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Vortrag bei Tagung "Wissen im Netz", 12.10.2012, Tübingen
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Das Internet als kommunikativer Raum
Jan-Hinrik Schmidt@janschmidt
Wissenschaftlicher Referent für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation
Tübingen 12.10.2012
Tübingen
Worüber ich spreche
1. Das Internet als Universalmedium
2. Kommunikationsraum: Soziologische Kategorien
3. Wandel von Öffentlichkeit
4. Konsequenzen für Privatsphäre und informationelle Selbstbestimmung
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Tübingen
Ist das Internet real?
Das Internet ist kein „virtueller Raum“ oder „Cyberspace“, sondern für die meisten seiner Nutzer selbstverständlicher Teil des Alltags, in dem sie kommunizieren, sich unterhalten (lassen), lernen, arbeiten und konsumieren
Es ist auch und gerade deswegen so „real“, weil es dabei hilft, Anforderungen unserer Gegenwart zu erfüllen:
„vernetzte Individualität“ als Leitbild in mobilen Gesellschaften Informationsüberfluss als Kontext
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Tübingen
Medien und Kommunikationsmodi (ganz grob)
Reichweite
Kopräsenz
Massen-kommunikation
(Publizieren)
Interpersonale Kommunikation (Konversation)
Distanz/technische Vermittlung
Versammlungen/Gruppen-
kommunikation
Special Interest / Fachforen
Internet
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Tübingen
Notwendige Differenzierungen
Aber: „Das Internet“ ist als Analysekategorie letztlich zu unscharf – auf seiner geteilten Infrastruktur zum Austausch von Daten mittels standardisierter Protokolle basieren zahlreiche unterschiedliche Kommunikationsräume
Kommunikationssoziologisches Analysemodell(*) erlaubt Differenzierung von Strukturen, die Handeln in und mit spezifischen Anwendungen rahmen:
Verwendungsregeln: Geteilte Normen, Erwartungen und Routinen über das „angemessene“ Handeln in konkreten Situationen;
Relationen: Textuelle und soziale Verknüpfungen, die mit Hilfe von Anwendungen sichtbar gemacht und gepflegt werden;
Code: Zusammenspiel von Hard- und Software mit je spezifischer Architektur, Optionen und Restriktionen
Handeln
Code
Regeln Relationen
(*) Schmidt 2011 5 von 12
Tübingen
Zum Beispiel: Facebook
auf Kommunikationsraum Facebook angewandt Verwendungsregeln z.B.
Leitbild der Authentizität (vs. Fakes) AGBs von Facebook
Relationen z.B. Explizit gemachte, reziproke soziale
Beziehungen („Freund“) formen Netzwerke und fungieren als „Publikum“
Vielfache Verknüpfungen von einzelnen Äußerungen … zu Konversationen
(Eintrag + Kommentare + Likes) … innerhalb der persönlichen „Chronik“ … innerhalb des „News Feed“
Code z.B. Spezifische privacy-settings Verknüpfung mit anderen Diensten über APIs
Handeln
Code
Regeln Relationen
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Tübingen
Persönliche Öffentlichkeiten (1/2)
Facebook unterstützt persönliche Öffentlichkeiten, in denen Nutzer
(a) Informationen nach Kriterien der persönlichen Relevanz auswählen,
[anstatt nach journalistischen Nachrichtenfaktoren]
(b) sich an (intendiertes) Publikum richten, das aus sozialen Kontakten besteht,
[anstatt des verstreuten, unbekannten, unverbundenen Publikums der Massenmedien]
(c) und sich im Kommunikationsmodus des „Konversation Betreibens“ befinden.
[anstatt im Modus des „Publizierens“]
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Tübingen
Trennung zwischen „Sender“- und „Empfänger“-Rollen der Massenkommu-nikation löst sich weiter auf; in persön-licher Öffentlichkeit ist man beides
Persönliche Öffentlichkeiten bestehen aus „Microcontent“, der aus anderen Angeboten gelöst („entbündelt“) und durch soziale Beziehungen gefiltert wird
„Re-Bündelung“ findet nicht in abgeschlossenen / linearen Produkten („Ausgabe“; „Sendung“) statt, sondern im konstanten Informationsfluss der „streams“ bzw. „feeds“
Professionell-journalistische Inhalte oder kommerzielle Botschaften sind genauso Teil dieser vernetzten Öffentlichkeiten wie das Persönliche und Private
Persönliche Öffentlichkeiten (2/2)
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Tübingen
Merkmale der Kommunikationsarchitektur(*) erschweren inf. Selbstbestimmung
Intendiertes Publikum
Adressiertes Publikum
Faktisches Publikum
Potentielles Publikum
(*) boyd 2008, Schmidt 2012c
Prekäre informationelle Selbstbestimmung (1/2)
Persistenz Kopierbarkeit Skalierbarkeit Durchsuchbarkeit
Privacy Paradox: Nutzer messen Privatsphäre einen hohen Wert bei – agieren aber in Kommunikationsumgebungen, die die Grenzziehung zwischen „Privat“ und „Öffentlich“ erschweren
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Tübingen
Prekäre informationelle Selbstbestimmung (2/2)
„Informationelle Selbstbestimmung“ ist…
1. … normatives Konzept: Bestandteil der verfassungs-mäßigen Ordnung (und in Datenschutzregelungen etc. näher spezifiziert); liegt zudem als zumindest diffuse Erwartung bei vielen Nutzern vor;
2. … ausgeübte Praxis: Nutzer üben sie (mehr oder weniger kompetent, reflektiert, evtl. auch scheiternd) aus, wenn sie sich in den vernetzten persönlichen Öffentlichkeiten des Social Web bewegen;
3. … notwendige Kompetenz: das eigenständige Wahrnehmen des „Rechts auf Privatheit”, die informierte Einwilligung in Datenverarbeitung oder auch die informationelle Autonomie setzt Wissensformen und Fertigkeiten voraus.
Sollen
Tun
Können
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Tübingen
Fazit
• Das Internet ist ein Universalmedium, das bislang getrennte Kommunikationsmodi und Mediengattungen auf einer technischen Grundlage vereint
• Analyse konkreter Kommunikationsräume ist deshalb umso wichtiger – strukturelle Dimensionen der Regeln, der Relationen, und des Code können dabei helfen
• Kommunikationsräume der sozialen Medien – Facebook, Twitter & Co - unterstützen das Entstehen persönlicher Öffentlichkeiten, in denen Konversation und Publikation verschmelzen
• Ihre Architektur wie die derzeit dominierenden Praktiken lassen zudem Grenzen zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit verschwimmen
• Vor diesem Hintergrund kann das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung, verstanden als Norm, als Praxis und als Kompetenz, unseren Umgang mit der disruptiven Medientechnologie „Internet“ anleiten
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Tübingen
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Hans-Bredow-InstitutWarburgstr. 8-10, 20354 Hamburg
www.schmidtmitdete.dewww.dasneuenetz.de
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Tübingen
Quellennachweise AbbildungenFolie 4[Konversation]: CC BY-NC-ND 2.0, stijn, http://www.flickr.com/photos/stijnnieuwendijk/3098445189[Demo] CC BY-NC-ND 2.0, Homo Sapiens, http://www.flickr.com/photos/homo_sapiens/2457420324/[Telefon] CC-BY-NC-ND-2.0, splorp, http://www.flickr.com/photos/splorp/64027565[Zeitungen] CC-BY-NC-ND-2.0, Erik Hartberg, http://www.flickr.com/photos/captainsticky/344199724[TV] CC-BY-SA-3.0, Takk, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Televison_Hungarian_ORION_1957.jpg
Folie 15[Foto] CC BY-NC-ND 2.0, Stephen Desroches, http://www.flickr.com/photos/focusedonlight/2795746704/
[Demo] CC BY-NC-ND 2.0, Dom Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/1842123447/
[Barcamp] CC BY-NC-ND 2.0, Nathanael Boehm, http://www.flickr.com/photos/purecaffeine/1226101959/
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Tübingen
Verwendete und weiterführende Literatur
– boyd, d. (2008): Taken out of context. American teen sociality in networked publics. Ph.D. Dissertation an der University of California, Berkeley. Online verfügbar: http://www.danah.org/papers/TakenOutOfContext.pdf.
– Busemann, K. / Gscheidle, C. (2012): Web 2.0. Habitualisierung der Social Communitys. In: Media-Perspektiven, Nr. 7-8/2012, S. 380-390.
– Bieber, C. (2010): Politik Digital. Online zum Wähler. Salzhemmendorf.– Münker, S. (2009): Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0. Frankfurt a.M. – Paus-Hasebrink, I. / J. Schmidt/U. Hasebrink (2009): Zur Erforschung der Rolle des Social Web im Alltag von
Heranwachsenden. In: J. Schmidt/I. Paus-Hasebrink/U. Hasebrink (Hrsg.): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Berlin. S. 13-40.
– Schmidt, J. (2011): Das neue Netz. Merkmale, Praktiken und Konsequenzen des Web 2.0. Konstanz.– Schmidt, J. (2012a): Das demokratische Netz? In: Aus Politik und Zeitgeschichte, Jg. 62, Nr. 7, 2012, S. 3-8.– Schmidt, J. (2012b): Das Partizipationsparadox der sozialen Medien. In: Bettermann, Erik/Grätz, Roland
(Hrsg.): Digitale Herausforderung. Internationale Beziehungen im Zeitalter von Web 2.0. Göttingen. In Vorbereitung.
– Schmidt, J. (2012c): Persönliche Öffentlichkeiten und informationelle Selbstbestimmung im Social Web. In: Schmidt, J. / Weichert, T. (Hrsg.): Datenschutz. Grundlagen, aktuelle Entwicklungen und Kontroversen. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung. Bonn: BPB.
– Van Eimeren, B. / B. Frees (2012): 76 Prozent der Deutschen online – neue Nutzungssituationen durch mobile Endgeräte. In: Media-Perspektiven, Nr. 7-8/2012, S. 362-379.
– Wagner, U. / Gerlicher, P. / Brüggen, N. (2011): Partizipation in und mit dem Social Web – Herausforderungen für die politische Bildung. München.
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