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Facebook Artikel Thomas Bade © 2011 Thomas Bade Seite 1 Der beschwerliche Weg der Gerichte und Politik Korruption im Gesundheitswesen wirksam zu bekämpfen Ärzte und Gesundheitswirtschaft biegen Regeln wie sie wollen zurecht - der Gesetzgeber versucht krampfhaft durch schärfere Vorschriften dem Ungeheuer der Korruption in Weiß Herr zu werden. Eichstätt, den 10. Juni 2011 Im Jahr 2008 wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) der § 128 SGB V über die unzulässige Zusammenarbeit der Leistungserbringer und Vertragsärzte eingeführt. Nach nur 12 Monaten wurden wesentliche Begrifflichkeiten mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) geändert oder neu eingeführt. Neben den Vertragsärzten sind die Ärzte in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen ins Gesetz aufgenommen worden und der Kreis der Adressaten ist auf pharmazeutische Unternehmern, Apotheken, pharmazeutische Großhändler sowie sonstige Anbieter von Gesundheitsleistungen erweitert worden. So wirklich zufrieden sind Politiker, Gerichte und Staatsanwälte mit den eingeführten Gesetzen nicht und Transparency Deutschland bemängelt seit Mai nun auch noch Korruption im Pflegebereich. Die Arbeitsgruppe Korruption im Gesundheitswesen von Transparency geht der für Pflegedienste wohl unverständlichen Frage nach, ob die mit den Pflegekassen verhandelten Pflegesätze geeignet sein, den Bedarf des alten Menschen an Pflege und Betreuung angemessen zu decken oder ob es nicht doch „Puffer" gebe, die letztlich in die Taschen der Pflegedienste fließen ? Da nun nicht nur die Ärzte in Weiß sondern das ganze System korrupt sind, beschäftigt sich auch das Bundessozialgericht mit der Frage, ob die gesetzlichen Krankenkassen berechtigt sind, mit Leistungserbringern pauschale Schuldanerkenntnisse und Vertragsstrafen zu vereinbaren. Da man offensichtlich nicht mal mehr den Krankenkassen traut, wird auch der Verzicht der Krankenkassen auf eine Weiterleitung von Verdachtsfällen an die Staatsanwaltschaft zukünftig vom Bundessozialgericht zu beurteilen sein. Ein Jahr nach einer Großrazzia in drei Berliner Krankenhäusern wegen Betrugsvorwürfen steht ein Prozess gegen die Hauptbeschuldigten noch aus ! Es gibt zwar eine 10 000-Seiten-Akte und insgesamt wurde gegen 94 Personen ermittelt – doch ein Prozess gegen die Hauptbeschuldigten ist nicht in Sicht, derzeit gibt es nicht mal eine Anklage. Die Staatsanwälte wissen wohl immer noch nicht, ob überhaupt Betrug vorliegt und gegen wen ermittelt werden soll. Es sind wohl diese medienwirksamen Berichte warum sich der Deutsche Bundestag inzwischen in regelmäßigen Abständen mit dem Thema Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen beschäftigt. Am 27. Mai 2011 debattierte der Deutsche Bundestag über den Antrag der SPD- Fraktion, systematische Fehlabrechnungen und Betrug stärker zu sanktionieren. Der Bundestag kam zu dem Schluss, dass es wohl besser wäre erst mal die Entscheidung des Großen Senats am Bundesgerichtshof zum Pharmamarketing und zur Bestechlichkeit von Vertragsärzten abzuwarten.

Korruption im Gesundheitswesen

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Page 1: Korruption im Gesundheitswesen

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Der beschwerliche Weg der Gerichte und Politik Korruption im

Gesundheitswesen wirksam zu bekämpfen

Ärzte und Gesundheitswirtschaft biegen Regeln wie sie wollen zurecht - der Gesetzgeber versucht

krampfhaft durch schärfere Vorschriften dem Ungeheuer der Korruption in Weiß Herr zu werden.

Eichstätt, den 10. Juni 2011 Im Jahr 2008 wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der

gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) der § 128 SGB V über die unzulässige

Zusammenarbeit der Leistungserbringer und Vertragsärzte eingeführt. Nach nur 12 Monaten

wurden wesentliche Begrifflichkeiten mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG)

geändert oder neu eingeführt. Neben den Vertragsärzten sind die Ärzte in Krankenhäusern und

anderen medizinischen Einrichtungen ins Gesetz aufgenommen worden und der Kreis der Adressaten

ist auf pharmazeutische Unternehmern, Apotheken, pharmazeutische Großhändler sowie sonstige

Anbieter von Gesundheitsleistungen erweitert worden.

So wirklich zufrieden sind Politiker, Gerichte und Staatsanwälte mit den eingeführten Gesetzen

nicht und Transparency Deutschland bemängelt seit Mai nun auch noch Korruption im

Pflegebereich. Die Arbeitsgruppe Korruption im Gesundheitswesen von Transparency geht der für

Pflegedienste wohl unverständlichen Frage nach, ob die mit den Pflegekassen verhandelten

Pflegesätze geeignet sein, den Bedarf des alten Menschen an Pflege und Betreuung angemessen zu

decken oder ob es nicht doch „Puffer" gebe, die letztlich in die Taschen der Pflegedienste fließen ?

Da nun nicht nur die Ärzte in Weiß sondern das ganze System korrupt sind, beschäftigt sich auch

das Bundessozialgericht mit der Frage, ob die gesetzlichen Krankenkassen berechtigt sind, mit

Leistungserbringern pauschale Schuldanerkenntnisse und Vertragsstrafen zu vereinbaren. Da man

offensichtlich nicht mal mehr den Krankenkassen traut, wird auch der Verzicht der Krankenkassen

auf eine Weiterleitung von Verdachtsfällen an die Staatsanwaltschaft zukünftig vom

Bundessozialgericht zu beurteilen sein.

Ein Jahr nach einer Großrazzia in drei Berliner Krankenhäusern wegen Betrugsvorwürfen steht ein

Prozess gegen die Hauptbeschuldigten noch aus ! Es gibt zwar eine 10 000-Seiten-Akte und

insgesamt wurde gegen 94 Personen ermittelt – doch ein Prozess gegen die Hauptbeschuldigten ist

nicht in Sicht, derzeit gibt es nicht mal eine Anklage. Die Staatsanwälte wissen wohl immer noch

nicht, ob überhaupt Betrug vorliegt und gegen wen ermittelt werden soll.

Es sind wohl diese medienwirksamen Berichte warum sich der Deutsche Bundestag inzwischen in

regelmäßigen Abständen mit dem Thema Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen

beschäftigt. Am 27. Mai 2011 debattierte der Deutsche Bundestag über den Antrag der SPD-

Fraktion, systematische Fehlabrechnungen und Betrug stärker zu sanktionieren. Der Bundestag

kam zu dem Schluss, dass es wohl besser wäre erst mal die Entscheidung des Großen Senats am

Bundesgerichtshof zum Pharmamarketing und zur Bestechlichkeit von Vertragsärzten abzuwarten.

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Im Februar diesen Jahres musste sich die Bundesregierung mit einer kleinen Anfrage der Fraktion

BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN zum Fehlverhalten im Gesundheitswesen befassen. Ob Formen von

Fehlverhalten zu- bzw. abgenommen haben (zum Beispiel bei Apotheken, Ärzten, Hilfsmitteln),

kann die Bundesregierung aber auch nicht beantworten, da keine belastbaren Daten vorlägen. Im

Hilfsmittelbereich ist nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen von einem

Rückgang fragwürdiger Praktiken aufgrund der Regelungen in § 128 SGB V auszugehen. Die

Bundesregierung habe dessen ungeachtet bemerkt, dass teilweise versucht werde, diese

Regelungen gezielt zu umgehen, so dass man die weitere Entwicklung beobachten werde.

Offensichtlich haben Politiker die Kreativität der Marktteilnehmer und Rechtsanwälte sowie das

übliche Zurechtbiegen der Regeln im Dschungel aus Abrechnungsbürokratie und anderer

gesetzlicher Vorschriften unterschätzt. Im Referentenentwurf des GKV-Versorgungsstrukturgesetz

(GKV-VSG), das zum 1. Januar 2012 in Kraft treten soll, werden aus diesem Grund im § 128 SGB V

der Heilmittelbereich sowie Beteiligungen von Ärzten an Unternehmen von Leistungserbringern mit

aufgenommen. Zusätzlich will die Politik unterbinden, dass zuweisende Ärzte und Operateure ohne

Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen eine Teil-Berufsausübungsgemeinschaft bilden und

hierfür eine Zulassung erhalten, um den Gewinn in Abhängigkeit von den Zuweisungszahlen zu

verteilen.

Bei so vielen Neuregelungen im Kampf gegen Fehlverhalten im deutschen Gesundheitswesen hat

auch der Deutsche Ärztetag Ende Mai einer „umfassenden Novellierung“ der ärztlichen

Berufsordnung zugestimmt. Diese neue Berufsordnung soll sogenannten

Anwendungsbeobachtungen, die zur Verdeckung unzulässiger Zuwendungen durchgeführt werden,

einen Riegel vorschieben. Die nicht wirklich überzeugende Regelung sieht vor, dass künftig die

Vergütung den Leistungen entsprechen müsse, die Ärzte für Hersteller oder Erbringer von Arznei-,

Heil- und Hilfsmittel oder Medizinprodukte erbringen. Verträge über solche Zusammenschlüsse sind

schriftlich abzuschließen und sollen der zuständigen Ärztekammer vorgelegt werden, heißt es in der

(Muster-)Berufsordnung.

Die nächste Schwachstelle bei den Gesetzen ist schon vorprogrammiert. Die Bundesregierung ist

gut beraten, bei den bevorstehenden Debatten zum GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VSG)

über unzulässige Kooperationen zwischen Ärzten und anderen Leistungserbringern (§128 SGB V),

die mögliche Einführung der "Heilkundeübertragungs-Richtlinie" durch den Gemeinsamen

Bundesausschuss (G-BA) zu beachten.

Der Gemeinsame-Bundesausschuss (G-BA) berät derzeit die Richtlinien zur Übertragbarkeit

ärztlicher Tätigkeiten. Die Einführung einer "Heilkundeübertragungs-Richtlinie" könnte bedeuten,

dass Pflegekräfte eigenständig Heil- und Hilfsmittel verordnen und Patienten überweisen dürften.

Der § 128 SGB V spricht aber bisher nur von „Vertragsärzten“ und „Ärzten in Krankenhäusern“.

Die Branche ist clever genug, um nach Inkrafttreten der Heilkundeübertragungs-Richtlinie, Kick-

Backs oder sonstige Zuwendungen an die Angehörigen der Pflegeberufe (z.B. Hilfsmittelexperte

oder Hilfsmittelcoach) zu leisten. Angehörige der Pflegeberufe sind bisher nicht vom § 128 SGB V

erfasst und im Gesundheitsmarkt geht es einzig darum, entsprechende Rezepte für Versorgungen

zu erhalten – egal wer sie ausgestellt hat.

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