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Tel.: 030 300 65-0 Fax: 030 300 65-390 www.familienunternehmer.eu E-Mail: [email protected] RICHTIGSTELLUNG Berlin, 21. April 2009 DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin Nimmt die Armut in Deutschland zu? Die Behauptung Olaf Scholz: „Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet.“ „Jeder Vierte ist arm“ (noch vor der Veröffentlichung des Armutsberichts der Bundesregierung). DGB: „Der gesellschaftliche Reichtum muss anders verteilt werden." (…) Armut in Deutschland ist ein wachsendes Problem. Inzwischen sind wieder Millionen Menschen in einer der reichsten Industrienationen der Welt arm oder von Armut bedroht.“ Die Richtigstellung Die Definition von Ar- mut und Reichtum hat sich verändert Relative Armut bemisst sich relativ zum mittleren Einkommen eines Lan- des. Als arm gilt, wer weniger als 50 Prozent (WHO) oder 60 Prozent (EU) des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. 2008 zählt in Deutsch- land als relativ arm, wer weniger als 781 Euro netto pro Monat zur Verfü- gung hat. Aufgrund der relativen Armutsdefinition erhöht sich die Anzahl der Armen, wenn das Durchschnittseinkommen steigt, ohne dass sich aber am realen Leben der Armen etwas geändert hat. Irrsinnig: Eine schlechte Wirtschaftspolitik für Familienunternehmer, die dazu führt, dass das Unternehmen den Standort Deutschland verlässt, kann so z.B. die Anzahl der Armen in Deutschland verringern. Der Begriff der relati- ven Armut ist irrefüh- rend Der Begriff der relativen Armut führt nicht nur zu irreführenden Ergebnis- sen, sondern er ist selbst irreführend, denn er sagt nichts über die tatsäch- liche Armut aus. Die statistische Verteilung sagt noch nicht aus, wie es den Armen geht. Maßgeblich ist das verfügbare Einkommen der Armen, das zum großen Teil aus Sozialtransfers besteht, in nahezu gleichem Maße gestiegen wie das Einkommen der Durchschnittsverdiener. In Wahrheit ist der Begriff der relativen Armut ein Indikator für die ökono- mische Ungleichheit in der Gesellschaft. Es ist unredlich, die Begriffe Ar- mut und Ungleichheit miteinander zu vermengen. Wenn sich unsere Ein- kommen verdoppeln oder verdreifachen sollten, sind dann diejenigen, die 60 Prozent des erhöhten Durchschnittseinkommens verdienen, immer noch als arm zu bezeichnen? In Deutschland ist die rel. Einkom- mensarmut verhält- nismäßig gering ausgeprägt Rund 13 Prozent (Armutsbericht 2008) der Bundesbürger verfügen ein- schließlich der sozialen Transferleistungen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens – nur in sechs EU-Staaten liegen noch weniger Bürger unterhalb der Armutsrisiko-Schwelle. Im europäischen Durch- schnitt sind es dagegen 16 Prozent. Reichtum wird über- schätzt Als reich wird eingestuft, wer als Alleinlebender mehr als 3418 Euro im Monat netto hat. Das sind in der Bundesrepublik 8,8 Prozent der Gesamt- bevölkerung. 5.000 € brutto/Monat sind nötig, um zu den reichsten 5 Pro-

Nimmt Armut In Deutschland zu?

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RICHTIGSTELLUNG

Berlin, 21. April 2009

DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin

Nimmt die Armut in Deutschland zu?

Die Behauptung Olaf Scholz: „Die Schere zwischen Arm und Reich hat sich weiter geöffnet.“ „Jeder Vierte ist arm“ (noch vor der Veröffentlichung des Armutsberichts der Bundesregierung). DGB: „Der gesellschaftliche Reichtum muss anders verteilt werden." (…) Armut in Deutschland ist ein wachsendes Problem. Inzwischen sind wieder Millionen Menschen in einer der reichsten Industrienationen der Welt arm oder von Armut bedroht.“

Die Richtigstellung Die Definition von Ar-mut und Reichtum hat sich verändert

Relative Armut bemisst sich relativ zum mittleren Einkommen eines Lan-des. Als arm gilt, wer weniger als 50 Prozent (WHO) oder 60 Prozent (EU) des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat. 2008 zählt in Deutsch-land als relativ arm, wer weniger als 781 Euro netto pro Monat zur Verfü-gung hat. Aufgrund der relativen Armutsdefinition erhöht sich die Anzahl der Armen, wenn das Durchschnittseinkommen steigt, ohne dass sich aber am realen Leben der Armen etwas geändert hat. Irrsinnig: Eine schlechte Wirtschaftspolitik für Familienunternehmer, die dazu führt, dass das Unternehmen den Standort Deutschland verlässt, kann so z.B. die Anzahl der Armen in Deutschland verringern.

Der Begriff der relati-ven Armut ist irrefüh-rend

Der Begriff der relativen Armut führt nicht nur zu irreführenden Ergebnis-sen, sondern er ist selbst irreführend, denn er sagt nichts über die tatsäch-liche Armut aus. Die statistische Verteilung sagt noch nicht aus, wie es den Armen geht. Maßgeblich ist das verfügbare Einkommen der Armen, das zum großen Teil aus Sozialtransfers besteht, in nahezu gleichem Maße gestiegen wie das Einkommen der Durchschnittsverdiener.

In Wahrheit ist der Begriff der relativen Armut ein Indikator für die ökono-mische Ungleichheit in der Gesellschaft. Es ist unredlich, die Begriffe Ar-mut und Ungleichheit miteinander zu vermengen. Wenn sich unsere Ein-kommen verdoppeln oder verdreifachen sollten, sind dann diejenigen, die 60 Prozent des erhöhten Durchschnittseinkommens verdienen, immer noch als arm zu bezeichnen?

In Deutschland ist die rel. Einkom-mensarmut verhält-nismäßig gering ausgeprägt

Rund 13 Prozent (Armutsbericht 2008) der Bundesbürger verfügen ein-schließlich der sozialen Transferleistungen über weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens – nur in sechs EU-Staaten liegen noch weniger Bürger unterhalb der Armutsrisiko-Schwelle. Im europäischen Durch-schnitt sind es dagegen 16 Prozent.

Reichtum wird über-schätzt

Als reich wird eingestuft, wer als Alleinlebender mehr als 3418 Euro im Monat netto hat. Das sind in der Bundesrepublik 8,8 Prozent der Gesamt-bevölkerung. 5.000 € brutto/Monat sind nötig, um zu den reichsten 5 Pro-

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Berlin, 21. April 2009

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zent in Deutschland zu gehören. In Deutschland fokussiert man sich auf die Superreichen. Dies ist eine Minderheit im Promillebereich.

Knapp 600.000 von drei Millionen Selbstständigen verdienen z.B. weniger als 7,50 Euro pro Stunde. 213.000 von ihnen kommen nicht mal auf fünf Euro. Das liegt unter anderen daran, dass Selbstständige im Schnitt 59 Wochenstunden arbeiten und nur 15 Tage Urlaub im Jahr nehmen.

Der Wandel der Haus-haltsstruktur erklärt 88 Prozent des Anstiegs der Ungleichverteilung

Alleine durch die Zunahme der Single-Haushalte hat sich die gemessene Armut vergrößert. Während ein Paarhaushalt beispielsweise mit einer Waschmaschine auskommt, brauchen zwei Single-Haushalte bereits zwei davon. Ein Alleinstehender muss für den gleichen Lebensstandard also mehr Geld ausgeben als ein Zweipersonen-Haushalt. Hat er nicht das entsprechende Einkommen, gilt er als arm – und die statistische Ungleich-verteilung wird größer, am nominalen Einkommen hat sich überhaupt nichts geändert.

Wer viel verdient, gibt auch viel ab – die Um-verteilung funktioniert

Die 30 Prozent der Haushalte mit den höchsten am Markt erzielten Ein-kommen leisten rund 62 Prozent aller Steuern und Abgaben, während die untere Hälfte der Haushalte 79 Prozent der Transfers empfing. Im Jahr 2007 trug das bestverdienende Zehntel der Steuerzahler allein 53 Prozent zum gesamten Lohn- und Einkommenssteueraufkommen bei, das oberste Viertel sogar 76 Prozent – das war noch einmal ein höherer Anteil als drei Jahre zuvor.

Das größte Armutsri-siko ist Arbeitslosig-keit

43 Prozent der Arbeitslosen gelten als einkommensarm – von den Er-werbstätigen trifft dieses Schicksal nur 6 Prozent. Arbeitslosigkeit ist nach wie vor das Armutsrisiko Nummer eins.

Armut darf nicht mit Ungleichheit verwech-selt werden

Armut darf nicht mit Ungleichheit verwechselt werden. Ein bestimmtes Maß an materieller Ungleichheit ist nötig, damit eine Gesellschaft produktiv und auch „gerecht“ ist. Gerecht in dem Sinne, dass derjenige der mehr leistet auch mehr verdienen kann.

Durch willkürliche Definitionen von „arm & reich“ sind allen möglichen poli-tischen Forderungen Tür und Tor geöffnet. Parteien, Gewerkschaften und Interessengruppen nutzen dies, um ihre gesellschaftliche Bedeutung aus-zubauen. Zwar existiert in Deutschland Armut, jedoch in einem weit gerin-geren Umfang als propagiert. Die Ungleichheit in Deutschland ist in den letzten Jahrzehnten weitgehend konstant geblieben. Auch das Lebensni-veau der „Armen“ allgemein hat sich merklich verbessert. Dessen unge-achtet fokussiert sich die Neid-Diskussion auf die sehr wenigen Superrei-chen im Promillebereich, meint jedoch alle „Besserverdienenden“.

Gerechtigkeit bedeu-tet nicht Gleichheit

Die Gerechtigkeit hat nicht nur der Freiheit den Rang abgelaufen, sie hat sich auch aus ihrer Verflechtung mit der Freiheit gelöst und ist zu einem Begriff des Appells an Umverteilung und unmittelbare soziale Gleichheit geworden. So würden es inzwischen vermutlich schon viele für „un-gerecht“ halten, dass ein Busfahrer weniger verdient als ein Arzt oder dass manche Kinder das Abitur machen, andere aber nicht.

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RICHTIGSTELLUNG

Berlin, 21. April 2009

DIE FAMILIENUNTERNEHMER – ASU e.V. Tuteur Haus I Charlottenstraße 24 10117 Berlin

Das Fazit Dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden, ist – abgesehen von sehr kleinen Gruppen – ein populärer Irrtum. Da sich Armut in Deutschland hauptsächlich auf gering Qualifi-zierte und Langzeitarbeitslose konzentriert ist der beste Weg aus der Armutsfalle eine gute Bil-dungs- und Arbeitsmarktpolitik. Deswegen heißt es im Armutsbericht der Bundesregierung da-zu auch, es sei „signifikant“, wie rasch das Armutsrisiko auf null sinkt, wenn die Armutsgefähr-deten einen Job annehmen könnten. Hinzu kommt der unerträgliche Zugriff des Staates auf die Mittelschicht. Allein die Einkommen-steuer beträgt für einen Arbeitnehmer mit Durchschnittseinkommen rund 5.034 Euro pro Jahr bzw. knapp 17% seines Bruttoeinkommens. Bei Arbeitnehmern mit einem Einkommen an der Rentenbeitragsgrenze fordert der Fiskus sogar in etwa 28% seines Bruttoeinkommens. Zusätz-lich muss ein Durchschnittsverdiener 5.930 Euro im Jahr an die Sozialversicherungen abführen, was sich durch den Arbeitgeberanteil nochmals verdoppelt. Durch diese hohe Abgabenlast kommt immer weniger vom Bruttolohn bei den Arbeitnehmern an. Somit wird breiten Bevölke-rungsschichten der Vermögensaufbau doppelt erschwert und die Armutsgefährdung nimmt zu. „Mehr Netto vom Brutto“ könnte die Abstiegssorgen der Mittelschicht erheblich mindern.