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HERPERS, Sascha; SCHULZ, Thomas: Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens. In: WENZEL, Sigrid [Hrsg]: Simulation in Produktion und Logistik 2006, Tagungsband zur 12. Fachtagung. Erlangen : SCS Publishing House, 2006, S. 73-82. Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens Sascha Herpers * Thomas Schulz ** Universität zu Köln Rockwell Automation [email protected] [email protected] Zusammenfassung In der kapazitierten Produktionsplanung tritt im Bereich der Werkstattproduktion regelmäßig das Problem der Losgrößenplanung auf. Diese deterministische Planung wird in der Praxis häufig um Lagerhaltungspolitiken ergänzt, die in der Lage sind bspw. stochastische Bedarfe zu berücksichtigen, um einen gegebenen Servicegrad zu erfüllen. Betrachtet ein Unterneh- men beide Aspekte integrativ, handelt es sich um einen Produktion-Lager-Knoten. Der Bei- trag beschreibt die relevanten Eigenschaften der betrachteten Planungssituation. Es wird ein Ansatz vorgestellt, wie ein Simulationsmodell auf Basis der Simulationssoftware Arena implementiert und wie zur Unterstützung der Simulation ein externer Solver eingebunden werden kann. 1 Motivation In der kapazitierten Produktionsplanung tritt im Bereich der Werkstattproduktion regelmäßig das Problem der Losgrößenplanung auf (vgl. [Tem05b]). Gegenstand ist die Festlegung von Produktionszeitpunkten und den dann zu produzierenden Mengeneinheiten der Produkte auf allen Stufen des Fertigungsprozesses, sodass alle Bedarfe vollständig und rechtzeitig erfüllt und die gegebenen Kapazitätsbeschränkungen eingehalten werden. Da jede Losauf- lage mit Rüstkosten und -zeiten verbunden ist, versucht der Planer durch Vorziehen von Periodenbedarfen die Anzahl der Rüstvorgänge zu reduzieren. Im Zuge dessen verursacht die Produktion von Gütern vor ihrem eigentlichen Bedarfszeitpunkt den Aufbau von Lager- beständen und den damit verbundenen Lagerkosten. Diese Wechselwirkung von Rüst- und Lagerkosten führt zu einem Optimierungsproblem, bei dem die Losgrößen so zu fixieren sind, dass die gesamten, damit verbundenen Kosten minimal werden. In der lagerorientierten Produktion für den anonymen Massenmarkt basieren die Perioden- bedarfe für die herzustellenden Endprodukte oder selbständig absatzfähigen Zwischenpro- dukte auf Prognosen zukünftiger Bedarfe. Diese u. U. dynamischen Bedarfe werden in der Planung als mit Sicherheit bekannt, d.h. als deterministisch angenommen. Dies trifft auch auf alle anderen in der Losgrößenplanung berücksichtigten Größen zu. Produktionsstörun- gen und zufällige Abweichungen der Bedarfsmengen bleiben unbeachtet. Da in der Realität jedoch stochastische Einflussgrößen wirksam sind, müssen Vorkehrungen getroffen wer- den, um diese Einflüsse zu berücksichtigen (vgl. [Tem05a]). In den theoretischen Planungskonzepten und auch in der betrieblichen Praxis wird deshalb (u. a.) am Ende der Produktion ein stochastisches Bestandsmanagement betrieben. Aufga- be ist hier die Festlegung und Auffüllung von Sicherheitsbeständen, um die regulär geplan- * Seminar für SCM und Produktion, Universität zu Köln, Albertus Magnus Platz, 50923 Köln ** Rockwell Automation, Bublitzer Str. 32, 40599 Düsseldorf

Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens

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In der kapazitierten Produktionsplanung tritt im Bereich der Werkstattproduktion regelmäßig das Problem der Losgrößenplanung auf. Diese deterministische Planung wird in der Praxis häufig um Lagerhaltungspolitiken ergänzt, die in der Lage sind bspw. stochastische Bedarfe zu berücksichtigen, um einen gegebenen Servicegrad zu erfüllen. Es wird ein Ansatz vorgestellt, wie ein Simulationsmodell auf Basis der Simulationssoftware Arena implementiert und wie zur Unterstützung der Simulation ein externer Solver eingebunden werden kann.

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Page 1: Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens

HERPERS, Sascha; SCHULZ, Thomas: Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens. In: WENZEL, Sigrid [Hrsg]: Simulation in Produktion und Logistik 2006, Tagungsband zur 12. Fachtagung. Erlangen : SCS Publishing House, 2006, S. 73-82.

Modellierung eines integrierten Produktion-Lager-Knotens

Sascha Herpers* Thomas Schulz** Universität zu Köln Rockwell Automation [email protected] [email protected]

Zusammenfassung

In der kapazitierten Produktionsplanung tritt im Bereich der Werkstattproduktion regelmäßig das Problem der Losgrößenplanung auf. Diese deterministische Planung wird in der Praxis häufig um Lagerhaltungspolitiken ergänzt, die in der Lage sind bspw. stochastische Bedarfe zu berücksichtigen, um einen gegebenen Servicegrad zu erfüllen. Betrachtet ein Unterneh-men beide Aspekte integrativ, handelt es sich um einen Produktion-Lager-Knoten. Der Bei-trag beschreibt die relevanten Eigenschaften der betrachteten Planungssituation. Es wird ein Ansatz vorgestellt, wie ein Simulationsmodell auf Basis der Simulationssoftware Arena implementiert und wie zur Unterstützung der Simulation ein externer Solver eingebunden werden kann.

1 Motivation

In der kapazitierten Produktionsplanung tritt im Bereich der Werkstattproduktion regelmäßig das Problem der Losgrößenplanung auf (vgl. [Tem05b]). Gegenstand ist die Festlegung von Produktionszeitpunkten und den dann zu produzierenden Mengeneinheiten der Produkte auf allen Stufen des Fertigungsprozesses, sodass alle Bedarfe vollständig und rechtzeitig erfüllt und die gegebenen Kapazitätsbeschränkungen eingehalten werden. Da jede Losauf-lage mit Rüstkosten und -zeiten verbunden ist, versucht der Planer durch Vorziehen von Periodenbedarfen die Anzahl der Rüstvorgänge zu reduzieren. Im Zuge dessen verursacht die Produktion von Gütern vor ihrem eigentlichen Bedarfszeitpunkt den Aufbau von Lager-beständen und den damit verbundenen Lagerkosten. Diese Wechselwirkung von Rüst- und Lagerkosten führt zu einem Optimierungsproblem, bei dem die Losgrößen so zu fixieren sind, dass die gesamten, damit verbundenen Kosten minimal werden. In der lagerorientierten Produktion für den anonymen Massenmarkt basieren die Perioden-bedarfe für die herzustellenden Endprodukte oder selbständig absatzfähigen Zwischenpro-dukte auf Prognosen zukünftiger Bedarfe. Diese u. U. dynamischen Bedarfe werden in der Planung als mit Sicherheit bekannt, d.h. als deterministisch angenommen. Dies trifft auch auf alle anderen in der Losgrößenplanung berücksichtigten Größen zu. Produktionsstörun-gen und zufällige Abweichungen der Bedarfsmengen bleiben unbeachtet. Da in der Realität jedoch stochastische Einflussgrößen wirksam sind, müssen Vorkehrungen getroffen wer-den, um diese Einflüsse zu berücksichtigen (vgl. [Tem05a]). In den theoretischen Planungskonzepten und auch in der betrieblichen Praxis wird deshalb (u. a.) am Ende der Produktion ein stochastisches Bestandsmanagement betrieben. Aufga-be ist hier die Festlegung und Auffüllung von Sicherheitsbeständen, um die regulär geplan-

* Seminar für SCM und Produktion, Universität zu Köln, Albertus Magnus Platz, 50923 Köln ** Rockwell Automation, Bublitzer Str. 32, 40599 Düsseldorf

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ten Abläufe vor stochastischen Einflüssen zu schützen. Dies ermöglicht es dann, gegen-über dem Abnehmer der Erzeugnisse einen vorher festgelegten Servicegrad zu garantie-ren. Betrachtet ein Unternehmen beide Aspekte integrativ, handelt es sich um einen Pro-duktion-Lager-Knoten. Hier werden Losgrößenpläne derart aufgestellt, dass die Bedarfe un-ter Berücksichtigung bestehender Kapazitäten gemäß einem vorgegebenen Servicegrad er-füllt werden können. Der Tagungsbeitrag beschreibt zunächst die relevanten Eigenschaften eines solchen Supply Chain Knotens. Hierzu zählen z.B. die Struktur der Nachfragen sowie relevante Ser-vicegrade. Anschließend wird die Modellierung des Knotens auf konzeptioneller Ebene vorgestellt. Dies betrifft vor allen die Modellierung der Zeitachse und die damit verbundene Abfolge der Ereignisse innerhalb einer Periode. Es folgt eine Beschreibung der technischen Implementierung im Rahmen der Simmulationssoftware Arena (Rockwell Software). Dies beinhaltet neben der Beschreibung der Prozesse auch Hinweise darauf, wie externe Solver in die Simulation integriert werden können. Somit wird insgesamt gezeigt, wie praxisrele-vante Aspekte im Rahmen von Simulationsstudien modelliert und im Hinblick auf die Gene-rierung von Problemlösungen implementiert werden können.

2 Literaturüberblick In den vergangenen Jahren sind einige Beiträge veröffentlicht worden, die sich mit integrier-ten Produktion-Lager-Knoten bzw. allgemeiner mit stochastischer Losgrößenplanung be-schäftigen. De Bodt und van Wassenhove (vgl. [DBvW83]) untersuchen den Einfluss von Prognosefehlern auf die Gesamtkosten und die Erhöhung der geplanten Anzahl an Bestel-lungen, wenn die Stochastik ignoriert und mit den bekannten deterministischen Methoden geplant wird. Zur Begrenzung dieser negativen Effekte werden Sicherheitsbestände eingeführt. Wemmerlöv und Whybark (vgl. [WW84]) untersuchen vor diesem Hintergrund 14 verschiedene Lösungsansätze und überprüfen deren Leistungsfähigkeit mittels Simulation. Wie de Bodt und van Wassenhove setzen sie Sicherheitsbestände ein, um sich gegen die Prognosefehler abzusichern (vgl. auch [CH84], [JJ100]). Einen anderen Ansatz verfolgen Bookbinder und Tan (vgl. [BT88]). Die Nachfrage wird hier als Zufallsvariable mit bekannter Verteilungsfunktion modelliert. Sie stellen ein Modell vor, dass die Zeitpunkte der Lagerauf-füllung und anschließend zu fordernde Ziellagerbestände im Hinblick auf einen �-Servicegrad, d.h. der Wahrscheinlichkeit, dass die Periodennachfrage kleiner oder gleich dem physischen Bestand zu Beginn einer Periode ist, optimiert. Somit werden hier nicht die Produktionsmengen festgelegt, sondern sie ergeben sich zum Zeitpunkt der Lagerauffüllung aus den Nachfragemengen seit dem jeweils letzen Lagerzugangszeitpunkt. Tarim und Kingsman (vgl. [TK04]) entwickeln diesen Ansatz weiter, indem sie die beiden Variablen (Lagerzugangszeitpunkt und Lagerzielbestand) simultan bestimmen. Während die genannten Ansätze sich lediglich auf den Ein-Produkt-Fall ohne Kapazitäten beziehen, lösen Bitran und Yanasse (vgl. [BY84]) stochastische dynamische Losgrößen-probleme, bei denen die verfügbare Kapazität beschränkt ist. Sie approximieren die sto-chastische Nachfrage in einem deterministische Ersatzmodell, dass sie so lösen, dass ein gegebener �-Servicegrad (siehe unten) eingehalten werden kann (vgl. auch [RS90]). Fujiwa-ra und Khang (vgl. fujiwara93a) formulieren ein stochastisches Netzwerkflussproblem, bei dem die Flüsse über die Kanten den Produktionsmengen entsprechen. Sie fordern eben-falls die Einhaltung eines �-Servicegrades. Für den Fall mit nur einem Produkt findet sich eine Vielzahl weiterer exakter oder heuristi-scher Ansätze, die sich hauptsächlich in der Modellierung der Stochastik bzw. in dem ver-folgten Servicegraden unterscheiden. Bezogen auf die mehrstufige, kapazitierte Mehrpro-duktlosgrößenplanung lassen sich aber nur wenige Ansätze finden. In dem oben bereits erwähnten Artikel von Bitran und Yanasse (vgl. [BY84] dekomponieren die Autoren das Problem in mehrere unabhängige Einproduktprobleme und aggregieren die einzeln berech-neten, produktspezifischen Servicegrade zu einem Gesamtservicegrad.

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3 Problemformulierung Alle vorgenannten Autoren betrachten das Problem jedoch aus der Perspektive einer iso-lierten Produktionsstätte. Einflüsse von außen werden nur über die stochastische Nachfra-ge abgebildet. Dabei wird unterstellt, dass die Nachfragen einer Periode unabhängig von der Nachfrage der vorhergehenden Periode sind. Diese Annahme ist gerechfertigt, wenn eine große Anzahl Nachfrager existiert, deren Nachfrageströme sich überlagern. Dies ist aber nicht immer der Fall. Im Rahmen dieses Beitrags soll deshalb eine Situation, wie in Abbildung 1 betrachtet werden. An verschiedenen Standorten werden hier regionale Auslieferungsläger (RAL) betrieben. Jedes regionale Auslieferungslager ist für die Deckung der Bedarfe einer Menge von End-kunden (EK) verantwortlich, die verschiedene Produkte nachfragen. Diese Endkundennach-fragen unterliegen verschiedenen Verteilungsannahmen. So können sie bspw. normal-, gamma- oder empirisch diskretverteilt sein, wobei davon ausgegangen wird, dass die Pa-rameter der Verteilungen bekannt sind. Zur Sicherung der produktspezifischen Servicegra-de betreibt jedes Regionallager eine individuell angepasste Lagerhaltungspolitik (bspw. wie hier dargestellt eine (s,q)-Politik, vgl. [SPP98]). Allgemein ist ein Servicegrad ein Leistungskriterium für die Lieferfähigkeit eines Lagers. Beispiele hierfür sind (vgl. z.B. [TEM05a, WCF05]):

• �-Servicegrad: gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass ein eintreffender Bedarf

Abbildung 1: Ausschnitt aus einer Supply Chain

vollständig aus dem bei seinem Eintreffen vorhanden physischen Lagerbe-stand gedeckt werden kann.

• �-Servicegrad: gibt den Anteil der Gesamtnachfrage an, der ohne eine lager-bedingte Lieferzeit sofort aus dem Lager gedeckt werden kann.

• Lieferzeit-Kriterium: gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte

Lieferzeit zu erwarten ist.

• time-window fulfillment rate: gibt den Anteil der Nachfrage an, der vor Ablauf einer festgelegte Anzahl von Perioden vollständig gedeckt werden kann.

Die Lagerauffüllung des RAL wird durch Bestellaufträge ausgelöst, die an ein zentrales Auslieferungslager (ZAL) gerichtet sind. Letzteres agiert rein passiv auf eingehende Bestel-lungen. Es löst weder eigene Bestellungen aus, noch werden zukünftige Bedarfe antizipiert. Stattdessen wird das Zentrallager durch die Produktion des vorgelagerten Produktionsbe-triebs (P) aufgefüllt.

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Der Produktionsbetrieb stellt hierzu Produktionspläne auf, die so gestaltet sein müssen, dass die regionalen Auslieferungsläger die an sie gerichteten Endkundennachfragen ge-mäß den Servicegradbedingungen befriedigen können. Dabei ist zu beachten, dass für die Produktion nur eine beschränkte Kapazität zur Verfügung steht. Zur Generierung der Pro-duktionspläne stehen die über alle Regionallager für ein bestimmtes Produkt aggregierten Endkundennachfragen zur Verfügung. Zusätzlich gehen die damit verbundenen Prognose-fehler als empirisch beobachtete stochastische Verteilungen mit in die Planung ein. Die im Planungszeitraum evtl. auftretenden Sonderaktionen (z.B. eine Werbekampagne für ein be-stimmtes Produkt) sind im Voraus bekannt. Deren Auswirkung auf die Nachfrage kann da-bei als deterministisch angesehen werden.

Abbildung 2: Modellierung der Zeitachse

Für die Analyse und Modellierung dieser Situation ist die Art der Zeitachse von entschei-dender Bedeutung. Sie legt sowohl Annahmen über Überwachungs- und Planungsintervalle in den Knoten der Supply Chain als auch die zeitliche Struktur der Ereignisse fest (vgl. Ab-bildung 2). Es wird davon ausgegangen, das am Anfang einer Periode die neuen Kunden-nachfragen (in aggregierter Form je Produkt) eintreffen. Wurden in vorhergehenden Perio-den Bestellungen (im Falle des Produktionsknotens z.B. für Vorprodukte) ausgelöst, deren Liefermengen in der betrachteten Periode eintreffen, dann werden diese Lagerzugänge als nächstes vermerkt. Anschließend findet eine weitere Lagerauffüllung durch die Produktion statt. (Dieses Ereignis entfällt bei reinen Lagerknoten.) Am Ende der Periode werden schließlich aufgrund mangelnder Lieferfähigkeit zurückgestellte Nachfragen sowie aktuelle Periodennachfragen befriedigt. Ziel des Simulationsmodells ist es, für das oben beschriebene Planungsproblem einen Aus-schnitt einer Supply Chain zu modellieren. Dabei sind u. U. mehrere Produktion-Lager-Knoten, reine Lager-Knoten und Endkunden-Knoten zu implementieren. Als Ergebnis der Simulation erhält der Planer statistische Auswertung über physische Lagerbestände, Fehl-mengen, Wartezeitverteilungen und Servicegrade sowie Auslastungen der kapazitierten Ressourcen. Mit Hilfe dieser Kenngrößen lässt sich nicht nur die Konfiguration der Supply Chain (monetär) bewerten, sondern auch die zuweilen komplexen wechselseitigen Bezie-hungen der Supply Chain Knoten analysieren. Hierdurch lassen sich z.B. Fragen klären, wie sich die physischen Lagerbestände zwischen den Knoten verschieben, wenn Zielservi-cegrade innerhalb der Lieferkette verändert werden.

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4 Technische Umsetzung Es sollte nun ein Simulationsmodell entwickelt werden, das in der Lage ist, die oben ge-nannten Problemeigenschaften (diskrete Zeitachse, verschiedene Nachfrageverteilungen, unterschiedliche Servicegrade, unterschiedliche Typen von Supply Chain Knoten) zu mo-dellieren. Um die Wiederverwendbarkeit des Modells zu gewährleisten sollte die Simulation so modular aufgebaut werden, dass die einzelnen Module beliebig miteinander kombiniert werden können. So sind auch Problemstellungen modellierbar, die über die in Abbildung 1 gezeigte Situation hinausgehen und größere Ausschnitte der Supply Chain simulieren. Die Modularität stellt darüber hinaus sicher, dass das Simulationsmodell ggf. um weitere Kom-ponenten leicht erweitert werden kann. Nicht zuletzt war es auch wichtig, externe Software (z.B. kommerzielle Optimierungssoftware oder eigenentwickelte Applikationen) als Pla-nungswerkzeuge in die Simulation zu integrieren. Zur Auswahl standen verschiedene am Markt verfügbare Standard-Simulationsanwendungen, die auf ihre Eignung für die Umsetzung des Modells geprüft wurden. Die Wahl fiel letztlich auf Arena (Version 10.0, Rockwell Software, vgl. z.B. [bla00], [DSB01], [KSS04], [TH05]). Dabei handelt es sich um ein Simulationswerkzeug, dass – wie es mittlerweile Standard ist – mit graphischer Benutzeroberfläche ausgestattet ist (vgl. z.B. Durch einfaches Ziehen und Ablegen kann der Nutzer selbst komplexe Modelle leicht zusammenstellen, indem er Modu-le, die bestimmte Teilprozesse realisieren, einfach in das bestehende Modell hineinzieht und mit anderen Modulen verbindet. Zusätzlich bietet Arena die Möglichkeit, eigene Module durch Aggregation bestehender Module zu erstellen. Somit können häufig verwendete Teil-prozesse in einer eigenen Modulbibliothek (ein so genanntes Template) abgelegt und spä-ter leichter wieder verwendet werden. Die Modellierung der diskreten Zeitachse und die Ein-bindung externer Software soll nun einen beispielhaften Einblick in die Umsetzung des Mo-dells als Template geben. Um, wie in Abschnitt 3 beschrieben, zeitdiskrete Systeme abzubilden, muss einerseits ein Taktgeber implementiert werden, der am Anfang eines Ereignisses ein Signal sendet. An-dererseits muss der Rest des Modells so erweitert werden, dass Entitäten auf die entspre-chenden Ereignissignale warten, bevor der jeweilige Prozess fortgesetzt werden kann. Für die Erzeugung von Ereignissignalen stellt Arena das Modul Signal (Advanced Process Template) bereit. Als Parameter (Signal Value) wird ein Ausdruck angegeben, der das Er-eignis repräsentiert. Dies kann entweder eine Zahl oder ein über das Datenmodul Expressi-ons angelegter Ausdruck sein. Läuft eine Entität durch das Signal-Modul wird das Ereignis ausgelöst. Damit andere Bereiche des Modells darauf reagieren können, müssen an den entsprechenden Stellen Hold-Module (Advanced Process Template) eingefügt werden. Die-se Module können so eingestellt werden, dass Entitäten solange aufgehalten werden, bis ein bestimmter Wert von einem Signal-Modul gesendet wird. Hierfür muss der Parameter Type auf Wait for Signal eingestellt werden. Der Parameter Wait for Value muss dann den gleichen Ausdruck enthalten, der im zugehörigen Signal-Modul verwendet wurde. Am An-fang einer Periode (d.h. technisch gesehen in festen zeitlichen Abständen) werden für jeden Prozess (z.B. Liefereingang, Bestellausgang usw.) Entitäten erzeugt und zu dem jeweiligen Hold-Modul weitergeleitet, das den Anfang eines Modellausschnittes markiert. Eine am An-fang der Simulation erzeugte Entität sendet dann in regelmäßigen Abständen die entspre-chende Signale, wodurch die wartenden Entitäten die jeweiligen Prozessschritte ausführen. Zu diesen Prozessschritten zählt auch die Planung der Produktionsmengen und -Zeit-punkte. Diese werden nicht als Parameter der Simulation vorgegeben, sondern dynamisch in Abhängigkeit des bisherigen Simulationsverlaufes durch externe Software festgelegt. Somit können auch beliebig langfristig angelegte Beobachtungen des Modellverhaltens durchgeführt werden. Arena bietet hierfür u.A. die Möglichkeit VBA-Code (Visual Basic for Applications) in die Modelle oder eigenentwickelten Templates zu integrieren. Hierzu muss an geeigneter Stelle ein VBA-Block (Block Template) eingefügt werden. Immer dann, wenn

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eine Entität auf einen solchen Block trifft, wird der mit ihr verbundene VBA-Code ausge-führt. Abbildung 3 zeigt ein stark vereinfachtes Beispiel.

Abbildung 3: VBA-Code Beispiel

Für das Simulationsmodell wurde ein eigener Solver geschrieben, der die Produktionspläne auf Basis eines Losgrößenmodells berechnet, dass um stochastische Nachfragen und Ser-vicegradrestriktionen erweitert wurde. In Zeile 5 wird der Solver mit Hilfe des VBA-Befehls CreateObject instantiiert. Arena verwaltet alle Variablen und Attribute über Symbolnum-mern. Um die Eigenschaften und Rahmenbedingungen des aktuellen Planungslaufes aus-zulesen, muss zunächst die Symbolnummer aller relevanten Variablen ermittelt werden (Zeile 8). Danach wird der Wert der betreffenden Variablen ausgelesen und an den Solver übergeben (Zeile 8 und 9, Zeile 11 steht für weitere, hier ausgelassene Initialisierungsschrit-te). In Zeile 12 wird der Solver angewiesen, den Plan zu erstellen. Analog zur Initialisierung werden nun die ermittelten Plandaten aus dem Solver ausgelesen und an das Modell über-geben (Zeile 13--17). Anstelle des eigens hierfür entwickelten Solvers können auf ähnliche Weise auch Standardsolver wie bspw. CPLEX (ILOG) integriert werden, die über eine ver-gleichbare Schnittstelle verfügen. Die einzelnen implementierten Module sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Modul Kurzbeschreibung Demand

Das Demand-Modul repräsentiert den Endkunden, der ein bestimmtes Produkt nachfragt. Die Nachfrage kann über eine Liste von Ausdrücken pro Periode definiert werden. Wurde für eine bestimmte Periode kein Ausdruck angegeben, wird automatisch der Nachfrageausdruck der Peri-ode mit dem nächst kleineren Index verwendet. Alternativ können histo-risch beobachtete Nachfragedaten aus einer Datei eingelesen werden.

Production- plan

Dieses Modul ist optional. Es handelt sich um ein Datenmodul, das nur in den Fällen zum Einsatz kommt, in denen die Produktionspläne nicht automatisch durch den externen Solver erstellt werden. Dann kann mit Hilfe dieses Moduls ein manueller Plan (Produktionsmenge pro Produkt und Periode) hinterlegt werden. Auch diese Daten können statisch direkt im Modell hinterlegt oder während der Simulation aus einer Datei ausge-lesen werden.

Clock Hierbei handelt es sich um ein Pflichtmodul, dass in jedem Modell vor-handen sein muss. Clock implementiert die oben beschriebene diskrete Zeitachse und dient somit als Taktgeber für alle anderen Module.

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Modul Kurzbeschreibung PPS Das PPS-Modul kümmert sich um die Produktionssteuerung. Es erzeugt

in regelmäßigen Abständen Produktionsaufträge für die Produktion-Lager-Knoten (Modul PINode, siehe unten). In diesem Modul werden auch Informationen über Nachfrageprognose, Prognosefehlerverteilun-gen und die verfügbaren Ressourcen mit ihren Eigenschaften hinterlegt. Hier wird auch festgelegt, wie geplant werden soll, d.h. mit welchen Pla-nungshorizonten oder Plantypen (Anschlussplanung, rollierende Pla-nung) zu planen ist.

Lager Zur Abbildung der Lagerknoten wird das Lager-Modul verwendet. Hier werden verschiedene in der Literatur übliche Lagerhaltungspolitiken imp-lementiert. Die hierfür benötigten Parameter können entsprechend der gewählten Politik eingegeben werden. Das Lager erzeugt auch Auswer-tungen über die oben beschriebenen Leistungskennzahlen.

Product- list

Dieses Modul verwaltet die in der Simulation modellierten Produkte.

PINode Mit dem Modul PINode wird ein Produktion-Lager-Knoten abgebildet. Er verwaltet mehrere an dem betrachteten Standort produzierte Produkte und – falls erforderlich – ihre mehrstufige Erzeugnisstruktur. Zusätzlich können wichtige Eigenschaften wie die Art der Lieferung (vollständige Lieferung oder Teillieferung) oder die Art der Verwaltung von Rück-standsaufträgen eingestellt werden. Ebenso wie das Lager-Modul werden im Modul PINode Kennzahlen wie der �-Servicegrad oder die Wartezeit-verteilung der Produkte erfasst.

5 Zusammenfassung In diesem Beitrag wurde eine Supply Chain betrachtet, in der sowohl reine Lager-Knoten als auch integrierte Produktion-Lager-Knoten existieren. Die sich daraus ergebene Prob-lemstellung wurde erläutert und mit Hilfe der Simulationssoftware Arena modelliert. Zur Verdeutlichung und als Einstieg in die Thematik der Integration externer Solver und Simula-tionmodelle wurde detailliert gezeigt, wie bestehende Heuristiken und Optimierer berück-sichtigt werden können.

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