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Friedrich der Siegreiche (1425–1476) Beiträge zur Erforschung eines spätmittelalterlichen Landesfürsten herausgegeben von Franz Fuchs und Pirmin Spieß ELEKTRONISCHER SONDERDRUCK Neustadt an der Weinstraße 2016 Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung

Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner Vorgänger

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Friedrich der Siegreiche(1425–1476)

Beiträge zur Erforschung einesspätmittelalterlichen Landesfürsten

herausgegeben vonFranz Fuchs und Pirmin Spieß

ELEKTRONISCHERSONDERDRUCK

Neustadt an der Weinstraße 2016

Selbstverlag der Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung

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ISSN 1432-9298ISBN 978-3-942189-16-3

Stiftung zur Förderung der pfälzischen Geschichtsforschung,Heinestraße 3, 67433 Neustadt an der Weinstraße

GesamtherstellungDruckmedien Speyer GmbH, Heinrich-Hertz-Weg 5, 67346 Speyer

Bibliografische Information Der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Natio-nalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.ddb.de abrufbar.

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InhaltGeleitwort V

VorwortVII

Jan Dirk MüllerFriedrich der Siegreiche (1449–1476) und der Heidelberger FrühhumanismusOder: Was heißt eigentlich ,Frühhumanismus‘? 1

Tobias DanielsZur Bedeutung der Juristen für die Herrschaftslegitimation und PolitikFriedrichs des Siegreichen. Die diplomatischen Aktivitäten desJohannes Hofmann von Lieser 25

Volker RödelFriedrichs des Siegreichen Stellung im Reich 49

Jörg SchwarzZu den diplomatischen Beziehungen zwischen Pfalzgraf Friedrich demSiegreichen (†1476) und Herzog Karl dem Kühnen von Burgund (†1477)... le conte palatin du Rin, lequel est nostre alyé. 73

Klaus-Peter SchroederDie Reform der pfälzischen Hohen Schule zu Heidelberg unter KurfürstFriedrich I. im Jahr 1452Das hinfure die universitet [...] ire sachen dester fridelicher undforderlicher ußgericht werden. 103

Thorsten HuthwelkerDie Grablege und das Begängnis Friedrichs des Siegreichen alsAusdrucksformen seines Rangs 119

Carla MeyerIm Schatten eines siegreichen Nachbarn? Die Württemberger undFriedrich I. von der Pfalz 141

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Hans AmmerichFriedrich der Siegreiche und Pfalz–Zweibrücken unter Ludwig I.,dem Schwarzen.Die Auseinandersetzung der beiden Neffen um territoriale Vorherrschaftund die Anfänge der Staatsbildung in Pfalz-Zweibrücken 175

Thorsten UngerFriedrich der Siegreiche und der Weißenburger Kriegdan wir haben nichts ungeburlichs gehandelt und wissen auch des gutverantworten 191

Olaf WagenerBelagerungskriegführung unter Friedrich dem SiegreichenEyner schoss vund der ander warff / mit manchen grossen steinen scharff 211

Joachim KemperZur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichen und seiner VorgängerPer brachii saecularis auxilium? 271

Christian ReinhardtDie Kurfürsten Friedrich I. und Philipp und ihre Städte am Rhein und in derOberpfalz. Eine Betrachtung des Herrschaftsverhältnisses (1449–1504/5)... die trefflichsten nutzung, wir von Heidelberg han ... 281

Pirmin SpießFriedrich I. und Friedrich III. – der Pfalzgraf und der Kaiser im Spiegelihrer Privilegien für Neustadt 311

Franz FuchsFriedrich der Siegreiche und der Amberger Aufstand 1453/54 325

Abkürzungsverzeichnis 341Orts- und Personenregister 343Autoren 363

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* Für den folgenden Beitrag wurde die Vortragsfassung weitgehend beibehalten, diefür den Druck nur geringfügig überarbeitet und mit den nötigsten Anmerkungenversehen wurde. Für weitere Einzelnachweise sei auf die in Anm. 2 angeführte Mo-nographie des Autors verwiesen.

1 Richard LOSSEN, Staat und Kirche in der Pfalz im Ausgang des Mittelalters (Vorre-formationsgeschichtliche Forschungen 3), Münster 1907; zur Person des Autors vgl.Johann Emil GUGUMUS, In memoriam Richard Lossen, in: Archiv für mittelrheini-sche Kirchengeschichte 4 (1952), S. 366.

2 Als Beispiele seien hier lediglich angeführt: Thorsten HUTHWELKER, Tod und Grab-lege der Pfalzgrafen bei Rhein im Spätmittelalter (1327–1508) (Heidelberger Veröf-fentlichungen zur Landesgeschichte und Landeskunde 14), Heidelberg 2009; Thors-ten UNGER, Klingenmünster und die Kurpfalz im 15. und 16. Jahrhundert. Untersu-chungen zum Aspekt „Stift und Herrschaft“ am Beispiel eines ländlichen Kollegi-atsstifts, Neustadt a. d. Weinstraße 2009; Joachim KEMPER, Klosterreformen im Bis-tum Worms im späten Mittelalter (QAmrhKg 115), Mainz 2006.

3 Dieter STIEVERMANN, Landesherrschaft und Klosterwesen im spätmittelalterlichenWürttemberg, Sigmaringen 1989.

Zur Klosterpolitik Kurfürst Friedrichs des Siegreichenund seiner Vorgänger*

Per brachii saecularis auxilium?

Joachim Kemper

1. Einführung„Staat und Kirche in der Pfalz imAusgang des Mittelalters“, so lautet der Titel derFreiburger Dissertation von Richard Lossen. Die Arbeit des Autors ist, wiewohlim Jahr 1907 erschienen, immer noch in der pfälzischen Landes- und Kirchenge-schichte ein Begriff und wird rezipiert.1 Lossen hat erheblich aus den Archivquel-len heraus gearbeitet und ein immer noch brauchbares Nachschlagewerk zurFrage des Verhältnisses der Kurpfalz zur „Kirche“ (namentlich den BistümernSpeyer und Worms) sowie besonders zu den Klöstern der Region vorgelegt.Selbstverständlich ist die Forschung nicht stehen geblieben, besonders in letzterZeit gab es doch eine ganze Reihe neuer Publikationen.2 Im Umfeld der großenMannheimer Wittelsbacher-Ausstellung ist ebenso einiges zu erwarten. Lossenlieferte, dies sei festgehalten, keine einfache Tendenzschrift im Sinne vorreforma-tionsgeschichtlicher Arbeiten über das landesherrliche Kirchenregiment im spätenMittelalter. Eine neuere territorial-landesgeschichtliche Arbeit zum Klosterwesenin der Kurpfalz im späten Mittelalter, wie sie für Württemberg z.B. von DieterStievermann erarbeitet worden ist,3 ist freilich immer noch ein Desiderat.

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4 Vgl. Edeltraud KLUETING, Monasteria semper reformanda. Kloster und Ordensrefor-men im Mittelalter (Historia profana et ecclesiastica 12), Münster 2005, S. 9.

5 Kaspar ELM, Verfall und Erneuerung des Ordenswesens im Spätmittelalter. For-schungen und Forschungsaufgaben, in: Untersuchungen zu Kloster und Stift, hg. v.Max-Planck-Institut für Geschichte, Göttingen 1980, S. 188–238.

6 Hier wirkte seit der Reform mit Nikolaus Caroli lange Jahre einer der Führer deroberdeutschen Franziskanerobservanten, die Beteiligung an auswärtigen Reformenwar also vorprogrammiert (etwa in Heilbronn oder auch in Oppenheim); in Kreuz-nach gründete Friedrich 1470/1472 gleich von Grund auf ein observantes Franzis-kanerkloster. Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 63f.; LOSSEN, Staatund Kirche (wie Anm. 1), S. 155–157 u. 164f.

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Der vorliegende kleine Beitrag beschäftigt sich mit der Klosterpolitik Friedrichsdes Siegreichen und seiner beiden Vorgänger, also der kurpfälzischen Klosterpo-litik im späten Mittelalter. Bereits am einleitenden Zitat, das normalerweiseohne Fragezeichen auskommt,4 ist zu erkennen, wohin der „Weg“ führt: Vogtei-rechte, die Ausübung der Schirmvogtei und anderer Schutz- und Gerichtsrechte,Hilfestellungen im Kriegsfall, Atzung und Beherbergung, und eben Eingriffe indas innere Leben von Konventen – Klosterpolitik ist im späten Mittelalter Teilder landesherrschaftlichen Durchdringung des Territoriums. Sie kulminiert undzeigt sich sehr eindringlich im Fall von Klosterreformen, aber auch in der Zu-sammenarbeit der Landesherren mit Reformkongregationen oder mendikanti-schen Observanzbewegungen. Dies gilt auch für die Kurpfalz.Das von Kaspar Elm geprägte Wortpaar „Verfall und Erneuerung“ ist im Or-denswesen kein Phänomen, welches nur im späten Mittelalter festzustellen ist –es ist eher ein Grundzug von Anfang an (und letztlich bis hin zur Gegenwart).5Zumal im späten Mittelalter ist die landesherrliche Durchführung oder zumin-dest Unterstützung von Reformen und Reformern geradezu ein stabilisierenderFaktor. Fürstliche (oder alternativ z.B. reichsstädtische) Kirchen- und Kloster-politik ist immer auch Teil der Territorialpolitik.Es stellt sich auch die Frage, welche Rolle neben den weltlichen Motiven diegeistlich-religiösen spielten, also etwa die persönliche Frömmigkeit eines Kur-fürsten, der Hang zu einer bestimmten Observanzrichtung. Problematisch ist da-bei nur: wer will schon ganz unbesehen einem pfälzischen Hofchronisten ver-trauen (Michel Beheim), wenn es um die Schilderung von Religiosität und Re-formeifer geht? Und ähnlich: wer will schon einem begeisterten süddeutschenReformchronisten wie dem Dominikaner Johannes Meyer so einfach glauben,wenn dieser den Reformeifer und die religiöse Gesinnung Pfalzgraf LudwigsIII. rühmt? Dennoch: der Hang dieses Pfalzgrafen zu den Dominikanerobser-vanten ist ebenso offensichtlich und kein Zufall wie später die Förderung derFranziskanerobservanten durch Friedrich den Siegreichen (besonders gut zu er-kennen am bereits 1426 reformierten Heidelberger Franziskanerkloster, dasFriedrich ja auch als Grablege wählte und förderte6).

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7 Vgl. zur Frankenthaler Reform KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 290–301(mit ausführlichen Nachweisen, Quellen und weiterer Literatur).

8 Zusammenfassend zur Windesheimer Kongregation: Wilhelm KOHL, Die Windeshei-mer Kongregation, in: Reformbemühungen und Observanzbestrebungen im spätmit-telalterlichen Ordenswesen, hg. v. Caspar Elm (Berliner Historische Studien 14),

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Der eventuell Widerstand leistende Teil eines Konvents (wenn nicht gar sämtli-che Klosterinsassen sich gegen Reformeingriffe ablehnend verhielten) bleibt sehrhäufig in den Schriften der Reformer ohne Erwähnung. Neuzeitliche Kirchen-und Ordenshistoriker haben nicht selten die Sichtweise der Reformer übernom-men. Von den Motiven der Gegner hören oder lesen wir (viel zu) selten.Im Folgenden wird zunächst eine der vielen Reformen Friedrichs des Siegrei-chen ausführlicher geschildert (Pt. 2) – es handelt sich, wenn man so will, umeine unspektakuläre, „durchschnittliche“ Klosterreform, die aber gerade deshalbviele Elemente, Motive und Ergebnisse in typischer Weise zeigt und deshalb fürsich stehen kann. Dann folgt ein kurzer Blick auf die beiden Vorgänger Fried-richs (Pt. 3). Anschließend folgen ein Überblick zu den Reformeingriffen Fried-richs (Pt. 4) und ein knappes Fazit (Pt. 5).

2. Die Reform des Klosters Großfrankenthal im Jahr 1468 – ein BeispielDas im 12. Jahrhundert gegründete Frankenthaler Chorherrenstift („Großfran-kenthal“) kann bis gegen Ende des 14. Jahrhunderts als „Hauskloster“ der Bi-schöfe von Worms bezeichnet werden, doch wurde der pfälzische Einfluss im-mer dominanter: Als 1454 der Frankenthaler Konvent ausdrücklich die Schirm-vogtei der Kurpfalz über das Kloster bestätigte, wiesen die Klosterinsassen da-bei auf die lange Existenz des Schirmverhältnisses hin.7Wie in vielen anderen Klöstern bildete die schlechte ökonomische Situation of-fensichtlich den Hauptgrund für einen Eingriff, der 1468 erfolgte. Die bezüglichder Reform ausgestellten Schriftstücke sprechen – man möchte fast meinen: na-türlich – auch von einem „sittlichen“ Niedergang des Klosters. Frankenthalhatte jedenfalls erhebliche Schulden, es war gerade zu Beginn der 1460er Jahrein den Kriegen Friedrichs des Siegreichen schwer geschädigt worden. Auch diewenige Jahrzehnte zuvor erfolgte Inkorporation des aufgelösten FrankenthalerFrauenklosters („Kleinfrankenthal“) hatte anscheinend wenig positive Auswir-kungen.Wer waren die Akteure der Reform von 1468? Kurfürst Friedrich und derebenso reformorientierte Wormser Bischof Reinhard von Sickingen (1445–1482) agierten gemeinsam mit Chorherren der zum damaligen Zeitpunkt in dernäheren Umgebung bzw. mit musterhaften Konventen (in Höningen und Kirsch-garten bei Worms) vertretenen Windesheimer Kongregation.8 Friedrich befreitedas Kloster im April 1468 von verschiedenen Abgaben und Belastungen und

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Berlin 1989, S. 83–106. Zu den Reformen und Konventen der Windesheimer im Un-tersuchungsraum ausführlich: KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 207–350.

9 Zitiert nach der „Kirschgartener Chronik“. Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wieAnm. 2), S. 237 u. Anm. 850.

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wies dabei deutlich auf seine Bitte um eine Reform an die Windesheimer hin,während der Bischof das Kloster förmlich an die Windesheimer übergab. Be-reits vor dieser Übergabe (oder vielmehr: als Bedingung dafür) war der amtie-rende Abt zurückgetreten. Er übergab das Kloster an den Kirschgartener PriorBerthold Scharm. Kirschgarten, das ja nur wenige Kilometer entfernt lag, warnach Angabe der Kirschgartener Chronik auf kurfürstliche und bischöflicheBitte hin mit der Durchführung der Reform betraut worden. Das Zusammen-spiel von weltlicher und bischöflicher bzw. monastischer Seite funktionierte inFrankenthal auch deshalb so gut, weil die Akteure in das pfälzische Rats- undKlientelsystem eingebunden waren. Dies gilt nicht nur für den Bischof, bei demja der Familienname fast Hinweis genug ist, sondern auch für den Kirschgarte-ner Prior: Berthold Scharm scheint neben seinem offensichtlichen Einfluss ingeistlichen Dingen zumindest einmal in diplomatischer Mission für Friedrichaktiv gewesen zu sein (1471, Regensburg). Bei seinem Nachfolger als Prior, Jo-hann von Sonsbeck (1473–1482), wird diese Tätigkeit noch offensichtlicher:Multum apud principem palatinum auditus, ad quem etiam in colloquiis secretisvocatus fuit.9Die Kirschgartener Reformer kümmerten sich zunächst um die finanziellen Pro-bleme des Klosters. Berthold Scharm hatte bereits 1467 Gläubigern von Fran-kenthal 200 Gulden ausgezahlt und dafür aus Frankenthal als Pfand mehrereHandschriften erhalten. Zur Reform nahm man 300 Gulden als Kredit auf. DasKirschgartener Rechnungsbuch (heute: Stadtarchiv Worms) vermerkt auch, dasssich Prior und Bischof in causa Frankenthal in den bischöflichen ResidenzenDirmstein und Ladenburg trafen. Bischof Reinhard selbst wird als Akteur derReform noch mehrfach im Rechnungsbuch erwähnt – er ließ bald auch eineneue Gästestube in Frankenthal errichten.Neu in das Kloster entsandt wurden neben Kirschgartener Chorherren auchChorherren aus dem reformeifrigen Windesheimer Konvent in Böddeken (West-falen). Erster Prior nach der Reform wurde ein Kirschgartener Chorherr. Dervon seinem Amt zurückgetretene Abt musste sich nicht der Reform unterwerfen,er wurde mit Einkünften in Dirmstein abgefunden; auch weitere Mitglieder desKonvents verließen Frankenthal und schlossen sich wohl anderen Klöstern an.Den geistlichen Abschluss der Reform markierte das Versprechen des Franken-thaler Konvents, die Reformmaßnahmen einzuhalten.Die wirtschaftliche Besserung der Situation gestaltete sich als gegenseitiges Ge-ben und Nehmen – in Bezug auf die Kurpfalz. Der Kurfürst gewährte wirt-schaftliche Vergünstigungen, die nur für den Fall, dass der Konvent der Windes-

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10 Vgl. hierzu KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 299f.

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heimer Kongregation und der neuen Ordnung treu bleiben würde, gelten sollten(unter anderem Befreiung von Frondiensten, von Bede und Schatzung, von derStellung von Wagen und Fuhrlasten im Kriegsfall, von der Atzung für Jäger undHunde des Kurfürsten). Der Konvent übertrug dem Kurfürsten darauf das halbeDorf und Gericht Eppstein (für die andere Hälfte existierte bereits pfälzischeLehnsherrschaft), die Fährrechte des Klosters südlich am Rhein (bei Oppau)und eine Herberge in der Nähe des Klosters. In einem weiteren „Geschäft“wurde dem Kurfürsten von einer Kaufsumme für Wiesen im Rechtsrheinischenein Teil erlassen, weil der Kurfürst wiederum Eigengüter des Klosters von Steu-ern befreit hatte. Der Kauf der Wiesen (für 900 Gulden) war ausdrücklich zurSchuldendeckung erfolgt, die Urkunde spricht von sweren, merglichenschulden.Hatten die umfassenden Maßnahmen im Zuge der Klosterreform Erfolg? Diewirtschaftlich-finanzielle Sanierung scheint erfolgreich gewesen zu sein. Nach1469 ist von Notverkäufen großer Besitzungen nichts bekannt, der verbliebeneGrundbesitz war immer noch so groß, dass gegen Ende des Jahrhunderts dieKonventsstärke Frankenthals die des „Mutterkonvents“ Kirschgarten überholthatte: 23 Chorherren und 20 Konversen sowie 30 Bedienstete sind festzustellen,was erheblich mehr als in Kirschgarten ist (mit 29 Religiosen).Anzeichen für ein Wirken der Windesheimer devotio moderna in Frankenthalund demnach für eine innere Erneuerung lassen sich ebenfalls finden. In Fran-kenthal ist namentlich eine Neuorganisation und ein Ausbau der Bibliothek zukonstatieren: der gesamte Bestand wurde nach der Reform mit einheitlichen Be-sitzvermerken versehen und geordnet sowie erweitert.10 In Frankenthal lebte mitWilhelm von Velde gegen Ende des 15. Jahrhunderts auch ein Gelehrter, dessenSchriften jedoch weitgehend verloren sind.

3. Ein Vorlauf? Klosterreformen unter Ludwig III. und Ludwig IV.In der Historiographie haben Pfalzgraf Ludwig III. (1410–1436) und besonderssein Sohn Ludwig IV. (1436–1449) den „Kürzeren“ gegenüber Friedrich gezo-gen. Genauso erscheinen ihre Bemühungen im kirchlich-klösterlichen Feld eherwie ein Vorlauf zu Friedrich, der anscheinend nicht nur in seinen Kriegen durch-setzungsfähiger erscheint. Doch dies trügt bzw. muss zumindest etwas korrigiertwerden. Die beiden Vorgänger des „Siegreichen“ gingen durchaus planmäßigvor. Ludwig III. unterstützte die Reform der Dominikaner mit Vehemenz.Exemplarisch hierfür stehen die Reformen in den beiden Frauenklöstern des Or-dens bei Worms (Liebenau und Maria Himmelskron), die 1425 und 1429 erfolg-ten. Die enge Bindung der Konvente an die Kurpfalz drückte sich nach der Re-

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11 Vgl. ebd., S. 147–150.12 Vgl. ebd., S. 354–357.13 Vgl. ebd., S. 104–108 u. ö. (Register).14 Vgl. LOSSEN, Staat und Kirche (wie Anm. 1), S. 158.15 Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 358.

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form durch eine wirtschaftliche Förderung und vor allem auch personell aus:Die Zahl der Nonnen wuchs beträchtlich; wir können einen Umstand feststellen,der eher von den Domkapiteln Speyer oder Worms bekannt sein dürfte: die ad-lige Klientel der Pfalzgrafen aus dem Rechtsrheinischen ist stark in den Kon-venten nachzuweisen – und besonders in Liebenau sind auch mehrere pfalzgräf-liche Nonnen vertreten (Ludwig III. übergab z.B. 1425 seine Schwester undeine Tochter an Kloster Liebenau). Die enge Bindung der beiden Frauenklösteran die Kurpfalz zeigte sich später auch unter Friedrich dem Siegreichen noch inanderer Form (beide Konvente wurden in die Kriege des Pfälzers hineingezogenund geschädigt).11Doch zurück zu Ludwig III.: Er hatte ja bereits 1420 eine päpstliche Bulle er-wirkt mit einem Auftrag an den Abt von Maulbronn, sämtliche Klöster jeglichenOrdens in der Kurpfalz zu visitieren und zu reformieren, wenn nötig mit Hilfedes weltlichen Armes. Von einem Erfolg hören wir aus Königsbrück bei Hage-nau, dann wohl auch aus Eußerthal, wo die Äbte von Schönau, Otterberg undBebenhausen eine Reformordnung einführten.12Der umfassend gemeinte Reformbefehl Ludwigs III. wurde 1425 wiederholt, alsLudwig seinen Amtleuten die Unterstützung des Dominikaners Peter von Gen-genbach gebot. Peter wurde ebenfalls mit einem umfassenden Reformmandatausgestattet, und war immerhin neben den Reformen in Liebenau und MariaHimmelskron auch bei der Reform der Heidelberger Franziskaner 1426 beteiligt– und wohl auch bei einer Reihe weiterer Reformversuche (Neuburg und Lo-benfeld bei Heidelberg?), zuletzt 1447 bei der Reform des Wormser Dominika-nerklosters.13Das Interesse Ludwigs IV. wiederum galt besonders den Windesheimer Chor-herren, die mit seiner Unterstützung 1443 im ehemaligen Zisterzienserinnen-kloster Kirschgarten bei Worms Fuß fassen konnten und von dort aus im Sinneder Windesheimer einflussreich wirkten.14 Verschiedene Reformen und Neu-gründungen bezogen sich dabei auch auf Frauenkommunitäten. Kirschgartenlag unmittelbar vor den Mauern der Stadt Worms, Ludwig beanspruchte dieSchirmvogtei. Mit drei weiteren Reformversuchen in Klöstern in den FreienReichsstädten Speyer und Worms versuchte er anscheinend, den pfälzischenEinfluss zu steigern: 1442 scheiterte nachgerade spektakulär ein Reformversuchim Speyerer Dominikanerinnenkloster, 1446 im Wormser Zisterzienserinnen-kloster Nonnenmünster15 – in diesem Fall wird der Widerstand der Nonnen undder Reichsstadt sehr deutlich in den Quellen sichtbar. 1447 erfolgte in Worms

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16 Vgl. ebd., S. 115–129 bzw. 352–398; Martin ARMGART, Ein fehlgeschlagener Re-formversuch des Speyerer Dominikanerinnen-Klosters im Jahre 1442, in: PalatiaHistorica. Festschrift für Ludwig Anton Doll zum 75. Geburtstag, hg. v. PirminSpieß (QAmrhKg 75), Mainz 1994, S. 247–277.

17 Vgl. hierzu besonders LOSSEN, Staat und Kirche (wie Anm. 1); KEMPER, Klosterre-formen (wie Anm. 2), S. 39–73 u.ö.

18 Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 301.19 Vgl. ebd. S. 302ff.20 Vgl. ebd. S. 308f.21 Vgl. ebd. S. 314f.22 Vgl. ebd. S. 39f.

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immerhin mit Hilfe des Kurfürsten die Reform des Dominikanerklosters.16 DassNonnenmünster und die Speyerer Dominikanerinnen dann später unter KurfürstFriedrich reformiert werden konnten, spricht für seine starke Stellung gegenüberden beiden Städten.

4. Reformeingriffe unter Kurfürst FriedrichFriedrich förderte aus der Perspektive der von Reformen betroffenen Möncheund Nonnen betrachtet, fast alle einflussreichen bzw. regional mit Konventenvertretenen Reformrichtungen seiner Zeit. Es folgt an dieser Stelle ein kurzerÜberblick, der keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.17Im Fall der Windesheimer Reform ist die Reform in Großfrankenthal bereits ge-schildert worden. Oft übersehen wird, dass im späten Mittelalter auch einigewindesheimische Frauenkonvente existierten bzw. gegründet wurden, jeweils inAnlehnung an Chorherrenstifte. Friedrich unterstützte dezidiert solche Um-wandlungen und Regulierungen, etwa im Fall einer Neustadter Beginenklause(1462/1474)18 oder im Fall des Wormser Richardikonvents.19 Die Neugründungeines entsprechenden Konvents in Handschuhsheim geht auf den Kurfürsten so-wie den Adligen Diether von Handschuhsheim zurück.20 1475 erteilte der Pfalz-graf auch dem neuen windesheimischen Konvent in Fischbach eine Schutzur-kunde, womit er Ansprüchen der Grafen von Leiningen zuvorkam.21Die Benediktinerreform des späten Mittelalters wurde stark durch die BursfelderReform geprägt, die wiederum durch die Unterstützung der Landesherren erst er-folgreich wurde. Das „Schema“ der Reformen war dabei durchaus ähnlich wiebei den Windesheimern und ähnlichen Reformrichtungen. 1459 wurden die bei-den Frauenklöster Neuburg und Lobenfeld den Bursfeldern unterstellt.22 Am be-kanntesten sicherlich dürfte die Reform der Abtei Weißenburg sein, verbundenmit dem sogenannten „Weißenburger Krieg“. Sie ist zugleich symptomatisch fürdie herrschaftlichen Motive von Reformen. Und gerade in den Auseinanderset-zungen Friedrichs mit seinem Zweibrücker Antipoden Pfalzgraf Ludwig I.(1453–1489) erweist sich, dass die Durchsetzung von Reformen in Klöstern auf

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23 Vgl. ebd. S. 182–185.; LOSSEN, Staat und Kirche (wie Anm. 1), S. 174f.24 Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 40f.25 Vgl. ebd. S. 41–49.26 Vgl. LOSSEN, Staat und Kirche (wie Anm. 1), S. 167.27 Vgl. ebd. S. 162f.28 Vgl. KEMPER, Klosterreformen (wie Anm. 2), S. 66f.

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der einen Seite nicht daran hinderte, reformstrenge Schirmklöster des Gegners zuschädigen. Weniger bekannt ist, dass Friedrich in Weißenburg gleich zu einem„Rundumschlag“ ausgeholt hatte und neben den Benediktinern auch die Reformder Franziskaner und Dominikaner betrieb – alle Reformmönche mussten dannzu Beginn der Auseinandersetzungen im Jahr 1469 die Stadt verlassen.23Zu den unter Friedrich erfolgten Reformen gehörte auch diejenige in Sponheim,die vom Ablauf her (und sicherlich auch, weil Trithemius davon berichtet) wieein „Klassiker“ der Klosterreform wirkt:24 Kurfürst Friedrich und Friedrich vonPfalz-Simmern beauftragten die Äbte von St. Jakob und Johannisberg mit derReform; Bewaffnete unter Anführung pfälzischer Räte umstellten das Kloster.Trotzdem hatte die Verlesung des Reformbefehls keine Wirkung. Der gesamteKonvent weigerte sich und musste darauf das Kloster verlassen. Wieder einmalverzichteten die Landesherren auf eine bestimmte Zeit auf Abgaben und Dienste,während das neu besetzte Kloster sich sofort den Bursfeldern unterstellte.Wesentlich schwieriger für einen Landesherren waren in aller Regel Reformenin den Zisterzienserklöstern durchzuführen. Große Reformverbände, die einLandesherr hätte „einspannen“ können (bzw. die umgekehrt einen Fürsten fürihre Ziele hätten nutzen können!), existierten nicht. Andererseits zählten Zister-zen wie Schönau, Maulbronn oder Otterberg zu den bedeutendsten Schirmklös-tern der Kurpfalz. Reformansätze (bei denen oft nicht zu erkennen ist, wer dereigentliche Initiator war) sind dort im Verlauf des 15. Jahrhunderts mehrfachfestzustellen.25Als Friedrich in den Pfandbesitz von Lorsch gelangte, scheint es schon wenigspäter zu einer Reform gekommen zu sein.26Im Fall der Bettelorden wurden ja bereits die Dominikaner- und Franziskaner-observanten genannt, denen Friedrich besonders nahe stand. Im Fall der Augus-tinereremiten in Heidelberg griff Friedrich auf die sächsische Reformkongrega-tion zurück; das Kloster wurde 1476 durch den Reformer Andreas Proles selbsterneuert.27Auch die Aufhebung von Klöstern kann übrigens als „Besserung“ interpretiertwerden. Dies gilt etwa für die kleine Niederlassung der Karmeliter in Neuleinin-gen, über die generell wenig bekannt ist (abgesehen davon, dass Graf Hesso vonLeiningen mehrfach versucht hatte, dem Kloster wieder zu Leben zu verhelfen).1468 hob der Kurfürst das Kloster gemeinsam mit dem Wormser Bischof end-gültig auf.28

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5. FazitIch komme zum Schluss und möchte kurz zusammenfassen: In einer Phase, diekirchlich-monastisch von Verfall und Erneuerung gekennzeichnet war, hat dieKurpfalz unter Friedrich dem Siegreichen ihre fast hegemoniale Stellung imSüdwesten des Reiches auch zur nachdrücklichen Förderung von Klosterrefor-men oder auch besonderer Reformrichtungen innerhalb des Territoriums ge-nutzt. Diese Tendenz ist, wie bei so vielen anderen Landesherren, auch bei denVorgängern Friedrichs festzustellen – und dies war keineswegs nur ein wenigplanvoller „Vorlauf“. Dennoch: unter Friedrich scheint der Anspruch umfassen-der zu sein, von offensichtlichen Misserfolgen hören wir relativ selten.Geistliche Anliegen und landesherrliche Interessen sind bei Reformen oft kaumvoneinander zu trennen. Bei Friedrich überwiegt, was aber wohl an seinen zahl-reich ausgetragenen Konflikten und Fehden liegt, der Eindruck, er habe wiesonst auch vor allem machtpolitisch gehandelt. Dies greift zu kurz. ReformierteKlöster wirkten stabilisierend und waren auch wirtschaftlich-fiskalisch von In-teresse, andererseits hören wir fast durchgehend von langjährigen Vergünstigun-gen – Befreiungen von Steuern und Abgaben. Observante und im Fall der Frau-enkonvente „beschlossene“ Klöster dienen weit besser als nicht-reformierteoder gar Damenstifte dem Seelenheil ihrer Förderer (zumal der Pfalzgrafen) undder Unterbringung von Töchtern aus der adligen Klientel der Pfalzgrafen. GroßeReformkonvente wie etwa Kischgarten wurden, wenn auch nur für wenige Jahr-zehnte, Mittelpunkte des geistlichen Lebens, ganz abgesehen von der erneutenBlüte vieler Konvente in ökonomischer Hinsicht.Friedrich wie seine Vorgänger arbeiteten Hand in Hand mit Ortsbischöfen (na-mentlich in Speyer und Worms). Wer hier wen beeinflusste oder zu Eingriffendrängte, das lässt sich keineswegs immer einfach sagen. Die Rolle reformorien-tierter Bischöfe (oder auch anderer Kleriker oder Domherren) ist keineswegs zuunterschätzen – selbst ein als Konkubinarier kritisierter Bischof wie der Worm-ser Friedrich von Domneck (1426–1445) hat sich sehr um Reformen in Klösternbemüht.Vielfältige Verbindungen zum Heidelberger Hof bestanden auch bei einigenVertretern der Reform, so dass wir auch hier davon ausgehen können, dass dieKlosterinsassen nicht einfach nur Objekte des landesherrlichen Reformwillenswaren. Eifrige Vertreter der Reformrichtung „instrumentalisierten“ zweifellosden Landesherrn für ihre Zwecke genauso, wie dieser sie.Abschließend sei darauf hingewiesen, dass der Trend zur Klosterreform auch ei-nige kleinere Territorien im Umfeld der Kurpfalz erfasste – etwa die Grafen vonLeiningen, die Nassau-Saarbrücker und schließlich auch das Haus Pfalz-Zwei-brücken. Es handelt sich um ein weites und hochinteressantes landes- wie or-densgeschichtliches Forschungsfeld!

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