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Page 1: Zur Kenntnis der Kohlenhydrate. IX: Die Verkupferung von Poly-alkoholen

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ptteilungen aus dem Chemischen Institut der Universitilt Khigsberg i. Pr.]

(Eingelaufen am 20. Auguat 1937.)

Zur Kenntnis der Kohlenhydrate. IX '1. Die Verkupferung von Poly-alkoholen;

von Th. Xieser und Robert Ebert.

In einer fruheren Untersuchung l) wurde gelegentlich der Aufklarung der Reaktion der Cellulose in Kupferoxyd- ammoniak die Reaktionsweise einiger niedrigmolekularer Polyalkohole in Kupferoxyd-ammoniak studiert. Wenn diese Untersuchung damals auch nur Mittel zum Zweck war, eben zur Auf klarung der Reaktionsweise der Cellulose, so zeigte es sich doch alsbald, daD die Verkupferung niedrigmole- kularer Polyalkohole allgemeineres Interesse verdient. Wir haben daher begonnen, die Reaktion an einer Reihe von Polyalkoholcn zu studieren.

Bereits anlafilich der Untersuchung der Losung der Cellulose in Kupferoxyd-Ammoniak ') war gezeigt worden, daS die vollstandige Verkupferung der Hexite, Mannit, Sorbit, Uulcit (V), sowie des Lavoglncosans (IX) zu isolier- baren Verbindungen der unten beschriebenen Zusammen- setzung fuhrte. Der Losung der Polyalkohole in Kupfer- oxyd-Ammoniak mussen dann offenbar Verbindungen der Zusammensetzung Va bzw. I X a zugrunde liegen, d. h., es ist ein Teil des Kupfers als komplex gebundenes Cu(OH),, ein Teil als hauptvalenzmabig gebundenes Cu bzw. Cuprammin aufgenommen worden. Uber die wahre Konstitution, die Stellung des Cu und Cu(OH), in Haupt- bzw. Nebenvalenz- bindung, sagen die Bilder naturlich nichts aus. Die nachste Aufgabe bestand darin, an weiterem experimentellen Material zu prufen, ob die Verknpferung aller Polyalkohole grund- satzlich in gleicher Weise erfolgt, wie bei den ersten

l) VIII. Mitt. A. 628, 276 (1937). Annalen der Chemie. 632. Band. 7

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90 Jleser und Ebert ,

Modellen. CIemal3 den im experimentellen Teil beschriebenen Analysen entsprechen die nntersnchten, vollstihdig ver- kupferten Polyalkohole folgeaden Znsammensetznngen.

1 CE,O

":Cu(OH), I cH"o$u AHOH.. .- Cu(OH), Au ;;Cu(OH), c n AHOH/ c u

-1 AHOH. CH,O -

CH,O AHOH,

CHOH. * 0-

2 AH90

CH,O -I

I I11 I1

Glycol Glycerin Erythrit IV Adonit

FO-- I

bH,O - I

I CH,O I

LbH,

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Die Verhaltnisse sind also allenthalben ganz ahnliche. Lediglich die Verknpfernng der Hexosen verlauft nicht qnantitativ. Der gefundene Cu-Qehalt lag etwa in der Mitte zwischen den beiden sich gemla den anfgezeichneten Formeln errechneten. Es konnte hier die 1-stlndige glnco- sidische Hydroxylgruppe sein, die sich abweichend verhiilt.

Hinsichtlich der Verkupfernngsart der Weinsanre findet man in der Literatur die Auffassung pertreten]), daB das

Cn als solches I \Cu gebunden werde. Die bereits

von F r . B n l l n h e ~ m e r 2 ) gegebene Bruttoformel C,H,O,CnNa, + 2H20 ist nach den Ergebnissen der vorliegenden Unter- snchung anfzulosen in IXa. Diese Verbindung liegt also tatsachlich in der Fehlingschen Losung vor, nnd diese Schreibweise lLBt die Wirkungsweise der F e h - lingschen Losung ohne weiteres verstehen. Das komplex gebnndene Cn(OH), wirkt in der Hitze oxy- dierend auf Aldehydgruppen und wird selbst zu dem un- bestandigen CuOE -+ Cu,O rednziert.

Weiterhin wurde die Verknpferung von Oligosacchariden studiert. Es zeigte sich, da8 dieselbe zu Verbindungen der folgend en Art fiihrte.

I CHO CHO'

COONa

?Cu(OH), Ixa AHOH ,.%

AHOH ,**

AOONa

[i' ':Cu(OH)% 0 [":: AHOH >U(OHh

(!XIOH /

I i O H I k-\ L C H

CH,O I /" hII,OH XI Maltose, Lactose (analog Cellobiosid)

1) Sahlenk - Bergmann, Auefuhrlichee Lehrbuch d. orgem. Chemie 1982, 1. Bd., 5.535; H. Remy, Lehrbuch d. anorg. Chemie 1932, 2. Bd., S. 269. 9 B. 32, 2847 (1900).

7"

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92 Lieser und Ebert ,

T C H CH,OH 3 1

XI1 Saccharose

\ \Cu(OH),

XI11 Inosit

Es fgllt auf, da8 die Verkupfernng der Oligosaccharide im Gegensatz zu der der Monosaccharide nicht vollkommen erfolgt. Beim Methylcellobiosid ist es ein Hydroxyl, das nicht verkupfert wird, bei den freien Disacchariden noch ein weiteres. Diese Unfahigkeit durfte mit der isolierten Stel- lung der Hydroxyle, wie formnliert, oder der Art des Ring- systems im Zusammenhang stehen. Einwertige Alkohole, z. B. Methanol, Athanol, nehmen ja iiberhanpt kein Cu aus ammoniakalischer Losung auf. Bemerkenswert bleibt, dab andere ungrad-mehrwertige Alkohole, z. B. Glycerin, Adonit, wieder intermolekular Cn aufzunehmen vermogen. End- gultiges uber diese eigentumlichen Verkupfernngsverhiilt- nisse der Oligosaccharide wird erst die Aufklarung der Konstitntion all dieser Verbindungen erbringen. Es ist aber vielleicht nicht iiberflussig, schon hier darauf hin- zuweisen, dab eine Ursache fur den unvollstandigen Verlanf der Verkupferung ausscheidet, namlich ein ,,micellarer" Bau, wie er fur die Cellulose in Kupferoxyd-ammoniak gefordert wurde. Da, wie in der folgenden Abhandlung gezeigt wird, die Cellulose -micelle durch organische Basen unter be- stimmten Umstanden destrukturiert, bis zn den isolierten Hauptvalenzketten aufgeteilt werden konnen, so muSte das erst recht moglich sein bei den Oligosacchariden. Die unten beschriebenen Experimente zeigen aber, daO die unter ge- wohnlichen Umstanden in Kupferoxyd-ammoniak unver- kupferbaren Hydroxyle der Oligosaccharide auch auf dem Umwege uber die Losung in organischen Basen sich nicht verkupfern lassen. - Interessant ist schlieblich, daS von den sechs gleichwertigen Hydroxylen des Inosits 2 Cu

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hanptvalenzmiiflig aufznnehmen vermbgen, ganz in Analogie zu den Verkupferungsverhiiltnissen bei den Hexiten.

Beschreibung der Versuche. Die Verkupferung der Polyalkohole wurde meist in der folgenden

Weise durchgefuhrt: 0,2 g Polyalkohol wurden in 2-5 ccm 5- oder 10-proc. NH, geliist, uberschussiges (0,3 g) Cu(OH), zugefugt und wiih- rend einiger Stunden haufig von Hand geschuttelt. Vom ungeliisten Cu(OH), wurde abzentrifugiert und das Filtrat mit eisgekuhltem Methanol versetzt. Meist trat sofort Fallung ein, bisweilen war sehr vie1 Methanol, langeres Stehen oder tropfenweiser Zusatz von Ather erforderlich. Die gefiillte blaugrune Cu-Verbindung wurde so lange mit Methanol be- handelt, bis sie frei von Stickstoff und ihre Farbe rein grunlich war. Dann wurde das Methanol durch Ather verdriingt und im Hochvakuurn bei gewiihnlicher Temperatur uber P406 getrocknet. Der Cu-Gehalt wurde gravimetrisch durch Veraschen oder volumetrisch nach Bruhns ermittelt. Die gefundenen Cu-Werte sind in der folgenden Tabelle eingetragen.

Alkohol I I

Glycol . . . . . . . . . . Glycerin . . . . . . . . . Erythrit . . . . . . . . . Adonit . . . . . . . . . . Hexite . . . . . . . . . . Methyl-xylosid . . . . . . . Methyl-glucosid . . . . . . Phenyl-glucosid . . . . . . Hexosen (Glucose, Galaktose,

Fructose) . . . . . . . . Lavoglucosan . . . . . . . Weinsaure . . . . . . . . Methyl-cellobiosid . . , . . Biosen (Maltose, Lactose,

Saccharose, "rehalose) . . Raffinose . . . . . . . . . Inosit . . . . . . . . . . .

123,6 51,5 202,4 47,2 281,l 45,2 359,9 44,O 438,s 43,4 274,5 34,7 353,3 36,O 415,3 30,7

339,2 37,5 290,5 32,s 309,l 41,2 612,s 31,l

598,s 31,s 858,6 29,6 436,s 43,7

Cu gef.

50.1 48,3 43,8 44,2 43,7 34,3 35,5 31,5

38,s-40,6 32,5 40,l 30,s

30,4-32,9 30,l 45,O

V e r h p f m n g mittels organkcher Basera. 0,2 g nicht reduzierendes Oligosaccharid, Saccharose,' Raffinose. wurden in 1 ccm 3,2 n-Tetraathyl- ammoniumhydroxyd geliist, 0,25 g feines Cu(OH), zugefugt und inner- halb einiger Stunden haufig verriibrt. Dtrnn wurde in Eis gestellt, 5 ccm mit &(OH), gesattigtes 10-proc. Ammoniak zugefiigt, nach '/*-stun- diger Behandlung vom ungeliisten Cu(OH), abgeschleudert, mit Methanol gefallt und weiter wie oben verfahren. Zum vollstandigen Befreien von NH, und Verschwinden der Blaufirbung der Fkllung war meist

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ein vielstiindiges Behandeln mit Methanol niitig. Der Cu-Gehalt der erhaltenen Verbindungen war trots verschiedentlicher Variation der Versuchsanordnung der gleiehe wie bei der Verkupferung mit Kupfer- oxyd-Ammoniak allein.

Der J. P. Bmbmg A.-G. danken wir fur die Gewiihrung der Idittel zu dieser Arbeit, der Deutschen porschwngsgmeim&aft fiir die Ver- leihung eines Forschungsstipendiums an den einen von une (R. E.).

Zur Eenntnis der Kohlenhydrate. X '). Viscositiitsuntersuchungen an Cellulose-losungen;

von Th. Jieser und Robert Ehert.

Die verschiedenen Auschauungen uber die Molekular- grbfie der Cellulose stutzen sich fast ausschliefilich auf die Auswertung physikalischer Methoden. In einer unllngst ver- offentlichten Untersuchung a) gelang es, die Zusammensetzung und die Natur der der Liisung der Cellulose in Kupfer- oxyd-Ammoniak zugrunde liegenden Cellulose-Kupfer-Ver- bindung aufzuklaren. Es wurde dargetan, daO diese Verbin- dung der folgenden Pseudoformel entspricht:

wobei der in runder Klammer stehende Ausdruck die im Micellinnern gelegenen Glucoseanhydrid-ketten darstellt, die der Reaktion nicht zuganglich sind, und der in eckiger Klammer stehende Ausdruck die an der Micelloberflache gelegenen Glucoseanhydrid-ketten enthalt, die allein mit Kupferhydroxyd bzw. Cupramin zu reagieren vermogen, und unter der weiteren Voraussetznng, daO sich Micelloberfllche und Micellinhalt durchschnittlich annahernd wie 1,l: 1 ver- halten. Es war uns nicht moglich, einen anderen plausiblen

I) IX. Mitteilung vorstehend. a) A. 628, 276 (1937).


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