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Manuelle Behandlung von Kreuzschmerzen und Ischi- algie nach dem Konzept der Klinischen Neurodynamik Manual Therapy of Low Back Pain and Sciatica with Clinical Neurodynamics Autoren M. Shacklock 1 , V. Studer 2 Institute 1 Neurodynamic Solutions (NDS), Adelaide 2 Neurodynamic Solutions (NDS) trainee, Physio Davies, Basel Schlɒsselwçrter l " klinische Neurodynamik l " Kreuzschmerzen l " manuelle Therapie Key words l " clinical neurodynamics l " low back pain l " manual therapy eingereicht 14.7.2006 akzeptiert 12.9.2006 Bibliografie DOI 10.1055/s-2006-927309 Manuelle Therapie 2007; 11: 17 – 23 # Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York · ISSN 1433-2671 Korrespondenzadresse Michael Shacklock, M. AppSc, DipPhysio Director Neurodynamic Solu- tions (NDS) 6 th floor, 118 King William Street AUS-Adelaide admin@neurodynamicsolu- tions.com Einleitung ! Als das Konzept der Neurodynamik in der Manu- ellen Therapie und Physiotherapie zum ersten Mal vorgeschlagen wurde [8, 9], sollte es eine umfassende Integration physiologischer und me- chanischer Aspekte fçrdern, um die Diagnose und Behandlung wirksamer auf die ursȨchlichen Mechanismen der Patientenprobleme beziehen zu kçnnen. Damit unterschied es sich von den vorherigen Modellen neuraler Spannung und neuraler Mobilisierung, die manchmal zu guten Ergebnissen fɒhrten, in anderen FȨllen jedoch Symptome hervorriefen, weil sie keine Behand- lungstechniken beinhalteten, die auch fɒr ande- re, dabei nicht einbezogene ursȨchliche Mecha- nismen genɒgend empfindlich waren. Ein derartiger Ansatz ist besonders bei musku- loskelettalen Stçrungen mit neurodynamischer Komponente relevant, da die neuesten Fort- schritte ermçglichten, physiologische Aspekte einzubeziehen und mit ihrer Hilfe Behandlungs- techniken auszuwȨhlen, die weniger Symptome provozieren, aber dennoch nɒtzliche Wirkungen zeigen. In manchen FȨllen kçnnen sie sogar hilf- reicher sein als Dehnung oder direkte Mobilisie- rung des Nervensystems. Das von Shacklock [8 – 11] skizzierte System der Klinischen Neurodynamik (Clinical neuro- dynamics) bietet neue neurodynamische Lç- sungen und viele Variationsmçglichkeiten der Behandlungstechnik, um die genannten Ziele zu erreichen –, von einer Ɛnderung der neuro- dynamischen Abfolge der Mobilisierung der neuralen Strukturen bis zur Behandlung der Strukturen rund um das Nervensystem (mecha- nische Schnittstelle) oder sogar der von der be- treffenden neuralen Struktur innervierten Ge- webe. Am Beispiel von Kreuzschmerzen und Ischialgie eine der am hȨufigsten auftretenden und schwierigsten Formen von muskuloskelettalem Schmerz – werden hier verschiedene Mçglich- keiten vorgestellt (Hintergrundwissen bzgl. der Grundlagen des betreffenden Falles siehe [8 –11]. Fallbeispiel: Kreuzschmerzen und Ischialgie ! Subjektive Untersuchung Eine Frau mittleren Alters kam wegen rechtsseiti- ger Kreuzschmerzen und Ischialgie zur Physio- therapie. Der Schmerz trat in der Mittellinie des Zusammenfassung ! Die Arbeit beschreibt die Anwendung des neuen Konzepts der Klinischen Neurodynamik im Rah- men Manueller Therapie bei einer Patientin mit Kreuzschmerzen und radikulȨren Symptomen. Bei der Behandlung der ursȨchlichen Mechanis- men spielen diagnostische Kategorien und sys- tematische Progression eine wesentliche Rolle. Die Techniken kçnnen auf die spezifischen Pa- tientenverhȨltnisse angepasst werden und ver- hindern so die Provokation von Symptomen. Abstract ! This article describes the application of a new concept of clinical neurodynamics with manual therapy in a female patient with low back pain and radicular symptoms. The causal mechan- isms are treated with emphasis on diagnostic categories and systematic progression. The techniques can be adapted to the patient’s inti- mate needs which prevents the risk of the pro- vocation of symptoms. Shacklock M, Studer V. Manuelle Behandlung von… Manuelle Therapie 2007; 11: 17– 23 Expertenforum 17 Heruntergeladen von: FH Campus Wien. Urheberrechtlich geschützt.

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Manuelle Behandlung von Kreuzschmerzen und Ischi-algie nach dem Konzept der Klinischen NeurodynamikManual Therapy of Low Back Pain and Sciatica with Clinical Neurodynamics

Autoren M. Shacklock1, V. Studer2

Institute 1 Neurodynamic Solutions (NDS), Adelaide2 Neurodynamic Solutions (NDS) trainee, Physio Davies, Basel

Schl�sselwçrterl" klinische Neurodynamikl" Kreuzschmerzenl" manuelle Therapie

Key wordsl" clinical neurodynamicsl" low back painl" manual therapy

eingereicht 14.7.2006akzeptiert 12.9.2006

BibliografieDOI 10.1055/s-2006-927309Manuelle Therapie 2007; 11:17 – 23 � Georg Thieme VerlagKG Stuttgart · New York ·ISSN 1433-2671

KorrespondenzadresseMichael Shacklock, M. AppSc,DipPhysioDirector Neurodynamic Solu-tions (NDS)6th floor, 118 King [email protected]

Einleitung!

Als das Konzept der Neurodynamik in der Manu-ellen Therapie und Physiotherapie zum erstenMal vorgeschlagen wurde [8, 9], sollte es eineumfassende Integration physiologischer und me-chanischer Aspekte fçrdern, um die Diagnoseund Behandlung wirksamer auf die urs�chlichenMechanismen der Patientenprobleme beziehenzu kçnnen. Damit unterschied es sich von denvorherigen Modellen neuraler Spannung undneuraler Mobilisierung, die manchmal zu gutenErgebnissen f�hrten, in anderen F�llen jedochSymptome hervorriefen, weil sie keine Behand-lungstechniken beinhalteten, die auch f�r ande-re, dabei nicht einbezogene urs�chliche Mecha-nismen gen�gend empfindlich waren.Ein derartiger Ansatz ist besonders bei musku-loskelettalen Stçrungen mit neurodynamischerKomponente relevant, da die neuesten Fort-schritte ermçglichten, physiologische Aspekteeinzubeziehen und mit ihrer Hilfe Behandlungs-techniken auszuw�hlen, die weniger Symptomeprovozieren, aber dennoch n�tzliche Wirkungenzeigen. In manchen F�llen kçnnen sie sogar hilf-reicher sein als Dehnung oder direkte Mobilisie-rung des Nervensystems.

Das von Shacklock [8– 11] skizzierte Systemder Klinischen Neurodynamik (Clinical neuro-dynamics) bietet neue neurodynamische Lç-sungen und viele Variationsmçglichkeiten derBehandlungstechnik, um die genannten Zielezu erreichen –, von einer �nderung der neuro-dynamischen Abfolge der Mobilisierung derneuralen Strukturen bis zur Behandlung derStrukturen rund um das Nervensystem (mecha-nische Schnittstelle) oder sogar der von der be-treffenden neuralen Struktur innervierten Ge-webe.Am Beispiel von Kreuzschmerzen und Ischialgie– eine der am h�ufigsten auftretenden undschwierigsten Formen von muskuloskelettalemSchmerz – werden hier verschiedene Mçglich-keiten vorgestellt (Hintergrundwissen bzgl. derGrundlagen des betreffenden Falles siehe [8 –11].

Fallbeispiel: Kreuzschmerzen undIschialgie!

Subjektive UntersuchungEine Frau mittleren Alters kam wegen rechtsseiti-ger Kreuzschmerzen und Ischialgie zur Physio-therapie. Der Schmerz trat in der Mittellinie des

Zusammenfassung!

Die Arbeit beschreibt die Anwendung des neuenKonzepts der Klinischen Neurodynamik im Rah-men Manueller Therapie bei einer Patientin mitKreuzschmerzen und radikul�ren Symptomen.Bei der Behandlung der urs�chlichen Mechanis-men spielen diagnostische Kategorien und sys-tematische Progression eine wesentliche Rolle.Die Techniken kçnnen auf die spezifischen Pa-tientenverh�ltnisse angepasst werden und ver-hindern so die Provokation von Symptomen.

Abstract!

This article describes the application of a newconcept of clinical neurodynamics with manualtherapy in a female patient with low back painand radicular symptoms. The causal mechan-isms are treated with emphasis on diagnosticcategories and systematic progression. Thetechniques can be adapted to the patient’s inti-mate needs which prevents the risk of the pro-vocation of symptoms.

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unteren LWS-Bereichs auf und erstreckte sich von in die rechteposteriore Ges�ßh�lfte und den posterolateralen Aspekt desOberschenkels sowie den anterolateralen des Unterschenkels hi-nunter bis zum Fußr�cken und den ersten beiden Zehen. Außer-dem beschrieb die Patientin ein intermittierendes „Ameisenlau-fen“ in Fuß und Zehen, denselben Stellen, an denen auch derSchmerz auftrat. Der Bereich �ber dem M. tibialis anterior warpermanent taub (l" Abb. 1). Dar�ber hinaus kam es zu intermit-tierender Steifheit im R�cken. Abgesehen davon war die Patien-tin gesund und nahm keinerlei Medikamente. Symptome einerKompression der Cauda equina lagen nicht vor.Die Patientin versp�rte die Symptome nach der Geburt ihresKindes seit etwa 2,5 Jahren. Das Ameisenlaufen war nicht nurw�hrend der ganzen Zeit aufgetreten, sondern hatte sich biszum Zeitpunkt der Untersuchung st�ndig verschlimmert. DieSymptome wurden immer heftiger und traten zwar weiterhinintermittierend, aber immer h�ufiger auf. Sitzen, Aufstehenvom Sitzen und langes Stehen bei der Arbeit riefen den Schmerzhervor. Etwa 30 Minuten nach dem morgendlichen Aufstehenwaren Schmerz, Steifheit und Ameisenlaufen schlimmer. Liegenauf dem Bauch mit abduziertem, außenrotierten H�ftgelenkund flektiertem Knie brachte Linderung.Ihre Krankengeschichte wies kein �ußeres Trauma auf, mçgli-cherweise war es aber w�hrend der Geburt durch die Anstren-gung zu einem inneren Trauma gekommen. Erst seitdem tratendie neuralen Symptome auf, wohingegen die R�ckenschmerzenschon seit �ber 25 Jahren bestanden. Die Patientin konnte nichtgenau sagen, weshalb genau ihr R�cken immer geschmerzt undwie dies angefangen hatte. Sie konnte sich nur erinnern, dass sieseit ihrer Jugend unter R�ckenschmerzen litt.Eine Rçntgenuntersuchung ergab eine Spondylolisthesis 2. Gra-des und eine leichte Vorwçlbung der Bandscheibe zwischen L4und L5, eine nur noch rudiment�r vorhandene Bandscheibe zwi-schen L5 und S1 und einen partiell sakralisierten LendenwirbelL5, reduzierte Zwischenwirbelr�ume zwischen L4 und L5 sowiezwischen L5 und S1 und degenerative Ver�nderungen der poste-rioren Aspekte der Wirbelbogengelenke zwischen L5 und S1.Die Patientin arbeitete als Telefonistin/Empfangsdame undmusste tags�ber l�ngere Zeit an der Rezeption stehen odersitzend den Computer bedienen, wodurch ihre Symptome her-vorgerufen wurden. Trotz der langen Dauer ihrer Symptomehatte sie �berraschenderweise noch nie etwas dagegen unter-nommen. Da ihre Symptome inzwischen sehr massiv auftra-ten, hatte sie sich schließlich entschlossen, sich in Behandlungzu geben.

Analyse nach der subjektiven UntersuchungDie Patientin leidet unter einer Reihe deutlicher pathologischerVer�nderungen der muskuloskelettalen Gewebe im Lendenwir-belbereich. Obwohl diese nicht immer Symptome hervorrufen,kçnnen sie in diesem Fall als beitragende Faktoren angesehenwerden. Die lindernde Position (Bauchlage mit gebeugtem, ab-duziertem und außenrotiertem Bein) ist tats�chlich ein neura-ler „Entlaster“, da sie Spannung von den lumbosakralen Ner-venwurzeln und dem intrapelvinen Teil des N. ischiadicusnimmt [1– 3]. Insofern ist dies vielleicht ein Beweis f�r eineDysfunktion der neuralen Spannung (Neural tension dysfuncti-on; Definition siehe [10]). Eine derartige Dysfunktion kanndurch Spondylolisthesis oder Vorwçlbung der Bandscheibeund der degenerativen Ver�nderungen ausgelçst werden, diedie Nervenwurzel sensibilisieren oder Druck in ihre Richtung

aus�ben. Daneben kommt auch eine Instabilit�t des Bewe-gungssegments infrage.Die Symptome in Form des Ameisenlaufens kçnnten f�r die Ana-lyse wichtig sein, da sie mçglicherweise auf pathologische undpathophysiologische Verh�ltnisse der Nervenwurzel L5 hinwei-sen. Außerdem findet wahrscheinlich schon seit vielen Jahrenein degenerativer Prozess statt, weshalb sich nur langsam Ver-besserungen erzielen lassen, wenn nicht auf die entsprechendenMechanismen eingewirkt wird.

Planung der kçrperlichen UntersuchungDie 1. Schl�sselfrage bei der Planung der kçrperlichen Untersu-chung lautet: Wie ausf�hrlich sollte der Patient untersucht wer-den? Dabei ist unter anderem auf die Irritabilit�t des Problems(ob es irgendwelche Latenzen im Symptomverhalten gibt) unddarauf zu achten, ob die neurologischen Symptome stabil sindoder leicht verschlimmert werden kçnnen. Es liegt auf der Hand,dass die Untersuchung umso ausf�hrlicher sein kann, je stabilerund weniger irritierbar das Problem ist – und umgekehrt.Bei der hier beschriebenen Patientin fiel die Wahl auf eine Un-tersuchung der Stufe 2, weil sich zwar ihre Symptome evozie-ren ließen, aber alle ohne Latenz relativ stabil zu sein schienen.Da anzunehmen war, dass sanftes neurodynamisches Testen(bis zum Einsetzen der Symptome – P1) keine neurologischenSymptome hervorruft, wurden Standardtests ausgew�hlt [4, 5,10, 11].Nach Ruhephasen schienen sich die Symptome der Patientintendenziell zu verschlimmern (z. B. morgens oder beim Sitzen)und bei allgemeiner Bewegung zu verbessern. Daher war eswahrscheinlich, dass sie Standarduntersuchungen einigerma-ßen gut vertragen w�rde. In einem solchen Fall wird die kçr-perliche Untersuchung noch auf Stufe 2 durchgef�hrt, auchdie Symptome neurologische beinhalten, bei denen ansonsteneher eine Untersuchung auf Stufe 1 angemessen ist. Bei dieserPatientin war die Tatsache ausschlaggebend, dass ihre Symp-tome recht stabil waren und sich kaum �nderten.

intermittierende Steifheit

Schmerz

konstanteTaubheit

intermittierendes „Ameisenlaufen“

Abb. 1 Kçrperdiagramm der Symptome.

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Die 2. Schl�sselfrage bei der Planung der kçrperlichen Unter-suchung betrifft die mçgliche diagnostische Kategorie, der diePatienten zuzuordnen sind. Im Falle der beschriebenen Patien-tin gab es eindeutige Hinweise auf neurologische Komponen-ten des Problems (Ameisenlaufen und Gef�hlstaubheit). Ausneurodynamischer Sicht kann also ein pathophysiologischerZustand in der Nervenwurzel L5 vorliegen, der die Form einerIsch�mie und vençsen Stauung haben oder auch auf eine di-rekte Sch�digung des Axons zur�ckzuf�hren sein kann (detail-lierte Beschreibung der Mechanismen siehe [10]).In diesem Stadium ist es noch zu fr�h, etwas �ber das Aus-maß des pathophysiologischen Zustands zu sagen, da derneurologische Status noch nicht bekannt ist. Es kann aucheine Dysfunktion der neuralen Spannung vorliegen, was mitneurodynamischen Tests (Straight-leg-raise- und Slump-Test)auf dem Standardniveau (Stufe 2) abgepr�ft wird. Danebenkommen selbstverst�ndlich auch die �blichen Tests f�r mus-kuloskelettale Strukturen zur Anwendung. Das ist wichtig,weil es starke Hinweise auf eine Dysfunktion an einer me-chanischen Schnittstelle (Mechanical interface dysfunction)gibt. Sie ergeben sich aus der Rçntgenuntersuchung und derKrankengeschichte, die auf eine mçgliche Sch�digung bei derNiederkunft hindeutet.

UntersuchungKçrperliche UntersuchungE Flexion: 3/4 des normalen Bewegungsausmaßes, reproduzier-

te die R�ckenschmerzen, die noch zunahmen, wenn in derflektierten Position zervikale Flexion hinzukam. Dies deutetauf eine neurale Komponente hin.

E Extension: normal.E Lateralflexion nach links: leicht eingeschr�nkt, im Bewe-

gungsendbereich lokales Unbehagen im R�cken.E Lateralflexion nach rechts: 2/3 des normalen Bewegungsaus-

maßes, reproduzierte rechtsseitige Kreuzschmerzen, die sichin die rechte Ges�ßh�lfte ausbreiteten.

Neurologische UntersuchungE Verminderter Vibrationssinn �ber dem rechten (ipsilatera-

len) Malleolus lateralis und der 1. und 5. Zehe.E Verringerte Empfindlichkeit f�r leichte Ber�hrungen �ber

dem M. tibialis anterior;E Normale Sehnenreflexe und Muskeltests f�r die lumbosakra-

len Myotome.

Neurodynamische UntersuchungE Der Slump-Test reproduzierte die rechtsseitigen Kreuz-

schmerzen im Endbereich der Extension des rechten Knies(1658). Im Vergleich zur linken Seite ließ sich manuell eindeutlicher Widerstand feststellen. Bei Dorsalflexion des Fu-ßes nahm der Schmerz zu, bei abnehmender HWS-Flexionverringerte er sich. Dies ist eine offensichtliche abnormaleReaktion [10].

E Der Straight-leg-raise-Test zeigte normale Ergebnisse.E Der Prone-knee-bend-Test in Bauchlage war beim linken Knie

normal, beim rechten Knie reproduzierte er die R�cken-schmerzen. Differenzierungstests zur Identifizierung derneuralen Komponente w�hrend dieses Mançvers [10] zeigtenanstatt einer neuralen eine muskuloskelettale Reaktion (po-sitiver neurodynamische Test). Dies spricht daf�r, dass zu-mindest ein Teil der R�ckenschmerzen auf die mechanischeSchnittstelle zur�ckzuf�hren ist.

Palpation der lumbosakralen RegionL5 stand vor und Segment S1 war generell und nicht spezifischauf der ipsilateralen Seite empfindlich.An diesem Punkt der Untersuchung w�re es zul�ssig gewesen,viele andere Aspekte der spinalen Funktion zu beurteilen, wiez.B. motorische Kontrolle, Ans�tze zur Stabilit�t, Muskeltechnikund passive Gelenkbeweglichkeit. Die meisten Befunde spra-chen jedoch f�r den Ansatz der Klinischen Neurodynamik.

BehandlungsplanungAus neurodynamischer Sicht gibt es Beweise f�r 2 entscheiden-de Dysfunktionen:E Dysfunktion des reduzierten Schließens (Reduced closing dys-

function [10]), bei der die Symptome des Patienten durchipsilaterale Lateralflexion hervorgerufen werden und die Be-wegung eingeschr�nkt ist.

E Dysfunktion der neuralen Spannung [10], die sich in einem ab-normalen Slump-Test sowohl am kranialen als auch am kau-dalen Ende des Nervensystems zeigt.

Neben diesen beiden besteht das 3. Problem in einer pathophy-siologischen Dysfunktion im Zusammenhang mit der Nerven-wurzel L5, worauf die verminderte Empfindlichkeit gegen�berVibration und leichter Ber�hrung schließen l�sst. Sie beruhtwahrscheinlich auf ver�nderter Ern�hrung der Nervenwurzel,die auf folgenden in wissenschaftlichen Studien �ber Mechanis-men gewisser Arten von Radikulopathie beschriebenen Mecha-nismus zur�ckzuf�hren ist: Auf die Nervenwurzel wirkt keindirekter Druck auf, aber die vençsen Geflechte um sie herumwerden so sehr komprimiert, dass der vençse Blutr�ckfluss ver-mindert ist. Dadurch kommt es zu Schwellungen, �demen undmanchmal zu Sch�digungen des Axons (l" Abb. 2; [6, 7]). Andieser Stelle ist also die Frage entscheidend, ob und wenn jamit welchen Techniken sich die Dysfunktion �ndern l�sst. Si-cherlich ist eine Technik sinnvoll, die Druck von der Nerven-wurzel nimmt, um so den vençsen R�ckfluss zu verbessern, da-mit frisches Blut zur Nervenwurzel zu transportieren und siebesser zu ern�hren.Ein Hinweis darauf, dass dies bei der hier vorgestellten Patien-tin helfen kçnnte, ist die Tatsache, dass einige ihrer neurologi-schen Symptome intermittierend sind und mçglicherweise mitDurchblutung zusammenh�ngen (morgendliche Verschlimme-rung). Zu �berpr�fung dieser Hypothese wird die Patientin ineine Position gebracht, bei der die Foramina intervertebralia

Richtung des Blutstroms

Richtung desBlutstroms

Arterie KompressionverursachendesObjekt

geschwollener Bereichdes Nervs infolgerückgestauter Flüssigkeit

Vene(erweitert)

komprimierte Vene und Nerv

Abb. 2 Ver�nderter vençser R�ckfluss in der neuralen Struktur. Auf dieVenen, die einen Abfluss des Blutes aus der neuralen Struktur ermçglichen,wirkt ein geringf�giger Druck ein. Er ist vielleicht nicht stark genug, umdirekt auf die Axone zu dr�cken, kann aber ausreichen, um den vençsenBlutstrom zu beeintr�chtigen und im Nervengewebe Schwellung und ver-minderte Sauerstoffzufuhr zu bewirken. Dies kann zu Mechanosensitivit�tund Schmerz f�hren.

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offen gehalten und der Druck um die Nervenwurzel vermin-dert werden, um festzustellen, ob sich der neurologische Sta-tus bessert. Dieser „statische �ffner“ (Static opener [10]) solldie Durchblutung der Nervenwurzel verbessern. Zwar k�menauch andere Behandlungsarten infrage, nach der Erfahrungdes Autors kommt es aber durch „�ffner“ normalerweise zuverbesserten Nervenwurzelzeichen. Aus diesem Grund waram 1. Tag diese die Behandlung der Wahl.Als n�chstes stellt sich die Frage, auf welchem Niveau die Be-handlung stattfinden soll (Stufe 1, 2, 3a, b, c, d [10]. Bei dieser Pa-tientin lag der Schwerpunkt vor allem auf der Verbesserung derneurologischen Funktion der Nervenwurzel (pathophysiologi-sche Verh�ltnisse). Auf diese Weise sollten die Nervenleitf�hig-keit erhçht und damit – hoffentlich – auch die Schmerzen ver-mindert werden. Die 1. Behandlung zielte daher ausschließlichauf die pathophysiologische Seite des Problems und nicht aufdie spezifische mechanische Dysfunktion (reduziertes Schlie-ßen). Die Behandlungstechnik bestand im „statischen �ffner“f�r das Foramen intervertebrale und die Nervenwurzel L5.

Behandlung1. SitzungDie Patientin nahm die Position „statischer �ffner“ ein, die sie1 Minute beibehielt [10]. Dabei wurden die auftretenden Sympto-me beobachtet. Da sie w�hrend der Behandlung Ameisenlaufenversp�rte, galt dies als Maßstab f�r erneute Beurteilungen. Nachdem erstmaligen Einnehmen der Position blieb das Prickeln un-ver�ndert, und auch die erneute neurologische Untersuchungzeigte keine Ver�nderung in Bezug auf verminderte Empfindlich-keit. Der Slump-Test fiel jedoch insofern besser aus, als der Wider-stand gegen Extension des rechten Knies etwas geringer war.Diese Verbesserung l�sst sich folgendermaßen interpretieren:Da die neurologische Funktion unver�ndert war, hatte vielleichtdie Leitung durch die Nervenwurzel nicht auf die Behandlungreagiert. Aufgrund der verbesserten Ergebnisse des Slump-Testswurde aber mçglicherweise der Aspekt verbessert, den mecha-nische Tests beurteilen, n�mlich die Mechanosensitivit�t oderSensitivit�t der Nervenwurzel gegen�ber mechanischer Kraft.Weil eine erhçhte Mechanosensitivit�t in der Nervenwurzel f�rdie Wiederholung der Behandlungstechnik sprach, wurde der„statische �ffner“ erneut und zwar diesmal 2 Minuten langdurchgef�hrt. Das Ameisenlaufen ließ nach, und der Slump-Test fiel noch besser aus. Beim neurologischen Status zeigtesich wiederum keine Verbesserung.Nach der anschließenden 3. Durchf�hrung hatten sich die Emp-findlichkeit gegen�ber Vibration und leichter Ber�hrung eben-so wie der Slump-Tests, die Lumbalflexion und die Lateralflexi-on nach rechts etwas gebessert. Die Patientin f�hlte sich inRuhe besser, hatte weniger Schmerzen, empfand eine neue Be-wegungsfreiheit im R�cken, und das Ameisenlaufen war ver-schwunden.In Anbetracht der Tatsache, dass das Problem schon lange be-standen hatte und neurologische Zeichen und Symptome sowiepathologische Ver�nderungen vorlagen, stellten die Ergebnisseder 1. Sitzung einen erheblichen Fortschritt dar.Die Patientin erhielt den Auftrag, die �bung auch zu Hause aus-zuf�hren. Bevor entschieden werden konnte, wie die n�chste Be-handlung aussehen sollte, musste die Reaktion auf die 1. Sitzungw�hrend einer Periode von 1 –2 Tagen abgewartet werden. Am1. Tag erfolgten keine weiteren Behandlungstechniken.Es gilt festzuhalten, dass im Rahmen der erneuten Beurteilungder Patientin nach jeder Anwendung verschiedene kçrperliche

Untersuchungen nicht durchgef�hrt wurden, wie z. B. passivezervikale Flexion bei lumbaler Flexion und aktive schließendeBewegungen (ipsilaterale Lateralflexion). Dies geschah, weildie vorgenommenen erneuten Beurteilungen bereits die nçti-gen Informationen erbracht hatten und eine kçrperliche Un-tersuchung aller mçglichen Komponenten nicht mehr nçtigwar. Auf diese Weise l�sst sich das Risiko einer Provokationvon Symptomen nach der Behandlung verringern, die eventu-ell f�lschlicherweise auf die Behandlung zur�ckgef�hrt wer-den kçnnte.

2. SitzungNach 2 Tagen kam die Patientin wieder zur Therapie. Zwar littsie immer noch unter Ameisenlaufen und Schmerzen, beideswar jedoch weniger geworden. Da sie ihre t�glichen Aktivit�-ten nicht ver�ndert hatte, ließ sich die Besserung (nach ihrerEinsch�tzung um 10– 20 %) der Behandlung zuschreiben.Die kçrperliche Untersuchung zeigte, dass die Verbesserungen beiLumbalflexion und Lateralflexion nach rechts erhalten gebliebenwaren. Die Behandlung der 1. Sitzung wurde wiederholt und dieReaktion beobachtet. Es kam zu weiteren Verbesserungen beimSlump-Test, Hautempfindung und LWS-Beweglichkeit sowiebeim Schließmechanismus bei Lateralflexion nach rechts.Dies verdeutlichte, dass die Behandlung konsistente und anhal-tende Verbesserungen bewirkt hatte. Somit erhielt die Patien-tin die Chance, von der Behandlung unabh�ngig zu werden, in-dem sie sie selbst zu Hause vornahm. Ihr wurde beigebracht,den „statischen �ffner“ selbstst�ndig durchzuf�hren. Die The-rapeuten vergewisserten sich dabei, dass sie die Bewegungenkorrekt ausf�hrte und wiesen die Patientin an, die �bung min-destens ein paar Mal pro Tag jeweils ca. 2 Minuten lang zu ab-solvieren. Zeigte dies Erfolg, so konnte sie die Dauer auf 5 Mi-nuten erhçhen.

3. SitzungNach einigen Tagen berichtete die Patientin, dass die Besserungweiter fortgeschritten war (um 30 – 50 %). Der Beinschmerz unddas Ameisenlaufen traten anstatt „sehr h�ufig“ nur noch „gele-gentlich“ auf, und auch die R�ckenschmerzen hatten sich deut-lich verringert.Die kçrperliche Untersuchung ergab eine signifikante Verbes-serung aller erneut beurteilten Punkte. Lumbale Flexion warmindestens zu 3/4 des Bewegungsbereichs mçglich, wenn auchzervikale Flexion immer noch ein Dehnungsgef�hl im unterenR�cken und der rechten Ges�ßh�lfte hervorrief. Das Hautemp-finden gegen�ber Vibration war immer noch vermindert, ob-wohl sich der betroffene Bereich erheblich verkleinert hatte.Der Slump-Test fiel beinahe normal aus und zeigte in diesemStadium lediglich eine nicht offensichtliche abnormale Reakti-on [11]. Anfangs ergab sich eine offensichtliche abnormale Re-aktion, die sich allm�hlich der normalen insofern ann�herte,als kein R�ckenschmerz, sondern stattdessen eine Festigkeitim posterioren Aspekt des rechten Oberschenkels und Ges�ßeshervorgerufen wurde. Dieser typische Fall einer anfangs offen-sichtlichen Reaktion, die – in dem Maße, wie sich das Problembessert und die Symptome immer schwerer zu provozierensind, wobei aber kçrperliche Zeichen einer Abnormalit�t be-stehen bleiben – sich in eine nicht offensichtliche abnormaleReaktion umkehrt. Bei der entsprechenden Diagnosenstellungkommt es sehr auf die diagnostischen F�higkeiten der Thera-peuten an, weil sie subtile Ver�nderungen der Zeichen undSymptome des Patienten erkennen m�ssen.

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Da sich das Problem der Patientin derart gebessert hatte, galtes nun, mit den „statischen �ffnern“ weniger abnorme Ver-h�ltnisse zu behandeln. Die bisherige Behandlung zielte vorallem auf die pathophysiologischen Verh�ltnisse in der Ner-venwurzel bzw. deren vermutlich verminderte Durchblutung.Die „�ffner“ nehmen Druck von der Nervenwurzel und ver-bessern dadurch wahrscheinlich die Durchblutung. Dieser An-satz erzielte deutlich positive Wirkungen. Obwohl damit we-niger ausgepr�gte pathophysiologische Verh�ltnisse vorlagen,blieb der mechanische Aspekt des Problems bestehen, auf densich deshalb auch die weitere Behandlung richtete. Ein weite-rer Grund f�r die Behandlungs�nderung lag darin, dass diebeim Slump-Test erkennbaren Besserungen allm�hlich gerin-ger wurden.Im Folgenden wurde daher mit einem „dynamischen �ffner“behandelt [10], der auch Bewegung beinhaltet (l" Abb. 3). So-wohl die Nervenwurzel als auch die spinalen Segmente vertru-gen Bewegung gut, weil sich inzwischen die Hypersensitivit�tder Nervenwurzel vermindert und die spinale Beweglichkeitverbessert hatten. Nach der Durchf�hrung der „�ffner“ wur-den die Symptome und Zeichen erneut beurteilt. Dabei fandensich weitere geringe Verbesserungen beim Slump-Test, bei derHautempfindung f�r Vibration und bei lumbaler Flexion. DiePatientin erhielt daraufhin den Auftrag, die �bungen weiterhinzu Hause durchzuf�hren.Weil zuvor der Slump-Test nur noch eine kleine Verbesserunggezeigt hatte, kamen einige spezifische neurodynamischeTechniken zum Einsatz. Da dies f�r die Patientin die ersteneurale Mobilisierung war, wurde eine Technik gew�hlt, dienicht allzu viel Kraft auf den Nerv einwirken l�sst, sich je-doch auf die Dysfunktion der neuralen Spannung richtet. DieReaktion auf den Slump-Test war eine nicht offensichtlicheabnormale Reaktion gewesen, und das Bewegungsausmaßbei der Extension des Knies hatte sich bis zu dem Stadiumdeutlich verbessert, in dem keine sehr große Einschr�nkungmehr bestand.Es wurde Progressionsstufe 3 gew�hlt (lagere außerhalb derSpannung – bewege in die Spannung hinein), die wenig unterdem Niveau eines Standardtests liegt [10]. Dabei saß die Pa-tientin auf dem Behandlungstisch, ihre Beine hingen f�r denSlump-Test �ber den Rand des Tisches, mit dem kontralatera-len Knie in Extensionsstellung (lagere außerhalb der Spannung,um Spannung in der ipsilateralen Nervenwurzel zu verringern;[10]. Nun wurde das ipsilaterale Knie passiv und sanft in Ex-tension mobilisiert.Der Slump-Test zeigte anschließend deutlich bessere Resultate(grçßeres Bewegungsausmaß bei Knieextension und wenigerSchmerzen), und die Patientin meinte, ihr R�cken f�hle sichviel freier an. Da die neurologische Beurteilung eine weitereVerbesserung der Hautempfindung ergab, wurden in diesemStadium neurale Mobilisierungen vorgenommen. Sie erhieltdie �bung mit jeweils 10 –20 Wiederholungen als mehrfacht�glich durchzuf�hrendes Heimprogramm und der Anweisung,sie bei einer Zunahme der Symptome (bis zur n�chsten Kon-sultation) nicht zu wiederholen (l" Abb. 4a u. b).

4. SitzungDie Patientin kam 2 Tage sp�ter wieder und gab grçßere Fort-schritte beim Auftreten ihrer Symptome an, die sie nun auf 65%einsch�tzte.

Abb. 4 a und b Heim�bung zur Bewegung aus einer Position außerhalbder Spannung in die Spannung hinein (mit Genehmigung von Neurodyna-mic Solutions [NDS]). a Ausgangsposition: das kontralaterale (linke) Knieist extendiert, um die Spannung in der ipsilateralen (rechten) Nervenwur-zel zu verringern. b Mobilisierung: aktive ipsilaterale Knieextension.

Abb. 3 �bung „dynamischer �ffner“. Die Patientin l�sst ihre Beine �berden Rand des Behandlungstisches herabh�ngen. Die Schwerkraft bewirktdie �ffnung (kontralaterale Lateralflexion), und die Patientin bringt ihreBeine aktiv in die neutrale (horizontale) Position zur�ck. Zwischen deneinzelnen Bewegungen kçnnen die Beine auf dem Tisch ausruhen (mitGenehmigung von Neurodynamic Solutions [NDS]).

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Nachfolgende Behandlungen und EndergebnisBei den n�chsten 3 einmal pro Woche stattfindenden Sitzun-gen erfolgte dieselbe Behandlung. Der Slump-Test wurde aufProgressionsstufe 4 gesteigert (lagere in Spannung – bewegein die Spannung hinein; [10, 11]; l" Abb. 5) und der Patientingezeigt, wie sie diese �bung zu Hause durchf�hren konnte.Auf diese Weise gewann sie normale Empfindungen im Bein zu-r�ck und versp�rte kein Ameisenlaufen und keine Schmerzen inBein oder R�cken mehr. Sie zeigte keine Symptome mehr undkeine Auswirkungen auf ihre Lebensweise.Nach 2 Monaten hatte sie nach wie vor keine Symptome undbençtigte keine Behandlung. Zur Aufrechterhaltung dieses Zu-stands und als Pr�vention wurde sie angewiesen, die �bungenzu Hause weiterhin durchzuf�hren. Der anf�ngliche „dynami-sche �ffner“ wurde hierzu folgendermaßen gesteigert: Im Ste-hen stabilisierte sie aktiv ihr Becken und f�hrte eine kontralate-rale Lateralflexion durch, sodass sie sich um die kontralaterale(linke) H�fte drehte und damit eine �ffnung der ipsilateralen(rechten) Foramina intervertebralia und eine Dehnung der late-ralen Weichteile bewirkte (l" Abb. 6).

Abschließende AnalyseNat�rlich w�ren auch andere mçglicherweise wirksame Behand-lungsans�tze infrage gekommen, wie z.B. Stabilit�tsentwicklung,�bungen zur motorischen Kontrolle und lokale Mobilisierungen.Die vielen Beweise f�r spezifische neurodynamische Dysfunktio-nen (reduziertes Schließen an der Schnittstelle und die neuraleSpannung) rechtfertigten jedoch das Konzept der Klinischen Neu-rodynamik.Die Hypothesen �ber die den Behandlungserfolgen zugrunde lie-genden Mechanismen beinhalteten die verbesserte Durchblutungder Nervenwurzel und somit die verringerte neurale Hypersensi-tivit�t und erhçhte Leitf�higkeit. Um die Behandlung der mecha-nischen Schnittstelle weiter fortzuf�hren, h�tte der verminderteSchließmechanismus durch ein Schließen des Foramen interver-tebrale um die Nervenwurzel (ipsilaterale Lateralflexion) beein-flusset werden kçnnen. Wegen des dabei auf die Nervenwurzeleinwirkenden Drucks ist das Schließen jedoch riskanter als das�ffnen. Da sich die reduzierte Schließfunktion sowie die physio-logischen Verh�ltnisse in der Nervenwurzel mit der Behandlungrecht gut verbesserten, wurde die Behandlung nicht bis hin zuden Schließmançvern fortgesetzt.Was die Behandlung der Nervenwurzelmechanismen betrifft,schienen neurale Mobilisierungen gute Erfolge zu zeigen. DieTechniken wurden jedoch sehr sanft durchgef�hrt und erst mitzunehmender Besserung langsam von niedrigerem zu hçheremNiveau gesteigert. W�re in einem fr�heren Behandlungsstadiummit neuralen Dehnungen begonnen worden, h�tte dies vielleichtdie Symptome der Patientin provoziert. In der Folge w�ren dieneuralen Techniken aufgegeben und der Patientin mçglicherwei-se eine wirksame Form der Behandlung vorenthalten worden.

Schlussfolgerungen!

Das neue Konzept der Klinischen Neurodynamik im RahmenManueller Therapie zeigte bei einer Patientin mit Kreuzschmer-zen und radikul�ren Symptomen positive Wirkungen und er-laubte eine Behandlung der urs�chlichen Mechanismen durchsorgf�ltig abgestimmte Progression, Clinical Reasoning und Aus-wahl der Technik. Dabei spielten diagnostische Kategorien undsystematische Progression eine wesentliche Rolle.

Die verschiedenen dysfunktionalen Komponenten kçnnen ein-zeln behandelt werden. Durch die Anpassung der Behandlungs-techniken an die spezifischen Patientenverh�ltnissen wird dasRisiko einer Provokation von Symptomen verhindert.

Abb. 6 „Dynamischer �ffner“ zur st�rkeren �ffnung der ipsilateralenForamina intervertebralia (mit Genehmigung von Neurodynamic Solutions[NDS]).

Abb. 5 Heim�bung auf der Progressionsstufe lagere in Spannung –bewege in die Spannung hinein. Ausgangsstellung: Slump-Position mit flek-tierten Knien und neutraler Haltung der HWS. Die �bung besteht aus zer-vikaler Flexion und ipsilateraler Knieextension sowie – optional – einerDorsalflexion des Fußes (mit Genehmigung von Neurodynamic Solutions[NDS]).

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5 Butler D. The Sensitive Nervous System. Adelaide: Noigroup, 2000

6 Cooper R, Freemont A, Hoyland J et al. Herniated intervertebral disc-associated periradicular fibrosis and vascular abnormalities occurwithout inflammatory cell infiltration. Spine 1995; 20: 591–598

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