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Reengineering am Beispiel eines Heizkraftwerks

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Reengineering von Industrieanlagen ist ein strategisches Programm mit vielen Einflussfaktoren. Der Anlagenbetreiber muss zunächst Dienstleistungen, Supportprozesse sowie die Arbeitsorganisationen kritisch betrachten und neu bewerten, um sicherzustellen, dass Vorhandenes optimal weitergenutzt und ein hohes Verbesserungspotential durch Neues ausgeschöpft werden kann.

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28 Heft 6/2000 •

Das Werk Hennigsdorf vor den TorenBerlins ist der größte Standort der Ad-tranz in Deutschland. Dort werden nebenTriebzügen mit und ohne Neigetechnikauch Niederflur-Straßenbahnen sowie U-und S-Bahnen gebaut. Das Werk verfügtüber ein modernes Prüf- und Servicezen-trum mit verschiedenen Teststrecken,Speziallabors und einem Designcenter.Den Bedarf an Prozesswärme für Farbge-bungsprozesse und der Wärmebedarf zurVersorgung der Büroräume und Werk-stätten stellt ein eigenes Heizkraftwerkmit vier Dampferzeugern sicher. Die Auf-gabenstellung des Reengineering-Projek-tes bestand darin, ein für die Prozess-führung des Heizkraftwerks vorhandenesproprietäres Leitsystem durch einen offe-nes, auf Standards basierendes System,abzulösen. Die vorhandene Fernwirk-übertragungsstrecke zu den prozessnahenKomponenten sollte dabei beibehaltenwerden. Das von der Alstom Anlagen-und Automatisierungstechnik GmbH inBerlin erarbeitete Konzept erhielt 1999den Zuschlag.

Offenes System besteht aus PC-basierter Visualisierung und SPS

Um sämtliche Bedien- und Beobach-tungsfunktionen von einem zentralen Ar-beitsplatz bearbeiten zu können, müssenzuerst die Steuersignale und Rückmel-dungen erfasst werden. Das Sammeln derProzesssignale und die Ausführung derSteuer- und Regelfunktionen übernehmenim vorliegenden Projekt speicherprogram-mierbare Steuerungen (SPS) vom TypModicon A350. Als PC-basiertes Leitsy-stem unter dem Betriebssystem MicrosoftWindows NT kam das Modul InTouch derFactorySuite 2000 von Wonderware zumEinsatz. Zur Anbindung auf dem Markt

befindlicher Steuerungen und Feldbussys-temen kann bei InTouch gegenwärtig aufeine Bibliothek von über 700 verschiede-nen Anschaltungen zurückgegriffen wer-den. Neben Einzelanschaltungen existie-ren Kommunikationen aller gängigenStandardbusse aus Industrie- und Gebäu-deautomation. Das System unterstütztuneingeschränkt auch den OPC- Stan-dard. Dadurch hat die Applikation direk-ten Zugriff auf die Daten eines beliebigenOPC-Servers.

Im vorliegenden Fall hat sich die Be-stückung der SPS Modicon A350 auf-grund der Verbindung zu dem neuenLeitsystem nicht geändert. Alle Baugrup-pen des Zentralteils und der E/A-Peri-pherie haben ihre alte Funktion behalten.Die Systemkopplung zwischen der SPSund dem Leitrechner läuft mit den Proto-kollen Modnet 1 /SFB und Modbus /RTU

über einen Protokollkonverter. Die Konfi-guration und Parametrierung des Proto-kollkonverter PKV 11 aus dem Hause Hil-scher wurde durch ein komfortables Pro-jektierungs- und Diagnoseprogramm rea-lisiert. Die Arbeitsplätze des Leitsystemsvernetzen LWL-Kabel in Industrieaus-führung; eine Erweiterung der Konfigu-ration ist problemlos möglich. Mit han-delsüblichen Grafikkarten lässt sich überden Anschluß von zwei Monitoren an ei-nen Arbeitsplatz eine Grafikauflösungvon 2048 x 768 Punkten erreichen.

Standard: Prozessvisualisierungs-systeme unter Windows

Prozessvisualisierungssysteme unterMicrosoft Windows sind heute alsSchnittstelle zwischen Bediener und Pro-zess ein Standard. Mit nur geringen Vor-kenntnissen ist es möglich, umfangreicheApplikationen zu erstellen. Hauptmerk-mal von Visualisierungssystemen ist ihreFähigkeit, grafische Objekte zu annimie-ren. Das System erleichtert mit leistungs-fähigen Editier- und Zeichenfunktionendie Bilderstellung. Grundlage bildet eineobjektorientierte Vektor-Grafik. InTouchbietet hierbei viele Möglichkeiten, umProzesszustände realistisch und anwen-derfreundlich nachzubilden. So bestehtdie Möglichkeit, dass sich Objekte aufdem Bildschirm bewegen, dass sie ihreGröße verändern oder ihre Farbe wech-seln. Weiterhin lassen sich Grafikobjektehorizontal oder vertikal füllen oder dre-hen bzw. ihre Sichtbarkeit verändern.Die Kombination verschiedener Animati-onstypen führt zu interessanten undwirklichkeitsnahen Effekten.

Mit verschiedenartigen Animationsver-knüpfungen kann praktisch jede Appli-kationsstrategie abgedeckt werden. Größe,Farbe, Position, Füllung, Sichtbarkeit usw.eines Objekts sind bedienerfreundlich än-derbar. Auch Objekten und Objektgrup-pen einschließlich ihrer Prozessverknüp-fung können hinsichtlich Zeiteinsparungin einer Bibliothek abgespeichert und wie-derverwendet werden. InTouch erlaubtweiterhin die Einbindung und Dynamisie-rung sowohl von Pixelgrafiken aus Grafik-systmen wie Bitmap-Format, PCX-Formatund andere als auch von Vektorgrafikenaus CAD-Systemen im DXF-Format. Da-mit ist eine einfache Übernahme von Ge-bäudegrundrissen oder Anlagenplänen ausPlanungssystemen möglich.

Reengineering am Beispiel eines Heizkraftwerks Holm Bilstein • Thomas Schulz

Reengineering von Industrieanlagen ist ein strategisches Programmmit vielen Einflussfaktoren. Der Anlagenbetreiber muss zunächstDienstleistungen, Supportprozesse sowie die Arbeitsorganisationenkritisch betrachten und neu bewerten, um sicherzustellen, dassVorhandenes optimal weitergenutzt und ein hohes Verbesserungs-potential durch Neues ausgeschöpft werden kann. Wichtig ist einekooperative Durchführung von Reengineering-Projekten von Betrei-berseite und ausführenden Unternehmen. Auf Betreiber und Instand-halter des Auftraggebers kommt darüber hinaus ein respektablesPensum an Weiterbildung zu.

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Dipl.-Ing. HolmBilstein ist Service-Ingenieur im Be-reich Anlagenbauund TechnischeDienste der AlstomAnlagen- und Auto-matisierungstechnikGmbH in Berlin

Dipl.-Ing. ThomasSchulz ist Leiter der GeschäftsstelleBerlin der Wonder-ware GmbH

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Jedes Prozessbild gleich angeordnetFür die Anlagenbedienung ist es wich-

tig, dass sich der Betreiber leicht einenÜberblick über den Anlagenzustand ver-schaffen kann. Um die wichtigen Bild-schirmelemente problemlos wieder zu fin-den, sind sie in jedem Prozessbild gleich-artig angeordnet. Zu diesen Aufbau ge-hören Kopfbild, Prozessbild und Fußbild.Das Kopfbild stellt System- und Alarm-funktionen über eine Alarmzeile dar; an-gezeigt wird der Alarmtext zum jüngsteneingetroffenen Alarm mit Datum, Uhrzeitsowie Alarmzustand. Darunter befindetsich der Bereich der eigentlichen Anlagen-darstellung. Die Funktionsleiste im Fuß-bild dient zur Bildanwahl. Die Anwahl der

dort angebotenen Menüpunkte ermöglichteinen Sprung in die detaillierten Alarm-listen, historische Trenddarstellung odereine Bildanwahl. Aus der Anlagenüber-sicht lassen sich technologische Bilder,Regler und Gruppendarstellungen direktanwählen.

Der Bediener kann gezielt und schnellauf relevante Anlagenteile zugreifen. Dieserreicht er mit Hilfe von Mausbetätigun-gen in den Steuerungsfeldern oder Text-eingaben über die Tastatur in den ent-sprechenden Felder. Zur Visualisierungund Steuerung werden unter anderemAnaloganzeigen, Buttons sowie Farbum-schläge für Maschinensymbole genutzt.Die Analoganzeigen sind den Bedienern

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Bild 1. Luftaufnahme Werk Hennigsdorf

Bild 2. Topologie Leitsystem

Modbus Ethernet-TCP/IP

InTouch-Bedienplatz(Warte)

Modnet 1/SFB

A 350

Hilscher-Konverter

Service

InTouch-Server undBedienplatz

1 2 3 4 5 1 2

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von herkömmlichen Anzeigegeräten be-kannt. Sie zeigen den physikalischen Mess-wert sowie den oberen und den unterenGrenzwert an. Unter- oder überschreitetdie angezeigte Messgröße einen Grenz-wert, ändert sich die Anzeige: Der Mess-wert wird rot dargestellt. Jederzeit kannder Bediener einen neuen Grenzwert füreine Messgröße vorgeben. Eindeutig sindauch die Farbumschläge für die Betriebs-mittel: grün bedeutet ein-, grau ausge-schaltet und rot gestört. Viele Anlagen-bilder enthalten ergänzende Zustandsan-zeigen der Maschinensymbole. Diese An-zeigen signalisieren dem Anlagenfahrer,in welchem Zustand sich das Betriebs-mittel befindet. Im Automatikbetrieb istkein Ein- oder Ausschalten möglich: dieserlaubt erst der Handbetrieb.

Historische und Echtzeit-TrenddatenEin weiteres Merkmal von Prozessvisua-

lisierungen ist die Anzeige von Trend-diagrammen. Die vorgestellte Applikationverfügt über die Möglichkeit der Darstel-

lung von Echtzeit- und historischenTrends. Hierfür werden die im System in-tegrierten, vordefinierten Objekte genutzt.

Die Echtzeit-Trends zeigen die momen-tanen Prozesswerte in einem vorher fest-gelegten Zeitintervall mit definiertemZeitraster an (z. B. die letzten 15 Minuten.,ein Wert pro Sekunde). Der historischeTrend dient zur Darstellung von Prozes-swerten über einen längere Zeit, wobeidie Prozesswerte archiviert und zu späte-ren Zeitpunkten ausgewertet werden kön-nen. Aufzeichnung und Wiedergabe er-folgen mit entsprechenden Schaltflächen(Aufnahme, Wiedergabe, schneller Vor-und Rücklauf), die einem Recorder nach-empfunden wurden. Über Zoom-, Scroll-und Zentrierfunktionen kann die Anzei-ge beliebig konfiguriert werden; Cursorhelfen beim exakten Ablesen von Werten.

Das Bild ‘Historischer Trend’ bietet vieleMöglichkeiten zur Einstellung der Trend-darstellung. Mit Rollbalken lässt sich einbestimmtes Zeitintervall darstellen. MitPfeilbuttons kann man sich in den einge-stellten Zeitspannen in der Trenddarstel-lung vor und zurück bewegen. Zur bes-seren Auswertung kann der Anwenderdie Kurven auch dehnen und stauchen.Der Messwertbutton zeigt die Eintritts-und Austrittsgröße des Messwerts desaugenblicklich dargestellten Trends. Fürstatistische Betrachtungen werden Funk-tionen wie Maximum, Minimum, Mittel-wert und Standardabweichung angeboten.

Modernes Stördatenmanagementund Systemsicherheit

Nach dem Anfahrzyklus kann der Be-diener durch Veränderungen der Soll-werte in den automatischen Prozess steu-ernd eingreifen und diesen gemäß dengewünschten technologischen Parame-

tern beeinflussen. Neben dem automati-schen Betrieb der Anlage kann der Be-diener auch alle Aggregate für Repara-turzwecke vor Ort einzeln schalten. DieHand-Funktion wird durch die Benut-zung der für jedes Aggregat vorhandenenFreinahme-Schaltung bedient. Die dyna-misch animierten Bilder zeigen dem An-lagenbediener den Betriebszustand voneinzelnen Anlagenkomponenten unmit-telbar an. Ein automatischer Farbum-schlag weist darauf hin, ob 6auf einer an-deren Bildschirmseite ein Alarm, eineStörung, eine Warnung oder nur eineMeldung aktuell neu erschienen ist.Gleichzeitig wird akustisch gewarnt. Wei-tere Informationen zur Störung ruft derBediener durch Anklicken der jeweiligenKomponenten ab.

Ein wesentlicher Aspekt bei den Leit-systemen basierend auf InTouch stelltdie Systemsicherheit dar. Unbefugte Pro-zessbedienungen verhindert ein frei kon-figurierbarer Paßwortschutz mit bis zu9999 Zugriffsebenen. Zu diesem Zweckfragt das System beim Start der Applika-tion Benutzername und Passwort ab; zu-sätzlich kann eine Aktivitätenüberwa-chung aktiviert werden. Abgerundet wer-den die Systemdienste durch die Mög-lichkeit einer Ferndiagnose über Modem.

Das neue System wurde dem Unter-nehmen Adtranz als Nutzer der Anlagerechtzeitig zur Heizperiode im Herbst1999 für den Betrieb des Heizkraftwerksübergeben. ■

Bild 4. Störmeldungen und Historischer Trend

Bild 3. Anlagenübersicht

finden Sie im Internet unter http://www.etz.de