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Bewegungsbezogene Therapien: Forschungsergebnisse und -potenziale
Dritter Fortbildungstag des LWL-Forschungsinstituts für des LWL-Forschungsinstituts für
seelische Gesundheit
17.02.2011
Dr. Sportwiss. Michael KrugDiplom-PsychologeSportpsychologe (asp/bdp)
LWL-Klinik Dortmund
Sportpsychologie im/in…
1) Leistungssport2) Prävention undRehabilitation
Was sind zentrale Ziele?
Leistungsoptimierung(von Athleten, Trainern, komplexeren Systemen)
Erhalt und Wiederherstellung von Gesundheit und Leistungsfähigkeit (in der Gesamtbevölkerung, bei psy. erkrankten Menschen)
Wie werden die Diagnostik/Intervention/Beratung/Betreuung
Tätigkeitsfelder in der Sportpsychologie
Wie werden die Ziele erreicht?
Diagnostik/Intervention/Beratung/Betreuung
Was können mögliche Inhalte sein?
Entwicklung von Fähigkeiten, Förderung der Trainerkompetenz, Persönlichkeits-entwicklung, Talentauswahl etc.
Kurz- und langfristige Effekte von Bewegung und Sport auf die psychische Gesundheit,Einstiegs- und Bleibemotivation,Nebenwirkungen
Babylonische Sprachvielfalt
Begriffe zur Beschreibung des Themenfeldes „Bewegung und Sport bei psychischen Erkrankungen“
Körperliche Aktivität
Gesundheitssport
Sport Körperlich-sportliche Aktivität
Bewegung
Leib
„Bewegung und Sport bei psychischen Erkrankungen“
Körper
Sport- und Bewegungstherapie
Klinische Bewegungstherapie
Trainingstherapie
Körpertherapie
Körperpsychotherapie
Bewegungstherapie
Sporttherapie
IBT
KBT
• Körperliche Aktivität bezieht sich auf jede Bewegung in Beruf, Alltag und Freizeit, die den Energieverbrauch über den Grundumsatz erhöht
metabolische Äquivalente (MET) zwischen ca. 3 und 14
• Sport bezeichnet primär auf eine zu erbringende körperliche Leistung (häufig verbunden mit einem Wettkampfcharakter)
metabolische Äquivalente (MET) > 6
Abgrenzung basaler Begrifflichkeiten
metabolische Äquivalente (MET) > 6
• Bewegungstherapie ist der am wenigsten einheitlich verwendete Begriff in der Psychiatrie und beinhaltet neben einem naturwissenschaftlichen Verständnis häufig auch ein phänomenologisches/therapeutisches Verständnis; es erfolgt nicht zwangsläufig eine deutliche Erhöhung des Energieverbrauchs
Die Säulen des bewegungsbezogenen Konzeptes der LWL-Klinik Dortmund
• Ein Großteil der Menschen in industrialisierten Nationen geht nicht einmal 2 Kilometer in der Woche zu Fuß (Schlicht & Brand, 2007)
• Konsequenzen der Inaktivität (WHO, 2002): – 1,9 Mio. vorzeitige Todesfälle,19 Mio. Disability-Adjusted-Life-Years (DALY)
• Empfehlungen zur körperlichen Aktivität (bei gesunden Erwachsenen)
Fakten zur körperlichen Aktivität
• Empfehlungen zur körperlichen Aktivität (bei gesunden Erwachsenen) des American College of Sports Medicine (2007)– 5 Tage/Woche je 30 Minuten mit moderater Intensität (oder 3 Tage/Woche
je 20 Minuten mit hoher Intensität)
– dazu ein Krafttraining mit 8-10 Übungen an 2 Tagen/Woche (8-12 Wdh.)
� Dieses Ziel wird in westlichen Industrienationen von ca. 10-15% erreicht (Mensik, 1999)
10
20
30
40
Männer
Ausmaß körperlicher Aktivität im europäischen Vergleich
Median MET`s Stunden pro Woche
0
10 Männer
Frauen
In Anlehnung an die Abbildung von Rütten, Abu-Omar, Lampert & Ziese, 2005; modifiziert (siehe auch die Daten des Eurobarometers 2002)
Auswirkungen von körperlicher Aktivität auf die Gesundheit (nach Rütten, Abu-Omar, Lampert & Ziese, 2005)
Lebenserwartung ▲▲▲
Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen ▼▼▼
Blutdruck ▼▼
Risiko an Darmkrebs zu erkranken ▼▼
Risiko an Diabetes mellitus typ II zu erkranken ▼▼▼
Beschwerden durch Arthrose ▼
Knochendichte im Kindes- und Jugendalter ▲▲
Auswirkungen körperlicher Aktivität
▼
Einige Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt/steigert
Moderate Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt/steigert
Zahlreiche Hinweise, dass körperliche Aktivität die Variable senkt/steigert
▲
▲▲
▲▲▲▼▼
▼▼
▼
Knochendichte im Kindes- und Jugendalter ▲▲
Risiko altersbedingter Stürze ▼▼
Kompetenz zur Alltagsbewältigung im Alter ▲▲
Kontrolle des Körpergewichts ▲
Angst und Depressionen ▼
Allgemeines Wohlbefinden und Lebensqualität ▲▲
Präventives Potenzial von körperlicher Aktivität
Ergebnisse aus Längsschnittstudien:
• Ein hinreichendes Ausmaß an Bewegung kann vor depressiven Erkrankungen schützen
(Camacho et al., 1991; Farmer et al., 1988; Paffenbarger et. al., 1994; (Camacho et al., 1991; Farmer et al., 1988; Paffenbarger et. al., 1994; Weyerer, 1992)
Kurzfristige Effekte von Sport
• Die kurzfristigen Effekte von Sport auf die Psyche lassen sich anhand des von Morgan (1985) beschriebenen Eisbergprofils verdeutlichen
Anhebung:
� Stimmung� Aktiviertheit /
Reduktion:
� Angst (state)� Deprimiertheit
• Die positiven Einflüsse eines aeroben Trainings (fitnessorientierter Sport) auf die aktuelle Befindlichkeit sind hinreichend belegt (siehe z.B. Abele & Brehm, 1994)
� Aktiviertheit / Ruhe
� Wohlbefinden
� Deprimiertheit� Spannung� Ärgererleben
© Dagmar Schmidt / PIXELIO / www.pixelio.de
Sport bei depressiven Erkrankungen – Zentrale Forschungsergebnisse
Ergebnisse aus Querschnittstudien:
• Ausdauersport wirkt ähnlich positiv wie Sertralin, die Wirkung setzt allerdings später ein (Blumenthal et al., 1999; Blumenthal et al., 2007)
• Auch störungsspezifisch konzipierte Bewegungstherapien (siehe z.B. • Auch störungsspezifisch konzipierte Bewegungstherapien (siehe z.B. Heimbeck, 2008) scheinen vergleichbare Effekte wie ein Ausdauertraining zu haben
Ergebnisse aus Metaanalysen:
• Die Ergebnisse von zwei Metaanalysen sprechen dafür, dass Sport einen essentiellen Beitrag zur Reduktion depr. Symptome liefert (North, McCullagh &Tran, 1990; Craft & Landers, 1998); wogegen die Ergebnisse einer weiteren Metaanalyse zu skeptischeren Urteilen kommt (Lawlor & Hopker, 2001)
Sport bei depressiven Erkrankungen – Zentrale Forschungsergebnisse
Hopker, 2001)
• Längere Interventionsphasen scheinen deutlichere Auswirkungen zu haben (als minimale Programmdauer werden 9 – 12 Wochen empfohlen)
• Effekte scheinen für leichte bis schwere Depressionen zu gelten
• Die meisten Veränderungen wurden für aerobe Lauftrainings gefunden (allerdings scheinen auch andere Trainingsformen wie z.B. Krafttraining oder anaerobes Training ähnliche Ergebnisse zu haben)
Klinische Relevanz des Forschungsstandes
„Zum heutigen Zeitpunkt kann unserer Überzeugung nach über den möglichen Beitrag von sportlicher Betätigung in der Therapie klinisch-depressiver Störungen tatsächlich und anderslautenden Kommentaren zum Trotz (z.B. Biddle & Mutrie, 2001) nur spekuliert werden (vgl. auch Burbach,
„Die gute Botschaft ist die, dass Sport zwar vielleicht nicht wirkungsvoller ist als andere Therapien, aber eine Medikation durch Antidepressiva ersetzen kann, da genauso wirkungsvoll.“ (Alfermann & Stoll, 2010, S. 307)
Trotz (z.B. Biddle & Mutrie, 2001) nur spekuliert werden (vgl. auch Burbach, 1997).“ (Brand & Schlicht, 2008, S. 631)
„Körperliches Training kann aus klinischer Erfahrung heraus empfohlen werden, um das Wohlbefinden zu steigern und depressive Symptome zu lindern.“ (S3-Leitlinie Unipolare Depression, 2009, S. 143)
Sonstige langfristige Effekte von Sport
� Es existieren deutlich weniger Forschungsergebnisse für klinisch relevante Angststörungen und für psychotische Erkrankungen
� Forschungsergebnisse zu den Auswirkungen von Sport/körperlicher Aktivität liegen für folgende psychologische Konstrukte vor:
– Stressreaktivität (z.B. Crews & Landers, 1987; Jackson & – Stressreaktivität (z.B. Crews & Landers, 1987; Jackson & Dishman, 2006)
– Selbstkonzept/Selbstwertgefühl (z.B. Spence et al., 2005)
– Kognitive Funktionen (z.B. Colcome & Kramer, 2006; Etnier et al., 2006)
Potenziale im Bereich der Grundlagen- und Interventionsforschung
…welche Art/Dosis von Bewegung?
…unter welchen Bedingungen?
…bei welcher Zielgruppe (Diagnose)?
…bei welcher Dimension von psychischer/physischer Gesundheit?…bei welcher Dimension von psychischer/physischer Gesundheit?
…mit welchen Wirkmechanismen?
„Künftig ist die in der Forschung dominierende physiologische Ausrichtung der Bewegungsaktivitäten durch die Integration relevanter psychischer und sozialer Komponenten zu ergänzen.“ (Allmer, 1998, S. 424)
2,56
2,51
2,31
2,13
1,9
1,66
1,58
Medizinische Therapie
Allgemeine Gruppentherapie
Krankengymnastik/Massage
Gespräche mit andere Patienten
Biofeedback
Sport- und Bewegungstherapie
Einzeltherapie
Psychiatrische Versorgung:Bewegung ist bei Patienten beliebt
2,99
2,91
2,56
1 2 3 4 5
Gespräche mit dem Pflegepersonal
Besuch von Verwandten/Freunden
Medizinische Therapie
Welche Faktoren erleben Patienten als hilfreich? (N = 98), Heimbeck, 2008
sehr hilfreich überhaupt nicht hilfreich
Bewegungsangebote in der Psychiatrie
PsychePhysis
Krankengymnastik
Feldenkrais
Integrative Bewegungstherapie
Konzentrative Bewegungstherapie
Progressive RelaxationSport
Viel Forschung
Kaum Forschung
PsychePhysis
In Anlehnung an Hölter, 2008; modifiziert
TanztherapieMassage
Atemtherapie
Therapeutisches Reiten
Autogenes Training
(Psychotherapie)(Physiotherapie)
Körperpsycho-therapie
Bewegungsangebote in der Psychiatrie
PsychePhysis
Krankengymnastik
Feldenkrais
Integrative Bewegungstherapie
Konzentrative Bewegungstherapie
Progressive RelaxationSport
Viel Forschung
Kaum Forschung
PsychePhysis
In Anlehnung an Hölter, 2008; modifiziert
TanztherapieMassage
Atemtherapie
Therapeutisches Reiten Autogenes
Training
(Psychotherapie)(Physiotherapie)
Körperpsycho-therapie
Anwendungsbezogene Potenziale
Der bewegungsbezogene Alltag in der Psychiatrie (u.a. langjährig praktisch erprobte Therapien/Verfahren, Komorbidität, heterogene Patientengruppen) wird bis jetzt in der Forschung nicht hinreichend berücksichtigt
Folgende wichtige Fragen sind somit weitgehend unbeantwortet:
Was hat sich durch die bewegungsbezogenen Therapien Was hat sich durch die bewegungsbezogenen Therapien verändert?
� Es existiert kein Fragebogen, der am Ende einer psychiatrischen Behandlung eingesetzt werden könnte, um die originären Veränderungen durch die bewegungsbezogenen Therapien zu erfassen
Wie kann man Patienten zu Sport/Bewegung motivieren?
• Motivationsmodelle:
Bildung einer Intention im Sinne von „Ich nehme mir vor,…“ (Selbstdeterminationstheorie, Deci & Ryan, 1985)
Einstiegs- und Bleibemotivation
Amotivation
• Keine Ziele (z.B. mehr
Extrinsische Motivation
• Handlung, erfolgt, da
Intrinsische Motvitation
• Handlung erfolgt, da (z.B. mehr
Sport machen)• Keine
Handlung
erfolgt, da Andere etwas wollen
• Handlung erfolgt, da Ziele als bedeutsam erkannt werden
• Handlung erfolgt, da Ziele ins eigene Wertesystem passen
erfolgt, da etwas dem eigenen Handlungs-interesse und Wertesystem entspricht (Handlung um ihrer selbst willen)
Handlungs-ausführung?
• Stadien- und Prozessmodelle:
Transtheoretisches Modell (TTM) von Proschaska & DiClimente(1983)
Aufrecht-erhaltung
Einstiegs- und Bleibemotivation
Absichts-losigkeit
Absichts-bildung
Vor-bereitung
Handlungerhaltung
Einstiegs- und Bleibemotivation
• Stadien- und Prozessmodelle:
Motivations-Volitions-Prozessmodell (Fuchs, 2006; Göhner & Fuchs, 2007)
http://www.sport.uni-freiburg.de/institut/Arbeitsbereiche/psychologie/psych_proj/konz/MoVoskizze
– MoVo-LISA ist das empirisch überprüfte Interventionsprogramm (manualisiert) für lebensstilintegrierte sportliche Aktivität
– Schwerpunkt ist die Herausbildung volitionaler Kompetenzen (Selbstbeobachtungstraining, Antizipation von kritischen Hindernissen, Entwickeln und Testen von Implementierungsintentionen)
– Fuchs et al., 2010: Quasi-experimentelle Studie (Kontroll- und Interventionsstudie) in der Orthopädie
Einstiegs- und Bleibemotivation
Interventionsstudie) in der Orthopädie• Interventionen während des Aufenthalts: 2 Gruppengespräche, 1 kurzes
Einzelgespräch
• Interventionen nach Beendigung des Aufenthalts:1 postalische Erinnerung, 1 Kurztelefonat
• Interventionsgruppe war 1 Jahr nach Beendigung der Therapie 28 min. / Woche länger sportlich aktiv (p = .05) und hatte ein geringeres Beschwerdeerleben
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Sportwiss. Michael KrugDiplom-PsychologeSportpsychologe (asp/bdp)
LWL-Klinik Dortmund
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