Aufs Tier gekommen - Salut Salon...Ibert und Astor Piazzolla, dem Begr nder des T ango Nuevo. A uch...

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Freitag, 5. Februar 2016SEITE 34 KULTUR

Shortlist fürBuchpreis steht

LEIPZIG � Gleich drei Bühnen-Autoren gehen mit Romanenins Rennen um den Preis derLeipziger Buchmesse. DieJury nominierte in der Kate-gorie Belletristik den Come-dian Heinz Strunk („Der gol-dene Handschuh“) sowie Nis-Momme Stockmann („DerFuchs“) und Roland Schim-melpfennig („An einem kla-ren, eiskalten Januarmor-gen“). Zudem steht mit „Froh-burg“ von Guntram Vesperein monumentaler Deutsch-land-Roman auf der Shortlist.Als einzige Frau wurde Mari-on Poschmann mit ihrem Ge-dichtband „Geliehene Land-schaften“ nominiert. DerPreis der Leipziger Buchmes-se ist mit 60000 Euro dotiertund wird am ersten Tag derBuchmesse verliehen � dpa

Hamburg öffnetFenster zu PicassoHAMBURG � Unter dem Titel„Picasso. Fenster zur Welt“zeigt das Bucerius Kunst Fo-rum in Hamburg vierzig Ge-mälde, Zeichnungen unddruckgrafische Werke des be-rühmten Künstlers. Erstmalswerde dabei das zentrale Mo-tiv des Fensters für das Werkvon Pablo Picasso (1881-1973)in allen Schaffensphasen be-leuchtet, sagte die Direktorindes Ausstellungshauses, Or-trud Westheider. Die Ausstel-lung vereint Leihgaben inter-nationaler Sammlungen un-ter anderem aus Barcelona,Paris und New York. Rundfünfzig Aufnahmen Picassosvon Fotografen wie RobertDoisneau und Edward Quinnergänzen die Präsentation,die noch bis zum 16. Mai zusehen ist. � dpa

Wasser aufden Mühlen

D ass internationaleFilmproduktionenmit deutschen Steuer-

geldern finanziert werden, istnicht unumstritten. Den Be-fürwortern, die gern wirt-schaftliche Gründe ins Feldführen, dürften daher Er-folgsmeldungen wie diesesehr gelegen kommen: Rund4700 Drehtage zählte das Me-dienboard Berlin-Branden-burg im vergangenen Jahr beiteilweise komplett ausge-buchten Studios und Film-crews. Vor allem die US-Serie„Homeland“ wirbelte Staubauf, denn Hollywoodstar Cla-re Danes weilte mit ihrenTeam fast fünf Monate in Ber-lin – und holte deutscheSchauspieler ins Boot. Wenndann noch Steven Spielbergs„Bridge of Spies“ einen Oscarholt – nominiert ist der in Ba-belsberg koproduzierte Strei-fen in sechs Kategorien – istdas Wasser auf den Mühlenhiesiger Filmförderer.

CARSTEN MÜLLER

SchriftstellerinRuth Rehmann

MÜNCHEN � Die Schriftstelle-rin Ruth Rehmann ist mit 93Jahren gestorben, wie derCarl Hanser Verlag in Mün-chen mitteilte. Rehmann warjahrelang in der Friedens-und Umweltbewegung aktivgewesen. Mit dem Schreibenbegann sie in den 50er Jah-ren. Aus ihrem ersten Roman„Illusionen“ (1959) las sienach Angaben des Verlagesauf 1958 auf der Tagung derGruppe 47. Zu den bekann-testen Werken der Tochter ei-nes evangelischen Pastorszählen der autobiografischeRomane „Der Mann auf derKanzel“ (1979), sowie die Bü-cher „Abschied von der Meis-terklasse“ (1985) und „DieSchwaigerin“ (1987). � dpa

POTPOURRI

RANDNOTIZ

Vorzüglicher Improvisator und InterpretFazil Say und Camerata Salzburg sorgen beim „Pro Arte“-Konzert in der Frankfurter Alten Oper für Begeisterungsstürme

Von Axel Zibulski

FRANKFURT � Wolfgang Ama-deus Mozart folgte mit dentürkischen Färbungen seinerMusik noch einer Mode, diesich in seiner Oper „Die Ent-führung aus dem Serail“ebenso widerspiegelte wie imunverwüstlichen Klavier-Rondo „alla turca“. Fazil Say,wie einst Mozart Komponistund Pianist in Personalunion,ist das Türkische in seiner

Musik mehr, nämlich min-destens eine starke Facetteim polyglotten Umfeld. In sei-nem zweiten Klavierkonzert(„Silkroad“) aus dem Jahr1994 fuhr der heute 42-jähri-ge Künstler imaginär die Sei-denstraße ab, bezog nebenindischen und tibetischenKlängen auch anatolische indas viertelstündige Werk ein.

Bei den „Pro Arte“-Konzer-ten in der Alten Oper Frank-furt ist Fazil Say in der laufen-

den Saison „Artist in Resi-dence“ und stellte nun, beimAuftritt mit der CamerataSalzburg, sein kaum viertel-stündiges zweites Klavierkon-zert op. 4 ans Ende des Pro-gramms, darin avantgardisti-sche Mittel zwanglos einset-zend: Das mit Gegenständenin den Saiten präparierte Kla-vier klingt bald wie eine exo-tische Laute, bald mit fernöst-lich kurzem Nachhall; einGong verbindet die vier Sät-

ze. Fazil Say, der „Residenz-künstler“, wurde seinem Ruf,als zeitgenössischer Kompo-nist einen ganzen Saal zumTosen zu bringen, vollendsgerecht.

Mit einem seiner neuestenWerke, nämlich der im ver-gangenen Jahr in Boston ur-aufgeführten Kammersinfo-nie für Streicher op. 62, hattedie ohne Dirigenten spielen-de Camerata Salzburg dasProgramm eröffnet, das ge-

wiss stärker reflektierte, abs-traktere Werk Says, der sichaußerdem einmal mehr alsvorzüglicher Improvisatormit großer Vorliebe für ver-minderte Akkorde empfahl.

Als Mozart-Interpret nahmer dessen Klavierkonzert A-Dur KV 414 erfreulich wört-lich, im Umgang mit dem No-tentext bei weitem nicht sofrei, wie man es von früherenseiner Auftritte in Erinne-rung hat.

Spannend war’s trotzdem –oder erst recht, weil der me-tallisch-harte Anschlag, denFazil Say bevorzugte, durchseinen pulsierenden Driveeine frische, direkte Ver-spieltheit gewann. Die Came-rata Salzburg begleitete hiereher diskret und wählte fürMozarts Sinfonie Nr. 29 A-DurKV 201 einen anderen, näm-lich ganz auf Geschmeidig-keit, leise Töne und Feinar-beit vertrauenden Zugriff.

Aufs Tier gekommenDas Quartett „Salut Salon“ gastiert mit seinem neuen Programm in der Alten Oper

Von Julia Radgen

FRANKFURT � Vier Musikerinnenentstauben das klassische Re-pertoire: „Salut Salon“ hat mitdem unterhaltsamen Zugriff aufdie sogenannte E-Musik be-trächtlichen Erfolg – und kommtmit einem neuen Album imGepäck nach Frankfurt.

Wenn bei „Salut Salon“ dieTiere Karneval feiern, befin-den sich Hühner, Schafe undsogar eine Leuchtqualle unterder Gästeschar. Mit seinemaktuellen Programm wagtsich das kammermusikali-sche Quartett erstmals an ei-nen programmatischenAbend – und kommt damitam Fastnachtsdienstag in dieAlte Oper Frankfurt.

An Karneval ist bekanntlichalles erlaubt. Nach diesemMotto haben auch „Salut Sa-lon“ ihr neuestes Programmerstellt. „Ein Karneval derTiere und andere Phantasien“nennen die vier Musikerin-nen aus Hamburg ihr Werk.„Wir hatten Lust auf etwasNeues und wollten uns aus-

probieren“, sagt Mitbegrün-derin Angelika Bachmann.Und das merkt man: Treffendarin die Klassiker aus dem„Karneval der Tiere“ des fran-zösischen Komponisten Ca-mille Saint-Saëns wie der ma-jestätische Löwe, die Halb-Esel und die Schildkröten aufzeitgenössische Gefährtenwie John Williams’ „Der wei-ße Hai“ und Schlange Kaa ausDisneys „Dschungelbuch“.

Für den musikalischenAbend aus dem Tierreichkramten die Hamburgerin-nen in der Musikgeschichteund wurden fündig: bei Jo-hann Sebastian Bach, JacquesIbert und Astor Piazzolla,dem Begründer des TangoNuevo. Auch afrikanischeund chinesische Musik inspi-rierte Bühnenprogramm undAlbum. „Das war die span-nendste Phase, erstmal wartheoretisch alles möglich“,erinnert sich Bachmann.

Die Arrangements und Mo-derationen für ihre Bühnen-show schreiben die vierselbst. So arrangierten sieauch Charles Aznavours „Les

Deux Guitares“ neu. NebenBachmann an der Geige undIris Siegfried (Geige und Ge-sang), die das Ensemble 2002gründeten, bilden heute Son-ja Lena Schmid am Cello undAnne-Monika von Twar-dowski Salut Salon. Sie allemusizieren seit Kindertagen,haben klassische Musikaus-bildungen und beeindru-ckende Lebensläufe.

Die Klassik und sich selbstnehmen die vier Damennicht ganz so ernst. Dafürsind „Salut Salon“ bekannt:Sie mischen Kammermusikmit Chanson, Pop, Tango undFilmmusik ohne Berührungs-ängste. Auf der Bühne präsen-tieren sie ihre Musik mit Wit-zen, Schauspieleinlagen und– passend zum Karneval –auch mal kostümiert oderlautmalerisch: Beim DanseMacabre hört man förmlichdie Untoten aus den Särgensteigen, wenn eine Bogen-stange über die Geige kratzt.

Die Musikerinnen habensichtlich Spaß dabei, brechenauch mal spontan in Geläch-ter aus. Doch zum Klamauk

verkommt ihr Konzert nie.Und den Spagat zwischen „U“und „E“ schaffen sie gleich inmehrfacher Hinsicht. Auf einausgelassenes Stück folgt einemotionaler, tief verinner-lichter Chanson.

Unbedingt sehenswert sindauch die akrobatischen Einla-gen der Musikerinnen, diedas Tempo bei Saint-Saëns’Presto furioso derart heftiganziehen, dass dabei nichtselten eine Saite reißt. Beein-drucken lassen sie sich davonkeineswegs. Mit routinierterHandbewegung wird die Sai-te abgezupft – und weitergeht die rasante Jagd. „DieMusik muss einfach Spaß ma-chen“, betont Bachmann.Und das weiß besonders einPublikum zu schätzen, dassonst keine klassischen Kon-zerte besucht.

➔ Am Fastnachtsdienstag, 9.Februar, um 20 Uhr spielen SalutSalon in der Alten Oper Frank-furt. Karten ab 44,50 Euro unter069/1340400, bereits am heuti-gen Freitag erscheint ihr neuesAlbum „Carnival Fantasy“.

Erschufen einen musikalischen Zoo: Angelika Bachmann, Iris Siegfried, Sonja Lena Schmid und Anne-Monika von Twardowski � Foto: p

Stunde Nullim Angesicht

des WeltkriegsVor 100 Jahren entstand Dada-BewegungVon Thomas Burmeisterund Dorothea Hülsmeier

ZÜRICH � Was ist Dada? Bisheute lässt sich das nicht ein-deutig beantworten. KeinWunder: Schon 1919 frotzel-te der deutsche Schriftstellerund Aktionskünstler Johan-nes Baader, einer der frühenAnhänger dieser Kunst- undLiteraturbewegung: „WasDada ist, wissen nicht einmaldie Dadaisten, sondern nurder Ober-Dada, und der sagtes niemand.“

Egal, Anlass zum Feiern bie-tet Dada allemal. Aus der Tau-fe gehoben wurde die revolu-tionäre Kunstrichtung vor100 Jahren im Cabaret Voltai-re in der Zürcher Spiegelgas-se 1. Mit dabei waren am 5.Februar 1916 die „Ur-Dadais-ten“ Hugo Ball, Tristan Tzara,Marcel Janco, Hans Arp, So-phie Taeuber-Arp, EmmyHennings und Richard Huel-senbeck.

Das Jubiläum wird in derBanken- und Kulturmetropo-le am Zürichsee ausgiebig ge-würdigt. Bis Ende des Jahresgibt es 165 Tage „zur Wieder-aufführung einer Legendeund zum Ausleben der Obses-sion an Dada“, wie die Veran-stalter vom Verein „da-da100Zürich2016“ erklären.

Warum genau 165? „Wir ha-ben lange recherchiert undBiografien sowie Daten zumWirken von 165 führendenDadaisten zusammenge-stellt“, sagt Projektspreche-rin Nora Hauswirth. „Jedeund jeder von ihnen wird alsPatin oder Pate eines der 165Dada-Feiertage geehrt.“

Am Anfang jedes der Dada-Tage steht ein klösterlichesOffizium, ein Stundengebet.So ist der 22. Februar 2016zum Beispiel Hugo Ball ge-widmet. Es ist der 130. Ge-burtstag des aus Pirmasensstammenden deutschen Au-tors, Dada-Mitbegründersund Pioniers des Lautge-dichts. Dann werden seine„Karawane“ und sein „Eröff-nungs-Manifest“ erneut öf-fentlich vorgetragen.

Erinnert wird auch an dieSchweizer Künstlerin SophieTaeuber-Arp, eine Meisterindes kubistischen Dada-Tan-zes. Und überall werden Ge-dichte des deutsch-französi-schen Malers und LyrikersHans Arp – einer der wich-tigsten Dadaisten und Surrea-

listen – zu hören sein. Darun-ter sein verstörendes Werk„Die Schwalbenhode“. Kost-probe: „die edelfrau pumptfeierlich wolken in säcke ausleder und stein – lautlos win-den riesenkräne trillerndelerchen in den himmel – diesandtürme sind mit watte-puppen verstopft“.

„Dada hat alle damals beste-henden Avantgardeströmun-gen wie den Expressionis-mus, den Futurismus undden Kubismus in sich aufge-nommen – und verdaut oderunverdaut wieder von sichgegeben“, sagt der Direktordes Cabaret Voltaire, AdrianNotz. Dazu gehörten Gedich-te in frei erfundenen „Laut-sprachen“, die niemand imeigentlichen Sinne verstehenkonnte. Als Kunstwerk gingfür Dadaisten allemal auchdie Pissoir-Schüssel durch,die 1917 von Marcel Du-champ unter dem Namen„Fontäne“ als solches dekla-riert wurde.

Warum Dada-Protagonistendie bisherige Kunst so radikalnegierten und die absoluteFreiheit bis hin zum völligenIrrationalismus proklamier-ten, lässt sich aus den histori-schen Umständen erklären.Es war die Zeit des ErstenWeltkrieges, der sich mit sei-nen Gemetzeln als total men-schenverachtende Vernich-tungsmaschinerie erwies.

Die neutrale Insel Schweizmit Zürich als Metropole wardamals der einzige Ort Euro-pas, an dem sich Künstler vonüberall her zusammenfindenund unbehelligt nach Ant-worten auf die Katastrophedes Weltkriegs suchen konn-ten. Während übrigens gleichgegenüber vom Cabaret Vol-taire ein spitzbärtiger Revolu-tionär aus Russland, bekanntunter dem Namen Lenin, denSturz des Zaren vorbereitete.

Vom Cabaret Voltaire austrat der Dadaismus zwar kei-nen „Siegeszug“ an, aber eineeinflussreiche Tournee umdie Welt. Inspiriert wurdenKünstler in Berlin und Köln,in Paris, New York, Latein-amerika und Japan. Spätergriffen Schöpfer des Surrea-lismus, der Pop-Art und desPunk auf Dada zurück. � dpa

Marcel Duchamps „Fontäne“ (1917) schrieb Kunstgeschichte. Zu se-hen ist das Objekt im Landesmuseum Zürich. � Foto: dpa

Neutrale Schweiz warein ideales Zentrum

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