Wes'en eines Elementes maeben, um dann an .die Betrachtung des Gehaltes tier Boylesehen Defi- nit ion heranzutreten und aus ihr den ~bindenden Sehlug zu ziehen.

Die Ohemiker haben sick im Laufe der Zeit~ daran gewk.kn% die E]e,menten~ekt nur als ]etzte analytisch auffi?~dbare- Einheiten, sondern aueh als Einhei ten quali~ativen ~) ~nd quanti~ati,'en Ver-. haltens a~zusehen, in,dem sie annahmen, dal3 jedes Element dutch ganz bestimmte, einander eindeu- tig zugeordnete Eigenschaften gekennzeiehnet seL 8o hielten sie die chemisehe E ig, enart, das Spek- grum, .vor allem aber das Atomgewicht fiir- sehlecht£in charak~eristische Eigentfimlichkeite~ eines ehemischen Grundstofl~s. Auf diese Ar t gaben sic dem .urspriinglieh rein experimentelI gedachten Boylesehen El'enientbegriff, obg].eich sic ihn formell unveriindert beibehietten, doch einen reicheren Inhalt, als .er ihn urspriing~ich besaB. Das war an und liir sick gewil~ statthaft , und so- lunge es de,m dutch die E r fah rung Gegebenen ge- reeht wurde, stand es mit der Boylesehen Deft- nit ion durehaus nicht in Widerspruch; ebenso- wenig wi.e der dutch das Studium der geometrisehen Eigenschaften gewonnene reichere 'Begr i f f vom DrMeek mit d.er 'urspriingliehsten und ein~achsten Definition desselben i n Kontrast tritt. Diese innere Weiterentwicklung des E]ementbegriffs fiihrte sogar gewissermaBen zu einer Synthese zw~- seh'en dem emp.iriseh abgeteiteten ]~oyleschen und dem aus dem logisehen Bediirfnis entsprungenen Element'begriff der alten Zeiten.

Soweit ,aber~hi.erbei der Satz zugrunde g.elegt w~rde, dab zwei Stof~e, die in einigen ~Eigen- sehaften iibereinsti.mmen, dies aueh beziiglieh aller anderen Ei.genscha~ten tun, ~) wurde in die Vorstellung yore cheJmisehen Elem~nt eine An- sehauung verwoben, die auf einer innerlich nieht genftg'end be:griin.d'eten und deska.lb unz'u]iissi~en Verallgemeinerung von 'Erfahrungs ta ts ' aehen be- ruhte. Nach, clem 'heute exakte analytische Bestim- m~ngen zu dem Ergebnis ge~iihrt haben, dal] Stoffe, .an den.e~ .sick sonst kein erl~i Differenzen im Verhalten naehweisen J,assen, dock d.eutlieh ver- sehi.edene Atom~e.wiehte besitzen, und man an- dererseits aus gewichtigen Griinden genb~igt isG einigeu Stoffen yon ~d~uflieh vergehied~em ehemi-

1) Der Au~sdruek ,,qu~Nt~ti~" wiM in d'i.es.er Ab- h~ndlun~ immer :in dem S~nne: ,,fre,i van jeder Be- ziehtrng auf die Masse" ~ e w , andt we~den, da man n ach dem Spra~hgebr~ueh des Chemikers .unter ,,q,,an- titativen" Bezieh~ngen ~in ,tier l~ege~ ledi,glieh die d~ie Massen, betreffenden versteht.

~) Vergl. W. Ostwald, Grundrig der all,gem. ChemJe, S. 1 (Leipzig, 1899).

Nw. 1918. 78

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526 Remy: Zur Begriffsbestimmung des chemisehen Elements. i Die Natur- ~wissensehaften

ashen VerhaRen (wie beispielgweise dem Radium E und Rad ium F) prakt iseh gleieh.e Atomgewiehte zuzuerkennen, ha.t di~se Ansehauung yon der e indeut igen Zuordnung der :Einzelqualit~ten eines Stoffs jede St i i tze in der E r f a h r u n g verleren*).

I-Iier~aeh m u f also die Vor,stelluag, daf Einzel- qual i tg ten fi ir dins gesamte Verh, alten eines Stoffs bes t immend seien, unter allen Umstiin,den aafgegeben werden. Jedeeh l~ann tier Ohemiker seinem leg isch-,ansehauliehen Bedfirfnis gteieh- wohl noeh dadureh Geniige leisten, dab er auf den Gesamtkomplex der Eigen~chaf ten sein Angenmerk r ie~tet , um auf diese Weise zu Ein- hei ten zt, gelangen, die zwar nieht sehon dureh j,edes s ingul~re N.drkmal, stets abet deutl ieh bei Ber i ieks ieht iguag der Summe der wieht igsten Eigensehaf ten yon elnander unterseheidbar stud. Diese Besinnung gesta t te t dem Ohemiker such heute noeh, mi t der ¥orstel lun,g v o ~ ,,Element" die yon e inem ganz best immten, nu t den~ ins Auge g~fagten Stoffe eigentiiml~ehen Yerhal ten (---- Gesamtverhalten) zu verbinden, w i e e r es bis- her zu tun gewohn~ war. Er braueht also gar n ieh t so umsti irzleriseh zu seth, e iner derar t we- sentlieh~n Kons tan ten wie d:em Atomgewieht fiber- haupt jede t~edent.ung f a r die Oharakter i s ierung ei.nes Stoffes abzuspreehen. Er t r~gt den n~euen Erkenntn i ssen voll~uf Rechnung, wenn er nur verlangt , d a f 'alles Stoff l iehe , welches nnter den Begz:iff des gleiehea Elements nn~ergeo~dnet werden sell, i n ~eder Beziehung - - gleiehe guSere Umsggnde vorau'sgesetzt - - iiberei~sVimme, und er n ieht sehon ~us dem Vergleieh einzelner Eigen- sel~aften auf dLe Iden~it~t des Ganzen sch}ie~t Dann beh~lt jede wesent]iehe Eigensehaf t ihre B,edent~ng .ffir die Charak te r i s ie rung ether S~b- stanz, f re i l ieh nieht ffir s.ieh allein .betraehtet. son- dern bet gleichzeit iger Berf ieksieht igung aueh der anderen 3/[er~male.

Von ,diesem Gesichtspunkte aus ergibt sieb, daf der Chemiker sowohl Stoffe gleiehen Atomge- wiehts, aber .sonst versehiedener Qualit~.~, als aueh Stof£e, die bet sonar ( im wesentl iehen) gleiehem quali tat iven'V.erhMten versehledene Atomgewiehie zeigen, als verschiedene EIemente zu 'bezeiehnen hat, wenn er eine ganz ra, dikale Umges ta l tung seiner b isher igen Elementvors te l lung vermeiden, vie]mehr diesel-den Ergebnissen der NeuzeR ent- sprechend wei terentwiekeln w i l l

Zu dem gleiehen Resul ta t ge]angt man a~Jer such veto re in formaten S tandpunkte aus, d . h . auf Grund des Wortlauts der Boyleschen Defini- tion. ])as hat K. Fa]ans unlgngst in einer sehS- nen und ausffihrl ieben Abhandlung ~) fiber diesen Gegenstand e in leaehtend ,c~arg'elegt/. Die Boylesehe Def in i t ion stfitzt sieh ganz nnd fa r auf den Be-

~) AufreehterhMtea lleBe sis etch hSehstens noeh dureh Berufung amf mit den heutigen ~litteln nieht wM~rnehmbare Abweiehungen in d.em seheinbar gleiehen VerhMten und in gen Atomgewiehten.

-~) J~.hrbueh d. ~a&i.oakt. u. Elekgron.ik XIV, 314 (1917), XV, 101 (1918). Verdi. such Fa.jans u. Lem. ber{, Zeitsehr. f. anorg. Chem.ie 95, 329 (1916).

g r i f f der Zerlegbart~eit. Stoffe, die nicht weiter zerlegt werden k5nnen, s ind Elemente ; un.d wenn Stoffe noch in e infaehere Bestandtei le zerlegbar stud, darf man sie n'ieht als Elemente anspreehen. Fajans weist nun darauf hin, dad auch diejenigen Grundstoffe , welehe bM sonar vSllig gleichem Yet- hal ten sieh nu t dutch ihre Atom gewiehte unter- seheiden, stets yon einander getrennt werden k6nne~. N u t mug man bet ihnen ~ e t h e d e a an- wendmb die sich -auf die Yersehiedenhmt der Mass~ gri inden, z~m BeispiM Diff l ls ion im Gas- zusta~d,e, Zen t r i fug ie ren oder elektr.omagnetisehe Analyse der Kanah t r ah l en . Der Ums6and, dad diese ~ e t h o d e n bis jetzt noeh kaum .benutzt stud, bi ldet kein Hindm'nis , sic in den Bereiehen, wo ~ie sieh als Trennungsmi t t e l zweekmgfig .erwei- sen, einzu'fiihren. Aueh bisher hat ja .die Chemie sleh in der Auswahl ihrer Trennungsver~ahren keineswegs besehr~inkt, son, der~ s:ie ha t stets die gewghlt, d~e ffir den gerad'e vorl iegenden Zweck als .die e infaehsten und .brauehb.arsten erseh.ienen. @riindete man aueh dde T r e n n u n g in der ~.egel anf die SehwerlSsliehkeR best immter Verbindun- gen, so ~at man doeh bet den .seltenen Erden, wo diese ~¢[ethoden ver~agten, ohne Deden~en aucb zu fraktion.ierten Xr i s t a l l i sa t ionen gegriffen, bet den Gdelgasen zur f rak t ion ie r ten Verfltissig-ang un, d Des t i l la t ion; und sogar gas YerhaRen hei der f rak- ~ionferten Diffusion is t ,bereits vor l~.ngerer ZeR als Kr i t e r iu ra f a r d ie ReinheR eines Elements (des ~eHums) benugzt worden. Bis tang ist es also n ie taandem in den S i n n gekommen, die Wahl der Zerlegu.ngsmethoden i rgendwie besehr~nken zu wollen. Der Boylesehen Def in i t ion l iegt eine solehe Besehriinkuna" durehaus fern. Gerade in dem Umsta~de , dab s i s es erm5glleht ha t und wei terhin m5glieh maeht, ,.,die Zusammensetzung aller mater ie l len Gebilde auf eine reiaglv kleine Zahl yon Bestandtei len, Elementen zuriiekzufiih- ren", lag 'nnd l iegt ihr hoher Wef t , nur hierdureh wird eine vollkommen eindeutige Analyse belie- biger Sub~tanzen mSglieh gemacht*).

Die Tatsaehe jedoch, daft es Gruppen yon Grunds tof fen gibt, deren Glieder sieh (aul]er viel- leieht noeh dutch ihr radioakt ives VerhaRen, das den Chemiker als solehen wm,Ager in teress ier t ) nu t dureh ihre Atomgewiehte (deutl ieh) unter - scheiden, in allen Eigensehaf ten dagegen, die nieht yon ihrer ~Iasse abhingen ( sower es bis je tzt naehweisbar ist), i ibereinst immen, l~13t es fiir &en Chemiker prak t i seh erseheinen, auf den Gebieten, in den.en da.s Atomgewieht keine beso~dere Rolle spielt, yon ,den nu t dieses bet ref fenden Unter- sehieden der einzelnen Glieder abzusehen und im all~emeinen sine Substanz. d~e aus ]surer solehen stoff l iehen Einhe i ten zusammengesetzt ist, welehe sieh su re r dutch ihre }[assen in ihrem gesamben Verhal ten in keiner Weise unterseheiden, - - eine Substanz also, di'e in ihrem quali~ativen VerhaRen in jeder Beziehung einhei t t ieh ersebeint, aueh als elnheitlich aufz~.~fassen. UnzweekmSg~g u~d dnrch-

1) Pajans lee. sit. S. 322, 315 u, 316.

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Heft 36. I 6. 9. 191Sj

ass nieht im Sinne der Boylesehen Def in i t ion wiire es jedoeh, eine solehe Substanz als Element anzuspreehen.

Zwar melnt F. Paneth~), der diese Ietztere Be- ze iehnungsar t ver teidigt , d,al~ sie bei den. Che- mikern ber~-its al lgemein iiblieh sei; nur die Re- diochemiker ba t t en sieh an die andere Namen- gebung g:ewShnt, abet ihnen dSrfe nieht auf Kosten .der a l lgemeinen Ohemie Reehnung ge- t ragen werden. - - Es wird jedoeh woh] nur sehein- bar der F a i l sein, d.afl die ,meisten Chemiker e s vorziehen, qaa l i t a t iv e inhei t l ieh reaglerende Stoff- gemische ale Elemente z a bezeiehnen. F t i r den Chemiker galt ja bisher eine qual i ta t iv e inhei t - liehe Substanz .stets aueh ale quant i ta t iv e inhei t - lieh. Wenn er sieh ein Element ale Ur fo rm ei~res bes t immten Komplexes yon Quali tgten (nnter denen am hervorsteehendsten ftir ign die eigent- l iehen chemischen Reakt ionen sind) vorstell te, so sehloS er damit .die qt tant i ta t i~en Beziehnngen keinesweg, s ass. Aueh fiir diese nahm er Iden- t i t ~ bei d.en vers.ehiedenen Atomen des gleiehen Elementes an. Naehdem nun die .genauer,e Unter- auehung gezeigt hat , dag dem nieht so is¢, konnte web/ ]eieht der .eine ~der andere Forscher ,dazu kommen, die nenen Er fah rungen dadureh mSg- liehst ek la tant .zum Ausdruek zu bringen, dag er als ihr Er~ebnis ,die Tatvaehe hinstel l te , dag ,sin und dasselbe Etement versehiedene Atomgewiehte haben kSnne, jedoeh n ieht ohne des Bevxul~tsein, ein.en Aussprueh zu tun, ,der dem GefiihI des Che- mikers durehans widerstreitet-~). R ieh t iger im Sinne der b isher igen Auffassung veto Wesen des Elements , wiewohI gerade darum weniger auf- fgllig, werden die nenen Resul ta te in der Weise dargestell t , dell man sagt : Es gi~bt ehemisehe Ele- mente, die in ihrsm qual i ta t iven Verhal ten vol]- s tgndig mitein a~der i ibereinst immen ; di,esen kommt jeweils aueh die gleiehe Mos.eleysehe Ord- nungszaht zu, sie s ind deshalb im Per iodisehen System an der glelehen Stelle einzuordnen nnd web,den d a r u ~ Ms isotope Elemente oder t~urz als Isotope s) bezeiehnet.

Da~ es in vielen ]~'~llen prakt iseh ist, quali- ~ativ einheitlieb_ rea~ierende Substanzen, aueh wenn sie Gemisehe yon Isotopen ,sin~d, ale einheit- l ieh anfzufassen, wurde sehon oben ge~ag't. Selbstverst~ndlieh mug man dann aueh die :MSg- l iehkeit haben, diese Einhe i ten gqeiehen qual i ta- r iven Verhal tens bequem zu bezeiehnen. Fa]ans sehNigt daff ir den Au:sdruek ,,Elemententypen" vor. Vi,elleicht Jst es noeh besser, eln~aeh yon , ,Stofftypen" zu reden, und zwar n ieht n u t wegen der grSl3eren spraehl iehen Yff,an, dl iehkei t dies,es

*) Zei~schr. f. Phye. Chemie, 91, 171 (1916). ~) So bezeiehnet O. H6n~gseh~id, d er gleiehfaMs die

Panethsehe Au.sdruek~weise ~nwend.et. ~i,ese Anschml- u~gen selbst ale ,,revol~tionJere~d °e (Z,eit~chr. f. Elek- troehem. 22, 18 (1916)). Revolutionierenc~ tauten die neuartigen Ergebnisse jedoeh nur an dureh die ~'afiir gewghlte wenig zweekm~igige AusdrueksweJse.

~) F. Soddy. Die Chemie der ]2adioelemente II, S. 13 (Lei.pzi$. 1914).

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Worts, sol~dern aueh desha]b, weil es uieht , wie das yon Fajans gewghlte, e ine ~berordnung des B,egri~fs , ,Typus" tiber den des Elements un te r alien Umstiinden aus~drtiekt, die manehmal h inder- lieh erseheint. Man braueht (z. B. im Unter r ieh t ) n ieht notwen4ig von <lem Begr i f f des Elements auszugehen, u m ' d a n n naehher die Elemente grup- penweise zn Typen zusammenzufassen, sondern man kann eben,sowohl di6 3 iann ig fa l t igke i t der ffe- gebenen Dinge zun~ehs$ iidberha~apt n u t anf S~off- typen zurtiekftihr,en, die sieh dutch ihr qualiSa- gives Yerha l ten deutlieh von e inander nntersehei- den und dah.er im al lgemeinen aueh ,bequem yon einan,der zu t rennen sin& Bei b.diebiger Gelegen- heit kann man dann hervortteben, dab diese Stoff- typen n ieht immer sehon die letzten Baumater ia - l ien der KSrperwel t d a r e , l i e n , son4ern dab man erat bei Bert icksleht igung aller Unterscheidungs- mSg]ichkeiten, insbeso)adere attch ~der l~[asse, zu den eigent l ichen Urstoffen, d~en chemischen 'J~ls- menten ~elangt. Each dem derzei t igen S tande unseres Wi.sse~s s ind d ie mei:sten Stof f typen mit ehemisehen Elementen ide~tisch; in e iner a ieht unbetrgchtl iehen Anzahl yon F~l len kann jedoch eine ale , ,s tofftypisch" erkannte Substanz eine Misehnng verschied.ener Elemente sein, die dnrch gleiehes qual i ta t ives Verha l ten au,sgezeiehnet sin&

Wenn Paneth .die Stoffe gleieh, en qualitati,ven, oder wJe er aunh sagt, gleiehen , ,ehemisehen" V.erhaltens als Elemente ]oezeichnet, so ] ¢ a n n e r des n u t unter Abi inderung d~er Boy]eschen Defi- ni t ion. Er sehl~gt ,daf0r folgende Fassung ve t : ,,Ein Element ist ein Stoff, des durch kein chemi- sehes Verfahren in einfachere zerleg~ werden 7cann. Stoffe, die dieser Definition geniigen, gel- ten'als dasselbe Element, wenn sie einmal mitein- ander gemischt, dutch tcei~ chemisches Verfahre~ wieder get.rennt werden tc6nnen." Der zweite Satz, der im ersten Augenb]ick wie eine iiberfltis- s i t e Wi.e4erholung des ers ten aniimt~% ist ein not- wen, dig'er Bes tandte i l .der Panethsehen Def in i t ion , ohne den dieselbe n ieht .eindeutig ware. ] )enn naeh dem ersten Satz allein wtirde man dutch beliebiges ~[isehen yon Isotopen zu einer un'be- grenzt grogen Anzahl yon ehemisehen EIementen and ,,zn einer vSlligen Entwertung des Element- begTiffs ''~) gelangen. ])as l iegt abet nleht an der Unzul~ngliehkei t der Boylesehen Defini t ion, son- .dern an der Ab~nderung, die Paneth an ihr dureh die Besehr~nkung anf ,ehemisehe" Ver- fahren vornimmt. Abg.esehen davon, dab es kagm mSgliel~ ist, e ine allo'emein gti]tige Grenze zwi- sehen ,,ehemlsehen" und re in , ,physikalisehen '; Vo~ggngen zu ziehen, u~d aueh keine einzige ehe- misehe Trennung ohne physikalische (beispieN- w.eise m.eehaniseh,e) Operat.im~en ausft ihrbar ist, er= sehein~ aueh deshalb die BesehrSnkuna" auf ehe- mJsehe Ver fahren unsta t thaf t , wei] die Unter- sehiede der :~[assen, wie sieh th~eoretiseh zeigen J~it?t, aueh - - wenngleieh geringe - - ] ) i f ferenzen

~) Po~ieth lee. eit. S. 182.

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in den anderen Eigeusehaften der Atome zeitigen miissen~). Ob nieht .diese 'bet weiterer Verfeine- rung' unserer ~etho,den uns aueh noe l zur ,,ehe- mischen" T r e n n u n g yon versehiedenen Elementen ~,'leichen Stofftyps fiihren werden, l~iBt sieh noeh ~ar nieht .sagen. - - Strebt man naeh wissensehaft- !ieher Exaktheit, so wird man aueh solehe ~Sg- l iehkeiten nieht vSllig auBer Aeht lassen diirfen.

Der Begriff des Chemisc£en Elements ist yon /~o,fle in vorbitdllcher Weise naturwissenschaftl ieh ,xM,;t definier t und ,sollte es bleiben. D.er Begriff des Stofftyps seMi.MR sieh .dagegen mehr an .die ~ristotelisehe Naturau~fassung an'-'), nu r dab er , ieh t einem metaphysisehen, sondern ein,em prak- *ischen Bed/irfnis entsprungen ist, n~mlieh dem, iiir ein bestimmtes, zusammengehSriges Gebiet des VerhMtens Typen zngrunde zu legen. Es ist sehon obeu gesagt worden, dab die heutigen Chemiker in ihrer ¥ors te l lung vong Wesen des Elements ,lie Saehliehkeit und Seh~rfe ,des rein experimen- ~ell ~bgeleiteten Begriffs ~mit der Ansehauliehkeit des philosol)hiseh ersehlossenen, der an~ die typi- sehen kIerkmale sieh .stiitzt, zu verbin.den bestrebt waren. Diese 5[5gliehkeit gew~hrt ihnen die un- verSnderte Boylesehe Def in i t ion aueh heute noeh; denu unb.esehadet der , ,Stofftypen" erm5glieht sic es bei noe l feinerer Unterseheidung die ehemi- schen E~emente a]s Urtypen aufzustellen. Gin Element lgl~S sieh u n t e r diesem Gesiehtspnnkte As letzte st offliche Einheit fiir einen unveriindsr- fh.hen Komplex yon Eigenschaften beschreiben. INo einzelnen ]Eigensehaften sind ~icht typiseh f[,r das Element. Versehie4ene El emente kSnnen c.inen Tell der EigenseLaften n i t ein.ander gemein haben, einen andern dag~egen nieht. ~ersehi,edene Elemente kiSnnen gleiehes Ato~gewieht h@en, sich a'ber qual i ta t iv ganz versehieden verhalten; ale kSnnen jedoeh aneh bet gleieh.em quali tat iven \~erLMten yon versehi.edenem Atomgewieht seth.

Ob ,es doel~ vielleieht Eigensehaf~en gibt, die dutch ihre Differenzen immer aueh die Xrerschie- denheit aller anderen Eigen.sehaften bedingen, vermag e.rst die Experimentalforsehung der Zn- ktmft zu entseheiden. Jedenfalls ~st es bet d e n beat igen Stun.Be nnseres W, iss,ens unz~l~ssig, yon ",,;rnherein die 5[5gliehkeit auszusehliel~en, dab Atome, yon denen das eine dutch Aussen, dnng yon ~-Strahlen aus d e n and,eren entsteht, n ieht doeh el was versehiedene lgasse haben; ,denn dureh das Entweiehen eines Elektrons aus d e n Atomver- ban,de muB entspreehend tier grol~en hierbei, umge- setzten Energiemenge eine weitgehende UmIage- ~.ang des inneren Xraftfeldes nnd eine ent- spreehen4e Umgruppierung ,der Elektronen des Atomrestes veranlagt werden, ,die sehr wohl auch

1) Faja~zs lve. c,it. S, 330, 33l, 337 u. 338. 2) -gergl. W. Herz, Grundzii~e d, er Geschiehte tier

(2hem.ie .(Stutt,gar£, 1916) S. 9: ,,Die Alten hubert wohl n i t den Ausdr{ieken Feu.er. ~¥~sser, Luft, Er.de weniger &i.e setoffliehe Er,de, das stoffHehe Was,ser usw. a.ne,drtieken wollen, als i,hre fypisehen Eigen- seh, aften."

auf dessen 3~asse yon GinfluB sein kanni) . Liegla die so ,bewirkte Ver~nderung der ~asse im Be- reich der 3~eB,barkeit, so kbnnte das Atomgewieht am Ende doeh noeh elnma] wieder als typisehes Charakteristikt~m des ehemisehen Elements zu Ehren kommen.

SoleLe Erfahrungen, wenn sic jemals gemaehl: werden solRen, wiirden unsm'e oben besehriebene ElemenWorstel]ung lediglieh naeh ihrer inhal t - l ichen SeRe stetig weiterentwiekeln, die Boyle- ache Def in i t ion jedoeh und die aus ihr im vor- stehenden ~ezogenen Xon,sequenzen vSllig unange- taster lassen.

Kommen wit hiermR zu d e n Ergebnis, dab die klassisehe Elementdef in i t ion Booties aueh heute noe l in unvergnderter Form aufreehtzuerhalten ist, so glaubt hingegen Fajans sic korrigieren zu miissen. Er will sic dureL den folgenden Satz er- setzen: ,,Ein Element ist ein Stoff, der dutch kei.n. physikalisches oder chemisches Miftel i~ einj'achere Best~ndteile zerlegt wurde und auch nicht a~,s Ge- misch anderer wetoffe er]sannf worden isf.'" 3Z[an darf naeh Fajans ,,in der E]ementdefinRion nieht behaupten, ,dab ein Element durch kein bekanntes ~'[ittel zerlegt werden ~ann, son dern nur, daft es durch kein ~ i t t e l zerlegt wurde". Diese mit al len DenkgewohnheRen des Chemikers aufs sehiirfste in Widersprueh tretende und allein (lurch die Be- r u i u n g auf W. Os~u,ald nieht g-entigend gereeht- £ertigte Aufs te l lung Fads.us' kSnnte als Ausflnl~ eines extremen Positivismus anmuten, wie er in dJeser Form eigentlieh n u t in bestimmten K~,eisen franzgsiseher Theoretiker so reeht heimiseh i s t ; aber anseheinend ~st Fajans zu ihr weniger yon philosophisehen Spekulationen ausgehend gelangt, als in dem Bestreben, eine praktische SeLwierig- keR aus dem Wege zu riiumen, die seiner Ansieht nach die Boylesehe Elementdef.inRion bet dem ~'egenwgrtigen Staude unse~,es Wissens n i t sieh bringt. Es sind niimlieh bisher noeh nieht sgmt- liehe bekannten Zerlegu~gsmetLoden auf die ~h- lieherweise als Elemente bezeiehneten Stoffe an- ~ewandt worden. Wir diirf, en deshd]b die )f5g- liehkeit nieht yon vornherein aussehliel3en, dug ein.e mehr oder wenlger groBe Zahl .davon sich spgter als Isotopengemisehe erweisen wird. - - Das ist zweifellos riehtig. Abet ich sehe nieLt ein, inw~efern die AnnaLme, dab ein Tell der heute noeh fiir elementar gehaltenen Snbstanzen sieh spSter einmal doeh noe l als zusammengesetzt her- ausstellen kgnnte, nnseren Elementbegriff in seiner Anwendb.arkeit bee.intriiehtigen miilRe. Auch frflher sind doch bereits in vielen Fgllen Zwei+.Tel an .der elementaren Natur yon anfangs ftir einfaeh gehaltenen Snbstanzen aufgetaueht. Diese hubert gerade 4azu gefiihrt, dal? der Che- miker sieh nieht auf einige wenige ]~[ethoden der Zerlegung beseh¥gnkte, so~dern mSgliehst alle ihm zur Verffigung st.ehe~den ~[ittel anzuwenden

l) Vergl. hierzu J. Ste~rls, Prinzipien der Atom- dym~mik I. S. 71 (Leipzig, 1910).

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Remy: Zur Begriffsbestimmung des ehemisehen Elements. 529

snehte, um sieh van der Re inhe i t eines Elements zu fiberzengen. Aueh haben gerade sie wieht ige Entdeekungen ve~'snlagt. Zweifel an tier elemen- ta ren N a t u r des atmosph~risehen Stiekstoffs f i ihr- Van zur Auif i .ndung &as Argons. Ebenso bie%et die Entdeekung der anderen Edelgase, &ie Ge- sehiehte der Re in igung tier seltenen Erd!en, wie aueh sehon die Gesehiehte der gri iheren Chemic zahlreiehe Belege dafiir, dal] ,die Auffassung des Elements str.eng .hn Boylesehen Sinne ebe~sowenig daran gehinder t hat, prM~tisch Stoffe, deren Zer- legbarkei t derzei t noah n ieh t bekannt war, als El.e- manta anzusehen, wie sie jederzeig es freistel l te, theoretisch an tier e lementaren Na tu r eines Stof- ~.es zu zweifeIn, an dam noeh n ich t MIe bekannten Zer legungsmdgl iehkei ten v.ersueht waren.

E in Zweifel a~r der Lfiekenlosigkeit des bisher Er re ieh ten mu[3 stets ges ta t te t sein, ,dam:ig iiber- haupt ein F o r t s e b r i t t in der Wissensehaf t mdglieh bleibt - - das gi l t n ieht nur ffir d ie Chemie - - . I s t aber 4er Chem~k.er gleieh dutch seine Defi- nigion gezwungen, jeden Staff , der his heute noah nie-ht zerlegt wurde, n,ieht nnr prak~iseh, sondern aneh in seinen wissensehaf~liehen Erw~gnangen a h E lement zu betraehten, so ha t er h infor t keinen k n l a g mehr, sieh um wei tere Z.erlegung i rgend einer bis je tz t noah ~ieht aufgespal tenen Snbstanz zu bemtihen, da di;ese bereits dureh die Tatsaehe, dab sie noah nieht anfgespal ten wurde, als Ele- ment s t a tu i e r t ist, selbst wenn sie, in den geheim- nisvol]sten Tiefen der Erda rnherM, noah gar n~eht .in die ~ n . d e des Analy t ikers gelangt .sein sotlte. Ver langt :man van einem Element n i e h ~ waiter, als dab es e in S ta f f sei, der noah nie].~t zerlegt wurde nnd n ieht als Gemiseh ander,er Stoffe er- kann t v,orden ist, so wir,d die En tdeeknng noah einiger neuer Elemente n ieht besonders sehwierig sein - - f re i t ieh .die w.issensehaftliehe Eins ieh t in di.e Na tu r aneh wenig fdrdern ; denn die uns noah fehlenden 5 S tof fVpen. ,deren Dasein das Per io- .disehe System im Vere in mi~ den Sehliissen aus den eharakteristiseh.en Rdn~genspek~ren emvarten :liil3t and deren Ent,deekung 4~e sehdnsbe Krdnung dieses Gebiets der Chemie bi lden warde, werden auf die A r t siel~er uie~n, als gefunden werden. Gerade tier la tent s lats vorhan.dene Zweife] an der e]ementaren Na tn r besonders noah wenig unter- suehter Stoffe, .der in Akt ion ~ritt, sobald nur i rgend ein Merkma], beispie]sweise ein.e eharakte- rist isehe Eigentf imIiehbei t des Spektrums, ih,m eine I3:andhabe bietet , ermbglieht es uns, aneh fietzt noah neue Ent.deekungen van Elementen nieht ffir ausgesehlossen zu hair, an. Nach der ])e- f in i t ion van Fajans mfil~te einen Forseher , seine Zer]egungskunst zu >ersnehen, n ieht der Zweife] drRngen: Isf dieser SHaft wir,ktieh ein Element, sondern die Frame: wi~,d dieser Staff , wenn du ihn reeht bearbeitest , wahl t ro tzdem ein Element blei- ben? Der Forseher miil~te,also an s,ein Werk mi t der ansdrfickliehen Abs.ieht herangehen, ein E~e- ~,nent zu zersfdre~.. ~:[an wlrd wahl nieht an- nehmen wo]len, dal] aueh nu t ein einziger van

den Entdeekern der Elemente nach Boyle sich in solefxen GedankengRngen bewegt hat .

Es is t interessant , zu welchen Konf i ik ten die" van Fajans vorgenommene erkennta is theore t i sehe Besehrdnkung d, er Boyleschen Def in i t ion gera&e in ihrer Anwen, dung an t das Isotopenprob]em fithrt, um gas sich doch die ganze Diskussion fiber den Elementbegr i f f bewegt. Obgleich wi r mi t Bes t immthei t sagen kdnnen, daft jades Isotopefi- gemisch zerlegt w, erden lcann, ,da wir }£ethoden kennen, die r ieh t ig angewan,dt, dies Ziel errelah- bar maehen m~issen: w~ren wir, warm e in Element eln S ta f f ,ist, der noah dnrch kein N:ittel zer~egl wurde, heute trotzde~m gezwungen, jades be- l iebige Isotopen,~emiseh als besond'eres Element anzuspreehen, .da bis je tz t e ine Zer legnng van Iso- topen noah fast in keinem F.atle 1) g e h n g e n ~si (wail man es niimlieh mi t den geeigneten ~le- thoden noah nicht versueht hat.). Wi r kdnntm~ dann dureb Misehen van Ele~ienten gle ieher Stoff typs beliebig ~ie]e nene Elemente herstel]en u~d kgm~en dadureh al lerdings zu einer ,,vdll~igen Entwertm~g des El.ementbegriffs", Diese Sehwie- r igke i t sneht nun Fa]ans zu / i b e ~ i n d e n dnreb "den Zusat~: ,,un:d nleht aIs Gemiseh anderer Stof~e e rkannt warden ist". Da, dnrch ger~it er aber van der Scylla in die Charybdis. Denn er gibt dnreh d iesen Znsatz ,die analytische Zerle- gang als entscheidende Pri~f*lngsmethode prei~, obgleleh er an frf iherer Stel le s.elbst betont, ,,dail tier E lementbegr i f f seinem Zweck ,desha]b so v a t trefflieh entsproehen hat. well das Element di,, Gre~,ze der anatytische~ Kunst des Uhemilcers bff- defe in bezug sowohl auf die Zerlegungsmdgl~cl~- k:eif als auch auf die Unterscheidungsm6glichlzeiV" Der Salz, dal~ e in Element e in ,Staff sei, der n icht a]s Gemiseh anderer S tof fe e rkannt ist, wtivde die Kompetm~z im Urtei] fiber die Reinhe i t eines E l e ments vain Chemiker in die ~ n d e des Physlker~ hinfibersple]en. Denn wie Fadans al~sdr,iiekl'ieh radioakt ive ]~fethoden zur E rkennung ,der Ge- misehnatur ~estattet, so mfissen n.aeh dam War t - h u t :seiner Defi.nitien aneh atle anderen physika- lisehen ~et .boden e r h n b t sein, insbeson~dere aneh spektrographisehe. So sehr nun a~.eh der moder i> Chamiker diese ,als I t i l f smit t ,e t bei sei.nen Arbei- ten zn seh.~tzen weifl, so wird er doeh ~immer die ~fdgliehkeit tier ZerIegung als entscheidendes Kr i - ter imn f f i r die Gemisehna tur eines Stories be- t raehten and sieh nieht gerne :auf die Dauer bel derar t ig fun,damentalen Naehweisen mi t indirek- ten 2V[etboden beg'niigen woHen~).

a) Eine AusnChme bild.e~ vi,elteieht tier Neon¢yp. Vergl. Soggy, Chemie tier Ra.~ioetemenbe II, 8. 64 (Leipzig, 1914).

~) Hierm'it ,sotl natiirl.ieh niehg abgeleugne~; werden. dab in ver.einzelten Fgllen, wi.e bd ,den gam, z l~rz- lebigen radioMCbiven Sttb~tanzen, tier Chamiker sieb ve~anlaBt ~ehen kazan, Meh pral~tise£ an die Er- gebni.sse der plhy.sikMfschen S~IeBmethoden zu ttMten; ~ber eben a~s dam Grunde, wail hi.er 'seine 3£eth~len versagen, sieht .er das Gebiet ~ter kurzl>ff).igsten ]/a- dioelemente ~ueh nielat mehr al, s zu s.ei~em Bezir].: geh 5r,ig an.

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Page 6: Zur Begriffsbestimmung des chemischen Elements

530 Johnsen: Mutationsartige Umwandlang yon Kristalien. Die N~tur- wisse~setiaf~em

Die yon Fajans vorgesehlagene Def in i t ion hat, wie er selbst zu.gibt, aueh noch die nnbefr iedigende Eigent i imliehkeR, dal~ sie , ,einerseits e inhei t l iehe Elemente (wie die Radioelemente) , a~dererseits Stoffe umfaBt (w~e ~ie mei,sten g~ewahnliehen Ele- mente), yon denen war nieht wissen, ob sie einheit- l ieh sind eder Gemisehe yon Isotopen vors.tellen", Fajans ,meant jedoeh, dal~ dies &era ~rLbefriedigen- den Zustande unserer Kenntnisse entsprgehe~). Daztt sei mir nur die F r a g e ges~attet: SpiegeR den~ etwa die a r e Boylesehe Def in i t ion .den da- n~als doeh noah viel unbef%edigenderen Zustand der Kenntnisse wieder~. - - Nieh t spiiter einn~al sollen war zu der a r e a F assung der Boylesehen Def in i - t ion zuri iekkehren, wie Fajans vorsehlggt, sonder~ war haben im Interesse ,der Kla rheR a n d .des F ort- schriRs in unserer Wissensehaf t allen Gr~nd, aueh ~.egenw~rVig ih~e Massisehe F o r m anange tas te t beiz~behaRen.

I)~s ver ni inft ige Denken ist pr akt iseh stets bereel> dgt , aas tier Tatsaehe, dab an einem Stof f alle in Bet~aeht kommenden Zerlegnngsn~ethoden stets ohne Ergebnis ~ersueht wurden, aueh den Sehlu~ zu ziehen, dab er mat diesen ]Kethoden t atsgeh]ieh nieht zertegt werden ~onnte u~g ~ann. Di~ Boyle- ~che D ef in i t io~ .ist &eshalb auch erkenntnis theo- retisch unanfech~bar. Dam Umstand, da~ auf ,die :ueisten gnserer Stoff typen eln,e Reihe yon Tren- nangsverfahren, ,deren Ergebnisse noch n ieh t vor- ausgesehen warden k5nnen, noch nicht angewandt worden ist, ward dadnrch Rechnnng getra~en, da~ war f~eimlit ig gestehen: Yon .den meisten Stoff- I,ypen i s t zurzeit noch nieht mat yel ler Sieberhei t bekannt, ob sie e lementarer Natur sin& DurcJa die Fa janssehe F a s s a n g ,der El ,ementdefini t ion wir.d d iese wissensckaft l ieh doeh gew4g reeht inter- essante Tatsaehe wersch]ei, er t s ta t t aufgedeekt. Gla~bt Fajans hierdureh die ans sei.nen sonst so fo]ger ieht igen ]~ntwick]ungen iil~er den Element- begr i f f gezogenen Sch]iisse fiir die PraMs annehm- hater zu n~achen, so ist ira, Gegenteil zu b,efiirchten, da~ bei dam Widersprueh, der sieh no~wen4iger- weise aus den Reihen tier Chemiker gegen seine erkenntnis theoret isch bedenkliehe Umformung der Boylesehen Def in i t ion erheben rnul~, aueh seine iibrigen Folgerungen nieht die ihnen gebiihrende Beaeh~ung l inden warden.

War kommen so zu folgendem

Erg e buis :

Die Boylesehe Def in i t ion : Ein chemisches Ele- ~ent ist e~;n Stoff, der qzictlt waiter zerlegt warden /,'ann, wird dem hea t igen Stan&e nnseres Wissens ~mch vollkommen gereeht; auch erkenntnis theore- ~iseh ist s~ie u.nanfeehVbar.

Nine Besehr~nkung ihres Umfangs ist unange- braeht, da eine ,solehe materiel] n ieht 'za reehtfer- t igen ist und idee]l mat ,der gesehieht l ieh gewor- denen VorsteI lung veto Wesen des ehemisehen Ele- ments in unvereinbaren Gegensatz trRt.

Den neugemaeh tenEr fah rungen wi rdReehnung

~) Loe. oil S. 345 u. 346.

getragen ,dureh E in f i ih rung des Begr i f fs der ,,Stofftypen".

Die Stofftypen sind .die letzten E~nheiten, qualRa¢iven Verh alvens, a u f die sieh die Stoffe dutch Zer legung zurt ickfi ihren lassen. Dabei wire[ unter , ,qual i tat ivem Verhal ten '~ riffs g~esamte auek im atoma~en Bereich konstante ~) Verhalten ver- standen, .soweit .es n ieht dureh .d~ieMasse (merkl'ieh) beeinfluBt ward.

Allein an t G r a n d des Begr i f fs der Zerlegu~g lassen sieh die Stoff typen nieht definieren, da ,die letz~en Einhei ten qnal i ta t iven Verhal tens in viele~ FRllen noah we%er zer]egt werden kannen.

Die letzten Besta~dteile, za denen die Zerlegunff fi ihrt , sand die chemischen Element<

In praxi di i rfen wi t gut be/sannte Stoffe, d ie b[sher noah nicht welter zerlegt .sand, als E lemente bezeiehnen; war hagen jedoeh zu beaehten, dal3 d~.eoretiseh an der el.ementaren N a t n r der :meisten Grundstoffe noah Zweifel .erl'aubt sand, da fair die, Unmagliehkeit , sie mat den uns zur Ver f i ignng stehenden Mit te ln wearer zu zergliedern, noah keine Beweise vorliegen.

Die Stof f typen haben, s o w e r sie n ieh t mat ehemisehen Elementen identiseh sind, kein def i - ~ierbares Atemgewdeht. I h r e eharakter i s t i sehs te Kons tan te ist die Moseleyseh.e Ordnungszahl ; a n t G r a n d derselben !assen si,e sieh zu dem .,Periodi- schen System der Stofftype~,," ordnen.

Gemi,sche yon Elementen gIeiehen Stofftyp~ (Isotopengemisehe) haben def in ierbare Verbin- dungsgewlchte'Q, da die bei den meisten Rank- t ionen unver~nder t bleiben. Es empfiehl t sich, diese Gemische (ira Anschlnl~ an Fajans) als che- mi.sehe Stoffarten zu bezeiehnen.

Mutationsartige U m w a n d l u n g yon Kristallen.

Vo~ Prof. Dr. A. Johnsen, KieL I.

Die Bezeiehnung der zu beschreibenden K r i - s tal]umwand]ungen als ,,mutationsarfig" sell eine Anregung ffir Bio]ogen bedeu~en. I s t es doch zweekmgg~g und beliebt, bei der Untersuchung komp]izierter Erseheinungen diese mat einfache- ran zu vergleiehen. N a n sind abet die Vorggnge des Lebens verwlekeRer als d ie jenigen .der !~blosen Materie , a n d wie man die Lebensbetgt igungen einer Amdbe mat ,der Wirkung yon ]~aFi]larkrgften in Emu]sionen verg]iehen hat, so mag ein Verg]eieh zwischen Organismenmutation und der jetzt zu schi]dernden X~.istallmutation fflr ]~iologen hen- r is t iseh niitzIich sein. Am Schlu~ werden wir auf diesen halben Para l le l i smus, der etwa demjenigen zwisehen einer Geraden und eh~er ihr ent lan~ ziehenden Wel lenl in ie gleicht, zurftekkommen.

1) Diesel- Zus,aLz .scM~Bt die rad.ioakt.ivcn Eigen- sclmften aus.

2) Von ihren Atomgewiehten z.u red.e.n, is$ nut in dem beschritnkt.en Sinne gest,aLtet, in dem m~n ~meh ~on eiae.m .Molekularg'ewieht" der Luft sprieht.


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