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? Was ist die Exzellenzinitiative? Die Exzellenzinitiative ist ein bundesweiter Wettbewerb zur För- derung der universitären Forschung, der gemeinsam von Bund und Ländern im Jahr 2005 ausgelobt wurde. Sie soll die Nachwuchsför- derung, den Aufbau interdisziplinärer Forschungsverbünde und die strategische Entwicklung an den Universitäten stimulieren. Dazu wurden drei Förderlinien ins Leben gerufen. Universitäten konnten die finanzielle Förderung für Graduiertenschulen (für die Ausbil- dung von Doktorandinnen und Doktoranden), für Exzellenzcluster für die Spitzenforschung (in denen Forscherinnen und Forscher in einem Themengebiet zusammen arbeiten) und für sogenannte ‹Zu- kunftskonzepte›. beantragen. Die erste Förderphase läuft von 2006 – 2011. Im Jahr 2009 beschlossen die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder die Fortsetzung des Exzellenzwett- bewerbs, in einer nächsten Runde, die bis 2017 laufen soll. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und der Wissenschaftsrat (WR) koordinieren das Programm. ? Was sind die Ziele der Exzellenzinitiative? Galt die deutsche Hochschullandschaft traditionell als qualita- tiv relativ homogen, so soll die Exzellenzinitiative für eine Aus- differenzierung sorgen sowie die universitäre «Spitzenforschung» stärken und international sichtbarer machen. Die Exzellenzinitiative entstand in Folge des Lissabon-Abkommens, in dem sich die Mitgliedsstaaten der EU verpflichteten, bis 2010 verstärkt in ihre Bildungs- und Wissenschaftssysteme zu investie- ren. In Deutschland wurde dies als Teil der Agenda 2010 aufgenom- men und durch die Hightech-Strategie der neuen Regierung 2006 fortgeführt. Bereits 2004 wollte die damalige Bildungsministerin Bulmahn mit dem Wettbewerb «Brain up – Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten» bis zu fünf Universitäten auszeichnen. Dieser Elitewettbewerb stieß auf erheblichen Widerstand seitens der Län- der, von denen keines leer ausgehen wollte. Erst 2005 einigten sich Bund und Länder auf die Exzellenzinitiative, einen Wettbewerb un- ter der Federführung der Wissenschaft. ? Um wie viel Geld geht es? In der ersten Phase geht es um 1,9 Mrd. €. Der Bund steu- ert 75%, die Länder 25% bei. Damit ist die Exzellenzinitiative ein großes Förderprogramm. Im Vergleich mit dem Jahresetat der privaten US-Hochschule Stanford (2,8 Mrd. Dollar) mag sich das relativ bescheiden anhören, für die deutschen Universitäten geht es jedoch in Zeiten stagnierender Grundfinanzierung um viel Geld: Bei einer Laufzeit von fünf Jahren erhält eine Graduiertenschule im Durchschnitt 1 Mio. € jährlich, ein Exzellenzcluster 6,5 Mio.€. Universitäten, deren Zukunftskonzept gefördert wird, erhalten durchschnittlich 21 Mio. € im Jahr. ? Wie wurden die Universitäten beurteilt? Während der beiden Ausschreibungsrunden 2006 und 2007 wurden insgesamt 580 Anträge in allen Förderlinien eingereicht. 85 wurden nach einem zweistufigen Verfahren bewilligt. Mit der Begutachtung der Anträge wurden die DFG (Graduiertenschulen und Cluster) und der Wissenschaftsrat (Zukunftskonzepte) be- traut. Sie erfolgte über ein international besetztes Peer Review (Begutachtung durch unabhängige Wissenschaftlerinnen und Wis- senschaftler). Von rund 300 Beteiligten kamen in der ersten Aus- schreibungsrunde 60 Prozent aus dem europäischen Ausland, rund 30 Prozent aus Übersee und etwa zehn Prozent aus Deutschland 1 . Kriterien für die Begutachtung der Anträge waren: die wissenschaftliche Qualität der interdisziplinäre Ansatz die internationale Sichtbarkeit die Zusammenführung regionaler Forschungskapazitäten Da sich wissenschaftliche Qualität bislang nicht disziplinenüber- greifend und objektiv messen lässt, entzündete sich eine kritische Debatte über das Begutachtungsverfahren. Moniert wurde, dass oft nicht die Qualität der Anträge entscheidend war, sondern Reputa- tion und Leistungen (Drittmitteleinwerbung, Publikationsleistung etc.) der beteiligten Forscherinnen und Forscher und Universitäten in der Vergangenheit. Oft seien die Kriterien nicht klar gewesen und die unterschiedlichen Fachkulturen, die sich in den Anträgen spiegelten, nicht ausreichend berücksichtigt worden. Erst im Bewilligungsausschuss, in dem die letzten Entscheidungen getroffen wurden, waren die Bildungsministerinnen und -minister von Bund und Ländern vertreten. So sollte sichergestellt werden, dass die Förderbeschlüsse auf «wissenschaftlicher Exzellenz» beruhten und landespolitische Interessen keinerlei Einfluss auf das Ergebnis haben. ? Welche Projekte wurden ausgewählt? Gegenwärtig werden im Rahmen der Exzellenzinitiative 39 Graduiertenschulen, 37 Exzellenzcluster und 9 Zukunftskonzepte gefördert. Am erfolgreichsten haben die Universitäten in Baden- Württemberg abgeschnitten. Gleich drei Universitäten – Freiburg, Karlsruhe und Konstanz – konnten mit ihren Zukunftskonzepten überzeugen. Am meisten Geld konnte die LMU in München einwer- ben. Die ostdeutschen Universitäten waren weniger erfolgreich – so bekam nur Dresden einen Exzellenzcluster und eine Graduier- tenschule bewilligt, Jena und Leipzig bekamen je eine Graduier- tenschule. Heinrich-Böll-Stiftung Schumannstraße 8 10117 Berlin Die grüne politische Stiftung Telefon 030.285 34-0 www.boell.de Information: Referat Bildung und Wissenschaft E [email protected] www.boell.de/campustour Was man über die Exzellenzinitiative wissen sollte Zwei Reformen halten die Hochschulen in Atem: Der Bolognaprozess und die Exzellenzinitiative. Worum es bei Bologna geht, ist spätestens seit den Studierendenstreiks bekannt. Was aber ist die Exzellenzinitiative? Dieses FAQ beantwortet einige Fragen zur Entstehung, zu den Zielen und Wirkungen des Exzellenzwettbewerbs – und zur Kritik, die er hervorgerufen hat.

A4 faq exzellenzinitiative

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? Was ist die Exzellenzinitiative?DieExzellenzinitiativeisteinbundesweiterWettbewerb zur För-

derung der universitären Forschung,dergemeinsamvonBundundLändernimJahr2005ausgelobtwurde.SiesolldieNachwuchsför-derung,denAufbauinterdisziplinärerForschungsverbündeunddiestrategischeEntwicklungandenUniversitäten stimulieren.DazuwurdendreiFörderlinieninsLebengerufen.UniversitätenkonntendiefinanzielleFörderung fürGraduiertenschulen (fürdieAusbil-dungvonDoktorandinnenundDoktoranden), für Exzellenzcluster für die Spitzenforschung(indenenForscherinnenundForscherineinemThemengebietzusammenarbeiten)undfürsogenannte‹Zu-kunftskonzepte›.beantragen.DieersteFörderphaseläuftvon2006–2011. ImJahr2009beschlossen dieBundeskanzlerin und dieMinisterpräsidentenderLänderdieFortsetzungdesExzellenzwett-bewerbs, in einer nächsten Runde, die bis 2017 laufen soll. DieDeutscheForschungsgemeinschaft(DFG)undderWissenschaftsrat(WR)koordinierendasProgramm.

? Was sind die Ziele der Exzellenzinitiative?GaltdiedeutscheHochschullandschafttraditionellalsqualita-

tiv relativ homogen, so soll die Exzellenzinitiative für eine Aus-differenzierung sorgen sowiedieuniversitäre«Spitzenforschung»stärkenundinternationalsichtbarermachen.DieExzellenzinitiativeentstandinFolgedesLissabon-Abkommens,indemsichdieMitgliedsstaatenderEUverpflichteten,bis2010verstärktinihreBildungs-undWissenschaftssystemezuinvestie-ren.InDeutschlandwurdediesalsTeilderAgenda2010aufgenom-menunddurchdieHightech-StrategiederneuenRegierung2006fortgeführt.Bereits2004wolltediedamaligeBildungsministerinBulmahnmitdemWettbewerb«Brainup–DeutschlandsuchtseineSpitzenuniversitäten»biszufünfUniversitätenauszeichnen.DieserElitewettbewerbstießauferheblichenWiderstandseitensderLän-der,vondenenkeinesleerausgehenwollte.Erst2005einigtensichBundundLänderaufdieExzellenzinitiative,einenWettbewerbun-terderFederführungderWissenschaft.

? Um wie viel Geld geht es? In der ersten Phase geht es um 1,9 Mrd. €. Der Bund steu-

ert75%,dieLänder25%bei.DamitistdieExzellenzinitiativeeingroßes Förderprogramm. Im Vergleich mit dem Jahresetat derprivatenUS-HochschuleStanford(2,8Mrd.Dollar)magsichdasrelativ bescheiden anhören, für die deutschen Universitäten gehtesjedochinZeitenstagnierenderGrundfinanzierungumvielGeld:BeieinerLaufzeit von fünfJahrenerhälteineGraduiertenschuleimDurchschnitt1Mio.€jährlich,einExzellenzcluster6,5Mio.€.Universitäten, deren Zukunftskonzept gefördert wird, erhaltendurchschnittlich21Mio.€imJahr.

? Wie wurden die Universitäten beurteilt?Während der beiden Ausschreibungsrunden 2006 und 2007

wurden insgesamt580Anträge inallenFörderlinieneingereicht.85wurdennacheinemzweistufigenVerfahrenbewilligt.MitderBegutachtung der Anträge wurden die DFG (Graduiertenschulenund Cluster) und der Wissenschaftsrat (Zukunftskonzepte) be-traut. Sie erfolgte über ein international besetztes Peer Review(BegutachtungdurchunabhängigeWissenschaftlerinnenundWis-senschaftler).Vonrund300BeteiligtenkamenindererstenAus-schreibungsrunde60ProzentausdemeuropäischenAusland,rund30ProzentausÜberseeundetwazehnProzentausDeutschland1.

Kriterien für die Begutachtung der Anträgewaren:diewissenschaftlicheQualitätderinterdisziplinäreAnsatzdieinternationaleSichtbarkeitdieZusammenführungregionalerForschungskapazitäten

Da sich wissenschaftliche Qualität bislang nicht disziplinenüber-greifendundobjektivmessenlässt,entzündetesicheinekritischeDebatteüberdasBegutachtungsverfahren.Moniertwurde,dassoftnichtdieQualitätderAnträgeentscheidendwar,sondernReputa-tion und Leistungen (Drittmitteleinwerbung, Publikationsleistungetc.)derbeteiligtenForscherinnenundForscherundUniversitätenin der Vergangenheit. Oft seien die Kriterien nicht klar gewesenunddieunterschiedlichenFachkulturen,diesich indenAnträgenspiegelten,nichtausreichendberücksichtigtworden.ErstimBewilligungsausschuss,indemdieletztenEntscheidungengetroffenwurden,warendieBildungsministerinnenund-ministervonBundundLändernvertreten.Sosolltesichergestelltwerden,dassdieFörderbeschlüsseauf«wissenschaftlicherExzellenz»beruhtenundlandespolitischeInteressenkeinerleiEinflussaufdasErgebnishaben.

? Welche Projekte wurden ausgewählt?Gegenwärtig werden im Rahmen der Exzellenzinitiative 39

Graduiertenschulen,37Exzellenzclusterund9Zukunftskonzeptegefördert.Amerfolgreichsten haben dieUniversitäten inBaden-Württemberg abgeschnitten.GleichdreiUniversitäten–Freiburg,Karlsruhe und Konstanz – konnten mit ihren Zukunftskonzeptenüberzeugen.AmmeistenGeldkonntedieLMU in Müncheneinwer-ben.Dieostdeutschen Universitätenwarenweniger erfolgreich –sobekamnurDresdeneinenExzellenzclusterundeineGraduier-tenschule bewilligt, Jena und Leipzig bekamen je eine Graduier-tenschule.

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Was man über die Exzellenzinitiative wissen sollteZwei Reformen halten die Hochschulen in Atem: Der Bolognaprozess und die Exzellenzinitiative. Worum es bei Bologna geht, ist spätestens seit den Studierendenstreiks bekannt. Was aber ist die Exzellenzinitiative? Dieses FAQ beantwortet einige Fragen zur Entstehung, zu den Zielen und Wirkungen des Exzellenzwettbewerbs – und zur Kritik, die er hervorgerufen hat.

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Wirtschaftskooperationen,Technologietransferundproblemorien-tiertesForschenrealisierensichtraditionellvorallemindenNatur- & Technik- und Lebenswissenschaften.SohabendieForschungs-vorhaben der lebenswissenschaftlichen Forschung mit einem mitAnteilvonguteinemDrittelandenBewilligungenamBestenabge-schnitten.IhnenfolgendieNatur-undIngenieurwissenschaftenmitjeeinemViertel.GeisteswissenschaftenwarendeutlichimNachteil,wasauchinderGutachterkulturbegründetliegt,dieindenGeistes-wissenschaftensehrkritischausfällt.

? Wer hat profitiert?NebenderuniversitärenForschunghabenvorallemDoktoran-

dinnen und DoktorandenvonderExzellenzinitiativeprofitiert.Vongegenwärtig 4057 wissenschaftlichen Stellen in den gefördertenProjektenentfälltetwadieHälfteaufPromovierende.Teilweiseha-bensichdieUniversitätensogarschwergetan,geeignetesPersonal,insbesondere imBereichdesForschungsmanagements, zufinden.DerFrauenanteillag2008deutlichhöherals2006:35,7ProzentdesrekrutiertenPersonals istweiblich–beidenPromovierendenliegtderAnteilderDoktorandinnenbei41Prozent;beidenProfes-surenbei27Prozent(gg.demBundesdurchschnittvon15,2Prozentin2006)2.SoerfreulichderAnstiegderStellenfürPromovierendeist, so unklar ist die Berufsperspektive für viele der hochspezia-lisierten Nachwuchsforscherinnen und -forscher, wenn es darumgeht,einederwenigenProfessurenzuergattern.MichaelZürnvomWissenschaftszentrumBerlin fürSozialforschungsprichtdeshalbvoneinemdrohenden«Generationenstau junger Wissenschaftler».

? Wie verändert die Exzellenzinitiative die Universitäten? GegenwärtigsinddielangfristigenAuswirkungenderExzellenz-

initiativenochnichtabzusehen.DennochlassensichersteEffektebeobachten:Unbestrittenistsowohldernationalealsauchderin-ternationaleReputationsgewinnfürdieerfolgreichenHochschulen.DerWettbewerbhataußerdemneueDebattenüberdieAufgabenderUniversitätenausgelöst.DieHochschulensindinBewegungge-kommen,mitpositivenaberauchnegativenFolgen:DerImpulszueinerverstärktenProfilbildungführt indenHoch-schulen vielfach zu Spannungen zwischen den geförderten Pro-jektenunddenübrigenFachbereichen.VorallemwenndieFörde-rungdurchdieExzellenzinitiativeausläuft, befürchten viele eineVerschärfung von inneruniversitären Verteilungskämpfen. DannkönntedieWeiterführungderPrestigeprojektezu Lasten kleinerer Fächergehen.DasbreiteSpektrumanDisziplinengerätmöglicher-weiseinGefahr.Relativunstrittigist,dassdieExzellenzinitiativekeinenSchubfürdieLehregebrachthat.Zwarwirdvereinzeltdaraufhingewiesen,dass auch Studierende davon profitieren, wenn Hochschulen re-nommierteForscherinnenundForscherfürihreProjektegewinnen.Jedoch fordernvielebeteiligteWissenschaftlerinnenundWissen-schaftlerzunehmendeineReduzierungihresLehrdeputatsodergareineFreistellungvonderLehre.StarkändertsichdieForschung.UniversitätenundForscherinnenundForschersindinimmerhöheremMaßegehalten,forschungs-politischenVorgabendurchleistungsbezogene Mittelvergabe(z.B.Absolventenzahlen,Publikationen)oderdurchdasEinwerbenvonDrittmittelngerechtzuwerden.InderFolgenimmtdasSchreibenvonAnträgenundBerichtenimmermehrZeitinAnspruch.Einer-seitskanndieGesellschaftübersolcheFörderinstrumentethema-tische Impulse an die ansonsten autonomen Hochschulen geben,sodassWissenschaftlerinnenundWissenschaftlersichnichtmehrin den viel zitierten Elfenbeinturm zurückziehen können. Ander-seitsweisenKritikerinnenundKritikeraufdieAuswirkungenauf

diewissenschaftlicheEigenständigkeit und Identität derWissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler hin, wenn Forschungsinteres-senzunehmendnachexternenAnreizenausgerichtetwerden.WennForscherinnen und Forscher anfangen nach den neuen Regeln zuspielen,kanndasdazuführen,dasssichForschungsthemennichtmehr inhaltlich ausrichten, sondern z.B. danach, wie Drittmitteleingeworbenwerdenkönnen.AuchdieOriginalität von Forschungs-ansätzenleidedarunter.SohätteeinEinsteinkaumErfolgimEx-zellenzwettbewerbgehabt.

? Ist die Exzellenzinitiative ein fairer Wettbewerb?Dasbestreitenviele.ImZentrumderKritikanderExzellenzini-

tiativestehtdieSorge,dasssiediedeutscheHochschullandschaftinSiegerundVerliererspaltet.StattzumehrWettbewerbkämees lediglich zu einerVerfestigung vonHierarchien.KritikerinnenundKritikersprechenvomsogenannten«Matthäus-Prinzip»(«Werhat,demwirdgegeben»):ErfolgreicheUniversitätenwerdenauchinZukunftprofitieren,anderehättenkeineChanceaufzuschließen.DieseAufwärts- und Abwärtsspiralenkönnemanbereitsinderer-stenProgrammphasebeobachten:OhnehinforschungsstarkeHoch-schulenmitherausragenderDrittmittelbilanzhabenentsprechenderfolgreichimWettbewerbabgeschnitten.AuchdieKriterienzurBeurteilungderwissenschaftlichenQualitätwerdenvonKritikerinnenundKritikerninFragegestellt:AufgrundfehlenderDatenhabemanvorallemaufKennziffernwieabsolu-te Drittmitteleinwerbung, Publikationsvolumen, Reputation vonHochschulen,DisziplinenundPersonensowiedieAttraktivitätdesStandorts etc. zurückgegriffen.Dieshabe zuWettbewerbsverzer-rungen geführt. Denn kleinere Universitäten könnten dabei nichtmithalten,obwohlsiehäufigbessereLeistungenproKopferzielten.Strukturell seien forschungsorientierte Universitäten mit einembreitenFächerspektrummitdeutlichwenigerals400Professurennicht konkurrenzfähig3.SohabenvorallemgroßeVolluniversitäten(Ludwig-Maximilians-Universität: 707 Professuren) oder starkspezialisierteSpartenuniversitäten(RWTHAachen:391)vonderExzellenzinitiativeprofitiert4.RichardMünchvonderUniversitätBambergsprichtdeshalbvoneinemMachtfeld, indemeineklei-neGruppevonHochschulentrotzdurchschnittlicherwissenschaft-licherProduktivitätdengrößtenAnteilderFördermittelerhält5.MichaelHartmann vonderUniversitätDarmstadt prognostiziertgareineAufspaltung in Forschungs- & Ausbildungsuniversitäten.6

SowohlinnerhalbderUniversitätenalsauchinsgesamtkönnteeslangfristig zu einer Verschiebung der Fächerverteilung kommen–meistzulastenderGeisteswissenschaften.

? Wie kann eine alternative Ausdifferenzierung des Hoch- schulsystems aussehen?

HochschulenwerdensichinZukunftstärkerunterscheidenalsheu-te.DieErwartungen,dieheuteanHochschulengestelltwerden,sindvielfältig geworden: Hochschulen sollen einen wachsenden Anteileines Altersjahrgangs aufnehmen und sich dabei für Studierendeöffnen,diebislangnichtdenWegandieAlmaMatergefundenha-ben.Eswirderwartet,dasssieihreStudierendenaufeineKarriereinderWissenschaftvorbereiten,dieseaberauchfürdenArbeits-marktqualifizieren.SiesolleninternationaleSpitzenleistungeninLehreundForschungvollbringen,dieNaturwissenschaftenstärkenund die Geisteswissenschaft weiterentwickeln. Sie sollen mit derWirtschaftzusammenarbeitenaberauchOrtederReflexionundderKritiksein.UndsiesollenAntwortenaufZukunftsfragenfinden,seiesderKlimawandel,dieGestaltungeinergerechtenglobalenWirt-schaftsordnungoderdieVitalisierungderDemokratie.NichtalleHochschulenwerdenalldieseBedürfnisseerfüllenkönnten.Esbe-

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Was man über die Exzellenzinitiative wissen sollte

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darfdeshalbeinerDifferenzierung innerhalb des Hochschulsystems durchverschiedeneSpezialisierungenundSchwerpunktsetzungen.BislanggabesinDeutschlandeinrelativeinheitlichesHochschul-system:EsgabUniversitätenundFachhochschulenunddieVorstel-lung,dassdieUnterschiede innerhalbderbeidenGruppengeringsind.MitderExzellenzinitiativeändertsichdas.Mitihrkommteszueinervertikalen DifferenzierunginSpitzengruppe,MittelfeldundabgeschlagenenWettbewerbern.Kaumnachgedachtwird derzeit über eine«horizontale Differen-zierung» derHochschullandschaft, also einerAuffächerung nachspezifischen thematischen Ausrichtungen. Noch verfolgen alleHochschulenimWesentlichendieselbenZiele.UweSchneidewind,derehemaligePräsidentderUniversitätOldenburg,sprichtdeshalbvoneiner«Leitbildarmut an den Hochschulen».NureinzelneHoch-schuleninDeutschlandhabendamitbegonnen,sichdurchProfilbil-dungabzusetzen:AnderLeuphanaUniversität inLüneburgwirddas Leitbild der «nachhaltigen Entwicklung» in Forschung undLehre verfolgt.DieUniversitätRegensburgverfügtüber ein spe-ziellesProgrammfürStudierendemitbikulturellemHintergrund.DieFrageist,wieeinHochschulwettbewerbgestaltetseinmüsste,dersolcheinnovativenAnsätzeundsomiteinenerweitertenQuali-tätsbegriffprämiert.

? Wie kann die Lehre gestärkt werden?«MehrEhrefürdieLehre»:UnterdiesemMottostartete2008

der«Wettbewerb exzellente Lehre»,eineInitiativedesStifterver-bandsgemeinsammitderKultusministerkonferenzderLänder.Dadie Exzellenzinitiative ausschließlich auf die Forschung abzielte,solltenundieLehreandenHochschuleneineStärkungerfahren.AusgezeichnetwurdenimOktober2009diebesten«Zukunftsstra-tegien»fürLehreundStudium.108HochschulenbeteiligtensichanderAusschreibung.PrämiertwurdendieKonzeptevonvierFHnundsechsUniversitäten–darunterauchdiedreiElite-UnisRWTHAa-chen,FreiburgundTUM.DasGesamtvolumenfieljedochbescheidenaus:10Mio.€wurdenanteiligvomStifterverbandunddenLändernbereitgestellt;dasPreisgeldbetrugjeweilseineMio.€fürdreiJah-re.DieausgezeichnetenHochschulenbildennuneinen«Qualitätszir-kel»zurErstellungeiner«ChartaguterLehre».AuchdieStiftungMercatorunddieVolkswagenstiftunglancierteneinenWettbewerb«Bologna – Zukunft der Lehre»miteinemVolumenvonebenfalls10Mio.€.AngesichtsderschwierigenfinanziellenSituationderHoch-schulenbleibendieWettbewerbefürdieLehretrotzderwichtigenReformimpulse, die sie auslösen,Tropfenauf denheißenStein –lautWissenschaftsratbenötigendieUniversitäten1,1Mrd.€füreinebessereLehreundBetreuungderStudierenden.

? Wie geht es weiter mit der Exzellenzinitiative? ImJahr2009einigtensichderBundunddieLänderaufeine

Fortführung des Exzellenzwettbewerbs um den Zeitraum 2012 –2017.DieoffizielleAusschreibungfürdiezweiteProgrammphaseerfolgte imMärz2010.Mit demEinreichen derAntragsskizzenbis September 2010 geht die Exzellenzinitiative in die entschei-dende Phase, deren Ergebnisse im Juni 2012 feststehen werden.2,7Mrd.€sollendiesmalzurVerfügunggestelltwerden–nichtzu-letztumeineAuslauffinanzierungderausgemustertenAltprojektebis2014sicherzustellen.BiszufünfneubeantragteZukunftskonzeptekönnenbewilligtwer-den,umnichtmehrals12ausgezeichneteHochschuleninderFör-derungzuhaben.EinigeKritikpunktefandenEingangindieneueAusschreibungsrunde: So wird diesmal auch die forschungsbezo-geneLehreinderFörderliniederZukunftskonzepteberücksichtigt.ÜberregionaleKooperationenzwischenHochschulensindebenfalls

möglich,zudemwirdeskeineBenachteiligungdurcheinegemein-sameBeantragungvonClusternundGraduiertenschulendurchzwieHochschulengeben,diezuvornurjeeinenhalbenPunkteinbrachten.IndenkommendenbeidenJahrenwerdendie laufendenProjekteeinerEvaluationunterzogen,vondereineFörderempfehlungfürdiezweiteProgrammphaseabhängigist.

vonTanjaKlettundStephanErtner

DieserTextstehtuntereinerCreativeCommonsLizenz (Namensnennung-KeinekommerzielleNutzung-Weiterga- beuntergleichenBedingungen3.0Deutschland)

1 DFG/WR:PressemitteilungNr.54,13.Oktober2006:«Erste RundeinderExzellenzinitiativeentschieden»2Sondermann,M.,Simon,Dagmar,Scholz,Anne-Marie, Hornbostel,Stefan:DieExzellenzinitiative:Beobachtungen ausderImplementierungsphase;iFQ-WorkingPaperNo.5, Dezember2008.3Leibfried,S./Wiesner,A.(InterdisziplinäreArbeitsgruppe Exzellenz-initiative,Berlin-BrandenburgischeAkademieder Wissenschaften):«WissenschaftspolitischerZwischenrufNr. 1.ExzellenzinitiativeII:ErstePrüfsteineundAnfragen», www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/ Exzellenzinitiative/de/4Vgl.Leibfried/Wiesner:«WissenschaftspolitischerZwischenruf Nr.1».5Münch,Richard:DieakademischeElite.Zursozialen KonstruktionwissenschaftlicherExzellenz,Frankfurta.M., 2007.6MichaelHartmannzitiertaus:«Herausgebildet–dieersten deutschenEliteunisliegenimSüden–Siewerdensichauch langfrisitganderSpitzebehaupten»,DerTagesspiegel, 15.10.2006 www.tagesspiegel.de/zeitung/Fragen-des-Tages;art693,2067247

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