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51 4 Die Einstellung zur Arbeit und zum Unternehmen Neben motivationstheoretischen Überlegungen interessieren in der Be- triebspsychologie weitere Komponenten, die den Arbeitsprozess, oder all- gemeiner: das betriebliche Geschehen, beeinflussen. Hetze (2008) be- schreibt bereits einleitend den Grund ihrer Untersuchung zu arbeitsbezo- genen Werthaltungen und beruflicher Handlungskompetenz: „(..) ergibt sich aus Erkenntnislücken vierer Forschungsrichtungen: der Arbeitswerte- forschung, der Arbeitsmotivationsforschung, der Lernmotivationsforschung und der Kompetenzforschung“ (Hetze 2008, S. 1). Kern dieser Aussage ist, dass es sich um ein zu untersuchendes Feld handelt, welches aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und erforscht wird – die Motivati- onsforschung ist also nur eine von den genannten vier Forschungsrich- tungen. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den individuellen Werten und Einstellungen zur Arbeit sei explizit darauf hingewiesen, dass der Begriff „Arbeit“ in erster Linie als Erwerbsarbeit in einem Unternehmen bzw. in einer betrieblichen Organisation verstanden wird. Schuler (2007) führt ne- ben weiteren Arbeitsformen, wie bezahlter und unbezahlter Hausarbeit, Pflege-, Bürger- und Freiwilligenarbeit auch den folgenden Vorschlag ei- ner Definition auf: „Arbeit ist zielgerichtete menschliche Tätigkeit zum Zwecke der Transfor- mation und Aneignung der Umwelt auf Grund selbst- oder fremddefinierter Aufgaben mit gesellschaftlicher – materieller oder ideeller – Bewertung, zur Realisierung oder Weiterentwicklung individueller oder kollektiver Be- dürfnisse, Ansprüche und Kompetenzen.“ (Schuler 2007, S. 158) Diese Definition – so Schuler selbst – lässt ausreichenden Spielraum, um die zuvor genannten, für uns weniger relevanten Arbeitsformen mit einzu- beziehen. Der Fokus dieses Lehrbriefes liegt jedoch auf der Mit-„Arbeit“ in einem Unternehmen. 4.1 Werte und Einstellungen Für ein annähernd einheitliches begriffliches Verständnis werden im Fol- genden Werte und Werthaltungen als Konzepte beschrieben und von dem Terminus „Einstellung“ abgegrenzt. Es werden verschiedene Definitionen angesprochen, jedoch nicht mit dem Ziel, die einzig „wahre“ Begriffsbe- stimmung zu finden. 4.1.1 Werte Der amerikanische Anthropologe und Soziologe Clyde Kluckhohn be- schrieb Werte bereits 1951 als (geteilte) „Auffassungen von Wünschens- wertem“ („a conception of the desirable“). Eine weit gefasste, aber den- noch auch verbreitete und viel zitierte Definition von Werten (vgl. Hetze

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4 Die Einstellung zur Arbeit und zum Unternehmen

Neben motivationstheoretischen Überlegungen interessieren in der Be-triebspsychologie weitere Komponenten, die den Arbeitsprozess, oder all-gemeiner: das betriebliche Geschehen, beeinflussen. Hetze (2008) be-schreibt bereits einleitend den Grund ihrer Untersuchung zu arbeitsbezo-genen Werthaltungen und beruflicher Handlungskompetenz: „(..) ergibt sich aus Erkenntnislücken vierer Forschungsrichtungen: der Arbeitswerte-forschung, der Arbeitsmotivationsforschung, der Lernmotivationsforschung und der Kompetenzforschung“ (Hetze 2008, S. 1). Kern dieser Aussage ist, dass es sich um ein zu untersuchendes Feld handelt, welches aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und erforscht wird – die Motivati-onsforschung ist also nur eine von den genannten vier Forschungsrich-tungen.

Im Rahmen der Auseinandersetzung mit den individuellen Werten und Einstellungen zur Arbeit sei explizit darauf hingewiesen, dass der Begriff „Arbeit“ in erster Linie als Erwerbsarbeit in einem Unternehmen bzw. in einer betrieblichen Organisation verstanden wird. Schuler (2007) führt ne-ben weiteren Arbeitsformen, wie bezahlter und unbezahlter Hausarbeit, Pflege-, Bürger- und Freiwilligenarbeit auch den folgenden Vorschlag ei-ner Definition auf:

„Arbeit ist zielgerichtete menschliche Tätigkeit zum Zwecke der Transfor-mation und Aneignung der Umwelt auf Grund selbst- oder fremddefinierter Aufgaben mit gesellschaftlicher – materieller oder ideeller – Bewertung, zur Realisierung oder Weiterentwicklung individueller oder kollektiver Be-dürfnisse, Ansprüche und Kompetenzen.“ (Schuler 2007, S. 158)

Diese Definition – so Schuler selbst – lässt ausreichenden Spielraum, um die zuvor genannten, für uns weniger relevanten Arbeitsformen mit einzu-beziehen. Der Fokus dieses Lehrbriefes liegt jedoch auf der Mit-„Arbeit“ in einem Unternehmen.

4.1 Werte und Einstellungen

Für ein annähernd einheitliches begriffliches Verständnis werden im Fol-genden Werte und Werthaltungen als Konzepte beschrieben und von dem Terminus „Einstellung“ abgegrenzt. Es werden verschiedene Definitionen angesprochen, jedoch nicht mit dem Ziel, die einzig „wahre“ Begriffsbe-stimmung zu finden.

4.1.1 Werte

Der amerikanische Anthropologe und Soziologe Clyde Kluckhohn be-schrieb Werte bereits 1951 als (geteilte) „Auffassungen von Wünschens-wertem“ („a conception of the desirable“). Eine weit gefasste, aber den-noch auch verbreitete und viel zitierte Definition von Werten (vgl. Hetze

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2008). Das ist keine Selbstverständlichkeit; gab es doch Ende der sechzi-ger Jahre geschätzte 180 Definitionen für den Terminus „Werte“.

In der Erläuterung und Beschreibung dieser vielen Definitionen werden dann häufig dieselben oder ähnliche Begriffe verwendet. Werte können als erstrebenswerte End- oder Zielzustände aufgefasst werden. Charakteris-tisch ist dabei die Tatsache, dass wir dieses Endziel, diesen Wert, nicht erreichen oder ausfüllen, sondern dauerhaft danach streben. Insofern ge-ben Werte Handlungsorientierung, beeinflussen jedoch nicht direkt das konkrete Verhalten innerhalb einer Situation. Vielmehr haben sie in unter-schiedlichen Situationen und gegenüber unterschiedlichen Personen und Objekten sozialen Orientierungscharakter (vgl. Hetze 2008, S. 5).

Werte können als Kriterien verstanden werden, anhand denen Individuen Handlungen, Personen, Ereignisse, Situationen und sich selbst bewerten. Es handelt sich also um Überzeugungen, die generalisiert und in abstrak-ter Form vorhanden sind. (vgl. Strack et al. 2008)

Werte werden häufig gemeinsam mit dem Begriff (soziale) „Norm“ ge-braucht, welcher in der Soziologie im weitesten Sinne die Erwartungen und Anforderungen einer Gesellschaft an das Individuum in einer be-stimmten Situation kennzeichnet. Dies sind meist konkrete Regeln und Vorschriften zur Anpassung an die jeweilige Situation. Normen sind ge-sellschaftlich und kulturell bedingt, ihre Einhaltung wird häufig durch Sank-tionen – also Belohnung und Bestrafung – kontrolliert und sie unterliegen dem sozialen Wandel.

Wilpert (1989) fasst soziale Normen hingegen als „Regulative für das Ver-halten von wenigstens zwei interagierenden Akteuren“ auf (S. 166). Dabei können die Akteure nicht nur Individuen, sondern auch Gruppen, Organi-sationen oder Institutionen sein. Mit dieser Definition entfernt er sich von der oben beschriebenen Sicht, dass die „Norm“ eine einseitige Erwartung an das Individuum darstellt. Vielmehr handelt es sich laut Wilpert (1989) um ein Konzept der sozialen Interaktion, also der gegenseitigen Bezug-nahme. Normen bestimmen in dieser Interaktion das Verhalten oder Ver-haltensspielräume der beteiligten Akteure. Demnach können den Normen Verhaltenserwartungen zugeordnet werden, die sich wiederum an Wert-vorstellungen orientieren (vgl. Wilpert 1989).

4.1.1.1 Werthaltungen

Im Rahmen der Sozialisation lernen Individuen Normen unter anderem durch Vorbildwirkung, Erklärung, Lob, Tadel und Strafe kennen und entwi-ckeln aufgrund dieses Lernprozesses Werthaltungen. Diese Werthaltun-gen sind individuelle Beurteilungen der Wichtigkeit eines Wertes oder Be-urteilungen darüber, wie wünschenswert der jeweilige Aspekt ist. Bei der Wichtigkeit ist zu differenzieren, ob es sich um Wichtigkeit in Bezug auf einen bestimmten Zweck handelt und wenn ja, um welchen (vgl. Hetze 2008).

„Wenn einer Person beispielsweise die Entlohnung ihrer Arbeitstätigkeit vorrangig wichtig ist, dann kann sie damit bezwecken, sich viel leisten zu

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können, was für eine materialistische Werthaltung spräche, sie kann aber auch stark familienorientiert sein und das Geld für die Versorgung der großen Familie benötigen.“ (Hetze 2008, S. 5)

Hetze (2008) definiert den Begriff Werthaltung für ihre Forschungsarbeit mit der Übersetzung eines Auszuges aus dem Beitrag von Schwartz und Bilsky (1987) im Journal of Personality and Social Psychology:

Werthaltungen sind „(1) Konzepte oder Überzeugungen über (2) wün-schenswerte Endzustände oder Verhaltensweisen, die (3) über spezifi-sche Situationen hinausgehen, (4) Auswahl und Bewertung von Verhalten und Ereignissen leiten und (5) nach ihrer relativen Wichtigkeit geordnet sind.“ (Schwartz & Bilsky 1987; zit. nach Hetze 2008, S. 6)

4.1.1.2 Werte-Modelle

Werte-Modelle befassen sich mit den für Individuen relevanten Werten und Werthaltungen und versuchen, diese übersichtlich und möglichst voll-ständig zu erheben und darzustellen, sie ins Verhältnis zueinander zu set-zen und Aussagen über deren Bedeutung für das Denken und Handeln der Person zu machen. Außerdem lassen einige Werte-Modelle und Wer-te-Systeme auch Rückschlüsse zu: Ist bei Proband X der Wert W1 stark ausgeprägt, ist es naheliegend, dass auch W2 für diesen Probanden sehr wichtig ist bzw. W3 eher weniger bedeutend für den Probanden ist.

Im Folgenden werden zwei Werte-Modelle dargestellt und erläutert. Die bisherigen Ausführungen zu Werten und Werthaltungen machen deutlich, wie groß die Bedeutung und wie hoch der Stellenwert dieser Konzepte ist. Die Werte-Modelle liefern nun Einteilungen und Klassifizierungen, die den Umgang mit Werten und Werthaltungen ermöglichen sollen.

4.1.1.2.1 Wertepyramide nach Rokeach

Die Wertepyramide von Rokeach aus den sechziger Jahren wird auch als Pyramide der Identität aufgefasst. Im Bereich der Werte unterscheidet er Zielwerte als primäre und erstrebenswerte Lebensziele von instrumentel-len Werten, also den Mitteln zum Zweck. Insbesondere die Zielwerte bil-den die Leitlinien für die darunter liegenden Stufen der Pyramide und be-einflussen sowohl die Einstellungsbildung und -veränderung, die Hand-lungsabsichten einer Person, als (zumindest mittelbar) auch das konkrete Verhalten.

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Abb. 20: Wertepyramide nach Rokeach (1968; hier dargestellt nach Strack 2004, S. 175)

Tab. 12 zeigt die 18 Ziel- und die 18 instrumentellen Werte, welche Ro-keach seinen Probanden vorgelegt hatte. Sie sollten diese Werte in eine Rangfolge bringen. Auf diese Weise erhob er die Wichtigkeit der einzelnen Werte aus der Sicht seiner Probanden. (vgl. Strack et al. 2008)

Zielwerte Instrumentelle Werte

Das Gefühl, etwas erreicht zu ha-ben – ein dauerhafter Erfolg

Beherrscht – zurückhaltend, diszip-liniert

Ein angenehmes Leben – ein wohlhabendes Leben

Ehrgeizig – fleißig, strebsam

Ein aufregendes Leben – ein an-regendes, tätiges Leben

Ehrlich – aufrichtig, wahrhaftig

Eine friedliche Welt – ohne Krieg oder Konflikte

Fähig – kompetent, wirkungsvoll

Eine schöne Welt – Schönheit der Natur und Künste

Gehorsam – pflichtbewusst, re-spektvoll

Erlösung – zum ewigen Leben Hilfreich – sich um das Wohlerge-hen anderer kümmern

Freiheit – Unabhängigkeit, Frei-heit der Entscheidung

Höflich – wohlerzogen

Genuss – ein vergnügliches, ge-nussvolles Leben

Intellektuell – intelligent, nachdenk-lich

Gesellschaftliche Anerkennung – Respekt, Bewunderung

Liebevoll – zärtlich, zugetan

Gleichheit – Brüderlichkeit, glei-che Chance für jeden

Logisch – übereinstimmend, ratio-nal

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Glück – Zufriedenheit Munter – leichten Herzens, fröhlich

Innere Harmonie – Eintracht mit sich selbst

Mutig – zu seiner Überzeugung stehen

Reife Liebe – geistig-sexuelle Vertrautheit

Phantasievoll – kühn, schöpferisch

Selbstachtung – Respekt vor sich selbst

Sauber – ordentlich, nett

Sicherheit für die Familie – für seine Lieben sorgen

Tolerant – aufgeschlossen

Staatliche Sicherheit – Sicherheit vor Angriffen

Sicherheit für die Familie – für sei-ne Lieben sorgen

Wahre Freundschaft – enge Ka-meradschaft

Unabhängig – selbstgenügsam, selbstvertrauend

Weisheit – ein tiefes Verständnis des Lebens

Verantwortlich – zuverlässig, ver-lässlich

Tab. 12: Auflistung der erhobenen Zielwerte und der instrumentellen Werte

Wesentliche Kritikpunkte an der Wertepyramide von Rokeach sind

1) die Tatsache, dass es sich bei seiner Erhebung um ordinalskalierte Daten handelt, mit denen keine mehrfaktoriellen und multivariaten Sig-nifikanztests möglich sind, und

2) der Umstand, dass das Repertoire an verfügbaren Werten unvollstän-dig ist (bspw. fehlt der Wert „Gesundheit“). (vgl. hierzu insbes. Strack et al. 2008, S. 94)

4.1.1.2.2 Wertekreis nach Schwartz

Schwartz und Bilsky haben in den achtziger Jahren das Werte-Repertoire von Rokeach auf 54 Werte erweitert und innerhalb verschiedener Kulturen einer multidimensionalen Skalierung unterzogen. So entstand das Modell des Inhaltsraums: Der Wertekreis.

Die in der Darstellung per schwarzem Kästchen markierten Lokalisierun-gen resultieren aus einer multidimensionalen Skalierung der Wichtigkeits-ratings von je ca. 200 Teilnehmern in 36 Stichproben aus 20 Nationen, 13 Sprachen und 8 Religionen, der äußere Kreis und die Segmente sind In-terpretationen von Schwartz (1992).

Strack (2004) erläutert den Wertekreis folgendermaßen: „Werte, die an der Kreisperipherie nahe beieinander liegen, sind einander ähnlich und werden gemeinsam bevorzugt oder gemeinsam abgelehnt. So kann bspw. Macht als Methode der Kontrolle über Unsicherheit verstanden werden; oder Leistung als Freudespender im Sinne von Csikszentmihalyis flow-

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Konstrukt. Die den ,eigenen‘ im Kreis gegenüberliegende Werte werden abgelehnt: Toleranz bedarf der Unsicherheitstoleranz also des Kontroll- und Machtverzichts (…); wer Gleichheit, Harmonie und Gerechtigkeit als Zielwerte erwählt hat, wird Einfluss, Ehrgeiz, Wohlstand in seiner Präfe-renzreihe am niedrigsten setzen; wer nach Einfluss und Wohlstand strebt, wird Gleichheit als Schimpfwort empfinden (‚Gleichmacherei‘).“ (Strack 2004, S. 175 f.)

Abb. 21: Der Wertekreis von Schwartz (1992) als Inhaltsraum für die sozialper-spektivische Wertediagnostik

In jeder Kultur fanden Schwartz und Bilsky zehn Wertetypen und vier übergeordnete Standardtypen. In der folgenden Tabelle werden die vier übergeordneten Standardtypen (li. Spalte), die sich aus zehn Wertetypen (mittlere Spalte) und ihren zugrunde liegenden Zielen (rechte Spalte) zu-sammensetzen, näher erläutert. Die Grundlagen (Grdlg., ebf. rechte Spal-te) sind die den Zielen zugrunde liegenden Bedürfnisse. Kursiv gedruckte Ziele in Klammern werden von weiteren Wertetypen beansprucht.

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Selbstbestimmung

(Self-Direction)

Ziel: unabhängiges Denken und Handeln, Erschaffen und Erforschen. (Selbstrespekt, Intelligenz, Privatheit)

Grdlg.: Organisches Bedürfnis nach Kontrolle und Bestim-mung, Kreativität, Selbstbe-stimmung, Unabhängigkeit, Neugier.

Stimulation Ziel: Aufregung, Abwechs-lung, Neuheit und Herausfor-derung im Leben.

Grdlg.: Organisches Bedürfnis nach Vielfalt und Anregung mit dem Ziel, ein optimales und positives Niveau der Akti-vierung zu erreichen.

„Openness to Change“:

unabhängiges Den-ken und Handeln und die Wahrneh-mung abwechs-lungsreicher Chan-cen

Hedonismus

(Hedonism)

Ziel: Vergnügen und sinnliche Befriedigung/Freude.

Grdlg.: Befriedigung des Be-dürfnisses nach Spaß.

Leistung

(Achievement)

Ziel: Persönlicher Erfolg durch Demonstration von sozialen Standards entsprechender Kompetenz. (Intelligenz, Selbstrespekt, soziale Ach-tung)

Grdlg.: Herstellung und Be-schaffung lebenswichtiger Ressourcen.

„Self-Enhancement“:

Streben nach dem eigenen Erfolg und Dominanz über an-dere Menschen

Macht

(Power)

Ziel: sozialer Status und Pres-tige, Kontrolle und Dominanz über Menschen und Ressour-cen, Autorität, Wohlstand, so-ziale Macht. (Das öffentliche Bild bewahren, soziale Ach-tung)

Grdlg.: Rechtfertigung sozia-ler Stratifikation zur Funktion sozialer Institutionen.

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„Conservation“:

gehorsame Selbst-restriktion, Erhal-tung, Bewahrung der Sicherheit und traditionelles Han-deln

Sicherheit

(Security)

Ziel: Sicherheit, Geborgen-heit, Stabilität der Gesell-schaft und des Selbst (Zuge-hörigkeitsgefühl)

Grdlg.: Sicherung individueller und kollektiver Interessen.

Konformität

(Conformity)

Ziel: Beschränkung von Hand-lungen, die sozialen Normen und Erwartungen widerspre-chen und andere verletzen können. (Loyalität, Übernah-me von Verantwortung)

Grdlg.: Reibungsloses Funkti-onieren der Gesellschaft durch Selbsteinschränkung und Befolgung sozialer Nor-men.

„Conservation“:

gehorsame Selbst-restriktion, Erhal-tung, Bewahrung der Sicherheit und traditionelles Han-deln

Tradition Ziel: Respekt und Akzeptanz sowie Bindung an die Bräu-che und Ideen der eigenen Kultur und Religion. (spirituel-les Leben)

Grdlg.: gesellschaftliche Sta-bilität durch Symbole und So-lidarität und Gemeinsamkeit.

„Self-Transcendence“:

Akzeptanz von an-deren als gleichbe-rechtigte Individuen und das Wohlwollen gegenüber anderen

Benevolenz

(Benevolence)

Ziel: Erreichung und Erhal-tung des Wohlstandes der Ei-gengruppe. Kooperative und unterstützende soziale Bezie-hungen. Anhebung des Wohl-standes von Menschen, mit denen man häufig in Kontakt ist. (Dazugehörigkeitsgefühl, Sinnhaftigkeit des Lebens, spirituelles Leben)

Grdlg.: Einfaches Funktionie-ren der Gruppe, Bedürfnis, sich anzuschließen.

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Universalismus

(Universalism)

Ziel: Gleichheit, Verstehen, Anerkennen, Toleranz und Schutz der Wohlfahrt aller Menschen und der Natur.

Grdlg.: Überlebensbedürfnis des Individuums und der Gruppe.

Tab. 13: Die zehn Wertetypen und ihre motivationalen Ziele nach Schwartz und Bilsky (hier dargestellt nach Iser 2006, S. 53)

Betrachtet man nun die Wertetypen hinsichtlich ihrer motivationalen As-pekte, lassen sie sich wie folgt gruppieren:

„Macht & Leistung: Soziale Überlegenheit und Achtung

Leistung & Hedonismus: selbstzentrierte Befriedigung

Hedonismus & Stimulation: affektive und freudige Erregung, Vergnü-gen

Stimulation & Selbstbestimmung: intrinsisches Interesse an Neuem und an Autonomie

Selbstbestimmung & Universalismus: auf sein eigenes Urteil vertrauen können und mit der Verschiedenheit von Menschen gut umgehen kön-nen.

Universalismus & Benevolenz: Die Sorge um andere und die Verbes-serung von deren Verhältnissen, Hinausgehen über egoistische Inte-ressen.

Benevolenz & Konformität: Stärken von engen Beziehungen durch normatives Verhalten.

Benevolenz & Tradition: Zuwendung und Hingabe zur Eigengruppe.

Konformität & Tradition: Unterordnung unter soziale Erwartungen.

Tradition & Sicherheit: Erhaltung der existierenden sozialen Strukturen, die dem Leben Sicherheit geben.

Konformität & Sicherheit: Schutz der existierenden Ordnung, Harmonie in Beziehungen.

Sicherheit & Macht: Vermeiden und Bewältigen von Bedrohungen, in-dem man Beziehungen und Ressourcen kontrolliert.“ (Iser 2006, S. 60)

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4.1.1.3 Arbeitsbezogene Werthaltungen

4.1.1.3.1 Konzepte arbeitsbezogener Werthaltungen

Nach dieser allgemeinen Begriffsbestimmung von und Auseinanderset-zung mit Werten, Werthaltungen und Werte-Modellen wird nun dem be-triebliche Kontext wieder größere Beachtung geschenkt.

Anna-Maria Hetze (2008) führt in ihrem Beitrag zur Bedeutung von Wert-haltungen in der Arbeitstätigkeit drei zentrale Konzepte arbeitsbezogener Werthaltungen auf:

1) Arbeitszentralität

2) Protestantische Arbeitsethik

3) Arbeitswerte

Die Arbeitszentralität bezieht sich auf die Wichtigkeit der Arbeit im Leben einer Person. Dieser Stellenwert der Arbeit gibt somit auch Auskunft über die Intensität der Arbeitsmotivation einer Person. Unterschieden werden die absolute und die relative Arbeitszentralität. Absolute Arbeitszentralität meint die Frage nach der Wichtigkeit der Arbeit in absoluten Begriffen, re-lative Arbeitszentralität fokussiert die Wichtigkeit der Arbeit im Vergleich zu anderen Lebensbereichen (vgl. Hetze 2008, S. 10f.).

Die protestantische Arbeitsethik beschreibt die positive Sichtweise des Beschäftigten auf seine Arbeitstätigkeit sowie die sorgfältige Ausübung und Wertschätzung dieser. Hetze (2008) erläutert:

„Das Konzept der protestantischen Arbeitsethik geht auf Weber (1930) zu-rück, der die Entwicklung des Kapitalismus auf bestimmte religiöse – spe-ziell protestantische bzw. calvinistische – Überzeugungen zurückführte, die mit der Zeit jedoch auf die Gesamtgesellschaft wirkten.“ (Hetze 2008, S. 11)

Hetze (2008) weist auf die religiöse Interpretation der protestantischen Ar-beitsethik hin, die vier Kernelemente umfasst: (1) die Berufungslehre, nach der Gläubige von Gott berufen sind, um für seine Ehre zu arbeiten, (2) die Prädestinationslehre, nach der sich strebsame, erfolgreiche Gläu-bige als erwählt betrachten können und nach der jede nicht auf Arbeit verwendete Zeit moralisch verwerflich ist. (3) Die Heiligungs- lehre, nach der jedes gläubige Individuum Verantwortung für seine moralischen Ent-scheidungen trägt und die ethischen Konsequenzen jeder Handlung be-trachten sollte. (4) „Die strenge Askese umfasst Sicherheit, Anstrengung, den systematischen Vermögensaufbau und geringe Ausgaben für Ver-gnügungen.“ (vgl. Hetze 2008, S. 12)

Die von Psychologen erhobene protestantische Arbeitsethik ist nicht mit der rein religiösen Interpretation zu verwechseln. Die Psychologie arbeitet also mit einem nicht religiösen Derivat des Konzeptes von Max Weber aus den dreißiger Jahren. In explorativen Faktorenanalysen der Items von

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Fragebögen zur Erhebung der protestantischen Arbeitsethik ließen sich in mehreren Studien „die Faktoren harte Arbeit, Freizeitverzicht, Unabhän-gigkeit und Askese zuverlässig replizieren.“ (Hetze 2008, S. 12)

Hetze (2008) versteht die protestantische Arbeitsethik als „Untersetzung der Arbeitszentralität und damit ebenso als Variable der Intensität der Ar-beitsmotivation“ (ebd. S. 12).

Die Arbeitswerteforschung befasst sich mit der Frage, welche Aspekte der Arbeit für eine Person wichtig sind. „Arbeitswerte“ ist eine verknappte Übersetzung der englischen Formulierung „work values“ und wird im deutschsprachigen Raum synonym den Begriffen „Arbeitsaspektpräferen-zen“, „Arbeitsorientierungen“ und „berufliche Werthaltungen“ gebraucht (vgl. Hetze 2008, S. 12 f.).

Seifert et al. (1983) verstehen unter Arbeitswerten „Ziele oder Qualitäten (…), die der Mensch bei der beruflichen Arbeit für wichtig oder wün-schenswert hält und die er bei der oder durch die Arbeit zu erreichen bzw. zu realisieren versucht“ (Seifert et al. 1983, zit. nach Hetze 2008, S. 13). Arbeitswerte können beispielsweise Aufstiegsmöglichkeiten, gute Entloh-nung oder intellektuelle Anregung sein.

Zusammenfassend formuliert Hetze (2008) prägnant, wie das Konstrukt „arbeitsbezogene Werthaltungen“ verstanden werden kann:

„(…) bezieht sich (…) auf die Wertschätzung der Arbeit an sich im Sinne der Arbeitszent-ralität und der protestantischen Arbeitsethik und auf wichtige Aspekte der Arbeitstätigkeit im Sinne der Arbeitswerte. Arbeitsbezogene Werthaltungen werden hauptsächlich in So-zialisationsprozessen in der Familie, in der schulischen und beruflichen Bildung und wäh-rend der ersten Arbeitsjahre erworben und bleiben dann über die Lebensspanne relativ stabil. Sie sind als Teil der Persönlichkeit zu betrachten und repräsentieren den Rich-tungsaspekt des Motivationskonstruktes. Werthaltungen beeinflussen den Zielinhalt ziel-gerichteter Tätigkeiten, wirken als grobe Richtungsgeber nicht zielgerichteter Tätigkeiten und leiten Entscheidungsprozesse, wenn mehrere Handlungsoptionen bestehen.“ (Hetze 2008, S. 26)

4.1.1.3.2 Wandel der Werte

Wilpert (1989) diskutiert im Zusammenhang mit den arbeitsbezogenen Werthaltungen die seit mehreren Jahrzehnten in der Fach- und For-schungswelt präsente Frage des Wertewandels. Bereits seit den siebziger Jahren wird dieser Frage auf dem empirischen Weg – meist durch Befra-gungen – nachgegangen. (vgl. Wilpert 1989, S. 163)

Uneinig sind sich Soziologen jedoch bezüglich der Richtung, in die sich die Werte „wandeln“. Ronald Inglehart, amerikanischer Politologe, veröf-fentlichte 1977 seine Untersuchungen mit dem Titel The Silent Revolution - Changing Values and Political Styles among Western Politics, in denen der Autor von einem Wandel von den materialistischen Wertorientierungen hin zu den postmaterialistischen Wertorientierungen ausgeht.

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Demnach stellen laut Inglehart nicht mehr Ordnung, ökonomische Stabili-tät und Sicherheit (materialistisch) die wichtigen Orientierungen dar, son-dern die Gesellschaft orientiert sich stärker denn je an Selbstverwirkli-chung, Mitbestimmung, ökologischen Bedürfnissen und einer humanen Gesellschaft.

Grundlegende Annahmen für Ingleharts Ansatz sind die Mangel- und die Sozialisationshypothese. Die Mangelhypothese bezieht sich auf die Be-dürfnispyramide von Abraham H. Maslow (vgl. Abschnitt 3.3.1). Laut die-ser Annahme entsteht bei relativer Befriedigung der grundlegenden (mate-rialistischen) Bedürfnisebenen eine größere Bedeutung und Wichtigkeit der höheren (postmaterialistischen) Bedürfnisebenen. Die Sozialisations-hypothese postuliert ein Entstehen der Wertorientierungen in der Jugend und eine weitgehende Stabilität nach dieser Zeit (vgl. Wilpert 1989). Zu Ingleharts Ausführungen führt Wilpert (1989) unter Bezugnahme auf di-verse Autoren aus: „Ingleharts Thesen werden inzwischen aus methodo-logischen und theoretischen Überlegungen als wenig stichhaltig angese-hen“ (1989, S. 163).

Neben der Kritik an den Auswertungsverfahren, die Inglehart bei den er-hobenen Daten angewandt hatte, beziehen sich weitere Kritiker auf die nicht ohne Weiteres haltbare Sozialisationshypothese (Bleiben in der Ju-gend ausgeprägte Wertorientierungen tatsächlich stabil?), die nicht über Kulturkreise hinweg anwendbare Bedürfnispyramide und das Vorhanden-sein von Mischtypen aus materialistischen und postmaterialistischen Wer-torientierungen.

Elisabeth Noelle-Neumann (1916-2010), Professorin für Kommunikati-onswissenschaften an der Universität Mainz und Gründerin des Instituts für Demoskopie (IfD) in Allensbach, beschreibt gegenüber Ronald Ingle-hart keinen Wandel der Werte, sondern postuliert einen kontinuierlichen Werteverfall seit 1968. Noelle-Neumann nennt u. a. folgende Anzeichen dafür:

Bedeutungsverlust von Kirche und Religion,

tradierte Tugenden wie Höflichkeit, gutes Benehmen, Pünktlichkeit, Ordentlichkeit, Sauberkeit und Sparsamkeit verlieren an Bedeutung,

schwindende Akzeptanz der Beschränkung individueller Freiheiten durch Normen, Hierarchien oder Autoritäten,

Ablösung der bürgerlichen Leistungsethik durch zunehmende Freizeit-orientierung,

der Gemeinschaftssinn und die Bindungsfähigkeit der Gesellschafts-mitglieder nehmen ab. (vgl. Noelle-Neumann 1978; zit. nach Wilpert 1989)

Helmut Klages, deutscher Soziologe und Verwaltungswissenschaftler, lehnt die Thesen des Werteverfalls ab. Er entwickelt ein differenziertes Bild mit dem „Konzept der Wertesynthese“.

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Er konstatiert

eine sukzessive Auflösung der Normbindung sozialen Verhaltens,

einen zunehmenden Verfall von Arbeitsdisziplin und Leistungsbereit-schaft und

einen zunehmenden Verfall der parlamentarischen Demokratie.

Klages stellt mit diesen Punkten und seiner späteren Wertetypologie viel mehr eine Pluralisierung der Werte in verschiedene Richtungen (statt eine „Entwertung“ des Lebensbereiches „Arbeit“ oder einen „Werteverlust“) fest.

Die Wertesynthese meint ein Zusammenwirken von alten und neuen Wer-ten. Wie Wilpert (1989) und Semmer & Udris (2007) feststellen, bestätigt Klages, dass sich die Werte der Menschen von Fügsamkeit, Folgebereit-schaft und reiner Pflichterfüllung weg bewegen – soweit stimmt die Sicht durchaus mit Noelle-Neumann überein. Klages hingegen interessiert sich für die Frage: Wo bewegen sich die Werte hin und welches neue Werte-system (mit alten und neuen Bestandteilen) entsteht? Klages kann dieser Entwicklung durchaus etwas Positives abgewinnen. Er hält diese Entwick-lung für richtig und dem gesellschaftlichen Wandel angemessen. Er sieht durch die Wechselwirkungen aus früheren, materialistisch-tugendhaften Werten und den modernen selbstenfalterischen Werten:

die zunehmende Bereitschaft der Menschen zur Beteiligung am politi-schen Leben,

die zunehmende Bereitschaft Randgruppen zu tolerieren und

die wachsende Bereitschaft zum Verzicht in einer schwierigen Lage. (vgl. Semmer & Udris 2007, Wilpert 1989)

In Helmut Klages Wertetypologie werden insgesamt fünf Wertetypen von-einander unterschieden. Diese teilen sich in zwei Gruppen auf:

1) Pflicht- und Akzeptanzwerte (Orientierungen der Selbstkontrolle) sowie

2) Selbstentfaltungswerte (Befreiung von Zwängen).

Die Pflicht- und Akzeptanzwerte beinhalten die Einhaltung von Regeln, Ordnung und Gesetz, Fleiß, Ehrgeiz und das Streben nach Sicherheit. Diese Gruppe entspricht den alten, tugendhaften Werten. Die Selbstentfal-tungswerte lassen sich erneut in zwei verschiedene Gruppen unterteilen:

1) hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung und

2) idealistische Selbstentfaltung.

Hedonistisch-materialistisch eingestellten Personen ist ein hoher Lebens-standard wichtig. Sie genießen das Leben, haben Macht und Einfluss und wollen ihre Bedürfnisse befriedigen. Idealisten hingegen erkennen andere

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Meinungen an, helfen sozial Benachteiligten, engagieren sich politisch und sind häufig phantasievoll und kreativ.

Wertetypologie

Selbstentfaltungs-werte

Pflicht- und Akzeptanzwerte

hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung

idealistische Selbstentfaltung

Wertetypologie

Selbstentfaltungs-werte

Pflicht- und Akzeptanzwerte

hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung

idealistische Selbstentfaltung

Wertetypologie

Selbstentfaltungs-werte

Pflicht- und Akzeptanzwerte

hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung

idealistische Selbstentfaltung

Wertetypologie

Selbstentfaltungs-werte

Pflicht- und Akzeptanzwerte

hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung

idealistische Selbstentfaltung

Abb. 22: Darstellung der Unterscheidung im Rahmen der Wertetypologie von Helmut Klages

In Tab. 14 werden die fünf nach Klages unterscheidbaren Wertetypen (1 bis 5) nach der Wichtigkeit (hoch/niedrig) für die jeweilige Wertegruppe (A bis C) dargestellt. Die in der Tabelle markierten Typen (Typ 2 + 3) stel-len Sonderformen dar. Die Wertetypen werden im Anschluss an die Tabel-le kurz erläutert.

Pflicht- und Akzeptanzwer-

te (A)

Hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung

(B)

Idealist. Selbstent-faltung (C)

Typ 1: Ordnungs-liebende Konven-tionalisten

hoch niedrig niedrig

Typ 2: Perspektiv-lose Resignierte

niedrig niedrig niedrig

Typ 3: Aktive Rea-listen

hoch hoch hoch

Typ 4: Hedonisti-sche Materialisten

niedrig hoch niedrig

Typ 5: Nonkon-forme Idealisten

niedrig niedrig hoch

Tab. 14: Wichtigkeit der Wertegruppen (A-C) für die Wertetypen (1-5)

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1) Ordnungsliebende Konventionalisten: Das sind anpassungsbereite Pflichtmenschen. Ihre Ziele sind Pflichterfüllung und Akzeptanz. Sie lehnen die reine Selbstentfaltung ab.

2) Perspektivlos Resignierte: Diese Typen haben niedrige Werte in allen Dimensionen. Diese Menschen streben nach nichts mehr. Diese Son-derform, die keiner der drei Wertegruppen zugeordnet werden kann, tritt z. B. häufig bei Langzeitarbeitslosen auf.

3) Aktive Realisten: Auch dieser Typ ist eine Sonderform. Diesem Typ ge-lingt die Wertesynthese aus widersprüchlichen Pflicht- und Akzeptanz-werten einerseits und den Selbstentfaltungswerten andererseits. Er vereint hohe Ausprägungen aller Werte zu einem modernen Wertety-pen (bspw. Disziplin, Lebensgenuss, Erfolgsorientierung, rationale Ei-genaktivität, kommunikative und soziale Kompetenz).

4) Hedonistische Materialisten: Diese Menschen halten nichts von Pflich-ten, wie auch nichts von idealistischer Selbstentfaltung: hedonistisch-materialistische Selbstentfaltung ist wichtig. Materielle Genüsse will dieser Typ erleben, lieber heute als morgen!

5) Nonkonforme Idealisten: Diese Menschen streben nach Selbstentfal-tung aus rein idealistischen Motiven. Sie treten häufig als Menschen auf, die die Welt ein kleines Stück verbessern wollen. Das äußert sich z. B. in ehrenamtlicher Tätigkeit in Hilfseinrichtungen oder Umweltor-ganisationen.

Thomas Gensicke hat im Anschluss an Klages in Erhebungen nachgewie-sen, dass die heutige Jugend eine generelle Neigung zur Wertesynthese hat, also in den Typ 3 einzuordnen ist. (vgl. Klages 1998; Klages, Gensi-cke 1999).

4.1.2 Einstellungen

Einstellungen haben in der Psychologie, insbesondere der Sozialpsycho-logie, eine große Bedeutung. Es gibt umfassende theoretische Ansätze zur Einstellungsbildung, zur Zugänglichkeit von Einstellungen und zur Ein-stellungsänderung. Ursache für dieses große Interesse ist die nicht wider-legte Annahme, dass Einstellungen einer Person in einem engen Verhält-nis zu ihrem Verhalten stehen. Dieses Verhältnis ist ein zentraler Untersu-chungsgegenstand in der Einstellungsforschung. Ebenso interessant und wichtig ist für Sozialpsychologen, die sich der Einstellungsforschung ver-schrieben haben, die Abgrenzung des Einstellungskonzeptes von ähnli-chen Begriffen, auf die hier in einem kurzen Kapitel eingegangen wird. Wilpert (vgl. 1989, S. 178 ff.) gibt einen prägnanten Überblick über die im Rahmen von organisationaler Zusammenarbeit und Organisationsentwick-lungsprozessen bedeutenden Aspekte des Einstellungsbegriffes, daher bietet die inhaltliche Gliederung seiner Ausführungen Orientierung für das hiesige Einstellungskapitel.

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Schon der Begriff der Einstellungen sorgt für Uneinigkeit unter den Fach-autoren. Wilpert (1989) weist auf zahlreiche Definitionsversuche verschie-dener Autoren hin. Ungeachtet dieser vielen Definitionsversuche wird im folgenden Kapitel der Einstellungsbegriff erläutert und beschrieben. Hier aufgeführte Definitionen dienen der Orientierung und der Abgrenzung von ähnlichen Konzepten.

4.1.2.1 Der Einstellungsbegriff

Gasser (2004) definiert Einstellungen als: „(…) psychische Tendenz, ein Objekt (Person, Gegenstand, Verhältnis usw.) mit Zuneigung oder Abneigung zu bewerten.“ (2004, S. 32).

Weiterhin beschreibt er das Einstellungskonstrukt und dessen Bedeutung wie folgt: „Grundsätzlich werden Einstellungen von kognitiven, emotionalen und verhaltensbezoge-nen Erfahrungen aufgebaut und sie wirken sich auch in kognitiven Ansichten, emotiona-len Reaktionen und effektivem Verhalten aus. Einstellungen sind somit Produkt eines dreifachen Einflusses, aber auch Wirkungsmoment in dreifacher Hinsicht.“ (Gasser 2004, S. 32; Hervorh. im Original)

Demnach handelt es sich bei den Einstellungen etwa um Erfahrenes, Er-lebtes, Gedachtes oder Kennengelerntes, was mit einer positiven oder negativen Wertung versehen im Gedächtnis gespeichert wurde und bei Bedarf – also einer ähnlichen Situation, derselben Person oder dem glei-chen Objekt – das Denken, Fühlen und/oder Handeln einer Person in ei-nem gewissen Maße beeinflusst. Brandstätter (2007) teilt diese Auffas-sung und erläutert:

„Die Einstellung als Bereitschaft (Disposition) einer Person verstanden, Gegenstände ihrer Erfahrungswelt in bestimmter Weise aufzufassen, zu bewerten und zu behandeln, wird aus den bisherigen Äußerungs- und Verhaltensweisen einer Person gegenüber den jeweiligen Erfahrungsge-genständen erschlossen.“ [Hervorhebungen/Klammer im Original] (Brand-stätter 2007, S. 280)

Die auch von Brandstätter verwendete Formulierung „Bereitschaft“ ist ein häufig verwendeter Terminus in der Einstellungsdefinition. Dabei bezieht sich das „Bereit sein“ insbesondere auf die Bewertung des jeweiligen Ein-stellungsobjektes. Auf Grundlage dieser Bewertung – also der gebildeten Einstellung – ist die Person bei erneuter Wahrnehmung des Objektes ge-danklich, gefühlsmäßig und teilweise auch verhaltensbezogen vorgeprägt.

Art und Umfang des Zusammenhangs von Einstellung und Verhalten ist – da sind sich diverse Autoren einig – nicht als kausale Ursache-Wirkungs-Beziehung zu verstehen. Es gibt weitere Determinanten, die das Verhält-nis von Einstellung und Verhalten beeinflussen.

Es ließe sich aus Informationen über die Einstellung einer Person auch gewissermaßen ihr Verhalten prognostizieren, jedoch nur wenn darüber hinaus (1) die von der Person „wahrgenommenen sozialen Normen“ be-kannt sind und (2) ein „Eindruck von den eigenen Fähigkeiten“ der Person vorhanden ist, so Brandstätter (2007, S. 280).

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Im Kontext der Organisation (und insbesondere im Bereich der Führung und Weiterbildung von Mitarbeitern) ist die Prognose des Verhaltens von Menschen jedoch nicht das vordergründige Ziel. Vielmehr geht es um die Veränderung von Einstellungen der Mitarbeiter (vgl. Brandstätter 2007, S. 281). Zur Entstehung und Veränderung von Einstellungen werden im Fol-genden grundlegende Konzepte und Ansätze dargestellt.

4.1.2.2 Funktionen von Einstellungen

Sharon Shavitt hat eine (in Anlehnung an die bereits 1960 von Daniel Katz veröffentlichte) Einteilung in vier wesentliche Einstellungsfunktionen vor-genommen:

1) Wissensfunktion: Einstellungen sind Erfahrungen mit einem Einstel-lungsobjekt und einer zu diesem Objekt gehörigen Bewertung. Diese positive oder negative Haltung gegenüber dem Einstellungsobjekt be-fähigt den Menschen zu einer schnellen und meist adäquaten Reaktion auf dieses Objekt. Dieses konstante Wissen erspart dem Organismus Zeit und Energie, die aufgewendet werden müsste, um das Objekt er-neut zu bewerten.

2) Instrumentelle Funktion: Einstellungen erleichtern das Aufsuchen posi-tiver und das Vermeiden negativer Konsequenzen. Ein Beispiel ist die Belohnung der positiven Einstellung zum täglichen Joggen mit Ge-sundheit und Fitness. Diese Funktion wird auch als Anpassungsfunkti-on bezeichnet, da man die Einstellung gegenüber der Situation/dem Objekt so anpasst, dass man die größtmögliche Belohnung erhält. Bspw. hat eine Person X eine positive Einstellung zum Umweltschutz, da eine Freundin dieser Person Aktivistin ist und Person X mit Zunei-gung und Interesse für diese positive Einstellung belohnt wird.

3) Soziale Funktion: Einstellungen können zur Identitätsbildung beitragen. Durch den Ausdruck von Vorstellungen und Überzeugungen definiert eine Person ihr Selbstbild und damit gestaltet und verändert sie auch ihre sozialen Beziehungen und ihre Gruppenzugehörigkeiten. Diese Funktion wird auch als Werteausdruck bezeichnet, der sich häufig in der Wahl der Gruppe äußert, der sich eine Person anschließt bzw. de-ren Werte sie teilt.

4) Aufrechterhaltung des Selbstwertgefühls: Durch die Abgrenzung und Distanzierung von allgemein als negativ gesehenen Einstellungen (wie bspw. Faulheit) kann der Selbstwert ebenso erhöht werden, wie durch die offenkundige Ausrichtung (Parallelisierung) der eigenen Einstellung auf eine allgemein als positiv angesehene Einstellung. Diese Funktion trägt auch den Namen Ich-Verteidigung im Sinne einer Projektion von als nicht wünschenswert empfundenen Attributen auf eine Gruppe und die damit verbundene eigene Entlastung (bspw. „Nicht ich bin faul, die Ausländer sind faul“). (vgl. Gasser 2004, S. 32 f.)

Aufgrund dieser vier Funktionen ist es durchaus plausibel, dass Menschen gezielt Informationen aufsuchen und akzeptieren, welche die eigene Ein-stellung zum jeweiligen Objekt bestätigen. Dieses Vorgehen gewährleistet

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häufig die Vermeidung von Widersprüchen und Dissonanzen. (vgl. Gasser 2004, S. 32)

4.1.2.3 Einstellungskonzept

4.1.2.3.1 Orientierungen

Einen Überblick über das Einstellungskonzept gebend, führt Wilpert (1989, S. 178 ff.), neben den unterschiedlichen Auffassungen zu den Einstellun-gen als psychologischen Forschungsgegenstand und den vielen Definiti-onsversuchen, zwei grundlegende Orientierungen in der Auseinanderset-zung mit diesem Konzept auf:

1) eine behavioristische Orientierung und

2) eine kognitivistische Orientierung.

Die Behavioristen sehen Einstellungen als „Reaktionsweisen (‚responses‘) […], d. h. (…) die meist verbalen Reaktionen auf ein Einstellungsobjekt als eigenständiges Verhalten.“ [Auslassung und Klammer im Original, Auslas-sung in eckiger Klammer vom Verf.] (Eyferth und Kreppner 1968, S. 1342, zit. in: Wilpert 1989, S. 178). Gemäß ihrer Schulrichtung richten Behavio-risten den Fokus auf die Verhaltensebene. Sie verstehen das menschliche Verhalten als eine Reaktion auf Reize aus der Umwelt. Demnach ist die von einer Person gezeigte Reaktion auf ein Einstellungsobjekt – also das konkrete Verhalten – als Einstellung zu verstehen. Somit ist die Einstel-lung beobachtbares Verhalten.

Im Rahmen der kognitivistischen Orientierung werden Einstellungen ver-standen als „erlernte, relativ überdauernde Wahrnehmungsorientierungen und Reaktions- bzw. Handlungsbereitschaften; sie sind verhaltenswirksam und dabei explizit evaluativ, d. h. bewertend auf eine Klasse sozialer As-pekte bezogen (…) In beiden Fällen stehen für die empirische Forschung die (bewertenden) Reaktionen des Individuums gegenüber dem Einstel-lungsobjekt im Blickpunkt, aus dem die sozialen Einstellungen entweder erschlossen oder direkt erfasst werden“ [Auslassung und Klammer im Ori-ginal] (Stapf 1982, S. 78-79, zit. nach Wilpert 1989, S. 178). Diese Orien-tierung fasst die Einstellung als ein hypothetisches Konstrukt auf, welches nicht beobachtbar ist. Laut kognitivistischer Sicht lässt sich die Einstellung vielmehr als intervenierende Variable zwischen Reiz und Reaktion auffas-sen. Reaktionen einer Person auf einen Reiz geben also nur Hinweise auf die Einstellung der Person. Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen, die in der Reaktion zum Ausdruck kommen, dienen als Hinweise oder Indizien für das Vorhandensein einer bestimmten Einstellung.

4.1.2.3.2 Einstellungskomponenten

Wie schon in Abschnitt 4.1.2.1 in den Definitionen deutlich wurde, beste-hen Einstellungen aus drei Komponenten:

1) einer affektiven Komponente: Diese bezieht sich auf die emotionale Haltung gegenüber dem Einstellungsobjekt bzw. die gefühlsmäßige positive oder negative Bewertung dieses Objekts, welche sich bei

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Sympathie in Zuwendung und dem Wunsch nach Nähe und bei Antipa-thie in Misstrauen und Abneigung ausdrücken kann.

2) einer behavioralen (verhaltensbezogenen) Komponente: Das konkrete Verhalten gegenüber dem Einstellungsobjekt. Bei Sympathie könnte ein freundliches und zugewandtes Verhalten gezeigt werden, bei Anti-pathie hingegen Diskriminierung oder Vermeidung des Kontakts.

3) einer kognitiven Komponente: Diese beinhaltet alle Informationen, Meinungen und Argumente über ein Einstellungsobjekt. Es handelt sich hierbei um meist bewusste, verbalisierbare und rationale Objekt-bewertungen. Bei Sympathie für ein Einstellungsobjekt kann die Per-son Gründe angeben, warum sie das Einstellungsobjekt sympathisch findet (z. B.: Person war in früheren Situationen hilfsbereit und freund-lich zu mir).

Neben der Betrachtung dieser drei Aspekte als einzelne Komponenten, also Bestandteile, der Einstellung, kann man bei der Bildung von Einstel-lungen davon ausgehen, dass eine dieser drei Komponenten einen be-deutenderen Einfluss darauf hat. So können Einstellungen, also Bewer-tungen, auch

affektiv basiert,

konativ (verhaltensbezogen) basiert oder

kognitiv basiert

entstehen. Diese Unterscheidung beschreibt die ursächlich vordergründi-ge Komponente, die die Einstellungsbildung begünstigte. So kann eine Bewertung von künstlerischen Werken stark gefühlsmäßig (affektiv) beein-flusst sein. Bei schwacher oder mehrdeutiger Einstellung gegenüber ei-nem Objekt ziehen Personen häufig das eigene, in der Vergangenheit ge-zeigte Verhalten (konativ) als Indiz dafür heran, welche Bewertung des Objektes/der Situation nun vorgenommen werden sollte. Schließlich basie-ren die Einstellungen von Personen häufig auch auf ganz rationalen In-formationen, die diese Person zu dem jeweiligen Einstellungsobjekt zur Verfügung hat (kognitiv). Insbesondere bei wichtigen Entscheidungen ver-suchen Personen viele Informationen zu dem jeweiligen Einstellungsob-jekt zu sammeln, bevor sie eine Entscheidung für oder wider dieses Ob-jekt treffen.

4.1.2.3.3 Explizite und implizite Einstellungen

Die Unterscheidung in explizite und implizite Einstellungen ist insbesonde-re im Rahmen der Messung von Einstellungen relevant. Während explizite Einstellungen als bewusste, erfassbare und erfragbare Bewertungen von Einstellungsobjekten verstanden werden und direkt erhoben werden kön-nen, handelt es sich bei den impliziten Einstellungen um unbewusste und automatische Bewertungen von Objekten, die den Probanden bei der di-rekten Befragung nicht zugänglich sind. Werth & Mayer (2008) beschäfti-gen sich ausführlich mit der Unterscheidung von expliziter und impliziter

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Einstellung und der Bedeutung dieser Unterscheidung für die Messung von Einstellungen. Bedeutend wird die Unterscheidung von expliziter und impliziter Einstellung im Zusammenhang mit Einstellungen gegenüber schwierigen und heiklen Themen, wie zum Beispiel Vorurteilen gegenüber Minderheiten. Kennzeichnend für diese Themen ist die Äußerung einer sozial erwünschten expliziten Einstellung (bspw. in Befragungen), wohin-gegen die implizite (tatsächliche) Einstellung häufig von der expliziten ab-weicht. Werth & Mayer (2008) widmen dem Thema Vorurteile ein ganzes Kapitel, zusammenfassend erläutern sie in einem Exkurs „Explizite und implizite rassistische Einstellungen im Entwicklungsverlauf“ (ebd., S. 208) die Bedeutung dieser Unterscheidung anhand einer Untersuchung:

„Auf automatischer Ebene (IAT) zeigten in einer Studie von Baron und Banaji (2006) bereits Sechsjährige (weiße Amerikaner) eine Pro-Weiß-/Anti-Schwarz-Tendenz. Während sich diese Tendenz auf automatischer Ebene unverändert sowohl bei Zehnjährigen als auch bei Erwachsenen zeigt, gibt es Unterschiede in den explizit geäußerten Einstellungen: Die Sechsjährigen weisen noch eine deutliche Bevorzugung ihrer eigenen Rasse auf, wohingegen dies im Alter von zehn Jahren abnimmt und bei den Erwachsenen gänzlich verschwindet.“

Ein direktes Verfahren zur Erhebung expliziter Einstellungen ist beispiels-weise der Fragebogen bzw. die Befragung von Probanden, indirekte Ver-fahren hingegen eignen sich für das Schließen auf die implizite Einstel-lung, wie zum Beispiel die Messung der Leistung der Probanden in Reak-tionszeitverfahren, physiologische Messungen des Hautwiderstandes, der Pupillenreaktion etc., Verhaltensbeobachtungen oder Lügendetektortests. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 264 f.)

4.1.2.4 Strukturmodell der Einstellung

Auf der Grundlage der vorangegangenen Ausführungen zum Einstel-lungsbegriff und der Konzeptualisierung von Einstellungen wird nun das Strukturmodell dargestellt. Die bereits in Abschnitt 4.1.2.3.2 erläuterten Komponenten von Einstellungen werden später als das Drei-Komponen-ten-Modell der Einstellung verstanden. G. W. Allport (1935) definierte Ein-stellungen wie folgt:

„Eine Einstellung ist ein mentaler und neuraler Bereitschaftszustand, der durch die Erfah-rung strukturiert ist und einen steuernden und/oder dynamischen Einfluss auf die Reakti-on eines Individuums gegenüber allen Objekten und Situationen hat.“ (G. W. Allport 1935; zit. nach Fischer & Wiswede 2009, S. 285)

In dieser Definition sucht man die drei Dimensionen noch vergebens. Die den Einstellungen heutzutage unterstellte Handlungstendenz wird durch die Formulierung „steuernden und/oder dynamischen Einfluss auf die Re-aktion“ angedeutet, die aus dem Bereitschaftszustand der Person resul-tiert. Die „Strukturierung durch die Erfahrung“ der Person weist darauf hin, dass Einstellungen erlernt werden (vgl. Fischer & Wiswede 2009).

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Dieses zeitige Verständnis von Einstellungen wird später durch die Opera-tionalisierung des Begriffes von Rosenberg & Hovland (1960, zit. nach Fi-scher & Wiswede 2009) bestätigt und darüber hinaus zu dem weit verbrei-teten Drei-Komponenten-Modell (dreidimensionales Modell) ausgearbei-tet. Weiterentwicklungen gab es in den achtziger und neunziger Jahren unter anderem von Breckler (1984) und Eagly & Chaiken (1993) (vgl. Hänze 2002, S. 55 ff.). Nach dieser Struktur der Einstellung löst das Einstellungsobjekt eine Bewertung

aus, die aus einer affektiven, einer kognitiven und einer verhaltensbe-zogenen Komponente besteht (vgl.

Abb. 23). Wie oben bereits beschrieben ist die emotional positive oder ne-gative Bewertungskomponente der affektive Teil der Einstellung. Kognitive Anteile sind Meinungen, Gedanken und Informationen, die zu dem Einstel-lungsobjekt be- bzw. entstehen. Verhaltensbezogene Aspekte sind Verhal-tensweisen, die das Einstellungsobjekt betreffen. Es kann eine Zu- oder Abwendung von dem Objekt betreffen oder auch die Art und Weise des Umgangs mit dem Einstellungsobjekt.

Abb. 23: Darstellung der Struktur von Einstellungen nach Rosenberg & Hovland (1960; hier dargestellt nach Fischer & Wiswede 2009, S. 286)

Neben dieser dreidimensionalen Betrachtung der Einstellungen vertreten verschiedene Autoren auch Auffassungen, die Einstellungen als ein- oder zweidimensionales Konstrukt verstehen.

Bei den eindimensionalen Modellen wird von einer Bewertung des Ein-stellungsobjektes ausgegangen, ohne eine Differenzierung dieser Bewer-tung vorzunehmen. Herkner definiert Einstellungen beispielsweise als „Die Einstellung einer Person zu einem Objekt ist ihre (subjektive) Bewertung des Objektes.“ (Herkner 1991, zit. nach Fischer & Wiswede 2009, S. 286). Herkner stellt hier auf den Bewertungsaspekt ab, differenziert diesen je-doch nicht weiter. Meist wird die Bewertungskomponente gegenüber dem Einstellungsobjekt im Rahmen dieser Modelle als Affekt verstanden.

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Als Kompromiss zwischen dreidimensionalen Modellen und der Eindimen-sionalität gelten die zweidimensionalen Modelle, die den Einstellungen eine affektive und eine kognitive Komponente zusprechen. Meinungen, Haltungen und Vorstellungen (kognitiv) und die Bewertung dieser (affektiv) seien, so das Selbstverständnis dieser Modelle, die zentraleren Themen in der sozialpsychologischen Literatur. Der ohnehin schwer erklär- und nachweisbare Bezug zur Verhaltenskomponente wird bei diesen Modellen ausgeblendet bzw. nicht thematisiert. (vgl. Fischer & Wiswede 2009, S. 286)

Fischer & Wiswede (2009) weisen im Zusammenhang mit der Dimensio-nalität des Modells darauf hin, dass die Entscheidung für eines der drei dargestellten Modelle stark vom jeweiligen Forschungsinteresse beein-flusst wird. Eindimensionale Modelle schränken den Geltungsbereich der Aussagen ein, sind dafür aber wesentlich einfacher empirisch zu erheben. Das dreidimensionale Modell beansprucht einen umfassenden Geltungs-bereich, lässt sich jedoch nicht lückenlos empirisch belegen. (vgl. Fischer & Wiswede 2009, S. 286 f.)

4.1.2.5 Entstehung und Änderung von Einstellungen

Woher stammen die Einstellungen einer Person? Antworten, wie: „darüber habe ich lange nachgedacht und mir eine Meinung gebildet“, „die habe ich im Elternhaus erworben“ oder „die waren einfach da“ sind durchaus denk-bar und realistisch. Die Herkunft der Einstellungen lässt sich für die betref-fende Person nicht oder nur selten genau bestimmen. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 212)

Im Folgenden werden in Anlehnung an Werth & Mayer (2008, S. 212 f.) verschiedene Mechanismen aufgeführt, die an der Entstehung und Ände-rung von Einstellungen beteiligt sein können. Diese Mechanismen sind auch als Quellen der Bildung und Änderung von Einstellungen zu verste-hen.

4.1.2.5.1 Genetische Beteiligung

Mit Bezug auf verschiedene Befunde weisen Werth & Mayer (2008, S. 213) auf den Einfluss von Genen/Vererbung auf die Einstellungsbildung hin. Nachvollziehbar ist das bspw. bei dem genetischen Einfluss auf be-stimmte Verhaltensweisen, wie der Bereitschaft zu aggressivem oder pro-sozialem Verhalten. Eineiige Zwillinge weisen eine höhere Korrelation zwischen ihren Einstellungen auf als zweieiige Zwillinge. Dieser Effekt ist auch vorhanden, wenn die Zwillinge zeitig voneinander getrennt wurden und somit eine unterschiedliche Entwicklung und Lerngeschichte durch-lebten. Bei der Wahl von Lebenspartnern und Freunden gleichen sich die Zwillinge insofern, als dass sie unter anderem in Bezug auf die sozialen Einstellungen und die soziodemografischen Faktoren ähnliche Personen auswählen (Rushton & Bons 2005, zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 213).

Weitere Befunde stellen Gemeinsamkeiten bei der Berufswahl und dem Ausmaß ehrenamtlichen Engagements fest. Bei affektiv basierten Einstel-lungen, wie Musik- oder Nahrungspräferenz, tritt eine höhere Überein-

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stimmung auf, als bei kognitiv basierten Einstellungen, wie Einstellungen gegenüber alltäglichen Konsumprodukten. „Einstellungen mit genetischer Beteiligung sind vermehrt kognitiv zugänglich und werden leicht automa-tisch aktiviert. Sie sind entsprechend schwerer für den Betreffenden zu verändern sowie resistenter gegenüber sozialer Beeinflussung.“ (Tesser 1993, zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 214). Daraus leiten Olson et al. (2001, zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 214) eine höhere Vorhersagekraft für das Verhalten ab.

4.1.2.5.2 Lernprozesse

Im täglichen Kontakt mit den Mitmenschen werden ebenfalls Einstellungen erworben und verändert. Werth & Mayer (2008) stellen drei wesentliche Lernprozesse dar, die im Rahmen des Einstellungserwerbs und der Ein-stellungsänderung bedeutsam sind:

das evaluative Konditionieren,

das operante/instrumentelle Konditionieren und

das Modelllernen.

Das evaluative Konditionieren wird als Lernen auf der Basis von Asso-ziationen verstanden. Es meint die Paarung eines neutralen Stimulus mit einem valenten Stimulus, wodurch sich die Valenz (der Wert) des valenten Stimulus auf den neutralen Stimulus überträgt. Eine wiederholte Kombina-tion des neutralen mit einem valenten Reiz führt zu einer Verknüpfung der jeweiligen Valenz mit dem neutralen Reiz.

„Ein Kind, das erlebt, dass ein Elternteil, wann immer es einen Hund sieht, mit versteinerter Miene reagiert, wird eine entsprechende ablehnende Ein-stellung gegenüber Hunden erwerben. Bereits wenn es den Reiz als sol-chen, also den Hund, sieht, wird es zukünftig ablehnend sein (in Assozia-tion der ablehnenden Miene des Elternteils). Zugrunde liegender Prozess ist, dass im Gedächtnis eine Assoziation gebildet wird zwischen Zielreiz (hier: dem Hund) und affektiver Reaktion (hier: Ablehnung).“ (Werth & Ma-yer 2008, S. 214)

Im Gegensatz zum sog. klassischen Konditionieren ist es beim evaluati-ven Konditionieren nicht erforderlich, dass der neutrale Reiz (Hund) Vor-hersagewert für die ablehnende Reaktion des Elternteils hat. Zur Bildung der Einstellung ist es ausreichend, dass er mit der affektiven Reaktion Ab-lehnung assoziiert wird. Des Weiteren ist es für den Erfolg der Konditionie-rung irrelevant, ob der valente Stimulus bewusst oder subliminal (unter-schwellig, unterhalb der Wahrnehmungsschwelle) dargeboten wird (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 215 f.).

Eine Sonderform dieser evaluativen Konditionierung ist der spreading atti-tude-Effekt, den Werth & Mayer (2008) an folgendem Beispiel anschaulich darstellen:

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„Stellen Sie sich vor, Sie hätten zwei Kommilitonen, die Sie schon oft zusammen gese-hen haben und denen Sie neutral gegenüber stehen – d. h., Sie haben weder etwas ge-gen die beiden noch mögen Sie sie besonders. Nehmen wir weiter an, Sie sähen eines Tages einen der beiden im freundschaftlichen Gespräch mit einer dritten Person, die Sie persönlich überhaupt nicht leiden können. Vermutlich werden Sie nun auch die beiden – zuvor neutralen – Kommilitonen negativer bewerten, da Sie sie von nun an mit der abge-lehnten Person assoziieren.“ (Werth & Mayer 2008, S. 216)

Der spreading attitude-Effekt besagt also, dass die Paarung eines Zielrei-zes mit einer nicht gemochten Person, nicht nur die Bewertung der zuvor neutralen Person beeinflusst, sondern sich auch auf Individuen ausbreiten kann, die ebenfalls nur in einer assoziativen Verbindung zum Zielreiz ste-hen, jedoch nicht Gegenstand der Paarung sind. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 217 f.)

Das operante/instrumentelle Konditionieren ist bekannt unter den Na-men ‚Lernen durch Verstärkung‘ oder ‚Lernen durch Belohnung und Be-strafung‘. Dieser Lerntheorie zufolge beeinflussen positive oder negative Reaktionen der Umwelt auf das freiwillig gezeigte Verhalten einer Person ihr zukünftiges Verhalten. Positive Reaktionen oder ‚Belohnungen‘ dienen dabei als Verstärker des Verhaltens und die Person wird dieses Verhalten erneut zeigen. Negative Reaktionen oder ‚Bestrafungen‘ hingegen haben eher zukünftiges Vermeiden zur Folge.

Werth & Mayer (2008, S. 217 f.) führen Einstellungen gegenüber Schule, Klassenkameraden oder Ethnien an, die Kinder durch die Eltern erwerben. Das Kundtun dieser Einstellung des Kindes wird durch das Loben der El-tern begünstigt. Häufiges Resultat sind Kinder, die bereits im Kindergar-tenalter die Einstellungen ihrer Eltern vertreten und dadurch auffallen, dass diese Einstellungen atypisch für junge Kinder sind.

Das Modelllernen gilt als weitere, für den Erwerb von Einstellungen be-deutende Lerntheorie. Albert Bandura entwickelte diese Lerntheorie, in der er das Nachahmen und Aneignen von Verhalten (und Einstellungen) be-schrieb, welches Personen bei Modellen oder Leitbildern sehen. Verstärkt wird das Modelllernen durch die beobachteten Konsequenzen, die der Beobachter (lernende Person) bei seinem Modell in Folge des betreffen-den Verhaltens wahrnimmt. Voraussetzung für diesen Lernprozess ist die weitgehende Identifikation des Lernenden mit dem Modell. Als Modell fun-gieren neben Eltern, Lehrern und Vorgesetzten auch Gleichaltrige (peer group) oder Prominente.

4.1.2.5.3 Selbstwahrnehmung und Bodyfeedback

Bezüglich des Zusammenhangs zwischen Einstellung und Verhalten wird häufig von einer kausalen Beziehung ausgegangen: ‚Ich zeige dieses Verhalten (Wirkung), weil ich jene Einstellung (Ursache) zu dem Objekt X habe‘.

Die Einstellungsforschung zeigt jedoch, dass auch ein umgekehrt kausaler Zusammenhang möglich ist und das Verhalten die Ursache für eine be-stimmte Einstellung ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn bezüglich der

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Einstellung gegenüber einem Objekt (a) Unsicherheit herrscht, (b) die Ein-stellung schwach ausgeprägt oder mehrdeutig ist oder es (c) keine ande-ren Erklärungen für ein Verhalten gibt.

Schlussfolgerungen auf Einstellungen werden durch viele Hinweisreize ermöglicht. Zu den bekanntesten gehören die Schlussfolgerungen auf der Basis der Selbstwahrnehmung unseres Verhaltens, bei denen aufgrund der Beobachtung des eigenen Verhaltens auf die zugrunde liegenden Ein-stellungen und Gefühle geschlossen wird. So kann die Einstellung zum Thema Mülltrennung beispielsweise über das konkrete Mülltrennungsver-halten in den letzten Wochen erfragt werden und dem Probanden wird erst durch das Reflektieren des eigenen Verhaltens deutlich, welche Einstel-lung er diesem Thema gegenüber vertritt. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 220)

Während sich die Selbstwahrnehmung auf die gespeicherten Informatio-nen des gezeigten Verhaltens bezieht, berücksichtigt das Bodyfeedback die körperlichen Zustände in der jeweiligen Situation. Rückmeldungen aus dem Körper an das Gehirn beeinflussen diesem Ansatz zufolge die Infor-mationsverarbeitung und die Stimmung, ohne dass bewusste Schlussfol-gerungsprozesse erfolgen. Diese Rückmeldungen zur Körperhaltung (pos-tural feedback) und zum Gesichtsausdruck (facial feedback) können das Erleben affektiver Reaktionen stärken oder schwächen. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 221)

4.1.2.5.4 Mere exposure - die wiederholte Darbietung

Ein weiterer Mechanismus, der einen Einfluss auf die Bildung und Ände-rung von Einstellungen ausübt, ist der sog. mere exposure-Effekt. Die wiederholte Darbietung eines Reizes bzw. das wiederholte ‚Einem-Reiz-Ausgesetztsein’ bewirkt eine positivere Einstellung gegenüber diesem Reiz. Unerheblich ist hierbei, ob der Reiz bewusst oder unterschwellig dar-geboten wurde oder die Probanden ihn vergessen bzw. nicht gut verarbei-tet haben (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 223). Auch das bloße Nachdenken über ein Einstellungsobjekt, also das gedankliche Ausgesetztsein, kann zu einer Einstellungsänderung führen (sog. mere thought) (Sadler & Tesser 1973; Tesser 1978; zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 224).

Der mere exposure-Effekt verfügt jedoch nur über einen begrenzten Wir-kungskreis:

„Zum einen wirken zu häufige, zu offensichtliche Wiederholungen negativ (umgekehrte U-Funktion; […], Bornstein et al., 1990; Zajonc et al., 1972), zum anderen funktioniert der Effekt nur mit neutralen und positiven Stimuli (Zajonc, 1968). Bei schon vorhandener ne-gativer Haltung gegenüber einem Stimuli verstärkt häufige Darbietung die ablehnende Einstellung eher (Swap, 1977).“ [Auslassung vom Verf.] (Werth & Mayer 2008, S. 224)

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4.1.2.5.5 Konsistenzbestreben

Die Entstehung und Änderung von Einstellungen kann auf dem menschli-chen Streben nach Konsistenz basieren. Menschen empfinden es als po-sitiv und angenehm, wenn sich ihre Einstellungen und die Einstellungs-komponenten in einem spannungsfreien, konsistenten Zustand befinden (vgl. Festinger 1954, zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 225).

Es fühlt sich gut an, eine positive Einstellung zum Umweltschutz zu haben, sich dieser Einstellung bewusst zu sein und bei gutem Wetter das Rad zu nutzen, statt mit dem Auto zu fahren.

Werth & Mayer (2008) verdeutlichen an folgendem Beispiel, wie verschie-dene Einstellungen konsistent oder inkonsistent zueinander sein können:

„Nehmen wir einmal an, eine Person namens Roland mag eine andere Person namens Anna. Beide segeln gern, d. h., sie haben eine positive Einstellung zum Segeln. Für das Konsistenzverhältnis spielen hier eine Rolle: die Einstellung von Person A (Roland) zu Person B (Anna) sowie die jeweiligen Beziehungen der Personen zu dem Einstellungs-gegenstand Segeln. Jede dieser Beziehungen kann entweder positiv oder negativ sein. Multipliziert man diese miteinander und erhält ein positives Produkt (+), so spricht man von einer balancierten Triade. Dies wäre im oben genannten Beispiel der Fall: Die Be-ziehung zwischen Anna und Roland ist positiv (Anna - Roland =+), Roland segelt gerne (Roland - Segeln = +) und Anna segelt ebenfalls gerne (Anna - Segeln = +). Multipliziert man die drei Vorzeichen (+) miteinander, ergibt sich ein positiver Wert. Eine balancierte Triade könnte sich auch anderweitig ergeben, nämlich aus zwei (-) und einem (+). Dies wäre der Fall, wenn beispielsweise Roland gerne segeln würde (+), Anna jedoch nicht (-) und Roland gleichzeitig eine negative Einstellung zu Anna hätte (-).

Ergibt sich ein negatives Produkt (-), so liegt eine unbalancierte Triade vor. Dies wäre der Fall, wenn Anna eine positive Einstellung zu Roland hat, d. h. (Anna - Roland = +), Anna sehr gerne segelt (Anna - Segeln = +), Roland jedoch nicht (Roland - Segeln = -). Multipliziert man hier die Vorzeichen (zwei (+), ein (-)), ergibt sich ein negativer Wert. Un-balancierte Triaden lösen einen unangenehmen Zustand aus, der beispielsweise dadurch gelöst werden kann, dass entweder Roland oder Anna ihre Einstellung zum Segeln ver-ändern oder aber Anna ihre positive Einstellung zu Roland überdenkt - in jedem Fall läge eine Einstellungsveränderung vor (sog. Balance-Theorie von Heider, 1958).“ (Werth & Mayer 2008, S. 225; Hervorh. im Original)

zeigt balancierte und unbalancierte Triaden mit den positiven bzw. negati-ven Einstellungen zu den einzelnen Objekten.

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Abb. 24: Beispiele für eine unbalancierte Triade1 (li.) und zwei unterschiedliche balancierte Triaden2 (Mi. u. rechts). (Werth & Mayer 2008, S. 226)

Als sehr angenehme Konstellation wird empfunden, wenn sich beide Per-sonen mögen und sich hinsichtlich der Bewertung des Objekts einig sind. Aber es gibt auch unbalancierte Beziehungen bzw. Unstimmigkeiten zwi-schen Einstellungen von Personen (interpersonal), aber auch innerhalb des Denkens und Handelns einer Person (intrapersonal). Wenn zwischen Handeln und Kognition einer Person keine Übereinstimmung besteht, er-lebt diese Person einen unangenehmen Zustand, eine Art inneren Konflikt. Dieser Zustand wird als kognitive Dissonanz beschrieben. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 226)

Kognitive Dissonanz entsteht beispielsweise bei Rauchern, die höchst wahrscheinlich wissen, dass das Rauchen gesundheitsschädlich und krebsfördernd ist und dennoch wei-terrauchen. Neben diesen negativen Folgen des Rauchens führen Raucher gern auch die positiven Effekte (Entspannung, Geselligkeit etc.) an und führen Beispiele auf, in denen Raucher 100 Jahre und älter wurden und sich bester Gesundheit erfreuten.

Raucher, die so oder ähnlich handeln, betreiben das, was Sozialpsycholo-gen als Dissonanzreduktion bezeichnen. Die Reduktion des inneren Konflikts ist das Ziel dieser Personen, jedoch passen sie nicht ihr Verhal-ten den Kognitionen an, sondern sie versuchen Kognitionen zu finden, die das Verhalten rechtfertigen (bspw. 100jähriger Raucher bei bester Ge-sundheit).

Kognitive Dissonanz wird jedoch nicht nur von Rauchern erlebt. Werth & Mayer (2008) zeigen in ihrem Exkurs „Selbstversuch zur Dissonanz“ (2008, S. 227; siehe Abb. 25), dass wir häufig Dissonanz erleben. Wenn man den Aussagen auf der linken Seite mit hohen Werten zustimmt und zugleich einen Teil der Aussagen rechts verneinen muss, erlebt man selbst kognitive Dissonanz.

1 Linke Darstellung; negatives Produkt der Beziehungsvorzeichen (symbolisiert durch

das eingekreiste Minuszeichen in der Mitte). 2 Darst. (mi./re.); positive Produkte der Beziehungszeichen (siehe Pluszeichen i. d. Mit-

te).

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Abb. 25: Exkurs „Selbstversuch zur Dissonanz“ (Werth & Mayer 2008, S. 227)

Die Annahme der Dissonanztheorie ist, dass zwei Kognitionen in irrelevanter Beziehung („Ich rauche“ und „Ich mag keine Volksmusik“) oder in relevanter Beziehung („Ich rauche“ und „Rauchen verursacht Lungenkrebs“) stehen können. Dissonanz wird durch Kognitio-nen erzeugt, die in einer relevanten Beziehung zueinander stehen und nicht in Einklang (miteinander vereinbar) sind.

Zur Reduktion der Dissonanz dienen die direkte und die indirekte Strate-gie. Die direkte Strategie verändert auf verschiedenen Wegen die Einstel-lungs-Verhaltens-Diskrepanz. Die indirekte Strategie hingegen versucht lediglich, das aus der Dissonanz resultierende unangenehme Gefühl zu beeinflussen, beispielsweise durch die Erzeugung positiver Gefühle im Zusammenhang mit dem Verhalten.

Die direkte Dissonanzreduktion wird durch verschiedene ‚Maßnahmen‘ in drei unterscheidbaren Kategorien erreicht (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 228):

1) Änderung eines oder mehrerer Elemente der dissonanten Beziehung:

durch Änderung des eigenen Verhaltens (Rauchen unterlassen!),

eine Änderung der Wahrnehmung („Gesundheit ist nicht alles“) oder

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eine Veränderung in der Wahrnehmung des eigenen Verhaltens (Person raucht 2 Schachteln am Tag, lenkt Wahrnehmung aber darauf, dass er nun „gerade die erste Zigarette in dieser Woche raucht“)

2) Hinzufügen neuer, konsonanter Kognitionen:

Hinzufügen (Addition) neuer, konsonanter Kognitionen („Wenn ich rauche, habe ich die besten Ideen“; „Rauchen ist für mich die beste Entspannung“)

Rationalisierung („Ich rauche eigentlich nur, um mein Gewicht zu halten“), dem dissonanten Verhalten wird nachträglich ein rationaler Sinn gegeben

3) Vermindern der Bedeutung/Trivialisierung der dissonanten Elemente bzw. der Inkonsistenz/Diskrepanz:

Subtraktion dissonanter Kognitionen („Zigaretten sind weniger schädlich als Gras“ oder „Andere rauchen doch viel mehr als ich“)

Minimierung der Wichtigkeit des Konflikts („Es macht mir nichts aus, wenn ich früher sterbe – lieber ein kurzes, dafür aber intensives Le-ben“)

Reduzierung der wahrgenommenen Wahlfreiheit („Es wäre unhöf-lich gewesen, die angebotene Zigarette abzulehnen“)

Über eventuelle Maßnahmen hinaus meiden Personen, die Dissonanz er-fahren, alle Situationen und Informationen, welche die Dissonanz vergrö-ßern könnten. Raucher schenken einem Zeitungsartikel über die gesund-heitlichen Folgen des Rauchens weniger Aufmerksamkeit und nehmen die Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen – im Gegensatz zu Nichtrau-chern – kaum wahr. (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 229)

4.1.2.5.6 Persuasion – die Überzeugungsarbeit

Unter Persuasion wird das Bemühen anderer verstanden, die Einstellun-gen einer Person durch den Einsatz gezielter Botschaften zu verändern. Der lateinische Begriff persuadere bedeutet ‚überreden‘. Werden bestimm-te Merkmale von Kommunikator, Botschaft und Rezipienten (Empfänger) berücksichtigt, hat die persuasive Kommunikation und damit auch die auf diesem Weg forcierte Einstellungsänderung Chancen auf Erfolg.

a) Merkmale des Kommunikators

Zunächst werden die Merkmale des Kommunikators betrachtet. Dieser hat einen gewichtigen Einfluss auf die Wirkung der Persuasion. Zu den zent-ralen Aspekten auf der Seite des Kommunikators zählen:

1) Glaubwürdigkeit:

Kommunikatoren, die glaubwürdig erscheinen, sind persuasiver, also überzeugender. Ursache der Glaubwürdigkeit kann die Expertise als

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Experte oder auch nur der Anschein sein, dass die Person weiß, wo-von sie redet. (vgl. Hovland & Weiss 1951; Petty et al. 1997; zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 240)

2) Paraverbale Merkmale (z. B. Sprache, Stimme, Sprechgeschwindig-keit):

Einer Person werden – abhängig von ihrer Stimme – unterschiedliche Eigenschaften und Gefühle zugeschrieben (vgl. Bond et al. 1987; Gre-gory 1990; Scherer 1987, 1988; zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 240). Tiefe Stimmen haben beispielsweise eine souveräne Wirkung. Auch die Sprechgeschwindigkeit einer Person ist relevant für ihre Persuasi-onswirkung: Redner mit hohem Sprechtempo werden als kompetenter, intelligenter und glaubwürdiger beurteilt, als Redner mit einem langsa-men Sprechtempo (vgl. MacLachlan 1979; Mehrabian & Wiener 1967; Miller et al. 1976; Smith & Shaffer 1995; Smith et al. 1975; zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 240).

Die folgende Untersuchung aus Werth & Mayer (2008) zeigt, inwiefern pa-raverbale Anteile der Kommunikation Einfluss auf die (persuasive) Wir-kung der Person haben:

„Auch der Sprachstil einer Person beeinflusst, für wie fähig die Person gehalten wird, bei-spielsweise wie sie als Führungskraft akzeptiert wird und welche Charaktereigenschaften ihr zugeschrieben werden (Wiley & Eskilson, 1985): Nach fingierten Bewerbungsgesprä-chen mit einer potenziellen Führungskraft schätzten die Teilnehmer einer Studie die Be-werber, die sich eines machtvollen, sicheren Sprachstils ohne Zweifeln, Zögern und Flos-keln bedienten, positiver ein im Vergleich zu Bewerbern mit einem unsicheren, machtlo-sen Sprachstil (z. B. ‚Ähm, so in etwa, lassen Sie mich nachdenken …, ich glaube …‘). Für Bewerber mit unsicherem Sprachstil sagten die Teilnehmer künftig weniger Erfolg und Akzeptanz als Führungskraft, nicht jedoch eine geringere Beliebtheit vorher als für die sicheren Mitbewerbern [sic!] und schrieben den unsicher sprechenden im Vergleich zu den sicher sprechenden Bewerbern auch weniger Intelligenz, Verantwortungsgefühl und andere Eigenschaften zu, die eine Führungskraft erfolgreich machen.“ [Hervorh. im Original, Anmerk. v. Verf.] (Werth & Mayer 2008, S. 240 f.)

3) Attraktivität:

Die Ausführungen von Werth & Mayer (2008) verdeutlichen den Aspekt der Attraktivität kurz, stichhaltig und verweisen auf Autoren und Forscher, die diese Aussagen empirisch belegen:

„Attraktive Menschen [überzeugen] ein Publikum leichter als unattraktive (Chaiken, 1979; Hovland & Weiss, 1951), ihnen werden mehr positive Eigenschaften wie Begabung, Ehr-lichkeit oder auch Intelligenz zugeschrieben (Dion et al., 1972; Eagly et al., 1991), und sie haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber weniger attraktiven Personen (Mack & Rainey, 1990; Schuler & Berger, 1979).

Doch nicht nur der Kommunikator selbst wird besser beurteilt und wirkt überzeugender, seine Attraktivität wird auch auf den Gegenstand der Per-suasion (z. B. ein Produkt) übertragen: Kurzaufsätze werden als qualitativ hochwertiger beurteilt, wenn sie einem attraktiven Autor zugeschrieben

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werden als einem durchschnittlich aussehenden oder unattraktiven (Landy & Sigall, 1974). Männer, die eine Werbeanzeige für ein Auto betrachten, schätzen das Auto als schneller, ansprechender, teurer wirkend und bes-ser designt ein, wenn in der Anzeige zusätzlich eine verführerische Frau abgebildet war (Smith & Engel, 1968) - nach dem Motto ‚sex sells‘.“ (Werth & Mayer 2008, S. 241; Einfügung: vom Verf.)

4) Sympathie:

Sympathie (etwa die Zuneigung durch gefühlsmäßige Übereinstimmung) für eine Person oder ein Objekt beeinflusst in erheblichem Maße das menschliche Verhalten, somit ist auch die Sympathie ein wichtiger Aspekt im Rahmen der persuasiven Kommunikation. Ein Sympathieempfinden kann beim Rezipienten durch Attraktivität (des Kommunikators oder des Gegenstandes, siehe 3.) oder durch Ähnlichkeit erzeugt werden.

Ähnlichkeiten, oder ähnliche Ausprägungen desselben Merkmals, verbin-den. Ähnlichkeiten zwischen Kommunikator und Rezipient können bei-spielsweise in Bezug auf demographische Merkmale, Religionszugehörig-keit oder die politische Einstellung bestehen. Aber auch ähnliche Kon-sumgewohnheiten oder Markenpräferenzen (bspw. Zigarettenmarke, Au-tomarke) werden (häufig vom Kommunikator) angesprochen oder aufge-zeigt, um sympathisch auf den Rezipienten zu wirken. Diese Strategie wird häufig im Vertriebsbereich angewandt: Vertriebsmitarbeiter wirken auf potenzielle Kunden ein, indem sie Ähnlichkeiten und Gleichheiten in An-sichten, Meinungen, Einstellungen und Konsumgewohnheiten zur Sprache bringen.

b) Merkmale der Botschaft

Parallel zu den Merkmalen des Kommunikators haben auch Merkmale und Rahmenbedingungen der Botschaft selbst einen Einfluss auf die Per-suasionswirkung:

1) Beeinflussungsabsicht:

Menschen sind Informationen offener gegenüber und lassen sich eher überzeugen, wenn sie nicht davon ausgehen, dass Überzeugung die In-tention des Kommunikators ist.

2) Reihenfolge der Argumente:

Die Reihenfolge der verwendeten Argumente für ein Produkt, eine Dienst-leistung oder ein anderes Einstellungsobjekt wirkt sich ebenfalls auf die Überzeugung des Rezipienten – und somit auf die Wahrscheinlichkeit der Einstellungsänderung – aus. Dieser Aspekt zielt also auf die Redegliede-rung bzw. die Vorbereitung des Kommunikators oder auf die von ihm ver-wendete Strategie ab. Häufiger Diskussionspunkt ist in diesem Zusam-menhang die Frage, an welcher Stelle das wichtigste, zentrale und über-zeugende Argument platziert werden soll. Werth & Mayer (2008) stellen den Nachhaltigkeitsaspekt eines Arguments in den Vordergrund, der auf-grund der Arbeitsweise unseres Gedächtnisses geschlussfolgert werden

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kann. Zwei bekannte Effekte sind der „primacy-effect“ und der „recency-effect“. Diesen Effekten zufolge ist einerseits die erste Information einer Informationskette besonders wichtig, da diese ins Langzeitgedächtnis ü-berführt werden kann ohne durch vorherige Informationen negativ beein-flusst zu werden (primacy-effect). Andererseits kann auch die letzte Infor-mation einer Informationskette von hoher Relevanz sein, da diese nicht durch folgende Informationen in der Verarbeitung behindert wird (recency-effect). Welcher dieser Effekte die stärkere Wirkung auf den Rezipienten hat, hängt von der Relevanz des Einstellungsobjektes und den Erwartun-gen des Rezipienten bezüglich der Reihenfolge der dargebotenen Infor-mationen/Argumente ab (vgl. Werth & Mayer 2008, S. 241 f.).

Diese Effekte werden ganz bewusst in der Werbewirkung genutzt: In Wer-beblöcken der Fernsehanstalten sind jeweils die ersten und letzten Se-kunden die wertvolleren (teurer), als die Platzierung eines Spots im mittle-ren Bereich eines Blocks.

3) Zweiseitigkeit:

Die Zweiseitigkeit bezieht sich auf die Darlegung der Argumente für oder gegen ein Einstellungsobjekt. Es ist also zur Beeinflussung von Personen und die Änderung ihrer Einstellung zu einem Gegenstand oder einer Per-son durchaus wirksam sowohl PRO als auch CONTRA dieses Objektes aufzuzeigen. Natürlich sollten bei dem Ziel, beim Rezipienten eine positive Einstellung zu erzeugen, auch die Argumente für das jeweilige Objekt ü-berwiegen. Dennoch ist es hilfreich auch die Contra-Seite in der Argumen-tation aufzugreifen. In der Kommunikationspsychologie wird dieser Aspekt gern durch die Technik der Einwandvorwegnahme berücksichtigt. Sprich-wörtlich nimmt man der Gegenseite also „den Wind aus den Segeln“, in dem man deren Argumente selbst anspricht und auf diesem Weg sehr glaubwürdig auf den Rezipienten wirkt (im Sinne von: „Ja, diese Sicht hat auch diesen oder jenen Nachteil, dennoch kommt man aufgrund der vielen pos. Argumente zu dem Schluss XY“).

c) Merkmale des Rezipienten

Neben den Merkmalen des Kommunikators und der Botschaft sind auch einige Merkmale des Rezipienten für das Gelingen der Persuasion von Bedeutung. Bei Werth & Mayer (2008) werden insbesondere die folgen-den vier Faktoren aufgeführt:

1) Ablenkung:

Die Ablenkung auf der Seite des Rezipienten ist für den Kommunikator, der durch persuasive Kommunikation auf den Rezipienten einwirkt, durch-aus zuträglich: Abgelenkte Personen sind beeinflussbarer, als Personen, die dem Thema/Gegenstand/Objekt die volle Aufmerksamkeit schenken. Grund dafür ist, dass Ablenkung die tiefe Verarbeitung von Informationen behindert. Auf diesem Weg werden sowohl positive als auch negative kognitive Reaktionen (unterstützende Gedanken und Gegenargumente) unterbunden. Auch wenn sich abgelenkte Personen besser durch persua-sive Kommunikation beeinflussen lassen, stellt sich die Frage nach der

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Stabilität der Einstellungsänderung. Werth & Mayer (2008) verweisen an dieser Stelle auf weitere Autoren, die Forschungsarbeiten zu diesem Thema vorlegten.

2) Intelligenz und Bildungsgrad:

„Menschen mit geringerer Intelligenz neigen dazu, beeinflussbarer zu sein, da sie schlichtweg die Informationen schlechter durchschauen“ (Rhodes & Wood 1992; zit. nach Werth & Mayer 2008, S. 244).

3) Alter:

Jugendliche und junge Erwachsene (etwa von 18-25 Jahren) sind beson-ders empfänglich für Beeinflussungsversuche, da sie sich gerade in der Findungs- und Ausprägungsphase stabiler Einstellungen befinden.

4) Kultureller Hintergrund:

Werth & Mayer (2008) stellen beim kulturellen Hintergrund des Rezipien-ten auf Werbung in Bezug auf Weltkulturen ab (Individualismus in der westlichen Welt, Kollektivismus im asiatischen Raum). Auf das organisa-tionale Setting bezogen, kann das auch eine Kultur des Unternehmens oder des jeweiligen Standortes sein. Noch feingliedriger betrachtet, kann sich dies auch auf die Kommunikationskultur einer Abteilung oder eines Teams beziehen. Besondere Relevanz kommt diesem Rezipientenmerk-mal tatsächlich dann zu, wenn es sich um ein interkulturelles Team oder Unternehmen handelt, indem versucht wird, eine neue oder andere Ein-stellung zu einem Einstellungsgegenstand durch Persuasion zu erzeugen.

4.1.3 Zusammenfassung

Die Konzepte der Werte und Einstellungen bilden eine Grundlage zum Verstehen des menschlichen Verhaltens im betrieblichen Kontext. Die ausführliche Behandlung der Werte-Konzeption dient dem Verständnis und der Sensibilisierung dafür, dass die Ziele menschlichen Verhaltens sehr heterogen seien können.

Plane ich also Veränderungsprozesse in einem organisationalen Kontext, bin ich mir der Tatsache bewusst, dass für den Einzelnen ein individuelles Wertesystem gilt. Dieses muss ich kennenlernen und erkunden, um auf die Einstellungen des Mitarbeiters einzu-wirken. Vergleichbar ist das mit den im Personal- oder Business-Coaching üblichen As-pekten vom IST und SOLL. Die Auseinandersetzung mit den Werthaltungen der Mitarbei-ter entspricht dabei in etwa der Erhebung des IST-Zustandes auf der personellen Ebene. Nachdem der SOLL-Zustand formuliert ist, können dann die relevanten Einstellungen der Mitarbeiter verändert werden. Zur Erreichung dieser Einstellungsänderung wurden im Abschnitt 4.1.2.5 verschiedene Wege aufgezeigt.

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4.2 Arbeitszufriedenheit

Seit den 1950er und 1960er Jahren (USA, in Europa: 1970er) ist das Kon-strukt der Arbeitszufriedenheit ein in der arbeitspsychologischen Fachwelt stark umworbenes Betätigungsfeld. Weinert (1987) spricht von etwa vier- bis fünftausend veröffentlichten Forschungsarbeiten sowie unzähligen, um Überblick bemühten, Zusammenfassungen dieser Arbeiten in den vergan-genen vier Jahrzehnten. Trotz dieser großen Anzahl wissenschaftlicher Arbeiten kritisiert Weinert (1987), dass das Verständnis für Begriff und Zu-sammenhänge der Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit bei der Arbeit in dieser Zeit kaum erweitert wurde.

Weinert (1987) trägt unter Berufung auf eine Vielzahl von Autoren eine Reihe von Gründen zusammen, weshalb das Forschungsinteresse im Be-reich der Arbeitszufriedenheit dennoch so üppig war. Im Verlauf dieser nunmehr etwa 50-jährigen Auseinandersetzung mit dem Forschungsge-genstand hatte der jeweils zum Zeitpunkt der Forschung aktuelle Stand der Organisationstheorien und der jeweilige Blick auf den Menschen als ‚arbeitendes Wesen‘, also das Menschenbild, einen großen Einfluss auf Forschungsfragen, Untersuchungsdesign und Datenauswertung. Im Fol-genden nun eine Übersicht der sechs wesentlichen Gründe für das große Interesse an der Arbeitszufriedenheit nach Weinert (vgl. 1987, S. 286):

1) Die Annahme eines direkten Zusammenhangs zwischen Produktivität und Arbeitszufriedenheit,

2) die Annahme (und der spätere Beleg) eines negativen Zusammen-hangs zwischen Arbeitszufriedenheit einerseits und Fehlzeiten und Kündigungshäufigkeiten andererseits,

3) die Annahme einer Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Or-ganisationsklima,

4) eine wachsende Sensibilität auf Seiten der Organisationsleitung, für die Wichtigkeit der Attitüden und Gefühle ihrer Mitarbeiter gegenüber Arbeit, Führungsstil, Vorgesetzten und der gesamten Organisation,

5) eine zunehmende Bedeutung der Information über Attitüden, Wertvor-stellungen und Ziele der Mitarbeiter für die Personalarbeit, da anzu-nehmen ist, dass unterschiedliche Mitarbeitergruppen verschiedene Zielvorstellungen am Arbeitsplatz haben (z. B. Frauen vs. Männer; Stadtbevölkerung vs. Landbevölkerung; deutsche vs. ausländische Mit-arbeiter),

6) und die zunehmende Gewichtung der Qualität des Arbeitslebens als Teil der Lebensqualität. Die Arbeit stellt die stärkste, zeitlich breiteste und physisch, kognitiv und emotional am meisten fordernde und beein-flussende Einzelaktivität im menschlichen Leben dar. Es kann deshalb angenommen werden, dass die Art der Arbeitszufriedenheit auch an-dere Facetten des menschlichen Lebens in starkem Maße beeinflusst:

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Arbeitszufriedenheit als Einflussgröße für die Lebenszufriedenheit ü-berhaupt. (vgl. Weinert 1987, S. 286)

Diese nunmehr teilweise bestätigten und teilweise widerlegten Annahmen und Faktoren sind bzw. waren in den vergangenen Jahrzehnten laut Wei-nert (1987) wesentliche Treiber oder Ursachen für intensive Theoriebil-dung und Forschung zur Arbeitszufriedenheit. Im Folgenden wird der Beg-riff Arbeitszufriedenheit näher betrachtet.

4.2.1 Definition und begriffliche Diskussion

Lutz von Rosenstiel (2003, S. 422) stellt einleitend in das Kapitel Arbeits-zufriedenheit die Frage, welchem Oberbegriff dieses Konstrukt überhaupt zuzuordnen sei.

In Anlehnung an das organisationspsychologische Werk Organisational structure and climate von R. Payne und D. S. Pugh (1976) nutzen von Ro-senstiel et al. deren als „Facettenanalyse“ bezeichneten Ausführungen zur Unterscheidung von Organisations- und Betriebsklima zur Auseinander-setzung mit der Arbeitszufriedenheit. Sie charakterisieren Arbeitszufrie-denheit danach als Konstrukt mit diesen drei beteiligten Elementen:

die Analyseeinheit Individuum,

das Analyseelement Arbeit und

die Art der Messung Beschreibung/Bewertung. (v. Rosenstiel 2003, S. 422)

Es besteht ein direkter Bezug zum Individuum, welches die zu analysie-rende Einheit ist. Das zu analysierende Element ist im Rahmen der Ar-beitszufriedenheit natürlich die Arbeit selbst. Schließlich interessiert sich die Arbeitszufriedenheitsforschung nur für den Arbeits- bzw. Betriebskon-text, weniger für die privaten Gegebenheiten und Faktoren im Umfeld des Individuums.

Durch Datenerhebungen beschreiben und bewerten die Individuen nun das Analyseelement und lassen Aussagen über Wichtigkeit und Bedeu-tung einzelner Aspekte zu, die einen messbaren Teil der Arbeitszufrieden-heit erklären. Von Rosenstiel (2003) erklärt diese Einteilung mit der Tatsa-che, dass es sich nicht primär um das einzelne Individuum handelt, des-sen Zufriedenheit oder Unzufriedenheit von besonderer Relevanz ist, son-dern vielmehr die Mittelwerte und Streuungen aus „anonymen Massenum-fragen“ (ebd., S. 422) Aussagen darüber zulassen, wie hoch die Arbeits-zufriedenheit in Abteilungen, Standorten oder ganzen Organisationen ist.

Eine allgemeingültige Definition des Begriffes sucht man bei von Rosen-stiel (2003) vorerst vergeblich. Vielmehr ist eine Orientierung je nach An-liegen oder Fragestellung sinnvoll. Daher umreißt von Rosenstiel (2003) das Gebiet der Arbeitszufriedenheit zunächst mit verschiedenen anderen Begriffen, die in der Alltagssprache fälschlicherweise synonym verwendet werden. Allem voran wird das Konzept „Einstellung zur Arbeit“ erläutert,

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welches als eine weit verbreitete Sicht auf die Arbeitszufriedenheit aner-kannt ist.

Einstellung zur Arbeit: In diesem Kontext ist die Arbeitszufriedenheit zu verstehen als direkt zusammenhängend mit der Einstellung zur Ar-beit und den zur Arbeitssituation gehörenden Merkmalen, also eine Wertung der Teilaspekte. Von Rosenstiel betont die in der Psychologie verbreitete Sicht, dass ein Zufriedenheitsbegriff in direktem Zusam-menhang mit der Motivationskonzeption stehen müsse, da sich aus der Bedürfnisbefriedigung eine Zufriedenheit ableiten ließe. Aus dieser Sicht resultiert eine fehlende Stabilität der Arbeitszufriedenheit, welche dann lediglich an die zeitlich begrenzte Bedürfnisbefriedigung gekop-pelt wäre. Durch die Verknüpfung der Arbeitszufriedenheit mit dem Einstellungskonzept bleibt zwar der Bezug zur Motivation gewahrt, je-doch wird ihr dadurch eine größere zeitliche Stabilität zugesprochen.

„Auch wenn man die Arbeitszufriedenheit an das Einstellungskonzept annähert, bleibt der Bezug zur Motivationstheorie gewahrt. Einstellungen stehen im Dienste der Be-dürfnisbefriedigung: Wir haben positive Einstellungen gegenüber solchen Objekten, denen wir eine positive Instrumentalität im Zuge der Bedürfnisbefriedigung zuschrei-ben; wir haben entsprechend negative Einstellungen gegenüber jenen Objekten, de-nen wir eine negative Instrumentalität für die Bedürfnisbefriedigung attribuieren.“ (von Rosenstiel 2003, S. 424; Hervorh. im Original)

Moral (Arbeitsmoral): Arbeitszufriedenheit kann auch stark an die Mo-ral/Arbeitsmoral angelehnt sein, auch wenn dieser Begriff eher in der amerikanischen Literatur zu finden ist. Obwohl es sich bei der Arbeits-zufriedenheit auch hier um einen emotional positiven Zustand der Mit-arbeiter handelt, unterscheidet sich diese Konzeptualisierung in zwei Gesichtspunkten von der vorherigen: Erstens handelt es sich um ein sozialpsychologisches Konzept, welches sich auf Arbeitsgruppen, Teams und Belegschaften bezieht. (Es ist sicher auch vertrauter von Arbeitsmoral in Gruppen oder Abteilungen zu sprechen, als von der Arbeitsmoral des einzelnen Mitarbeiters). Zweitens ist dieses Konzept auch durch einen Leistungsbezug gekennzeichnet, und zwar durch die explizite Ausrichtung auf Ziele der Organisation (oder der Abteilung/ des Teams).

Die Arbeitszufriedenheit im Rahmen der Moral bzw. der Arbeitsmoral kann als „(...) die Übereinstimmung der Arbeitszufriedenheit innerhalb des Betriebes [verstanden werden].“ [Hinzuf. v. Verf.] (von Rosenstiel 2003, S. 425). In diesem Sinne spielen dann tatsächlich häufiger die Mittelwerte und Streuungen eine Rolle und weniger die individuellen Ausprägungen.

Betriebsklima: Dieser in Deutschland sehr verbreitete Begriff eignet sich laut von Rosenstiel (2003) nur bedingt für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Arbeitszufriedenheit, da er recht „schwammig“ (ebd., S. 425) ist. Von Rosenstiel (2003) schlägt daher zur Präzisierung des Betriebsklimas vor, dieses als „(…) Wahrneh-mung und Bewertung von Organisationsgegebenheiten auf der Ebene der Belegschaft (…)“ zu begreifen (ebd., S. 425).

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Identifikation mit der Arbeit: Die Identifikation mit der Arbeit ist laut von Rosenstiel (2003) als Voraussetzung für bestimmte Formen der Arbeitszufriedenheit zu verstehen, darf jedoch nicht mit ihr gleichge-setzt werden. Im amerikanischen Sprachgebrauch entspricht das „job involvement“ am ehesten der Identifikation mit der Arbeit. Diese Identi-fikation ergibt sich inhaltlich aus der Tatsache, dass der Mitarbeiter auf positiv bewertete Bedingungen mit starker Zufriedenheit und anderer-seits auf negative Bedingungen mit starker Unzufriedenheit reagiert. Eine daraus resultierende Verbundenheit zwischen Mitarbeiter und Or-ganisation lässt sich des Weiteren aus der Übereinstimmung der Ziele von Organisation und Individuum erklären. Das Identifikationskonzept bezieht sich im Wesentlichen auf inhaltliche Aspekte der Arbeit, die Ar-beitszufriedenheit lässt sich jedoch nur teilweise mit den Arbeitsinhal-ten erklären – weitere mit dem Arbeitsplatz zusammenhängende Vari-ablen spielen ebenso eine Rolle. (vgl. von Rosenstiel 2003, S. 425)

Diese und weitere Aspekte können als Betrachtungsweisen aufgefasst werden, wie Arbeitszufriedenheit insbesondere in der Praxis verstanden bzw. interpretiert wird.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Arbeitszufriedenheit fordert hingegen ein höheres Maß an Genauigkeit und Trennschärfe, schon bei der Definition und Begriffsklärung.

Locke (1976) definiert Arbeitszufriedenheit als „angenehmen oder positi-ven emotionalen Zustand (...), der sich aus der Bewertung der eigenen Arbeit oder der Arbeitserfahrungen ergibt.“ Diese häufig zitierte Definition aus dem bereits 1976 von E. A. Locke veröffentlichten Beitrag The nature and causes of job satisfaction findet auch in den Ausführungen von Lutz von Rosenstiel (2003) Anklang, insbesondere im Kontext der Einstellung zur Arbeit. Von Rosenstiel (2003) geht davon aus, dass sich „Zufriedenheit aus der Erfüllung unserer Bedürfnisse oder aber aus der Antizipation die-ser Erfüllung [ergibt]; Unzufriedenheit ist entsprechend eine Folge der rea-len oder antizipierten Frustration.“ [Hinzuf. v. Verf.] (ebd., S. 424)

Verschiedene Autoren (neben v. Rosenstiel auch Nerdinger, Six und Kleinbeck) beziehen sich auf Lockes Aussage von 1976, dass es zur Ar-beitszufriedenheit bis zu diesem Zeitpunkt etwa 3.500 Veröffentlichungen gab. Da dieses psychologische Forschungsinteresse nicht nachließ, aber auch keine nennenswerten Fortschritte im Sinne einer einheitlichen Defini-tion oder eines einheitlichen Begriffsverständnisses brachte, wird die Ar-beitszufriedenheitsforschung vielfach als „unendliche Geschichte“ be-schrieben. (von Rosenstiel 2003, S. 426)

4.2.2 Inhaltliche Akzente

Lutz von Rosenstiel (2003) unterscheidet vier inhaltliche Akzente oder Schwerpunkte in der Arbeitszufriedenheitsforschung:

1) physisch-ökonomischer Schwerpunkt,

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2) sozialer Schwerpunkt,

3) selbstverwirklichungsorientierter Schwerpunkt und

4) persönlichkeitsorientierter Schwerpunkt. (ebd., S. 426)

Der physisch-ökonomische Schwerpunkt berücksichtigte insbesondere die äußeren Arbeitsbedingungen und die finanzielle Entlohnung. Mit die-sem Teil der Arbeitszufriedenheit beschäftigte sich bereits Taylor um 1911.

Der soziale Schwerpunkt schenkte den zwischenmenschlichen Bezie-hungen große Aufmerksamkeit und sah in diesen Beziehungen die Grün-de für die Arbeitszufriedenheit. U. a. Elton Mayo und Fritz Jules Roethlis-berger haben um 1930 diese „Human-Relations-Bewegung“ (vgl. Ab-schnitt 2.3) vorangetrieben.

Der selbstverwirklichungsorientierte Schwerpunkt wurde in den Jah-ren um 1950 und 1960 von der humanistischen Psychologie, insbesonde-re von A. Maslow, D. McGregor und F. Herzberg (vgl. Abschnitt 2.7.2), vertreten. Arbeitszufriedenheit wurde in dieser Sicht verstanden als die Möglichkeit des Einzelnen, sich in der Arbeitstätigkeit selbst zu verwirkli-chen.

Der persönlichkeitsorientierte Schwerpunkt ist ein Blick auf die Ar-beitszufriedenheit aus jüngerer Zeit. Persönlichkeits-, Sozial- und Klini-sche Psychologie legen nahe, dass Arbeitszufriedenheit und Optimismus vom Kontext unabhängige Persönlichkeitsmerkmale sind. Diese moderne Betrachtung der Arbeitszufriedenheit wird von E. A. Locke, T. Judge und A. B. Weinert in den vergangenen Jahrzehnten (1990-2000) vorangetrie-ben.

4.2.3 Theoretische Ansätze

Lutz von Rosenstiel (2003) schlägt eine Klassifikation der theoretischen Ansätze und Konzepte vor, die im Rahmen der Arbeitszufriedenheitsfor-schung relevant sind, räumt selbst aber ein, dass jede andere Einteilung der theoretischen Konzepte ebenfalls möglich wäre:

1) bedürfnistheoretische Ansätze,

2) anreiztheoretische Ansätze,

3) gleichgewichtstheoretische Ansätze und

4) humanistische Ansätze. (ebd., S. 427)

Die bedürfnistheoretischen Ansätze gehen von einem homöostatischen und physiologischen Motivationsmodell aus, also einem Modell des inne-ren Gleichgewichts. Wenn dieses innere Gleichgewicht gestört wird, ent-stehen Bedürfnisse, die eine Handlung mit dem Ziel der Bedürfnisbefriedi-gung – und somit der Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts –

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auslösen sollen. Das innere Gleichgewicht ist als Zufriedenheitszustand zu verstehen, eine Störung dessen als Unzufriedenheitszustand. Von Ro-senstiel (2003) stellt bei diesem Konzept die Frage, ob als Ausgangs- bzw. Zielzustand (inneres Gleichgewicht) ein Ideal- oder Normalwert an-genommen wird. Im Rahmen einer Ist- und Soll-Wert-Betrachtung ist es laut diesem Autor relevant, ob der Soll-Wert ein Normal- oder ein Ideal-Zustand ist. Ziel dieses Ansatzes ist im Wesentlichen die Optimierung bzw. Wiederherstellung eines normalen/idealen Zustandes.

Den anreiztheoretischen Ansätzen liegt zumeist eine hedonistische Hal-tung zugrunde. Ziel ist also das Lustgefühl, welches durch die Bedürfnis-befriedigung erreicht wird – je stärker, desto besser. Arbeitszufriedenheits-forschung befasst sich im Rahmen dieser Ansätze mit Merkmalen der Or-ganisation, die für das Individuum einen hohen Anreizwert haben und die somit die Arbeitszufriedenheit besonders stark und andauernd beeinflus-sen. Diese Ansätze beschäftigen sich also mit der Maximierung der Zu-friedenheit und weniger mit der Herstellung des bereits bekannten oder erlebten Optimums (siehe bedürfnistheoretische Ansätze).

Die gleichgewichtstheoretischen Ansätze verstehen sich als kognitives Konzept. Individuen streben danach, „(…) einen mit der wahrgenomme-nen Umwelt übereinstimmenden kognitiven Plan zu entwerfen“ (von Ro-senstiel 2003, S. 427). Dabei ist von einem kognitiven Gleichgewicht aus-zugehen und nicht (wie bei den bedürfnistheoretischen Ansätzen) von ei-nem physiologischen. Ein Ungleichgewicht oder Spannungen entstehen, wenn die Beziehung zwischen wahrgenommener Umwelt und per Kogniti-on entwickelter eigener Rolle nicht übereinstimmen. Diese Spannungen lösen Unzufriedenheit als emotionale Reaktion aus, ein Abbau der Span-nungen hat Zufriedenheit als emotionale Reaktion zur Folge. „Beispiels-weise wäre Zufriedenheit dann gegeben, wenn die wahrgenommenen Be-dingungen des Arbeitsplatzes mit der wahrgenommenen eigenen Rolle der Person optimal übereinstimmen. Anforderungen und Eignung, Leis-tung und Entlohnung etc. sollen einander entsprechen.“ (von Rosenstiel 2003, S. 428)

Die humanistischen Ansätze formulieren als Ziel des menschlichen Handelns die Selbstverwirklichung und das geistige Wachstum. Demnach entsteht Zufriedenheit nicht etwa durch die (Wieder-)Herstellung eines Gleichgewichts oder den Abbau von Spannungen, sondern durch das Su-chen neuer Anforderungen, die neue Erfahrungen und neue Sinnbezüge gewährleisten. Trotz schwieriger Operationalisierbarkeit aufgrund huma-ner Fragestellungen, wie Daseinsbewältigung und Lebenserfüllung, finden diese Ansätze durchaus Interesse in der Arbeitsplatzgestaltung und der Aufbau- und Ablauforganisation.

Lutz von Rosenstiel (2003) unterstreicht die Bedeutung dieser theoreti-schen Hintergründe. Wichtig sei es, zu wissen wie andere Zufriedenheit definieren bzw. theoretisch fundieren. Insbesondere in der Praxis gäbe es große Unterschiede zwischen den Zufriedenheiten der theoretischen An-sätze: Bei bedürfnis- und gleichgewichtstheoretischen Konzeptionen hat Zufriedenheit bspw. eine eher geringe Aktivität zur Folge, bei anreiztheo-

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retischen und humanistischen Ansätzen ist hingegen davon auszugehen, dass Zufriedenheit zu neuen Aktivitäten führt. (ebd., S. 428)

4.2.4 Theorien und Modelle der Arbeitszufriedenheit

4.2.4.1 Konzept der Arbeitszufriedenheit nach Locke (1976)

Locke (1976) beschreibt in seiner Konzeption die Arbeitszufriedenheit als ein Produkt aus der tatsächlichen oder der wahrgenommenen Ist-Soll-Diskrepanz, sowie der vom Individuum zugeschriebenen Bedeutsamkeit des jeweiligen Aspektes.

AZ = f [(Ist-Soll-Diskrepanz) x Bedeutsamkeit]

IST SOLL

Arbeitsaufgaben zeitliche Bedürfnisse

physikalische Bedingungen Stabilität

Bezahlung individuelle Bezugssysteme

Karrierechancen Werte und Normen

Führungsstil der Vorgesetzten

Kolleginnen und Kollegen

Struktur der Organisation

Tab. 15: Ist- und Soll-Aspekte der Arbeitszufriedenheit nach Locke (1976)

Der Ansatz von Locke wurde wiederholt in Feldexperimenten überprüft. Es traten Korrelationen zwischen der Arbeitszufriedenheit und der gemesse-nen Arbeitsleistung, der personellen Fluktuation am Arbeitsplatz, verschie-denen gesundheitlichen Aspekten wie z. B. dem Auftreten psychosomati-scher Störungen sowie den Fehlzeiten am Arbeitsplatz auf.

4.2.4.2 Die Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg

Herzberg beschreibt die Leistungsmotivation innerhalb einer Organisation mit Hilfe der Zweifaktorentheorie, die er auch die „Theorie der Arbeitszu-friedenheit“ nennt. Herzberg unterscheidet Motivatoren und Hygienefakto-ren (vgl. Abschnitt 3.1). Die Motivatoren sind intrinsische Motivatoren (Ex-pansionsbedürfnisse), die Hygienefaktoren sind hingegen extrinsische Mo-tivatoren (Defizitbedürfnisse). (vgl. Herzberg et al. 1959)

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Als Motivatoren werden Aspekte der Arbeitsinhalte (Gefordert-Sein, Ver-antwortung, Aufstiegsmöglichkeiten, Anerkennung des Geleisteten, Über-einstimmung der eigenen Ziele und Interessen mit denen der Organisati-on) aufgefasst. Zu den Hygienefaktoren zählen Aspekte der Arbeitsumwelt (Kolleginnen und Kollegen, Vorgesetzte, Organisationsklima, Rahmenbe-dingungen).

Zentrale Aussage von Herzbergs Theorie ist die Mehrdimensionalität der Zufriedenheit. Der Gegenpol zur „Zufriedenheit“ ist demnach „keine Zu-friedenheit“ und der „Unzufriedenheit“ steht „keine Unzufriedenheit“ ge-genüber. Folgende Darstellung aus der Personalentwicklungspraxis ver-anschaulicht diese Mehrdimensionalität treffend:

Abb. 26: Aspekte der Arbeit und deren Auswirkungen auf die Dimensionen Zu-friedenheit und Unzufriedenheit

4.2.4.3 Facet-Satisfaction Modell nach Lawler

Lawler (1973) bietet ein „Modell der Determinanten der Arbeitszufrieden-heit“ an, welches als bedeutend für die weitere Arbeitszufriedenheitsfor-schung eingeschätzt werden kann (vgl. Weinert 1998). Unter den Deter-minanten der Person wird z. B. verstanden: Fähigkeiten, Fertigkeiten, Er-fahrungen, Bemühung, Alter, Training, Ausbildung, Loyalität und Arbeits-leistungen. Als Arbeitscharakteristika können gelten: Hierarchieebene, Schwierigkeitsgrad der Arbeit, Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Ver-antwortung.

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Lawlers primäres Anliegen bestand darin, die Arbeitszufriedenheit mit vie-len inhaltlichen Aspekten (facets) der individuellen Arbeitstätigkeit zu ver-knüpfen. Zentral ist bei Lawler die Annahme, dass Arbeitszufriedenheit und Arbeitsunzufriedenheit durch einen Soll-Ist-Vergleich der Belohnung (z. B. Einkommen, Beförderung, Anerkennung) im Arbeitskontext beein-flusst werden. Arbeitszufriedenheit resultiert demnach daraus, was als an-gemessene Belohnung der eigenen Arbeitsleistung wahrgenommen wird. Arbeitsunzufriedenheit entsteht, wenn die Belohnung niedriger als erwartet ausfällt. Schuldgefühle entstehen, wenn die Belohnung als zu hoch für die eigene Arbeitsleistung eingeschätzt wird. Aufgrund dieses Dissonanzzu-standes (im Falle einer höheren Belohnung) ordnet Weinert (1998) das Modell von Lawler auch den Dissonanztheorien zu. Bei jeglichem Un-gleichgewicht zwischen der als angemessen erwarteten Belohnung und der tatsächlich erhaltenen Belohnung entsteht demnach Arbeitsunzufrie-denheit. Lawlers Annahmen werden durch einige empirische Befunde ge-stützt (vgl. Weinert 1998).

Die Abb. 27 zeigt Lawlers Modell der Determinanten der Arbeitszufrieden-heit:

Abb. 27: Facet-Satisfaction-Modell von Lawler (1973)

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4.2.4.4 Das Modell von Bruggemann

Das von Bruggemann et al. (1975) entwickelte Modell der Arbeitszufrie-denheit kommt der Forderung nach, neben den Ausprägungen auch die Entstehungsbedingungen der Arbeitszufriedenheit zu berücksichtigen. Dem Modell von Bruggemann et al. zufolge ist bei dem Soll-Ist-Vergleich die Dynamik des eigenen Anspruchsniveaus zu beachten. Aus diesem va-riierenden Anspruchsniveau können unterschiedliche Ausprägungsformen bzw. Qualitäten von Arbeitszufriedenheit resultieren. Nach Bruggemann et al. (1975, S. 132) sind folgende Erlebnisverarbeitungsprozesse an der Genese verschiedener Qualitäten von Arbeitszufriedenheit beteiligt:

1) Befriedigung bzw. Nicht-Befriedigung der Bedürfnisse und Erwartun-gen zu einem gegebenen Zeitpunkt. Zugrunde liegt hier die Annahme, „(…) dass sich situationsspezifische Bedürfnisse und Erwartungen herausbilden, wenn ein Arbeitender erfährt, inwiefern die Merkmale der Arbeitssituation seine allgemein gegebenen Bedürfnisse betreffen. Daraus ergibt sich ein mehr oder weniger bewusster Soll-Wert für kon-krete Befriedigungsmöglichkeiten aus dem Arbeitsverhältnis. Die tat-sächlichen Befriedigungsmöglichkeiten entsprechen dem Ist-Wert. Der abwägende Vergleich zwischen Ist- und Soll-Wert führt zu einem Urteil auf der Skala ‚befriedigend-unbefriedigend‘ bzw. ‚zufrieden- unzufrie-den‘.“ (Bruggemann et al. 1975, S. 132)

2) Erhöhung, Aufrechterhaltung oder Senkung des Anspruchsniveaus als Folge von Befriedigung oder Nicht-Befriedigung;

3) Problemlösung, Problemfixierung, Problemverdrängung im Falle der Nicht-Befriedigung.

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Abb. 28: Formen von Arbeitszufriedenheit als Ergebnisse von Abwägungs- und Erlebnisverarbeitungsprozessen (Bruggemann et al. 1975, S.134 f.)

Laut Bruggemann et al. (1975) führt die Person einen Soll-Ist-Vergleich von Erwartungen und Bedürfnissen und den gegebenen Arbeitsbedingun-gen durch. Bei einem positiven Soll-Ist-Vergleich entsteht stabilisierende Arbeitszufriedenheit.

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Mit der Erfahrung der bisherigen weitgehenden Zielerreichung geht nun eine Erhöhung des Anspruchsniveaus (Soll-Wert im Sinne höher gesteck-ter Ziele/Erwartungen) einher. Aus der Erhöhung des Soll-Werts auf den Arbeitskontext resultiert progressive Arbeitszufriedenheit. Im Falle der Beibehaltung bzw. Erweiterung des Anspruchsniveaus auf andere Le-bensbereiche kommt es zur stabilisierten Arbeitszufriedenheit.

Bei einem ungünstigen Resultat des Soll-Ist-Vergleichs entsteht nach Bruggemann et al. (1975) diffuse Unzufriedenheit. Besteht die Problem-bewältigungsstrategie in der Senkung des Anspruchsniveaus, resultiert daraus resignative Arbeitszufriedenheit. Bei der Beibehaltung des ur-sprünglichen Anspruchsniveaus können je nach Art des Umgangs mit dem Problem drei verschiedene Formen von Arbeitszufriedenheit entstehen: Konstruktive Arbeitsunzufriedenheit entsteht, wenn die Person motiviert ist nach neuen Lösungen zu suchen. Ohne die Umsetzung neuer Lösungs-versuche, resultiert fixierte Arbeitsunzufriedenheit. Eine verzerrte Situati-onswahrnehmung oder die Verdrängung des Problems äußert sich in Pseudo- Arbeitszufriedenheit.

Die unterschiedlichen Ausprägungsformen von Arbeitszufriedenheit wirken ihrerseits durch Veränderungen hinsichtlich der Merkmale der Arbeitssitu-ation und/oder der eigenen Bedürfnisse/Erwartungen auf die Abwägungs- und Verarbeitungsprozesse zurück.

4.2.4.5 Zusammenfassung: Modelle der Arbeitszufriedenheit

Die hier dargestellten Theorien und Modelle zur Arbeitszufriedenheit sind nur als kleiner Ausschnitt einer Vielzahl an Modellen aufzufassen. Viele Konzeptionen aus dem Motivations- und Handlungsbereich (bspw. Mas-low, Herzberg, Vroom) finden sich in Ausarbeitungen zur Arbeitszufrie-denheit wieder.

Darüber hinaus leisten die Modelle von Locke (1976), Lawler (1973) und Bruggemann (1975) wichtige Beiträge für die weitere Auseinandersetzung mit der Arbeitszufriedenheit. Auf die Darstellung der (zu jedem Modell in umfassendem Maße vorhandenen) Kritik wird an dieser Stelle verzichtet. Diese bezog sich meist auf die Operationalisierung und Messung der ge-samten, oder einzelner Teile der Arbeitszufriedenheit.

4.2.5 Messung der Arbeitszufriedenheit

Nach Weinert (2004, S. 257) bezieht sich die Messung der Arbeitszufrie-denheit auf folgende acht Dimensionen:

1) Die Arbeit selbst (Inhalt, Aufgaben, Kontrolle, Interesse, Erfolgsmög-lichkeiten, Variation);

2) Supervision bzw. Führungsstil (human relations);

3) Organisation/Organisationsleitung (Interesse für Mitarbeiter etc.);

4) Beförderungsmöglichkeiten (Basis für Fairness);

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5) Mitarbeiter (Kompetenz, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit);

6) Arbeitsbedingungen (physisch und psychisch);

7) Finanzielle und nicht finanzielle Be- und Entlohnung (Gehalt etc.);

8) Anerkennung (Feedback, verbale Anerkennung für Geleistetes)

Zur Messung dieser Aspekte der Arbeitszufriedenheit kommen verschie-dene Methoden zum Einsatz. Neben mündlichen und schriftlichen Befra-gungen können auch Beobachtungsmethoden oder Produkt-Analysen eingesetzt werden.

Die gängigen Instrumente sind in der Regel schriftliche Fragebögen. Bei diesen lassen sich verschiedene Arten unterscheiden. Im Folgenden wer-den drei bekannte Verfahren dargestellt. Darüber hinaus gibt es weitere Fragebögen und auch andere Methoden, auf deren Darstellung hier zu-gunsten der Übersichtlichkeit verzichtet wird.

4.2.5.1 Skala zur Messung der Arbeitszufriedenheit (SAZ)

Die Skala zur Messung der Arbeitszufriedenheit (SAZ) wurde zu Beginn der 1970er Jahre von Fischer und Lück entwickelt. Sie war eine der ersten Skalen dieser Art im deutschsprachigen Raum und misst vor allem die Zu-friedenheit mit der Tätigkeit selbst. Die SAZ sollte als handlicher, verbaler Test mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten fungieren und dabei folgen-de Anforderungen erfüllen (vgl. Fischer 1993, S. 69):

branchenübergreifender Einsatz,

gruppendiagnostisch verwendbar,

verschiedene konstitutive Aspekte der Arbeitszufriedenheit berücksich-tigen,

Formulierungen der Items sollen realistisch, verständlich und anspre-chend sein.

Zudem sollten in der SAZ alle relevanten Aspekte der Arbeitszufriedenheit berücksichtigt werden (vgl. Fischer 1993, S. 70):

Möglichkeiten zur persönlichen Entwicklung,

Verhältnis zu den Kollegen,

Verhältnis zu den Vorgesetzten,

Aufstiegsmöglichkeit,

Verhaltensweisen des Managements und der Firmenführung,

Bezahlung,

Bedingungen am Arbeitsplatz,

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die Tätigkeit selbst.

Die ausführliche Form des SAZ umfasst 36 Fragen. Eine Kurzform mit le-diglich 8 Fragen, die mit der langen Form hoch korreliert (r=.90), wurde nachträglich entwickelt. Die SAZ ist im Format der Likert-Skalen aufge-baut, also werden zu jeder Frage fünf bis sieben Antwortmöglichkeiten in einer Skala von „sehr gut“ bzw. „richtig“ bis „sehr schlecht“ bzw. „falsch“ gegeben. Anstelle dieser verbalen Formulierungen können auch nicht-verbale Skalen (Thermometer-Skala, Kunin-Gesichter) verwendet werden. Die folgende Abbildung zeigt exemplarisch einige Fragen aus der SAZ (vgl. Neuberger 1974b, S. 98 f.).

Abb. 29: Auszug aus der SAZ von Fischer und Lück (hier dargestellt nach: Neu-berger 1974b, S. 99)

Die Gewichtung der Antwortmöglichkeiten erfolgt folgendermaßen: die po-sitiven Extremwerte werden mit 5 gewichtet, die negativen mit 1. Alle da-zwischen liegenden Antworten werden entsprechend mit 2, 3 oder 4 ge-wichtet (ebd., S. 99).

4.2.5.2 Arbeits-Beschreibungs-Bogen (ABB)

Neuberger (1974b) entwickelte den Arbeitsbeschreibungs-Bogen (ABB) mit 79 Items, welche eine Bewertung der folgenden sieben Aspekte der Arbeitssituation ermöglicht:

meine Kollegen,

mein Vorgesetzter,

meine Tätigkeit,

meine Arbeitsbedingungen,

Organisation und Leitung,

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meine Entwicklung und

meine Bezahlung

Hinzu kommt noch die Bewertungsmöglichkeit der „Arbeitszeit“, der „Si-cherheit des Arbeitsplatzes“ und der „Allgemeinen Lebenszufriedenheit“. Neuberger (1974b) orientierte sich dabei stark an dem Job Descriptive In-dex (JDI) von Smith et al., erweiterte diesen aber um zwei Dimensionen der Arbeitszufriedenheit und verwendete eine andere Skalierung (vgl. Fi-scher 1993, S. 68).

Die einzelnen Facetten der Arbeitszufriedenheit sind unabhängig vonein-ander, so kann bspw. ein Mitarbeiter mit seinen Vorgesetzten zufrieden sein, aber unzufrieden mit seinen Kollegen oder seiner Bezahlung.

Der ABB ist folgendermaßen aufgebaut: Die jeweiligen Aspekte bilden Subskalen mit je 7-13 Attributen; anhand dieser soll der Befragte eine Be-wertung vornehmen (siehe Abb. 30). Zusätzlich kommt die Kunin-Ge-sichterskala zum Einsatz, um die Gesamtzufriedenheit innerhalb der Sub-skala zu erheben.

Abb. 30: Auszug aus dem ABB: Subskala „Bezahlung“ (Neuberger 1976; hier dargestellt nach Fischer 1993, S. 69)

4.2.5.3 Das Porter-Instrument

Nach Porter entsteht Arbeitszufriedenheit durch die Differenz zwischen der als „angemessen wahrgenommenen Belohnung“ und der „tatsächlich erhaltenen Belohnung“. Er entwickelte auf der Grundlage der Bedürfnis-theorie von Maslow einen Fragebogen mit 15 Items. Zu den Bedürfnissen von Maslow fügt Porter das Autonomiebedürfnis hinzu und verzichtet auf das physiologische Bedürfnis (Weinert 2004, S. 257).

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Pro Item werden folgende drei Fragen gestellt:

1. Wieviel dieses Merkmals ist gegenwärtig in Ihrer Stellung vorhanden?

2. Wieviel dieses Merkmals sollte in Ihrer Stellung vorhanden sein?

3. Wie wichtig ist dieses Merkmal für Sie? (vgl. Weinert 2004, S. 257 f.)

Abb. 31: Beispiel für das Porter-Instrument (Weinert 2004, S. 258 f.)

Die Arbeitszufriedenheit ergibt sich aus den summierten und gewichteten Differenzen zwischen tatsächlichen und erwarteten Charakteristika (also: b – a). Je größer die Differenz, desto unzufriedener ist der Befragte. Somit ergibt sich theoretisch eine maximaler Differenzwert von 6. Problematisch am Fragebogen von Porter ist die Interpretation der Differenzwerte. „Was wird wirklich durch das Diskrepanzmaß gemessen?“ hinterfragt Fischer (1993, S. 66) kritisch.

4.2.6 Korrelate der Arbeitszufriedenheit

4.2.6.1 Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung

Trotz der immer wieder formulierten Hypothese eines Zusammenhangs zwischen Arbeitszufriedenheit und Leistung, lässt sich dieser nicht oder nicht im erhofften Ausmaß bestätigen.

Bruggemann et al. (1975) führen als mögliche Erklärung an, dass sich ei-ne höhere Arbeitszufriedenheit möglicherweise in Maslows Bedürfnispy-ramide auf der Ebene der sozialen Kontakte zu äußern vermag, wodurch

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das Ausbleiben einer Leistungssteigerung durchaus erklärt wäre. Ande-rerseits ließe sich eine Leistungssteigerung sehr wohl dann auf demsel-ben Weg herleiten, wenn durch die Steigerung des Anspruchsniveaus Be-dürfnisse nach Anerkennung und Selbstaktualisierung entstehen und im Zusammenhang mit der Arbeit Möglichkeiten zur Befriedigung gesehen werden. (vgl. Bruggemann et al. 1975, S. 137)

Die direkte Beziehung zwischen Arbeitszufriedenheit und Arbeitsleistung scheint eine „illusionäre Korrelation“ zu sein. Logisch-intuitiv müsste ein Zusammenhang bestehen, jedoch lässt sich dieser mit einer Korrelation von maximal r=.30 (häufig niedriger) nicht nachweisen. (vgl. Bruggemann et al. 1975)

Geschmälert wird dieser Zusammenhang möglicherweise durch besonde-re Arbeitsbedingungen (z. B. streng reglementierte Arbeit von Hilfsarbei-tern hängt weniger von deren Zufriedenheit ab, als Tätigkeit von Angestell-ten, die mehr Autonomie und Eigenverantwortung erlaubt). Die Zufrieden-heit des einzelnen Mitarbeiters korreliert zwar niedrig mit seiner Leistung, aber die Gesamtzufriedenheit eines Betriebes und die Betriebsleistung korrelieren dagegen relativ hoch. Diskutiert werden kann an dieser Stelle jedoch, ob nicht eher die hohe Leistung zu Stolz, Selbstvertrauen, höhe-rem Selbstwert und damit auch zu höherer Arbeitszufriedenheit führt. (vgl. Bruggemann et al. 1975)

4.2.6.2 Arbeitszufriedenheit und Absentismus

Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und dem Fernbleiben vom Arbeitsplatz korreliert mit r=.00 bis .40. Gründe für den fehlenden Zu-sammenhang können die teilweise wenig sinnvollen Indikatoren für Ab-sentismus sein, welche nicht im geringsten einen Zusammenhang mit der Arbeitszufriedenheit aufweisen (z. B. Fehlen aufgrund Unfällen oder aus sozialen Gründen). Ein Mangel an Reliabilität wird sowohl dem Maß für Arbeitszufriedenheit als auch dem Maß für Absentismus zugeschrieben, außerdem weisen alle Zusammenhänge eine sehr große Streuung auf. (vgl. Bruggemann et al. 1975)

4.2.6.3 Arbeitszufriedenheit und Fluktuation

Der Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit und Fluktuation ist mit r=.25 ebenso verschwindend gering. Schwer erfassbar wird ein Zusam-menhang aufgrund der unterschiedlichen Gründe für Fluktuation und Vari-abilität zwischen den Branchen.

Neben einer Differenzierung der Fluktuation nach freiwillig vs. unfreiwillig, funktional vs. dysfunktional (Wechsel in höhere Position vs. Ausscheiden aus der Firma) bzw. unvermeidbar vs. kontrollierbar, ist auch die Suche nach einem Merkmal sinnvoll, welches die Fluktuation stärker aufklärt, als die Arbeitszufriedenheit. Vorgeschlagen wird hier unter anderem das Commitment. (vgl. Bruggemann et al. 1975)

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4.3 Organisationales Commitment

Commitment ist als Begriff aus dem Werbe- und Konsumentenbereich be-kannt. Commitment bedeutete in diesem Zusammenhang, sich als Kon-sument zu einem Produkt oder einer Marke gehörend zu bekennen. Auch zwischenmenschlich geben wir ein Commitment bspw. durch das öffentli-che Zeigen des Beziehungspartners – in diesem Fall ein sehr öffentliches Commitment. Selbst das Eingehen einer zwischenmenschlichen Bezie-hung ist ein Commitment, allerdings nur dem Anderen gegenüber.

Das Commitment wird im arbeits- und organisationspsychologischen Kon-text verwendet, um das Ausmaß zu beschreiben, in dem sich ein Mitarbei-ter mit seiner Organisation verbunden fühlt. Mitarbeiter, die einen hohen Grad an Commitment ausdrücken, sind gern in dem Unternehmen be-schäftigt und möchten sich für das Unternehmen anstrengen und engagie-ren, also einen aktiven Beitrag dazu leisten und nicht nur aus einer passi-ven Haltung heraus von der Organisation profitieren.

Das Commitment lässt Aussagen über die Loyalität des Mitarbeiters dem Unternehmen gegenüber zu. Dabei ist das Commitment als fortlaufender Prozess zu verstehen, der Grad des Commitment kann sich im Laufe der Zeit ändern.

4.3.1 Einführung und Definition

Das Organisationale Commitment beschreibt, inwiefern sich ein Mitar-beiter zu seiner Organisation zugehörig und mit ihr verbunden fühlt. Somit versucht das Commitment-Konzept gegenüber dem Arbeitszufriedenheits-Konzept eher die emotionale Bindung der Mitarbeiter abzubilden.

Wie Ofenloch & Madukanya (2007) mit Verweis auf Meifert (2005) aufzei-gen, ist die Commitment-Forschung in den vergangenen 20 bis 30 Jahren sehr stark im anglo-amerikanischen Raum gewachsen. Der mitteleuropäi-schen Organisationspsychologie mangelt es noch bis heute an umfassen-den und aussagekräftigen empirischen Studien. Da man nicht davon aus-gehen kann, dass sich die anglo-amerikanischen Ergebnisse aus der For-schung direkt in den hiesigen Kulturraum übertragen lassen, sind die Eu-ropäer noch etwas von einem eigenständigen Commitment-Konstrukt ent-fernt, obwohl kleinere Untersuchungen die in diesem Kapitel formulierten Auffassungen bestätigten.

4.3.2 Organisationale Identifikation

Neben dem Commitment nimmt der spezifische Identifikationsaspekt eine wichtige Rolle ein. Ein dem Commitment ähnlicher, jedoch nicht synonym zu gebrauchender Begriff ist die „Identifikation“ mit dem Unternehmen. Die Schnittmengen und Unterschiede zwischen Identifikation und Commitment werden von unterschiedlichen Autoren auf sehr differenzierte Art und Wei-se beleuchtet. Dieser psychologischen Konstrukt-Debatte soll sich an die-ser Stelle nicht angeschlossen werden. Im Folgenden wird die organisa-

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tionale Identifikation in der Form dargestellt, dass sie im Konsens mit den wichtigsten Konzeptualisierungen namhafter Autoren steht.

Die organisationale Identifikation bezeichnet die ganzheitliche Bindung an die Organisation. Dazu gehört, dass die Mitarbeiter:

1) wissen, dass sie Mitglied einer bestimmten Organisation sind,

2) mit diesem Wissen auch Gefühle verbinden (bspw. Stolz, Freude) und

3) sich dementsprechend auch wie Mitglieder verhalten, also die Organi-sation nach außen verteidigen.

Die organisationale Identifikation kann auf verschiedene Ziele ausgerichtet sein, bspw. auf den Beruf, die Organisation, die Arbeitsgruppe, Personen, aber auch Kontexte, in denen die persönliche oder aber die soziale Identi-tät im Vordergrund steht.

Zur Beschreibung des Identifikationsprozesses mit Organisationen bezie-hen sich Autoren, wie bspw. Riketta in seiner meta analysis der organisa-tionalen Identifikation, veröffentlicht im Journal of Vocational Behaviour im Jahr 2005, meist auf die in den Sozialwissenschaften schon etablierten Identitätsansätze für Persönlichkeiten, wie der Social Identity Theory (SIT) von Tajfel (1982) bzw. Tajfel & Turner aus den späten 1970er Jahren (vgl. Abschnitt 5.3.4). Diese Theorie geht davon aus, dass Personen nicht nur eine personale Identität besitzen, sondern parallel dazu eine soziale Iden-tität entwickeln. Diese soziale Identität beinhaltet dann quasi alle Eigen-schaften und Haltungen, welche für die Mitgliedschaft in der jeweiligen Gruppe notwendig sind. Tajfel befasst sich dann insbesondere mit der so-zialen Identität, weniger mit der personalen. Diese soziale Identität ist ein Teil des Selbstkonzepts einer Person und wird stark von dem emotionalen Wert beeinflusst, welchen die Person dieser Gruppenzugehörigkeit bei-misst.

Frühere Überlegungen bzw. den Grundstein für die Auseinandersetzung mit dem Identifikations-Konstrukt legte bereits Sigmund Freud 1922, als er sich mit der personenorientierten Identifikation beschäftigte. Nach Freud ist die Identifikation etwa zu verstehen als emotionale Verbindung mit ei-ner anderen Person. Böhm (2008) betont in seinem Überblick über die ‚Meilensteine‘ der Auseinandersetzung und Forschung auf dem Gebiet des organisationalen Commitments und der Identifikation, dass die zeiti-gen Freud’schen Überlegungen keinesfalls auf Organisationen oder Grup-pen bezogen waren, sondern einzig und allein auf Bindungen oder Bezie-hungen zu einzelnen, anderen Personen.

Erste gezielte Arbeiten in Bezug auf die organisationale Identifikation da-tiert Böhm (2008, S. 30) auf Footes Bemühungen mit seiner Identification as the basis for a theory of motivation in den 1950er Jahren und Browns Identification and some conditions of organizational commitment Ende der 1960er Jahre.

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Folgen wir den einschlägigen Autoren (vgl. Tajfel 1978, Tajfel & Turner 1979, van Dick 2004; Überblick bei Böhm 2008), dann müssen wir beim Identifikationskonstrukt mehrere Dimensionen voneinander unterscheiden. Die Dimensionen stellen nicht zwingend eine Reihenfolge oder einen Denk- oder Handlungsablauf dar. Es kann auch sein, dass nur eine oder zwei Dimensionen sichtbar sind.

Dimensionen organisationaler Identifikation

Bei der organisationalen Identifikation lassen sich vier Dimensionen unter-scheiden. Die erste Dimension ist der kognitive Anteil des Identifikations-prozesses, welcher zwingend an erster Stelle stehen muss, da die Wahr-nehmung zu einer Gruppe/Organisation zu gehören, gegeben sein muss.

1) Kognitive Dimension

Wahrnehmung bzw. Feststellung einer Person, dass sie Mitglied einer be-stimmten Organisation ist (Selbstkategorisierung), erforderliche Voraus-setzung für die kommenden Dimensionen; ist abhängig vom sozialen Kon-text (Bsp.: Organisation wird mit anderer Organisationen verglichen)

2) Evaluative Dimension

Es erfolgt eine Bewertung der Organisation; Grundlage für diese Bewer-tung sind die Attribute, die der Gruppe von außen zugeschrieben werden. Diese Dimension hat demnach auch kognitive Anteile, aber zur Bewertung der Gruppe/Organisation ist auch ein affektiver Teil notwendig.

3) Affektive Dimension

Nach der kognitiven Selbstkategorisierung und parallel zur evaluativen Dimension erfolgt die affektive, also emotionale Bewertung der Gruppen-mitgliedschaft. Die Person kann auf der Grundlage der Bedeutung und der emotionalen Bindung ein Gefühl dafür entwickeln, wie wichtig oder berei-chernd diese Organisation oder Gruppe für sie ist, jedoch ohne ihr einen primären Nutzwert zuzuschreiben, sondern eine emotionale Bewertung. In diesem Zusammenhang spielen Stolz, Respekt, Enthusiasmus oder ein Gefühl der Zugehörigkeit eine große Rolle.

Bis zu dieser dritten Dimension herrscht weitgehend Konsens in der Fach-literatur. Van Dick (2004) fügt diesen drei Dimensionen noch eine vierte hinzu, nämlich die konative, also die verhaltensbezogene Dimension.

4) Konative Dimension

Diese Dimension beschreibt, dass man bzw. wie sehr man sich auch im Verhalten für die Werte und Ziele der Gruppe einsetzt, möglicherweise sogar sein Verhalten anpasst. Dann würde die Person ihrer personalen Identität im Sinne der Theorie der sozialen Identität nach Tajfel (vgl. Ab-schnitt 5.3.4) eine geringere Bedeutung beimessen, als der sozialen Iden-tität.

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Diese Erweiterung ist plausibel und nachvollziehbar. Die bisherigen Di-mensionen berücksichtigen die intrapersonale Komponente, also das Denken und Fühlen der Person selbst. Van Dick (2004) schafft mit dieser vierten Dimension die Möglichkeit, gemäß dieser Gedanken und Gefühle zu handeln. Dieser interpersonale Aspekt ist dann für die Gruppe oder Or-ganisation wahrnehmbar, das Handeln der Person als Effekt für die Orga-nisation nach einem erfolgten Identifikationsprozess sichtbar.

4.3.3 Das Commitment-Konstrukt

4.3.3.1 Das moderne Drei-Komponenten-Modell

Das organisationale Commitment beschreibt, inwieweit sich Menschen ihrer Organisation zugehörig fühlen. Es besteht nach Meyer & Allen (1991) aus drei verschiedenen Komponenten:

dem affektiven Commitment: Das bezieht sich auf die emotionale Bin-dung des Mitarbeiters an das Unternehmen (er bleibt, weil er möchte).

dem normativen Commitment: Der Mitarbeiter fühlt eine moralisch-ethische Verpflichtung, im Unternehmen zu verbleiben (er bleibt, weil er sollte).

dem fortsetzungsbezogenen (kalkulativen) Commitment: Das bezieht sich auf die Kalkulation des Mitarbeiters, welche Kosten bei einem Ver-lassen des Unternehmens entstehen würden (er bleibt, weil er muss).

Das Commitment ist in erster Linie als affektive, gefühlsmäßige Einstel-lung gegenüber der Organisation zu sehen. Es lässt sich als relativ über-dauernder, graduell sinkender oder steigender Zustand verstehen. Nicht außer Acht gelassen werden sollte die Tatsache, dass es sich bei der drit-ten Komponente/Dimension (fortsetzungsbezogenes Commitment) um ei-nen sehr kognitiven Aspekt handelt.

Meyer & Allen (1991) haben in ihrer Konzeption lediglich bestehende Auf-fassungen des Commitment-Begriffs zusammengeführt und damit ein Drei-Komponenten-Modell geschaffen. Grundlage für dieses Zusammen-führen waren eindimensionale Konzeptionen, die im Folgenden kurz dar-gestellt werden.

4.3.3.2 Ein-Komponenten-Modelle als Vorläufer

Vorherige bzw. auch heute noch koexistierende, eindimensionale Modelle beleuchteten jeweils nur eine der drei oben aufgeführten Dimensionen, was dazu führte, dass der Begriff Commitment nicht vollständig durch die jeweilige Konzeption erklärt wurde oder dass es in der empirischen Praxis Phänomene (bspw. Verhaltensweisen oder Gedanken der Probanden) gab, die mithilfe des eindimensionalen Modells und der dadurch ‚begrenz-ten‘ Tragweite oder Bedeutung des Commitment nicht ausreichend aufge-klärt werden konnten.

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4.3.3.2.1 Affektive Komponente

Häufig wurde in der Literatur an dem Ansatz festgehalten, dass es sich beim Commitment ausschließlich um die affektive, emotionale Bindung an die Organisation handele. Nach Mowday et al. (1979) sind (dieser be-grifflichen Auffassung zufolge) diese drei Aspekte charakteristisch für die-se Form des Commitment:

(1) ein starker Glaube des Mitarbeiters an die Organisation, sowie die Ak-zeptanz deren Ziele und Werte,

(2) die Bereitschaft, sich für die Organisation einzusetzen und

(3) das ausgeprägte Bedürfnis des Mitarbeiters, in der Organisation zu verbleiben.

Affektives Commitment ist nach dieser Ansicht also weit mehr als nur pas-sive Loyalität des Mitarbeiters gegenüber der Organisation. Commitment bedeutet hier Aktivität und engagierter Einsatz des Mitarbeiters. (vgl. Ofenloch & Madukanya 2007)

4.3.3.2.2 Normative Komponente

Ein weiterer Ansatz setzt den normativen, verpflichtenden Anteil in den Mittelpunkt der Betrachtung. Demnach ist Commitment die normative Pflicht des Mitarbeiters in der Organisation zu verbleiben. Unter anderem Wiener (1982) legt in seinem Ansatz ‚a normative view‘ dar, dass Mitarbei-ter ein bestimmtes Verhalten nicht zu ihrem eigenen Vorteil zeigen, son-dern weil sie glauben, dass es richtig und moralisch sei. Ofenloch & Ma-dukanya (2007) verstehen dieses Verhalten als ein Resultat aus der Sozi-alisation. Internalisierte Normen, die bereits vor Eintritt in die Organisation bekannt gewesen sein können oder sich erst nach dem Eintritt entwickelt oder gezeigt haben können, sind bei diesen Personen die wesentliche Verhaltensgrundlage. Die Treue zeigt der Mitarbeiter also nicht, weil er persönliche Vorteile darin sieht, sondern aufgrund eines Gefühls der Ver-pflichtung. Das Ausscheiden aus der Organisation wird dieser Mitarbeiter normativ für falsch halten und aus diesem Grund auch davon absehen, nicht jedoch aus der Überzeugung heraus, dass es für ihn vorteilhaft sei im Unternehmen zu bleiben.

4.3.3.2.3 Kalkulative (fortsetzungsbezogene) Komponente

Ein letzter Ansatz eindimensionaler Art gehört der Dimension fortset-zungsbezogenen Commitments an. Becker (1982) erklärt seine Auffas-sung von Commitment mit ‚Seitenwetten‘ (side bets). Nach Becker ist Commitment das Ergebnis einer Kalkulation. Dieser Mitarbeiter verbleibt nicht wegen der offensichtlichen Vergütung in der Organisation, sondern wegen der so genannten Seitenwetten, die neben der eigentlichen Entloh-nung für die Tätigkeit existieren. Das kann die Betriebsrente, der Rabatt auf organisationseigene Produkte oder das im Laufe der Jahre entstande-ne soziale Netzwerk sein. Der Begriff Kalkulation soll verdeutlichen, dass dieser Mitarbeiter die von ihm in der Vergangenheit erbrachten Investitio-

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nen gegen die beim Verlassen des Unternehmens entstehenden Kosten rechnet.

4.3.3.2.4 Zusammenfassung

Diese eindimensionalen Konstrukte ließen sich im Laufe der Zeit durch entwickelte Fragebögen nachweisen und validieren. Für die affektive Komponente wurde beispielsweise von den Autoren um Mowday et al. (1979), konkret von L. W. Porter, im Laufe der 1970er Jahre ein kurzer Fragebogen entwickelt, der das Ausmaß oder die Stärke des Commit-ments erheben sollte. Das „Organizational Commitment Questionnaire“ (OCQ) basierte auf dem Ansatz des Organisationalen Commitments von Porter et al. (1970, 1974, 1976) bzw. Porter, Mowday & Steers (1979, 1982), welche ausschließlich die affektive Komponente berücksichtigte.

Die drei relevanten Aspekte im Rahmen der affektiven Komponente waren

(1) die Akzeptanz der Werte der Organisation,

(2) die Bereitschaft zu einem Engagement über das Verlangte hinaus und

(3) das Bedürfnis in der Organisation zu verbleiben.

Diese drei Aspekte werden mithilfe der 15 Items im OCQ erhoben. Die Mitarbeiter haben die Möglichkeit, die im Fragebogen formulierten Aussa-gen, wie z. B. „Ich bin bereit, mich mehr als nötig zu engagieren, um zum Erfolg der Behörde/Organisation beizutragen.“, auf einer siebenstufigen Skala (1-7) zu gewichten. Neun von den fünfzehn Items sind positiv-wertende Formulierungen, sechs haben eher einen negativen Charakter.

Auf diese Weise setzte sich die Organisationspsychologie insbesondere mit der affektiven Komponente auseinander. Um die anderen beiden Komponenten (normativ und fortsetzungsbezogen) gab es ähnliche Be-mühungen zu empirischen Nachweisen. Leider wiesen diese Untersu-chungen nur kleinere Zusammenhänge zwischen bspw. möglichen Ursa-chen und dem Commitment als Wirkung oder auch dem Commitment als Ursache und daraus resultierenden Wirkungen nach. Im Folgenden wird es überblickartig um Bedingungen gehen, die Commitment entstehen las-sen, und um mögliche Folgen und Konsequenzen von Commitment. Die große Bedeutung der affektiven Komponente wird im Folgenden bestätigt, gefolgt vom normativen Commitment. Das fortsetzungsbezogene Com-mitment nimmt eine fragwürdige Rolle ein, da die empirischen Ergebnisse zeigen, dass es sowohl Ursachen als auch Konsequenzen zuzuordnen ist, die nur schwer mit der vorangegangenen Commitment-Definition verein-bar sind.

4.3.3.3 Entstehungsbedingungen von Commitment

Verschiedene Arbeits-, Organisations- und Personenmerkmale haben ei-nen Einfluss auf das Commitment. Auf die drei Komponenten (affektiv, normativ, fortsetzungsbezogen) wirken jeweils unterschiedliche Faktoren mit unterschiedlich starken Einflüssen. Die stärksten Zusammenhänge lassen sich mit der affektiven Commitment-Komponente nachweisen. Fak-toren, die diese Art von Commitment bedingen, sind häufig Merkmale der

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Arbeit selbst bzw. Arbeitserfahrungen, also im weitesten Sinne die inhaltli-che Ausgestaltung des Arbeitslebens. Des weiteren „(..) spielen neben der wahrgenommenen Kompetenz, organisationaler Unterstützung und orga-nisationaler Gerechtigkeit vor allem interessante Arbeitsaufgaben, der Führungsstil des Vorgesetzten und Zufriedenheit mit der Kommunikation für die Entwicklung affektiven Commitments eine große Rolle“ (Ofenloch & Madukanya 2007, S. 11). Demographische Merkmale haben dagegen ei-nen eher geringen Einfluss auf das affektive Commitment.

Das normative Commitment wird von ähnlichen Bedingungen beeinflusst, unterscheidet sich aber vom affektiven Commitment durch deutlich gerin-gere Stärke der Zusammenhänge.

Das forsetzungsbezogene Commitment wird hingegen durch andere Ein-flüsse bedingt. So korrelieren die Menge wahrgenommener Job-Alternativen, der Führungsstil des Vorgesetzten und die wahrgenommene organisationale Gerechtigkeit negativ mit dieser Commitment-Komponente. Schwache positive Zusammenhänge lassen sich mit den Bedingungen „Dauer der Betriebszugehörigkeit“ sowie mit dem „Gehalt“ feststellen. (vgl. Ofenloch & Madukanya 2007, S. 11)

4.3.3.4 Konsequenzen von Commitment

Für die unternehmerische Praxis von ebenso großer Bedeutung sind ne-ben den Entstehungsbedingungen auch die Konsequenzen des Commit-ment. In diesem Kapitel werden exemplarisch einige, empirisch belegte Konsequenzen aufgezeigt.

Im Bereich der Commitment-Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass alle drei Commitment-Komponenten negativ mit „Kündigungsabsicht“ und „Kündigung“ korrelieren, also Mitarbeiter mit starkem organisationalem Commitment schlicht und einfach weniger zur Kündigung des Beschäfti-gungsverhältnisses neigen (vgl. Mathieu & Zajac 1990; Meyer et al. 2002; zit. nach Ofenloch & Madukanya 2007, S. 11). Auch bei diesen Korrelatio-nen weist das affektive Commitment erneut die stärksten Zusammenhän-ge auf.

Unterschiedliche Zusammenhänge lassen sich zwischen den einzelnen Commitment-Komponenten und der „Arbeitsleistung“, dem „Organizational Citizenship Behavior“3 (OCB), sowie dem „Absentismus“ feststellen.

Für Arbeitsleistung und OCB weist erneut das affektive Commitment, ge-folgt vom normativen Commitment, die stärksten positiven (beim Absen-tismus entsprechend negative) Korrelationen auf. Für das fortsetzungsbe-zogene Commitment zeigen sich keine oder gar negative Zusammenhän-ge mit diesen wünschenswerten Verhaltensweisen der Mitarbeiter.

3 Individuelles Verhalten, welches nicht Gegenstand der Arbeitsrolle ist und nicht ver-

traglich festgelegt wird. Organizational Citizenship Behavior wird häufig mit „freiwilli-gem Arbeitsengagement“ ins Dt. übersetzt.

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Meyer et al. (2002) zeigten einen weiteren interessanten Zusammenhang zwischen Commitment und (im weitesten Sinne) der Gesundheit der Mit-arbeiter, gemessen am Arbeitsstress auf. Von einem negativen Zusam-menhang berichteten diese Autoren für das affektive Commitment, positiv wirkte jedoch das fortsetzungsbezogene Commitment auf den „Arbeits-stress“, begünstigt also den wahrgenommenen Stress des Mitarbeiters.

Ofenloch & Madukanya ziehen daraus den Schluss, dass man das affekti-ve Commitment als die zentrale Komponente des Gesamtkonzeptes be-trachten kann, da sich für diese die stärksten und konsistentesten Zu-sammenhänge in Bezug auf Ursachen bzw. Entstehungsbedingungen und positive und wünschenswerte Konsequenzen feststellen lassen (vgl. Ofen-loch & Madukanya 2007, S. 11).

Es kann in der betrieblichen Praxis mit den Zusammenhängen zwischen Commitment und weiteren Merkmalen gearbeitet werden, sofern eine These bzw. Fragestellung zugrunde liegt, die sich mit den Ausführungen begründen bzw. beantworten lässt. Das Commitment als messbare Größe kann als Faktor interessant werden, um

es zu verstärken, also um bspw. Unternehmensziele gemeinsam mit den Mitarbeitern zu erreichen und ein neues Gefühl der Zusammenge-hörigkeit zu erzeugen oder auch

schlicht und einfach die formulierten Konsequenzen oder Folgen als wünschenswerten Zustand zu erreichen (Steigerung der Arbeitsleis-tung und Senkung des Absentismus als zentrale Ziele eines Verände-rungsprozesses).

4.3.3.5 Foki4 von Commitment

Insbesondere Ofenloch & Madukanya (2007) weisen auf die Bedeutung der ‚Foki‘ des Commitment hin. In der organisationspsychologischen For-schung, die sich auch dem organisationalen Commitment widmete, wurde nach Meinung der Autorinnen in seltenen Fällen zu den Foki Stellung be-zogen. Häufig wurde die Organisation oder Firma als Konstrukt skizziert, zu dem der einzelne Mitarbeiter zu einem Zeitpunkt eine Einstellung hat. Ofenloch & Madukanya nennen A. E. Reichers (1985) als einen der ersten Autoren, der sich mit multiplen Commitments innerhalb einer Organisation intensiver auseinandersetzte. Schließlich ist es gerade im Bereich größe-rer Organisationen durchaus denkbar, dass Mitarbeiter unterschiedlich starke Commitments gegenüber einzelnen Gruppen, Abteilungen, Teams, Standorten und weiteren Arbeitsaspekten ausbilden. Jedes Subjekt, Ob-jekt oder Gruppe könnte somit Bezugspunkt für das jeweilige Commitment sein, also beeinflussen, wie stark sich der Mitarbeiter an diesen Teil der Organisation gebunden fühlt.

4 Lt. Duden ist die Mz. v. Fokus: „Fokusse“; Orientierung in diesem Lehrbrief: lat./engl.

Plural: „foci“, in Anlehnung an Ofenloch & Madukanya (2007).

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Reichers betont in seiner Review and Reconceptualization of Organisatio-nal Commitment (1985), dass diese Personen oder Gruppen jeweils eige-ne Ziele und Werte haben, die mit denen der Organisation weitgehend „kompatibel“ (Ofenloch & Madukanya 2007, S. 12) sind, aber auch mit ih-nen in Konkurrenz treten oder ihnen sogar widersprechen können. Damit begründet Reichers auch die Bedeutung der Foki des Commitment:

„Das Commitment eines Mitarbeiters kann demnach nicht adäquat erklärt werden, wenn ‚nur‘ das Commitment gegenüber der Organisation als Gesamtes erfasst wird.“ (Ofenloch & Madukanya 2007, S. 12)

Meyer et al. (2001, 2002) schildern, dass dabei das Verhältnis der Foki zueinander durchaus relevant ist. Teilweise katalysieren und komplemen-tieren sich verschiedene Foki, andererseits können sie auch in einem wi-dersprüchlichen, konfliktuösen Verhältnis zueinander stehen.

Reflexionsaufgabe 11

Stellen Sie sich vor, Sie sind als Führungskraft tätig und ein Kollege (ebenfalls eine Führungskraft) lässt sich während der Mittagspause über seine Mitarbeiter aus. Er benutzt ständig die Begriffe ‚Werte‘ und ‚Einstellungen‘ in Bezug auf seine Mitar-beiter und deren Arbeitshaltung. Als er weiter redet, gebraucht er beide Begriffe immer wieder synonym und teilweise sogar total falsch. Sie entscheiden sich die Sache anzusprechen, schon allein um ihn vor weiteren peinlichen Situationen zu bewahren. [In Präsenzphasen Rollenspiele o. Ä. dazu möglich]

a) Bereiten Sie eine überzeugende, kurze Rede vor, in der deutlich wird, dass Werte und Einstellungen nicht dasselbe sind und warum! Sie wollen ihn überzeugen, überlegen Sie sich wenige Merkmale bzw. Argumente, wie Sie das schaffen, ohne dass er Ihre Sicht womöglich in Frage stellt. Nennen Sie ihm ruhig ein paar Beispiele von Ihren Mitarbeitern, so dass er von Ihren Argumenten überzeugt ist und sich mithilfe Ihrer Beispiele etwas darunter vorstellen kann.

b) Der Kollege lässt Sie mglw. gar nicht erst in einen Monolog einsteigen, sondern fällt Ihnen – je nach Typ oder Erregungsgrad – ständig ins Wort und ist aufgebracht, dass Sie sich als Oberlehrer aufspielen. Für den Fall, dass es hierzu kommt, bereiten Sie sich auch auf diese dialogische Form vor. Nehmen Sie seine Perspektive ein, welche Argumente kann er für sei-nen Standpunkt vorbringen. Wie kriegen Sie diesen Standpunkt überhaupt erst heraus? Versuchen Sie diese imaginäre Situation durch gute Vorberei-tung unbeschadet zu überstehen.

Reflexionsaufgabe 12

Werte und Werteorientierungen ändern sich im Laufe der Zeit, zumindest behaup-ten dass einige Autoren (Klages, Noelle-Neumann) und beziehen sich dabei auf Datenerhebungen, die ebenfalls dieses Bild zeichnen. Da Sie ein kleines produzie-rendes Traditionsunternehmen beraten und dieses vielen Jugendlichen einen Aus-bildungsplatz bietet, sollten Sie das Thema „Werte/Wertewandel“ gut durchdenken, bevor Sie kommende Woche mit dem betagten, traditionellen Geschäftsführer dar-über sprechen. Schließlich erwartet der von Ihnen eine gewisse Sensibilität für seine ‚ganz spezielle‘ Situation und ein tiefergehendes Verständnis für dieses Thema.

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[Machen Sie sich eigene Gedanken - gespickt mit den Inhalten aus dem Lehrbrief - zu diesem Thema: Basteln Sie sich erneut einen argumentativen Leitfaden für das Gespräch oder beginnen Sie doch ganz vorn und machen ein Brainstorming zum Thema Werte/ Wertewandel! Stellen Sie Thesen auf, wo die Extreme von Wandel vs. kein Wandel dieses Unternehmen hinführen könnte!]

Reflexionsaufgabe 13

Im Abschnitt 4.1.2.5 geht um die Wege zur Entstehung und Änderung von Einstel-lungen. Im Lehrbrief selbst werden insgesamt 6 Möglichkeiten zur Änderung der Einstellung aufgezeigt. Bitte beschreiben Sie drei verschiedene Situationen, in de-nen es um eine Einstellungsänderung für eine Person geht. Nutzen Sie drei unter-schiedliche Wege zur Beschreibung dieses Vorganges. Die Beispiele sollten mög-lichst aus Ihrer beruflichen Praxis sein oder zumindest in dieser gut vorstell-bar/realistisch sein.

Reflexionsaufgabe 14

Was ist Organisationales Commitment? Wie entsteht es? Welche unterschiedli-chen Komponenten gibt es? Und warum? Erklären Sie das Commitment-Konstrukt!

Reflexionsaufgabe 15

Das Konzept der arbeitsbezogenen Werthaltungen von Anna-Maria Hetze (2008) besteht aus drei Teilen/Bereichen. Nennen und erläutern Sie bitte diese Bereiche mit eigenen Worten.

5 Gruppenarbeit im Unternehmen

5.1 Begriffliche Grundlagen

Im Zuge der durch die Hawthorne-Studien ausgelösten Human-Relations-Bewegung kam es zu einer kritischen Auseinandersetzung mit den bis da-hin vorherrschenden tayloristischen Prinzipien der Arbeitsorganisation. Es wurde deutlich, dass die Arbeitsleistung und das Verhalten von Mitarbei-tern in nicht unbedeutendem Maße durch soziale Faktoren wie Gruppen-zugehörigkeit und die Qualität der Gruppenbeziehungen beeinflusst wer-den. Weitere maßgebliche Forschungen (die Studien des Tavistock-Instituts im englischen Kohlebergbau) führten zu der Erkenntnis, dass eine Umstellung von Gruppen- auf Einzelarbeit zu einer Verschlechterung der Arbeitsmotivation, zu einer Erhöhung von Fehlzeiten und Fluktuation so-wie zu häufigeren Unfällen führen könnte. Diese Erkenntnisse bildeten die Grundlage für die Entwicklung des soziotechnischen Systemansatzes [vgl. Abschnitt 2.4], der die besonderen Beziehungen und Wechselwirkungen sozialer und technischer Komponenten der Arbeitsorganisation berück-sichtigt und die Vorteile der Gruppenarbeit als sich selbst regulierende Or-ganisationsform betont. (vgl. Nerdinger et al. 2008, S. 401)