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Manuskript bingen 2015 handout

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Page 1: Manuskript bingen 2015 handout

“Darstellung der Entwicklung und der Zukunftsperspektiven der energiewirtschaftlichen Optimierungspotenziale im Strombereich am Beispiel

eines energieintensiven Unternehmens.”

Dr. Thomas Dirksmeyer, Essen

Diese lange Thema hört sich zunächst etwas sperrig an, aber wir werden die einzelnen Aspekte dieses Themas einen nach dem anderen ausarbeiten.

Zuerst geht es um die Frage, was überhaupt energieintensive Industrie charakterisiert.

Die nächste Frage ist: Wie passt das alles in das Konzept einer Energiewende.

Als Drittes fragen wir nach den allgemeinen Handlungsoptionen eines energieintensiven Unternehmens, um dann ein konkretes Beispiel aus der Aluminiumindustrie vorzustellen.

„Energieintensive Industrie“ wird auf verschiedene Weise definiert. Einen Überblick gibt die Zusammensetzung der Branchen im Dachverband "Energieintensive Industrien Deutschland", nämlich: Baustoffe - Chemie - Glas - NE-Metalle - Papier - Stahl

Ist auch die IT-Branche energieintensiv?

Berichte zeigen, dass IT-Branche viel Strom verbraucht, insbesondere für Betrieb und Kühlung von Serverfarmen. Durchaus beeindruckende Zahlen, Google verbraucht so viel Strom wie eine mittlere Großstadt.Aber: Die 2,26 TWh Strom, die Google 2013 verbraucht hat, würden in Deutschland etwas 250 Mio. Euro kosten. Google hat einen Umsatz von etwa 50 Mrd. $.

Wir beschäftigen uns hier mit Unternehmen, die nicht nur viel Energie verbrauchen, sondern für die die Energiekosten eine wirtschaftlich bedeutende Rolle spielen.

Was bedeutet das für ein solches energieintensives Unternehmen?

Wichtiger Rohstoff => Verfügbarkeit ist essentiell

Wichtiger Kostenfaktor => Preisniveau ist essentiell

Internationaler Wettbewerb => Relativ gute Preise, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Gebundenes Kapital => Planbarkeit von Energiekosten wichtig

Wechseln wir nun den Standpunkt und betrachten ein solches Unternehmen aus volkswirtschaftlicher und politischer Sicht:

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Unternehmen produzieren Waren, schaffen Arbeitsplätze und Steuereinnahmen.

Andererseits gibt es ökologische Ziele, z. B. Verringerung des Energieverbrauchs, für die gerade die energieintensiven Unternehmen hinderlich sind. E-I Unternehmen belasten die Umweltbilanz.

Andererseits werden viele von deren Produkten gerade auch für Projekte im Bereich erneuerbare Energien verwendet.

Wenn man deren Existenz bedroht, würden sie vermutlich ins Ausland abwandern. Ist das gut oder schlecht?

Gut, weil Emissionen dann in Deutschland nicht mehr anfallen.

Schlecht, weil Steuereinnahmen und Arbeitsplätze fehlen.

Schlecht, weil es Umweltbilanz anderer Länder belastet.

Schlecht, weil zumindest CO2 Emissionen ein globales Problem sind.

Ein kleiner Einschub: Welche Ziele haben wir überhaupt? "Wir", das ist hier die Europäische Union.

Senkung CO2 Emissionen 40% - Problematische Rolle der EI-Industrie: Wer Energie verbraucht, erzeugt fast immer auch Emissionen.

Anteil Erneuerbarer auf 27% - Problematisch: EI Industrie hat nichts gegen Erneuerbare. Aber je höher der Gesamtverbrauch, desto aufwändiger ist es, den Anteil zu erhöhen.

Energieeffizienz Senken der Energieintensität um 27% - Problematisch: EI Industrie zeichnet sich gerade dadurch aus, dass viel Energie pro erzeugter Produktion eingesetzt wird.

Handlungsfelder zur Kostenreduktion:

Sorgfältiger Einsatz von Energie

Energiesparmaßnahmen - Isolierung, effizientere Maschinen,

Prozesse optimieren - sparsamere Wege finden, das gewünschte Produkt herzustellen

Geschickt einkaufen - Marktanalyse, möglichst viele Anbieter kontaktieren, gut verhandeln, Zwischenhändler ausschalten.

Ansprüche senken - komme ich auch mit einem günstigeren Produkt aus,

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kann ich auf Zusatzleistungen verzichten?

Wenn es gar nicht passt: Kann ich Unterstützung vom Staat erwarten?

Ein Beispiel: EEG-UmlageVerbraucher zahlen EEG-Umlage von derzeit 6,17 ct/kWh .

Kappung der EEG-Umlage für energieintensive Stromverbraucher.

Bedingung: Mindestverbrauch von 1 GWh (für diesen Mindestbetrag ist immer die volle Umlage zu zahlen).

Stromkosten - Intensität größer als 16%.

Aluminium - Produktion:

Bauxit ( enthält Al Hydroxid und Eisenoxid ) wird mit Natronlauge aufbereitet.Anschließend elektrochemische Reduktion in einer Metallschmelze

Stromverbrauch: Bei ca. 100 EUR/MWh ergeben sich also Stromkosten von 1200 - 1500 EUR/t Aluminium.

Börsenpreis für Rohaluminium liegt bei etwas 1700 EUR.

Chart Aluminiumherstellung:

Reduktion des Aluminiumoxids zu Aluminium in Elektrolysezellen. Dem Aluminiumoxid wird ein weiteres Mineral, Kryolith, beigegeben, um den Schmelzpunkt von über 2000°C auf unter 1000°C zu senken.

Kleine Spannungen, hohe Ströme durch die Schmelze. Aluminium sondert sich als See am Boden der Zelle an der Kathode ab.

Chart Fabrikgebäude Trimet Essen

Stromverbrauch Trimet ca. 6 TWh / a, Aluschmelze Essen allein 2,5 TWh (also mehr als die oben erwähnte Google), Trimet verbrauch mehr als 1 % des deutschen Stroms.

Kosteneffizienz: Stromverbrauch wurde durch Prozessoptimierung deutlich gesenkt.

Geschäftsidee Flüssigaluminium:

Überlegung: es ist doch Verschwendung, wenn wir unser Rohaluminium erst einmal in Barren gießen und abkühlen, wenn anschließend die Gießerei die Barren wieder schmelzen muss.

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Herausforderung: Transportbehälter beschaffen; Kunden finden, die einen Nutzen davon haben, bereit sind dafür zu bezahlen und in erreichbarer Nähe sind.

Lösung: Trimet liefert etwa ein Drittel seiner Produktion in flüssiger Form an Gießereien in der Umgebung.

Einsparung von 0,5 MWh/t, insgesamt somit 35.000 MWh, mehrere Millionen Euro Stromkosten.

In diesem Beispiel war das Optimierungskonzept schon etwas komplexer. Es ging zwar um eine klassische Energiesparmaßnahme, aber sie war verbunden mit einer neuen Geschäftsidee, musste also vor allem auch die Interessen Dritter berücksichtigen.

Dies gilt auch für mein zweites Beispiel:

Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass eine Aluhütte nicht nur ein sehr großer Stromkunde ist, sondern auch ein untypisches Abnahmeprofil hat. Da die Schmelze ständig beheizt werden muss, bezieht eine Aluhütte nahezu das gesamte Jahr über weitgehend konstante elektrische Leistung.

Das ist aus Sicht des Netzbetreibers und des Stromlieferanten vorteilhaft, weil a) die gesamte vorgelagerte Installation optimal ausgelastet ist und b) weil das Verhalten des Stromkunden sehr gut planbar ist. Der Netzbetreiber muss nicht fürchten, riesige Leistungen plötzlich bereitstellen oder ebenso plötzlich wieder vom Markt nehmen zu müssen.

Das ist wichtig, weil ungeplante Lastwechsel eine der wesentlichen Herausforderungen des Netzbetriebs sind, verstärkt in letzter Zeit noch durch die ebenfalls schwer planbaren Einspeisungen erneuerbarer Energien.

Man kann von dort noch einen Schritt weiter gehen: Die wesentliche Funktion der hohen Stromlieferungen ist es, die Schmelze flüssig zu halten. Eine kurzzeitige Lieferunterbrechung erzeugt dabei noch keine ernsthaften Probleme. Aluhütten akzeptieren daher, dass der Netzbetreiber in Engpass-Situationen kurzzeitig den Stecker zieht. (Chart 19)

Dieses Beispiel aus dem Februar letzten Jahres zeigt, wie sich im Netz des Netzbetreibers Amprion ein Defizit aufbaute, weil die prognostizierte Windenergieeinspeisung sich nicht einstellte. Als das Defizit kritisch wurde, hat Amarion dann die Stromlieferung an Trimet eingestellt.

In ähnlicher Weise bieten Aluhütten dem Netzbetreiber an, zur sogenannten Primärreserve beizutragen, das sind sehr kurzfristig verfügbare Stromlieferungen, die innerhalb von maximal 30 Sekunden für mindestens 15

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Minuten verfügbar sind. Die Aluhütte passt ihre Abnahme dabei selbständig der Netzsituation an. Wenn die Netzfrequenz über 50 Hz steigt, ist das ein Zeichen für ein Stromüberangebot, und die Hütte erhöht ihren Stromverbrauch, fällt die Netzfrequenz, was ein Stromdefizit anzeigt, dann reduziert die Hütte ihren Stromverbrauch.

Die nächste Weiterentwicklung dieses Konzepts hat Trimet nun „Virtuellen Stromspeicher“ genannt. Was genau soll nun ein Stromspeicher sein? Ein gewöhnlicher Akkumulator wird ja dadurch charakterisiert, dass man ihm in einer Ladephase Strom einspeisen kann, den man in einer späteren Entladephase wieder zurückbekommt. Die Gesamtmenge der zu speichernden Energie ist dabei durch die Kapazität des Akkumulators beschränkt. Der virtuelle Stromspeicher macht im Grunde dasselbe: Trimet akzeptiert, dass der Netzbetreiber mehr Strom einspeist als angefordert und damit einen Speicherfüllstand aufbaut, den er wieder aufbrauchen kann, indem er der Trimet während der Ausspeiseperiode weniger Strom liefert als angefordert.

In Summe verhält sich aus Sicht des Netzbetreibers die Aluhütte damit wie die Summe aus einem konstanten Abnehmer und einem originären Stromspeicher. Im Falle der Aluhütte Essen geht es dabei um 70 MW Leistung und circa 3,4 GWh elektrischer Energie, die innerhalb von zwei Tagen ein- und wieder ausgespeist werden kann. (zum Vergleich: 1 GWh pro Jahr war das Mindestkriterium für energieintensive Unternehmen)

Aus Sicht des Netzbetreibers existiert damit ein nützlicher Beitrag zur Stabilisierung des Netzes. Aus Sicht der Aluhütte gibt es nun eine neue Ertragsquelle und einen Imagegewinn, der erforderliche Aufwand besteht in einer Anpassung der Prozessführung, die einige Investitionen in die Anlagen erfordert.

Schauen wir noch einmal zurück:

Wir haben festgestellt, dass energieintensive Unternehmen eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Klimazielen einnehmen. Zunächst erscheinen diese Unternehmen als Störfaktoren, denn sie verbrauchen viel Energie, wo doch die Verringerung des Energieverbrauchs ein wichtiges Klimaziel ist.

Es sind aber auch Unternehmen, die naturgemäß ein großes wirtschaftliches Interesse an Energieeffizienz haben; die häufig aber auch eine gewisse Sonderbehandlung bezüglich ihrer Energiekosten benötigen.

Wir haben gesehen, dass es intelligente Ansätze zur weiteren Optimierung gibt,

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und darunter sogar welche, die einen Beitrag zur Unterstützung der Energiewende liefern.

Fragen zum Verständnis:

Warum erlässt der Staat energieintensiven Unternehmen die EEG-Umlage? Ist das eine Subvention?Wer profitiert von den Energieeinsparungen durch Flüssigaluminium? Wie profitiert der andere Part?Wo profitiert die Öffentlichkeit von den vorgeschlagenen virtuellen Stromspeichern? Wo profitiert der Aluminiumproduzent?Wird der Bedarf an Stromspeichern zukünftig steigen oder eher sinken? Warum?