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Katalin Szám Katalin Szám 01.12.2013 01.12.2013

Das Deutsche in der Schweiz

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Sprachenvielfalt in der Schweiz

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1. Die Schweiz ist ein mehrsprachiger Staat1.1 Sprachenvielfalt1.2 Deutschschweiz2. Allgemeine Charakteristika der Situation2.1 Innere Zweisprachigkeit2.2 Mediale Diglossie2.3 Eine brisante Mischung3. Hochdeutsch in einer Schweizer Form3.1 Das Schweizerhochdeutsch3.2 Besonderheiten im Lexikon3.3 Varianten in der Aussprache3.4 Graphie, Syntax und Morphologie3.5 Unterschiede im Sprachgebrauch4. Einstellungsprobleme- Hochdeutsch als vermeintliche „Fremdsprache“4.1 Zur Rolle der Schule4.2 Mundarten und Hochdeutsch im Spannungsverhältnis5. Schlussfolgerungen

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1.1 Sprachenvielfalt„Deutsch, Französisch, Italienisch, und Rätoromanisch sind die Landessprachen der Schweiz.“ ( Art.116 der schweizerischen Bundesverfassung im 1. Abschnitt)„Bund und Kantone fördern Die Verständigung und den Austausch unter den Sprachengemeinschaften“ (die Verfassungsänderung, die 1996 in einer Volksabstimmung gutgeheißen wurde, Art. 116/2)

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1.2 DeutschschweizWas gesprochen wird, klingt für deutsche Ohren verständlich, aber fallen einige Eigenheiten auf.Die Deutschschweiz gehört zum deutschsprachigen Kulturraum.Die reiche Literatur aus der Deutschschweiz ist „ Blick aus der Fremde“.„Wir sind zweisprachig innerhalb der eigenen Sprache“ (Deutschschweizer Schriftsteller Hugo Loetscher). Hugo

Loetscher

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2.1 Innere ZweisprachigkeitAuffälligste Merkmal der Deutschschweizer Sprachsituation ist die ständige Präsenz zweier Varietäten der deutschen Sprache: das Schweizer Hochdeutsch als Standardsprache und die Deutschschweizer Dialekte oder Mundarten (Schwyzerdütsch) Schwyzerdütsch: ein Sammelname für eine Vielfalt von unterschiedlich kleinräumigen regionalen Sprachenvarietäten der Deutschschweiz.Das Nebeneinander von Mundarten und Standardsprache ist tatsächlich im Wortsinn zu verstehen: - Mundarten mit markanten lokalen Unterschiede, trotz eine starke Tendenz zur Entwicklung von großräumigeren Mundarten zu erkennen ist. auf der anderen Seite steht Standardsprache. Die Deutschschweiz war an der Herausbildung der neuhochdeutschen Standardsprache nicht maßgeblich beteiligt.

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2.2 Mediale DiglossieIn der Deutschschweiz schreibt man –prinzipiell- Standardsprache, und man spricht –ebenso prinzipiell- die Mundarten. Im privaten Bereich, in der Mundartliteratur und in emotionalisierten Rubiken der Presse gibt es auch dialektales Schreiben. In der Deutschschweiz zwischen den Mundarten und der Standardsprache hat sich keine Umgangssprache entwickelt. ( im Gegensatz zu allen anderen deutschsprachigen Gebieten)Die Mundarten sind tauglich genug die Funktion einer Umgangssprache zu übernehmen.Polydialekter Dialog ist ein Terminus für „üblichen Kommunikationsform über die Dialektgrenzen hinweg“. Jeder Deutschschweizer spricht mit anderen Deutschschweizern Mundart, und die sprachliche Verständigung ist dabei gewährleistet.

“Polydialekter Dialog“ nach Ulrich Ammon

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2.3 Eine brisante MischungIn unterschiedlicher Weise haben sich für die Wahl der Sprachform in Institutionen typische Traditionen gebildet: - die zu einem Institutionen-spezifischen Sprachgebrauch geführt haben,

o wie formell bzw. informell das Verhältnis innerhalb der Institution von den Beteiligten gesehen wird

o auch durch situative und mediale Faktoren bestimmt.

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3.1 Das Schweizerhochdeutsch (1.)„eine Variante der deutschen Standardsprache mit lautlichen, orthographischen, grammatikalischen und Wortschatz-Eigenheiten, die in der Schweiz… oder darüber hinaus…in Süddeutschland und Österreich gelten, aber nicht der (binnendeutschen) Einheitsnorm entsprechen.“ (Meyer, 1989)Ulrich Ammon stellte Materialien für das Desiderat eines Schweizer Binnenkodexes aus der einschlägigen Literatur zusammen, so ist es eine differenzierte linguistische Auseinandersetzung mit schweizerischen Formen des Hochdeutschen greifbar geworden. Ammon hat sich „der Plurinationalität des Deutschen wissenschaftlich gründlicher zu befassen“ der Diskussion um den Status des Schweizer Hochdeutschen neue Impulse gegeben.

Ulrich Ammon

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3.1 Das Schweizerhochdeutsch (2.)Dies dürfte das Prestige und der Stellenwert der nationalen Varietät „Schweizerhochdeutsch“ auf Grund der starken Stellung der Dialekte sichern, aber im allgemeinen bei der Wahl von Wörtern wird bei vielen Deutschschweizern eine Vermeidungsstrategie sichtbar, die den Texten jenes Kolorit raubt. Dahinter steht: die Vorstellung von einem reinen Deutsch (die hochdeutsche Sprache), dem vor allem etwas keinesfalls anhaften darf (der Geruch oder auch nur der Hauch von etwas Helvetischem).Schweizer Schriftsteller „alles zu hochdeutsch schrieben“…“sie würden sich als Schreibende zeitlebens wie guterzogene Schüler verhalten“ (Günter Grass)

Günter Grass

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3.2 Besonderheiten im LexikonSchweizerhochdeutsch ist das Vorhandensein von spezifischem Wortgut in der Standardsprache der Deutschschweiz. Helvetismen (schweizerische Spracheigentümlichkeiten) sind nicht gesamthaft offiziell kodifiziert, aber schon seit der 10. Auflage des Rechtschreibdudens (1929) werden spezifisch schweizerische Wörter anerkannt.Helvetismen: „lexikalische“ Helvetismen: ausschließlich in der Schweiz gebräuchliches Wortgut z.B. Estrich- Dachboden, tischen- abtischen den Tisch decken- abräumen„semantische“ Helvetismen: in der Schweiz spezifische Bedeutung eines im gesamten deutschsprachigen Raum gebräuchlichen Wortes z.B. Vortritt- Vorfahrt, das Licht anzünden- einschalten„hergestellte“ Helvetismen: Wörter, die von zentralen Instanzen ausdrücklich für diesen Staat geschaffen z.B. Identitätskarte- Personalausweis, Fahrausweis- Führerschein„Frequenzhelvetismen“: in schweizerischen Texten gehäuft anzutreffende Wörter und Wendungen, die außerhalb der Schweiz wenig gebräuchlich sind z.B. selber, allfällig, angriffDer unklaren Status von Helvetismus hängt auch damit zusammen, dass-viele Helvetismen den Deutschschweizern kaum bewusst sind, sie werden erst bei intensiven Kontakten mit Bundesdeutschen offenbar.-die zumindest schulische Unkenntnis der Eigenheiten von schweizerischem Hochdeutsch eine mögliche Unsicherheit im Umgang mit dem Wortschatz macht.

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3.3 Varianten in der Aussprache (1.) Standardsprache erschien in der Deutschschweiz lange vorwiegend in ihrer geschriebenen Form, sie war als gesprochene Sprache auf offizielle Kontexte beschränkt.Dies hat sich mit den audiovisuellen Medien grundsätzlich geändert. Viele Schweizer sprechen heute ein Hochdeutsch, das kaum mehr deutliche Mundartmerkmale erkennen lässt. Die 1995 vom schweizerischen Radio DRS herausgegebene Schrift Deutsch sprechen am Radio (Burri u.a. 1995) ist im Moment wohl die wichtigste Reverenz für die Aussprache des Hochdeutschen in der Schweiz.

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3.3 Varianten in der Aussprache (2.) Auffällige Unterschiede in der Aussprache des Deutschen in der Schweiz:

o Betonungen: häufig sind die Wörter im Schweizerhochdeutsch erstbetont (wo in Deutschland Zweit- oder Drittsilberbetonung vorliegt z.B. eigentümlich, ausführlich…und viele Abkürzungen tragen die Betonung auf der ersten Silbe

o Vokale: werden anders gesprochen, lang in brachte, Nachbar…kurz in Städte, Jagd…o Die Endsilbe –el, -em, -en, -er werden meist gesprochen z.B. Brezel, Atem,

machen…o Y wird in eingebürgerten Wörtern als –i anstelle von –ü gesprochen z.B.

Pyramide, Ägypten, System…o Ie, uelo, üelüo v.a. in Orts- und Eigennamen werden als Diphthonge gesprochen.

Bekannt ist z.B. grüezi. Konsonanten: b, d, g und s werden stimmlos gesprochen.

Auslautverhärtung wird kaum durchgeführt (so unterscheiden sich Rad und Rat in der Aussprache). Ch im Anlaut wird häufig als x gesprochen z.B. Chemie, China…G in der Endsilbe –ig wird –ig gesprochen und nicht als –ich z.B. König, sonnig, zwanzig…R wird niemals vokalisiert im Auslaut (Tier nicht Tia, Wetter nicht Wetta). Die Aussprache von v als f bei (eingebürgerten) Fremdwörtern ist viel häufiger z.B. Advent, Advokat, Evangelium…

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3.4 Graphie, Syntax und MorphologieIn der Schweiz gelten die Rechtschreibenormen des Duden, diese Rechtsgrundlagen ist auch mit der Neuregelung der Rechtschreibung durch einen Beschluss der Kulturbehörden (EDK) erneuert worden.Schweizer gehörten zu den ersten Anhängern Konrad Dudens. Eine einzige nennenswerte Abweichung gilt in der Schweiz: anstelle von ß wird konsequent ss geschrieben (s. die Aufgabe der Kurrentschrift in den Schulen, die Einführung einer schweizerischen Einheitstastatur für die Schreibmaschine die auch für Französisch tauglich sein sollte.). Syntax: für Deutsch ungewöhnlich tönt Nebensatzeinleitung durch ansonst.Wortbildung: schweizerischem Zugsunglück, Unterbruch oder Wissenschafter korrespondiert deutsches Zugunglück, Unterbrechung, Wissenschaftler.Morphologie: in der Schweiz neigt man stärker zum Gebrauch starker Verbformen als in Deutschland.

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Konrad Duden

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3.5 Unterschiede im SprachgebrauchBedauerlicherweise gibt es dazu keine systematischen Untersuchungen. Schweizerdeutsches Sprechen ist generell bedächtiger, langsamer.Schweizerinnen und Schweizer ertragen im Gespräch längere Pausen als „Deutsche“.„Deutsche“ markieren einen Sprecherwechsel oft durch Einfall in den Beitrag des Gesprächspartners, was „Schweizer“ als unhöflich empfinden. Schweizer monologisieren stärker. Diskussionen werden eher blockartig geführt.Unterschiede in der Intonation: die Norddeutsche fallende Fragenintonation wirkt auf „Schweizer“ schnoddrig, die für Norddeutsche singende Intonation der „Schweizer“ seltsam, grob. Es fehlen im Hochdeutschen oftmals die redeleitenden Partikeln. Das Hochdeutsch bleibt für viele v.a. Schreib- und Lesesprache. (Das Reden wirkt dadurch farblos.)„Deutsche“ diskutieren und kritisieren härter. Global gesehen Deutschschweizer Kommunikationskultur ist stärker indirekt als etwa die bundesdeutsche.

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Unterschiedliche Einstellungen sind gegenüber Standardsprache und Dialekt vorhanden: tendenziell sehr positive gegenüber dem Dialekt als Medium der Mündlichkeit, tendenziell negative, distanzierte gegenüber der mündlichen Standardsprache. Hochdeutsch ist als Schreib- und Lesesprache allseits akzeptiert.

In großer Mehrheit sprechen die DeutschschweizerInnen aber nicht gern Hochdeutsch. (Dialekt hat identitätsstiftende und nationalsymbolische Funktionen.)

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4.1 Zur Rolle der SchuleWährend der Schulzeit bilden sich durch spezifische Verwendung der beiden Sprachformen (Dialekt und Hochdeutsch) Einstellungen heraus, die mit ihrer deutlichen Besetzung des Dialekts als positiver, des Hochdeutschen als negativer Variante für den Aufbau von Standardsprachkompetenz in der Mündlichkeit wenig förderlich sind. Anfänglich machen die Kinder positiver Erfahrungen mit Hochdeutsch sowie der Anreiz, in der lesen und schreiben gelernt wird. Die Mundart ist die Sprache der Freizeit, Standardsprache ist die Sprache der Arbeitszeit in der Schule, die für die eigentlichen Lektionen reserviert ist. Innerhalb der schulischen Arbeit gibt es Fächer, in denen fast nur Mundart gesprochen wird (auch im Verkehr mit dem Lehrer) wie z.B. Zeichnen, Musik, Werken, Religion…Also Mundart ist beziehungshaft und spontan.Standardsprache ist dagegen die Sprache der formellen Situation oder der Planung.Wichtigste Grundlage ist eine positive Einstellung zu dieser Sprachform, die wesentlich durch die Einstellung der Lehrerinnen und Lehrer geprägt wird.

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4.2 Mundarten und Hochdeutsch im SpannungsverhältnisDie Mundarten gelten als die Muttersprache im eigentlichen Sinn, das Verhältnis zur Standartsprache ist im Ganzen kühler, distanzierter.Dialekt sei persönlich, vertraut, locker, frei, sympathisch, Hochdeutsch dagegen unpersönlich, unvertraut, kompliziert, wenig emotional.Hochdeutsch ist die erste Fremdsprache der Deutschschweizer.Das Schriftdeutsch, „die fünfte Sprache“, die „Nationalsprache“ ist eine Fremdsprache, die jedes Schulkind unter Mühe zuerst erlernen muss.ABERDer überwiegende Teil der Deutschschweizer scheint zufrieden zu sein mit den gegenwärtigen Sprachverhältnissen.Die tatsächlich feststellbare Zunahme des Mundartgebrauchs hat weit mehr mit Veränderungen im Kommunikationsverhalten zu tun. Viele enge wirtschaftliche, technische, kulturelle, wissenschaftliche und auch familiäre Beziehungen bestehen zwischen beiden Staaten (Deutschland und Schweiz) und sollten ein gutes Verhältnis sichern. Für den Schweizer ist Deutschland ein „Draußen“ gegenüber dem man Abgrenzung sucht.Wie weit historisch und politisch begründete Abwehrhaltungen heute noch wirksam sind, lässt sich schwer feststelle.

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Gegenwärtige Tendenzen laufen –soweit sie die Mündlichkeit betreffen- einerseits in Richtung eines verstärkten Mundartgebrauchs und andererseits in Richtung einer Stärkung der deutschschweizerischen Variante des Hochdeutschen.

Allerdings ist hier –in Schule und Öffentlichkeit- noch vieles zu tun, damit die schweizerische Form des Hochdeutschen Akzeptanz und Wertschätzung erfährt.

Die innere Mehrsprachigkeit spiegelt in gewisser Weise auch die erhöhten Anforderungen an das Sprachvermögen heutiger Menschen.

Die Sprachsituation der Deutschschweiz mit ihrer „Zweisprachigkeit in der eigenen Sprache“ macht diese Anforderungen deutlich und verweist auf die Notwendigkeit einer verstärkten Förderung der Sprachfertigkeiten.

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