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Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen HDS 1 | 2011 Journal PERSPEKTIVEN GUTER LEHRE

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  • 1. Hochschul- didaktisches Zentrum SachsenHDS Journal 1 | 2011 Perspektiven Guter Lehre
  • 2. Hochschul- didaktisches Zentrum SachsenInhaltEditorial 3 Lehre in Sachsen Das ViP-Projekt: Videovorlesungen an derPerspektiven Universitt Leipzig Dr. Michael Gerth 59Zwischen den Sthlen ist Bewegung. Elena Buck, Anne Dlemeyer, Benjamin Engbrocks,Kathrin Franke und Beatrice Mller 6 Literaturhinweis: Educasting Isabel Zorn, Andreas Auwrter, Marc Krger und Heike Seehagen-Marx 64Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum frHochschullehre. Dipl.-Psych. Anja Pawelleck 19 Evaluation der HDS-Pilotphase im WS 2010/11 66Das Lehrportfolio. Jan Fendler und Prof. Dr. Michaela Glser-Zikuda 29 ServiceErfahrungsbericht zum Verfassen eines Rezensionen Lehrportfolios. Constanze Janda 43 Professionell lehren und lernen. Ein Praxisbuch. Beatrice Mller 71Hochschuldidaktische Weiterbildung als fachber- Lehrbuch fr Lernen und Lehren mit Technologiengreifender Dialog an der Universitt Lettlands Benjamin Engbrocks 73Sanita Baranova 48 HDS.Jahrestagung 2011 Inter::Disziplinre Perspektiven guter Lehre Tagungsprogramm 77 Veranstaltungshinweise / Ausschreibungen 78 Impressum 81HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 2
  • 3. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Editorial Liebe Leser_innen, wir freuen uns, Ihnen die dritte Ausgabe des HDS.Journals zu Perspektiven guter Lehre in Sachsen und andernorts prsentie- ren zu knnen. Seit dem Erscheinen des letzten Heftes hat sich im HDS viel getan: Im April 2011 beschlossen die Leitungen von dreizehn schsi- schen Hochschulen, das HDS als gemeinsame zentrale Ein- richtung zu betreiben und finanziell zu untersttzen. Das hat entsprechend positive Folgen fr die Weiterbildungs- und Unter- sttzungsangebote, die wir Lehrenden im Freistaat Sachsen ma- chen knnen. Die Angebote der schsischen Hochschulen und HDS-Geschftsstelle haben sich gegenber dem vergangenen Jahr deutlich erweitert: Es finden mehr Weiterbildungsseminare an mehr Hochschulstandorten statt, die ein breiteres inhaltliches Spektrum abdecken. Darber hinaus knnen Interessierte ab WS 2011/12 am strukturierten Programm zum Erwerb des schsi- schen Hochschuldidaktik-Zertifikats teilnehmen, das sich an inter-Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 3
  • 4. nationalen und deutschlandweiten Standards orientiert. Neu in diesem Jahr ist der HDS.Dialog , ein Format Ausfhrliche Informationen zum hochschuldidaktischen aus Ringvorlesung und Diskussion, das mit wechseln- Zertifikatsprogramm finden Sie auf unserem Portal. den Themenschwerpunkten jedes Jahr wiederholt wer- den soll. Dieses Jahr haben wir, vorbereitend auf die Und dies sind einige weitere Angebote, die wir in diesem Jahrestagung, mit insgesamt drei Abendveranstaltungen Jahr fr Sie vorbereitet haben: zu fachbezogenen Themen begonnen. Das HDS hilft beim Aufbau von Praxisteams, in denen Gern stehen wir Ihnen fr Ihre Anregungen und Fragen sich Hochschullehrende nach dem Prinzip der Kollegia- zu den Angeboten des HDS zur Verfgung. len Beratung austauschen und gegenseitig untersttzen. Erste Gruppen haben sich bereits gebildet. Bei Interes- Zum Inhalt des aktuellen HDS.Journals: se bieten wir auf Anfrage Einfhrungsworkshops fr schsische Hochschullehrende an. Im vorliegenden Heft halten wir in eigener Sache Rck- schau auf unsere Pilotphase, im Rahmen derer wir das Am 4. November 2011 findet in Kooperation mit erste sachsenweite hochschuldidaktische Kurspro- dem Zentrum fr Weiterbildung der TU Dresden die gramm organisiert und das Format der Kollegialen Bera- zweite HDS.Jahrestagung in Dresden statt. Die tung erprobt haben (S. 66). diesjhrige Jahrestagung steht unter dem Motto Inter::Disziplinre Perspektiven guter Lehre. Die Ta- Anja Pawelleck schildert die Erfahrungen mit Kollegialer gung ist vor allem eine Plattform des Austauschs ber Beratung, die am Berliner Zentrum fr Hochschullehre Beispiele guter Lehre an schsischen Hochschulen und (BZHL) in den letzten Jahren gemacht wurden (S. 19). zur Diskussion neuer Entwicklungen in der Lehre mit ex- ternen Expert_innen. In diesem Jahr steht sie ganz im Jan Fendler (FSU Jena) fhrt in die Erstellung eines Zeichen von fachspezifischen und interdisziplinren As- Lehrportfolios ein, das der konstanten Selbstreflexion pekten der Hochschullehre. der eigenen Lehrpraxis dient und individuelle Entwick-Editorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 4
  • 5. lungsschritte ber einen lngeren Zeitraum dokumentiert lerntheoretischer Sicht fundiert und anhand von didakti- (S. 29). Ergnzt wird die Einfhrung durch einen Erfah- schen Praxisbeispielen veranschaulicht wird (S. 64). rungsbericht von Constanze Janda (FSU Jena), die das Format Lehrportfolio erfolgreich nutzt (S. 43). Im Rahmen eines internationalen Symposiums organi- siert von ProLehre, der hochschuldidaktischen Einrich- Im Mrz 2011 war eine Delegation der Lettischen Uni- tung der TU Mnchen fand in der ersten Mrzwoche versitt Riga in Leipzig zu Gast und nahm an einem dieses Jahres die 40. Jahrestagung der Deutschen Ge- Workshop im HDS teil, in dem es um einen Erfahrungs- sellschaft fr Hochschuldidaktik (DGHD) statt. Das HDS austausch zum Aufbau hochschuldidaktischer Weiter- hat hierzu einen Tagungsbericht verfasst, der die aus bildungsangebote ging. Sanita Baranova geht in ihrem unserer Sicht wichtigsten Inhalte zusammenfasst (S. 6). Artikel ausfhrlich auf die Konzeption und Umsetzung hochschuldidaktischer Programme an der Lettischen Abgerundet wird das aktuelle HDS.Journal wie gewohnt Universitt ein und fasst darber hinaus die Ergebnisse durch zwei Rezensionen (S. 71) und einem Serviceteil der diesbezglichen Begleitforschung zur Qualittssi- zu aktuellen Tagungen und Ausschreibungen (S. 78). cherung und weitergehenden Bedarfserhebung zusam- men (S. 48). Wir wnschen eine interessante und informative Lektre! Michael Gerth (E-Learning Service Universitt Leipzig) Ihr HDS-Team gibt einen Einblick in die Mglichkeiten des Einsatzes von E-Vorlesungen (S. 59). Sein Beitrag wird ergnzt durch den Verweis auf einen Artikel von Isabel Zorn, Andreas Auwrter, Marc Krger und Heike Seehagen- Marx aus dem Online-Lehrbuch fr Lernen und Lehren mit Technologien (Hg. von M. Ebner und S. Schn), in dem der Einsatz von Podcasts in Bildungskontexten ausEditorial HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 5
  • 6. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Zwischen den Sthlen ist Bewegung. Eindrcke vom Internationalen Symposium und der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fr Hoch- schuldidaktik (DGHD) im Mrz 2011 in Mnchen. Elena Buck, Im Rahmen eines internationalen Symposiums - organisiert von Anne Dlemeyer, ProLehre1 (der hochschuldidaktischen Einrichtung der TU Mn- Benjamin Engbrocks, chen) - fand in der ersten Mrzwoche dieses Jahres die 40. Kathrin Franke und Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft fr Hochschuldidak- Beatrice Mller tik (DGHD)2 statt. Runde Jubilen laden bekanntlich dazu ein, Rckschau zu halten - die Entstehung der Hochschuldidaktik im Kontext der Hochschulreformbestrebungen der 1960er und 70er Jahre bietet hier eine Flle von Ansatzpunkten, Projektionen und Anekdoten. An dieser Stelle sei nur angemerkt, dass die Hoch- schuldidaktik in ihrer noch kurzen Geschichte vor allem im Span- nungsfeld Hochschulpolitik, Verwaltung und Wissenschaft geprgt wurde und wird.3 Whrend die wechselnden Konjunkturen der Hochschulpolitik als externer Faktor den fallenden oder (seit der Bologna-Reform) wieder steigenden Bedarf an hochschuldidakti- schen Weiterbildungsangeboten (mit-)bestimmen, sind es vor al- lem Verwaltung und Wissenschaft, welche die (Selbst-)Verortung von Hochschuldidaktiker_innen prgen. Im Folgenden werfen wir 1 http://www.cvl-a.de/prolehre/ 2 http://www.dghd.de/ 3 fr einen kurzen berblick: vgl. HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni- leipzig.de/fileadmin/media/HDSJournal1-2010.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 6
  • 7. einige Schlaglichter auf zentrale Themenbereiche, die Formen des ,dritten Raums ergeben werden (vgl. ebd.). im Rahmen des internationalen Symposiums und der Professionelles Handeln im Arbeitsbereich Hochschul- DGHD-Jahrestagung verhandelt wurden. didaktik spielt sich in einem Raum ab, der durch den Balanceakt zwischen Ttigkeiten geprgt ist, die auf Hochschuldidaktik als dritter Raum im akademi- die organisatorischen und/oder sozialen Bedingungs- schen Betrieb rahmen Lehrender ausgerichtet sind und solchen, die sich am Individuum und individuellen Fllen und/oder Mit einem Blick ber den Tellerrand stellte Angelika Bedrfnissen orientieren.7 Zugleich wird das Zusam- Thielsch in ihrem Workshop4 die Hochschuldidaktik als menspiel von hochschulpolitischen Entwicklungen mit dritten Raum vor. Das kulturwissenschaftliche Kon- dem Verantwortungsbereich hochschuldidaktischer Ein- zept des Third Space5 - in dem (post-koloniale) Iden- richtungen, Initiativen und Manahmen durch ein Span- tittsstiftung im Zusammenspiel zwischen bzw. in der nungsfeld aus Innovation, Entwicklung, Eigeninitiative Schnittmenge verschiedener kultureller Sphren veror- und konkreten Serviceleistungen als untersttzende tet wird - fhrte die britische Hochschulforscherin Ce- Dienstleistungsstruktur fr Hochschullehrende aufrecht- lia Whitchurch in die Hochschulforschung ein. Es diene der Beschreibung neu entstehender Aufgabenfelder im 4 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2e_thielsch_drit- akademischen Betrieb, die sie als ein emergentes Ter- ter_raum.pdf 5 Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout- ritorium zwischen dem wissenschaftlichen und dem pro- ledge Classics fessionellen Bereich6 charakterisiert. Whitechurch geht 6 Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries: davon aus, dass Ttigkeiten in diesem ,dritten Raum The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Education. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert indikativ fr knftige Trends bei der Herausbildung pro- nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg fessioneller Identitten sind und sich diese Ttigkeiten (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift zunehmend mit Aufgaben von Wissenschaftler_innen fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29. 7 Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Pro- vermischen, die projekt- und managementbezogene fessionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift fr Hochschulent- Rollen bernehmen, so dass sich wahrscheinlich neue wicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 108.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 7
  • 8. erhalten (vgl. ebd.). Arbeitssituation und Selbstverstnd- Raum, in dem man sich eher auf symbolisches Kapi- nis der in diesem Bereich arbeitenden Personen sind tal und persnliche Netzwerke verlassen11 muss, wird ebenso diffus wie der Raum selbst. Befragt man die im selber zur Ressource, mit der gearbeitet werden kann. dritten Raum Ttigen, so kennzeichnen sie sich selbst Whrend die neuen Hochschulprofessionellen in be- eher als DienstleisterInnen und weniger als Verursacher merkenswertem Mae gestaltend wirken, eignet sich die neuer Pflichten und Kontrollen [...], als Hochschulprofes- Betonung der zuarbeitenden Rolle dazu, Auseinander- sionelle und Experten, teilweise als Generalisten, aber setzungen ber potentielle Rollenberschneidungen und kaum noch als Wissenschaftler und beschreiben, dass -konflikte in Grenzen zu halten und Kooperationsbereit- sie an Schnittstellen arbeiten, multifunktional ttig sind, 8 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg neue Ttigkeitsfelder gestalten, Troubleshooter sind und (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift oft dort einspringen, wo unmittelbarer Bedarf entsteht.8 fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 34. Diese Ttigkeiten sind irgendwo zwischen Strategie 9 Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Aca- demic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jah- und Innovation9 verortet: Hochschulprofessionelle er- restagung der European Association of Institutional Research (EAIR), kennen (funktionale und/oder organisationale) Grenzen, 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar- nutzen diese aber aktiv, um strategische Vorteile zu er- bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift fr zielen und institutionelle Kapazitten aufzubauen, indem Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 35. sie aus ihrem Wissen um beide Seiten der Grenzen, mit 10 Whitchurch, Celia (2008): Schifting Identities and Blurring Boundari- es: The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa- denen sie zu tun haben, Kapital schlagen. Sie zeigen tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 382-384. dabei eine Missachtung von Grenzen, oder von Regeln Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei- und Ressourcen, (...) und bearbeiten die breit gefassten jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 29. Projekte, mit denen sie befasst sind, mit einem explora- 11 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg tiven und ergebnisoffenen Ansatz.10 Im Zusammenwir- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift ken von entgrenztem Ttigkeitsfeld und unklarer Rollen- fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 25. 12 Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg zuschreibung wird beides nicht als defizitr verstanden, (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift sondern als Quelle neuer Mglichkeiten. Der ,dritte fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39, S. 24f.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 8
  • 9. schaft auf Seiten von Hochschullehrenden zu frdern.12 ber die bestehenden Strukturen und Perspektiven un- Plastisch anschaulich wird dieses Spannungsfeld, wenn tersttzender Serviceangebote als auch einen Einblick in man das Selbstverstndnis hochschuldidaktischer Ein- die Entwicklungslinien und Aussichten hochschuldidakti- richtungen betrachtet, welche sich als Forschungs- und/ scher Forschung, um so die Grundlagen fr eine gemein- oder als Serviceeinrichtung betrachten (und positionie- same Wissensbasis zu schaffen. In einem eigenen Track ren). Diese Selbstzuschreibung ist nicht ausschlielich, fr Newcomer in der Hochschuldidaktik sowie durch das d.h. kein Entweder-Oder sondern ein Sowohl-als-auch, Promovierenden-Netzwerk der DGHD (welches sich das sie ist beides bzw. liegt dazwischen im ,dritten Raum. nchste Mal im Rahmen der HDS.Jahrestagung an der Dabei betreibt die Hochschuldidaktik als eigenes Wis- TU Dresden trifft), wurde und wird zudem Hilfestellung senschaftsgebiet anwendungsorientierte und interdis- fr Nachwuchswissenschaftler_innen und Praktiker_in- ziplinre Forschung, wobei der Blick auf die eigene nen im Ttigkeitsfeld Hochschuldidaktik gegeben. Profession bisher kaum expliziter Bestandteil dieser Forschung ist.13 Zugleich knnen jedoch innerhalb des Hochschuldidaktik als Element hochschulinterner Kreises der Hochschuldidaktiker_innen als einer Com- Organisationsentwicklung munity of Practice Tendenzen der Entwicklung hin zu einer dezidierten Profession Hochschuldidaktik ausge- Eine Reihe weiterer Workshops der Tagung nahm Bezug macht werden, die sich im Sinne einer Professionali- auf Aspekte der Einbindung hochschuldidaktischer Arbeit sierungsstrategie in dem Bestreben nach einheitlichen in die allgemeinen Hochschulstrukturen. Dahinter steht Standards und einer gemeinsamen Wissensbasis als ein Selbstverstndnis, nach dem sich Hochschuldidak- Zeichen von Professionalitt niederschlgt. Zugleich tik nicht in der Frderung der didaktischen Kompeten- wird kritisch betont, dass diese Entwicklung sowohl einer zen individueller Lehrender erschpft, sondern darber gezielten Vernderung als auch trennscharfer Strukturen hinaus die Studienganggestaltung, Strategien der Per- bedarf (vgl. ebd.). In eben diesem Sinne bot die DGHD- 13 vgl. Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Jahrestagung sowohl die Mglichkeit der Reflexion des Professionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift fr Hochschul- eigenen professionellen Handelns und einen berblick entwicklung Jg. 5, Nr. 4, S. 104-123, S. 110.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 9
  • 10. sonalentwicklung in der Lehre und die Gestaltung von Hochschuldidaktikerin, ein Mitarbeiter des Rechenzen- Lernumgebungen (von der Bibliothek bis zu virtuellen trums, die Hochschulprsidentin, ein Studierender etc. Lernplattformen) umfasst. Die bergreifende Frage der Fr jede Rolle lag ein Skript vor. Im Verlauf der (fikti- in diesem Themenfeld verorteten Veranstaltungen laute- ven) Sitzung zeigten sich sehr gut die Dynamiken und te: Wie kommen die erforderlichen strukturellen Vern- Herausforderungen, die vor dem Hintergrund vieler, rela- derungen zustande, die Voraussetzung fr eine bessere tiv eigenstndiger Akteure mit ihren jeweiligen Agenden Lehre sind? Oder anders gefragt: Wie implementiert und entstehen. Diskutiert wurde im Anschluss, ob und wie steuert man Wandel in Hochschulen, zu deren Merkma- sich der Anspruch der Einbeziehung Betroffener (zur Er- len eine gewisse Resistenz gegenber zentralen Steue- hhung der Wahrscheinlichkeit einer tatschlichen Um- rungsversuchen zhlt? setzung) und das Erfordernis, bereits im Vorfeld Ziele und alternative Strategien klar zu formulieren, miteinan- Diesen Fragestellungen wurde beispielsweise in dem der ausbalancieren lassen. von Susanne Glaeser (FH Kln) konzipierten Planspiel Und alle machen mit: Hochschulweites Projektmanage- Der von Tobias Jenert und Taiga Brahm (beide Univer- ment zur Umsetzung eines Leitbilds exzellenter Lehre14 sitt St. Gallen) moderierte Workshop Institutionsweite nachgegangen. Die Referentin nahm hierbei die Rea- Hochschulentwicklung zur nachhaltigen Gestaltung von lisierung eines (von den entsprechenden Hochschul- Lehr-/Lernkulturen15 beschftigte sich mit den Wegen ei- gremien bereits verabschiedeten) Leitbildes exzellen- ner institutionellen Verankerung hochschuldidaktischer ter Lehre zum Ausgangspunkt. Die Teilnehmer_innen Entwicklungsinitiativen und damit mit einer Hochschuldi- simulierten die Sitzung eines Lenkungsausschusses, daktik, die ber die direkte Strkung von Kompetenzen der ber die Umsetzung des Projekts Schaffung einer Lehrender hinaus geht und auch strukturell denkt. Dazu Lehr-Lern-Community (in Form einer Internet-Plattform) beraten sollte. An der Sitzung nahmen verschiedene 14 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4a_glaeser_leit- bild_exzellente_lehre.pdf Gruppenvertreter_innen teil: Dekan_innen unterschied- 15 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4e_brahm_insti- licher Fachrichtungen mit jeweils eigenen Agenden, eine tutionsweite_hochschulentwicklung_lehrkultur.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 10
  • 11. wurde das Dreieck Individuelle Kompetenzentwicklung Problem-based Learning an der FH Wien vor. Das Pro- & didaktische Designs - Curriculumsgestaltung auf Pro- jekt Kompetenzorientierte Studiengangsentwicklung der grammebene - Strategieentwicklung auf institutioneller Leibniz Universitt Hannover wurde, mit Blick auf eine Ebene beleuchtet. Die Referent_innen stellten kurz die wissenschafts- und bildungstheoretische Kontextualisie- damit verbundenen Herausforderungen im Rahmen ihrer rung, von Rdiger Rhein18 vorgestellt. Margret Blow- eigenen Erfahrungen an der Universitt St. Gallen vor Schramm und Hilke Rebenstorf prsentierten erste Er- und gaben dazu auch einen Einblick in die Arbeitsstruk- gebnisse des Forschungsprojekts USuS (Untersuchung turen und Aktivitten eines recht erfolgreich wirkenden zu Studienverlufen und Studienerfolg), das drei groe, Projekts. Im anschlieenden World Caf wurden zwei interagierende Felder betrachtet: die Studienstruktur, Fragen diskutiert: Was sind Hinderungs- und Erfolgsfak- die Studienstrategien der Studierenden sowie das hoch- toren fr Hochschuldidaktik und welche Kompetenzen schuldidaktische Design bzw. die zugrunde liegenden brauchen Hochschuldidaktiker_innen? Lehrkonzepte.19 Der besondere Reiz des Projekts liegt in der direkten Einspeisung von Befragungsergebnissen in Im Hinblick auf den Bereich Organisationsentwicklung die Lehre (in Form von hochschuldidaktischen Interventi- sind auerdem Forschungsprojekte erwhnenswert, die onen) und in dem Versuch der Messung des Impacts die- sich mit der Frage Wie kommen neue curriculare Struk- ser Interventionen durch Befragungen in der Folgerun- turen in die Hochschule? beschftigen und die auf der de. Forschung ist hier angewandt im direktesten Sinn. Tagung vorgestellt wurden. So geht es im Projekt von Direkt im Anschluss prsentierte Nina Friese ein Beispiel Nicole Romana Heigl16 um Mglichkeiten der curricular verankerten Frderung von fcherbergreifenden Pro- 16 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/6_heigl_tho- mas_adaptive_lehre.pdf blemlsungskompetenzen oder um die Bedeutung von 17 http:// www.zhw.uni-hamburg.de/uploads/trautwein_llus-als-refe- Lehr-Lern-berzeugungen und deren Bedeutung da- renzpunkt.pdf fr, dass (und wie) Neues in die Lehre kommt (Caro- 18 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2c_rhein_wis- senschaftstheorie.pdf line Trautwein, ProfiLe).17 Dirk Unterschemmann stellte 19 vgl. auch http://www.zhw.uni-hamburg.de/usus/ sein Konzept zur Implementierung eines Projektes zum Praesentationen.164.0.htmlPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 11
  • 12. fr eine solche hochschuldidaktische Intervention im Be- pekt Coaching und Beratung entlang einer Hochschul- reich der Ingenieurwissenschaften. biographie. Neben Fragen zum Rollenverstndnis als Lehrende_r, die beim Einstieg in den Hochschulalltag Coaching an der Hochschule anders gelagert sind als im Falle mehrjhriger Berufser- fahrung, geht es im Coaching von Hochschullehrenden Coaching ist als Instrument der Personalentwicklung in immer auch um Fragen der Orientierung und Positio- der Wirtschaft seit vielen Jahren etabliert und findet nun nierung im Wissenschafts- und Hochschulsystem. Sind auch schrittweise den Weg an die Hochschulen: Es ist Neuberufene am Anfang ihrer Professur oft damit ber- zwar noch ein weiter Weg, bis Coaching-Programme fordert, zu entscheiden, in welchen universitren Gremi- fr spezielle Zielgruppen - z.B. Doktorand_innen, Neu- en sie sich engagieren wollen und von welchen Aufga- berufene oder Nachwuchswissenschaftler_innen - fl- ben sie sich eher abgrenzen mchten, stehen etablierte chendeckend etabliert sind. Erste, erfolgreiche Schritte, Professor_innen vor der Frage, inwiefern sie z.B. im wie z.B. das Coaching-Angebot des Berliner Zentrums Rahmen universitrer Selbstverwaltung nicht nur miten- fr Hochschullehre (BZHL) oder die Segel-Leadership- tscheiden, sondern auch Strukturen nachhaltig prgen Wochenenden fr Neuberufene an der Universitt Kiel, und verndern wollen. Individuelle Coaching-Angebote sind jedoch bereits gemacht. Gerade Nachwuchswis- fr Hochschullehrende mssen somit nicht nur berck- senschaftler_innen und Neuberufene sind mit vielflti- sichtigen, auf welcher Stufe der Karriereleiter sich der/ gen Herausforderungen konfrontiert. Sie mssen sich die Coachee befindet, sondern sollten immer auch die nicht nur auf ihre (neue) Rolle als Lehrende einstellen, unterschiedlichen Erwartungen im Blick behalten, wel- sondern sich auch als Forscher_innen in der scientific che diese Zielgruppe zu erfllen hat. Die Anwesenden community etablieren und in die Strukturen der univer- wurden anschlieend dazu eingeladen, sich ber ihre Er- sitren Selbstverwaltung einbringen. Der Workshop von fahrungen bezglich der Beratung oder eines Coachings Eva-Maria Schumacher (freiberufliche Trainerin und zu den einzelnen Phasen auszutauschen. Die Fragen, Coach) nahm die spezifischen Anliegen von Hochschul- wann es sich um ein Coaching bzw. eine hochschuldi- lehrenden in den Blick und betrachtete sie unter dem As- daktische Beratung handelt und ob sich beide Forma-Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 12
  • 13. te von einer Person durchfhren lassen, wurden dabei wicklung zu untersttzen, dann darf - so das Credo der intensiv diskutiert, da Lehrende - wie Erfahrungen der Referent_innen - die Kategorie Gender nicht ausgeklam- Anwesenden zeigten - in einem Coaching oftmals auch mert werden, da diese unsere Verhaltensweisen wesent- Beratung suchen. lich prgt und zu Ungleichbehandlungen fhrt. Gender und Diversity an der Hochschule Im Workshop Gender.Macht.Sinn von Susanne Frlich- Steffen21 erhielten die Teilnehmenden einen Einblick Interaktionen im beruflichen Umfeld sind durch viele in Theorie und Praxis der Genderdidaktik. Nach einem Faktoren bedingt, nicht zuletzt durch den Umgang mit Brainstorming und einem Expertinnenvortrag zur Rol- und Einsatz von genderbezogenen Zuschreibungen. le von Genderdidaktik in der Lehre wurden Methoden Vielen Menschen ist die Tatsache, dass sie neben vie- ausprobiert und ausgewhlte Praxisbeispiele diskutiert. len anderen Rollen auch eine Geschlechterrolle aus- Aufbauend auf einem konstruktivistischen Differenz- fllen und diesbezglich adressiert werden, meist nicht konzept22 wurden die Bedeutung der Sozialisation in bewusst. Ziel des Workshops von Ulla Weber und Anja Bildungseinrichtungen fr Geschlechtsunterschiede im Quindeau20 (Genderzentrum TU Mnchen) zum Thema Verhalten, ihre Wechselwirkung mit der Arbeitsteilung Gendersensibles Coaching war es deshalb, Coaches zwischen den Geschlechtern und die Einflsse auf das und Hochschullehrende fr Gender-Aspekte im berufli- Lernverhalten der Lernenden vorgestellt. Mit dem Bild chen Kontext zu sensibilisieren. Gender kann im Coa- der undichten Leitung (Leaky Pipeline) wurde der ab- ching auf drei Ebenen sichtbar werden: 1. indem der/die nehmende Frauenanteil in aufeinander aufbauenden Coach sein/ihr Gegenber aus der Gender-Perspektive Stadien der akademischen Laufbahn veranschaulicht wahrnimmt, ohne sich dessen bewusst zu sein, 2. indem 20 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3b_weber_gen- Gender-Themen situativ aufkommen oder 3. indem der/ dersensibles_coaching.pdf die Coachee die Kategorie Gender explizit zum Gegen- 21 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/2a_froelich- steffen_gender.macht.sinn.pdf stand des Coachings macht. Wenn es im Coaching da- 22 Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social- rum geht, Klient_innen bei der persnlichen Weiterent- role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 13
  • 14. und diskutiert. Der Auftrag, gleichberechtigte Perspekti- sumiert. Nicole Auferkorte-Michaelis und Annett Ladwig ven zu erffnen, sollte nicht als Frage des guten Willens berichteten im Workshop Vielfalt im Gesprch? Zur Im- missverstanden werden, sondern ist (mit dem Gender- plementierung von Diversity-Aspekten in Studium und mainstreamingkonzept der EU, dem Grundgesetz und Lehre24 von der Entwicklung und Implementierung einer dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz) explizite hochschulweiten Diversity-Strategie an der Universitt normative Verpflichtung der Lehrenden an Hochschu- Duisburg-Essen (UDE). Die UDE hat Diversity als Zu- len als Angestellte im ffentlichen Dienst. Die Rolle der kunfts- und Profilthema der Hochschule erkannt und ein Hochschule als Sozialisationsinstanz fr knftige Leh- eigenes Prorektorat fr Diversity Management einge- rer_innen und Funktionstrger_innen ist in diesen Fra- richtet. 2009 wurde an der UDE der erste Versuch eines gen nicht zu unterschtzen. Genderdidaktik kann leis- Diversity-Monitorings unternommen, demzufolge 70% ten, die Wahrnehmung der Lehrenden bezglich Doing der Studierenden erwerbsttig sind (ber 20 Stunden Gender zu schrfen, gendersensible Methoden zu ent- pro Woche), 25% Migrationserfahrung haben und 50% wickeln und Genderkompetenz in der Lehre zu frdern. ohne akademischen Bildungshintergrund aufgewachsen Dabei werden die Lernenden als Individuen wahrgenom- sind. Bezogen auf Studium und Lehre sind die relevan- men. Genderkompetenz ist als Synthese aus Knnen, ten Diversity-Aspekte an der UDE Bildungshintergrund, Wollen und Grundwissen zu verstehen und schlgt sich Kultur (womit auch Fach-, Gender- und nationale Kul- nieder in der Sprache, der persnlichen Reflexion, den turen umfasst sind), Gender, Migration, physische und Inhalten von Lehrveranstaltungen, ihren Rahmenbedin- psychische Belastbarkeit. Bezogen auf die Lehre wur- gungen sowie den verwendeten Bildern und Methoden.23 den vier Implementationsbereiche identifiziert: Diversity- Aspekte als fcherbergreifende Inhalte, Diversity als Gender ist jedoch nicht die einzige Kategorie, die im oben beschriebenen Sinn Wirkungsmacht erlangt und 23 Budde, Jrgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz fr le- dennoch oft ein blinder Fleck an der Hochschule bleibt. benslanges Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert getalten. Bielefeld: Bertelsmann. Unter dem Begriff Diversity werden mehrere Aspekte 24 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/4c_auferkorte- der Verschiedenheit Studierender und Lehrender sub- michaelis_diversity_lehre.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 14
  • 15. Gestaltungsprinzip von Strukturen und Organisation des re aufzuwerten. Hierfr bedarf es geeigneter Verffent- Studiums, Diversity-Aspekte als fachimmanente/fach- lichungsorgane. Ein Schwerpunkt des Tracks lag in der integrierte Inhalte sowie die Entwicklung von Diversity- Frage, wie man Lehrkompetenz und Lehrqualitt ope- Kompetenzen der Akteur_innen (in der Hochschuldidak- rationalisieren und erhhen kann. Caroline Trautwein und tik, aber auch darber hinaus). In allen Bereichen gibt es Marianne Merkt (ZHW Uni Hamburg) stellten aufbauend Angebote fr Studierende und Lehrende, an einem hori- auf einem Forschungsprojekt zur Wirkung des Master zontal und vertikal integrierten Konzept wird gearbeitet. of Higher Education auf die Lehrkompetenz von Hoch- Interessierten seien das Diversity-Portal (http://www.uni- schullehrenden Leitfragen zur Qualittseinschtzung due.de/diversity/index.shtml ) und das Gender-Portal von akademischen Lehrportfolios vor. Elisabeth Wegner (http://www.uni-due.de/genderportal/index.shtml ) der und Matthias Nckles (Universitt Freiburg) prsentier- UDE anempfohlen. ten den Umgang mit widersprchlichen Anforderungen und Dilemmata in der Hochschullehre als Merkmal von Qualittssicherung/Qualittsmanagement Lehrkompetenz. Demnach fhrt hochschuldidaktische hochschuldidaktischer Weiterbildungsangebote Weiterbildung zu einem differenzierten Blick auf gute Lehre und ihre Bedingungen, so dass die Lehrenden zu Ein weiteres Schwerpunktthema der Tagung war die Qua- reflektierten didaktischen Entscheidungen befhigt wer- littssicherung hochschuldidaktischer Weiterbildungsan- den. Hierzu bedarf es der Fhigkeit, Widersprche zu gebote. Hier gab es im Track Impulse fr die Qualitts- erkennen, didaktische Paradigmen anzuwenden, Metho- entwicklung in der hochschuldidaktischen Weiterbildung den zu kennen und deren Auswahl zu begrnden sowie eine Flle von Anregungen und Beispielen guter Praxis. verschiedene Perspektiven einzunehmen. Hochschuldi- Zunchst wurde im Sinne der Scholarship of Teaching daktische Weiterbildung ist also weit mehr als ein Me- and Learning ein forschender Umgang mit der eigenen thodenbaukasten. Im Beitrag von Edith Krber25 (Uni Lehre vorgeschlagen (Ludwig Huber). Neben den direk- Stuttgart) wurden die Tcken der Messung der Weiter- ten Potenzialen fr die Verbesserung der Lehre knnten entwicklung von Lehrkonzeptionen deutlich. Ein Metho- auch wissenschaftliche Aufbereitungen von Fragen und 25 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/3e_kroeber_et_ Erfahrungen aus der eigenen Lehrpraxis helfen, die Leh- al._evaluation_von_lehrcoaching.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 15
  • 16. denvergleich zwischen Fragebgen und Grid-Interviews wickelt werden. Diana Urban und Daniel Al-Kabbani (Uni legte nahe, dass die soziale Erwnschtheit bestimmter Paderborn) stellten das Lernportfolio in der hochschul- Aussagen zur Lehre die Ergebnisse verflschen knnte. didaktischen Weiterbildung als Instrument zur Lehrkom- Hier sei weitere Forschung ntig. petenzentwicklung und Qualittssicherung vor. Hierbei werden Lehrende zu reflexivem Lernen angeregt und bei Fr die Praxis der hochschuldidaktischen Weiterbildung der retrospektiven Betrachtung ihrer eigenen Lehrkom- lsst sich festhalten, dass unterschiedliche Prferen- petenzentwicklung untersttzt. Matthias Heiner (HDZ TU zen der Teilnehmenden bercksichtigt werden sollten Dortmund) schlielich betonte in seinem Vortrag zu Qua- und eine Passung zwischen Dozent_innen und Teilneh- littssteuerung als Tuningprozess die Wichtigkeit infor- mendenbedrfnissen in der Weiterbildung anzustreben meller Weiterbildungsmglichkeiten. Demzufolge knnte ist, um nicht eine Einheitsdidaktik zu forcieren. Sabine die Schaffung von Austauschmglichkeiten als weiche Marx und Bjrn Kiehne (Kompetenzzentrum Hochschul- Qualittssteuerungsmanahme begriffen werden. Infor- didaktik fr Niedersachsen, TU Braunschweig) schlu- melle Lernerfahrungen gelte es angemessen zu wrdi- gen die Anwendung weiterbildnerischer Methoden vor, gen und mit denen aus der formalisierten Weiterbildung um biographisches Wissen der Teilnehmer_innen an zu verbinden. hochschuldidaktischer Weiterbildung zu aktivieren und sie dabei zu untersttzen, ihre eigenen Lernwege zu Auch beim bundesweiten Netzwerktreffen hochschuldi- Lehr-Lernkonzepten zu formen. Christiane Ernst (HDZ daktischer Einrichtungen wurde ber Qualittssicherung TU Dortmund) und Ute Zaepernick-Rothe (TU Braun- diskutiert. Eine Deklaration zu Bedingungen der Aner- schweig) stellten das so genannte LeWi-Coaching als kennung von Leistungen in der hochschuldidaktischen prozessorientierte und semesterbegleitende Lehrbera- Weiterbildung wurde verabschiedet, die auch das HDS tung vor. Mit Hilfe von Lehrhospitationen (teilnehmender untersttzt.26 Mglichkeiten und Grenzen der Messung Beobachtung mit Feedbackgesprchen), Einstellungs- von Kompetenzentwicklung durch Evaluationsbgen messungen der Lehrenden und Studierenden sowie der gemeinsamen Entwicklung, Durchfhrung und Reflexion 26 Siehe https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat , direkter Link zur Deklaration als PDF: https://www.hds.uni-leipzig.de/ von Mini-Interventionen im Sinne neuer Methoden zu fileadmin/media/Anerkennung_von_Leistungen_-_Konsens_Muen- verschiedenen Zeitpunkten sollen Lehrkompetenzen ent- chen_03-03-2011.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 16
  • 17. wurden anhand von Beispielen aus der TU Dortmund Accelerated Learning27 vermittelt von Eva-Maria Schu- und der Uni Erlangen-Nrnberg diskutiert. Die Quali- macher, welches Prinzipien fr ein erfahrungsreiches ttssicherung und -steuerung wird weiter ein Thema des und sinnreiches Lernen formuliert. Versinnbildlicht wur- bundesweiten Austausches hochschuldidaktischer Ein- den die Prinzipen des Accelerated Learning durch das richtungen bleiben. Erlernen des Jonglierens durch die Teilnehmer_innen selbst. Station 2 beschftigte sich mit Neurodidaktik und Seminarmarkt und alternative Lehr-/Lernmethoden wurde von Ralf Besser durchgefhrt. Als Teilnehmer_in konnte man anhand eines Modells in die Funktion eines Im Rahmen des Symposiums gab es fr die Teilnehmer_ Teils des Gehirns schlpfen und sich auf diese Weise innen zudem Gelegenheit, hochschuldidaktische Trai- mit der Verarbeitung von Informationen auseinander- ner_innen bei einem Seminarmarkt kennenzulernen. setzen sowie daraus Ableitungen fr das Lehren und An Stnden konnte man sich mit den Anbieter_innen Lernen formulieren. Im Mittelpunkt der Station 3 stan- ber ihre Angebote austauschen. Fr die Trainer_innen den Munterrichtsmethoden, die von Harald Gro28 hu- selbst bestand anschlieend die Mglichkeit, sich mit morvoll prsentiert wurden. Neben der Vorstellung von Kolleg_innen in einem Forum des Ideenaustauschs und Prinzipien fr die Wahl von Methoden wurden die Teil- der Netzwerkbildung zusammen zu finden - eine Ge- nehmer_innen eingeladen, die verschiedenen Methoden legenheit, die viele Trainer_innen in ihrem Alltag sicher selbst auszuprobieren, um sie fr die eigene Lehrpraxis nicht oft haben. fruchtbar zu machen. Die drei Workshops waren dabei sowohl fr Hochschuldidaktiker_innen von Interesse, die Ein kleiner Einblick in die inhaltlichen Schwerpunkte und Workshops fr Lehrende durchfhren, als auch fr Leh- Arbeitsweisen drei dieser Anbieter_innen konnte bei ei- 27 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_schuma- nem dreieinhalbstndigen Workshop gewonnen werden. cher_accelerated%20learning.pdf Motto des aus drei Stationen bestehenden Workshops 28 http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_mun- terrichtsmethoden_skript.pdf und war das Erleben und Reflektieren von Alternativen Lehr- http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku/1de_gross_munter- und Lernmethoden- und strategien. Station 1 war das richtsmethoden_uebersicht.pdfPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 17
  • 18. rende, die diese Methoden und Strategien fr ihre Lehre Eagly, Alice H. (1987): Sex differences in social behavior. A social-role interpretation, Hillsdale et al.: Erlbaum. nutzen mchten. Kallenberg, A.J. (2005): Strategy and Innovation. The Roles of Acade- mic Middle Managers in Higher Education. Vortrag auf der 27. Jahres- Insgesamt zeichnete sich das Mnchner Symposium tagung der European Association of Institutional Research (EAIR), und die DGHD-Tagung durch eine groe Vielfalt an Ver- 28.-31.8.2005 in Riga (unplubliziertes Manuskript). Zitiert nach: Bar- bara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schneijderberg (2010): anstaltungsformaten, Methoden und Themen aus. Gro- Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeitschrift fr er Wert wurde dabei auf die Mglichkeiten gelegt, eige- Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4, S. 23-39. ne Erfahrungen und Sichtweisen einzubringen und zur Kehm, Barbara M., Merkator, Nadine und Schneijderberg, Christian Diskussion zu stellen. Darber hinaus bot das Jahres- (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. Zeit- schrift fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4. treffen der hochschuldidaktischen Szene einmal mehr ein Forum zur Vernetzung und zum informellen Aus- Urban, Diana und Meister, Dorothee M. (2010): Strategien der Profes- sionalisierung in der Hochschuldiaktik. Zeitschrift fr Hochschulent- tausch fr interessierte Lehrende ebenso wie fr die in wicklung Jg. 5, Nr. 4. der hochschuldidaktischen Weiterbildung direkt Ttigen. Whitchurch, Celia (2008): Shifting Identities and Blurring Boundaries: So entstanden viele neue Anregungen fr die Arbeit an The Emergence of Third Space Professionals in UK Higher Educa- der Verbesserung der Hochschullehre im jeweils eige- tion. Higher Education Quarterly, Jg. 62, H. 4, S. 377-396, S. 384. Zitiert nach Barbara M. Kehm, Nadine Merkator und Christian Schnei- nen Umfeld - Anregungen zum direkten Praxistransfer jderberg (2010): Hochschulprofessionelle?! Die unbekannten Wesen. inbegriffen. 2012 wird die Tagung in Mainz stattfinden; Zeitschrift fr Hochschulentwicklung, Jg. 5, Nr. 4. ein guter Grund, dieser Stadt dann einen Besuch abzu- HDS.Journal No. 1, 2010, https://www.hds.uni-leipzig.de/fileadmin/ statten. media/HDSJournal1-2010.pdf Literatur http://www.cvl-a.de/prolehre/ Bhabha, Homi K. (2007): The Location of Culture. London / NY, Rout- http://www.dghd.de/ ledge Classics https://www.hds.uni-leipzig.de/index.php?id=zertifikat Budde, Jrgen/Venth, Angela (2009): Genderkompetenz fr lebens- langes Lernen: Bildungsprozesse geschlechterorientiert gestalten. http://www.prolehre.tum.de/symposium2011/doku Bielefeld: Bertelsmann.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 18
  • 19. Hochschul- didaktisches Zentrum Sachsen Kollegiale Beratung am Berliner Zentrum fr Hochschullehre. Ein Erfahrungsbericht Dipl.-Psych. Anja Pawelleck ist als wissen- Der Bologna-Prozess stellt Lehrende nicht nur in fachlicher und schaftliche Mitarbeiterin Projektleiterin im studienorganisatorischer Hinsicht vor groe Herausforderungen. Zertifikatsprogramm am Berliner Zentrum fr Durch den geforderten Shift from Teaching to Learning stehen sie Hochschullehre (BZHL). Als langjhrige Bera- auch unter einem hohen Vernderungsdruck in Bezug auf das ei- terin, Trainerin und Coach ist sie zustndig fr gene Rollenverstndnis. die Entwicklung des Zertifikatsprogramms, die Durchfhrung von Workshops, Kollegialen Be- Kollegiale Beratung untersttzt Lehrende bei den oben genannten ratungen und Didaktischen Beratungen. Vernderungsprozessen und etabliert sich zunehmend als fes- ter Bestandteil in strukturierten hochschuldidaktischen Weiterbil- dungsangeboten. Der folgende Bericht soll einen Einblick in die Erfahrungen geben, die am Berliner Zentrum fr Hochschullehre in den letzten zwei Jahren mit dieser Methode gesammelt wurden. Das Berliner Zentrum fr Hochschullehre (BZHL) wurde 2008 aus Mitteln des Masterplans des Berliner Senats gegrndet. Es ist fr die hochschuldidaktische Qualifizierung von Lehrenden aller 13 ffentlichen Berliner Hochschulen zustndig. Darunter fallen alle Statusgruppen wie Professor_innen, Wissenschaftliche Mitar- beiter_innen und Lehrbeauftragte. In Anbindung an die Idee, die Lehre vom Lernen her zu denken, verfolgt das BZHL das Ziel, die Qualitt der Lehre durch Professionalisierung der Lehrttig-Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 19
  • 20. keit von angehenden und praktizierenden Hochschulleh- Methode der Kollegialen Beratung renden nachhaltig zu verbessern. Nach dem Start mit einer offenen Workshopreihe zu hochschuldidaktischen Kollegiale Beratung beschreibt ein Format personeno- Themen wurde das Programm schnell um weitere Quali- rientierter Beratung, bei dem im Gruppenmodus wech- fizierungsmanahmen wie strukturbildende Manahmen selseitig berufsbezogene Flle der Teilnehmenden sys- an einzelnen Hochschulen und Coachingangebote fr tematisch und ergebnisorientiert reflektiert werden. Professor_innen erweitert. (Tietze 2010, S.24) In der Praxis existieren verschiede- ne Modelle der Kollegialen Beratung. Ihnen allen ist ge- Kollegiale Beratung wurde zunchst in einem zweise- meinsam, dass es sich um eine strukturierte Form der mestrigen Pilotprojekt an der HTW Berlin, einer Lehr- Peerberatung handelt, in der berufsbezogene Fragestel- qualifizierung fr neuberufene Professor_innen und als lungen (Flle) lsungsorientiert reflektiert werden. Das Bestandteil einzelner Seminare, so z.B. innerhalb von Format der Kollegialen Beratung ist durch sechs Merk- Workshops zum Konfliktmanagement angeboten. Seit male charakterisiert: dem Start des Zertifikatsprogramms im Mrz 2010 wur- de sie fester Bestandteil einer systematischen Qualifizie- Personenorientierte Beratung rungsreihe. Gruppenmodus Berufsbezogene Flle Mit der Integration der Kollegialen Beratung in das Zer- Systematik tifikatsprogramm folgt das BZHL den Leitlinien zur Mo- Wechselseitigkeit dularisierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Ergebnisorientierte Reflexion Weiterbildung (AHD 2005) der Deutschen Gesellschaft fr Hochschuldidaktik (dghd). Die Kollegiale Beratung am BZHL ist an das von Tiet- ze (2003) entwickelte Modell angelehnt, findet in Grup- pen von 5-10 Personen statt und folgt einem Zyklus vonPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 20
  • 21. sechs Phasen: rens und Lernens gelegt. Dies umfasst eine Einfhrung in sozialpsychologische Theorien und Lerntheorien. Da- Rollenverteilung (Rollen: Moderator_in, Fallerzh- rber hinaus werden den Teilnehmer_innen Instrumen- ler_in, Berater_innen und ggf. Protokollant_in so- te an die Hand gegeben, wie sie die Stoffflle fr ihre wie Beobachter_in) Lehrveranstaltungen durch das Setzen von Lernzielen Spontanerzhlung mit anschlieenden Verstnd- reduzieren und damit ihre Lehrveranstaltungen besser nisfragen planen knnen. Hierzu lernen sie Methoden der Stoffre- Klren der Schlsselfrage duzierung und aktivierende Lehrmethoden kennen. Methodenwahl Beginnend nach dem ersten Workshop von Modul I fin- Beratung den drei Termine zur Kollegialen Beratung statt. Dar- Abschluss ber hinaus werden die Teilnehmenden von didaktischen Expert_innen einmal in einer Lehrveranstaltung besucht Die Rollen rotieren und werden fr jeden Beratungszyk- (Lehrhospitation) und es findet zum Abschluss eine lus neu verteilt. Alle Teilnehmenden beteiligen sich aktiv strukturierte Selbstreflexion statt.1 am Geschehen und sind gleichberechtigte Ideengeber_ innen. Ziel der Kollegialen Beratung ist die Entwicklung Das erste Modul wurde bewusst so konzipiert, dass die von Lsungsvorschlgen und Entscheidungshilfen zu Teilnehmenden sich dort als Teil einer festen Lerngruppe den vorgetragenen Fllen. Die Teilnahme und Mitarbeit erleben und sie diese Erfahrungen auch auf ihre Arbeit ist freiwillig und verbindlich. mit den Studierenden bertragen knnen. Zur Reflexion werden die Teilnehmenden mit Methoden wie Feedback Rahmen und Durchfhrung der Kollegialen Beratung (Fengler 2004) vertraut gemacht und in die Themen- zentrierte Interaktion (TZI) eingefhrt. Ausfhrungen Die Kollegiale Beratung ist in das erste Modul des Zer- zu TZI verstanden als hochschuldidaktisches Prinzip tifikatsprogramms integriert. Im ersten Modul werden an 1 Nhere Informationen zum Zertifikatsprogramm finden sie unter 2 x 2 Workshoptagen zunchst die Grundlagen des Leh- http://www.bzhl.tu-berlin.de/index.php?id=84Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 21
  • 22. vermitteln Aufschluss darber, wie selbstverantwortli- menden die gleiche Verantwortung fr den Prozess der ches Lernen zustande kommen kann. Ein erster Schritt Beratung haben, wird im BZHL die erste Sitzung durch liegt in der Anbahnung eines persnlichen Bezugs zum eine_n Experten_in geleitet.2 Gerade Teilnehmende, die Thema, das neben kognitiven (auch) emotionale Anteile bisher keine Erfahrungen mit Formen der Peerberatung einschliet. Schon hier wird die persnliche Aktivitt des gemacht haben, wnschen sich eine intensive Einfh- Einzelnen gefordert. Diese Herausforderung kann er je- rung der Methode und auch eine expertengesttzte doch nur in einem Klima des Vertrauens annehmen, das Durchfhrung. Nachdem beim ersten Termin die Runde ihn mit seinen individuellen Einsichten und Bedrfnissen extern moderiert wurde, bernehmen die Teilnehmenden sttzt. (Mann/Thomas 2004, 259) Da die Teilnehmenden die Moderation ab dem zweiten Termin selbst. Der/die als Studierende hufig selbst Hochschullehrende erlebt externe Experte_in zieht sich immer mehr aus dem Pro- haben, die ausschlielich an der Wissensvermittlung ori- zess der Beratung zurck und greift nur noch ein, wenn entiert waren, verfgen sie teilweise ber keine anderen die Akteure im Prozess in Schwierigkeiten geraten. So Vorbilder fr die eigene Lehre und haben ein traditionel- ist es z.B. immer wieder zu beobachten, dass es den les Rollenverstndnis. Der soziale Lernprozess und die Moderierenden schwer fllt, in ihrer Rolle zu bleiben und aktive Teilnahme an den Workshops sollen sie fr ande- nicht auch Beratende zu werden, oder dass Unsicher- re Ebenen des Lehrens und Lernens sensibilisieren. Die heiten bei der Leitung des Gesamtprozesses entstehen. Auseinandersetzung mit dem eigenen Lernprozess mit- Hier bekommen sie in Form von Regieanweisungen tels TZI und der damit entstehenden Verbindlichkeit und Untersttzung durch die/den Experten_in. Es ist festzu- Vertraulichkeit innerhalb der Lerngruppe legt somit die stellen, dass die Teilnehmenden immer strkere Verant- Grundlage fr die Kollegiale Beratung, fr die Vertrauen 2 Tietze (2010) merkt hierzu an, dass die Kollegiale Beratung erst seit eine wichtige Voraussetzung ist. Mitte der 90er Jahre auerhalb psycho-sozialer Kontexte Verbreitung in der Personal- und Fhrungskrfteentwicklung fand, so auch bei Kollegiale Beratung findet am BZHL im Modul I an drei Hochschullehrenden. Akteure im psycho-sozialen Kontext wrden die Beratungen meist selbst initiieren, wohingegen in anderen Bereichen Abendterminen drei Zeitstunden statt. Whrend in der der Ansto von auen komme. Dies gehe mit der Notwendigkeit ein- klassischen Form der Kollegialen Beratung alle Teilneh- her, die Methode genau einzufhren.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 22
  • 23. wortung fr den Prozess bernehmen, sobald sie einmal schiedlichen Sichtweisen und Erfahrungswelten werden die Sinnhaftigkeit des strukturierten Vorgehens erlebt durch die Teilnehmenden als sehr inspirierend und hilf- haben. Gerade beim ersten Termin dauern die Kolle- reich wahrgenommen, besonders in den Beratungsse- gialen Beratungen meist lnger als die in der Methode quenzen. vorgesehenen 30-45 Minuten, da nicht nur die Flle be- handelt werden, sondern auch noch Fragen zur Methode Die Teilnehmer_innen der Kollegialen Beratungsgruppen geklrt werden. kennen sich bereits aus mindestens zwei vorangegange- nen Workshoptagen und sind durch Micro-Teaching-Pro- Konkrete Phasen der Kollegialen Beratung und Er- zesse whrend der Workshops intensiv mit Feedback- fahrungen am BZHL und Reflexionsprozessen vertraut. Seit 2009 wurden am BZHL ber 20 Kollegiale Bera- Phase 0 tungsgruppen initiiert. Das Besondere der Gruppen ist Zu Beginn jeder Kollegialen Beratung gibt es ein Ein- die uerst heterogene Zusammensetzung der Teilneh- stiegsblitzlicht, in dem die Teilnehmenden Gelegenheit menden, da sie nicht nur aus verschiedenen Fachberei- haben, aktuelle Themen anzusprechen oder den ande- chen, sondern auch aus unterschiedlichen Hochschulen ren mitzuteilen, wie sich ein Fall aus der letzten Kollegi- kommen und sich aus allen Statusgruppen zusammen- alen Beratung ggf. weiterentwickelt hat. setzen. Hierbei ist auffllig, dass die Teilnehmenden nach den ersten Workshoptagen durchaus uern, dass Im Anschluss werden in Murmelgruppen aktuelle Anlie- sie zu Beginn der Qualifizierung ber die Zusammenset- gen gesammelt und dann durch Gewichtung entschie- zung der Lerngruppe verunsichert waren. Im Prozess- den, welche Flle in der Sitzung behandelt werden sol- verlauf spielen die hierarchischen Unterschiede durch len. die soziale Interaktion hingegen gar keine Rolle mehr. Die durch die Diversitt zustande kommenden unter- Wiederkehrende Themen in der Kollegialen BeratungPerspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 23
  • 24. am BZHL sind z.B.: Beratende und bei Bedarf Protokollant_in) besetzt wer- den. Handelt es sich um eine grere Gruppe, werden das eigene Rollenverstndnis in der Lehre, manchmal noch Beobachtende benannt, die im Sinne Schwierigkeiten bei der Durchfhrung von Lehrver- des systemischen Ansatzes die sogenannte reflektie- anstaltungen, rende Position einnehmen und die Aufgabe haben, den der Umgang mit fordernden Studierenden, Prozess der Beratung von auen zu beobachten (Ander- Studierende, die Beratungsangebote nicht anneh- sen 1990). men das Bewerten von Klausuren, Prsentationen und Phase 2 Die Spontanerzhlung Hausarbeiten und Ist entschieden, wer seinen Fall vorstellt, beginnt der/ der Widerstand von Studierenden gegenber Me- die Fallgeber_in mit der sogenannten Spontanerzhlung thoden der aktivierenden Lehre. des Falles. Wichtig ist hierbei, dass der Moderierende darauf achtet, dass der/die Fallerzhler_in seinen/ihren In den Beratungsgruppen fr neuberufene Professor_in- Fall ohne Unterbrechung vorstellen kann. Verstndnis- nen stehen zudem Themen wie Schwierigkeiten mit Kol- fragen sollen erst hinterher gestellt werden. leg_innen in den eigenen Fachbereichen, akademische Selbstverwaltung und Zeitmanagement im Vordergrund. Phase 3 Die Schlsselfrage Von der ersten Sitzung zur zweiten und dritten ist hufig Sind alle Verstndnisfragen nach der Fallerzhlung ge- nach einer anfnglichen Vorsicht bei der Wahl der Flle klrt, geht der Moderierende zur Phase der Schlsselfra- eine schnelle Vertiefung der Themen und auch der Inhal- ge ber. Diese soll erschlieen, welches Ziel der/die Fal- te der Beratung festzustellen. lerzhler_in mit der Beratung verbindet. Das Finden der richtigen Schlsselfrage ist entscheidend fr die Qualitt Phase 1 Die Rollenbesetzung der Beratung. Gerade in der ersten und zweiten Sitzung Durch die Wahl eines Falles steht der/die Fallerzhler_ werden die Teilnehmenden sensibilisiert, przise Frage- in fest und es knnen die anderen Rollen (Moderation, stellungen zu finden.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 24
  • 25. Phase 4 Die Methodenwahl ming, Kopfstandbrainstorming und Reflecting Team. Je Die Methode, mit der die Beratung durchgefhrt wer- nach Gruppe und Leitung knnen auch speziellere Me- den soll, kann von den Moderierenden, dem/der Faller- thoden wie z.B. das innere Team oder eine Aufstellung zhler_in oder den Beratenden vorgeschlagen werden. im Raum verwendet werden. Hierzu bieten sich eine Reihe von Methoden der Ide- en- und Entscheidungsfindung an (Schlee 2008; Tietze Phase 5 Der Beratungsprozess 2003). Beim ersten Treffen wird immer vorab geklrt, Beim Beratungsprozess setzt Tietze (2003) eine Bera- welche Expertise in Bezug auf die Kollegiale Beratung tungszeit von zehn Minuten an. und die entsprechenden Methoden bei den Teilnehmen- Im BZHL planen wir fr die Gruppen etwa die doppelte den schon vorhanden ist und genutzt werden kann. Der Beratungszeit ein, da die Orientierung in dem Format der Einsatz der Methoden hngt auch von der Vertrautheit Kollegialen Beratung anfnglich mehr Zeit in Anspruch der Gruppe mit unterschiedlichen Methoden ab. Man- nimmt. che Gruppen konzentrieren sich ausschlielich auf die Im Beratungsprozess sind die Moderierenden besonders inhaltliche Beratung, in anderen, meist gebteren Grup- gefragt, da die Teilnehmenden, vor allem wenn sie noch pen, besteht ein groes Interesse, durch die richtige nicht so vertraut mit der Methode sind, ihren Diskussi- (zu einem Fall passende) Methode die Qualitt der Be- onsprozess ungern abbrechen. ratung zu steigern. Unserer Erfahrung nach ist es entscheidend, nur Metho- Phase 6 Der Abschluss den zu verwenden, mit denen sich zumindest die jeweils Zum Abschluss wird der/die Fallerzhler_in noch einmal Moderierenden sicher fhlen. Es wird darauf geachtet, gebeten mitzuteilen, welche Ideen fr ihn/sie interessant dass die Teilnehmenden mindestens drei verschiedene und hilfreich waren. Je nach Thema wird die Kollegia- Methoden erfahren und anwenden. Auf der Metaebene le Beratung auch mit einer sogenannten Sharing-Runde wird die Erfahrung mit den Methoden zum Schluss jeder abgeschlossen, in der alle Teilnehmer_innen noch ein- Sitzung noch einmal ausgewertet. Typische Methoden, mal ihre Erfahrungen zu dem Beratungsthema teilen. die in der Beratung eingesetzt werden, sind Brainstor-Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 25
  • 26. Was das Format an Hochschulen leisten kann: Teil- der Beratung ist, dass gut Lehre ganz unterschiedlich nehmer_innen-Stimmen aussehen kann und vor allem authentisch sein sollte. Die Teilnehmenden am Zertifikatsprogramm reflektieren Fr viele Lehrende war es auch sehr entlastend zu h- ihren Lernprozess im ersten Modul nach einem struktu- ren, dass viele ihrer Kolleg_innen mit den gleichen He- rierten Leitfaden, in dem auch nach den Erfahrungen in rausforderungen zu kmpfen haben. Hier wurde gerade der Kollegialen Beratung gefragt wird. Uns hat am BZHL die groe Heterogenitt der Gruppen gewrdigt: interessiert, ob die Methode die Lehrenden untersttzt und was fr die Lehrenden bei dieser Methode im Vor- Hier war fr mich besonders hilfreich, dass viele Situatio- dergrund stand. Im Folgenden werden einige Rckmel- nen, die ich bei meinen Vorlesungen erlebt habe, fcher- dungen aus den anonymisierten Selbstreflexionen der oder sogar hochschulbergreifend hnlich gelagert sind Teilnehmenden zitiert (BZHL 2011). und man nicht alleine mit der Situation ist. Zuerst einmal war es die Mglichkeit, berhaupt in einen Auf der anderen Seite hat man gleichzeitig verstanden, fachlichen und berfachlichen Austausch mit anderen dass auch fachfremde Kollegen unterschiedlichen Alters Lehrenden treten zu knnen und dadurch unterschied- mit hnlichen Problemen zu kmpfen hatten. Der Erfah- liche Sichtweisen auf eine Fragestellung zu bekommen: rungsaustausch war eine zustzliche Ideen- und Inspira- tionsquelle. In meinem Arbeitsalltag ergibt sich ansonsten nur sehr selten die Gelegenheit zum fundierten Austausch mit an- In Bezug auf die Mglichkeit, die Kollegiale Beratung in deren Lehrenden, die Diskussion eigener und fremder den eigenen Fachbereichen einzufhren, gibt es unter- Lehrsituationen gibt mir weitere Sicherheit und Souver- schiedliche Stimmen: nitt in meiner Lehre und in meinem Rollenverstndnis als Dozentin, durchaus auch durch die deutlich werden- In Bezug auf meinen Alltag ist diese Form der Kollegia- den Differenzen mit Kolleg_innen: Meine erste Lehre aus len Zusammenarbeit jedoch fraglich. Fachliche Proble-Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 26
  • 27. me lse ich auf krzerem Wege, alle anderen Probleme Fazit sind hufig Probleme mit den anderen Kollegen oder den Vorgesetzten. Der Nutzen fr den Hochschulkontext scheint also beson- ders der fachliche und berfachliche Austausch zu sein, Ich habe bereits angeregt eine Kollegiale Beratung zu- der zwischen Lehrenden hufig zu kurz kommt. Indem mindest auf Assistenten-Ebene an unserem Fachbereich sichtbar wird, dass Andere mit den gleichen Schwierig- einzufhren. keiten zu kmpfen haben wie man selbst, erleben Leh- rende die Kollegiale Beratung als Entlastung. Auerdem Zusammenfassend lsst sich sagen, dass viele Teilneh- ist festzustellen, dass sie zu einer grerer Vernetzung mende berrascht waren, wie viele Ideen zu einem be- der Lehrenden untereinander fhrt und damit zum Auf- stimmten Problem in so kurzer Zeit gesammelt werden bau einer Untersttzungskultur ber die Fachbereiche knnen. Die Fallgeber_innen haben mehrheitlich berich- und Hochschulen hinweg. tet, dass die Sichtweisen der Anderen zur Klrung der eigenen Position sehr wertvoll waren. Hufig fiel es den Da das Format durch die Teilnehmenden so positiv auf- Fallgeber_innen schwer, nichts zu der Diskussion bei- genommen wird, ist geplant, engagierte Lehrende aus tragen zu drfen. Andersherum haben alle Teilnehmen- dem Zertifikatsprogramm als Multiplikator_innen zu ge- den auch mehrheitlich berichtet, wie viel sie selbst aus winnen: zum einen, um hochschulbergreifende und den Fllen der anderen gelernt haben (vgl. Lippmann fachbezogene Kollegiale Beratungsgruppen zum vertief- 2009, 18). Hier scheint die Kollegiale Beratung fragmen- ten Einstieg in fachdidaktische Fragen zu initiieren und tarisches und exemplarisches Lernen in starkem Mae zum anderen, um erworbene Kompetenzen wieder an zu ermglichen (Schmid/Veith/Weidner 2010). Da viele die Fachbereiche zurckzubringen und ggf. dort eigene Teilnehmende, die nicht aus den Sozialwissenschaften Kollegiale Beratungsgruppen zu initiieren. kommen, mit diesen Methoden vllig unvertraut sind, wurde die Anwesenheit einer externen Leitung auch im- mer sehr wertgeschtzt.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 27
  • 28. Literatur Tietze, K.-O. (2010): Wirkprozesse und personenbezogene Wirkun- gen von Kollegialer Beratung: Theoretische Entwrfe und empirische Andersen, T. (1990): Das reflektierende Team. Dialoge und Dialoge Forschung. Wiesbaden: Vs-Verlag. ber Dialoge. Dortmund: Modernes Leben. Arbeitsgemeinschaft Hochschuldidaktik (2005): Leitlinien zur Modula- risierung und Zertifizierung hochschuldidaktischer Weiterbildung. (Be- schluss der Mitgliederversammlung der AHD vom 8.3.2005. Verfgbar unter: http://www.dghd.de/akko_download [05.05.2011]. BZHL (2011): Selbstreflexionen zu Modul I des Zertifikatsprogramms. (Unverffentlichte Dokumente). Berlin Fengler, J. (2004): Feedback geben. Strategien und bungen. Wein- heim: Beltz. Langmaack, B., Braune-Krickau, M. (1995): Wie die Gruppe laufen lernt. Weinheim: Beltz. Lippmann, E. (2009) Intervision. Kollegiales Coaching professionell gestalten. Berlin: Springer. Mann, R., Thomas, K. (2004): TZI an der Hochschule. Gegen die aka- demische Trockenheit. In: Langmaack, B.: Einfhrung in die Themen- zentrierte Interaktion (S. 258-263). Weinheim: Beltz. Schlee, J. (2008): Kollegiale Beratung und Supervision fr pdagogi- sche Berufe. Stuttgart: Kohlhammer. Schmid, B., Veith, T., Weidner, I. (2010): Einfhrung in die Kollegiale Beratung. Heidelberg: Carl-Auer. Schulz von Thun, F., Tietze, K.-O. (2003): Kollegiale Beratung: Pro- blemlsungen gemeinsam entwickeln. Miteinander reden. Reinbek: Rororo.Perspektiven HDS.Journal 1 | 2011 Perspektiven guter Lehre 28
  • 29.