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Anfechtung 1

Anfechtung - jura.uni-wuerzburg.de · = subjektiv Gewolltes Erklärung = objektiv Erklärtes Auslegung §§ 133, 157 BGB Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 II BGB Fehler Willensbildung

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Anfechtung

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A. Grundlagen (1) Was ist anfechtbar?

Grundsätzlich alle Willenserklärungen

(2) Ist „Schweigen“ anfechtbar?

Schweigen als rechtliches Nullum ist grundsätzlich nicht anfechtbar

Ausnahme: Bedeutung eines stillschweigend erklär-ten „Ja“

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B. Rechtsfolgen der Anfechtung Geregelt in § 142 BGB

Nichtigkeit der abgegebenen Willenserklärung

• Beseitigung des (an sich) wirksam abgeschlossenen Rechtsgeschäfts von Anfang an (ex tunc), § 142 I BGB

• Bei angefochtenen Verfügungsgeschäften sind die erbrachten Leistungen zurückzugewähren

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C. Schadensersatzpflicht der Anfechtenden Geregelt in § 122 BGB

Die Schadensersatzpflicht der Anfechtenden umfasst den Vertrauensschaden, begrenzt durch den Erfüllungsschaden, § 122 I BGB • Vertrauensschaden (= negatives Interesse):

entsteht durch Vertrauen auf die Gültigkeit einer Erklärung

• Erfüllungsschaden (= positives Interesse): entsteht durch nicht ordnungsgemäße Erfüllung einer Verpflichtung

Keine Schadensersatzpflicht bei positiver Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis des Nichtigkeitsgrunds, § 122 II BGB

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D. Bestätigung anfechtbarer Rechtsgeschäfte Geregelt in § 144 BGB

Verzicht auf das Recht zur Anfechtung

• Ein (an sich) fehlerhaftes Rechtsgeschäft wird vom Anfech-tungsberechtigten als gültig anerkannt, § 144 I BGB

Formfreie, nicht empfangsbedürftige Willenserklärung braucht daher dem Anfechtungsgegner gegenüber nicht erklärt zu werden

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E. Prüfungsschema

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I. Anfechtungsgrund

II. Anfechtungserklärung

III. Anfechtungsfrist

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I. Anfechtungsgrund (1) Anfechtungsgründe des § 119 I BGB

a) Inhaltsirrtum (§ 119 I Alt. 1 BGB)

b) Erklärungsirrtum (§ 119 I Alt. 2 BGB)

(2) Anfechtungsgrund des § 119 II BGB c) Eigenschaftsirrtum

(3) Anfechtungsgrund des § 120 BGB d) Unrichtige Übermittlung der Willenserklärung

(4) Anfechtungsgrund des § 123 BGB e) Täuschung oder Drohung

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1. Anfechtungsgründe gem. § 119 I BGB Unbewusstes Auseinanderfallen von Wille und Erklärung

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Wille = subjektiv Gewolltes

Erklärung = objektiv Erklärtes

Auslegung

§§ 133, 157 BGB

Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 I BGB

Fehler

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(a) Inhaltsirrtum gem. § 119 I Alt. 1 BGB Irrtum über die Erklärungsbedeutung

Der Erklärende weiß zwar, was er sagt, aber nicht, was er damit sagt

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Wille ein halbes Hähnchen

Erklärung „halver Hahn“

= Käsebrötchen

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(b) Erklärungsirrtum gem. § 119 I Alt. 2 BGB Irrtum bei der Willensäußerung

Der Erklärende wollte das, was er sagte, gar nicht sagen (z.B. versprechen, verschreiben, vergreifen)

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Bestellung

Wille 100 Säcke Beton

Erklärung 1.000 Säcke Beton

ausfüllen verschreiben

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2. Anfechtungsgrund gem. § 119 II BGB Irrtum entsteht im Vorfeld der Willenserklärung

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Wille = subjektiv Gewolltes

Erklärung = objektiv Erklärtes

Auslegung §§ 133, 157 BGB

Anfechtungsmöglichkeit nach § 119 II BGB

Fehler

Willensbildung

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(c) Eigenschaftsirrtum gem. § 119 II BGB Irrtum bei der Willensbildung

Der Erklärende hat falsche Vorstellungen von der Person bzw. Sache

Achtung: Wert selbst ist kein wertbildender Faktor

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Verkauf einer Brosche aus dem 19. Jahrhundert

Brosche stammt tatsächlich aus dem

17. Jahrhundert

Irrtum über verkehrswesentliche

Eigenschaft (wertbildende

Faktoren, z.B. Alter)

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3. Anfechtungsgrund gem. § 120 BGB d) Unrichtige Übermittlung der Willenserklärung

unbewusst und erheblich

Unterfall des Erklärungsirrtums

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Verkäufer schickt Erklärungsboten

Erklärung Autoverkauf für

500 €

Wille Autoverkauf für

5.000 €

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4. Anfechtungsgrund gem. § 123 BGB e) Täuschung oder Drohung

Arglistige Täuschung • bewusste Irrtumserregung

• Äußerung „ins Blaue hinein“

Widerrechtliche Drohung

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Günstiger Erwerb eines Autos, da es als

„baumfreundlich“ gilt

Günstiger Preis beim

Weiterverkauf

Begründung: wenig Nachfrage für bunte Lackierungen

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II. Anfechtungserklärung Geregelt in § 143 BGB

Formfreie, empfangsbedürftige Willenserklärung

Anfechtungsgegner

• Bei Verträgen: Vertragspartner

• Im Fall des § 123 II 2 BGB: Dritter

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Merke: Eine Anfechtungserklärung ist jede Erklärung die eindeutig erkennen lässt, dass das Rechtsgeschäft wegen Willensmangels nicht gelten

soll. Das Wort „anfechten“ braucht dabei nicht verwendet werden.

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III. Anfechtungsfrist Geregelt in § 121 BGB bzw. in § 124 BGB

Anfechtung nach §§ 119, 120 BGB • Unverzüglich ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes

(§ 121 I BGB)

• Spätestens nach 10 Jahren (§ 121 II BGB)

Anfechtung nach §123 BGB • Jahresfrist (§ 124 I BGB) ab Kenntnis der Täuschung

bzw. ab Ende der Zwangslage (§ 124 II BGB)

• Spätestens nach 10 Jahren (§ 124 III BGB)

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