Anfechtung - jura.uni-wuerzburg.de · = subjektiv Gewolltes Erklärung = objektiv Erklärtes...

Preview:

Citation preview

Anfechtung

1

A. Grundlagen (1) Was ist anfechtbar?

Grundsätzlich alle Willenserklärungen

(2) Ist „Schweigen“ anfechtbar?

Schweigen als rechtliches Nullum ist grundsätzlich nicht anfechtbar

Ausnahme: Bedeutung eines stillschweigend erklär-ten „Ja“

2

B. Rechtsfolgen der Anfechtung Geregelt in § 142 BGB

Nichtigkeit der abgegebenen Willenserklärung

• Beseitigung des (an sich) wirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäfts von Anfang an (ex tunc), § 142 I BGB

• Bei angefochtenen Verfügungsgeschäften sind die erbrachten Leistungen zurückzugewähren

3

C. Schadensersatzpflicht der Anfechtenden Geregelt in § 122 BGB

Die Schadensersatzpflicht der Anfechtenden umfasst den Vertrauensschaden, begrenzt durch den Erfüllungsschaden, § 122 I BGB • Vertrauensschaden (= negatives Interesse):

entsteht durch Vertrauen auf die Gültigkeit einer Erklärung

• Erfüllungsschaden (= positives Interesse): entsteht durch nicht ordnungsgemäße Erfüllung einer Verpflichtung

Keine Schadensersatzpflicht bei positiver Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Nichtigkeitsgrunds, § 122 II BGB

4

D. Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte Geregelt in § 144 BGB

Verzicht auf das Recht zur Anfechtung

• Ein (an sich) fehlerhaftes Rechtsgeschäft wird vom Anfech-tungsberechtigten als gültig anerkannt, § 144 I BGB

Formfreie, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung braucht daher dem Anfechtungsgegner gegenüber nicht erklärt zu werden

5

E. Prüfungsschema

6

I. Anfechtungsgrund

II. Anfechtungserklärung

III. Anfechtungsfrist

I. Anfechtungsgrund (1) Anfechtungsgründe des § 119 I BGB

a) Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB)

b) Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)

(2) Anfechtungsgrund des § 119 II BGB c) Eigenschaftsirrtum

(3) Anfechtungsgrund des § 120 BGB d) Unrichtige Übermittlung der Willenserklärung

(4) Anfechtungsgrund des § 123 BGB e) Täuschung oder Drohung

7

1. Anfechtungsgründe gem. § 119 I BGB Unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung

8

Wille = subjektiv Gewolltes

Erklärung = objektiv Erklärtes

Auslegung

§§ 133, 157 BGB

Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 I BGB

Fehler

(a) Inhaltsirrtum gem. § 119 I Alt. 1 BGB Irrtum über die Erklärungsbedeutung

Der Erklärende weiß zwar, was er sagt, aber nicht, was er damit sagt

9

Wille ein halbes Hähnchen

Erklärung „halver Hahn“

= Käsebrötchen

(b) Erklärungsirrtum gem. § 119 I Alt. 2 BGB Irrtum bei der Willensäußerung

Der Erklärende wollte das, was er sagte, gar nicht sagen (z.B. versprechen, verschreiben, vergreifen)

10

Bestellung

Wille 100 Säcke Beton

Erklärung 1.000 Säcke Beton

ausfüllen verschreiben

2. Anfechtungsgrund gem. § 119 II BGB Irrtum entsteht im Vorfeld der Willenserklärung

11

Wille = subjektiv Gewolltes

Erklärung = objektiv Erklärtes

Auslegung §§ 133, 157 BGB

Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 II BGB

Fehler

Willensbildung

(c) Eigenschaftsirrtum gem. § 119 II BGB Irrtum bei der Willensbildung

Der Erklärende hat falsche Vorstellungen von der Person bzw. Sache

Achtung: Wert selbst ist kein wertbildender Faktor

12

Verkauf einer Brosche aus dem 19. Jahrhundert

Brosche stammt tatsächlich aus dem

17. Jahrhundert

Irrtum über verkehrswesentliche

Eigenschaft (wertbildende

Faktoren, z.B. Alter)

3. Anfechtungsgrund gem. § 120 BGB d) Unrichtige Übermittlung der Willenserklärung

unbewusst und erheblich

Unterfall des Erklärungsirrtums

13

Verkäufer schickt Erklärungsboten

Erklärung Autoverkauf für

500 €

Wille Autoverkauf für

5.000 €

4. Anfechtungsgrund gem. § 123 BGB e) Täuschung oder Drohung

Arglistige Täuschung • bewusste Irrtumserregung

• Äußerung „ins Blaue hinein“

Widerrechtliche Drohung

14

Günstiger Erwerb eines Autos, da es als

„baumfreundlich“ gilt

Günstiger Preis beim

Weiterverkauf

Begründung: wenig Nachfrage für bunte Lackierungen

II. Anfechtungserklärung Geregelt in § 143 BGB

Formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung

Anfechtungsgegner

• Bei Verträgen: Vertragspartner

• Im Fall des § 123 II 2 BGB: Dritter

15

Merke: Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen Willensmangels nicht gelten

soll. Das Wort „anfechten“ braucht dabei nicht verwendet werden.

III. Anfechtungsfrist Geregelt in § 121 BGB bzw. in § 124 BGB

Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB • Unverzüglich ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes

(§ 121 I BGB)

• Spätestens nach 10 Jahren (§ 121 II BGB)

Anfechtung nach §123 BGB • Jahresfrist (§ 124 I BGB) ab Kenntnis der Täuschung

bzw. ab Ende der Zwangslage (§ 124 II BGB)

• Spätestens nach 10 Jahren (§ 124 III BGB)

16

Recommended