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Reha-Reportage
Blickpunkt Gesundheit
unter Schlafstörungen und Lustlosig-keit und haben womöglich suizidaleGedanken oder Tendenzen.
Beide Erkrankungen sollten entspre-chend der jeweiligen Leitlinien ge-trennt, aber nicht losgelöst vonei-nander behandelt werden: „Medizi-ner und Psychologen müssten schonim Studium besser auf übergewich-tige Patienten vorbereitet werden –immerhin ist die Mehrheit der Bevöl-kerung bereits übergewichtig und einViertel adipös“, betont de Zwaan. EinPsychosomatiker, Psychiater oder einPsychologe, der die Depression be-handelt, habe in der Regel wenig Ah-nung von leitliniengerechter Adipo-sitastherapie und bekomme das auchnicht bezahlt, erläutert die Psychoso-matikerin. Mit fortschreitender Ge-wichtsabnahme werde eine Depres-sion zwar besser, aber nur vorüberge-hend; umgekehrt führe auch eine er-folgreiche Behandlung der Depres-sion allein noch nicht automatischzu einer nachhaltigen Gewichts re -duktion. „Die Behandler müssen zumWohle des Patienten kooperierenund sich ergänzen. Wichtig ist z. B.,dass der behandelnde Psychosoma -tiker oder Psychiater keine Antide-pressiva verordnet, die Gewichtszu-nahmen fördern“, erläutert de Zwaan.
Nach Informationen des Kompetenz-netzes Adipositas2 sind selbst bei aufGewichtsreduktion spezialisiertenÄrzten und Ernährungsfachkräftenstigmatisierende Einstellungen adi-pösen Patienten gegenüber keine Sel-tenheit. Aufgrund negativer Annah-men (z. B. fehlende Willensschwächeund Selbstkontrolle, geringe Hygie -ne, mangelnde Motivation und Com - pliance …) werde die Behandlungschwer Übergewichtiger oft als wenig
aussichtsreich eingeschätzt. Oftmalsbestehe eine geringere Motivation,Patienten mit Adipositas zu helfen;Ärzte fühlen sich dafür häufig nichtqualifiziert genug und gewährenihnen weniger Behandlungszeit. Dieskönnte dazu beitragen, dass Patien-ten mit Adipositas es vermeiden, Vor-sorgeuntersuchungen in Anspruchzu nehmen, außerdem verschiebensie häufiger Arzttermine oder sagensie ab.
„Behandler sollten sich darüberklar sein, dass sie auch durch ihreigenes Verhalten die Selbstab-
wertung ihrer Patienten fördernkönnen und so depressive Symp-
tome, Ängste, geringen Selbst-wert, Essstörungspatho logien,
soziale und Verhaltensproblemeund eine verringerte Lebens -
qualität fördern.“
„Häufig fehlt es schlicht an Fachwis-sen im angemessenen Umgang mitschwer Übergewichtigen“, so Prof. deZwaan. Die Direktorin der Klinik fürPsychosomatik und Psychotherapiein Hannover fordert in Analogie zurPsychoonkologie – hier ist ein Psy-chologe für die Zertifizierung von on-kologischen Zentren zwingend erfor-derlich – auch für jedes zertifizierteAdipositaszentrum einen psychologi-schen Experten.
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Sinnvolle Möglichkeiten und seriöseMaßnahmen zum AbnehmenSchnell, sicher und dauerhaft an Gewicht verlieren – am Zentrumfür Klinische Ernährung Stuttgart begleiten Experten der Uni Hohenheim beim Thema Abnehmen
In kurzer Zeit viel Gewicht verlieren, wieder mobiler und agiler werden: DiesenWunsch haben viele. Wer allerdings dauerhaft erfolgreich abnehmen und langfris-tig sein Gewicht halten möchte, sollte auf seriöse Angebote setzen. Das Zentrumfür Klinische Ernährung Stuttgart (ZKES) an der Universität Hohenheim bietet dazudas sogenannte Optifast-Programm an. In einem festgelegten Zeitraum werdendie Teilnehmer vom Expertenteam – bestehend aus Medizinern, Ernährungsbera-tern, Psychologen und Sporttherapeuten – beim Abnehmen betreut. Hierbei grei-fen die Themenfelder Medizin, Ernährung, Verhalten und Bewegung ineinander.Das Programm findet in der Gruppe statt. Schrittweise werden die Teilnehmer beiihrer Gewichtsreduktion und Ernährungsumstellung begleitet. Durch das alltags-taugliche Konzept müssen sie dabei weder hungern, noch sind sie in irgendeinerArt eingeschränkt.Nach Ansicht führender Ernährungswissenschaft-ler gilt Optifast gegenwärtig als das in Deutsch-land erfolgreichste Adipositas-Therapie-Pro-gramm. Es wird auch in der aktuellen Leitlinieder deutschen Adipositas-Gesellschaft als The-rapieoption aufgeführt. Eine Kostenbeteili-gung durch die Krankenkasse ist möglich.
Reha-Reportage
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Viele adipöse Menschen haben nichtnur im doppelten Sinn ein schweresLos – sie sind auch noch einer dop-pelten gesellschaftlichen Stigmatisie-rung ausgesetzt. Auch im Gesund-heitswesen ist eine gewichtsbezogeneStigmatisierung und Diskriminierungadipöser Menschen leider verbreitet;kommen die Symptome einer De-pression hinzu, ist die Versorgung ofterst recht unzureichend. „Es ist wich-tig, diese doppelte körperliche undpsychische Belastung therapeutischangemessen aufzufangen“, fordertProfessor Dr. med. Martina de Zwaan,Vizepräsidentin der Deutschen Adi-positas-Gesellschaft (DAG). „Dazumüssen Adipositastherapeuten, Psy-chosomatiker, Psychiater und Psy-chologen besser qualifiziert werdenund wirkungsvoller miteinander ko-operieren. Ein Experte für psychischeProbleme gehört an jedes Adipositas-Therapie-Zentrum“, so Dr. de Zwaan.
Schweres Übergewicht und Depression bedingen
und fördern sich gegenseitig
Die Wahrscheinlichkeit für eine De-pression steigt mit zunehmendemBody-Mass-Index. Ein Mensch mitschwerem Übergewicht hat eine um50 Prozent höhere Chance, depressivzu werden, als ein Mensch ohneschweres Übergewicht. Ebenso hatein depressiver Mensch eine um 50Prozent höhere Chance, schwer über-gewichtig zu werden.
Eine depressive Symptomatik er-schwert eine erfolgreiche Adipositas-therapie zusätzlich. Sie macht sichmeist bemerkbar durch ein mindes-tens zwei Wochen andauerndes Stim-mungstief; Betroffene ziehen sich aussozialen Beziehungen zurück, leiden
Adipositas und Depression
Professor Dr. med. Martina deZwaan ist Vizepräsidentin der Deutschen
Adipositas-Gesellschaft (DAG).
„Wir brauchen mehr psychologische Experten!“
InDeutschland ist
etwa jeder vierte bisfünfte Mensch mit Adiposi-
tas (starkem Übergewicht) de-pressiv – bei rund 20 Millionenschwer Übergewichtigen sindheute rund 4 – 5 Millionen
Menschen von beidenKrankheiten zugleich
betroffen.
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