12
1 Werkzeug und Kunstwerk des Meistererzählers Welche Rolle nimmt die Naturbeschreibung in den Erzählungen Anton Tschechows ein? Erik Faust [email protected] +49 152 51660967 Liebigstraße 19 26871 Papenburg Niedersachsen, Deutschland

Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

1

Werkzeug und Kunstwerk des Meistererzählers – Welche Rolle nimmt die

Naturbeschreibung in den Erzählungen Anton Tschechows ein?

Erik Faust

[email protected]

+49 152 51660967

Liebigstraße 19

26871 Papenburg

Niedersachsen, Deutschland

Page 2: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

2

1. Inhalt 2

2. Notizen und Vorwort 3

3. Aufsatz 4

a. Einleitung 4

b. Der Student 5

c. Herzchen 6

d. Die Dame mit dem Hündchen 7

e. Schluss 8

4. Bibliographie 11

Page 3: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

3

2) Notizen und Vorwort

Die Erzählungen ‚Der Student‘, ‚Herzchen‘ und ‚Die Dame mit dem Hündchen‘ wurden im Laufe des

Aufsatzes im Detail analysiert. Zudem bezieht sich dieser Text auf mehrere andere Kurzgeschichten

Anton Tschechows. Diese sind im Anhang aufgelistet. Die Titel solcher Erzählungen sind kursiv

hervorgehoben. Verweis auf beispielhafte Texte findet sich in den Fußnoten, falls nicht in den Satz

eingegliedert.

Page 4: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

4

3) Aufsatz: 1495 Worte

‚Die Frühlingsbriese kann jeden Moment durch einen Blitzschlag zerschnitten werden‘1

Mugaku Songen, Japanischer Mönch (ca. 1250)

‚In großer Höhe freilich

Scheinen Stürme zu gehen.

Sie berühren nur mehr

Unsere Antennen‘2

Berthold Brecht, Deutscher Autor ‚Über das Frühjahr‘ (1928)

Das Motiv der Naturbeschreibung vereint die Weltliteratur - durch Raum und Zeit. Doch rund sechs

Jahrzehnte bevor Berthold Brecht in dem lyrischen Text ‚Über das Frühjahr‘ die abgeschwächte

Wahrnehmung von Naturvorgängen anprangert, wächst Anton Tschechow in der Südrussischen

Hafenstadt Taganrog in Abhängigkeit von eben diesen auf. Da beide seiner Eltern aus Bauernfamilien

stammen, hat der junge Anton keinerlei Zugang zum Luxus der sozioökonomisch stärkeren

Gesellschaftsklassen Russlands. Er erfährt die Urkraft der Russischen Naturgewalt in all seiner Stärke

und wird diesen Abschnitt in seinem Leben später als richtungsweisend bestimmen: ‚ Was die adligen

Schriftsteller von der Natur umsonst bekommen haben, das erkaufen sich die Rasnotschinzen auf

Kosten ihrer Jugend‘3. Zu diesem Zeitpunkt gilt der gesellschaftskritische Schriftsteller schon als

Meister der Erzählkunst4, ein Ruf, welchen Tschechow noch heutzutage in der Weltliteratur genießt5.

Dieses Renommee´ mag dem Autor nicht zuletzt deswegen zufallen, da die zeitlose Thematik der

Mutter Erde eine Vielfältigkeit an Rollen annimmt. So wirkt sie sowohl als Protagonist als auch als

1 Tabata, Kazumi. Secret Tactics: Lessons from the Great Masters of Martial Arts. 1st ed. Vol. 1. Boston: Tuttle Pub., 2003. 2 Friedl, Gerhard. EinFach Deutsch Unterrichtsmodelle Naturlyrik: Gymnasiale Oberstufe. Paderborn: Schoningh Verlag Im Westermann Schulbuchverlag, 2014. 3 Smirnov, Johanna Renate. Von Puschkin Bis Sorokin - Zwanzig Russische Autoren Im Portrat. Wien: Bohlau, 2013. 130. 4 Lentes, Jürgen. "Badenweiler Gedenkt Anton Tschechows." Russia Beyond the Headlines. July 17, 2014. Accessed March 10, 2015. http://de.rbth.com/lifestyle/2014/07/17/badenweiler_gedenkt_anton_tschechows_30343.html. 5 Scheel, Kurt. "Anton Tschechow: Die Steppe." Die Welt, August 19, 2000.

Page 5: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

5

antagonistische Kraft im Leben der Hauptfiguren6, wird sogleich in schöpferischer Schönheit7 und als

tückische Gefahr8 porträtiert und treibt die Handlung voran9. Dieser Aufsatz wird ergründen, wie der

‚größte Geist der ganzen Weltliteratur‘10 die berühmt-berüchtigte Russische Landschaft in seine

Erzählungen integriert.

Die Natur tritt im Verlauf der Erzählung ‚Der Student‘ in vier isolierten Instanzen in den

Vordergrund. Schon in den ersten Zeilen wird der Leser mit einer detaillierten Beschreibung gegrüßt.

Vergleichbar mit einem Theaterstück, malt Tschechow mit lebendiger Wortwahl (‚fröhlich‘ z.4; ‚Laut‘

z.3) den Hintergrund der Geschichte. Der Autor legt dem Publikum die Eingangssituation mit einem

Vergleich nahe (‚Als bliese jemand in eine Flasche‘ z.4) und unterstützt das Gefühl der Vitalität durch

mehrere Onomatopöien (‚Drosseln Schlugen‘ z.2, ‚hallte fröhlich‘ z.4). Dies steht jedoch im

Gegensatz zum Eintritt der Kälte, welche durch das zeitliche, absolute Adjektiv ‚plötzlich‘ (z.6)

eingeleitet wird. Die leblose Wortwahl (‚ausgestorben‘ z.9) wird durch eine Hyperbel unterstützt

(‚Nadeln aus Eis‘ z.8). Somit tritt die Landschaft sowohl in belebter Form, als auch als

unergründliches (‚irgendwie düster‘ S.1) Schreckgespenst auf. Tschechow personifiziert diese beiden

Aspekte (‚der Natur selbst sei es unheimlich‘ S.1) wobei der kalte Gesichtspunkt den ersten,

harmonischen Eindruck verdrängt (‚die Ordnung und Harmonie gestört‘ S.1) und diesem Furcht

einflößt.

Kurz darauf tut sich die Elementarkraft als antagonistische Gewalt hervor, indem sie dem Vater des

Studenten zu schaffen macht. Dieser leidet an einem Husten. Das Ausmaß dieser Kraft wird durch das

Partizip ‚sich vor Kälte zusammenkrümmend‘ (S.1) artikuliert.

Zum Dritten stößt jedoch die feindselige Temperatur Ivans‘ Reflektion zur Zeitlosigkeit der

Erzählkunst an (‚in genauso einer kalten Nacht‘ S.2). Der Parallelismus von Gegenwart und Zukunft

6 (Der Student) 7 (Das Glück) 8 (In der Schlucht) 9 (Herzchen) 10 Andrzej Szczypiorski Cechov, Anton Pavlovic, and Peter Urban. "Stimmen." In Flattergeist: Erzahlungen 1888-1892. Zurich: Diogenes-Verlag, 1976.

Page 6: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

6

bietet die Lehre von ‚Der Student‘. Ivan erreicht diese Moral nur, da er den Witwen die Geschichte des

Petrus schildert. Somit sind seine naturbegründeten Empfindungen Katalysator für reflektierende

Gedanken. Zum vierten Mal spielen Naturvorgänge im Schluss eine wesentliche Rolle. Das Gefühl der

Hoffnung, mit welchem der nur fünfseitige Text endet, wird Metaphorisch durch die Symbolik eines

Lagerfeuers (‚ruhig leuchtete das Feuer‘ S.4) verbildlicht. Der Kontrast der warmen Flammen

(‚Reisigfeuer brannte heiß‘ S.2) zu dem ‚totenstillen dunklen Garten‘ (S.4) wirkt als Korrelat zu den

emotionalen Empfindungen des Protagonisten.

‚Der Student‘ weist die Vielfältigkeit der Natur in Tschechows Prosatexten auf. Sowohl Freund als

auch Feind, bietet der unberechenbare Winter Grundlage und Hintergrund für eine rührende

Geschichte. Mitleid weckt die Sympathien des Lesers und die Naturbeschreibung zu Beginn beweist

das literarische Können des Schriftstellers.

Schwierigkeiten, wie diese, die dem Studenten sprichwörtlich die Stirn bieten, machen auch Olga

Semenova, oder ‚Herzchen‘ zu schaffen. Der Erzähler versetzt sein Publikum auf die Bühne der

Geschichte, indem er zuerst ein allbekanntes Naturphänomen onomatopoetisch vermittelt

(‚aufdringlich umschwirrten sie die Fliegen‘ S.1). Die Problematik, durch die undankbare Russische

Umgebung erzeugt, wird durch die hyperbolische wörtliche Rede Kukins‘ auf den Punkt gebracht

(‚Das ist zum Aufhängen‘ S.1). Der Leser darf nun eigene Schlussfolgerungen über das Wesen dessen

ziehen. Dieses Engagement weckt zudem die Aufmerksamkeit unsererseits. Der Schriftsteller

antagonisiert zum Teil die naturbasierten Empfindungen, durch die ironische Äußerung des

Unternehmers (‚Soll doch der ganze Park versaufen‘ S.1) und durch Wiederholungen (‚und am dritten

Tag das Gleiche…‘ S.2). Die Allgegenwärtigkeit der Tier- und Pflanzenwelt für

einkommensschwache Russen zeigt Tschechow in einer Symbolik auf. Um Olgas Wesen auf den

Punkt zu bringen, vergleicht er sie mit einer Henne (‚die ebenfalls die ganze Nacht nicht schlafen (…)

wenn kein Hahn im Stall ist‘ S.4). Anstatt eine spezifisch Russische Symbolik anzusprechen, erwähnt

der Autor ein universelles Element der Mutter Erde. Sprachliche Wendungen wie diese machen die

‚Meistererzählungen‘ für ein weltweites Publikum zugänglich. ‚Herzchen‘ lässt zudem den

Page 7: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

7

analogischen Wert der Natur als gestaltendes Mittel erkennen. Um Olgas Einsamkeit zu vermitteln,

reduziert der Erzähler ihren Tagesplan zu einem isolierten Naturrythmus (S.9) und korreliert den ‚mit

Unkraut und Brennnesseln bewachsenen‘(S.9) Hof mit dem Zustand ihrer Seele. Letztlich erzeugt die

beiläufige Umgebungsbeschreibung eine Abwechslung von der Primärthematik (‚An einem heißen

Juliabend…‘ S.11). Somit wird eine mögliche Eintönigkeit der Problematik vermieden.

In dieser Kurzgeschichte treibt die bereits erwähnte Naturgewalt die Handlung voran. ‚Herzchen’

verliert durch eine Krankheit nach der anderen ihre Liebschaften, und ist somit gezwungen, sich einem

neuem Menschen zu widmen. Weiterhin formen die gängigen ökologischen Vorgänge einen Kontrast

zu Olgas‘ einzigartigem Wesen und der Erzähler wendet sich zur Abwechslung einem allbekanntem

Motiv zu.

Die Novelle ‚Die Dame mit dem Hündchen‘ ist in mehrerlei Hinsicht einzigartig im Register

Tschechows. Ein in sich abgerundetes Fazit bleibt zwar wie in zahlreichen anderen Kurzgeschichten

aus11 12, jedoch ist diesmal kein einkommensschwacher Bürger Hauptfigur. Gurov -ein wohlhabender

Moskauer - nimmt ferner die Natur nur beiläufig war. Im Zuge seiner Schilderungen erwähnt er

‚Ausflüge in die Berge‘ (S.3) ohne diese jedoch zu illustrieren. Außerdem zeigt sich, dass ‚Die Dame

mit dem Hündchen‘ mehr Gewicht auf Aspekte des menschlichen Wesen legen wird: Die

Naturbeschreibung zu Beginn bleibt aus. Als sich Gurov jedoch in Anna verliebt, verstärkt sich seine

Empfindsamkeit gegenüber Flora und Fauna, wie in der Synästhesie ‚ein Hauch von dem Duft und der

Feuchtigkeit der Blumen umfing ihn‘ (S.5). Wiedermals sind Naturvorgänge Symptome für

emotionale Entwicklungen. Der auf Seite vier erwähnte Durst (‚In den Zimmern herrschte drückende

Schwüle (…) Den ganzen Tag über empfand man Durst‘ (S.4)) steht anthropomorphisch für Gurovs

Liebeshunger. Das Indefinitpronomen ‚man‘ verallgemeinert den Sinneseindruck und rückt den Leser

in den Mittelpunkt der Erzählung. Während die Zuneigung zwischen beiden Protagonisten wächst,

finden sich in größerer Zahl positiv wertende Adjektive und Adverbien in Bezug auf die Landschaft

(‚märchenhafte Umgebung‘ S.8; ‚schön und großartig‘ S.9). Die nunmehr hyperbolische

11 (‚Das Glück‘) 12 (‚Ein Fall aus der Praxis‘)

Page 8: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

8

Ausdruckweise repräsentiert einen Charakterwandel. Klangliche Mittel (‚das eintönig dumpfe Brausen

des Meeres‘ S.8) sowie Alliterationen (‚Zikaden zirpten‘ S.8) begleiten sentimentale Euphemismen

(‚der ewige Schlaf, der uns erwartet‘ S.8). Weiterhin ist die Natur Symbolik für erwiderte Liebe,

unabhängig des kulturellen Hintergrunds (‚ein Wind des Schicksals‘ S.9). Liebe an sich ist ein

persönliches Phänomen, ihre Symbolik regt in einem jeden Menschen jedoch gänzlich persönliche

Reaktionen. Somit komplettiert der Leser die Geschichte mit dem fehlenden subjektiven Element. Als

der mittlerweile liebestolle Mann Anna verliert, spiegelt sich seine Einsamkeit in der kalten, stillen

Umgebung wieder (Wiederholung von ‚weiß‘ S.11; ‚frieren‘ S.11). Die Geliebten scheinen dem Leser

verständlicher, da er/sie selbst zuteilst deren moralischen, inneren Konflikt erzeugt.

Außerdem zeigt sich Russlands Landschaft von seiner schönsten Seite (‚Die alten weißbereiften

Linden und Birkenhaben so ein gutmütiges Aussehen bekommen‘ S.11). Gurov nimmt die zauberhafte

Schönheit war, da er als Mitglied der höheren Gesellschaftsschichten nicht die tödliche Kehrseite des

Winters empfindet. Tschechow äußert somit die Gesellschaftskritik, dass die wohlhabenden Russen

die Naturgewalt bezähmt haben mögen, die ärmeren Schichten dies nichts desto trotz nicht erleben.

Zu guter Letzt dient die ausdrucksvolle Umgebungsschilderung dem Tempo der Kurzgeschichte. Sie

bietet sprichwörtliche ‚Verschnaufpausen‘.

Schon in diesen drei Kurzgeschichten nimmt die Natur eine Vielzahl von Rollen ein. Eingesetzt

sowohl als Freund und Feind, vermittelt Anton Tschechow die Unberechenbarkeit der Russischen

Naturgewalt, besonders des Winters. Dieser ist zwar unheimlich schön13 doch tödlich zugleich14. In

unserer der Epoche der Moderne rückt vor allem der Naturverlust in dem Mittelpunk des

schriftstellerischen Handwerks15. Zu seiner eigenen Epoche jedoch, hinterfragte Anton Tschechow die

Kontrolle, welche Homo Sapiens scheinbar über seinen Planeten erlangt hatte. Einmal bei Mutter Erde

13 (‚Die Dame mit dem Hündchen‘) 14 (‚Herzchen‘) 15 Charlotte, Wehrspaun, and Wehrspaun Michael. "Von Der Paradoxie Des Fortschritts Zum Unvermittelten Leitbild." Wissenschaftszentrum Berlin Für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt Technik - Arbeit - Umwelt, Forschungsprofessur 1 (2002): 10. Accessed March 5, 2015. http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/11286/ssoar-2002-wehrspaun_et_al-von_der_paradoxie_des_fortschritts.pdf?sequence=1.

Page 9: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

9

in Ungnade gefallen, kann keine Figur ihren Auswirkungen entrinnen, wie sich Kukin und Ivans‘

Vater schmerzlich bewusst werden. Zugleich bieten Naturvorgänge die Lebensgrundlage des

Russischen Volkes16. Das Bildnis, welches Tschechow malt, ist wie folgt: Nicht der Mensch hat sich

die Erde untertan gemacht, er ist ihrer Gnade schutzlos ausgeliefert. Sie ist wunderschön, in einer

uralten, unberechenbaren Art und Weise, und muss respektiert werden.

Von einer erzählerischen Perspektive setzt Anton Tschechow die Naturbeschreibung als literarisches

Werkzeug ein. Zuerst bietet sie einen malerischen Hintergrund für die Handlung. Die oftmals

magische Schilderung der Umgebung misst der erzählten Geschichte eine zusätzliche Gewichtigkeit

zu. Weiterhin erzeugt die durchdachte Beschreibung, in ihrer künstlerischen Bildhaftigkeit und

sprachlichen Komplexität, eine erste Atmosphäre17 18. In der Erzählkunst heißt es: ‚Eine gute

Geschichte versetzt den Leser in eine andere Welt‘19 . Tschechow nutzt die Naturbeschreibung, dies zu

erreichen. Zum Dritten bieten Naturvorgänge Handlungsgrundlagen in großer Zahl20 21 und sind in der

Konsequenz ein sprichwörtliches Fundament des Geschehens.

Zuletzt schöpft der Erzähler aus den reflektierenden Attributen der Naturbeschreibung. Im Zuge von

‚Die Dame mit dem Hündchen‘ und ‚Der Student‘ sind Naturvorgänge Leitindikatoren für das innere

Wesen eines Protagonisten. Tschechow listet nicht deren Gefühlszustände auf, sondern lässt das

Publikum den Seelenzustand der Figur erarbeiten. Wie bereits erwähnt, fügen wir somit der Fabel das

fehlende subjektive Element hinzu. Dies mag einer der Gründe sein, warum die Texte des ehemaligen

Bauernjungen so universell beliebt sind. Ein jedermann schließt das Meisterwerk Tschechows mit

seiner ganz eigenen Dekoration ab. Eine Eigenart Tschechows, die sich auch auf einer Ebene der

Handlung finden lässt: Bis auf ‚Krankenzimmer Nr. 6‘ findet sich keine Kurzgeschichte, in der

Tschechow selbst sprichwörtlich den letzten Nagel in den Sarg hämmert.

Obwohl das Lebenswerk des Anton Tschechow in Anbetracht der Missstände des kaiserlichen

Russlands verfasst wurde, ist der Schriftsteller noch heutzutage beliebt. Das Motiv des Eskapismus in

16 (‚Das Glück‘) 17 (‚Der Student‘) 18 (‚Die Dame mit dem Hündchen‘) 19 Gruber, Peter. "Die Macht Von Geschichten." Harvard Business Manager Heft 3/2008, March 1, 2008. 20 (‚Herzchen‘) 21 (‚Der Student‘)

Page 10: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

10

der modernen Literatur22 trägt ihren Teil zu dieser Popularität bei. In einer grauen, realistischen Welt

empfindet der Leser Sehnsucht nach einer ungebändigten Natur.

22 Bitomsky, Frauke. "Fremde Welten: Fantasy-Romane Boomen - Liber Laetitia." Liber Laetitia. December 12, 2014. Accessed March 10, 2015. http://liber-laetitia.de/blog/fantasy-romane-boomen/.

Page 11: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

11

4) Bibliographie:

I) Bücher

Cechov, Anton Pavlovic, and Peter Urban. "Stimmen." In Flattergeist: Erzahlungen 1888-1892.

Zürich: Diogenes-Verlag, 1976.

Friedl, Gerhard. EinFach Deutsch Unterrichtsmodelle Naturlyrik: Gymnasiale Oberstufe. Paderborn:

Schöningh Verlag Im Westermann Schulbuchverlag, 2014.

Smirnov, Johanna Renate. Von Puschkin Bis Sorokin - Zwanzig Russische Autoren Im Portrat. Wien:

Böhlau, 2013. 130.

Tabata, Kazumi. Secret Tactics: Lessons from the Great Masters of Martial Arts. 1st ed. Vol. 1.

Boston: Tuttle Pub., 2003.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "Das Glück." In Erzählungen. 2nd ed. Vol. 1. Stuttgart: Reclam,

2013.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "Der Student." In Meistererzählungen. Zürich: Diogenes, 1989.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "Die Dame Mit Dem Hündchen." In Meistererzählungen. Zürich:

Diogenes, 1989.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "Ein Fall Aus Der Praxis." In Erzählungen. 2nd ed. Vol. 1. Stuttgart:

Reclam, 2013.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "Herzchen." In Meistererzählungen. Zürich: Diogenes, 1989.

Tschechow, Anton Pawlowitsch. "In Der Schlucht." In Erzählungen. 2nd ed. Vol. 1. Stuttgart: Reclam,

2013.

II) Andere Quellen

Page 12: Werkzeug und Kunstwerk der Meistererzählers - Anton Tschechow und die Russische Natur

12

Lentes, Jürgen. "Badenweiler Gedenkt Anton Tschechows." Russia Beyond the Headlines. July 17,

2014. Accessed March 10, 2015.

http://de.rbth.com/lifestyle/2014/07/17/badenweiler_gedenkt_anton_tschechows_30343.html.

Bitomsky, Frauke. "Fremde Welten: Fantasy-Romane Boomen - Liber Laetitia." Liber Laetitia.

December 12, 2014. Accessed March 10, 2015. http://liber-laetitia.de/blog/fantasy-romane-boomen/.

Charlotte, Wehrspaun, and Wehrspaun Michael. "Von Der Paradoxie Des Fortschritts Zum

Unvermittelten Leitbild." Wissenschaftszentrum Berlin Für Sozialforschung, Forschungsschwerpunkt

Technik - Arbeit - Umwelt, Forschungsprofessur 1 (2002): 10. Accessed March 5, 2015.

http://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/11286/ssoar-2002-wehrspaun_et_al-

von_der_paradoxie_des_fortschritts.pdf?sequence=1.

Gruber, Peter. "Die Macht Von Geschichten." Harvard Business Manager Heft 3/2008, March 1,

2008.

Scheel, Kurt. "Anton Tschechow: Die Steppe." Die Welt, August 19, 2000.