Auf der Suche nach dem individuellen Resektionsausmaß auch beim gastrointestinalen Karzinom?

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Editorial

| Der Chirurg 2•200384

So könnte man die derzeitigen Bemü-hungen um das „lymphnode mapping“beschreiben. Was beim Mammakarzi-nom und beim Melanom bereits weitge-hend anerkannt ist – nämlich die indi-viduelle Indikationsstellung zur Lym-phadenektomie – orientiert am Ergeb-nis der histologischen Untersuchung desSentinellymphknotens, wird versuchs-weise nun auch auf die gastrointestina-len Tumoren übertragen. Doch nochstehen eine Reihe methodischer Proble-me zur Lösung an:

◗ Was sind die besten Marker? Radio-aktive Marker, Farbstoffe? In welcherSuspension? In Kombination?

◗ Was ist das geeignete Zeitfenster zwi-schen Markierung und Lymphkno-tenexstirpation? Wie muss der exstir-pierte Lymphknoten pathologisch-anatomisch untersucht werden? Esgeht schließlich um den Nachweis vonMikrometastasen. Dies sollte daher injedem Fall mit traditioneller Färbung(H.E.) erfolgen, aber sicher auch im-munhistochemisch. Sind molekulareMarker notwendig? Vielleicht sogareine PCR?

◗ Kann man sich des Tumormetabolis-mus vielleicht auch mittels PET-Sonde bedienen?

Eine Fülle noch ungelöster Probleme,wie sich auch auf dem 3. Internationa-len Sentinel-lymph-node-Kongress inYokohama jüngst gezeigt hat. Aber derWeg ist aufgezeigt, die methodischenFragen werden sicher bald gelöst sein,der Weg zu klinischen Studien ist dannoffen.

Einige Fakten werden schon jetzt klar:◗ Häufig findet sich neben dem anato-

misch zu erwartenden Lymphabfluss

ein sog. „funktioneller Lymphabfluss“,d. h. man findet markierte Lymph-knoten (sog. „hot lymph nodes“) anunerwarteter Stelle, meist auch nichtnur einen Lymphknoten, sondernmehrere.

◗ Sinnvoll einsetzbar ist die Methode inerster Linie bei frühen Tumorstadien(T1), weil hier der Lymphabfluss nochgeregelt erfolgt und die therapeuti-schen Konsequenzen am größtensind.

◗ Minimalinvasive Techniken zurLymphknotendetektion und Exstir-pation sind am überzeugendsten,weil im Falle eines negativen Senti-nellymphknotens die Therapie desPrimärtumors evtl. auch minimal-invasiv ausgeführt werden kann.

◗ Erste Ergebnisse zeigen, dass diesesKonzept beim Magenfrühkarzinom,evtl. auch beim Barrett-Frühkarzi-nom und beim Kolonkarzinom, sinn-voll eingesetzt werden kann. Wäh-rend bei den Tumoren des oberenGastrointestinaltrakts als Konse-quenz eher der Weg zu wenigeraggressivem Resektionsausmaß mög-lich zu sein scheint, ergeben sich beimKolonkarzinom überraschend häufigIndikationen zu erweiterten Resek-tionen.

Aus diesen ersten Ergebnissen wirdauch klar, dass im chirurgischen Alltagein fließender Übergang von dem rei-nen Prinzip des „lymphnode mappings“und Detektion zur „radioimmuno-guided surgery“ eingeschlagen wordenist; nicht nur Exstirpation eines Pfört-nerlymphknotnes (oder einer Gruppe)aus diagnostischen Gründen, um denLymphknotenstatus zu erfassen, son-dern auch Entfernung aller markierterLymphknoten zum Zwecke einer verbes-

serten Lymphadenektomie, also untertherapeutischer Zielsetzung. Aber auchdieses Vorgehen könnte dem Patientennutzen; nicht nur Vermeidung unnöti-ger Lymphadenektomie (bei negativenSentinellymphknoten), sondern auchVerbesserung der Standard-Lympha-denektomie durch Erfassung atypischgelegener positiver Lymphknoten kannein Therapieziel sein. Übrigens profi-tiert auch die pathologische Befundung:Der Pathologe kann nämlich die somarkierten Lymphknoten am Präparatbesser entdecken und untersuchen. EinUpstaging des Lymphknotenstatus(„stage migration“) zeichnet sich ab,und damit zumindest beim Kolonkarzi-nom eine häufigere Indikation zur ad-juvanten Therapie.

In diesem Heft von „DER CHIRURG“ ist auf den Seiten 132-138eine interessante Publikation zu dieserProblematik wiedergegeben. Die Ent-wicklung sollte aufmerksam verfolgtwerden. Sie könnte ein wichtiger Bei-trag zur Individualisierung der Tumor-therapie werden.

Prof. Dr. Dr. h.c. J. R. Siewert

EditorialChirurg 2003 · 74:84DOI 10.1007/s00104-003-0619-5

J. R. Siewert · Klinikum rechts der Isar, München

Auf der Suche nach dem individuellenResektionsausmaß auch beimgastrointestinalen Karzinom?

© Springer-Verlag 2003

Prof.Dr.Dr.h.c. J.R. SiewertChirurgische Klinik der Technischen Universität, Klinikum rechts der Isar,Ismaninger Straße 22, 81675München

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