Sabina Naef: „leichter Schwindel“, Edition Korrespondenzen 1 Sabina Naef leichter Schwindel Gedichte nicht wahr Glück kommt von ungefähr aufregend wie herabfallendes Gepäck kommt nie wieder Sabina Naef ist eine Meisterin der lyrischen Miniatur. Federleicht, mit wenigen Worten, vier, fünf präzise gesetzten Zeilen, gewinnt sie uns, ehe wir es bemerken, für die unbeobachteten Momente im alltäglichen Leben: die auf die Straße gestellten Möbel, das Schrillen eines Weckers, das Schließen der Augen, die Haare im Ventilator. Dabei geht es in leichter Schwindel nie um pittoreske Stimmungen, die Bilder wahren das Flüchtige des Moments, das Beiläufige der Begegnung. Unterwegs an den Rändern, nahe am Verstummen halten Sabina Naefs Gedichte mühelos die Balance zwischen noch nicht und nicht mehr und verstehen sich auf die Kunst, in der äußersten Reduktion, im Unausgesprochenen, vieles anzusprechen. “Sabina Naefs Texten genügen die geringsten Anlässe, die unscheinbarsten Wörter, der kleinste Raum. Ein Blick aus dem Fenster, und es bieten sich lauter verwirrende Ein- und Aussichten. Ein Gehen oder Stehen, und sie wird von paradoxen Sachverhalten umzingelt. Nicht zuletzt dient ihr die Sprache als unerschöpfliches Jagdgebiet, um solche bald heilsame, bald heillose Befremdlichkeiten aufzuspüren und dingfest zu machen.“ (Werner Morlang) Sabina Naef, geb. 1974 in Luzern, studierte Germanistik und Romanistik in Zürich, Lausanne und Bordeaux, lebt zurzeit in Berlin. Bisherige Buchveröffentlichungen: Zeitkippe (1998), tagelang möchte ich um diese Ecke biegen (2001). Sabina Naef, leichter Schwindel. Gedichte Originalausgabe 80 Seiten, Hardcover, fadengeheftet, mit Lesebändchen ISBN 3-902113-42-1 € 17,40 / sfr 29,90
1. Sabina Naefleichter SchwindelGedichtenicht wahrGlck kommt
von ungefhraufregend wie herabfallendes Gepckkommt nie wiederSabina
Naef ist eine Meisterin der lyrischen Miniatur. Federleicht, mit
wenigen Worten, vier, fnfprzise gesetzten Zeilen, gewinnt sie uns,
ehe wir es bemerken, fr die unbeobachteten Momente imalltglichen
Leben: die auf die Strae gestellten Mbel, das Schrillen eines
Weckers, das Schlieen derAugen, die Haare im Ventilator. Dabei geht
es in leichter Schwindel nie um pittoreske Stimmungen,die Bilder
wahren das Flchtige des Moments, das Beilufige der
Begegnung.Unterwegs an den Rndern, nahe am Verstummen halten Sabina
Naefs Gedichte mhelos die Balancezwischen noch nicht und nicht mehr
und verstehen sich auf die Kunst, in der uersten Reduktion,
imUnausgesprochenen, vieles anzusprechen.Sabina Naefs Texten gengen
die geringsten Anlsse, die unscheinbarsten Wrter, der kleinste
Raum.Ein Blick aus dem Fenster, und es bieten sich lauter
verwirrende Ein- und Aussichten. Ein Gehen oderStehen, und sie wird
von paradoxen Sachverhalten umzingelt. Nicht zuletzt dient ihr die
Sprache alsunerschpfliches Jagdgebiet, um solche bald heilsame,
bald heillose Befremdlichkeiten aufzusprenund dingfest zu machen.
(Werner Morlang)Sabina Naef, geb. 1974 in Luzern, studierte
Germanistik und Romanistik in Zrich, Lausanne undBordeaux, lebt
zurzeit in Berlin. Bisherige Buchverffentlichungen: Zeitkippe
(1998), tagelangmchte ich um diese Ecke biegen (2001).Sabina Naef,
leichter Schwindel. GedichteOriginalausgabe80 Seiten, Hardcover,
fadengeheftet, mit LesebndchenISBN 3-902113-42-1 17,40 / sfr 29,90
1Sabina Naef: leichter Schwindel, Edition Korrespondenzen
2. PressespiegelpianissimoWie von ungefhr so auch das Glck,
laut der Autorin scheinen diese Texte zu kommen,herbeizuwehen und
vor unsere Augen zu gelangen. Klein geschrieben heben sie an,
tragen binnen einpaar Zeilen ihre Sache aus und suchen alsdann das
Weite, Weisse ihrer Umgebung. Es sind flchtige,luftige Geschpfe,
die sich mit einem befristeten, rumlich knapp bemessenen Dasein
bescheiden. Dasfeierliche Posieren und Prunken ist ihnen fern. Sie
nehmen mit dem Nchstliegenden Vorlieb: demgewhnlichen Wort, einem
alltglichen Befund, einer Beilufigkeit. Ein ungebrauchter Bleistift
taugtihnen zum Riech- und Richtmass eines Tages, und bei
Fensterwetter / schrumpft die Welt / zumDaumenkino. Vordergrndig
geschieht herzlich wenig, kaum sorgt ein Verb fr etwas Unruhe,
dochrecht besehen rumort es betrchtlich in diesen Stillleben.
Bisweilen hilft die Imagination der trgenMaterie auf die Sprnge. So
wird Japanpapier als Heilmittel gegen Fernweh erwogen und
frunzulnglich befunden. Am Gare du Nord korrespondiert der Wind in
den Haaren mit demMeersalz auf den Fahrleitungen. Auch wird der
kuriose Umstand notiert, dass die Wundertteneines Kindes ein
Verfallsdatum tragen. Freilich muss der Leser jeweils das seinige
dazutun, am besten,er wird von jenem leichten Schwindel ergriffen,
den Sabina Naef im Titel des vorliegendenGedichtbandes
proponiert.Es gilt eben beides: offen zu sein und auf der Hut zu
sein. Achtsam werden einige vermeintlichharmlose Realien
festgehalten, doch auf dem Papier, in enger Fhlung zueinander,
proben sie wiedie Poesie seit jeher den Aufstand gegen den ersten
Satz von Wittgensteins Tractatus. Die Weltknnte alles sein / was
nicht der Fall ist, lautet die Devise, und um sie ins Werk zu
setzen, bedarf esbloss eines neuen Blickwinkels, der gezielten
Abweichung von einer gelufigen Wendung oder derVerstellung
einzelner Buchstaben. Daher steht ein Mann auf fremden Fssen, und
einZeitlupenkellnergewinnt die Zuneigung / einer Tulpe nicht
zuletzt deshalb, weil er siebuchstblich in sich birgt. Eine Percke
dient gar als Brcke / zwischen Schein und Sein. Insolchen
Unschrferelationen, weder hier noch dort, wo die Dinge ihre
gewohnten Sicherungeneinbssen, ist die Autorin mit Vorliebe zu
Hause, will sagen bei sich. Dabei soll es ihr nicht viel
besserergehen als den Dingen, die nicht wissen, wie ihnen
geschieht. Sie mag sich sogar abhanden kommenund als Inkognito ihr
weiteres Wesen treiben. Das von ihr ausdrcklich bekundete
Nichtwissen hat ihrsogar einige der schnsten Gedichte eingegeben,
etwa das folgende: frher oder spter // weil ichnicht weiss / wie
Abschied nehmen / vielleicht wie der Sommer / auf Herbstblttern.Wie
schon in den frheren Lyrikbnden Zeitkippe (1998) und tagelang mchte
ich um diese Eckebiegen (2001) versteht sich Sabina Naef vorzglich
auf kleine Schritte mit unabsehbaren Folgen. Impoetischen Ernstfall
von einem halben Dutzend Zeilen kann alles und nichts passieren.
Zwei, dreiaufgespiesste Beobachtungen und schon beschleicht die
Autorin und uns, ihre Spiessgesellen einefrhliche
Desperadostimmung. In einem Text betreibt sie ihr
hintersinnig-verspieltes Geschft als eineArt Fundbro oder
Trdelbrse, indem sie eine Reihe buntscheckiger Objekte im Tausch
gegen einezweite Serie anbietet. Jedenfalls gelangt man unter ihrer
Anleitung im Nu vom einen zum andern, vomGeringfgigen zum
Grossartigen, vom Reden zum Schweigen, mithin zum Tod, der uns
etwa,schwarz-weiss geschminkt, beim Umblttern von Buchseiten
zuzwinkert.Vielleicht am bezauberndsten zeigt diese Agilitt ein
Liebesgedicht, das die Abwesenheit desGeliebten beklagt. Das Ich
und Du werden behutsam ausgespart und nur metonymisch geduldet.
Docheine ebenso khne wie grazise Linie schlingt sich von den
vermissten Augen zur getrbtenWeltkugel, um zuletzt bei einem
diminutivischen Krperteil anzukommen: beschattete denSommer / unter
einem grossen Strohhut / ohne deine Augen / hat die Weltkugel /
einen blinden Fleck /nimmt keine Notiz / von meinen Ohrlppchen.
Werner Morlang, drehpunkt, Oktober 2005 2Sabina Naef: leichter
Schwindel, Edition Korrespondenzen
3. Leichter Schwindel beim SchreibenSchon der Titel hat es in
sich. Was wie ein Fehler ausschaut und in den Bcherverzeichnissen
bereitsschon verbessert wiedergegeben wird, schreibt sich korrekt
so: leichter Schwindel. DieKleinschreibung des Adjektivs am Anfang
dieses Buchtitels weist auf dessen Ausschnitthaftigkeit hin.Sie hat
System in den neuen Gedichten der in Zrich wohnenden Luzerner
Autorin Sabina Naef. Derleichte Schwindel berkommt einen
unvermittelt: bei einer erhofften Begegnung, beimgedankenverlorenen
Beobachten, im Sog des Schreibens.Im gleichnamigen Gedicht folgt
dem Schwindel ein Bild: sie schliesst die Augen / wie ein Seemannim
Platzregen / im Wetterleuchten/in einer Rauchpause. Dadurch klrt
sich nichts, vielmehr wird dieUnsicherheit akzentuiert. Wer wei
schon wie Seemnner die Augen schlieen.Sabina Naefs mittlerweile
dritter Gedichtsband versammelt 57 kurze Gedichte von jeweils
wenigenZeilen. Die Unvermitteltheit im Titel kehrt hufig wieder,
indem die Autorin das grammatikalischeSubjekt verschweigt und so
Verb und Objekt im Ungewissen, wie nicht abgeholt stehen lsst:
leichtschwindelnd? Diese Projektion ins Offene verrt leitmotivisch
ihre Aktuelle: das Schreiben und dieLiebe. Beide sind sie ihrer
Sache nicht sicher, beide aber geben sie zu hochfliegenden
Hoffnungen undTrumen Anlass, wie es in zwei Zeilen przis formuliert
ist: uns kann nichts geschehen / uns kannalles geschehen. Es kann
nichts geschehen, gerade weil alles geschehen kann. In solchen
Momentender kaum weiter reduzierbaren Konzentration findet Sabina
Naef ihren eigenen Ton, mag zuweilenauch das eine oder andere Bild
gut bekannt und dem Fundus des lyrischen Empfindens entnommensein.
Vieles ist lngst geschrieben. Es geht nur darum, wie dieses neu
komponiert wird. Beat Mazenauer, Volltext, Oktober/November
2005Behaupten und staunenZu Sabina Naefs Gedichtband leichter
SchwindelLyriker, deren Gedichtbnde nach kurzer Zeit vergriffen
sind, gibt es wenige, insbesondere dann,wenn vergriffen weder
eingestampft noch verramscht meint, sondern: die Auflage ist
ausverkauft.Sabina Naef ereilte dieses Schicksal bereits zweimal:
Sowohl ihr Erstling Zeitkippe (1998) wie auchder Band tagelang
mchte ich um diese ecke biegen (2001) sind vergriffen, nicht mehr
zu haben.Seit wenigen Wochen ist aber nun ihr dritter Gedichtband
da: Nach Talentprobe und Besttigungbereits ein erstes kleines
Meisterwerk.Die aus Luzern stammende 31-jhrige Lyrikerin geht
konsequent ihren eigenen Weg der sparsamenWorte, der berraschenden
Bilder und Assoziationen; und dies mit schierer Leichtigkeit.
Einmalverblffend, dann wieder lakonisch lsst sie Bilder
aufeinanderprallen, allerdings ohne jeglichenKnalleffekt; leise
Begegnungen der Dinge, lautloses Aufeinandertreffen der Ereignisse
kennzeichnendiese Gedichte.Unter dem Titel weder hier noch dort
finden sich folgende vier Zeilen: unter meinem Kopfkissen /ein
unentwickelter Film / verlor einen Schuh im Ausland / wer mich nun
wohl sucht. Schwankendimmer wieder zwischen Realitt und Vorstellung
bleiben Naefs Zeilen in Bewegung, auf der Kippe leichter Schwindel
wird so zum anhaltenden Zustand, zur latent wirksamen Empfindung.
3Sabina Naef: leichter Schwindel, Edition Korrespondenzen
4. Konkrete KonzentrateNaefs Gedichte sind konkrete Konzentrate
fern ab jeglicher lart pour lart. Ohne Schlacke
poetisch,aphoristisch auch, doch frei von philosophischem Ballast;
und beinahe sans mot dire, diesem TitelNaef drei Zeilen anfgt:
Achtung: frisch verschneit / wir laufen ins Leere / mit einer
Wegwerfkamerafr den heutigen Tag.Wer gute Gedichte schreiben will,
muss sich aufs khne Behaupten verstehen, sehend oder auch
nurahnend, dass dahinter noch so einiges steckt. Markus Bundi,
Luzerner Zeitung, November 2005zwei SchattenMit Zeitkippe (1998)
und tagelang mchte ich um diese ecke biegen (2001) hat sich
dieLuzernerin Sabina Naef (geboren 1974) als neue Stimme der
Schweizer Lyrik eindrcklich vorgestellt.Ihr dritter Band ist jetzt
in der Edition Korrespondenzen in Wien erschienen: leichter
Schwindel. Dieedle Feinheit des usseren verspricht nicht zu viel:
Sabina Naef macht wenige Worte. Trotzdemgelingt es ihr, in ihren
Texten ein Stck Welt festzuhalten und gleichzeitig seine
Brchigkeitvorzufhren. Abschied passt in keinen Koffer, dichtet sie,
oder anderswo: Glck kommt vonungefhr/ aufregend wie herabfallendes
Gepck. Eva Bachmann, St. Galler Tagblatt, November 2005Poetisch wie
leichte PinselstricheNeue Gedichte von Sabina NaefWhrend sich das
Gros der Jung-Lyriker und -Lyrikerinnen an der Rhetorik abarbeitet,
die jabekanntlich nur die kleine Schwester der Poesie ist, hat sich
die 1974 in Luzern geborene und jetztin Berlin lebende Lyrikerin
Sabina Naef fr das kurze Gedicht und dessen poetisches
Potenzialentschieden. Drei Gedichtbndchen sind mittlerweile schon
erschienen, zuletzt Leichter Schwindelin der schn aufgemachten
Wiener Edition Korrespondenzen.Sabina Naefs Markenzeichen ist ein
sanfter Surrealismus, der den Gegenstnden und den siebezeichnenden
Wrtern die poetische Aura zurckgibt: im Khlschrank liegt noch/
einZitronenschnitz/ immer ist ein Fremdwort/ und Abschied pat in
keinen Koffer. Der unscheinbarsteAnlass gengt, um den Alltag in
Schwingung zu versetzen: zu allem bereit/explodierte die Blume/
imKnopfloch/des Gebrauchtwagenhndlers.Sabina Naefs mit wenigen
Pinselstrichen wie hingetuschte Gedichte sind zarte und
zerbrechlicheGebilde, die zwischen Realitt und Fantasie hin- und
herschwanken. Leichter Schwindel ist dabeinicht ausgeschlossen.
Fitzgerald Kusz, Nrnberger Nachrichten, Jnner 2006 4Sabina Naef:
leichter Schwindel, Edition Korrespondenzen
5. Rettung eines BleistiftsSabina Naefs neuer Lyrikband
leichter SchwindelHerunter gedimmte Empfindungslyrik, auf Hochglanz
polierte Marginalien-Poesie - um dieseDoppeldisziplin hat sich die
junge Dichterin Sabina Naef verdient gemacht. Auch ihr dritter Band
mitdem Titel leichter Schwindel versteckt im Protokoll von
Petitessen die Auseinandersetzung mit ganzunzeitgem ewigen
poetischen SujetsEs ist fr mich interessant, zu denken, dass solche
fr mich interessanten Beobachtungen fr anderenicht interessant sein
knnten, schreibt die japanische Hofdame Sei Shonagon vor rund
tausendJahren in ihr - und ber ihr Kopfkissenbuch. Und noch
interessanter ist, dass selbiges heute nochauf dem Nachttisch
lterer Herren wie Peter Greenaway und junger Frauen wie Sabina Naef
thront.Die 1974 in Luzern geborene Autorin, die unter anderem in
Zrich studiert und hier eine halbe Heimatgefunden hat, zhlt das
Kopfkissenbuch zu ihrer Lieblingslektre. Denn die Dame hat einen
feinenBlick frs Detail und spiesst es mit spitzer Feder auf. Nippes
der NichtigkeitenDie Zrcher Lyrikerin schaut gleichfalls gern aufs
scheinbar Unscheinbare, Uninteressante - allerdingsweniger, um es
aphoristisch anzuspitzen, sondern um es poetisch neu zu entdecken.
Ihr Tagesablaufbeispielsweise ist eine Ode an das Kmmen der
Teppichfransen / die Rettung eines Bleistifts / dasChauffieren
einer Wassermelone / das Pfeifen eines Bademeisters / das Wachsen
der Ngel / dasReinigen der Fingerspitzen bei Tisch. Kein
Impressionismus des Augenblicks, sondern ein Protokollder
Petitessen, eine augenzwinkernde Nobilitierung des Nichtigen. Mit
diesem leisen, unspektakulrenZugriff auf alles Leise, Unspektakulre
heutigen Lebens - vor allem weiblichen Lebens - berzeugteSabina
Naef 1998 die Juroren des Internationalen Jungautoren-Wettbewerbs
Regensburg, wo sie denersten Preis erhielt. Es war das Jahr ihres
Debts als Dichterin, und ihr Erstling Zeitkippe erfuhrspter eine
Neuauflage - fr ein erstes Lyrikbndchen eine achtbare Leistung.
Seither hat Sabina Naefeinen Werkbeitrag und ein Werkjahr des
Kantons Zrich entgegennehmen, als Stipendiatin desLiterarischen
Colloquiums Berlin arbeiten und zwei weitere Gedichtbnde vorlegen
knnen.Tagelang mchte ich um diese Ecke biegen, titelt das 2001
erschienene Buch, und die Erklrungfolgt, wenn man es aufklappt: nur
um dich auftauchen und wieder verschwinden zu sehen. - Auchdas groe
Gefhl, kommt klein, bescheiden und nicht ohne Ironie daher, wenn
die Schriftstellerin esunter die Lupe nimmt.Aufs Innenleben mitten
im Nippes der Nichtigkeiten schaut sie auch in der jngsten
Verffentlichung,leichter Schwindel: herunter gedimmte
Empfindungslyrik, auf Hochglanz polierte Marginalien-Poesie. Ein
Vierzeiler wie Schneeflocken auf meinen Wimpern / wie damals vor
demAbsatzschnelldienst / als ich deine Stimme zum ersten Mal hrte /
und sie kannte und nicht wusstewoher ist fast schon zu schwer im
Vergleich zu den anderen Gedichten, fast schon zu heftig in
seinerMischung aus zartem Spott und leidenschaftlichem Erinnern;
schrammt gerade noch am Kitsch vorbeimit seinem
schneeflockenflchtigen Denkmal des Vergnglichen und seiner halb
ironischenVerneigung vor dem Ewigen, das uns verliebte Sinne
vorzugaukeln pflegen.berhaupt hat sich die Lyrikerin die Latte
hochgelegt. Wem Haiku-hnliche Leichtigkeiten gelingenwie der Tag
riecht / wie ein neuer Bleistift / noch nicht angespitzt, hat den
Leser auf leichtschwindelerregende Lektre eingestimmt. Wer von der
Liebe singt, als wrs, in jedem Sinn, dastglich Brot, enttuscht ein
bisschen, wenn er dann die Sachertorte reicht. und auch bermorgen
/deine Briefe essen / 26 Buchstaben / das Gewicht der Worte etwa
ist ein Laib, der gut in der Handliegt. Die Film-Zitate von der
Gare du Nord haben, bei aller subversiven Samtigkeit,
etwasRaffiniert-Parfmiertes - diese kurzen und langen Blicke, der
Wind in den Haaren samt derFremdheit des Geliebten, in dessen Augen
das lyrische Ich ein Versteck sucht. 5Sabina Naef: leichter
Schwindel, Edition Korrespondenzen
6. LibellenleichtSabina Naefs neues Bndchen entfhrt also, trotz
der einen oder anderen Sackgasse, in jene Welt, inder alles
schwerelos schwirrt und schillert wie eine Libelle; in jenes
vertraute Treibenlassen vor demEinschlafen. Und deshalb gehrt
leichter Schwindel direkt neben das Kopfkissenbuch auf
denNachttisch. Alexandra Kedve, NZZ, Mrz 2006Das Fremdwort immerDer
Abschied passt in keinen Koffer, die letzte Reise verluft ohne
Stadtplan und Gepck, dennimmer ist ein Fremdwort. Sabina Naefs
Wahrnehmung registriert in Momentaufnahmen alltglichenLebens die
Vergnglichkeit. Fast schwerelos, leise und sehr behutsam geschieht
dies.Nur ein einziges Mal inszeniert sie diese Gewissheit fast
etwas theatralisch, wenn der Tod, schwarz-weiss geschminkt, selbst
beim Umblttern der Buchseiten uns zuzwinkert. Zum Glck aber lockt
inallem pausenlosen Dahinschwinden der Zeit die Gegenwart so sehr,
dass man sich an jederStraenecke an den Wind, an eine Wolke, ans
Leben verlieren knnte: ... dein Herz stehtsperrangelweit offen/
keine Zeit, deine Knochen zu zhlen.In kurzen knappen Gedichten
setzt sich Sabina Naef dem leichten Schwindel des
vorberziehendenLebens aus. Mit wenigen Zeilen spricht sie davon,
dass man dabei immer wieder die Augen schlieenmuss. Doch beides
wird notwendig und verschrnkt sich seltsam ineinander: die
bewusstherbeigefhrte Blindheit wie die Hellsichtigkeit, die
Innenschau wie die wachsame Prsenz in derGegenwart. Sabina Naef wei
auch, dass das Glck kein wohlfeiler Bestellartikel ist, sondern
vonungefhr kommt.Im Wort vielleicht sind die Lebensereignisse
beschlossen, so dass dem Menschen alles geschehen,aber auch nicht
geschehen kann.In glcklichen Momenten aber scheint es, dass der
unbarmherzige Zeitfluss anhlt, so in einem derschnsten Gedichte
dieser Lyrikerin: das Blau vom Himmel kratzen/ auf der Dachzinne/
wo die Zeitsteht/ nur Vogelgezwitscher und Wind. (bei), Der Bund,
Mrz 2006Alles, was nicht der Fall istDie Lyrikerin Sabina Naef legt
ihren dritten Gedichtband leichter Schwindel vor. Wie zurSprache
bringen, was sich in einer Sprache kaum sagen lsst? Die Antwort der
SchweizerLyrikerin Sabina Naef liegt in der Krze ihrer Gedichte.Was
Lyrik und Rhetorik im Laufe der Jahrhunderte an Formen- und
Figurenreichtum hinterlassen, undsei es auch noch so schlicht und
bescheiden, das alles findet auch im dritten Gedichtband von
SabinaNaef kein Fortleben. Die Lyrik der 31-jhrigen Schweizerin ist
in der deutschsprachigenLiteraturlandschaft schon lnger
aufgefallen, zum einen durch die Krze der Gedichte kaum
einesumfasst mehr als zehn Zeilen -, zum anderen durch eine Art von
Minoritt, welche nicht dasHelvetische ihrer Herkunft, sondern eine
bestimmte Schreibweise: Sabina Neafs Gedichte bedienensich des
Wortmaterials einer bestehenden groen Sprache, um im Verzicht auf
Konventionen eben daszum Ausdruck zu bringen, was dieser Sprache
entgangen sein knnte.Allein, dass der Titel dieses Bandes, leichter
Schwindel, mit einem Kleinbuchstaben beginnt, deutetdarauf hin. Und
so gengen diesen Krzesttexten statt groem Geprnge dann auch die
geringsten 6Sabina Naef: leichter Schwindel, Edition
Korrespondenzen
7. Anlsse, die unscheinbarsten Wrter, der kleinste Raum, wie
der Kritiker Werner Morlang imKlappentext treffend formuliert hat.
Doch es wre falsch, diese Haltung mit Bescheidenheitgleichzusetzen.
Der von der Wiener Edition Korrespondenzen besorgte Band kommt
nicht nurgraphisch sehr charmant daher, sondern ist auch grozgig im
Umgang mit Druckseiten. Einzelnendavon gereichen drei Verszeilen
zur Flle: der Tag riecht / wie ein neuer Bleistift / noch
nichtangespitzt. Ja, das ist ein ganzes Gedicht. Und ein solches
lsst sich, bei so viel Wei darum herum,nicht leichtfertig berlesen:
Der ungespitzte Bleistift rckt die Ahnung all dessen zu
Bewusstsein, wasnoch nicht geschrieben ist, und das beansprucht den
restlichen Raum der Seiten genauso wie von derDichterin die Zeit
eines bevorstehenden Tages. Fhrten Richtung UnbekanntDaran wird
deutlich, was sich den ganzen Gedichtband von Sabina Neaf hindurch
abzeichnet: DasPoetologische, das heit der Rckbezug aufs eigene
Schreiben, ist gegenber den frheren Gedichtenstrker geworden. Immer
wieder sind jetzt kleine Tfelchen montiert, die uns anweisen, bei
derLektre auf gewohnte Pfade nicht allzu viel zu geben: du
verlierst dich an jeder Straenecke / an denWind, an eine Wolke, ans
Leben, und man darf getrost auch verstehen: nach jedem
Zeilensprung.Denn der Nebel und mit ihm der leichte Schwindel sind
genauso Bestandteil dieser Schreibweisewie der Verzicht auf
durchgehende Beschreibung.Die Worte stehen bei Sabina Neaf selten
in der Pflicht, etwas wiederzugeben. Wie Fhrten vielmehrsind sie
ausgelegt, an bekannten Orten, um auf immer und Richtung
unbestimmt, wie es einmalheit, zu entfliehen. Die Gedichte setzen
an am Alltag, auf Straen, in Cafes, in der Metro einerGrostadt wie
Berlin, Madrid, Paris oder einfach unter der Sonne, im Regen oder
im Bett, und kaumhtte man sich eingefunden, hat einem die nchste
Zeile schon einen Haken geschlagen: untermeinem Kopfkissen / ein
unentwickelter Film / verlor einen Schuh im Ausland / wer mich nun
wohlsucht.Auf allerkleinstem Raum greift diese Lyrik vom Intimsten
ins Weiteste, und je weniger die Wortedabei verloren werden, desto
grorumiger wirken diese. Denn keines dieser Gedichte endet mit
dem,was dasteht. Darauf weist die junge Lyrikerin nirgends
deutlicher hin als in ihrer Auslegung desberhmten ersten Satzes aus
Ludwig Wittgensteins philosophischem Traktat. Die Welt ist alles,
wasder Fall ist, heit es dort, whrend wir unter dem Titel Variation
II lesen: die Welt knnte allessein / was nicht der Fall ist. Das
besagt nicht nur etwas ber den Wert von Worten, die, wenn
sievorgelegt, selbst der Fall sind, gleichzeitig zeigt sich darin
Sabina Neafs Zuwendung zu welthaltigenThemen.Whrend ihre ersten
beiden Gedichtsammlungen, Zeitkippe und tagelang mchte ich um
dieseEcke biegen manch sehr privates Apercu enthalten, verzichten
viele der neuen Gedichte aufs Ichund handeln neben dem Dichten
selbst von Glck, Erinnerung, Abschied, von den Jahreszeiten
unddabei vor allem vom Herbst und vom Tod. Die letzten Themen
erscheinen nicht zufllig, denn mit derReflexion aufs eigene
Schaffen ist auch der Blick der Lyrikerin melancholischer geworden.
DerSinnzusammenhang der zu Gedichten versammelten Augenblicke,
Denk- und Wortbruchstcke istweit in die Ferne gerckt: in den Finger
gebissen / von einem leuchtenden Schwan / die Wrterstruben sich /
wollen wegfliegen / nicht hngen bleiben / wie verwirrtes Herbstlaub
/ imSpinnennetz. Verbindende RhythmikDer unsichtbare Faden, welcher
diese Sprache zur gebundenen macht, heit Rhythmus. Und damitbesinnt
sich die junge Lyrikerin auf der Dichtung Archaischstes: Kein Reim,
kein Versmass, selteneine sprachliche Figur rcken die flieenden
Wrter zueinander, sondern Lngen, Krzen,Akzentfolgen. Wenn aber die
Bedeutung der Worte nicht mehr zu binden vermag, dann liegt der
Sinndieser Kunstgebilde, sollte es ihn denn geben, zwischen ihnen.
Was es nebst abgegriffenen Worten(und Werten) auch noch geben
knnte, das versucht diese Lyrik in berraschenden Kombinationen
zurSprache zu bringen. Thomas Forrer, Zrichsee-Zeitungen, April
2006 7Sabina Naef: leichter Schwindel, Edition Korrespondenzen
8. Aufbumendes RauschenLeichter Schwindel mit Sabina Neaf und
ihren GedichtenDie Schweizer Literatur hat keinen Nachwuchs? Hier
ist er: zum Beispiel die LuzernerLyrikerin Sabina Neaf (31). Das
Literaturhaus Basel stellt sie morgen mit drei Kollegen aneinem
Abend ber Junge Literatur vor.Lyriker, deren Gedichtbnde nach
kurzer Zeit vergriffen sind, gibt es wenige, insbesondere dann,wenn
vergriffen weder eingestampft noch verramscht meint, sondern: Die
Auflage ist ausverkauft.Sabina Naef ereilte dieses Schicksal
bereits zweimal: Sowohl ihr Erstling Zeitkippe (1998) wie auchder
Band tagelang mchte ich um diese ecke biegen (2001) sind
vergriffen. Seit wenigen Wochen istaber nun ihr dritter Gedichtband
da: Und nach Talentprobe und Besttigung liegt mit leichterSchwindel
bereits ein erstes kleines Meisterwerk vor.Die aus Luzern stammende
31-jhrige Lyrikerin geht konsequent ihren eigenen Weg der
sparsamenWorte, der berraschenden Bilder und Assoziationen; und
dies mit schierer Leichtigkeit. Einmalverblffend, dann wieder
lakonisch lsst sie Bilder aufeinander prallen, allerdings ohne
jeglichenKnalleffekt; leise Begegnungen der Dinge, lautloses
Aufeinandertreffen der Ereignisse kennzeichnendiese Gedichte.
KonzentratUnter dem Titel weder hier noch dort finden sich folgende
vier Zeilen: unter meinem Kopfkissen /ein unentwickelter Film /
verlor einen Schuh im Ausland / wer mich nun wohl sucht.
Schwankendzwischen Realitt und Vorstellung bleiben Neafs Zeilen in
Bewegung, auf der Kippe leichterSchwindel wird so zum anhaltenden
Zustand, zur latent wirksamen Empfindung.Die Reduktion ist das
eine, doch geht es der Dichterin nie um einen Abstraktionsgewinn,
imGegenteil: Naefs Gedichte sind konkrete Konzentrate fern ab
jeglicher lart pour lart.Momentaufnahmen ohne Schlacke,
aphoristisch auch, doch frei von philosophischem Ballast;
undbeinahe sans mot dire, diesem Titel Naef drei Zeilen anfgt:
Achtung: frisch verschneit / wir laufenins Leere / mit einer
Wegwerfkamera fr den heutigen Tag. SinnspielTatschlich hat die nach
einem lngeren Berlin-Aufenthalt wieder in die Schweiz
zurckgekehrteLyrikerin schon in jungen Jahren einen ganz eigenen
Stil entwickelt, und dabei handelt es sichmitnichten um eine
einfache Reduktion, die sich allein mit analytischen Mitteln
aufschlsseln liee.Vielmehr sind Naefs Gedichte geprgt durch einen
eigenen, aber durchaus nachvollziehbaren Umgangmit Assoziationen;
und dies gilt sowohl fr die Verknpfung von Bildern wie auch fr den
Gebrauchder einzelnen Wrter, im Sinnspiel der Konnotationen. Und
vermehrt kommt auch diesem drittenBand auch das Schreiben als
solches zur Sprache: wenn der Blick schreiben knnte / dieses
Rauschendes Windes / in den Bumen / wenn das Schreiben blind geng
wre / fr dieses sich aufbumende /Rauschen. Markus Bundi, BAZ
Kulturmagazin, April 2006 8Sabina Naef: leichter Schwindel, Edition
Korrespondenzen
9. Note: This publication has been made available by CSEND.org
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