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Page 1: Leich fau-ps-copernicanische-wende-handout-12

FAU-Proseminar: Die Copernicanische Wende � Ein Motiv zur Entstehung der neuzeitlichen Naturwissenschaft, 12. Sitzung, Do 19.01.12, Pierre Leich _________________________________________________________________

Neue Astronomie von Kepler

Schon in seinem Frühwerk Mysterium Cosmographicum von 1596 zeigte sich Johannes Kepler (1571-1630) als überzeugter Copernicaner. Als er nach Brahes Tod

in den Besitz von dessen Beobachtungsdaten kam, eröffnete sich ihm der mühevolle

Weg zu den drei nach ihm benannten Planetengesetzen. Kepler war von einer universalen Harmonie überzeugt und nennt als seine drei wichtigsten Grundlagen:

- die Astronomie des Copernicus, - die Beobachtungen Tycho Brahes, - die Magnetismustheorie von Gilbert.

Wissenschaftstheoretisch bedeutsam ist seine Forderung empirischer Forschungs-programme, welche die Annahme kontemplativer Erkennbarkeit der Welt ersetzte. Andererseits erkennt er die Rolle nicht-empirischer apriorischer Elemente, die der Erfahrung begriffliche Strukturen unterstellt.

Die auf eine Bemerkung Kants zurückgehende Rede der �Copernicanischen Wende�

wäre wohl besser mit dem Namen Keplers formuliert worden, insofern erst Kepler mit

den Aristotelischen Grundsätzen der Kreisförmigkeit und der konstanten Winkel-geschwindigkeit bricht und sich in seinen Gesetzen eine fundamentale Neuorientierung zeigt.

Seine methodische Neuorientierung zeigt sich auch daran, dass er seine kinemati-schen Untersuchungen durch dynamische Argumente stützt und so den Gegensatz

von mathematischer und physikalischer Astronomie aufhebt und Realität für seine

Theorie beansprucht. An den Rand eines Briefs von Mästlins vom 1. Oktober 1616

schreibt Kepler:

Ich nenne meine Hypothesen aus zwei Gründen physikalisch. Erstens, weil manche

Leute behaupten, gar alle Hypothesen der Astronomie seien fiktiv; denn es gebe ja am Himmel keine Exzenter und Epizykel. Daher gehe ich darauf aus, nur solche Dinge anzunehmen, von denen ich nicht zweifle, daß sie reell und somit physisch sind, wobei

an die Natur nicht der Elemente, sondern des Himmels zu denken ist. Wenn ich die vollkommenen Exzenter und die Epizykel verwerfe, so tue ich es deswegen, weil sie rein geometrische Annahmen sind, für die ein entsprechender Körper am Himmel nicht

existiert. Der zweite Grund, warum ich meine Hypothesen physikalisch nenne, ist [�], daß die Ungleichfömigkeit der Bewegung der Natur der Planetenkugeln entspricht, also

physikalisch ist.1

Die ersten beiden Kepler�schen Gesetze finden sich in der Astonomia nova von 1609. In moderner Formulierung lauten sie:

Die Planeten bewegen sich auf elliptischen Bahnen, in deren einem Brennpunkt die Sonne steht.

Ein von der Sonne zum Planeten gezogener �Fahrstrahl� überstreicht in gleichen

Zeiten gleich große Flächen.

1 Zitiert nach Gerald Holton, Keplers Universum: Seine Physik und Metaphysik; in: ders., Themata.

Zur Ideengeschichte der Physik (= Facetten der Physik, Bd. 19), Braunschweig/Wiesbaden 1984, S. 35.

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Im 5. Buch der Weltharmonik von 1619 findet sich in Kapitel 3 unter 13 Hauptsätzen

an 8. Stelle die Beziehung:

Allein es ist ganz sicher und stimmt vollkommen, Daß die Proportion zwischen den

Umlaufzeiten zweier Planeten genau das Anderthalbfache der Proportion der mittleren Abstände, d.h. der Bahnen selber ist, wobei man jedoch beachten Muß, Daß das

arithmetische Mittel zwischen den beiden Durchmessern der Bahnellipse etwas kleiner ist als der längere Durchmesser.

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Das dritte Kepler�sche Gesetz lautet in moderner Weise: Die Quadrate der Umlauf-zeiten zweier Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen (Kuben) der großen

Bahnhalbachsen. Es ist nicht streng gültig, da von den Massen abgesehen wird, gilt

aber in Systemen, in denen die Hauptmasse im Zentralkörper vereinigt ist, in guter Näherung.

Kepler entwickelt als erster Naturforscher ein Gefühl dafür, dass es nicht nur um eine

mathematische Beschreibung der Planetenbahnen geht, sondern diese einen physi-kalischen Grund haben müssen. Er stellt sich vor, dass es ein magnetischer Kreis-strom um die Sonne ist, der die Planeten je nach Abstand und Fähigkeit, Kraftwirkung zu empfangen, mitreißt. Dadurch löst er sich von der Selbstbewegungstheorie der Planeten und führt eine physikalisch wirkende Bewegungsursache ein und bereitet dem modernen Kraft-Begriff den Boden. Die Lösung dieses Zusammenhangs findet

sich erst im Gründungsdokument der neuzeitlichen Naturwissenschaft, Newtons

Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von 1687.

2 Harmonice mundi, KGW VI, S. 302.