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Eva Heinold-Krug/Klaus Meisel (Hrsg.) Qualität entwickeln – Weiterbildung gestalten Handlungsfelder der Qualitätsentwicklung

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Eva Heinold-Krug/Klaus Meisel (Hrsg.)

Qualität entwickeln –Weiterbildung gestalten

Handlungsfelder der Qualitätsentwicklung

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Herausgebende Institution

Deutsches Institut für Erwachsenenbildung

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung ist eine Einrichtung der Wissen-schaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz (WGL) und wird von Bund und Län-dern gemeinsam gefördert. Als wissenschaftliches Institut erbringt es Dienstleis-tungen für Forschung und Praxis der Weiterbildung. Das Institut wird getragen von18 Einrichtungen und Organisationen aus Wissenschaft und Praxis der Erwachse-nenbildung, die Mitglieder im eingetragenen Verein „DIE“ sind.

Wissenschaftliches Lektorat: Karin Frößinger, DIE

Die dieser Publikation zugrundeliegenden Vorhaben wurden mit Mitteln desBundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem FörderkennzeichenW 1129.00 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegtbei den Autorinnen und Autoren.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der DeutschenNationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internetüber <http://dnb.ddb.de> abrufbar.

Verlag:W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KGPostfach 10 06 3333506 BielefeldTelefon: (0521) 9 11 01-11Telefax: (0521) 9 11 01-19E-Mail: [email protected]: www.wbv.de

Bestell-Nr.: 81/0086

© 2002 W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG, BielefeldSatz: Grafisches Büro Horst Engels, Bad VilbelHerstellung: W. Bertelsmann Verlag, BielefeldISBN 3-7639-1856-6

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Inhalt

Vorbemerkungen ................................................................................... 5

I. Einleitung

Klaus MeiselQualitätsentwicklung im Aufbruch ............................................................ 9

II. Die weiterbildungspolitische Ebene der Qualitätsentwicklung

Hans-Werner FranzPerspektive Europa: Deutschland auf dem Holzweg? .......................... 23

Peter KrugAnsätze und Perspektiven der Länder zur Weiterbildungsqualität .... 38

Ursula HerdtPlädoyer für eine umfassende Qualitätspolitik ...................................... 50

Knut DiekmannQualitätskriterien für berufliche Weiterbildung im Wettbewerb ....... 56

Wilhelm F. LangQualitätsmanagement als Verbandsstrategie ........................................ 61

III. Qualität von Organisation und Professionalität

Christina Heimlich/Eva Heinold-KrugErfolgsfaktoren für Qualitätsentwicklung............................................... 69

Eva Heinold-KrugQualifizierung des hauptberuflichen Personals für dieQualitätsentwicklung.................................................................................. 79

Hannelore BastianGestaltung der Zusammenarbeit von haupt- und freiberuflichMitarbeitenden ............................................................................................. 91

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IV. Qualitätsentwicklung im Kunden- und Lernerinteresse

Alfred TöpperBildungstests als Element der Qualitätssicherung in derWeiterbildung ............................................................................................. 105

Christiane Ehses/Rainer ZechOrganisationale Qualitätsentwicklung aus der Perspektiveder Lernenden – eine Paradoxie? ........................................................... 114

V. Kompetenzen, Zertifikate und ihre Anerkennung im Kontextder Qualitätsentwicklung

Peter Faulstich/Per VespermannBedeutung und Perspektiven von Zertifikaten für die Qualitätder Weiterbildung ...................................................................................... 127

Dieter GnahsAnerkennung infomellen Lernens im Kontext derQualitätsdiskussion ................................................................................... 135

VI. Fazit

Eva Heinold-KrugEmpfehlungen zur Verständigung über Handlungsfelderder Qualitätsentwicklung......................................................................... 145

Autorinnen und Autoren................................................................................... 156

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Vorbemerkungen

Seit mittlerweile mehr als einem Jahrzehnt wird in der Fachöffentlich-keit ein kontinuierlicher Diskurs zu Fragen der Qualitätssicherung, der Quali-tätsentwicklung und des Qualitätsmanagements in der Weiterbildung geführt.Die verschiedenen Phasen der Diskussion waren von unterschiedlichen Schwer-punkten geprägt. Nachdem die anfänglichen Abwehrhaltungen aufgelöst wor-den waren, stand neben der Frage nach der Angemessenheit der verschiedenenQualitätsmanagementsysteme die Organisations- und Ablaufqualität im Mittel-punkt. Zahlreiche Initiativen und Projekte wurden – auch auf weiterbildungspo-litischer Ebene – auf den Weg gebracht und dokumentieren die vielfältigen, aberauch unverbundenen Qualitätsanstrengungen in der Erwachsenenbildung.

Das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) begleitete die prak-tischen, theoretischen und weiterbildungspolitischen Entwicklungen kontinuier-lich. Sicherlich war es kein Zufall, dass sich 1993 die erste Nummer der Insti-tutszeitschrift mit den unterschiedlichen Facetten der Qualitätsdiskussion be-schäftigte. In einem von Bund und Ländern geförderten Projekt begleitete dasDIE träger- und bereichsübergreifende Entwicklungsarbeiten, um diese im Hin-blick auf ihre weitergehende Implementation im Feld auszuwerten und zu mul-tiplizieren. Das Institut achtete darauf, dass nicht nur organisationsbezogene Ma-nagementansätze in der Fachöffentlichkeit ausgetauscht, sondern auch programm-bereichsspezifische Arbeiten (beispielsweise in der Gesundheitsbildung und imFremdsprachenbereich) transportiert wurden. Darüber hinaus wurden eigeneAnstrengungen im Hinblick auf die Förderung der Qualitätstransparenz von Lern-medien unternommen. Quasi prozessbegleitend unterstützte das Institut einenkontinuierlichen Austausch zwischen Theorie, Praxis und politischer Verwal-tung der Weiterbildung. Im Rahmen des Projektes „Entwicklung und Erprobungeines integrierten Fortbildungskonzepts zum/r Qualitätsentwickler/in“ wurdenneben dem innovativen Fortbildungsmodell Praxishilfen entwickelt sowie Fall-studien dokumentiert und ausgewertet. Gegenwärtig vergleicht das DIE in Zu-sammenarbeit mit dem Institut ArtSet in Hannover die überregional relevantenin der Weiterbildung praktizierten Qualitätsmodelle. Geprüft wird, ob ein ge-meinsames Referenzmodell entwickelt werden kann, das einen bundesweitenund bereichsübergreifenden Nachweis der Qualitätsanstrengungen gegenüberden potenziellen Kunden ermöglicht.

Heute stehen die unterschiedlichen Akteure also mehr und mehr vorder Frage, ob sie sich aus Verantwortung gegenüber den erwachsenen Lerninte-ressierten auf einen gemeinsamen Rahmen verständigen können, ohne auf die

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Produktivität der Vielfalt verzichten zu müssen. Es gibt Stimmen, die professi-onsspezifische Anstrengungen als eher nachrangig oder sogar überflüssig anse-hen. Qualität in der Bildungsarbeit bedeutet jedoch, immer wieder unterschied-liche Interessen und Bedürfnisse wahrzunehmen. Bildungsqualität wird durchviele Bedingungen beeinflusst und ist bei Berücksichtigung sehr unterschiedli-cher Dimensionen ständig neu auszuhandeln, zu sichern und damit weiter zuentwickeln. Zieht man all diese Faktoren in Betracht, dann wird deutlich: Qua-litätsentwicklung hat stets etwas mit der Weiterentwicklung der Professionalitätzu tun. Dieser Aspekt ist nicht neu und wird das Feld auch in Zukunft beschäfti-gen.

Klaus MeiselDeutsches Institut für Erwachsenenbildung

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I. Einleitung

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Klaus Meisel

Qualitätsentwicklung im Aufbruch

Qualitätsentwicklung als Gestaltungsthema

Als Anfang der 1990er Jahre innerhalb der Fachöffentlichkeit die Rele-vanz der DIN ISO 9000 ff diskutiert wurde, kam gleichzeitig die Frage auf, wielange denn das Thema „Qualität“ im Mittelpunkt des wissenschaftlichen undpraktischen Diskurses in der Weiterbildung stehen würde. Prophezeit wurde,dass es bei der Qualitätsdebatte um eine der in der Weiterbildung üblichen tem-porär vorherrschenden Diskussionen ginge, die zunächst mit hohem Aufwandaufgeregt behandelt werden, aber schnell auch von anderen, tagespolitisch be-deutsameren Fragestellungen abgelöst werden würde. Diese Einschätzung ver-kannte, dass die Auseinandersetzung um die Qualitätssicherung und -entwick-lung in der Weiterbildung stets eng mit den Professionalisierungsanstrengungenund der Professionalitätsentwicklung in der Weiterbildung verknüpft ist (vgl.Schlutz 1996; Gieseke 1997) und insofern bereits ein „Dauerthema“ war. Faul-stich stellte hierzu fest, dass es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Phasengab, in denen die Qualitätsdiskussionen intensiver geführt wurden und die In-tensivierung immer durch Gestaltungsfragen provoziert worden sei (vgl. Faul-stich 1991). Die dauerhafte Auseinandersetzung mit dem Thema im letzten Jahr-zehnt kann dementsprechend als Hinweis darauf gewertet werden, dass sich dieWeiterbildung derzeit in einer ausgeprägten Gestaltungsphase befindet. Fragennach der Qualität und Professionalität der Weiterbildung tauchen dabei aus ver-schiedenen inhaltlichen Perspektiven und mit unterschiedlich aufgeladenen In-teressen seitens der verschiedenen Akteure auf. Die Durchdringung der Weiter-bildung mit Marktprinzipien und die Entwicklung der Weiterbildungslandschaftzu einem zwar in mehrfacher Hinsicht gespaltenen, aber dennoch weitgehendderegulierten Weiterbildungsmarkt (vgl. Friebel 1993) führten zu einem für dieAbnehmer kaum mehr zu überblickenden Angebots- und Trägermarkt, der denpotenziellen Kunden keine gesicherte Qualitätseinschätzung ermöglicht. Auf-grund zahlreicher Qualitätsmängel von beruflichen Bildungsangeboten in denneuen Ländern (vgl. Sauter 1992) standen gerade in diesem Weiterbildungsbe-reich verstärkte Qualitätsanstrengungen auf der Agenda. Zudem musste festge-stellt werden, dass die Profession zwar über mannigfaltige Kriterienkataloge, be-reichsbezogene Richtlinien, pädagogische Evaluationsmethoden und andere In-strumente zur Qualitätssicherung verfügte, aber über kein systematisches und

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integratives Qualitätsmanagementkonzept. Neu an der Qualitätsdebatte der letz-ten zehn Jahre ist also nicht die Frage nach der Sicherung und Weiterentwick-lung von Bildungsqualität an und für sich. Neu ist vielmehr die Frage, wie undob sich die unterschiedlichen Absichten, Kriterien und Interventionsformen zueinem für die Gesamtheit der Bildungsorganisationen geltenden Organisations-und Handlungssystem zusammenschließen lassen.

Die Erwachsenenbildner selbst sind mit durchaus grundsätzlichen Ver-änderungsanforderungen konfrontiert. Diese beziehen sich zum einen auf dieOrganisationsebene, auf der verstärkt Managementkompetenzen zum Umgangmit betriebswirtschaftlichen und erwachsenenpädagogischen Referenzsystemengefordert werden (vgl. Meisel 2001). Auf der pädagogisch-praktischen Ebeneverunsichert die Trendwende von der „Belehrungspädagogik“ zur „Ermöglichungs-didaktik“ (vgl. Arnold 1996), da damit verbunden die Kriterien von erwachse-nenpädagogischer Qualität noch unklarer werden. Aus der institutionellen Per-spektive geht es um die Frage, wie man sich auf dem Weiterbildungsmarkt zu-kunftsfähig profilieren und durch Qualität einen Marktvorteil erhalten kann. Jeteurer Weiterbildungsangebote sich für den „Verbraucher“ darstellen, desto stär-ker entwickeln sie auch ein Qualitätsbewusstsein insbesondere hinsichtlich derLernumgebung und des Lernsupports. Nach dem Berichtssystem Weiterbildung2000 schätzen 62% der Befragten die Qualitätssicherung in der Weiterbildungals wichtig ein (vgl. Pahl 2002). Die öffentlichen Zuwendungsgeber drängendarüber hinaus gerade in Zeiten knapperer Ressourcen auf einen effizienten undeffektiven Mitteleinsatz. Die Debatte wird zur Zeit also auf unterschiedlichenEbenen und mit unterschiedlichen Interessen geführt: Inhaltlich wird das Selbst-verständnis von Weiterbildung in der Gesellschaft diskutiert. Auf der Ebene derProfession geht es um Revitalisierung vorhandenen Know-hows und dessenWeiterentwicklung zu einem System. Marktanteile, Finanzierung und Effizienzsind die wichtigsten Themen in ökonomischer Hinsicht, und auf der ordnungs-politischen Ebene geht es um Transparenz, Verbraucherschutz, Anerkennung undFörderung (vgl. Meisel 2001, S. 109 ff.).

Vielfalt versus System?

Vor dem Hintergrund der beschrieben Bedeutung des Qualitätsthe-mas für die Gestaltung der Weiterbildung ist es nicht verwunderlich, dass inden letzten Jahren neben einrichtungsbezogenen Initiativen landes- und bun-desweit zahlreiche Projekte und Modellversuche zum Thema Qualitätssiche-rung/-management durchgeführt wurden, die hier nur unvollständig genanntwerden sollen. Unerwähnt bleiben die bereits existierenden gesetzlichen Re-gelungen (Weiterbildungsgesetze der Länder und Fernunterrichtsgesetz) und die

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einschlägigen Anforderungen an Träger und Maßnahmen der Bundesanstalt fürArbeit.

Die Projekte lassen sich hinsichtlich der räumlichen Reichweite, desBildungsbereichs, der Trägerbezogenheit und des anvisierten Qualitätsmanage-mentansatzes unterscheiden. Um eher bereichsspezifische Initiativen handeltes sich bei den Strukturierungshilfen für ein Qualitätsmanagement in der Fami-lienbildung (vgl. Schiersmann u. a. 2001) und in der politischen Bildung (vgl.BMFSFJ 1998). Im Fremdsprachenbereich existieren auf europäischer Ebeneunterschiedlich organisierte Qualitätssicherungssysteme (vgl. Handt 1999).Besonders für die beruflichen Weiterbildungseinrichtungen haben die deutschenWirtschaftsverbände die Firma Certqua gegründet, die Beratung und Zertifizie-rung von Qualitätsmanagementprozessen nach der ISO Norm 9000 ff. anbietet(vgl. Kegelmann 1995). Schwerpunktmäßig für den Bereich der öffentlichenWeiterbildung erarbeitete eine Projektgruppe am Deutschen Institut für Erwach-senenbildung (DIE) eine Branchenversion des Modells der European Foundati-on for Quality Management (EFQM) (vgl. Heinold-Krug u. a. 2001).

Bundesweit wirkte das DIE mit einem dialogischen Ansatz im Projekt„Qualitätssicherung“ trägerübergreifend für die allgemeine Erwachsenenbildung(vgl. Küchler/Meisel 1999). In dessen Rahmen wurde auch eine Qualitätscheck-liste für Weiterbildungsinteressierte vom Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben,der Deutschen Evangelischen Erwachsenenbildung, dem Deutschen Volkshoch-schul-Verband und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Katholischen Erwachse-nenbildung erstellt. Vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)wird derzeit ein großes Projekt zu vergleichenden Bildungstests bei der StiftungWarentest gefördert (vgl. Stiftung Warentest 2002). Ebenfalls vom BMBF unter-stützt wird ein Projekt am DIE zur Entwicklung und Erprobung eines Fortbil-dungskonzepts zum/r Qualitätsentwickler/in für Weiterbildungsorganisationen(vgl. Mathes 2002).

Um eher trägerbezogene Aktivitäten handelt es sich bei der Entwick-lung eines Fragenkatalogs zur Selbstevaluierung des Landesverbandes der Volks-hochschulen in Niedersachen (vgl. LV 1996), bei der Implementation des EFQM-Systems im Zuständigkeitsbereich des bayerischen Volkshochschulverbandes oderder Einführung einer EFQM-Adaption an den VHS in Baden Württemberg.

Zu den in erster Linie landesbezogenen Aktivitäten zählen die Initiati-ven des nordrhein-westfälischen Landesinstituts für Schule und Weiterbildungzur wechselseitigen Entwicklungsberatung von Weiterbildungseinrichtungen, dasGütesiegel Weiterbildung in Hamburg (vgl. Krüger 1999), das Qualitätsentwick-

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lungssystem Sachsen, das unter Mitwirkung der Universitäten Leipzig und Dres-den für Weiterbildungseinrichtungen in Sachsen entwickelt wurde (vgl. Sächsi-scher VHS-Verband 2002), oder das von Bund und Ländern geförderte Projekt„Lernerorientiertes Qualitätsmodell für Weiterbildungsorganisationen“ (Ehses/Heinen-Tenrich/Zech 2002). Landespolitisch sind darüber hinaus die Initiativenin Bremen (Dokumentation eines Qualitätsmanagementsystems als Vorausset-zung für die staatliche Anerkennung) und Niedersachsen (Anforderung an eineregelmäßige Evaluation) hervorzuheben (vgl. Gnahs 1999).

Mit diesen – hier unvollständig dargestellten – beeindruckenden An-strengungen weist das Weiterbildungssystem, anders als bei früheren Moderni-sierungsschüben, die Fähigkeit auf, für eine strukturelle Verankerung von Quali-tätsentwicklung in der Profession zu sorgen. Die Breite und Vielfalt der Initiati-ven beinhaltet eine eminente Produktivität, die nicht zu unterschätzen ist. Aufden unterschiedlichsten Ebenen sind zahlreiche Akteure aktiv in die Entwick-lungs- und Umsetzungsarbeiten eingebunden, was deren Akzeptanz sicherlicherhöht. Es wurden Qualitätsmanagementmodelle entwickelt bzw. Modelle zurSelbstbewertung adaptiert, die an die europäischen Entwicklungen anschlussfä-hig sind und bereits für die Anwendung in Weiterbildungsorganisationen ange-passt wurden. Bei aller Unterschiedlichkeit der angewendeten Managementsys-teme lässt sich aus den dokumentierten Praxiserfahrungen durchaus eine Reihevon Gemeinsamkeiten herauskristallisieren (vgl. Küchler/Meisel 1999). Prakti-sche Qualitätsentwicklung

– setzt an der Schaffung von organisatorischen Bedingungen und derOptimierung der Lernumgebung sowie entsprechenden Service- undSupportleistungen an;

– konzentriert sich auf Schlüsselsituationen des erwachsenenpädagogi-schen Handelns wie z. B. Bedarfserhebung und Evaluation der Ange-botsqualität;

– wird in unmittelbarem Zusammenhang mit der Organisations- und Per-sonalentwicklung gesehen;

– wird prozessorientiert begriffen und zielt auf eine Verbesserung derSchlüsselprozesse;

– nutzt gegenstands- und organisationsangemessene Methoden, d. h.besonders eine Verschränkung von Selbstevaluation und externer Be-gutachtung/Beratung;

– geht von der Definition von Mindestanforderungen aus mit dem Ziel,Entwicklungsprozesse einzuleiten.

Kritisch betrachtet werden muss aber auch, dass man aus Erfahrungs-berichten den Eindruck gewinnen kann, dass bei nicht wenigen Einrichtungen,

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die Qualitätsmanagementprozesse eingeführt haben, primär die Optimierungder Organisation im Vordergrund steht. Dies mag verständlich sein, da in derVergangenheit die Beschäftigung mit organisationellen Fragen der Arbeit nichtgerade im Mittelpunkt des Professionsverständnisses stand. Möglicherweise ver-deckt mittlerweile der inflationär genutzte Managementbegriff die realen päda-gogischen Reflexionen, Vorgehensweisen und Ergebnisse. Zumindest also in derDarstellung wird oft die Frage, wie die pädagogische Qualität durch die entspre-chende Gestaltung der Lernumgebung weiterentwickelt werden kann, vernach-lässigt. Eher unterbewertet wird mancherorts auch das aktive Einbeziehen desneben- und freiberuflichen Personals, dessen weitere Professionalisierung ei-gentlich im Mittelpunkt der Anstrengungen stehen müsste. Denn letztlich ist esdieser Personenkreis, der die Qualität mit den Lernern in einem ständigen Aus-handlungsprozess transportieren und herstellen muss (vgl. Bastian/Köllner-Pris-ner 1999). Anscheinend – so eine Vermutung – beeinflussen die teilweise schwie-rigen Beschäftigungsverhältnisse und mangelnden Möglichkeiten zur leistungs-gerechten Entlohnung unbewusst die Ausrichtung der Qualitätspolitik der Ein-richtungen. Restrukturiert man die verschiedenen Aktivitäten, dann kann mandurchaus auch ein System der Verknüpfung der Entwicklung einer Organisati-onsqualität, der Unterstützung der Maßnahmequalität, der Förderung der weite-ren Professionalisierung, der Initiierung des vernetzten Austauschs von Best-Practice-Beispielen und der Förderung des Verbraucherschutzes erkennen. Gleich-wohl muss aber auch festgestellt werden, dass die nicht überschüssig vorhande-nen Ressourcen an vielen Stellen für die gleichen Aufgaben eingesetzt werden,die aufgewendeten Energien auf die verschiedenen Dimensionen der Qualitäts-förderung unterschiedlich verteilt sind und dass gerade die unterschiedlichenorganisationsbezogenen Managementsysteme für den „Verbraucher“ bislang nureingeschränkt aussagefähig, geschweige denn vergleichbar sind. Der Vielfalt anQualitätsmodellen steht nun eine erneute Undurchschaubarkeit für die potenzi-ellen Kunden der Weiterbildungseinrichtungen gegenüber. Darüber hinaus exis-tieren viele Einrichtungen, die zahlreiche, nicht zuletzt auch kostenintensiveAnstrengungen zur Einführung eines auf Selbstevaluation angelegten Systems anQualitätsentwicklung unternommen haben. Sie würden sich nun gern einer Formder externen Testierung unterziehen, um ihre Bemühungen für die Teilnehmen-den auch offensiver gegenüber den Kunden kommunizieren zu können.

Eine verbraucherorientierte Qualitätssicherung mit Hilfe von verglei-chenden Bildungstests kann zwar eine verstärkte Konzentration auf die Angebots-qualität durch eine produktive Irritation der Einrichtungen erreichen. Auch dasQualitätsbewusstsein der „Verbraucher“ kann durch Vermittlung von Erwartun-gen, die man an eine professionell geplante Weiterbildung haben darf, gefördertwerden. Bei der vorhandenen Vielfalt, den weiteren „Individualisierungen“ der

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Angebote und der tendenziellen Unvergleichbarkeit von Einrichtungen könnenBildungstests jedoch nur eingeschränkt wirken. Andere durch Projektarbeiten inGang gekommene nutzerorientierte Aktivitäten – wie beispielsweise die Erstel-lung und Verteilung einer Qualitätscheckliste für die Interessierten – wurden nichtmehr konsequent weiterverfolgt. Dass einzelne Träger und Interessenverbändeeigene Wege eingeschlagen haben, mag verständlicherweise darauf zurückzufüh-ren sein, dass sie in dem paradoxen Spannungsfeld zwischen der Konkurrenz umMarktanteile und der konstruktiven Beteiligung am professionellen Diskurs agie-ren müssen. Weniger nachvollziehbar ist bei näherem Hinschauen die ausgeprägteUnterschiedlichkeit in der Qualitätspolitik bei den weiterbildungspolitischenEntscheidungsträgern. Sicherlich ist es gelungen – wie das Peter Krug für denAusschuss für Fort- und Weiterbildung der Kultusministerkonferenz dargestellt hat– zu verhindern, dass alle Weiterbildungseinrichtungen faktisch gezwungen sind,sich nach der ISO Norm zertifizieren zu lassen; und es sind auch zahlreiche an-dere wichtige Impulse für die Öffnung zu unterschiedlichen angemessenen Ver-fahren und Zugängen zur Qualitätsentwicklung erfolgt (vgl. Krug 1997; Krug 2002).Kritisch bleibt aber anzumerken, dass es den weiterbildungspolitischen Entschei-dungsträgern nur unzureichend gelungen ist, die einzelnen Strategien in ein ge-meinsames Konzept und in einen gemeinsamen Handlungsrahmen zu stellen.

Anforderungen an eine übergreifende Handlungsorientierung:Qualitätsentwicklung als Motor zur Weiterentwicklung derProfessionalität

Nun wäre es naiv zu hoffen (und es wäre wahrscheinlich auch garnicht wünschenswert), dass sich zukünftig alle Weiterbildungsakteure auf eingemeinsames Qualitätsmanagementkonzept festlegen. „Um so wichtiger ist dieHerausforderung, sich auf Dimensionen zu einigen, die eine Vergleichbarkeitder Konzepte ermöglichen, und deren Angemessenheit für den Bereich der Wei-terbildung überprüfbar zu machen“ (Schiersmann 2002, S. 25). Vorgeschlagenwurde deshalb, ein Strukturmodell für die Analyse und Einordnung von Quali-tätskonzepten zu entwickeln (vgl. Meisel 2002; Heinold-Krug/Meisel 2001) –ein Gedanke, der mittlerweile auch Eingang in die Weiterbildungspolitik gefun-den hat. Veronika Pahl, Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Bildungund Forschung, formuliert hierzu: „Für die Zukunft wird es darauf ankommen,die strukturellen Qualitätskomponenten weiter systematisch miteinander zu ver-knüpfen“ (Pahl 2002, S. 40). Die Konzertierte Aktion Weiterbildung (KAW) hatvergleichbare Handlungsanforderungen in einer gemeinsamen Erklärung festge-halten (KAW 2000):

„– Entwicklung eines Strukturmodells im Sinne eines Leitbildes unter Be-rücksichtigung der relevanten Kriterien für die Qualitätsentwicklung

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– Verknüpfung des Qualitätsmanagements mit Konzepten der Organisa-tions- und Personalentwicklung

– Stärkung der Position der Verbraucher, z. B. durch Bildungstests, durcheinrichtungsspezifische und übergreifende Gütesiegel oder durch dieIntegration vorhandener Checklisten

– Erhöhung der Transparenz des Angebots durch Weiterentwicklungbereits vorhandener regionaler und überregionaler Weiterbildungsda-tenbanken im Internet

– Förderung der Professionalität des Personals in der Weiterbildung– Unterstützung von träger- und einrichtungsübergreifenden Initiativen

wie beispielsweise Vergleichsringen und Entwicklungsgruppen– Erarbeiten einer interregionalen, nationalen und internationalen Kom-

patibilität von Qualitätsmanagementsystemen– Förderung der Qualitätsforschung in der Weiterbildung, insbesondere

der Wirkungsforschung.“

Damit sind bereits sehr konkret die wichtigsten Elemente eines Struk-turmodells zur Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung benannt. Der BegriffStrukturmodell wird hier gewählt, um zu verdeutlichen, dass strukturell mitein-ander verknüpfte Handlungsfelder existieren, die bei einer systematischen undnachhaltigen Förderung der Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung zu be-rücksichtigen sind. Damit soll auch signalisiert werden, dass die Frage der Qua-litätsentwicklung kein temporäres Modethema ist. Vor allem in einer Zeit, in dergerade auf den Weiterbildungsorganisationen ein nicht unerheblicher Verände-rungsdruck lastet, bedarf es auch verlässlicher Strukturen, in denen Qualität sichentwickeln kann. Das Strukturmodell geht also nicht in der Entwicklung einesgemeinsamen Referenzmodells für die überregional relevanten und fachlichanerkannten Qualitätsmanagementmodelle auf, welches Chancen für die Ein-richtung eines trägerübergreifenden und bundesweiten Testierungssystems bie-ten soll. Gleichwohl wäre dies aber eine zentrale Aufgabe. Schiersmann schlägthierzu folgende Relevanzfilter vor (Schiersmann 2002, S. 26; vgl. auch Meisel2002; Heinold-Krug/Meisel 2001):

„– Umfassender Charakter des Qualitätskonzepts: Werden sowohl orga-nisationsbezogene als auch pädagogische Prozesse im engeren Sinneeinbezogen?

– Verhältnis von Kundenorientierung und Professionsbezug: Wird dieQualität ausschließlich an den Interessen und Rückmeldungen der ‚Kun-den’, sprich der Teilnehmenden gemessen bzw. in welcher Weise wer-den professionelle Standards berücksichtigt?

– Berücksichtigung der Spezifika von sozialen Dienstleistungen: Wird z.B. die Tatsache, dass dort die Konsumenten, sprich die Teilnehmenden,

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aktiv an der Herstellung des Produkts beteiligt sind und die Produktionund Konsumtion weitgehend zusammenfallen, in dem jeweiligen Qua-litätsmodell ausreichend berücksichtigt?

– Charakter der Implementation: In welcher Weise werden die Beschäf-tigten (nur hauptberuflich Tätige) in die Qualitätsentwicklung einbezo-gen, um eine nachhaltige Sensibilisierung für die Arbeit der Einrich-tung zu erreichen? Sind die Systematik und die Kontinuität der Umset-zung sichergestellt?

– Verhältnis von Fremd- und Selbstevaluation: Welcher Stellenwert wirdder (eher nach innen gerichteten) Selbstevaluation zugemessen, ist aucheine externe (eher nach außen, auf den Markt gerichtete) Begutach-tung/Zertifizierung vorgesehen?

– Angemessenheit für kleine und große Einrichtungen: ist der personelle,zeitliche und finanzielle Aufwand auch für kleine Einrichtungen ver-kraftbar?“

Hierzu haben sich Bund und Länder im Rahmen des Programms „Le-benslanges Lernen“ mittlerweile auf eine Prüfphase eines entsprechenden Pro-jekts geeinigt, das vom Institut Artset und vom DIE bearbeitet wird.

Unter Strukturmodell wird also darüber hinausgehend ein handlungs-orientiertes Konzept zu verstehen sein, das für die wichtigsten Akteure in Weiter-bildung (Weiterbildungspolitik und Praxis, d. h. Träger, Verbände, Einrichtungen,Professionelle) und Wissenschaft die zentralen Handlungsfelder für eine systema-tische Förderung der Qualitätsentwicklung benennt und in einen systematischenZusammenhang stellt. Deutlich wird dann auch, dass unterschiedliche Perspek-tiven der Qualitätspolitik, wie z. B. die Anbieterqualität und der Teilnehmerschutz,keine entgegengesetzten Strategien, sondern die zwei Seiten einer „Qualitätsme-daille“ darstellen. In dem Strukturmodell kann ebenfalls dargestellt werden, dassdie Anstrengungen zur Verbesserung der Organisationsqualität Verbundstellen zurAngebotsqualität haben und diese wiederum unmittelbar abhängig sind von derverstärkten Weiterentwicklung der Professionalität der praktisch tätigen Weiter-bildner/innen. Ein solches Modell bezieht also strukturbildende Elemente mit ein,

– die sich aus der Qualitätspolitik von Bund und Ländern ergeben und ineinem europäischen Kontext im Hinblick auf die gegenseitige Anschluss-fähigkeit reflektiert werden. Hier geht es in erster Linie um die ord-nungspolitischen Vorgaben im Rahmen der Weiterbildungsgesetzge-bung und um die Weiterentwicklung der Supportleitungen für die Wei-terbildung;

– die sich aus der Weiterentwicklung der Organisationsqualität ergeben.Hier geht es erstens darum, die für die Weiterbildungseinrichtungen re-

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levanten Qualitätsmodelle zu sichten, sie in einen gegenseitigen Bezugzu setzen (vgl. Franz 1999) und ein gemeinsames Testierungssystem, dasentsprechende Leistungen anerkennt, zu ermöglichen. Eine solche Stra-tegie erfolgt nicht als Selbstzweck einer sich verselbstständigenden Aus-einandersetzung um Qualitätsmanagement, sondern in erster Linie dar-um, gegenüber den potenziellen Kunden transparent kommunizieren zukönnen, welche Einrichtungen professionellen Standards gerecht werdenund weitere Qualitätsanstrengungen unternehmen. Darüber hinausmüssen natürlich auch zusätzliche Initiativen, die zur Förderung derQualitätsfähigkeit der Weiterbildungsorganisationen beitragen, angesto-ßen werden. Ein weitgehend noch unbearbeitetes Unterstützungssystemstellt hierfür das Benchmarking in der Weiterbildung dar, das durch ent-sprechende Entwicklungsprojekte gefördert werden muss;

– die die Angebotsqualität transparenter machen, was möglicherweiseeine stärker profilierte und systematisierte Modularisierung von berufs-und alltagsorientierten Kernangeboten beinhaltet. Gleichzeitig kann dasnutzbringende Anerkennungswege für informell oder nicht abschluss-bezogen erworbene Qualifikationen und Kompetenzen bedeuten.Wünschenswert wären in diesem Zusammenhang systematischere An-strengungen zur Qualitätsförderung und -transparenz von Lernmedien;

– die die Einflussmöglichkeiten von Nutzern stärken (wie vergleichendeBildungstests, Verbraucherschutzinitiativen, Informationssysteme etc.);

– die auf die Weiterentwicklung der Professionalität des Personals zie-len, wozu auch ein transparentes (trägermitverantwortetes) modularesFortbildungssystem und die Sicherung der notwendigen Supportleis-tungen auch seitens der Wissenschaft gehören.

Viele Elemente existieren bereits zumindest in Ansätzen. Es fehlt je-doch eine entsprechende Abstimmung und Vernetzung der Aktivitäten. Zudemmangelt es noch an der ehrlichen Bereitschaft mancher Akteure, sich aktiv aneinem solchen Strukturmodell zu beteiligen und dabei Partikularinteressen aucheinmal hintanzustellen. Vielleicht liegt hierin der Grund, dass zahlreiche Aktivi-täten projektförmig und zeitlich befristet unternommen werden und die Frageder Verstetigung und Nachhaltigkeit dabei zu kurz kommt. Bislang ist es auchnur ansatzweise gelungen, übergreifende Supportstrukturen (Information, Fort-bildung, Beratung etc.) zu etablieren.

Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung im Weiterbildungsbereichmüssen in ihrer Komplexität wahrgenommen werden, ohne sich in den einzel-nen Strukturelementen zu verlieren. Je nachdem, aus welcher institutionellenoder thematischen Perspektive die Beiträge zur Qualitätsdebatte in der Weiter-

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bildung eingebracht werden, wird oft zugleich der Blick auf andere zentrale„Stellschrauben“ der Qualitätsentwicklung verstellt. Weder die Perspektive derintensiven Selbstevaluation von Einrichtungen noch die eines gemeinsamenZertifizierungssystems allein eröffnet für die potenziellen Nutzer eine Qualitäts-garantie. Organisationslastige Qualitätsmodelle, die die weitere Professionali-tätsförderung des Personals vernachlässigen, können kaum hinreichend eineQualitätskultur erzeugen, bei der die Qualität der Lehr- und Lernprozesse undder Lerninfrastruktur ausreichend mitentwickelt wird. Weder der Blickwinkelder Nachfrage- noch der Anbieterorientierung öffnet automatisch den Blick aufdie Frage der Systemqualität. Bei allen Anstrengungen zum Teilnehmerschutzoder zur Anbieterqualität wird damit noch nicht automatisch die Systemqualitätder Weiterbildung (Weiterbildungsdichte, Motivationsförderung, Vernetzung,Ortsnähe, Pluralität der Angebotsformen etc.) gefördert. Genau um diese Förde-rung der Systemqualität geht es aber bei der Qualitätsentwicklung als Struktur-entwicklung.

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II. Die weiterbildungspolitischeEbene der Qualitätsentwicklung

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Hans-Werner Franz

Perspektive Europa:Deutschland auf dem Holzweg?

Holzwege führen in den Wald, und nicht selten enden sie im Irgendwo.Als Westerwälder weiß ich: Das ist gut so, denn Holzwege führen eigentlich ausdem Wald heraus, weil sie dazu da sind, Holz aus dem Wald hinaus zu transpor-tieren. Es kommt also darauf an, vom welchem Ende aus man sich auf den Holz-weg begibt. Vorausgesetzt man hat den Wald vor Augen und nicht nur eineMenge Bäume. Qualitätsentwicklung lebt davon, dass man weiß, wo man stehtund wo man hin will. Um im Bild des Waldes zu bleiben: Man muss wissen, anwelcher Stelle man sich befindet und an welcher Stelle man aus dem Wald herauskommen möchte, um den Holzweg nicht als Irrweg zu erfahren.

Gleiches gilt für die „Perspektive Europa“, zu der ich hier Rundschauschaffen soll. Blicke ich von Deutschland aus auf Europa oder von Europa ausauf Deutschland? Ich möchte nacheinander folgende Perspektiven einnehmen:zum einen die Vogelperspektive, d. h. den europäischen Blick auf Europa, undzum anderen den europäischen Blick auf Deutschland. Keine Perspektive ohneStandpunkt.

Blick auf Europa

Der Blick aus der Vogelperspektive (Europa auf Europa) lässt mühelosdrei Pfade durch die scheinbare Unwegsamkeit europäischer Bildungspolitik und-diskussion erkennen:

• Da ist zum einen der ausgetrampelte Weg der Debatten über lebens-langes Lernen.

• Zum anderen erkennt man gut den immer breiteren, zunehmend vongeordneten Bildungssystemstrukturen gesäumten Pfad der Kompetenz-orientierung.

• Beide kreuzen sich immer wieder auf einer ausgedehnten Lichtung in derForm eines Q (wie Qualität), wobei die einen aus Richtung M (= Manage-ment) kommen, die anderen von T (wie total = umfassende Qualität).

Diese drei Pfade sind keineswegs schnurgerade gezogen, sondern kreu-zen sich oft, laufen immer wieder parallel und sind nicht selten eng miteinander

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verschlungen, so dass sie manchmal kaum als eigenständige Pfade erkennbarsind.

Lebenslanges Lernen – von Organisationen?Auf dem breiten Trampelpfad, den das riesige Marathonfeld des le-

benslangen Lernens hinterlässt, sind allerdings große Stolpersteine erkennbar.Einer der Wackersteine heißt: Lernende Organisation. Alle sollen lebenslanglernen: die Individuen zuallererst; die Lehrenden auch, wobei ihnen in derHauptsache nahe gelegt wird, sie sollten sich Gedanken über Lernort, Lernme-thoden und Lernmedien machen; schließlich sollen Netzwerke und ganze Re-gionen in Sachen Bildung, Aus- und Weiterbildung lernen. Dass die institutio-nellen Strukturen des Lernens: Schulen, Ausbildungszentren, Weiterbildungs-einrichtungen, auch Verbände, als Organisationen, als Betriebe ebenfalls ler-nen müssen, mit diesen vielfältigen neuen und wechselnden Anforderungenumzugehen, wird in allen mir bekannten europäischen Dokumenten bis in diejüngste Vergangenheit ausgeblendet (eine Auswahl: Europäische Kommission1997; BMBW 1999; Kommission der Europäischen Gemeinschaften 2000; Eu-ropean Commission 2001; CEDEFOP 2001). Schlimmer: Wenn von „Ausblen-den“ die Rede ist, muss der Gegenstand ja wenigstens wahrgenommen wor-den sein. Genau das aber scheint noch nicht wirklich der Fall zu sein; wirhaben es mit einer Wahrnehmungslücke zu tun, einem blinden Fleck in denAugen der Bildungsexperten. Man darf die Bildung also nicht nur den Bildungs-experten überlassen.

Auch in der deutschen Diskussion ist dieser Aspekt spät, zögerlich undzunächst durch die Brille der „Professionalisierung der in der Weiterbildung Tä-tigen“ in die Debatte geworfen worden (Emminger/Gieseke/Nuissl 2001). Erst inletzter Sekunde ist mit der letzten der zwölf „Empfehlungen des Forum Bildung“:„XII. Mehr Eigenverantwortung für Bildungseinrichtungen, Lernen aus Evaluati-onen“ der Blick auf das Problem gerichtet worden: „Die Mitglieder der Leitung... müssen die innovative Entwicklung der Bildungseinrichtung einleiten, unter-stützen und steuern. Dabei müssen sie die methodischen und didaktischen Vor-aussetzungen einer neuen Lehr- und Lernkultur, Grundlagen eines modernenQualitätsmanagements sowie Voraussetzungen für Personalführung und Entwick-lung einer lernenden Organisation beherrschen.“

Die deutsche wie die europäische Diskussion zum Thema „LernendeOrganisation“ – d. h. zum eigentlichen Kernthema der Qualitätsentwicklung,wenn man sie akteurs- und handlungsorientiert und von einem umfassendenQualitätsbegriff her betrachtet – ist bis heute nicht wirklich zu dem Punkt ge-kommen, wo Organisationsentwicklung und Erziehungswissenschaft konstruk-

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tiv miteinander reden, geschweige denn einander treffen. Für das Gros der Or-ganisationsentwickler haben Organisationen schon gelernt, wenn sie etwas ver-ändert haben; und für die meisten Erziehungswissenschaftler (mit Ausnahme vonHarald Geißler) ist ausgemacht, dass nur Individuen, nicht aber Organisationen,lernen können (vgl. Geißler/Orthey 1996). Bedenkt man zudem, dass beide Sei-ten, wenn auch von unterschiedlicher Warte aus, die Anforderung formulieren,eigentlich gehe es um eine Kultur des Lernens: für Einzelne, Gruppen, Organisa-tionen, Netzwerke, Regionen und die gesamte Gesellschaft, dann mag man er-messen, welche Wegstrecke noch vor uns liegt. Mein eigener Beitrag zu dieserDiskussion mag hier (in Deutschland wie in Europa) als Einstieg in einen gestal-tungsorientierten Umgang mit dem Thema dienen (Franz 1999a; 2001a; 2002a).Und den benötigen wir unbedingt. Denn das Thema „Lernende Organisation“ist die Klammer für einen konstruktiven Ansatz zur konzeptionellen wie prakti-schen Bewältigung der drei genannten Schwerpunkte: lebenslanges Lernen, Kom-petenz und Qualitätsentwicklung (nicht nur) in der Weiterbildung (vgl. Nyhan u.a. 2002), d. h. an dem Ort, an dem erwachsene Lerner, Lehrer und ihre Kompe-tenz einander begegnen.

KompetenzorientierungWenn wir vom lebenslangen Lernen sprechen, meinen wir eigentlich

eine lernende Gesellschaft, deren wichtigste Entwicklungsgrundlagen Wissenund Können sind: individuell wie kollektiv in allen ihren Teilsystemen. Besondersin den Ländern, wo berufliches Wissen (Qualifikation) nicht so systematischhergestellt wird/wurde wie in Deutschlands längst nicht mehr dualem System,hat die Wertsteigerung, welche Bildung erfahren hat, zu einer konsequentenOrientierung auf Können vor Wissen (formale Qualifikation) geführt. Kompe-tenz – entscheiden, machen und lernen können – ist im Begriff, die offene, lern-und prozessorientierte Währung auf den Arbeitsmärkten Europas und die Basiseines Währungssystems der lernenden Wissensgesellschaft zu werden.

Immer mehr Länder der Europäischen Union stellen ihre Berufsbildungs-systeme konsequent auf eine kompetenzorientierte Funktionsweise um, allenvoran diejenigen, die bislang keine oder kaum entwickelte Strukturen eines Be-rufsbildungssystems hatten. Dabei spielen neben anderen zwei Fragen eine zen-trale Rolle: Wie können der Anforderungskontext, für den Kompetenz hergestelltwerden soll, und dessen Veränderung im Zeitverlauf dynamisch erfasst und de-finiert werden? Und: In welcher Ausprägung sollen berufliche Profile und Schnei-dungen formuliert und dem Qualifizierungsprozess als strukturierende Figurzugrunde gelegt werden? Unabhängig von den jeweiligen Antworten auf dieseFragen wird so eine durchgehende Grundlage für ein Bildungssystem gelegt, dasLernen lebensbegleitend versteht und organisiert (vgl. Franz 2001b).

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Damit wird für den praktischen Alltag der Qualitätsentwicklung (nichtnur) in der beruflichen Weiterbildung ein systemischer kompetenzbasierter Kon-text geschaffen, der sowohl für die inhaltliche Seite von Bildung als auch fürderen betriebliche und systemische Organisation prägend ist. Einfacher gesagt:Qualität wird systematisch an den Begriff Kompetenz gekoppelt und auf dasSystem der beruflichen Aus- und Weiterbildung rückbezogen. Die Beispiele ausdem Baskenland und Italien mögen verdeutlichen, was hier gemeint ist.

– Beispiel BaskenlandDas baskische System der beruflichen Qualifikationen versteht sich

ausdrücklich als „kompetenzbasiertes System“. „Berufliche Kompetenz ist dieGesamtheit der Fähigkeiten, Haltungen und Kenntnisse, die erforderlich sind,um Arbeitstätigkeiten im Rahmen einer Beschäftigung mit der verlangten Quali-tät und Effizienz auszuführen.“ Diese Definition, der ein Modell der Beschäfti-gungskompetenz (competencia ocupacional) für einen bestimmten Beschäfti-gungsbereich (im Unterschied zum Arbeitsplatz) zugrunde liegt, schließt folgen-de Bestandteile von Kompetenz ein:

• technische Kompetenz;• organisatorische und ökonomische Kompetenz;• Kompetenz zur Zusammenarbeit und dazu, sich auf seine Umwelt zu

beziehen;• Kompetenz zur Reaktion auf Kontingenzen, womit Probleme, Havari-

en und sonstige Anomalien im Produktions- und Arbeitsprozess ge-meint sind.

Auf der Basis dieser Definition werden die Anforderungen für konkreteBeschäftigungsbereiche (áreas de competencia) wie „Elektro/Elektronik“ oder„Bauen“ oder „Hotellerie und Tourismus“ konkretisiert als „Kompetenzeinhei-ten und -bereiche“ (unidades y ámbitos de competencia). Die Weiterbildung istein solcher Beschäftigungsbereich.

Diese Definition von Kompetenz ist im Wesentlichen identisch mit derdes spanienweit gültigen „Titel-Katalogs der Beruflichen Qualifikationen“ unddes „Repertoires von Berufszeugnissen“, in denen die Kompetenzeinheiten nie-dergelegt sind. Im Baskenland werden sie zusammengefasst im „Katalog derberuflichen Qualifikationen“, der unterscheidet nach Kompetenzbereichen undfünf Qualifikationsniveaus, die sich bewusst anlehnen an die fünf Niveaus, dieGegenstand der europäischen Diskussion sind.

Das Thema Qualität spielt eine große Rolle bei der Entwicklung undImplementierung des Systems. Über die TQM-basierte (Total Quality Manage-

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ment) Grundphilosophie des Systems hinaus wird auch eine stringente Quali-tätspolitik in der Praxis verfolgt. Man verspricht sich davon eine konsequenteEinhaltung der kompetenzbasierten Vorgaben einerseits und die Ausrichtung derBildungspolitik an den Bedürfnissen ihrer Kunden andererseits. Alle Berufsbil-dungszentren bedürfen einer Akkreditierung, die sie nur erhalten, wenn sie ei-nen bestimmten Qualitätsstandard nachweisen können. Die im Frühjahr 2000gegründete Baskische Agentur für die Evaluation der Kompetenz und Qualitätder Beruflichen Bildung (Agencia Vasca para la Evaluación de la Competencia yla Calidad de la Formación Profesional) lehnt sich bei ihrer Tätigkeit eng an dasEuropäische Qualitätsmodell der Europäischen Stiftung für Qualitätsmanagement(EFQM) an. Die für die berufliche Bildung zuständige Abteilung des baskischenBildungs- und Forschungsministeriums betreibt einen Total-Quality-Plan (Plande Calidad Total). Im Januar 2000 waren fünf Berufsbildungszentren nach ISO9002 zertifiziert, zwölf weitere hatten sich das für das Jahr 2000 zum Ziel ge-setzt. Vier weitere Zentren standen bei annähernd 400 Punkten der 1000-Punk-te-Skala des EFQM-Modells, was ein guter Stand ist; 30 weitere Zentren arbeitenschon mit bislang geringeren Ergebnissen nach dem EFQM-Verbesserungsmo-dell. Per Erlass 3120 vom 25. April 2000 wurde zudem verfügt, dass alle Berufs-bildungseinrichtungen bis zum 1. Januar 2002 entweder nach der ISO-Quali-tätsnorm zertifiziert sein oder (bei externer Evaluation) 300 Punkte nach demEFQM-Modell erreicht haben müssen. Bis zum 1. Januar 2004 müssen es(ebenfalls bei externer Evaluation) 400 Punkte sein.1

– Beispiel ItalienIn Italien wird seit einigen Jahren die gesamte soziale und institutionel-

le Kontextur der beruflichen Aus- und Weiterbildung einer gründlichen Über-prüfung und Reform unterworfen. Seit dem 31. März 1998 sieht ein Gesetz dieEinrichtung eines nationalen Bezugsrahmens für berufliche Qualifikationen vor.Zahlreiche Aktivitäten im Bereich des Qualitätsmanagements gehören zu die-sem „Aufbruch“. So haben die meisten Regionen vor allem in Norditalien be-schlossen, dass öffentlich geförderte Berufsbildungsinstitute sich nach der NormISO 9000 ff. zertifizieren lassen müssen. Darüber hinaus gibt es seit dem 18.Februar 2000 eine Art „Bund-Länder-Abkommen“ zwischen Regierung und Re-gionen „über Mindestanforderungen an berufliche Qualifikationen und Ausbil-dungskriterien und zur Akkreditierung der Berufsbildungsträger“. Eingeschlos-sen sind nicht nur formale Bildungsmaßnahmen, sondern auch die beruflicheOrientierung sowie die betriebliche Ausbildung und Integration, allerdings nur,sofern sie mit öffentlicher Finanzierung verbunden sind.

Die Akkreditierung erfolgt auf der Grundlage einer Prüfung der vorge-legten Dokumentation und einer Vor-Ort-Prüfung der Konformität mit den von

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den Regionen auf der Basis des Erlasses beschlossenen Bestimmungen. Die Kon-formität muss jährlich erneut nachgewiesen werden. Gemäß den Ausführungs-bestimmungen vom Mai 20012 müssen Kompetenz-Nachweise zu folgendenAspekten erbracht werden:

1. Management und logistische Bedingungen;2. wirtschaftliche Situation;3. erforderliche berufliche Kompetenz für Leitung, Verwaltung, Lehre,

Koordination, Analyse, Planung, Evaluierung und berufliche Orientie-rung;

4. Effizienz- und Effektivitätskriterien und entsprechende Leistungen;5. entwickelte Beziehungen zu den regionalen Akteuren in Wirtschaft und

Gesellschaft.

Die Durchführung dieser Dienstleistungen wird mit einem Prozessmo-dell beschrieben. Dazu gehören Rahmenprozesse sowie Prozesse vor, währendund nach der Maßnahme und die Durchführung selbst:

• ein Qualitätssystem;• vorbereitend: Diagnose, Planung, Werbung, Marketing, Forschung;• begleitend: Monitoring;• nachbereitend: Evaluation/Bewertung;• Durchführung.

Diesen einzelnen Prozessen werden wiederum Tätigkeitsbereiche zu-geordnet, die in einem weiteren Schritt auf die Funktionen in Zentren bezogenwerden:

• Leitung mit den Funktionen: Leitung und Verwaltung, Koordination;• Prozess mit den Funktionen: (Bedarfs-)Analyse, Planung, Evaluation;• Produkt mit den Funktionen: Lehre und Orientierung.

Diesen Funktionen sind (in Anhang 2.3 des Erlasses) „berufliche Kom-petenzen“ gemäß einem nationalen Kompetenz-Tableau zugeordnet, aus demsich eine Beschreibung der konkreten Kompetenzen ergibt.

Die beruflichen Fähigkeiten der Beschäftigten werden so als tragendeStruktur des dem Qualitätsverständnis zugrunde gelegten Betriebsmodells defi-niert. Diese Kompetenz könne auf formellen wie informellen Wegen erworbenworden sein, kumuliere in einer Person, werde jedoch von und an mehrerenLernorten genutzt und beziehe sich auf die unterschiedlichsten Typen von Ar-beitsverhältnissen und Organisationsformen. Vorteil: So könnten die unterschied-lichen Bedingungen von großen Einrichtungen mit ausdifferenzierten Aufgaben-zuschreibungen ebenso berücksichtigt werden wie die von kleineren Einrich-

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tungen mit ihren typischen Mehrfachfunktionen von Ausbildern, die zugleichEntwickler, Bedarfsanalysten und Vorbereiter seien.

Anhang 2.2 des Erlasses definiert nun, welcher Art auf dieser Grundla-ge die Indikatoren, Parameter (mit Indices für Grund-, Fort- und Weiterbildung)und Nachweise (Dokumente, Audits, spezifische Erhebungen) sein müssen, wel-che die Einrichtungen für die fünf Hauptkriterien der Akkreditierung (s. o.) er-bringen müssen. Diese Indikatoren, Parameter und Nachweise müssen sich wiebei der ISO-Norm auf die Organisation und die Durchführung der Messungenbeziehen und darlegen, ob sie als Verfahren selbst der Überprüfung und Verbes-serung unterliegen (ausführlicher vgl. Franz 2002b).

Qualitätsmanagement oder ManagementqualitätEs gibt keine einheitliche Marschrichtung in Sachen Qualität in Euro-

pa. Ähnlich wie in Deutschland dürfte in der beruflichen Weiterbildung nachwie vor Selbstevaluation die vorherrschende Form der Beschäftigung mit Quali-tät sein (in Deutschland 2002: 55% 3 ). Bei den Anbietern, die sich systematischmit Qualität befassen, dürfte die ISO-Qualitätsnormenreihe am häufigsten ver-treten sein (Deutschland 2002: 18%) am zweithäufigsten die Selbstbewertungnach EFQM (Deutschland 2002: 7%). Daneben gibt es in fast allen Länderneigenständige Entwicklungen. In den Niederlanden ist das CEDEO-Verfahrenhoch angesehen. In England werden alle Einrichtungen der Erwachsenenbildung,die mit öffentlichem Geld arbeiten, regelmäßig inspiziert. In Schottland gibt esmit SQMS ein umfassendes Qualitätsentwicklungsverfahren, das speziell für dieWeiterbildung entwickelt wurde und alle anderen Verfahren in sich aufgenom-men hat. Diese drei werden nachfolgend kurz skizziert.4 Auffallend ist bei die-sen und anderen Systemen, dass fast alle Sonderentwicklungen sich von ihrerSystematik her an einem umfassenden Qualitätsverständnis, in der Regel amEFQM-Verfahren, orientieren – so wie es bei der überarbeiteten Fassung derISO-Norm 9000:2000 nunmehr auch der Fall ist.

– Beispiel Niederlande: CEDEOCEDEO ist eine Stiftung, die 1980 gegründet wurde. Sie ist hervorge-

gangen aus einem Arbeitskreis der Personalchefs einiger wichtiger niederländi-scher Unternehmen (darunter: Philips, Amro, Shell, Niederländische Eisenbah-nen) und hat zu ihrer Gründung finanzielle Mittel aus dem Wirtschaftsministeri-um erhalten. Das ursprünglich nur für die Prüfung der Kundenzufriedenheit vonAnbietern betrieblicher Aus- und Weiterbildung verfasste Instrumentarium istseit 1997 so angepasst worden, dass es auch für Personalvermittlungsagenturen,Arbeitsmarktagenturen und Organisationsentwicklungsberater relevant wurde.CEDEO ist von zahlreichen Berufsverbänden anerkannt. Nach eigenen Aussa-

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gen (http://www.cedeo.nl) ist CEDEO eine „unabhängige intermediäre Organi-sation, die ‚human resources improvers‘ sowie Bildungsinstitute, Personalver-mittlungsagenturen, Arbeitsmarktagenturen und Organisationsentwicklungsbe-rater unter dem Aspekt der Kundenzufriedenheit, Qualität, Kontinuität und Be-triebsorientierung untersucht.“

Die Stiftung vergibt bei Erfolg ein Prädikat „CEDEO-Anerkannt“ (CE-DEO-Erkend) für Bildungsinstitute, die betriebs- bzw. unternehmensbezogeneAus- und Weiterbildung durchführen. Nur Institute mit überdurchschnittlicherLeistungsbewertung durch die Kunden erhalten das CEDEO-Prädikat und dürfendamit werben. Es gibt zwei Prädikate: das erste für maßgeschneiderte (maat-werk) betriebliche Aus- und Weiterbildung beruht auf einer telefonischen Befra-gung; das zweite für „offene betriebliche Bildung“ auf einer schriftlichen Befra-gung, bei der mindestens zehn Kunden den prämierten Bildungsanbieter aufbestimmten Fachgebieten als „vorbildlich“ eingestuft haben müssen. Das Prädi-kat muss im Abstand von zwei Jahren erneut erworben werden. 95% der gut 300(von 8.000 niederländischen) Anbieter, die sich dieser Prüfung unterzogen ha-ben, haben auch die Nachfolgeuntersuchungen vollziehen lassen.

Jede erfolgreiche Prädikatsverleihung wird in den führenden Zeitun-gen des Landes veröffentlicht. Auf diese Weise ist das CEDEO-Gütesiegel in ge-wisser Weise auch mit einem Ranking verbunden (gehört dazu/gehört nicht dazu),ohne dass eine genaue Punktzahl ermittelt werden muss. CEDEO gibt an, dasseine zunehmende Zahl von vor allem großen Nachfragern das CEDEO-Prädikatoder ein ISO-Zertifikat zur Bedingung für eine Auftragsvergabe macht.

CEDEO sammelt Jahr für Jahr detaillierte Informationen zu Kosten, Lage,Lernzielen und anderen relevanten Parametern über die prämierten Unterneh-men sowie über den größten Teil des Weiterbildungsmarkts (5.000 von 8.000Anbietern) in den Niederlanden. Sie werden in einer öffentlich zugänglichenDatenbank gesammelt und aufbereitet und als Vergleichshintergrund für die Prüf-verfahren herangezogen. CEDEO verfügt damit nach eigener Aussage über eineder größten Human-Resources-Datenbanken in den Niederlanden. Die Datenkönnen als Buch, über einen telefonischen Auskunftsdienst oder als CD-Romerworben werden.

– Beispiel England: Adult Learning InspectorateFür Personen bis 19 Jahre und die Qualität ihrer schulischen Bildungsbe-

dingungen ist in England das Office for Standards in Education (OFSTED, http://www.ofsted.gov.uk) zuständig. Für die Erwachsenen-Weiterbildung zeichnet eineandere, erst am 1. April 2001 gegründete Einrichtung, das Adult Learning Inspec-

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torate (ALI, http://www.ali.gov.uk) verantwortlich. Die rechtliche Basis hat dasLearning and Skills Act 2000 geschaffen. Während OFSTED ein trotz aller Moder-nisierung eher traditionelles Inspektionswesen pflegt, sind Aufgabe und Verfahrens-weise von ALI ganz im Sinne umfassender Qualitätsentwicklung formuliert:

• die Förderung der Excellence des Lernens;• die Hebung des öffentlichen Vertrauens in die Lernstandards;• die Verdeutlichung der mit dem lebenslangen Lernen verbundenen

Anforderungen (raising the profile of lifelong learning);• die Verbesserung von Kohärenz und Konsistenz der Erwachsenenbil-

dung.

ALI ist verantwortlich für die Inspektion• der Weiterbildung für Personen ab 19 Jahren, die finanziert wird aus

Mitteln des Learning and Skills Council5 (LSC; http://www.lsc.gov.uk)oder der lokalen Bildungsbehörden;

• der Aus- und Weiterbildung für Personen ab 16 Jahren, die ganz oderteilweise betrieblich durchgeführt und ganz oder teilweise vom LSCgefördert wird (in Unterstützung von OFSTED);

• der Aus- und Weiterbildung, die unter dem Employment and TrainingAct (vom Employment Service, analog Bundesanstalt für Arbeit; schließtESF-Mittel ein) gefördert wird;

• der Aus- und Weiterbildung, die von Unternehmen angeboten und fi-nanziert wird, soweit die Unternehmen eine solche Inspektion wollenund bezahlen;

• aller weiteren Formen der Erwachsenenbildung einschließlich eLearn-ing-Angeboten der University of Industry, Lernen in Gefängnissen usw.

Für alle Inspektionen gibt es ein Inspektions-Rahmenkonzept (Com-mon Inspection Framework). Inspektionen werden vierteljährlich geplant, An-bieterorganisationen erhalten zwölf bis sechs Wochen vorher eine Mitteilungdarüber. Die Inspektion soll Angebot und Größe des Anbieters berücksichtigen.Davon hängen auch Größe und Zusammensetzung der Inspektionsteams ab,die zwischen zwei und zehn Inspektor/innen umfassen können. Die Inspektio-nen dauern in der Regel eine Woche, können aber bei Bedarf auch länger aus-fallen. Zu den wichtigsten Methoden zählen: Unterrichtshospitationen (obser-vations of learning), Interviews mit Lerner/innen und Beschäftigten der Bildungs-einrichtung sowie die Auswertung von Dokumenten zum gesamten Bildungsab-lauf. Auch Eltern werden einbezogen.

Im Unterschied zur Inspektion in den öffentlichen Schulen des allge-meinen Bildungssystems durch OFSTED, die ausschließlich auf Prozesse der

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externen Evaluation setzt, wird hier das Hauptgewicht auf Prozesse der kontinu-ierlichen (Selbst-)Verbesserung gelegt, deren zentrales Instrument eine jährlicheSelbstbewertung ist. Der Verbesserungszyklus umfasst:

• die Selbstbewertung,• Entwicklungsplanung und Zielvereinbarungen (target setting),• Monitoring und Prüfung der Planerfüllung und Zielerreichung,• die Beteiligung an Erfahrungsaustauschprozessen,• die externe Evaluation.

Die Selbstbewertung und der mit ihr verbundene jährliche Bericht sol-len bewirken, dass die Hauptverantwortung für die Qualität von Bildung undBildungsorganisation nicht als Ergebnis von Prüfung und Inspektion gesehen wird,sondern als eine von Anfang an auf Qualität und Verbesserung der Leistung derOrganisation und ihrer Beschäftigten in Verbindung mit den Lerner/innen ge-richtete Aktivität. Diese Leistung soll extern evaluiert und dargestellt werden.Auf Wunsch steht der LSC daher auch mit Rat zur Verfügung.

– Beispiel Schottland: SQMSSQMS (Scottish Quality Management Standard, http://www.sqms.co.uk)

existiert seit 1993 und ist in seiner mittlerweile dritten Version ein Exportartikel.Unter der Bezeichnung „European Quality Standards“ dient es als Basis einesWerkzeugkastens für kontinuierliche Qualitätsentwicklung, der mit Mitteln desLEONARDO-Programms der EU nach Kontinentaleuropa übertragen wird. Ent-standen ist SQMS aus der Einsicht, dass die von vielen Seiten vorgelegten Qua-litätsverfahren und -standards möglichst integriert verfolgt und entwickelt wer-den sollten. SQMS ist so verfasst, dass mehrere schottische Standards ebensoeinbezogen werden wie die Verfahren des in Großbritannien weit verbreitetenSystems „Investors in People“ (2000) und der British Standard EN ISO 9001 (1994oder 2000). Gleichzeitig ist das Verfahren so gestaltet, dass es voll kompatibel istmit dem EFQM-Modell oder anderen TQM-Systemen; man könnte auch sagen:Es folgt in seiner heutigen Anlage der EFQM-Systematik.

SQMS dient zum einen als systematische Anleitung zur Einführung ei-nes Qualitätsentwicklungssystems, kann jedoch auch als Werkzeug zur Selbst-bewertung genutzt werden und ist schließlich auch ein System der Nachweiser-bringung für externe Interessenten (Kunden, Zertifizierungssysteme, Scottish Vo-cational Qualifications etc.). Es ist so verfasst, dass es für Bildungseinrichtungenwie für betriebliche Bildungszentren gleichermaßen geeignet ist. Falls dies vonden Einrichtungen gewünscht wird, bietet der SQMS Certification Body auchexterne Auditierung und eine Prädikatsverleihung an.

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Das SQMS-System basiert auf zehn Standards der systematischen Qua-litätsentwicklung in Einrichtungen der (nicht nur beruflichen) Bildung.

1. Strategisches Management: Die Organisation verfügt über eine klareZweckorientierung und Leitung.

2. Qualitätsmanagement: Das Qualitätssystem stellt sicher, dass die Be-dürfnisse von Kunden, Lerner/innen und Beschäftigten erfüllt werden.

3. Marketing und Kundenbetreuung: Die Bedürfnisse der Kunden der Or-ganisation und der Lerner/innen sind erkannt, die Bildungs- und Aus-bildungsleistungen der Organisation werden effektiv gefördert und dieBedürfnisse der Kunden und Lerner/innen befriedigt.

4. Humanressourcen und Entwicklung: Struktur, Niveau und Typ der Be-schäftigten sind für die Bildungs- und Ausbildungsleistungen qualifi-ziert. Die gegebene Personalentwicklung entspricht den Erfordernissender Organisation und der einzelnen Beschäftigten.

5. Chancengleichheit: Allen Kunden, Lerner/innen und Beschäftigten wirdChancengleichheit zugesichert.

6. Gesundheit und Sicherheit: Allen Lerner/innen, Beschäftigten und Be-suchern wird eine sichere und gesunde Umgebung geboten.

7. Kommunikation und Administration: Die Kommunikations- und Ver-waltungsvorkehrungen erfüllen die Anforderungen der Organisation,externer Stellen, der Kunden, Lerner/innen und Beschäftigten.

8. Beratungsleistungen: Die Bedürfnisse individueller Lerner/innen wer-den erfragt und formuliert, Fortschritte werden geprüft, und es wirdUnterstützung geleistet, sofern erforderlich.

9. Programmdesign und -durchführung: Das Programmdesign ist effektiv,wenn Inhalt und Ergebnisse des Programms relevant sind und zur Teil-nahme anregen. Die Programmdurchführung ist effektiv, wenn dieDurchführungsmethoden angemessen sind und Wechsel vorsehen, ak-tives Lernen und Verantwortung unterstützen und auf die Bedürfnisseder Lerner/innen reagieren.

10. Bewertung durch Zeugnisse: Die Ausstellung eines Zeugnisses bestä-tigt, dass der/die Lerner/in den Anforderungen genügt, die für die je-weilige Normerfüllung verlangt werden.

Diese zehn Standards strukturieren die Gesamtnorm SQMS. Es wirdjedoch Wert darauf gelegt, dass sie nicht linear zu verstehen sind. Es handeltsich dabei um wechselseitig aufeinander aufbauende Frage-Cluster, die selbst-bewertend klären sollen, wie die Leitungs- und Verwaltungsfunktionen (1-7) mitihren Leistungen die Bildungs- und Ausbildungsfunktionen (8-10) untermauernund unterstützen und so die Anforderungen der Stakeholder, Kunden und Ler-ner/innen befriedigt werden. Die Bewertung von Effektivität und Effizienz, also

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die eigentlichen Ziele von Qualitätsmanagement, sind in die einzelnen Kriterieneingearbeitet.

Unter jedem der zehn Einzelstandards werden organisations- bzw. bil-dungsspezifische Anforderungen formuliert, die in weitere Einzelanforderungenaufgelöst werden. Diese Unterkriterien sind vom Layout her so aufbereitet, dassdas Dokument unmittelbar als Selbstbewertungsvorlage (Fragebogen) genutztwerden kann. Für jede Anforderung sowie für jedes dieser Unterkriterien wirdgefragt, ob sie erfüllt oder nicht erfüllt werden. Gleichzeitig wird jedem Kriteri-um eine Zwölf-Monats-Kalenderleiste beigefügt, in der die Zieltermine für dieÜberprüfung von Verbesserungsaktivitäten eingetragen werden können. Zusam-men mit Flächen für Notizen zu festgestellten Problemen oder Handlungserfor-dernissen ist so jedes Kriterium ein vollständiges Selbstbewertungsmodul und-instrument.

Das Dokument wird ergänzt durch eine Anleitung zur Durchführungund Evaluation für interne Audits einschließlich Beispielen für primäre und se-kundäre Leistungsindikatoren. Es wird vervollständigt durch eine Tabelle, diedie SQMS-Kriterien, wo dies möglich ist, in direkten Bezug zu vergleichbarenAnforderungen anderer Standards (z. B. ISO 9001:1994 oder 9001:2000) setzt.Außerdem enthält es eine Reihe von Hilfen zum Umgang mit dem Instrument inFragen der Betreuung und Beratung von Lerner/innen sowie für Belange desFinanzmanagements. Insgesamt verfolgt es in Anlage und Anschlussfähigkeitoffensichtlich eine ähnliche Strategie wie mein Modell des integrierten Quali-tätsmanagements auf der Basis von EFQM (vgl. Franz 1999b).

Ein europäischer Blick auf Deutschland

Bei der Europäischen Kommission in Brüssel ist Qualität ein hochran-giges Thema, aber es gibt m. W. in keinem Bereich eine offizielle Festlegung aufein bestimmtes Qualitätssystem. Gleichwohl wird kein Hehl daraus gemacht,dass man das Excellence-Modell der Europäischen Stiftung für Qualitätsmanage-ment als „das europäische Modell“ ansieht. Andererseits hat die obige Übersichtdeutlich gemacht, dass es „den europäischen Weg“ nicht gibt. So gesehen könn-te man sagen, Deutschland befindet sich in guter europäischer Nachbarschaftund Tradition: Pluralität, wohin man schaut. In etlichen Ländern bestehen auchVersuche der nationalen Vereinheitlichung, überwiegend allerdings auf demeuropa-kompatiblen Kompetenz- und/oder TQM-Pfad.

Es gibt also keinen europäischen Standard oder auch nur einen eindeu-tigen Trend, woran man die Entwicklung in Deutschland messen könnte. Derzeit

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gilt: Wie immer ein „europäischer Weg“ aussehen mag, er wird ein freiwilligerWeg sein, der der marktförmigen Verfasstheit des größten Teils der Weiterbil-dung quer durch Europa folgt.

Gleichzeitig ist im Ansatz erkennbar, dass die Orientierung am TotalQuality Management, meist auf EFQM aufsetzend, zunimmt.6 Damit ist jedochnoch keineswegs gesagt, dass sich alle Einrichtungen auf diesen Weg begebenmüssten. Es gibt viele Wege zu einem ganzheitlichen Qualitätsverständnis. Fol-gerichtig ist das EFQM-Modell trotz seiner scheinbaren Geschlossenheit auch inEinzelmodulen einsetzbar und hilfreich. Die Zahl der EFQM-„Übersetzungen“,die dieser Philosophie folgen, nimmt in Deutschland ebenfalls zu. Auch die CATI-Befragung (vgl. Balli u. a. 2002) belegt, dass TQM im Allgemeinen und EFQMim Besonderen im Kommen sind. Insofern könnte man mit Vorsicht sagen:Deutschland liegt im Trend.

Dennoch gibt es nicht zu übersehende und mit viel offiziellem Einflussund Geld untermauerte Signale, die eher einen deutschen Sonderweg anstre-ben. Man kann zwar in dem derzeit im bundesweiten Test befindlichen Testataus Niedersachsen (http://www.artset-lqw.de) eine weiterbildungsspezifischeÜbersetzung eines TQM-Ansatzes erkennen. Aber der Umstand, dass es sichnicht ausdrücklich als Anpassung von EFQM mit dem Ziel versteht, ein Bildungs-Prädikat zu etablieren, das EFQM nicht bietet, macht es zum Sonderweg. Ichvermute, eher über kurz als über lang wird klar werden, dass es nicht wesent-lich, wenn überhaupt, billiger wird als eine Zertifizierung nach einer klugenÜbersetzung von DIN ISO 9001:2000 – CERTQUA verfügt hier mittlerweile übergroße Erfahrung. Spätestens dann dürfte sich herausstellen, dass solch ein Testatnur eine fragwürdige Sonderveranstaltung von Pädagogen ist, die hartnäckig daranfesthalten, dass Weiterbildung mit keiner anderen Dienstleistung zu vergleichensei. Die Dienstleistung Heilen und Pflegen zum Beispiel unterliegt exakt dergleichen Besonderheit wie Lehren und Lernen: dass die Kunden als gleichwerti-ge Mitproduzenten der angestrebten Qualität des Kernprodukts (hier: Gesund-heit) anzusehen sind. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen aber gehörten zuden ersten Anwendern von EFQM im Dienstleistungsbereich.

Ein weiterer deutscher Sonderweg ist die Stiftung Bildungstest. Diederzeit in Gründung befindliche neue Abteilung der Stiftung Warentest, die dieQualität von Bildungsmaßnahmen testen soll, ist nach meinen Recherchen eineVeranstaltung sui generis, für die es weltweit kein Double gibt. Als verbraucher-orientierte Ergänzung zu organisatorischen Anstrengungen, die Management-qualität in Weiterbildungseinrichtungen zu verbessern, mag sie ihren Beitrag zueiner erhöhten Transparenz des unübersichtlichen deutschen Weiterbildungs-

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marktes leisten. Zu hoffen ist auch, dass sie sich systematisch als Helferin imLernprozess für Anbieter wie Nachfrager versteht. Mehr als eine flankierendeUnterstützung für den verantwortungsvollen Umgang der Anbieter mit ihren Stake-holdern, ihrer Organisation und ihren Produkten, also TQM, wird sie dennochnie bieten können.

Betrachtet man diese deutsche Szene aus europäischer Perspektive, sokönnte einem jenes Dilemma in den Kopf kommen, das Brecht so beschriebenhat: „Als sie merkten, dass sie ihr Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppel-ten sie ihre Anstrengungen, es zu erreichen.“ Dabei ist es gleichgültig, ob mansich wie Brechts Gruppe in der Wüste oder im deutschen Wald befindet. In derDebatte über Qualität in der Weiterbildung, so scheint mir, bewegt sich Deutsch-land derzeit eher auf dem Holzweg in den Wald hinein als aus ihm hinaus.

Anmerkungen1 Weitere Informationen zum baskischen System sind unter der folgenden Adresse im Internet

zu finden: http://www.euskadi.net/lanbidez/indice_c.htm.2 Der Originaltext kann aus dem Internet heruntergeladen werden: http://www.europalavoro.it/

decreti_ministeriali.asp3 Prozentangaben aus einem Arbeitspapier von Gnahs/Kuwan; Veröffentlichung in Balli 2002

geplant, Titel unbekannt.4 Eine genauere Analyse dieser und anderer Systeme und Verfahren findet sich in Franz 2002b.5 Das LSC ist zuständig für die gesamte berufliche und betriebliche Weiterbildung ab 16 Jah-

ren. Es existiert seit dem 2. April 2001 und ist an die Stelle des Training & Education Councilgetreten mit dem erklärten Ziel, Englands Arbeitskräfte bis 2010 zu den besten der Welt zumachen.

6 Beispiele dafür sind das DIE-Modell, das Modell von Schiersmann, Thiel u. a. (2001), das BIT-Modell sowie mein eigenes (Franz 1999b). Auch über die Weiterbildung hinaus ist dieserTrend feststellbar, wie man an der Überarbeitung der ISO-Norm unschwer ablesen kann.

LiteraturBalli, C./Krekel, E. M./Sauter, E. (Hrsg.) (2002): Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung.Zum Stand der Anwendung von Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementsystemenbei Weiterbildungsanbietern. Bonn (Wissenschaftliches Diskussionspapier, Bundesinstitutfür Berufsbildung; erscheint 2002)BMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (1999): „The European House of Edu-cation: Education and Economy – A new partnership“. Conference of the European Ministersof Education, Budapest 24 -26 June 1999. BonnCEDEFOP (2002): Konsultationsprozess zum Memorandum der Europäischen Kommission überlebenslanges Lernen. Eine Analyse der Länderberichte. LuxemburgEmminger, E./Gieseke, W./Nuissl, E. (2001): Professionalität der in der Weiterbildung Tätigen.In: Arbeitsstab Forum Bildung (Hrsg.): Lernen – ein Leben lang. Vorläufige Empfehlungen undExpertenbericht. Bonn, S. 126-139 (Materialien des Forum Bildung, 9)

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Europäische Kommission (1997): Studiengruppe allgemeine und berufliche Bildung, Europaverwirklichen durch die allgemeine und berufliche Bildung. LuxemburgEuropean Commission (2001): National actions to implement Lifelong Learning in Europe (Hrsg.:Eurydice and CEDEFOP). Brüssel u. a.Franz, H.-W. (1999a): Wie lernen Organisationen, wie Organisationen lernen? In: Sozialwis-senschaften und Berufspraxis, H. 4Franz, H.-W. (1999b): Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) in der Weiterbildung: EFQMund DIN ISO 9001. Modell, Instrumente, Fallstudie. BielefeldFranz, H.-W. (2001a): Teaching Organisations as Learning Organisations. In: Streumer, J. (Hrsg.):Perspectives on Learning at the Workplace: Theoretical Positions, Organisational Factors,Learning Processes and Effects. Proceedings Second Conference HRD Research and Pr-actice Across Europe, January 26-27, 2001. Enschede, S. 129-140 (erscheint demnächst in:International Journal of Human Resources Development and Management)Franz, H.-W. (2001b): Berufsbildungsreform für lebenslanges Lernen in Spanien, Frankreichund Dänemark. In: Dobischat, R./Seiffert, H. (Hrsg.): Lernzeiten neu organisieren. Lebenslan-ges Lernen durch Integration von Bildung und Arbeit. Berlin, S. 245-271Franz, H.-W. (2002a): How organisations learn. A theory of the learning organisation. In: Ny-han/Cressey/Kelleher/Poell, a. a. O.Franz, H.-W. (2002b): Internationale Ansätze zur Stärkung des Nachfragerverhaltens auf demBildungsmarkt. In: Balli/Krekel/Sauter, a. a. O.Geißler, K./Orthey, F. M. (1996): Schwindelige Etiketten – von der „lernenden Organisation“.In: berufsbildung, H. 39, S. 2, EditorialKommission der Europäischen Gemeinschaften (Hrsg.) (2000): Memorandum über Lebens-langes Lernen 2000. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen. BrüsselNyhan, B./Cressey, P./Kelleher, M./Poell, R. (Hrsg.) (2002): Organisational innovation and lear-ning. European perspectives on the Learning Organisation, Vol. 1: Overview of the key issu-es; Vol. 2: Selected writings (Hrsg.: CEDEFOP), Luxemburg (angekündigt)Schiersmann, C./Thiel, H.-U./Pfizenmaier, E. (2001): Organisationsbezogenes Qualitätsmanage-ment. EFQM-orientierte Analyse und Qualitätsentwicklungs-Projekte am Beispiel der Famili-enbildung. Opladen

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Peter Krug

Ansätze und Perspektiven der Länderzur Weiterbildungsqualität

Entwicklung, Sicherung und Dokumentation

Ausgangslage – Strukturelle Vielfalt und ISO-Schock

Mitte der 1990er Jahre wurde eine umfassende Diskussion um die in-ternationale Normenreihe DIN ISO 9000-9004, vor allem um die Zertifizierungvon Qualitätsmanagement-Systemen in Gang gesetzt. Alle Akteure im Bereichder Weiterbildung beteiligten sich daran (vgl. u. a. Bayer 1996). Auch im Kon-text ordnungspolitischer Erörterungen, insbesondere im Ausschuss für Fort- undWeiterbildung der Kultusministerkonferenz (KMK), wurde die Qualitätssicherungthematisiert (vgl. Krug 1997).

Eingedenk der kontinuierlichen Bemühungen um Qualität führte dieDiskussion zu einer Verunsicherung, weil die Strukturen der Weiterbildung, andersals in den öffentlich geregelten Bereichen der Schule und Hochschule, in weitenTeilen ungeregelt sind. Es gibt kein Bundesrahmengesetz zur Weiterbildung; ineinigen Ländern bestehen keine Weiterbildungsgesetze, in anderen Ländern nurwenige ordnungspolitische Grundsätze bzw. förderungsrechtliche Normen. DerWeiterbildungsbereich ist im Rahmen der öffentlichen Mitverantwortung durchweitgehend ungeordneten Pluralismus, öffentliche Subsidiarität, unkontrollier-ten Markt und mangelnde Transparenz gekennzeichnet, was sich insbesonderein der Weiterbildungsentwicklung in den neuen Ländern negativ auswirkte („Wild-ost in der Weiterbildung“).

Im Weiterbildungsbereich kam es zu einer verstärkten Fokussierungauf Qualitätssicherung. Man begann, sich der eigenen Qualität zu vergewissern,die Qualitätssicherung auszubauen und dies auch in der Öffentlichkeit zu ver-deutlichen. Dabei ging es sowohl um die Qualitätsentwicklung bei den Pro-grammen, beim Zugang, bei der Durchführung von Maßnahmen und bei derenEvaluation als auch um die Entwicklung und Überprüfung qualitätssichernderStrukturen im Sinne von Total Quality Management (TQM). Benchmarking- undMarketinggesichtspunkte des EFQM-Modells (European Foundation for QualityManagement) wurden ebenfalls einbezogen.

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ISO-Problematik als Hintergrund struktureller alternativerÜberlegungen

Die Gleichsetzung von Qualität und Zertifizierung nach ISO 9000 wurdeals besonders problematisch gewertet, da nicht die Produktqualität der Dienst-leistung Weiterbildung zertifiziert wird, sondern nur der Prozess ihrer Herstel-lung innerhalb einer Einrichtung, also die Prozessqualität. Es wurde befürchtet,dass pädagogische Zielsetzungen damit einer nach außen vorzeigbaren markt-orientierten Etikettierung und Plakettensicherung in der Weiterbildung weichenmüsste.

Weiterhin sah man die Gefahr, dass Berechtigungen oder Chancen aufFörderung der Weiterbildung durch Bundes- oder Landesmittel, europäische Pro-gramme oder auch auf Berücksichtigung im Rahmen des Arbeitsförderungsge-setzes (AFG) von einer Zertifizierung nach ISO 9000 abhängig gemacht werdenkönnten.

In ordnungspolitischer Hinsicht befürchtete man, dass anstelle von staat-lichen Anerkennungen private Zertifikate für die Bonität und die Förderungs-würdigkeit einer Einrichtung dominieren und damit der bisher öffentlich mitver-antwortete Bereich der Weiterbildung dereguliert, privatisiert und durch zertifi-zierte Einrichtungen monopolisiert werden könnte. In diesem Zusammenhangwurde auch die Legitimation der Zertifizierung in Frage gestellt. Wer sind dieZertifizierer? Wer zertifiziert die Zertifizierer? Welche Bedeutung haben Zertifi-kate für den Markt, und wie lange haben sie diese?

Das „Isofizierungssystem“ stellte sich problematisch als nahezu „ge-schlossener Regelkreislauf“ dar. Im Deutschen Akkreditierungsrat (DAR) sind diefür die unterschiedlichsten Zertifizierungsbereiche zuständigen Akkreditierungs-gesellschaften vertreten, um die Anforderungen für Zertifizierungen in Deutsch-land abzustimmen. Von öffentlicher Seite sind hier das Bundeswirtschafts-ministerium und das Bundesarbeitsministerium vertreten, nicht aber die Bildungs-seite. Für die jeweiligen Zertifizierungsbereiche bestehen Akkreditierungsgesell-schaften. Für den „ungeregelten Bereich“ der Weiterbildung ist die Trägerge-meinschaft für Akkreditierung (TGA) zuständig, in der vornehmlich Wirtschafts-verbände vertreten sind. Die öffentliche Bildungsseite ist auch hier nicht vertre-ten, ebenso wenig wie die Gewerkschaften. Über die TGA werden Zertifizie-rungsgesellschaften akkreditiert, die dann die entsprechenden Zertifizierungennach ISO 9000 vornehmen und besiegeln können. Für den Weiterbildungsbe-reich, insbesondere für den Bereich der beruflichen Bildung, ist CERTQUA alsGesellschaft der deutschen Wirtschaft zur Förderung und Zertifizierung vonQualitätssicherungssystemen in der beruflichen Bildung gegründet worden.

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Die Zertifizierung ist für die Bildungseinrichtungen mit einem erhebli-chen finanziellen Aufwand verbunden. Aufgrund dieser pädagogisch und bil-dungspolitisch begründeten kritischen Bewertung der ISO-Zertifizierung wurdeim Weiterbildungsbereich nach strukturellen Alternativen gesucht.

Positionierungen in der Weiterbildungspolitik der Länder

Die Kultusministerkonferenz beschloss am 26./27.Januar 1995, dassder Ausschuss für Fort- und Weiterbildung (AFW) Gespräche mit dem Bundes-ministerium für Bildung, Forschung und Technologie (BMBF), dem Bundesmi-nisterium für Arbeit und dem Bundesministerium für Wirtschaft, dem DeutschenAkkreditierungsrat und der Trägergemeinschaft für Akkreditierung sowie mit derBundesanstalt für Arbeit aufnimmt. Erklärtes Ziel war eine Überprüfung, ob undinwieweit die bisherigen Formen der Anerkennung und Prüfung von Weiterbil-dungseinrichtungen und deren Dienstleistungen gegenüber den Zertifizierun-gen nach ISO 9000 ff. als gleichwertig zu akzeptieren und welche Alternativendenkbar seien. Bis zum Abschluss dieser Prüfung sollte für eine Zurückhaltungbei der Zertifizierung von Dienstleistungen im Bereich der Bildung votiert wer-den; insbesondere sollte die AFG-Förderung nicht von einer Zertifizierung nachISO 9000 ff. abhängig gemacht werden.

Gleichzeitig und ggf. alternativ sollte geprüft werden, ob auch die Bil-dungsseite beim Akkreditierungsverfahren beteiligt werden könne. Ein weitererGesprächspunkt war, ob und inwieweit vorhandene staatliche bzw. staatlichgeförderte Institutionen auch Zertifizierungsaufgaben gemäß ISO 9000 ff. über-nehmen können bzw. ob andere Verfahren der Qualitätssicherung zweckmäßi-ger seien. Es konnten folgende Ergebnisse erreicht werden:

1. Die Bundesanstalt für Arbeit hat die Zertifizierungen nach ISO 9000 ff.nicht zur Voraussetzung einer Förderung im Bereich des AFG/SGB IIIgemacht. Sie hat zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung(BIBB) eine in der Regel und im Grundsatz erweiterte Checkliste für dieQualitätskontrolle von Maßnahmeträgern entwickelt.

2. Im Schul- und im Hochschulbereich wird in der Regel keine Veranlas-sung gesehen, die Strukturen und Verfahren der Anerkennung, Defini-tion, Sicherung und Prüfung von Qualität im Bereich der Bildung durchdie Normenreihe DIN ISO 9000 ff. zu ergänzen oder gar zu ersetzen.

3. Weder bei den EU-Förderungsprogrammen LEONARDO und SOCRA-TES noch bei den Strukturfondsförderungen und Gemeinschaftsinitiati-ven im Bereich der Bildung ist eine Zertifizierung nach ISO 9000 ff. zurVoraussetzung der Förderung erhoben worden.

4. Für die Beteiligung der Weiterbildungsseite bei der Akkreditierung über

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den Deutschen Akkreditierungsrat wird keine Veranlassung gesehen.Für Zertifizierungsaufgaben seien das Deutsche Institut für Erwachse-nenbildung (DIE), das BIBB und die Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU)geeignet. Hier seien alternative Systeme zu entwickeln.

Der AFW hat über diese Klärungsprozesse hinaus die weiteren Per-spektiven der Qualitätssicherung in der Weiterbildung mit den Spitzenverbän-den der Weiterbildung und der Sozialparteien am 24. August 1995 unter folgen-den Leitfragestellungen erörtert:

1. Definitionen von Qualitätsstandards und Kategorien für Zertifizierun-gen in der (allgemeinen, politischen und beruflichen) Weiterbildung?

2. Möglichkeiten und Grenzen traditioneller Qualitätssicherung und Zer-tifizierung in der Weiterbildung?

3. Möglichkeiten und Grenzen der Qualitätssicherung und Zertifizierungnach ISO 9000 ff. (Merkmale der Qualitätssicherung, Kategorien derZertifizierung, Zusammensetzung der Zertifizierungsgesellschaften,Kosten, Akzeptanz, Folgen bei 100%-Zertifizierung oder bei Versagung)?

4. Möglichkeiten und Grenzen alternativer Qualitätssicherungs- und Zer-tifizierungssysteme in der Weiterbildung – „ISO 9000 Plus“ (Kategori-en, institutionelle Rechtsform, Beteiligungen, Geltungsbereich, Akzep-tanz, Kosten, Verfahren)?

Bei den Beteiligten bestand Übereinstimmung darin, dass die gegen-wärtige Qualitätsdiskussion für die Weiterbildung als Chance aufgegriffen wer-den kann, sich der Qualität der Weiterbildung in der eigenen Institution zu ver-gewissern, sich um die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes zur Qualitätssiche-rung zu bemühen, dabei vorhandene Qualitätsstandards zu berücksichtigen so-wie prozessorientierte Aspekte zusätzlich aufzunehmen und diese Qualität derWeiterbildung gegenüber der Öffentlichkeit zu verdeutlichen.

Strukturbildende Modellprojekte in den Ländern

Der AFW hat neben der Klärung der grundsätzlichen Position zur Qua-litätssicherung erste Überlegungen angestellt, ob und wie ein solches gemeinsa-mes Konzept der Qualitätsverantwortung auch strukturell umgesetzt werdenkönnte.

Als Arbeitshypothese für den zukünftigen Prozess der Qualitätssicherungwurde die Idee eines „ISO 9000 Plus“ vorgestellt. Dahinter stand der Gedanke,über die in ISO 9000 ff. enthaltenen Qualitätsmanagementkontrollen hinaus Ele-mente der Qualitätsdefinition und Qualitätssicherung für die Weiterbildung zu

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entwickeln. Sie sollten in Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen der Wei-terbildung, den Sozialparteien und öffentlichen Körperschaften als Schnittmen-gen-Qualitätssicherung „Deutsche Weiterbildungsqualität“ entwickelt werden.

Hierbei sollte noch geprüft werden, ob und inwieweit ein träger- odersogar landesübergreifendes Zertifikats- bzw. Gütesiegelsystem eine zweckmäßi-ge und äquivalente Alternative zu einer Zertifizierung nach ISO 9000 ff. seinkönnte, der auch aus fachlich-pädagogischer und Marketing-Sicht zugestimmtwerden kann.

Diese Konzeption ist mit einer Reihe von Weiterbildungsverbändenerörtert worden und dabei auf grundsätzliche Zustimmung gestoßen.1 Aufgrundder weitgehenden Zustimmung aus Verbänden und Ländern und nach positiverKenntnisnahme des Vorhabens durch die KMK wurde das mit dem Bund abge-stimmte und von ihm mitgetragene Modellprojekt „Qualitätssicherung in derWeiterbildung“ von 1996 bis 1999 vom DIE durchgeführt. In diesem Modellpro-jekt wurden vorrangig drei Aufgabenbereiche untersucht :

1. Mindeststandards der Qualität/KernelementeDie unterschiedlichsten Kriterien für Qualität in der Weiterbildung warenmiteinander in Beziehung zu bringen, abzugleichen und auf einen Kernvon Mindeststandards zu konkretisieren, der die Gesamtheit der unter-schiedlichen Einzelkriterien abdeckt. Diese Mindeststandards sind mitden beteiligten Verbänden und Institutionen abgestimmt und in einemträgerübergreifenden Prozess der Legitimation von allen Beteiligten alsGrundlage für die weitere Qualitätssicherung akzeptiert worden. Diffe-renzierungen bei den jeweiligen Sachbereichen bzw. Einrichtungen,die notwendigerweise weiterhin bestanden, wurden nicht „vereinheit-licht“.

2. Umsetzung der KernelementeIn verschiedenen Ländern ist bei einigen Weiterbildungsverbänden ex-emplarisch untersucht und abgestimmt worden, wie diese Kernelementein der eigenen Institution angewendet, umgesetzt und kontrolliert wer-den können.

3. Institutionalisierte Zertifizierung/TestierungDarüber hinaus sollte auch geprüft und abgestimmt werden, ob undinwieweit nach Einleitung dieser Entwicklungsprozesse zur Qualitäts-sicherung eine trägerübergreifende Zertifizierung noch notwendig,zweckmäßig und leistbar ist. Insbesondere sollte geprüft werden, vonwem, wie und unter welchen Rahmenbedingungen diese Zertifizie-rung vorgenommen werden könnte, ohne dass eine bürokratische „Qua-litätssicherungs- und Zertifizierungsbehörde“ notwendig wäre.

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Über das Bund-Länder-Projekt hinaus fanden in den Ländern eine Rei-he anderer Qualitätsprojekte statt, z. B. bei der Evangelischen und der Katholi-schen Erwachsenenbildung, bei den Heimbildungsstätten, bei den Volkshoch-schulen, bei den Kammern, bei der Eltern- und Familienbildung und beim BIBB.

Perspektiven für eine strukturbildende Testierung

Aus den vom Ausschuss für Fort- und Weiterbildung der KMK initiier-ten bzw. begleiteten Projekten und der vorgelegten Bestandsaufnahme der Län-der können folgende Ergebnisse festgehalten werden:

1. Einrichtungen und Verbände haben die Qualitätsdiskussion positiv auf-gegriffen und begonnen, sie in vielfältiger Weise umzusetzen, z. B. durcheigene Qualitätsprojekte, das Einsetzen von Qualitätsbeauftragten, Schu-lungsteilnahmen, Checklisten etc.

2. In Gesetzen und Rechtsvorschriften zur Weiterbildungsförderung in denLändern bestehen allgemeine strukturelle und quantitative Mindestan-forderungen an Einrichtungen der Weiterbildung. Diese allein reichenallerdings zu einer umfassenden Qualitätssicherung auch im Sinne vonMarketing und Verbraucherschutz nicht aus. Einige Länder haben des-halb spezifische Normen zur Qualitätssicherung in ihre Rechtsvorschrif-ten aufgenommen, andere haben exemplarische Projekte zur Quali-tätsentwicklung aufgelegt.

3. Neben den vom AFW unterstützten und mitgetragenen länderübergrei-fenden Projekten sind in einigen Ländern unterschiedliche Modelle undVerfahren zur Sicherung der Qualität weiterentwickelt worden (weiter-bildungsgesetzliche Auflagen für die Qualitätssicherung in Bremen,Gründung eines Vereins und Einrichtung von Prüfsiegeln für die Quali-tätssicherung in Hamburg, leistungsorientierte Finanzierungsmodelleund Qualitätskommissionen in Rheinland-Pfalz und Etablierung vonQualitätsringen zur Qualitätssicherung in Niedersachsen und anderenLändern).

4. Als ein Ergebnis des Bund-Länder-Projektes ist in Zusammenarbeit mitverschiedenen Weiterbildungsträgern2 bereits eine Checkliste zur Qua-lität für Weiterbildungsinteressierte herausgegeben worden. Sie enthältAussagen zur Qualität der Angebotsinformation, des Weiterbildungs-angebotes, der Weiterbildungseinrichtungen und des Weiterbildungs-vertrages.

5. Als weitere Folge des Bund-Länder-Projektes hat das Bundesministeri-um für Bildung und Forschung in Abstimmung mit dem AFW ein wei-teres Modellprojekt an das DIE vergeben, das ein Konzept zur Schu-lung von Qualitätsentwickler/innen für die Einrichtungen der Weiter-

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bildung vorlegte. Mit dieser Qualifizierung sollte die Professionalitätbei der Qualitätssicherung in den Organisationen der Weiterbildungim Sinne eines Multiplikatorensystems verbessert werden. Die Qualifi-kation selbst orientiert sich am EFQM-Modell. Nach Abschluss derQualifikation wird ein Zertifikat vergeben.

6. Im Kontext von TQM muss neben der Prozessqualität in den Einrich-tungen auch die Angebotsqualität stärker fokussiert und im Sinne eineskundenorientierten Verbraucherschutzes transparent dokumentiertwerden. Es geht um einen Perspektivenwechsel hin zur verstärktenNutzerorientierung. In Verbindung mit der notwendigen Personal- undOrganisationsentwicklung muss die Qualität des Lernens und Lehrens,die Qualität der Lernarrangements und damit die Qualität der Vermitt-lungsprozesse noch stärker gesichert werden, um die Qualität der An-eignung zu fördern. Qualitätssicherung muss umfassend als ein konti-nuierliches System des Qualitätsmanagements mit dem Ziel TQM ein-schließlich kontinuierlicher Evaluation erfolgen, auch im Rahmen ei-nes leistungsorientierten Wettbewerbs.

7. Zur Verstärkung einrichtungs- und länderübergreifender Transparenzund Vergleichbarkeit bedarf es einer Testierung der erreichten Leistun-gen auf der Grundlage von weitgehend einheitlichen Kernelementender Weiterbildungsqualität.

8. Im Zusammenhang der BLK ist geplant, einen vom BMBF finanziertenund vom Lenkungsausschuss „Lebenslanges Lernen“ begleiteten län-derübergreifenden Modellversuch zur Qualitätssicherung/-testierungdurchzuführen.

9. Das BMBF hat über eine Machbarkeitsstudie eine „Stiftung Bildungs-test“ im Kontext der Stiftung Warentest ins Leben gerufen, die Weiter-bildungsqualität testen soll.

10. Die Notwendigkeit der Entwicklung, Sicherung und Testierung vonQualität in der Weiterbildung wird auch in den Empfehlungen des Fo-rum Bildung sowie in den einschlägigen Positionsbestimmungen dergesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien betont. Das giltebenso für den europäischen Bereich und hat sich insbesondere im„EU-Memorandum über lebenslanges Lernen“ niedergeschlagen. Hierbedarf es eines europäischen Vergleichsrasters, für das EFQM eine sach-gerechte Grundlage sein könnte.

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Das Bund-Länder-Verbundprojekt zur lernerorientiertenQualitätstestierung

In der Qualitätsdiskussion ist es zunehmend zu einer Fokussierung aufZertifizierungen und Testierung sowohl auf nationaler wie auch auf internatio-naler Ebene gekommen. Die einschlägigen Positionsbestimmungen zur Quali-tätsentwicklung haben auf die Notwendigkeit einer systematisierten, einrichtungs-und länderübergreifenden vergleichbaren Zertifizierung sowie auf eine quali-tätssichernde transparente Testierung im Weiterbildungsbereich hingewiesen.

In den verschiedenen Weiterbildungsbereichen und -einrichtungen undunterschiedlichen Weiterbildungsstrukturen kann es keine Konformität von fixenMinimalstandards geben, weder für die Prozess- noch für die Angebotsqualität.Dennoch ist zu prüfen, ob und inwieweit Kernelemente bzw. Schnittstellen un-terschiedlicher Qualitätssicherungsansätze im Sinne von Checklisten, Handlungs-empfehlungen und Evaluationen erarbeitet und zur Verbesserung des Verbraucher-schutzes dokumentiert werden können. Bei Anerkennung der Methodenvielfaltzur Qualitätssicherung geht es doch um die Vergleichbarkeit der Ergebnisse.

Bevor ein solches Verfahren länder- und einrichtungsübergreifend sys-tematisiert werden kann, sind folgende Fragen zu klären: Kann diese Definitionvon Kernelementen im Sinne einer Schnittmengen-Qualitätssicherung gemein-sam von Staat, Wissenschaft und Einrichtungen bzw. Organisationen der Weiter-bildung im Konsensprinzip auf freiwilliger Basis geleistet werden? Ist es mög-lich, auf dieser Basis im Rahmen einer Evaluation der Umsetzung dieser Kern-elemente Testate zu entwickeln und zu vergeben?

Schließlich ist zu prüfen, ob und inwieweit in einem Akkreditierungs-verfahren mit dezentraler Ausdifferenzierung in den Ländern eine Institutionali-sierung der Qualitätssicherung vorgenommen werden kann, in deren Rahmenentsprechende Kernelemente mit allen Beteiligen erarbeitet und Parameter fürderen Testierung aufgestellt werden können.

Eine derartige zentrale Konsensbestimmung zur Qualität in der Weiter-bildung könnte unter Beteiligung der Länder, des BMBF, der Organisationen derWeiterbildung und wissenschaftlicher Institute erfolgen. Der Prozess und dieDokumentation der Ergebnisse der Qualitätssicherung selbst könnten dezentraldurch Länderagenturen testiert werden.

Neben der Testierung von Weiterbildungseinrichtungen könnten auchMaßstäbe für länder- und einrichtungsübergreifende Zertifikate für die Teilnah-

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me an Weiterbildungsveranstaltungen und für die erreichten Lernergebnisse ent-wickelt werden, die ggf. auch in einen Weiterbildungspass bzw. ein Portfolioaufnehmbar wären. Darüber hinaus wäre es auch sinnvoll, Auswertungen ana-log der Verfahren der Stiftung Warentest in ihren Anwendungsmöglichkeiten fürdie Weiterbildung zu überprüfen.

Nach umfangreichen Vorarbeiten und Abstimmungsprozessen wirdinzwischen im Rahmen des Programms „Lebenslanges Lernen“ der Bund-Län-der-Kommission das Projekt „Lernerorientierte Qualitätstestierung in der Weiter-bildung“ durchgeführt. In diesem Verbundprojekt, an dem sich alle Länder be-teiligen und das weitgehend vom BMBF finanziert wird, soll ein Referenzmodellfür eine bundesweite und einrichtungsübergreifende Qualitätstestierung entwi-ckelt werden, in welches bereits bestehende Ansätze der Qualitätssicherung in-tegriert werden sollen.3

Ziel ist eine allgemein akzeptierte erwachsenenbildungsspezifischeQualitätsentwicklung und -testierung von Weiterbildungsorganisationen, dieVergleichbarkeit und Transparenz für die Nutzer von Weiterbildungsleistungensicherstellt. Eine entsprechende Beratung und Unterstützung soll auf diesem Wegefür die Weiterbildungseinrichtungen bereitgestellt werden. Das Projekt dient derStrukturbildung, d. h., die Qualitätsentwicklung soll nach Projektende in denLändern verankert und mit Unterstützung der Länder fortgesetzt werden.

Konkret geht es um die Erarbeitung von Kernelementen und Themeneiner Qualitätsentwicklung sowie um die Entwicklung einer Kriterienliste für diequalitative Beurteilung von Weiterbildungseinrichtungen unter dem Gesichts-punkt des Verbraucherschutzes. Das Konzept soll selbstgesteuerte Organisati-onsentwicklung und externe Testierungen umfassen. Der länderspezifische Be-darf wird dabei besonders berücksichtigt. Die Einheitlichkeit und Vergleichbar-keit auf der einen und die Offenheit gegenüber Trägern und länderspezifischenBesonderheiten auf der anderen Seite werden in eine angemessene Balance ge-bracht.

Interne Evaluation der Modellentwicklung und systembezogene wis-senschaftliche Begleitung unterstützen das Vorhaben. Gutachter und Beraterwerden ausgebildet und in ihrer Praxis supervidiert. Eine zentrale Instanz undregionale Testierungsagenturen sollen eingerichtet werden. Über Workshops,Tagungen und Konferenzen sollen Weiterbildungsnetzwerke initiiert werden. DieAkzeptanz des Qualitätsmodells soll bei den fachlichen und politischen Akteu-ren aus Bund, Ländern, kommunalen Gebietskörperschaften sowie Einrichtun-gen und Trägern der Weiterbildung gefördert werden.

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Vorab werden auf der Grundlage der bestehenden Qualitätssicherungs-modelle und -verfahren in Ländern, Bund und EU sowie der träger- und länder-bezogenen Rahmenbedingungen die Voraussetzungen, Strukturen und Umset-zungsmöglichkeiten eines bundesweit einsetzbaren lernerorientierten Qualitäts-modells in der Weiterbildung geprüft. Hierzu sollen unterschiedliche Testierungs-modelle in Deutschland und im Ausland bewertet, ein geeignetes Referenzmo-dell entwickelt, der länderbezogene Bedarf festgestellt, geeignete Umsetzungs-strategien in den Ländern erarbeitet und länderübergreifende Länderagenturenmit ihren Aufgaben konzipiert werden. Die Ergebnisse werden in einer Exper-tenkonferenz unter Beteiligung der Weiterbildungspolitik, der Weiterbildungs-träger und der Wissenschaft diskutiert. Diese Ergebnisse sollen dann in das Refe-renzmodell für eine dreijährige Erprobungsphase einfließen.

In der Prüfphase sollen die Testierungsphasen und die notwendigenSupportstrukturen im Hinblick auf eine nachhaltige Verstetigung optimiert wer-den. Dies setzt eine systematische Qualifizierung von potenziellen Beratern undGutachtern sowie eine systematische wissenschaftliche Begleitung voraus. Da-nach folgt eine dreijährige Durchführungsphase.

Ausblick

Im Kontext strukturbildender Positionierungen ist insgesamt in den Län-dern eine zielorientierte, aber ergebnisoffene Orientierung auf Qualitätsentwick-lung, Qualitätssicherung und Qualitätstestierung von Bildungseinrichtungen fest-zustellen. Der Trend geht hin zu systematisierten, vergleichbaren Kernelemen-ten eines zentralen Referenzmodells mit länderspezifischen Ausprägungen, indas ISO und EFQM mit eingehen können. Vorstellbar wäre in diesem Zusam-menhang eine länderübergreifende Agentur – ähnlich dem Akkreditierungsratbei Bachelor- und Masterstudiengängen – und länderspezifische Testierungs-agenturen für die konkrete Administration von Qualitätstestierungen. Länder-übergreifend ist im gesamten Bildungsbereich die zunehmende Tendenz festzu-stellen, zu vergleichbaren Standards und Überprüfungen von Bildungsleistun-gen zu kommen. In Anbetracht dieser Gemeinsamkeiten bei der Standardsiche-rung sollen unterschiedliche Verfahrensweisen und jeweils spezifische Rahmen-bedingungen in der konkreten Ländertestierung weiterhin möglich bleiben.

Über die Qualitätstestierung hinaus werden von den Ländern im Kon-text der allgemeinen Weiterbildungsförderung und hier insbesondere im Rah-men der Professionalisierung über Fortbildungen und Modellprojekte Support-strukturen bereitgestellt und entsprechende Leistungen erbracht. Generell ist inden Ländern die Tendenz zu beobachten, über notwendige Inputinvestitionen

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hinaus verstärkt Outputevaluierungen vorzunehmen und diese auch zu doku-mentieren.

In den Ländern besteht auch ein Interesse, einen produktiven Wettbe-werb im Sinne von Qualitätssteigerung bei den Bildungseinrichtungen zu unter-stützen, z. B. über spezifische leistungs- und belastungsbezogene Parameter inder Mittelverteilung sowie über die Auslobung von Weiterbildungspreisen.Eingedenk einer derartigen Benchmarking-Orientierung soll das Grundprinzipeiner pluralistischen Weiterbildungslandschaft in den Ländern erhalten bleiben,wobei verstärkt auch an die Notwendigkeit der Weiterbildungsanstrengungender öffentlichen Hände und der Betriebe selbst appelliert wird.

Diese Entwicklungen verlaufen in den Ländern in enger Zusammenar-beit mit den Einrichtungen und Landesorganisationen der Weiterbildung. Dasbetrifft sowohl die Beratungen innerhalb von Landesbeiräten und ähnlichen In-stitutionen als auch die Vorstellungen zur Beteiligung der Landesorganisation anden Konzepten und ihrer Durchführung selbst.

Die Qualitätsentwicklung, -sicherung und -testierung in der Weiterbil-dung erfolgt auch im Kontext mit den entsprechenden Verfahren innerhalb deranderen Bildungsbereiche wie Schule und Hochschule. Neuere Konzeptionenorientieren sich insbesondere an Akkreditierungsverfahren und Mittelverteilungs-systemen an den Hochschulen, allerdings in der spezifischen Ausprägung fürdie Weiterbildung. Überprüfungen von tatsächlichen Lernerfolgen, wie z. B. dieländervergleichende Studie PISA im Schulbereich, werden in der Weiterbildunggegenwärtig noch nicht angedacht.

Insgesamt ist festzustellen, dass die Bedeutung der Qualität und dieNotwendigkeit der Qualitätstestierung von Weiterbildung im Kontext des lebens-langen Lernens zugenommen haben und baldmöglichst konsensorientiert auchordnungspolitisch einer Umsetzung bedürfen.

Angesichts zunehmender staatlicher Deregulierung, des Abbaus staat-licher Bürokratisierung und wachsender Selbstständigkeit der Weiterbildungs-einrichtungen kommt auf diese eine höhere Selbstverantwortung zu. Diese Ten-denz wird durch die wachsende Nachfrageorientierung auf dem Weiterbildungs-markt und die damit verbundene Orientierungsfunktion von Testaten verstärkt.Auch im Zusammenhang mit Lernzeit- und Bildungskonten bzw. Gutscheinsys-temen (z. B. bei der geplanten Reform der Weiterbildung von Migrant/innen)können Qualitätstestierungen eine für die Kundensouveränität entscheidendeSteuerungsfunktion einnehmen. Das gilt insbesondere für modularisierte Bildungs-

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prozesse und Weiterbildungssysteme, für die Testate von Einrichtungen bzw. dieZertifikate über absolvierte Maßnahmen. Portfolio-Ansätze lassen Informatio-nen über die Lernorte und -prozesse sowie die daraus resultierenden Verwer-tungsmöglichkeiten und Berechtigungen zurückfließen.

Die Perspektive von Qualitätstestaten in der Weiterbildung liegt also inden Dimensionen eines nutzerbezogenen Qualitätschecks, eines einrichtungs-bezogenen Qualitätsmanagements sowie einer systembezogenen Akkreditierungvon Weiterbildungsstrukturen. Ein derartiges Modell kann nur korporativ funkti-onieren. Es bedarf der Zielvereinbarungen mit den Weiterbildungsverbänden,der bildungspolitischen Akzeptanz und ordnungspolitischen Legitimation sowieder Wertschätzung der Abnehmer des Weiterbildungsoutputs und der Abdeckungder Verwertungsinteressen der Teilnehmenden. Wenngleich ein deutschlandbe-zogenes Testierungssystem die vorherrschende und notwendigerweise zu über-windende Unübersichtlichkeit einer pluralen Weiterbildungslandschaft zunächstaufheben könnte, kann ein derartiges System langfristig nur dann erfolgreichsein, wenn es auch in ein vergleichbares europäisches System eingebettet ist(vgl. Krug 2001).

Anmerkungen1 Das gilt insbesondere für den Deutschen Volkshochschul-Verband, die Gewerkschaften,

Arbeit und Leben, die Evangelische Erwachsenenbildung, die Katholische Erwachsenenbil-dung, die ländliche Erwachsenenbildung und das Bildungswerk des Deutschen Sportbun-des.

2 Im Einzelnen waren dies: der Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben, die Deutsche Evangeli-schen Arbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung, der Deutsche Volkshochschul-Verbandund die Katholische Bundesarbeitsgemeinschaft für Erwachsenenbildung.

3 Unter der Koordination von Rheinland-Pfalz hat Schleswig-Holstein die Federführung bei die-sem Verbundprojekt übernommen. Im gleichen Rahmen findet unter der Leitung des Saar-landes ein weiteres qualitätsorientiertes Verbundprojekt zum Aufgabenbereich der Zertifi-zierung und Dokumentation in einem Weiterbildungspass statt.

LiteraturBayer, M. (1996): Qualitätssicherung in der Weiterbildung. Literaturrecherche und Texte. Frank-furt/M. (Reihe Berufliche Bildung & Weiterbildung, Bd. 1)Krug, P. (1997): Qualitätssicherung in der Weiterbildung – eine korporative Aufgabe. In: Ar-nold, R. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Erwachsenenbildung. Opladen, S. 51-61Krug, P. (2001): Zur bildungspolitischen Dimension des „lebenslangen Lernens“. In: Nuissl,E./Schiersmann, C./Siebert, H. (Hrsg.): Report 47: Weiterbildungspolitik. Literatur- und For-schungsreport Weiterbildung. Bielefeld, S. 27-37

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Ursula Herdt

Plädoyer für eine umfassende Qualitätspolitik

Der folgende Beitrag nähert sich dem Thema Qualitätssicherung auseiner spezifischen Sichtweise: Im Vordergrund einer auf die Weiterbildung aus-gerichteten Qualitätspolitik muss das Ziel stehen, die Qualität der Weiterbil-dung und ihrer Angebote umfassend zu gewährleisten. Ihre verschiedenen Fa-cetten sind in optimaler Weise für die Teilnehmer transparent und kalkulierbarzu machen.

Zunächst wird die aus unserer Sicht unbefriedigende Ausgangslage kurzskizziert. Daran anschließend werden die Positionen der GEW zur Qualitätssi-cherung vertieft. Dabei liegen die besonderen Schwerpunkte auf den Beschäfti-gungsbedingungen als Qualitätsfaktor und auf der nach dem SGB III gefördertenberuflichen Weiterbildung.

Ausgangslage

Da die einschlägige Problematik der gesamten politischen, finanziel-len, institutionellen und personellen, pädagogisch-didaktischen Dimension derQualität von Weiterbildungsangeboten bis hin zu ihrer Effektivität im Sinne ei-ner nachhaltigen Verwertbarkeit vielfach beschrieben ist, genügen zur Bestands-aufnahme ein paar wenige Schlaglichter:

1. In der Weiterbildung gibt es keinerlei qualitative Voraussetzungen fürdie Eröffnung von Weiterbildungseinrichtungen bzw. zum Angebot vonVeranstaltungen. Qualitätsstandards werden allenfalls – und dies äu-ßerst niedrigschwellig und meist unverbindlich – dann relevant, wennes um die Förderung durch öffentliche Mittel geht.

2. Die extreme Heterogenität und Unübersichtlichkeit der Trägerlandschaftund der Angebote führt zu Orientierungsproblemen. Eine individuelleBeurteilung der Qualität der einzelnen Maßnahmen durch die potenzi-ellen Teilnehmer/innen ist schier unmöglich. Dies wird noch durch dieTatsache verschärft, dass es bisher kein System einer träger-unabhängi-gen und professionellen Weiterbildungsberatung gibt.

3. Die Finanzierung der Weiterbildung ist zum einen ungesichert und star-ken Schwankungen ausgesetzt, zum anderen ist sie höchst unterschied-lich geregelt: Je nach Träger, Bundesland, Kommune und sonstigen Fi-

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nanzierungsquellen fallen die individuellen Kosten für die Teilnehmer/innen durch Gebühren extrem unterschiedlich aus. Ein unmittelbarerZusammenhang zwischen Qualität und Kosten, also das Preis-Leistungs-Verhältnis, ist in der Regel nicht erkennbar. Auch hier tappen die Teil-nehmer/innen im Dunkeln – sieht man einmal von den ungleichenChancen und der sozialen Selektivität als Folgen eines solchen Finan-zierungssystems ab.

4. Eine große Zahl der Weiterbildungsanbieter verfolgt kommerzielle In-teressen und ist daher an der Erzielung möglichst hoher Gewinne inte-ressiert, gegebenenfalls auch auf Kosten der Qualität und insbesondereder Bezahlung und des Status des Personals. Nicht selten führt das zuerheblichen Missverhältnissen zwischen Preis und Leistung. Diese Tat-sache steht in eklatantem Widerspruch zu dem – für andere Bildungs-bereiche unumstrittenen – Postulat, dass die Weiterbildung ein öffentli-ches Gut und demzufolge auch für sie öffentliche Verantwortung wahr-zunehmen ist. Diese Tendenz wird durch die Förderpraxis der Bundes-anstalt für Arbeit noch verschärft. Sie ist gehalten, bei der Vergabe vonBildungsmaßnahmen in hohem Maße Kostengesichtspunkte zu berück-sichtigen – in der Praxis häufig zu Lasten der Angebotsqualität undinsbesondere der Bedingungen der in der WeiterbildungseinrichtungBeschäftigten.

5. Ein gravierender Qualitätsmangel ergibt sich daraus, dass der Weiter-bildungsbereich mit einem äußerst geringen Grad an Professionalisie-rung, d. h. mit sehr wenig hauptberuflich und einschlägig ausgebilde-ten Beschäftigten auskommen muss. Dies schlägt sich vor allem inder Dominanz prekärer Beschäftigungsverhältnisse nieder: Ca. 90%des Unterrichtsangebots waren von Honorarlehrkräften bestritten. Dergrößere Teil von ihnen muss seinen Lebensunterhalt inzwischen aus-schließlich von den entsprechenden Einkünften bestreiten, übt dieseTätigkeit also nicht mehr – wie früher – überwiegend „nebenberuf-lich“ aus. Eine große Zahl der als selbstständig geltenden Lehrkräftebefindet sich in einer materiell desolaten und ungesicherten Lage, istalso – trotz meist ähnlicher akademischer Ausbildung – wesentlichschlechter gestellt als die Lehrkräfte an Schulen. Auch wenn hier keinAutomatismus zwischen Beschäftigtenstatus bzw. guter Bezahlung undQualität der pädagogischen Arbeit behauptet werden soll, so bestehtdoch zwischen beiden Faktoren ein enger Zusammenhang: Defizitein der Qualität des Lehrangebots in der Weiterbildung sind auch aufdie schlechten Beschäftigungsbedingungen, die fehlende Kontinuitätim Personalbestand, die mangelnde Qualifizierung etc. zurückzufüh-ren. Wenn wir uns als Gewerkschaft für eine Verbesserung der Be-

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schäftigungsbedingungen in der Weiterbildung einsetzen, so tun wirdies daher einerseits wegen der Verpflichtung zur Interessenvertretungfür unsere Mitglieder, andererseits aber auch aus dem bildungs- undgesellschaftspolitischen Interesse an einer Qualitätsverbesserung in derWeiterbildung.

Insgesamt sind in der Weiterbildung erhebliche Qualitätsunterschiedefestzustellen; faktisch besteht eine Schere zwischen einer hohen Qualitätsanfäl-ligkeit, konkret: einer Vielzahl von schwarzen Schafen, auf der einen Seite undandererseits einer – und dies muss bei aller Kritik auch erwähnt werden – quali-tativ hochwertigen pädagogischen Arbeit und einer Vielzahl von Innovationen.Dabei ist der Negativsaldo durch die boomhafte Qualifizierungsoffensive in denneuen Ländern unmittelbar nach der Wende angestiegen: Hier wurden häufigöffentliche Mittel verschwendet und Teilnehmer/innen frustriert. Unter anderemdiese Entwicklung hat aber auch zu einem erhöhten Qualitätsbewusstsein undzu einer Vielzahl von Bemühungen geführt, auch für die Weiterbildung ein ak-zeptables Qualitätssicherungssystem zu etablieren.

Trotzdem muss zur Ausgangslage zusammenfassend festgestellt wer-den: Das Fehlen eines umfassenden Qualitätssicherungssystems in der Weiter-bildung stellt – verglichen mit anderen Bildungsbereichen, in denen Qualitätssi-cherung institutionell, ordnungspolitisch und finanziell selbstverständlich ist undein Verzicht darauf undenkbar wäre – eine ungeheuerliche Tatsache dar, dieeinen überfälligen Reformbedarf begründet.

Im bildungspolitischen Gesamtkontext und angesichts des realen Be-darfs an Qualitätssicherung in der Weiterbildung sind das gestiegene Qualitäts-bewusstsein sowie die Tatsache, dass es inzwischen ein breites Spektrum vonQualitätssicherungskonzepten gibt, zwar als erste Schritte in die richtige Rich-tung zu bewerten, aber sie reichen bei weitem nicht aus. Es bedarf des großenReformschritts, der durch das zähe Basteln an immer neuen Varianten von Qua-litätssicherung nicht ersetzt werden kann. So positiv einzelne Ansätze sind – wieetwa die von der Bund-Länder-Kommission favorisierte „Lernerorientierte Qua-litätstestierung“ oder die verschiedenen einschlägigen Initiativen des DIE –,Qualitätssicherung darf nicht länger im Stadium der Pilotprojekte und des Aus-probierens verharren. Sie darf nicht länger Opfer parteipolitisch zuordenbarerwiderstrebender Vorstellungen inner- und außerhalb des zuständigen Ministeri-ums bleiben. Das Herumexperimentieren geht auf Kosten der Teilnehmer/innen,die nach wie vor mit tendenziell unsicherem Ausgang viel persönliches Engage-ment und Geld in Weiterbildung investieren – und es ist auch ökonomisch nichtvertretbar.

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Was ist zu fordern?

Der Markt kann nach unserer Auffassung die Qualität in der Weiter-bildung nicht garantieren, und Verbraucherschutz allein – so wichtig diesergerade in dem deregulierten Bereich der Weiterbildung ist – reicht für die Qua-litätssicherung nicht aus. Aus gesellschaftspolitischer Grundüberzeugung, diesich vereinfacht auf das vielzitierte und richtige Postulat der chancengleichenTeilhabe an Bildung fokussieren lässt, halten wir als GEW die öffentliche Ver-antwortung für alle Bildungsbereiche, so auch für die Weiterbildung, für einenGrundpfeiler unseres Gesellschaftssystems. Diese Forderung nach mehr öffent-licher Verantwortung ist nicht mit Verstaatlichung, also staatlichen Qualitäts-vorgaben und bürokratischer Kontrolle etwa nach dem Modell der Schulauf-sicht, gleichzusetzen. Für die Qualitätssicherung sind vielmehr Staat, Weiter-bildungsträger, gesellschaftliche Gruppen und Arbeitnehmer gemeinsam ver-antwortlich. Der Staat sollte aber die Rahmenbedingungen und Standards fürdie Weiterbildung generell (für Zugang, Finanzierung, Professionalität und auchfür die Qualität) setzen. Dafür muss es aus Sicht der Gewerkschaft Erziehungund Wissenschaft gesetzliche Regelungen geben, die die föderale Zuständig-keit, die in den Weiterbildungsgesetzen der Länder1 umgesetzt wird, durch einBundesrahmengesetz für die gesamte Weiterbildung flankieren. Das Grundge-setz hat dem Bund eine Regelungskompetenz für die gesamte Weiterbildungnicht übertragen, aber gerade die geschilderten Qualitätsprobleme begründendie Notwendigkeit einer solchen deutschlandweiten Zuständigkeit des Bundesfür den gesamten Weiterbildungsbereich. Wir halten eine entsprechende Grund-gesetzänderung, also die Einführung einer Rahmenkompetenz des Bundes fürdie gesamte Weiterbildung (analog für die Hochschulen), für eine folgerichtigeForderung.

Solange und soweit dies nicht realisierbar ist, müssen aber auch kurz-fristige Lösungswege angegangen werden. Deshalb haben die GewerkschaftenGEW, ver.di und IG Metall mit ihren „Vorschlägen für Bundesregelungen in derberuflichen Weiterbildung“ vom Februar 2000 ein Bundesgesetz zumindest fürdie berufliche Weiterbildung gefordert, das auch ein Verfahren für die Qualitäts-sicherung vorsehen müsste.

Wie auch immer die gesetzlichen Regelungen aussehen werden: Wirbrauchen dringend Mindeststandards für die Qualitätsfaktoren, die institutionel-len und professionsbezogenen Formen der Qualitätssicherung. Die Qualitätssi-cherung und -kontrolle muss auf der Grundlage dieser gesetzlichen Vorgabenals öffentliche Aufgabe im Zusammenspiel von Staat, Trägern, regionalen Akteu-ren, Teilnehmern und Wissenschaft durchgeführt werden.

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Die Qualitätsfaktoren müssen sowohl die Input- als auch die Output-faktoren umfassen: Den derzeitigen Trend, ausschließlich auf den Output, alsoden Erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme zu setzen und diesen – wie im Be-reich der beruflichen Weiterbildung – auf die kurzfristige Verwertbarkeit am Ar-beitsmarkt zu verkürzen, halten wir für eine problematische Entwicklung. DieInputfaktoren (s. u.) bedingen in hohem Maße auch den Erfolg eines Bildungsan-gebots. Und zum „Erfolg“ der Weiterbildungsteilnahme – dies ist gerade in Hin-blick auf die nach SGB III von der Bundesanstalt für Arbeit geförderte und vorallem von privaten Bildungsträgern durchgeführte berufliche Weiterbildung zubetonen – gehören nach meiner Auffassung ebenso der Bildungs- und der nach-haltige Integrationserfolg, ggf. auch die soziale Brückenfunktion einer Bildungs-maßnahme. Es wird daher – auch im Kontext der aktuellen Debatte um eineReform der Bundesanstalt für Arbeit – darauf ankommen, in diesem großen, mit7 Mrd. “ jährlich (einschließlich der ca. 4 Mrd. “ Unterhaltsleistungen an dieTeilnehmer) auch finanziell erheblich zu Buche schlagenden Segment der Wei-terbildung auf die Qualitätssicherung wesentlich mehr Gewicht zu legen unddabei einen weiter gefassten Qualitätsbegriff zu Grunde zu legen.

Ich will im Folgenden auch unsere Vorstellungen und Forderungen zumin der Weiterbildung beschäftigten Personal konkretisieren: Seine fachlichen underwachsenenpädagogischen Kompetenzen, seine Weiterbildungserfahrungen,seine Qualifizierung und nicht zuletzt seine Arbeitsbedingungen sind wesentli-che Qualitätsfaktoren. Dabei haben wir als GEW nie die Forderung vertreten,dass alle in der Weiterbildung Beschäftigten hauptberuflich angestellt sein müss-ten. Dies wäre angesichts der Bedarfe in der Weiterbildung (z. B. nach wenigernachgefragten Kursen) und der realen Situation der Einrichtungen utopisch. Wirfordern allerdings einen erheblichen Zuwachs der regulären Beschäftigungsver-hältnisse und eine deutliche Besserstellung der Honorarlehrkräfte (Bezahlung,soziale Absicherung etc.) (vgl. Herdt u. a. 2001). Zu den Inputfaktoren gehörennatürlich auch Curricula, Ausstattung, Organisation u. a. Outputfaktoren. Siesind in einer „Kurz-Checkliste“ (Gnahs 1997, S. 9) aufgeführt; dort werden u. a.der Prüfungs- oder Testerfolg, die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden, dieBewährung des Gelernten in der Praxis (aus Sicht der Teilnehmenden und ausSicht der Vorgesetzten und Kollegen) sowie die gesellschaftliche Wirkung desGelernten genannt.

Ein weiterer wesentlicher Faktor, der in der aktuellen Debatte über dieQualitätssicherung in der Weiterbildung – und übrigens auch im Kontext derdeutschen und europäischen Debatten über „lebenslanges Lernen“ – leider einSchattendasein führt, ist die Notwendigkeit der Beratung. Wenn mit dem An-spruch auf lebenslanges Lernen die Forderung verbunden wird, dass der Einzel-

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ne verstärkt Verantwortung für die Organisation und Durchführung dieser be-gleitenden Lernprozesse übernimmt, dann bedarf es auch begleitender Unter-stützungssysteme, also einer kontinuierlichen Bildungs- und Berufsberatung, dienicht mit der Beendigung der ersten Bildungs- und Ausbildungsphasen aufhörendarf. Notwendig ist der Ausbau einer trägerunabhängigen Weiterbildungsbera-tung, die – um auf unseren spezifischen Kontext zurückzukommen – über dieverschiedenen Weiterbildungsangebote auch den Qualitätsvergleich herstellenund damit Transparenz ermöglichen muss.

Eine abschließende Bemerkung: Es mag überraschen, dass diese For-derungen unter der Gesamtüberschrift „Qualitätssicherung“ formuliert werden.Aber ich plädiere – wie eingangs angekündigt – ausdrücklich für einen umfas-senden Qualitätsbegriff (statt einer Verengung auf verfahrenszentrierte Quali-tätssicherungsmethoden). Jede Qualitätspolitik für die Weiterbildung muss sicham Anspruch der Teilnehmer und aller Zielgruppen auf die chancengleiche Teil-habe an Weiterbildungsangeboten orientieren. Weiterbildungseinrichtungen und-maßnahmen müssen umfassende Qualitätsstandards erfüllen. Dazu tragen ne-ben den üblichen Qualitätssicherungsprozessen auch die Arbeitsbedingungenund der Status der Weiterbildner/innen bei. Darüber hinaus ist eine gesetzlichverankerte Regelungskompetenz des Bundes im Bereich der Weiterbildung drin-gend vonnöten – ebenso wie ein interessenneutrales Beratungsangebot für alleMenschen, unabhängig von ihrer Qualifikation und ihrem Alter.

Anmerkung1 Siehe dazu die Kriterien der Weiterbildungsgesetze der Länder – herausgegeben vom GEW-

Hauptvorstand, Mai 1998.

LiteraturGEW – Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (1998): Kriterien für die Weiterbildungs-gesetze der Länder. Frankfurt/M. (Broschüre)Gnahs, D. (1997): Handbuch zur Qualität in der Weiterbildung – Stand, Perspektiven, Praxis.Frankfurt/M.: GEW (Reihe Berufliche Bildung & Weiterbildung, Bd. 2)Herdt, U. u. a. (2001): Selbstständig – aber sicher! Soziale Sicherung von Dozent/innen in derWeiterbildung. Frankfurt/M.: GEW (Reihe Berufliche Bildung & Weiterbildung, Bd. 12)

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Knut Diekmann

Qualitätskriterien für beruflicheWeiterbildung im Wettbewerb

Die Organisation der Industrie- und Handelskammern bezieht in derberuflichen Weiterbildung eine Doppelstellung. Zum einen führen die Industrie-und Handelskammern auf Basis des Berufsbildungsgesetzes von 1969 öffent-lich-rechtliche Prüfungen durch und bieten ein breites Spektrum von Weiter-bildungsangeboten an. Zum anderen sind sie Fürsprecher der deutschen Unter-nehmen in Bezug auf eine berufliche Weiterbildung, die sich an der Erhöhungder Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu orientieren hat.

Qualitätskriterien von Weiterbildung im beruflichen Kontext

Grundsätzlich muss sich jegliche Weiterbildung, die nicht Selbstzwecksein will, an Qualitätsmaßstäben orientieren. Zentrale Aufgabe der Weiterbil-dung im beruflichen Kontext muss sein, die Beschäftigungsfähigkeit der Mitar-beiter sichern zu helfen. Daher müssen sich die Maßnahmen an den Herausfor-derungen der Arbeitswelt orientieren. Sie müssen geeignet sein, dem einzelnenMitarbeiter die allumfassende berufliche Handlungskompetenz zu sichern, dieer benötigt, um von den Unternehmen nachgefragt zu werden.

Dazu gehört zunächst, dass die Inhalte an den neuesten Strukturen undTechniken der Arbeitswelt ausgerichtet sind. Die Aktualisierung ist daher einwichtiges Qualitätskriterium. Die Bedingungen in den Betrieben verlangen denMitarbeitern heute zunehmend mehr als reines Fachwissen ab. Daher ist dieVermittlung von fachübergreifenden Kompetenzen und Schlüsselqualifikationenein weiteres Kriterium.

Zunehmendes Gewicht erfährt die Beurteilung einer Maßnahme nachihrer Beendigung: Was hat sie dem einzelnen Teilnehmer gebracht? Hat sie zu einerErhöhung seiner Kompetenz, zur Sicherung seines Arbeitsplatzes bzw. zur bes-seren Bewältigung seiner beruflichen Aufgaben geführt? Auch wenn diese output-orientierte Qualitätssicherung noch immer schwer zu leisten ist, wird in Zukunftkein Weg an ihr vorbeigehen. Denn nur der erfolgreiche Transfer zählt in denAugen des Teilnehmers. Der allseits geforderte Wandel von der Angebots- zurNachfrageorientierung muss sich auch in der Qualitätsdiskussion vollziehen.

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Um den Transfer in die Praxis voranzubringen, sind die Einrichtungender beruflichen Weiterbildung gehalten, ihre Angebote auf die jeweiligen Be-dürfnisse der Nachfrager zuzuschneiden. Standardlösungen für alle und jedenverlieren daher an Wert. Dies gilt für alle Zielgruppen: Passgenaue Angebotesind sowohl für die Fach- und Führungskräfte als auch für die Arbeitslosen eineOrientierungsmarke. Daher sollten Qualifizierungsmaßnahmen Arbeitslose ge-zielt auf die (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt vorbereiten.

Neben der inhaltlichen Komponente ist die effiziente Durchführungvon Maßnahmen eine wichtige Vorbedingung, um Weiterbildungsqualität zusichern. Prozessorientierte Verfahren der Qualitätssicherung bieten sich hierfüran. Die aktualisierte ISO-Norm 9000:2000 ist auch für Weiterbildungseinrich-tungen lesbarer geworden und vermag ihnen zu helfen, Planung und Ablauf sozu vollziehen, dass Fehler ausgeschlossen werden. Die „Certqua“ ist eine Ser-viceeinrichtung der deutschen Wirtschaft, sie bietet allen Bildungseinrichtungenihre Unterstützung bei dem Aufbau eines Qualitätssicherungssystems an.

Die Reihe von Hilfsmitteln, welche die Qualität von Weiterbildungs-maßnahmen fördern und messen, wird durch Instrumente ergänzt, dievornehmlich für innerbetriebliche Maßnahmen genutzt werden. Dazu ist vorallem das Bildungscontrolling zu zählen, das besonders mit der populären Ba-lanced Score Card an neuer Publizität gewonnen hat.

Qualitätselemente für den Weiterbildungsmarkt

Was für den Zuschnitt der Angebote gilt, ist zugleich die Zielvorgabefür den gesamten Markt der Weiterbildung. Die weitere Differenzierung vonMaßnahmen erfordert einen Wettbewerb der Einrichtungen um die besten Lö-sungen. Vorgegebene Standards für alle können den Bedürfnissen von Unter-nehmen und Mitarbeitern nicht gerecht werden.

Soll ein solcher Markt auch für die Kunden – Teilnehmende wie Unterneh-men – funktionieren, so muss er einen Überblick gewährleisten. Transparenz istdaher eine notwendige Bedingung für die Qualitätssicherung. Während man dasin der Vergangenheit mit einer pauschalen Forderung zu beantworten gesucht hat,muss heute differenziert werden. Denn die Kunden, Unternehmen wie Erwerbstä-tige, suchen auf unterschiedliche Art und Weise nach Orientierung: Betriebe kön-nen eher auf bewährte Anbieter zurückgreifen, der einzelne Teilnehmer jedoch hatdas Problem, sich auf dem riesigen Markt der Angebote und Einrichtungen zurecht-zufinden, um das für ihn beste Angebot zu identifizieren. Transparenz erfordert hiererstens ein Mindestmaß an Information, zweitens den Zugang zu Information. Die

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Weiterbildungseinrichtungen müssen daher bestrebt sein, ein Maximum an Infor-mation so aufzubereiten, dass es leicht aufgenommen werden kann, und der Zu-gang zu solchen Informationen ist durch Supportstrukturen zu gewährleisten. Dazugehören z. B. Beratungseinrichtungen oder Suchdatenbanken. Die Anzahl vonWeiterbildungsdatenbanken im Internet hat in den letzten Jahren einen inflationä-ren Zuwachs erfahren. Allein in Deutschland existieren derzeit über 70 solcherInformationssysteme. Doch noch werden sie nach den Angaben des Berichtssys-tems Weiterbildung nur von 6% der Interessierten genutzt.

Die Weiterbildungsberatung wird mit der Zunahme der Beteiligung einestrategische Rolle einzunehmen haben. Es reicht schon lange nicht mehr, Ein-richtungen und Angebote unter Qualitätsgesichtspunkten einordnen zu können.Vielmehr muss die Beratung auch noch andere Bedürfnisse erfüllen, etwa dieAnalyse des Kompetenzbedarfs, die pädagogisch-didaktische Beratung für Ein-richtungen und Dozenten oder die Entwicklung von Handreichungen wie bei-spielsweise Checklisten. Die Professionalisierung der Weiterbildungsberatungist überfällig, besonders im Hinblick auf ein Mindestanforderungsprofil.

Auch andere Hilfestellungen sind derzeit in der Diskussion. So habensich die Partner im Rahmen des Bündnisses für Arbeit 2001 auf die Prüfung derIdee von vergleichenden Bildungstests verpflichtet. Dies manifestiert sich in derbreiten Forderung nach einer Stiftung Bildungstest, die auch vom BMBF geför-dert werden soll. Konkret steht die Stiftung Warentest Pate, welche in den 1990erJahren Dienstleistungstests auch in der Weiterbildung durchgeführt hat. Die Stif-tung muss allerdings ihre Methodik verfeinern, um Qualität testen sowie prakti-sche Hilfestellungen leisten zu können. Insbesondere bleibt unklar, wie sie dasVolumen des bundesweiten Markts untersuchen und das Erfordernis der output-orientierten Qualitätsmessung befriedigen will.

Es zeigt sich, dass eine Vielfalt von Qualitätssicherungsmodellen ge-nutzt wird. Die Instrumente sind allerdings unterschiedlicher Natur und lassensich in mehrerer Hinsicht rubrizieren. Gemessen an der jeweiligen Verantwor-tung für die Qualität zeigt sich, dass alle Akteure Mittel nutzen können: derEinzelne, die Unternehmen, die Bildungseinrichtungen, Supportstrukturen, Trä-ger- und Interessenverbände sowie der Staat. Dies birgt zwar die Gefahr, dass eszu einer Segmentierung und somit zur Unvergleichbarkeit von Qualitätssiche-rungsinstrumenten kommt. Doch zeigt dies gleichermaßen, dass der Markt derWeiterbildung in Deutschland Instrumente entwickelt hat, welche die Qualitätinsgesamt verbessern können. Zwar werden ein Referenzmodell für alle sowieein nationales Modell gefordert, doch entbehrt das einer ausreichenden Begrün-dung. Insbesondere die deutsche Tradition einer obrigkeitsstaatlichen Kontroll-

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instanz – wie Schulaufsicht oder Verbraucherschutz – ist inzwischen in Fragegestellt worden. Dafür bewährt sich die Eigenverantwortung der Bildungsein-richtungen und des Marktes zusehends.

Mit der zukünftig wahrscheinlichen wie geforderten Internationalisie-rung des Weiterbildungsmarktes müssen allerdings frühzeitig Weichen für einegrenzüberschreitende Qualitätsdimension gestellt werden. Derzeit existiert nurein Modell, das international genutzt wird – die ISO-Norm 9000:2000. Es weistallerdings den Vorteil auf, von Bildungseinrichtungen und Unternehmen gleicher-maßen genutzt zu werden. Sein Prinzip der Hilfe zur Selbsthilfe führt zu einerflexiblen Handhabung.

Daneben hat die Europäische Kommission einen Prozess in Gang ge-setzt, an dessen Ende europaweite Benchmarks stehen, an denen sich die Leis-tungsfähigkeit auch der Weiterbildungsstrukturen messen lässt. Ein Wettbewerbum die höchsten Ränge wird zwischen den EU-Mitgliedstaaten entbrennen.

Qualität durch Akkreditierung und Zertifizierung

Ein neuer Aspekt der Qualitätsdiskussion hat sich mit der breiten De-batte um die Akkreditierung in den Vordergrund gedrängt. Dies hat mehrereUrsachen: das freiwillige Zulassungsverfahren der neuen internationalen Hoch-schulstudiengänge auf Basis der Bologna-Erklärung von 1999, die von der EUangestoßene Forderung nach Zertifizierung aller Lernprozesse und somit mittel-bar auch der Veranstalter sowie die Aufnahme der privatwirtschaftlichen Zertifi-zierung in die Neuordnung der IT-Weiterbildung in Deutschland.

Historischer Urgrund von Akkreditierung und Zertifizierung ist dieQualitätssicherung. Privatwirtschaftlich organisiert, hat sie in Nischenbereichender beruflichen Bildung eine gewisse Rolle entfalten können. In Deutschlandexistiert mit der TGA (Trägergemeinschaft für Akkreditierung) ein geordneterRahmen, der zukünftig vermutlich auch in der Weiterbildung eine größere Rollespielen wird.

Bei der Forderung nach mehr Zertifizierung im Sinne eines Nachwei-ses von Kompetenzen ist darauf zu achten, dass nicht alles und jedes einer Zer-tifizierung unterzogen werden muss. Dies gilt besonders für Kompetenzen, dieman nicht durch formale Maßnahmen erworben hat. Eine Inflation von Nach-weisen würde von den Unternehmen und Arbeitsmärkten nur bedingt angenom-men, da sie zunächst nur theoretisch eine Erleichterung, in der Praxis aber eineErschwernis darstellen könnten. Zertifizierung im Sinne von Zulassung ist also

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eher konservativ zu nutzen und nur in besonders begründeten Ausnahmefällensinnvoll. Denn sie verändert nicht nur bestehende und bewährte Strukturen derWeiterbildung in Deutschland, sondern führt auch bei Formen der Personalzer-tifizierung zu erheblichen Kosten für den Einzelnen sowie zum Aufbau von neu-en administrativen Strukturen. Zudem könnte sie sich aber auch zu einer Markt-zugangsbeschränkung entwickeln, welche einer besonders begründeten Recht-fertigung bedarf.

Ähnliches gilt auch für Gütesiegel, die trotz gleichen Namens unter-schiedlichen Status haben können: Entweder werden sie qua staatlicher Autori-tät verliehen oder aber sie dienen als Qualitätsmarke durch Vernetzung von gleich-berechtigten Akteuren (z. B. Wuppertaler Kreis e. V.). So wünschenswert dieBindung einer Vergabe von öffentlichen Geldern an Qualitätskriterien ist, so sehrbesteht die Gefahr, dass sich intime und damit wenig transparente Gemeinschaf-ten zwischen Geldgeber und Begünstigtem ausbilden. Qualitätsstandards könn-ten dann gebogen werden, um spezifische antragstellende Weiterbildungsein-richtungen fördern zu können.

Qualität des Diskurses zwischen den Akteuren

Vor dem Hintergrund unterschiedlicher Wege zu mehr Qualität ist auchder Wettbewerb zwischen den Systemen geboten. Träger- und Interessenverbän-de spielen hier eine große Rolle, da es ihnen obliegt, die verschiedenen Instru-mente und Verfahren einzusetzen und auf ihre Tauglichkeit zu prüfen. Ein Dia-log zwischen ihnen ist unabdingbar, um die Qualitätsdiskussion weiterzufüh-ren. Innerministerielle oder akademische Analysen alleine sind ungeeignet, dieQualitätsdebatte zu entscheiden. Die einsame Vorgabe von ubiquitären Quali-tätsstandards, sei es von europäischer, nationaler, regionaler oder kommunalerEbene, wird dem komplexen Prozess einer Qualitätssteigerung in der Weiterbil-dung nicht gerecht.

Die Träger wie ihre Verbände selbst tragen eine große Verantwortungfür die Qualität ihrer Maßnahmen. Sie sind ihren Kunden gegenüber verpflich-tet, auf die höchsten Qualitätsmaßstäbe zu achten, und das nicht nur, weil sichder Nachweis gut für das Marketing der eigenen Veranstaltungen nutzen lässt.Dieser Verantwortung stellt sich auch die IHK-Organisation mit ihren Qualitäts-standards, die sie für die unterschiedlichen Bereiche ihrer Weiterbildungsarbeitformuliert hat. Darüber hinaus versucht sie für den gesamten Markt Hilfestellun-gen zu leisten. Das tun die IHKs und der DIHK zusammen mit anderen Wirt-schaftsverbänden beispielsweise durch das Weiterbildungs-Informations-System(WIS) sowie die Certqua, den ISO-Zertifizierer von Bildungseinrichtungen.

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Wilhelm F. Lang

Qualitätsmanagement als Verbandsstrategie

Beispiel: Bayerischer Volkshochschulverband

Wurzeln des Projekts

Ausgangspunkt für die bayerischen Volkshochschulen auf dem Wegzum systematischen Qualitätsmanagement war die Planung und Implementie-rung der integrierten Marketingkonzeption des Bayerischen Volkshochschulver-bandes (bvv) (vgl. Lößl 2000). In dieser Konzeption war die Erfüllung des öffent-lichen Bildungsauftrags nach dem bayerischen Erwachsenenbildungsförderungs-gesetz von 1974 durch konsequente Kunden- und Teilnehmerorientierung ange-legt worden.

Mit dem Marketing-Konzept entwickelte der bvv landesweit gültige,langfristige Ziele und Strategien. Die Volkshochschulen werden durch die Ein-führung eines ganzheitlich angelegten Qualitätsmanagementsystems (QMS)gleichzeitig mit einem Marketing-Werkzeug ausgestattet, das es ihnen ermög-licht, für die eigene, lokal agierende Einrichtung – neben der Verwendung vonprogrammbereichsbezogenen Qualitäts-Tools – eine Vision, ein Leitbild und lang-fristige Ziele zu formulieren und zu realisieren.

Steuerung und Dynamik

Dem Qualitätsmanagementsystem kommt eine herausgehobene Rollezu: Zum einen, weil aktuelle und potenzielle Kunden die Qualität des VHS-Angebots als das bei weitem wichtigste Kriterium für die Teilnahme nennen,1

zum anderen, weil die Entscheidung für die Konzeption der „European Founda-tion for Quality Management“ (EFQM) als Rahmen für das bayerische Qualitäts-managementsystem getroffen wurde. Dieses Modell und seine Instrumente be-ziehen alle Bereiche der Führung und Organisation einer Einrichtung ein. Damitist das auf dem EFQM-Verfahren aufbauende Qualitätsmanagement ein Steue-rungsinstrument für die ganze Organisation und hat eine emanzipierende Wir-kung für die Planung und Steuerung der gesamten Volkshochschule.

Das von der EFQM entwickelte Qualitätsmodell und die darauf ba-sierende Selbstbewertung verknüpfen einen systematischen Kriterienkatalog zur

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Erfassung der Aktivitäten einer Organisation mit der Anleitung zur systemati-schen Analyse der Zielerreichung. Dadurch wird das Modell dem Ziel gerecht,den scheinbaren Widerspruch zwischen verbindlichen Standards und der För-derung von Weiterentwicklung, also der Dynamik des Systems, aufzulösen. „AusKundensicht betrachtet, erscheint ein ‚dauerdynamisches System’, das keinewenn auch nur vorübergehend gültigen, verlässlichen inhaltlichen Qualitäts-aussagen macht, wenig attraktiv, da die genannte ‚Dauerdynamik’ von externbzgl. des Kundennutzens nicht einzuschätzen und zu bewerten ist. Die Auflö-sung zwischen den Extremen des ‚dauerdynamischen Systems’ und dem Rück-zug auf den Weg der ‚zementierten Standards’ wird in einem Terrassenmodellgesehen. Die jeweils erreichte Stufe hat ein neues, besseres Qualitätsniveaugegenüber der letzten, reizt daher auch zum Erklimmen der jeweils nächstenStufe, lädt aber auch ein zum zeitlich begrenzten Verweilen. Die Kundenseitewird durch die Bewertung der gerade gültigen Standards deutlich machen, obund wie lange diese als ausreichend angesehen werden. Das Kunden- oderTeilnehmer-Feedback legt quasi das Verfallsdatum eines Standards fest“ (Lößl/Lang 2001, S. 48).

Vielfalt und Modularität

Eine wesentliche Quelle der Akzeptanz des bayerischen Qualitätsma-nagementsystems bei den Volkshochschulen dürfte in der Vielfalt der Konzepti-on und insbesondere in der Berücksichtigung, Verstärkung und Weiterentwick-lung von vorhandenen Elementen der Qualitätsentwicklung und Qualitätssiche-rung bei den einzelnen Einrichtungen sein. Dies gilt sowohl für die einzelne Volks-hochschule als auch für die übergreifende Verbandsarbeit. Jeder Einrichtung istes möglich, mit dem Qualitätsmanagementsystem nach EFQM zu arbeiten, indemsie vorhandene Bausteine mit neuen kombiniert und die Gesamtsteuerung nachdem Leitfaden der EFQM vornimmt. Das EFQM-Programm „Levels of Excellence“2

bildet die verschiedenen Bedürfnisse und Ausgangsvoraussetzungen von Volks-hochschulen in Bezug auf das Qualitätsmanagement hervorragend ab. Denn vielewünschen sich einfache, praxisnahe erste Schritte auf dem Weg in ein umfassen-des QMS, während gut entwickelte Einrichtungen speziell auf ihre Situation zu-geschnittene Tools und relativ rasch ein die ganze Einrichtung umspannendesGesamtsystem brauchen. Für den Landesverband ergibt sich hieraus einerseits dieschier unerfüllbare Rolle des tausendarmigen Buddhas, der jedem das gibt, waser braucht. Andererseits stellen Variabilität und Anerkennung des bisher Geleis-teten die notwendige Basis für eine flächendeckende Akzeptanz des Gesamtsys-tems dar. Die „general membership“, die Mitgliedschaft des bvv und aller ihmzugehörigen Einrichtungen bei der EFQM, ist ein weiterer Schritt auf dem Wegzu einem stimmigen Qualitätsmanagement. Der Verband kann durch diese Mit-

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gliedschaft die europaweit und branchenübergreifend gewonnenen Erfahrungender in der EFQM zusammengeschlossenen Mitgliedsunternehmen nutzen undseinen Einrichtungen zugänglich machen.

Die Variationsbreite der Konzeption kommt auch bei der Frage der in-ternen wie der externen Bewertung zum Ausdruck. Bereits die Selbstbewertung,die ohne die Einschaltung einer neutralen Person von außen durchführbar ist,birgt ausreichende Möglichkeiten zur Fortentwicklung einer Organisation übereinen langen Zeitraum hinweg. Das langfristige Ziel einer einzelnen Einrichtungkönnte dabei beispielsweise die Bewerbung um den nationalen Ludwig-Erhard-Preis sein. In der Auffassung des bvv stellt jedoch genau der Bereich zwischendiesen beiden Polen das bei weitem interessanteste Aktionsfeld dar. Gegenüberbranchenfremden Vergleichen oder nicht offen geführten brancheninternenWettbewerben ist das verbandsinterne Benchmarking eine attraktive dritte Lö-sung. Die Assessoren aus den eigenen Einrichtungen, die nach offiziellen Richt-linien der EFQM ausgebildet sind, bringen die ideale Mischung aus Insiderwis-sen und Neutralität in das Verfahren ein. Es wird sich in der Phase der Verbrei-tung erweisen müssen, inwieweit sich dieses Potenzial nutzen lässt, ohne allzuschnell dem Verdacht der Beliebigkeit ausgesetzt zu werden.

Strukturen und Prozesse

Der Endzustand des bayerischen Qualitätsmanagementsystems siehtvor, dass den Volkshochschulen für ihre systematische Selbstbewertung ein spe-zieller VHS-Leitfaden nach EFQM3 als Rahmengeber zur Verfügung steht. Diewesentliche Funktion des Verbandes hierbei ist es, sicherzustellen, dass alle wich-tigen Belange in diesen Leitfaden eingearbeitet werden, von einer allzu starkenSpezialisierung jedoch Abstand genommen wird. Weiterer Bestandteil des QMSwird eine Sammlung von allgemeinen Qualitätsmanagement-Tools sein, welcheeinen programmbereichsübergreifenden Charakter haben. Schließlich werdendiese beiden Teile durch programmbereichspezifische Tool-Sammlungen für dieBereiche Sprachen, Gesundheit, Beruf, Kultur und Gesellschaft ergänzt. Dadurchwird der Übergang von der Selbstbewertung zum systematischen Qualitätsma-nagement für die einzelne Einrichtung erleichtert. Die Möglichkeit eines niedrig-schwelligen Einstiegs wird insbesondere durch die Tool-Sammlungen für die fünfProgrammbereiche gewährleistet. In jedem Fall können die Volkshochschulenindividuell wählen, ob sie – je nach Stärken, Potenzialen, eigener politischerSchwerpunktsetzung und Absicht der lokalen Träger – mit einem oder mehrerenProgrammbereichen pragmatisch in das QMS einsteigen wollen. Die andereMöglichkeit ist, systemisch vorzugehen und den Leitfaden unter Hinzuziehungverschiedener Tools in einem selbst zu bestimmenden Umfang anzuwenden.

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Die Implementierung

Der Gesamtprozess der verbandsweiten Einführung von QMS ist einmittelfristig angelegtes Projekt. Bei der Sammlung der programmbereichsüber-greifenden und der programmbereichsspezifischen Tools wirken die ausgewie-senen Fachleute aus den Volkshochschulen des Verbandes aktiv mit. Somit istgewährleistet, dass die best practice im Verband sowie die Qualitätsstandards,die verbandsintern für das Kernangebot verbindlich gelten, allen Volkshochschu-len zugänglich gemacht werden. Nach der Erstellung des VHS-Leitfadens ge-mäß EFQM und nach Abschluss der Pilotphase, in der 14 Volkshochschulen denbetreuten Einstieg in die EFQM-Konzeption erfolgreich gemeistert haben, wirdin den Jahren 2003 bis 2004 die flächendeckende Implementierung durchge-führt werden.

Als unabdingbar für gute Erfolgsaussichten stellte sich sowohl in derGesamtsteuerung als auch in der Implementierung an den Volkshochschulendie Einschaltung einer EFQM-kundigen Unternehmensberatung heraus. Spätestenshier wird im Verbund wie in der einzelnen Einrichtung die Notwendigkeit zurSchwerpunktbildung beim Einsatz der Ressourcen und Potenziale unüberseh-bar. Damit werden die Vorteile des gemeinsamen Vorgehens auf der Verbands-ebene für die einzelnen Mitglieder praktisch spürbar. Ein weiterer entscheiden-der Erfolgsfaktor des Projekts ist die offene und inhaltlich umfassende Kommuni-kation sowohl der Mitglieder untereinander als auch die zwischen Verband undMitgliedern.

Legitimation und Motivation

Viele Volkshochschulen arbeiten bereits auf vielerlei Feldern mit teilseinfachen, teils ausgefeilten Instrumenten des nun im Aufbau befindlichen Qua-litätsmanagementsystems. Sie bezeichnen dies jedoch nicht so und gehen auchselten systematisch vor. Gerade die Chance der landesweiten Abstimmung lässtin den Volkshochschulen Optimismus und Motivation wachsen, dass die Bün-delung, Abrundung, Ergänzung und Systematisierung der vorhandenen Arbeitenzur Qualitätsentwicklung und zur Qualitätssicherung mit dem nötigen Supportleistbar ist.

Die beste Motivation erhalten Mitarbeiter/innen durch spürbare Kun-denzufriedenheit. Mit einem systematischen Qualitätsmanagementsystem gewin-nen sowohl Auftraggeber als auch Kunden Transparenz und Verlässlichkeit. An-triebskräfte zur Einführung des Qualitätsmanagementsystems sind für den bvvnicht nur die Erreichbarkeit für alle Einrichtungen und die Umsetzbarkeit des

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gewählten Systems oder die Erwartung von Seiten der Politiker und der Teilneh-menden. Es ist vor allem die einzigartige Chance, den Volkshochschulen alsEinrichtungen der öffentlich finanzierten Weiterbildung gegenüber anderen Bran-chen, gegenüber anderen Bildungsbereichen und gegenüber Mitbewerbern inder Weiterbildung die angemessene Positionierung zu ermöglichen.

Anmerkungen1 Diese Erkenntnis rührt aus den Marktforschungsstudien, die seitens des bvv sowohl zu Be-

ginn des Projekts „Marketing“ als auch im Vorfeld des Projekts „Qualitätsmanagement“ ge-zielt durchgeführt wurden

2 Die EFQM hat zwischen die einfache Mitgliedschaft und die Bewerbung um den nationalenoder europäischen Preis Zwischenstufen eingezogen: Committed to Excellence und Recog-nised for Excellence. Sie geben den bewerteten Organisationen Hinweise auf ihren Entwick-lungsstand (vgl. EFQM 2001).

3 Der Leitfaden liefert im EFQM–Verfahren die detaillierte Anleitung zu den Aktivitäten einerOrganisation, die Gegenstand der Selbstbewertung sind. Im Rahmen des Qualitätsmanage-mentprojekts des bvv wurde ein Leitfaden entwickelt, der die spezifischen Rahmenbedin-gungen der Volkshochschulen berücksichtigt. Der Originalleitfaden der EFQM und die EFQM-Version Erwachsenenbildung/Weiterbildung des DIE wurden bei seiner Entwicklung zugrun-degelegt.

LiteraturBühner, R. (1997): Studenten als Kunden. Zertifizierung nach DIN EN ISO 9001. In: Forschungund Lehre, H. 11, S. 580-582EFQM – European Foundation for Quality Management (Hrsg.) (2001): Aspects of Excellence.EFQM magazine, special edition: European Quality Award Report. Brüssel, S. 88-96Lößl, H. G. (2000): Entwicklungen in der Erwachsenenbildung – Zum integrativen Marketing-konzept für die bayerischen Volkshochschulen und ihren Landesverband. Villingen-Schwen-ningenLößl, H. G./Lang, W. F. (2001): Entwicklungen in der Erwachsenenbildung – Qualitätsmanage-ment für die bayerischen Volkshochschulen. Villingen-SchwenningenMeisel, K. (1994): Marketing in der Erwachsenenbildung in der Diskussion. In: Meisel, K. u. a.:Marketing für Erwachsenenbildung? Bad Heilbrunn, S. 13-58

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III. Qualität von Organisationund Professionalität

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Christina Heimlich/Eva Heinold-Krug

Erfolgsfaktoren für Qualitätsentwicklung

Einleitung

Im Projekt „Qualitätsentwickler/in für Einrichtungen der Erwachsenen-bildung“, das von 2000 bis 2002 vom Deutschen Institut für Erwachsenenbil-dung (DIE) durchgeführt und durch das Bundesministerium für Bildung und For-schung gefördert wurde, konnte eine Fallstudie über die Erfahrungen von Bil-dungseinrichtungen mit der Einführung von Qualitätsentwicklung erarbeitetwerden. An vier sehr unterschiedlichen Bildungseinrichtungen1 wurden Inter-views mit den Leitungskräften, den Qualitätsverantwortlichen, den Pädagogi-schen Mitarbeiter/innen und ausgewählten Kursleiter/innen durchgeführt undqualitativ ausgewertet.2 In den untersuchten Einrichtungen wurden verschiede-ne Modelle und Verfahren der Qualitätsentwicklung eingesetzt. In diesem Bei-trag werden erste Ergebnisse vorgestellt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei aufdem Aspekt, welche Elemente eines Qualitätsmodells für Bildungseinrichtun-gen besonders förderlich sind.

Qualitätsentwicklung zwingt zur internen Analyse

In der Erwachsenenbildung haben Evaluation und Selbstevaluationeinen professionellen Ort und eine angestammte Funktion. Wenn Vertreter vonBildungseinrichtungen fragen, worin das Neue des modischen Konzepts derQualitätsentwicklung besteht, dann spielen sie auf diese Tatsache an. Bildungs-einrichtungen haben aus dieser Tradition heraus zunächst deutlichen Wider-stand gegen die aus der Wirtschaft stammenden Qualitätsentwicklungsverfah-ren geleistet und eher Verfahren der Selbstevaluation aufgegriffen, wie etwa denFragebogen zur Selbstevaluation, der im Niedersächsischen Landesverband derVolkshochschulen entwickelt wurde. Inzwischen hat sich die Erwachsenenbil-dung längst auch anderen Verfahren geöffnet und deren zusätzliche Leistung fürdie Bewertung des eigenen Systems unter Organisationsaspekten erkannt (z. B.die Adaption des Leitfadens der European Foundation for Quality Management(EFQM) des DIE, vgl. Heinold-Krug/Griep/Klenk 2001).

Die international anerkannten und in der Erwachsenenbildung akzep-tierten Modelle zur Qualitätsentwicklung sind DIN EN ISO 9000 ff. und das

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Modell der EFQM. Diese beiden sowie das Sächsische Modell QES (Qualitäts-entwicklung Sachsen) wurden in den Einrichtungen, die sich an der Fallstudiebeteiligt haben, eingesetzt.3

Gemeinsam ist den akzeptierten Modellen das Merkmal der Systemati-sierung in der Prüfung von Qualität. Auch wenn die Modelle mit verschiedenenSystematisierungen arbeiten und in den untersuchten Einrichtungen damit un-terschiedlich umgegangen wird, hat immer gerade dieses Merkmal die Beteilig-ten vom Nutzen des Verfahrens überzeugt.

Die Verfahren und Modelle unterscheiden sich in ihrer Systematik,sowohl hinsichtlich der vorgeschlagenen Vorgehensweise bei der Bewertungals auch in den Kriterien, die der Bewertung zugrunde gelegt werden. „Syste-matisch“ bedeutet im Einzelnen also durchaus Unterschiedliches: Bei der EFQMliegt ein Organisationsmodell zugrunde, bei der alten ISO 9000 ein Prozess-modell, das sich in der neuen Fassung 9000:2000 deutlich an eine Organisati-onssystematik angenähert hat. Das sächsische Modell strukturiert mit Konzep-ten, die der Pädagogik näher sind. Es scheint die Unumgänglichkeit des Syste-matisierens an sich zu sein, die den Nutzen erzeugt. Die durch das Modellvorgegebenen Kriterien und Dimensionen leiten zu einer umfassenden Reflexi-on der manifesten Strukturen und Handlungsweisen an, der sich die Mitgliedereiner Organisation auf allen Ebenen stellen müssen. Der Wert der einzelnenAktivitäten und Regelungen wird immer vor dem Hintergrund des Ganzen be-urteilt.

Alle gängigen Verfahren und Kriteriensammlungen lösen in den Or-ganisationen Prozesse systematischer Datenermittlung aus. Bei einer solchensystematischen Dokumentation ihrer Aktivitäten müssen sich die Einrichtun-gen auch der Frage nach dem Ziel stellen, mit dem sie die Qualität ihrer Arbeitbewerten wollen. Sicherung der Qualität durch Dokumentation und Standardsoder kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität durch Verbesserung vonProzessen und Ergebnissen sind in einem dynamischen Weiterbildungssystemin eine Balance zu bringen. Der Begriff Qualitätssicherung impliziert, dass Qua-lität definiert ist und ihre Standards vorgegeben sind. Der Widerstand der Ak-teure in den Verbänden und Einrichtungen der Weiterbildung hat jedoch dieEtablierung eines geschlossenen und von allen akzeptierten Standardsystemsnicht zugelassen. Aus den ersten Ergebnissen der Fallstudien lässt sich jetztableiten, dass zum Anschieben von Verbesserungsprozessen in Bildungsein-richtungen keine Standards notwendig sind, sondern ein systematischer Kriteri-enkatalog, der die Organisation dazu herausfordert, ihre Entscheidungenaufeinander zu beziehen.

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Qualitätsentwicklung zwingt zur Wahrnehmung der Umwelten

Qualitätsentwicklung geht weiter als Qualitätssicherung. Sie beschreibtdie kontinuierliche Entwicklung der Organisation und des Systems, in dem sichdie betreffende Organisation bewegt. Sie geht davon aus, dass die Akteure durchihre Haltungen und ihr Handeln Veränderungen bewirken, die Auswirkungenauf die Organisation nach innen und auf ihre Umwelt haben. Alle Qualitätsmo-delle fordern, dass die Organisation in einen systematischen und vor allem kon-tinuierlichen Reflexions-, Austausch- und Verbesserungsprozess mit ihren Um-welten (Teilnehmende, gesellschaftliches Umfeld, Auftraggeber etc.) eintretensoll. Daten über die Umwelten, die Kunden bzw. die Interessenpartner werdenin den Kriterienkatalogen differenziert erfragt, so dass die Einrichtungen dazuangeleitet werden, sie auch differenziert zu betrachten. Die Organisationenmüssen Verbindungen zwischen Aktivitäten und Ergebnissen hinterfragen undwerden dadurch angeleitet, sie den Zielen und Umwelten4 zuzuordnen. DieSystematik dieses Reflexionsprozesses und seine Dokumentation führen zu neu-en Erkenntnissen und schärfen die Wahrnehmung.

Die vorliegenden Ergebnisse der Fallstudien im Rahmen des DIE-Pro-jektes „Qualitätsentwickler/in“ belegen die Annahme, dass in den Einrichtun-gen, die Qualitätsentwicklung systematisch einführen, ein großes Interesse ander Optimierung interner Prozesse besteht, und dass die Organisationen bereitsind, sich in der Auseinandersetzung mit ihren Umwelten insgesamt weiter zuentwickeln.

Die entscheidenden Elemente, die in den Qualitätsmodellen vorhan-den sein sollten, um nachhaltige Entwicklungsprozesse in Bildungseinrichtun-gen in diesem Sinne anzustoßen, sind also:

– ein System von Kriterien, das geeignet ist, die wesentlichen Teile einerOrganisation für die Dokumentation und Bewertung zu erfassen,

– die Orientierung der Bewertung auf das Zusammenspiel von Entschei-dungen und Abläufen innerhalb einer Organisation und einer aktivenBeobachtung ihrer Umwelten.

Aus der Dynamik zwischen diesen beiden Elementen entsteht ergeb-nisorientiertes Arbeiten in Programmplanung, Angebotsentwicklung und Manage-menthandeln.

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Das Verfahren der Einführung von Qualitätsentwicklung:Der Weg ist das Ziel?

Unabhängig davon, dass die verschiedenen Organisationsformen undGrößen der Bildungseinrichtungen unterschiedliche Prozessdynamiken bedin-gen, sind bei der Einführung von Qualitätsentwicklung förderliche Faktoren er-kennbar geworden, die für alle untersuchten Einrichtungen gelten.

Ein wesentlicher Faktor sind Verhalten und Konsequenz der Führungs-kräfte. Sie müssen aufgrund eigener Überzeugung eine Entscheidung für einmögliches Modell und Verfahren herbeiführen und diese Entscheidung konse-quent umsetzen.

Förderlich für eine solche konsequente Umsetzung ist die umfassendeBeteiligung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Anfang an. Damit ist nichtdie formale Beteiligung des Betriebs- oder Personalrats gemeint, sondern eineBeteiligung, die darauf abzielt, die Kompetenzen und Ressourcen des gesamtenPersonals zu aktivieren und eine engagierte Mitwirkung bei allen Schritten zuerreichen. Wesentlich hierfür sind nicht moralische Appelle, sondern Strukturen– z. B. Qualitätszirkel –, die den Mitarbeiter/innen ergebnisorientierte Arbeitsfor-men anbieten.

Andere Werkzeuge, die eine Struktur für Beteiligung schaffen, sind dasErhebungsinstrument für die Dokumentation und das Bewertungsinstrument. IhreSystematik muss nachvollziehbar und leicht handhabbar sein. Unter diesen Vo-raussetzungen sind sie – neben ihrem eigentlichen Zweck – geeignet, Lernpro-zesse auf der persönlichen und fachlichen Handlungsebene zu ermöglichen.Der Umgang mit solchen Instrumenten ebnet den Weg zu einer sachbezogenenKommunikation über Handlungsstrategien mit dem Ziel, Verbesserungsmöglich-keiten in der Alltagsarbeit aufzuspüren. Der souveräne Umgang mit diesen In-strumenten ist Teil der kontinuierlichen Qualifizierung der Mitarbeiter/innen undein weiterer Schritt, um sie zur Selbststeuerung in der Entwicklung ihrer Arbeits-felder zu befähigen.

Führung und Mitarbeiter/innen müssen die Verantwortung dafür über-nehmen, dass Austausch und Kommunikation als kontinuierlicher Prozess ge-staltet und nicht als vorübergehende Managementmasche betrachtet werden.Gegenstand dieser „kontinuierlichen Verbesserungskommunikation“ sind dieSchlüsselprozesse5 der Bildungseinrichtung, die strukturelle Ermöglichung vonLernprozessen und die Auseinandersetzung der Organisation mit ihren Umwel-ten. Diese Kommunikation verlangt nach den „klassischen“ Instrumenten des

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Qualitätsmanagements (Strategieworkshop, strategisches Controlling, Qualitäts-zirkel etc.), führt aber auch in den Einrichtungen selbst zur Entwicklung solcherInstrumente (Zielekonferenz, Ideenbox, Kundenkonferenz etc.).

Die für das Gelingen der Qualitätsentwicklung förderlichen Faktorenbei der Einführung verweisen auf die Tiefenwirkung von Qualitätsmodellen, dieausschließlich nach manifesten Prozessen fragen. Die Qualitätsmodelle lösenmit ihrer Systematik und Ergebnisorientierung eine Dynamik in Bildungseinrich-tungen aus, die an den latenten Prozessen (z. B. Kommunikation und Kooperati-on) rührt. Dies geschieht je nach Organisationskultur in unterschiedlichen „Tie-fen“: Oberflächlich wird die Orientierung auf die Abläufe durch ein strukturier-tes Gerüst erleichtert. Sie werden für alle Beteiligten nachvollziehbar, gültig,schlüssig und effektiv. Die Zusammenarbeit wird auf der Basis dieses Gerüstsstrukturell erleichtert und weniger stark durch personale Faktoren gefärbt. Ineiner mittleren Tiefe wird das Wissen über die Gesamtheit der Organisation er-weitert, was dazu führt, dass das Engagement für das Ganze allmählich geför-dert wird (dies dokumentiert sich dann z. B. in einer einheitlicheren Erscheinungnach außen). Schließlich wird auf einer sehr grundsätzlichen Ebene Reflexivitätund Veränderungsbereitschaft ausgelöst und dadurch die Verantwortung für Lö-sungen in der Organisation von allen getragen. Eine offene Fehlerkultur kannentstehen.

In allen drei Tiefenschichten wird deutlich, dass Qualitätsentwicklungdas Lernen in einer Organisation fördert, indem es hemmende Bedingungenverändert – offensichtlich aber nur dann, wenn bei der Einführung die obengenannten Schritte unternommen werden.

Schlüsselmerkmale systematischer Qualitätsentwicklung

Bei den Untersuchungen im Rahmen der Fallstudie haben sich Schlüs-selmerkmale systematischer Qualitätsentwicklung herauskristallisiert, die für dieImplementation und die erzeugten Innovationspotenziale von besonderer Rele-vanz sind:

– Wahrnehmung, Steuerung und Kontrolle von Wirkungen helfen beson-ders sozialen oder Bildungseinrichtungen, den Nachweis ihrer gesell-schaftlichen Produktivität zu erbringen.

– Versachlichung und Entpersonalisierung von Problemen und ihre Lö-sung als gemeinsame Herausforderung werden von den Beteiligtenbesonders positiv hervorgehoben.

– Nachweis- und Dokumentationspflicht ergeben Transparenz und füh-ren zu kontinuierlicher Weiterentwicklung.

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– Selbstbewertung und Zertifizierung oder Testierung sind die angestreb-ten Ziele der Einrichtungen und dienen als Herausforderung, Wege derVerbesserung zu beschreiten und weiterzugehen.

– Der zeitliche Aufwand wird zu Beginn als Widerstandspotenzial erlebtund wandelt sich im Verlauf zum Motivationsfaktor: Er veranlasst dieMitarbeiter/innen dazu, nach immer besseren Wegen zu suchen, umdas Qualitätsmanagement in den Alltag zu integrieren.

– Verfahren, Instrumente und Methoden werden aus unterschiedlichenPerspektiven im Zusammenspiel mit der Fachlichkeit zu einer systema-tischen Verbesserungsdramaturgie integriert, die Ergebnisse im Hinblickauf Kunden, Gesellschaft, Mitarbeiter und Geschäftserfolg hervorbringt.

Es stellt sich die Frage, von welchem Modell diese Schlüsselfaktorenam besten unterstützt werden bzw. welche Elemente am nützlichsten sind. Diebeiden internationalen Modelle DIN EN ISO 9000 ff. (in der neuen Version9000:2000) und das Modell der European Foundation for Quality Management,aber auch IQM und die in der Erprobung befindlichen Testierungsmodelle ha-ben unterschiedliche Ausprägungen in ihrem System-Repertoire, um diesen An-forderungen zu genügen.

EFQM zeigt dabei das umfassendendste Konzept. Es integriert Füh-rung und Mitarbeiter, Politik und Strategie, Partner und Interessengruppen,Schlüsselprozesse und auf der Ergebnisseite vorrangig die Kunden, gesellschaft-liche Komponenten und wirtschaftlichen Erfolg. Die leitenden Fragen der Un-terkriterien sowie Konsensfindung und Priorisierung lösen die beschriebenenEffekte aus. Auch die konsequente Umsetzung der DIN ISO 9000:2000 bein-haltet die Komponenten der Mitarbeiterbeteiligung, der Prozessgestaltung so-wie die Nachweis- und Dokumentationspflicht etc. und bringt die genanntenFaktoren zur Wirkung.

Die Integration beider Verfahren (z. B. in Form des IQM), die gelegent-lich in Bildungseinrichtungen praktiziert wird, kann vermutlich die positivenEffekte der einzelnen Komponenten erhöhen (dazu liegen in der Fallstudieallerdings keine Erfahrungen vor).

Qualitätsentwicklung macht eine erfolgreiche Organisationerfolgreicher – die kritischen und die Erfolgsfaktoren

Als kritische Erfolgsfaktoren der Einführung von Qualitätsentwicklungbezeichnet man diejenigen Kriterien, an denen der Erfolg der Qualitätsentwick-lung zu erkennen ist. In der Fallstudie werden von den Befragten zwei kritische

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Erfolgsfaktoren benannt, von denen einer aus der Pädagogik, der andere aus derÖkonomie stammt.

Als pädagogische Erfolgsfaktoren werden die makrodidaktischen Hand-lungsfelder angeführt. Eine sichere Bedarfserhebung, längerfristige Teilnehmer-bindung und das Operationalisieren von pädagogischen Zielen rücken ins Blick-feld. Aber auch die grundsätzlichen Ziele, Methoden und Themen der pädago-gischen Arbeit sind Handlungsfelder, deren Verbesserung (höhere Nachfrage,mehr Aufträge, bessere Rückmeldungen etc.) durch Qualitätsentwicklung ange-strebt wird.

Vor allem die nicht berufsbezogene Erwachsenenbildung leistete Wi-derstand gegen Qualitätsentwicklung mit dem Argument, dass das Pädagogi-sche nicht zu messen sei. Deutlich wird durch die vorliegende Untersuchung,dass das Benennen, Bewerten und Erreichen der pädagogischen Zielsetzung sehrwohl als wichtiger Erfolgsfaktor bewusst ist und akzeptiert wird. Dies korrespon-diert mit den Erkenntnissen aus den sozialen Arbeitsfeldern, in denen systemati-sche Qualitätsentwicklung schon über einen längeren Zeitraum betrieben wird.

In ökonomischer Hinsicht werden einzelne Dienstleistungen als kriti-sche Erfolgsfaktoren wahrgenommen, so z. B. der technische Standard, Lehrräu-me, Organisation der Kursbetreuung, Information und Freundlichkeit. Aus Sichtder Teilnehmenden tragen diese Merkmale wesentlich zum Erfolg einer Weiter-bildungsveranstaltung bei und sind damit ausschlaggebend bei der Wahl einerEinrichtung. Das Qualitätsmanagement-System ist für die Mitarbeitenden dasMedium, um diesen Erfolg zu erreichen, aber nicht das Ziel. Einrichtungen, diebereits ein Bewusstsein für diese Zusammenhänge hatten, konnten erfolgver-sprechende Entwicklungen forcieren. Die Stärkung eines Dienstleistungsverständ-nisses der gesamten Organisation in einem umfassenderen Sinn, der Gesell-schafts-, Markt- und Teilnehmerorientierung einbezieht, wird jedoch als ein we-sentliches Kriterium für den Erfolg eines QE-Prozesses angesehen. Er soll zurFlexibilität der Einrichtung beitragen und damit die Zukunft sichern.

Die Verknüpfung beider Erfolgsfaktoren im Selbstverständnis derjeni-gen Einrichtungen, die Qualitätsentwicklung einführen, ist auffällig. Die Kom-munikation über die pädagogischen Prozesse und deren Verbesserung werdendurch die Verfahrenslogik der Qualitätsmodelle gefördert. Durch Qualitätsent-wicklung wird in den Bildungseinrichtungen wieder Raum geschaffen, um überInhalte, Pädagogik oder gesellschaftliche Anforderungen an Bildung miteinanderzu sprechen. Die Verschränkung der Prozesslogik der Qualitätsmodelle mit denprofessionellen Qualitätsanforderungen an pädagogische Prozesse erfolgt über

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die Fachlichkeit der Pädagog/innen. Ihre Kenntnis der professionellen Schritte z.B. des Planungsprozesses ermöglicht es ihnen, die konkreten Teilschritte auf einProzessmodell abzubilden. Die im Qualitätsmanagement geforderte Dokumen-tation macht sichtbar, welche Teilschritte miteinander und mit anderen Aktivitä-ten in der Einrichtung verknüpft sind. Sie macht aber auch deutlich, wo Teilpro-zesse lose Enden haben oder widersprüchliche Ziele verfolgt werden. Die syste-matische Beschreibung und Dokumentation von pädagogischen Handlungsfol-gen mit Hilfe der auf die Organisationslogik bezogenen Prozesslogik eines Qua-litätsmodells verändert den Blick der Pädagog/innen auf ihr Handwerk. Sie set-zen Energien und Kreativität frei, mit denen die pädagogische Arbeit insgesamtoptimiert wird und einzelne Aktivitäten besser aufeinander bezogen werdenkönnen. Qualitätsentwicklung fordert die Dokumentation und den Nachweisderartiger Diskussionen und legt damit die Basis für deren Umsetzung und dieEvaluation der Ergebnisse.

Wieder stellt sich die Frage nach dem Modell, das diesen Erfolgsfak-tor am besten unterstützt. Die DIN ISO 9000 ff. stellt ein detaillierteres Pro-zessschema zur Verfügung, das EFQM-Modell fragt zwar nach Prozessen undfordert zur detaillierten Beschreibung ihres Beitrags zur Zielerreichung auf, bietetaber keine Gliederung für die Darstellung. Die Gliederungshilfe der DIN ISO9000 ff. hat lange Zeit den Widerstand aller Branchen im Sozial- und Bildungs-bereich hervorgerufen (der inzwischen nachgelassen hat), und die offene Formdes EFQM-Leitfadens wurde eher akzeptiert. Inzwischen werden in den Ein-richtungen mit EFQM-Logik die Wünsche nach mehr Unterstützung bei derProzessdarstellung lauter und erste Versuche unternommen, die Vorteile bei-der Modelle miteinander zu verbinden. Der Nachteil des EFQM-Leitfadens kanndurch die Nutzung entsprechender Werkzeuge aus dem Prozessmanagementleicht ausgeglichen werden. Neben den Modellelementen sind es also wesent-lich Verfahrensfaktoren, die den Erfolg der Einführung eines Qualitätsmanage-ment-Systems bestimmen.

Außer den kritischen Erfolgsfaktoren konnten bedingende Erfolgsfakto-ren festgestellt werden. Genannt seien hier nur diejenigen, die einen Zusam-menhang zwischen Modell und Verfahren darstellen: 1. Der externe Druck zuZertifizierung oder Selbstbewertung und die Lenkung der Zeitschiene. 2. DieAussicht auf Anerkennung innerhalb des Systems, dem die Organisation ange-hört, oder die externe Prüfung. Diese beiden Faktoren beeinflussen die Wahl derQualitätsmodelle und Verfahren und verweisen darauf, dass die Angemessen-heit des gewählten Modells sich auch durch seine Passung zu den Umweltender Bildungseinrichtung bestimmt.

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Fazit

Was bedeuten diese ersten Erkenntnisse aus der DIE-Fallstudie für eineBildungseinrichtung, die am Beginn eines Qualitätsentwicklungsprozesses stehtund über die Auswahl von Modell und Verfahren zu entscheiden hat?

– Sie sollte das Modell aussuchen, von dessen Systematik sie sich amehesten verspricht, dass sie für den Entwicklungsstand der Organisati-on ausreichend komplex ist, viele neue Impulse für die Selbstwahrneh-mung liefert und von den Mitarbeiter/innen akzeptiert wird.

– Sie sollte darauf achten, dass Modell und Systematik darauf ausgerich-tet sind, die Wahrnehmung der Organisationsumwelten präzise zu struk-turieren und einzufordern.

– Sie sollte ein Verfahren wählen und an die eigenen Bedingungen an-passen (externe Beratung in Anspruch nehmen!), das die Kommunika-tion aller über das Ganze fördert und fokussiert.

– Sie sollte zu Modell und Verfahren passende Instrumente (Prozessma-nagement, Controlling etc.) auswählen und anpassen, das Personal fürihren Einsatz qualifizieren und die Ergebnisse auswerten.

– Sie sollte Wert darauf legen, dass die Konzepte, die dem gewähltenVerfahren zugrunde liegen (Dokumentation, Mitarbeiterbeteiligung,Selbstevaluation, Auditierung etc.) akzeptabel sind und dazu beitra-gen, Qualitätskreise zu schließen.

– Sie sollte ihre Wahl mit ihren wichtigen Partnern abstimmen und kon-sequent umsetzen, weil für Qualitätsmanagement wie für alle anderenStrategiekonzepte gilt, dass es nur so gut ist wie seine Realisierung undIntegration in das Alltagshandeln.

Anmerkungen1 Es handelt sich um eine große Volkshochschule, eine sehr kleine konfessionelle Bildungs-

einrichtung, eine Familienbildungsstätte und einen Landesverband.2 Die Fallstudie wird von Christina Heimlich geschrieben und erscheint im Dezember 2002.3 Daneben wurden in den verschiedenen Branchen sozialer und bildungsorientierter Dienst-

leistungen integrierte Modelle wie z. B. „Integriertes Qualitätsmanagement Weiterbildung“(IQM) (Franz 1999) und Qualitätstestierungsansätze (vgl. Ehses u. a. 2001) entwickelt.

4 Im EFQM–Modell, das hier am deutlichsten wird, werden sie „Interessenpartner“ genannt.5 Schlüsselprozesse tragen wesentlich dazu bei, die Einrichtungsziele in Bezug auf die Teil-

nehmenden und die Auftraggeber umzusetzen.

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LiteraturEhses, Ch./Heinen-Tenrich, J./Zech, R. (2002): Das lernerorientierte Qualitätsmodell für Wei-terbildungsorganisationen. (2. Aufl.) HannoverFranz, H.-W. (1999): Integriertes Qualitätsmanagement (IQM) in der Weiterbildung: EFQM undDIN ISO 9001. Modell, Instrumente, Fallstudie. BielefeldHeinold-Krug, E./Griep, M./Klenk, W. (2001): EFQM – Version Erwachsenenbildung/Weiterbil-dung. Frankfurt/M.: DIELandesverband der Volkshochschulen Niedersachsens e. V. (1997): Qualitätssicherung in derVolkshochschule. Fragenkatalog zur Selbstevaluation. Hannover

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Eva Heinold-Krug

Qualifizierung des hauptberuflichenPersonals für die Qualitätsentwicklung

Einleitung

Die Entscheidung für die Einführung von Qualitätsentwicklung oder –der Begriff wird noch immer eher gemieden – von Qualitätsmanagement ist füreine Bildungseinrichtung sehr weitreichend. Es ist die Entscheidung, in ihrerKernkompetenz, dem Vermitteln (vgl. Kade 1997), dem strukturellen Ermögli-chen von Lernen (vgl. Ehses/Zech 2002) kontinuierlich besser werden zu wol-len. Es ist die Entscheidung, die gesamte Organisation mit einer Hierarchie vonZielen zu vernetzen und diese Ziele mit den Instrumenten des Qualitätsmanage-ments in ein kontinuierlich besser mit den Umwelten der Einrichtung abgestimm-tes Bildungsangebot umzusetzen. Es ist die Entscheidung, das Erreichen der stra-tegischen und pädagogischen Ziele regelmäßig und systematisch zu überprüfenund die Angebote weiter zu entwickeln. Damit legt sich eine Organisation dar-auf fest, die Handlungslogik und die professionellen Standards ihrer Bezugsdis-ziplin Erwachsenenbildung mit einer weiteren Handlungslogik organisations-weit zu verschränken.

Der erhoffte Nutzen aus der Einführung von Qualitätsentwicklung be-steht darin, die Bedarfe und Bedürfnisse der Teilnehmenden und aller anderenInteressenpartner präziser wahrzunehmen und in besser abgestimmten Veran-staltungen und Dienstleistungen einzufangen – und mit dieser Strategie langfris-tig als Bildungseinrichtung zu bestehen. Dass sich Bildungseinrichtungen dieserHerausforderung aktuell stellen, ist – unabhängig von den realen Auslösern – alsAusdruck der fortschreitenden Organisationsentwicklung in der Weiterbildungzu verstehen. Entwickelte Organisationen sind daran zu erkennen, dass sie insteigendem Maße die Bedarfe und Interessen ihrer Umwelten wahrnehmen undimmer differenziertere Antworten entwickeln. Bildungseinrichtungen entschei-den sich bei diesem Entwicklungsschritt für Konzepte des Total Quality Manage-ment (TQM), vermutlich weil diese eine höhere Anschlussfähigkeit an das Selbst-verständnis von Bildungsorganisationen haben als andere strategische Manage-mentmodelle.

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Qualifizierungsbedarf für Qualitätsentwicklung – Fokussierungder Handlungsfelder

Die Einführung von Qualitätsentwicklung hat Konsequenzen für dieAnforderungen, die an das Personal in Bildungseinrichtungen gestellt werden.Anfang der 1990er Jahre begannen Bildungseinrichtungen, sich als Organisati-on zu begreifen, sich entsprechend zu managen (vgl. Nuissl/Schuldt 1993) undihre pädagogisch-professionellen Handlungsstrategien mit den Anforderungendes Managements einer Bildungsorganisation zu verknüpfen. Damals bestanddie Anforderung an das Personal in der funktionellen Differenzierung in einzel-ne Handlungsfelder, die zur Übernahme von Aufgaben wie Öffentlichkeitsar-beit, Controlling und Marketing zusätzlich zum eigenen Fachbereich führten.1

Der aktuelle Schritt bei der Einführung von Qualitätsmanagement bedeutet, dassdie Integration des pädagogischen Handelns mit dem organisationsbezogenenManagementhandeln präziser abgestimmt und beide enger miteinander ver-schränkt werden müssen.

Allgemein gesagt, besteht der daraus resultierende Qualifizierungsbe-darf für das hauptberufliche Personal in einer Fokussierung der bekannten Hand-lungsfelder des Bildungsmanagements auf die Zielsetzung, gemeinsame Quali-tätsvorstellungen zu vereinbaren, intern und extern abzustimmen, ihre Umset-zung zu organisieren und die Zielerreichung zu evaluieren. Diese Verschrän-kung kann genauso gut aus der anderen, der pädagogischen Perspektive herausbeschrieben werden: Es geht darum, die pädagogischen Zielsetzungen zu ermit-teln, zu benennen, zu vereinbaren und gemeinsam als Einrichtung die Wege zudiesen Zielen so zu gestalten, dass sie möglichst immer besser erreicht werden,und dazu die geeigneten Managementinstrumente einzusetzen.

Beispiele für eine präzise Integration der Handlungsstrategien von Päd-agogik und Management für einzelne Handlungsfelder sollen diese Entwicklungillustrieren. Im Handlungsfeld Führen und Leiten werden die strategischen Zieleder Bildungseinrichtung unter Berücksichtigung ihrer Umwelten und der vor-handenen Kompetenzen und Ressourcen vereinbart. Die Kunst besteht darin,ein strategisches Bündel von Zielen zu vereinbaren, das die Akzeptanz der Mit-arbeiter/innen findet und ihre Kompetenzen fordert. Gleichzeitig muss es diepädagogischen und gesellschaftlichen Ziele geschickt durch betriebswirtschaft-liche Ziele ergänzen und pädagogische wie organisationsbezogene Strategienentwickeln, mit denen diese zu erreichen sind. Die Anforderung an die Lei-tungskraft besteht darin, mit geeigneten Verfahren und Instrumenten zu arbeitenund das Engagement der Mitarbeitenden für die Vereinbarung gemeinsamer Zie-le zu gewinnen. Daneben sind in diesem Handlungsfeld die organisationskultu-

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rellen Voraussetzungen für eine verantwortliche Beteiligung aller Mitarbeiter-gruppen zu reflektieren, die Beteiligung ist strukturell zu ermöglichen und dieQualifizierung des Personals zu gewährleisten. Leiter und Leiterinnen werdendurch die Entscheidung für Qualitätsmanagement gefordert, pädagogische Zielequalitativ wie quantitativ zu beschreiben und die Zusammenhänge zwischenihnen zu beleuchten. Sie müssen mit den Umwelten abgeglichen werden, undderen je unterschiedlicher Beitrag zum Erreichen des Gesamtziels ist zu bestim-men. Auch der Beitrag der einzelnen Bereiche der Einrichtung ist einzufordern.Die Aufgabe ist nicht neu, sie ist präziser gestellt, und das Instrumentarium so-wie die Regeln seiner Anwendung sind durch das Managementsystem ausge-wählt.

Ein weiteres Beispiel: Im Handlungsfeld Evaluation werden die einzel-nen evaluierenden Aktivitäten dokumentiert, miteinander koordiniert und aufdie gesamtorganisatorischen Ziele ausgerichtet. Damit sind neben Formen derEvaluation von Lehrprozessen und Lernarrangements auch Evaluationsdesignsfür die Umsetzung der Organisationsziele zu entwickeln und abzustimmen. Dieunterschiedlichen Zieldimensionen wie z. B. Zufriedenheit der Teilnehmenden,Handlungsorientierung im Interesse der Arbeitgeber der Teilnehmenden undReibungslosigkeit der Abläufe zwischen haupt- und freiberuflichen Mitarbeiten-den müssen in eine Balance zueinander gesetzt werden. Evaluationen lieferndann Hinweise auf eine Verbesserung der Arbeit, wenn sie das Geflecht derArrangements, Interessen und Ergebnisse sowohl auf der pädagogischen wie auchauf der Managementebene einfangen und ausleuchten. Auch dieses Handlungs-feld ist nicht neu und bleibt ein genuin pädagogisches, aber der Instrumenten-koffer der Qualitätsentwicklung fordert dazu auf, Evaluationsergebnisse in einenGesamtkontext zu stellen und im Verfahren die Regeln einzuhalten (Transpa-renz, Beteiligung, Perspektivenvielfalt und das Schließen des Qualitätskreises).

Das Neue an dieser Anforderung ist nicht, dass überhaupt auf dieseProzesse geachtet wird, sondern dass dies in allen Bereichen der Organisationauf eine verabredete Art und Weise und zuverlässig geschieht – und dass esvereinbarte Formen der Überprüfung und Verbesserung gibt. Im Handlungsbe-reich Kommunikation sind darüber hinaus Formen der Problemlösung struktu-rell zu verankern (z. B. Qualitätszirkel). Die entsprechenden Kompetenzen dafürmüssen im Handlungsbereich Personalentwicklung geplant werden (z. B. Mo-derationskompetenzen auch für das Personal in den nicht-pädagogischen Ar-beitsfeldern). Damit sind auch die spezifischen Anforderungen an den Personal-entwicklungsprozess angerissen, der alle Personalgruppen einbeziehen und diekonkrete Fortbildung für das gewählte Qualitätsmanagementsystem sowie diearbeitsplatznahe Integration in bestehende Aufgabenfelder ermöglichen muss.

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Aus den wenigen Beispielen wird deutlich, dass die Anforderung andie Qualifizierung darin besteht, das gesamte Handeln (Pädagogik und Manage-ment) in der ganzen Organisation (alle Bereiche einschließlich ihrer Kursleiten-den) auf die Entwicklung der Qualität zu fokussieren.

Hinter dem Begriff der Fokussierung einer Organisation durch Quali-tätsmanagement verbergen sich – dies sollte deutlich werden – nicht nur Anfor-derungen an den Einsatz geeigneter Instrumente und ihre Nutzung für den päd-agogischen Prozess. Vielmehr sind die erneute Klärung der Aufgaben und Rol-len innerhalb der Handlungsfelder sowie die Reflexion und Gestaltung einerförderlichen Organisationskultur unabdingbar.

Damit wird ebenfalls deutlich, dass über geeignete Formen der Quali-fizierung drei Bereiche abgedeckt werden müssen: zum einen Sach- und Fach-kenntnisse zum Thema Qualitätsentwicklung/-management mit dem Schwerpunktauf Bildungseinrichtungen, zum anderen handlungsorientierte Kenntnisse undrollenbezogene Reflexion zur Qualitätsentwicklung als Führungsaufgabe (sowohlfür Einrichtungs- als auch für Fachbereichs- oder Abteilungsleiter/innen), undzum dritten die Kompetenzen im Bereich der Instrumente und Verfahren fürQualitätsentwicklungsprozesse sowie auch hier für die mit der Rolle in der Or-ganisation verknüpften Klärungsprozesse.

Der entscheidende Erfolgsfaktor bei der Einführung von Qualitätsent-wicklung in Bildungseinrichtungen ist die gelungene Beteiligung aller Mitarbei-ter und Mitarbeiterinnen und ihre Bereitschaft, mit den eigenen Kompetenzenund Ressourcen zum Erfolg der gesamten Organisation beizutragen (vgl. Meyer2002)2 . Die Kunst dabei: ergebnisorientiertes Schnittstellenmanagement auf derBasis hoher professioneller Autonomie.

Qualifizierungsbedarf für die einzelnen Mitarbeitergruppen

LeitungskräfteDer Qualifizierungsbedarf leitet sich aus dem Anforderungsprofil an

„Leiten und Führen im Qualitätsentwicklungsprozess“ ab. Es beschreibt Kennt-nisse und Kompetenzen in folgenden Bereichen:

– Formulierung und Umsetzung von Führungs- und Kooperationsgrund-sätzen, die geeignet sind, das entsprechende Qualitätsmanagement-system zu unterstützen;

– Instrumente und Verfahren der Strategieentwicklung im Kontext derGestaltung von pädagogischen Planungsprozessen (im Sinne von Pro-zessmanagement);

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– Steuern von Selbstbewertungsprozessen bzw. von externen Audits oderZertifizierungen und Verknüpfen mit kontinuierlicher Verbesserung, Per-sonalentwicklung und -beurteilung sowie mit strategischem Control-ling;

– Gestaltung der Personalplanung und -entwicklung als Führungs-, Qua-lifizierungs- und Beteiligungsinstrument mit dem Fokus der Prozess-und Ergebnisverbesserung;

– Instrumente und Einsatz des strategischen Controllings im Rahmen ei-nes integrierten betriebswirtschaftlichen und pädagogischen Indikato-rensystems;

– Führen einer Organisation in Veränderungsprozessen, die durch Qua-litätsentwicklung entstehen.

Daneben sind soziale und Selbstmanagementkompetenzen erforder-lich. Sie beziehen sich auf das Führen in Konfliktsituationen, auf Ressourcenori-entierung, auf die Fähigkeit, individuelle Ziele und kreative Persönlichkeitsan-teile für die Gesamtorganisation nutzbar zu machen, sowie auf Konsequenz inder Entscheidung und Beharrungsvermögen in der Umsetzung.

Entscheidend ist es, dass Leitungskräfte frühzeitig ein Bild von gelunge-nem Qualitätsmanagement für ihre Einrichtung entwickeln, das sich durch dasgemeinsame Handeln allmählich füllt.

Hauptberufliche pädagogische Mitarbeiter und MitarbeiterinnenIn der Regel stammen die Qualitätsentwickler/innen oder -beauftrag-

ten aus dem Kreis der pädagogischen Mitarbeiter/innen und übernehmen sozusätzliche Aufgaben. Damit ändern sich ihr Anforderungsprofil und ihr Quali-fizierungsbedarf im Vergleich zu den übrigen Pädagogen und Pädagoginnen inder Einrichtung. Jedoch sind auch alle übrigen hauptberuflichen Pädagog/innenin ihrer Funktion als disponierend Tätige mit Veränderungen konfrontiert, derenBewältigung durch Qualifizierung unterstützt werden sollte.

Als Qualitätsverantwortliche werden pädagogische Mitarbeiter/innenmit folgenden Anforderungen konfrontiert:

– eine Bestandsaufnahme der Stärken und Verbesserungspotenziale inder gesamten Einrichtung zu erarbeiten und dabei Klarheit über Auf-trag und Rolle herzustellen;

– eine Bewertung der Stärken und Potenziale herbeizuführen, die ge-samte Einrichtung daran zu beteiligen und dabei Aufmerksamkeit fürdie Besonderheit des Bewertens und Bewertet-Werdens im Kollegen-kreis zu entwickeln;

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– Kriterien für eine Priorisierung im Konsens zu entwickeln und einenAktionsplan zu erarbeiten;

– Verbesserungsprojekte durchzuführen und zu evaluieren;– Verbesserungen zu dokumentieren und in den Aktivitäten und Prozes-

sen der Einrichtung zu verankern, deren Akzeptanz zu fördern, ihreWirkung zu verstetigen;

– Konflikte lösungsorientiert zu bearbeiten;– das Zusammenwirken mit Leitung, Kolleg/innen und ggf. externer Be-

ratung zu gestalten;– Motor für die kontinuierliche Verbesserung zu sein.

Bei all diesen durch die Logik des Qualitätsmanagements bestimmtenAktivitäten und Anforderungen ist es wesentlich, dass die Qualitätsverantwortli-chen eine konkrete Vorstellung von der gelungenen Verknüpfung pädagogischenund verwaltenden Handelns in Bildungseinrichtungen entwickeln. Erst dann istes ihnen möglich, mit den Kolleg/innen konkrete Verfahren zu vereinbaren (zumBeispiel zu einer einfachen Darstellung von Abläufen und Schnittstellen oder zueiner Verknüpfung der Evaluation von einzelnen Veranstaltungen mit dem stra-tegischen Controlling). Qualitätsverantwortliche bedürfen über die Fachkennt-nisse ihres Qualitätsverfahrens hinaus ausgeprägter Kompetenzen im Bildungs-management (und natürlich als Pädagogen), da sie gefordert sind, Verantwor-tungsstrukturen zu klären und Aufgabenbereiche mit Prozesserfordernissen ab-zustimmen.

Im Zuge der Fokussierung auf Qualitätsentwicklung in einer Einrich-tung ergeben sich wesentliche Änderungen im Anforderungsprofil. Die pädago-gischen Mitarbeiter/innen sollen

– ihre Rolle als Planungsverantwortliche so verstehen, dass sie ihre Er-gebnisverantwortung für die Umsetzung der Planungen annehmen. DieKooperation mit ihren Kursleitenden ist systematisch derart zu gestal-ten, dass diese die Gewissheit haben, mit der Durchführung eines Kur-ses die Ziele der Planung umzusetzen, und Rückmeldungen für dieWeiterentwicklung der Planung geben können;

– ein Verständnis von den Kursleitenden als Ressource und als Umweltder Bildungseinrichtung zugleich entwickeln und sie mit beiden Per-spektiven in ihre planerische Arbeit integrieren;

– ein Verständnis für den Ablauf und die vereinbarten professionellenStandards ihres Planungsprozesses entwickeln und die Schnittstellenmit anderen Prozessen so gestalten, dass keine Informationen verlorengehen;

– die eigenen Ressourcen und Ergebnisse als Beitrag zum Erfolg der ge-

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samten Einrichtung verstehen und mit den entsprechenden Instrumen-ten so umgehen, dass daraus Hinweise für die weitere Verbesserung zuentnehmen sind.

Diese Veränderungen im Selbstverständnis, in der Gestaltung der Ko-operation mit den Kursleitenden und im Einsatz von Instrumenten werden durchunterschiedliche Formen der Weiterqualifizierung unterstützt. Im Vordergrundstehen dabei bisher interne Workshops und Besprechungen, die in der Regeldurch die Qualitätsverantwortlichen und/oder die Leitung initiiert werden. We-sentliche Voraussetzung dafür ist, dass diese eine Vorstellung von der Notwen-digkeit einer kontinuierlichen Verbreitung des Wissens und der Kompetenzenfür Qualitätsentwicklung in der gesamten Einrichtung entwickeln und die Um-setzung planen.

Verwaltungsmitarbeiter und -mitarbeiterinnenDie wesentlichen neuen Anforderungen an Verwaltungsmitarbeiter/innen bei der Einführung von Qualitätsmanagement richten sich an

– ihre Mitwirkung bei der Dokumentation und Bewertung von Prozes-sen,

– ihre Mitarbeit bei der präzisen Kommunikation an Schnittstellen zwi-schen einzelnen Teilprozessen,

– ihre Bereitschaft, mehr Verantwortung zu übernehmen und ihren er-weiterten Verantwortungsbereich so zu gestalten, dass der Informati-onsfluss in die gesamte Einrichtung gewährleistet ist.

Diese Anforderungen resultieren aus der Notwendigkeit der Beteiligungaller Perspektiven innerhalb der Organisation bei der Prozessdokumentation und-bewertung und aus der spezifischen Situation von Verwaltungsarbeitsplätzen inBildungseinrichtungen, die verstärkt an den Schnittstellen zwischen Bereichenund Prozessen angesiedelt sind. Damit sind sie für die zielorientierte Kommuni-kation innerhalb einer Vielzahl von Abläufen zugleich verantwortlich. Um sowichtiger ist es für die Verwaltungsmitarbeiter/innen, die wesentlichen Ziele undSchritte der jeweiligen Abläufe und derjenigen Prozesse zu kennen, mit denensie zusammenhängen.

Es ist zu beobachten, dass in Bildungseinrichtungen, die Qualitätsent-wicklung systematisch einführen, sich der Verantwortungsbereich von Verwal-tungsmitarbeiter/innen erweitert, z. B. bei der Bearbeitung von Beschwerden.Dies trifft zwar häufig auf hohe Akzeptanz bei dieser Gruppe, sie bedarf aberdennoch einer Qualifizierung im Rahmen einer auf die Qualitätsentwicklungfokussierten Personalentwicklung.

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Bisher ist die Gruppe der Verwaltungsmitarbeiter/innen bei der Ent-wicklung von externen Qualifizierungsmaßnahmen nicht besonders berücksich-tigt. Ihre Fortbildung geschieht in der Regel „on the job“.3

Qualifizierungsformen und -angebote

Aus den skizzierten Anforderungsprofilen der verschiedenen Mitarbei-tergruppen ist deutlich zu erkennen, dass die Veränderungen, die sie im Zugeder Einführung von Qualitätsmanagement bewältigen, ein unterschiedlichesAusmaß haben und von unterschiedlicher Art sind. Da inzwischen deutlicheHinweise darauf vorliegen, dass der Erfolg der Qualitätsentwicklung in hohemMaß von der Qualifizierung des Personals abhängig ist (entsprechende Fallstu-dien von Christina Heimlich, die im Rahmen des DIE-Projekts „Qualitätsent-wickler/in“ durchgeführt wurden, sind noch nicht veröffentlicht), ist klar, dassder Qualifizierungsbedarf in der Einführungsphase insgesamt hoch ist und esentsprechend effizienter Formen bedarf, um ihn zu erfüllen.

Die Qualifizierung des Personals erfolgt fast immer als begleitendeMaßnahme bei der konkreten Implementation von Qualitätsentwicklung in ei-ner Einrichtung. Bestimmte Anforderungen und der Bedarf nach Kompetenzer-werb für bestimmte Projektschritte erschließen sich den Mitarbeiter/innen undFührungskräften erst im Verlauf der Einführung. Daher ist es für eine erfolgreicheQualifizierung entscheidend, ob es den Teilnehmenden gelingt, das Gelerntemit der Entwicklungslogik und der Abfolge der Erfordernisse in den eigenen Or-ganisationen zu verknüpfen (vgl. Heinold-Krug 2000). Qualifizierungsangebotesollten den folgenden vier Anforderungen genügen:

– Sie sollten die Integration von Lernen und Handeln im konkreten Kon-text fördern.

– Sie sollten Verfahren zur Verfügung stellen, die die Wahrnehmung derUmwelten einer Organisation fördern.

– Sie sollten die konkrete Verknüpfung von pädagogischer und organisa-tionsbezogener Handlungslogik einüben (z. B. das Formulieren päda-gogischer Erfolgsindikatoren und ihre Integration in ein System strate-gischer Ziele).

– Sie sollten zur Reflexion der eigenen Rolle und zur Reflexion der Auf-gaben und Rollen im Kontext der Veränderung einer Organisation her-ausfordern und dafür Raum und Instrumente zu liefern.

Die derzeit angebotenen feldspezifischen und umfassenden Fortbil-dungsangebote im oben angeführten Sinn weisen alle einen Lehrgangscharakterauf (z. B. das DIE-Projekt „Qualitätsentwickler/in“, das Fernstudium für Quali-

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tätsbeauftragte in der Weiterbildung an der Universität Kaiserslautern und ande-re im Rahmen von regionalen Projekten durchgeführte Qualifizierungen). DieseAngebote sind auf die Arbeit der Qualitätsverantwortlichen ausgerichtet undhaben für diese Zielgruppe den Vorteil des intensiven miteinander und von-einander Lernens (vgl. Mathes 2002). Es fehlen Qualifizierungen, die in der Formoffener oder geschlossener Module angeboten werden und die auch Leitungs-kräfte und Verwaltungsmitarbeiter/innen ansprechen.

Neben solchen grundlegenden, auf Aufgaben und Rollen bezogenenQualifizierungen (z. B. durch den Blick auf die Entwicklung in benachbarte Ar-beitsfelder wie die Soziale Arbeit) wird auch der Bedarf nach spezifischen In-strumenten und Verfahren, die sich im Rahmen des Qualitätsmanagements be-währt haben, zunehmen.4 Hilfreich wäre die rechtzeitige Entwicklung feldspezi-fischer und erprobter Adaptionen von Instrumenten „aus der Wirtschaft“, dieBeispiele der Verknüpfung mit pädagogischem Professionswissen liefern.

Es ist zu beobachten, dass die Akzeptanz und die Inanspruchnahmevon externer Beratung bei der Einführung von Qualitätsentwicklung in Bildungs-einrichtungen relativ hoch sind und dass die Kosten für diese Form der Qualifi-zierung offensichtlich als gute Investition betrachtet werden. Häufig wird dabeiauf Berater/innen zurückgegriffen, die zumindest auch über Feldkompetenz ver-fügen (neben der selbstverständlich vorausgesetzten Expertise in Qualitätsma-nagement und der Anschlussfähigkeit an die Einrichtung). Auch Formen kollegi-aler Beratung (zum Beispiel im Projekt „Mein Kollege – mein Berater“ in Nieder-sachsen) oder einrichtungsübergreifende Qualitätszirkel (zum Beispiel beimBundesarbeitskreis Arbeit und Leben) werden zur Qualifizierung genutzt undmit anderen Formen verbunden.

Es finden auch Qualifizierungsformen Akzeptanz, die bisher im Bil-dungsbereich eher weniger genutzt wurden, z. B. Coaching der Leitungen inkleinen Einrichtungen, über das der Bedarf nach Qualifizierung, externer Bera-tung und Rollencoaching zugleich abgedeckt wird (vgl. Schiersmann/Thiel/Pfi-zenmaier 2001).

Wesentlich für die Verstetigung der Qualitätsentwicklung in den Bil-dungseinrichtungen ist allerdings das Vorhandensein eines verlässlichen undprofessionellen Angebots von Qualifizierung und Beratung für diese Zielgrup-pe.

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Supportstrukturen der Qualifizierung für Qualitätsentwicklung

Mit Support werden Maßnahmen bezeichnet, die etwas unterstützen,und zwar so, wie z. B. Brückenpfeiler eine Brücke halten, also zuverlässig unddauerhaft. Wie kann also ein zuverlässiger und dauerhafter Support für die Qua-litätsentwicklung aussehen? Einer dieser Brückenpfeiler heißt Qualifizierung –wie kann erreicht werden, dass dieser Brückenpfeiler das hauptberufliche Perso-nal in seiner Aufgabe der kontinuierlichen Qualitätsentwicklung unterstützt?

Es gibt zwei wesentliche Kriterien: Ein solcher Brückenpfeiler muss festund zugleich flexibel stehen, d. h., es muss ein dauerhaftes Grundangebot fürdie zentralen Qualifizierungsbereiche geben. Darüber hinaus sind ergänzendeAngebote notwendig, die den sich wandelnden Bedarf beim weiteren Fortschrei-ten der Implementation von Qualitätsentwicklung in Bildungseinrichtungen be-gleiten.5

Dezentrale (gegebenenfalls auch trägerübergreifende Angebote), die zurQualifizierung für Aufgaben und Rollen in der Qualitätsentwicklung beitragenwollen, können auf inzwischen vorliegenden Konzepten aufbauen (DIE, Univer-sität Kaiserslautern). Feldspezifische Konzepte sind effektiver als branchenüber-greifende, weil sie den Transfer ins Alltagshandeln der Teilnehmenden in ihrerOrganisation verkürzen. Um das Element der Fremdheit, die Wahrnehmung derAußenwelten zu integrieren, ist eine trägerübergreifende (sicher auch funktions-übergreifende) Angebotsform förderlich. Im Rahmen von Instituten wie dem DIEoder der Wissenschaftlichen Weiterbildung an Universitäten oder Fachhochschu-len sind derartige Fortbildungsangebote grundsätzlich möglich. Entscheidendist, dass es gelingt, sie kontinuierlich anzubieten und mit dem sich weiter entwi-ckelnden Bedarf der Zielgruppen abzustimmen. Über eine Kooperation dieserInstitutionen mit Partnern wie der Certqua oder der Deutschen Gesellschaft fürQualität sollte im Interesse der Fachexpertise und der branchenübergreifendenZusammenarbeit ebenso nachgedacht werden wie über eine Kooperation mitanderen Institutionen aus dem Dienstleistungsbereich, etwa dem Sozialwesen(wo solche Angebote in unterschiedlicher Form bestehen).

Unter Support für das hauptberufliche Personal sollten allerdings nichtnur die dezentral organisierten Angebote gefasst werden. In der Praxis wird zu-nehmend die Anforderung der Handlungsnähe und Konkretion für die jeweiligeBildungseinrichtung zum Auswahlkriterium für den gewählten Support. Die Wahlfällt dann häufig auf die Form der prozessbegleitenden externen Beratung. Ineiner solchen Beratung werden Elemente der Strukturierung, der Qualifizierung,des personenbezogenen Coachings und der Besetzung der Außenperspektive

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(vgl. Ehses/Zech 2002) abgefragt und integriert. In diesem Sinn ist externe Bera-tung durch feldspezifisch ausgewiesene (aber nicht darauf beschränkte) Expert/innen mit der Spezialexpertise für Qualitätsmanagement eine Form der arbeits-platznahen Qualifizierung für das gesamte Personal einer Bildungseinrichtung.Nicht selten ist sie auch kostengünstiger als die Entsendung einzelner Mitarbei-ter/innen zu längeren Qualifizierungen. In dieser Form können die Anforderun-gen an Rollen- und Aufgabenklärung sowie an die spezifische Verknüpfung vonInstrumenten des Qualitätsmanagements mit pädagogischen Prozessen präziseerfüllt werden.

Neben diesen Formen der Qualifizierung bedarf es eines Supports fürEinrichtungen, die bei der Veränderung ihrer Prozesse bereits weiter fortgeschrittensind. Ihr Personal entwickelt das Bedürfnis, aus dem Vergleich mit anderen Ein-richtungen zu Problemlösungen und Prozessdefinitionen zu gelangen, ohne je-des Mal das Rad neu erfinden zu müssen. Ein solcher Support kann z. B. überdie Etablierung eines verfahrens- und ergebnisorientierten Benchmarkings fürBildungseinrichtungen erfolgen, das es Einrichtungen und ihren Mitarbeiter/innenermöglicht, auf der Problemlösung anderer Einrichtungen aufzubauen.

Je mehr Einrichtungen über die Brücke der Qualitätsentwicklung ge-hen, desto dringender wird es, die Pfeiler zu konstruieren. Das Material liegtbereit.

Anmerkungen1 Dieses Stadium beschreibt zum Beispiel Marita Schwabe (1997) als „dieses Doppelte“.2 Während für den Bereich der sozialen Arbeit dieser Erfolgsfaktor belegt ist, können für die

Erwachsenenbildung die Ergebnisse der Fallstudien im Rahmen des DIE-Projekts „Qualitäts-entwickler/in“ mit Spannung erwartet werden, die Ende 2002 veröffentlicht werden.

3 Sofern sie nicht eine herausgehobene Funktion innerhalb der Hierarchie insbesondere ingrößeren Einrichtungen innehaben und dann gelegentlich die Funktion des oder der Quali-tätsverantwortlichen übernehmen und an entsprechenden Qualifizierungen teilnehmen.

4 Vgl. den Überblick über Seminarangebote und Themen im Bereich Qualitätsmanagement,den W. Nötzold (2002) in seinem Werkbuch zur Qualitätsentwicklung für Leiterinnen und Lei-ter anbietet, das als Ergebnis des DIE–Projekts Qualitätsentwickler/in veröffentlicht wird.

5 Dabei müssen alle Gruppen von Mitarbeitenden berücksichtigt werden, worauf M. Kil bereits1996 hingewiesen hat.

LiteraturBastian, H./Beer, W./Knoll, J. (2002): Pädagogisch denken – wirtschaftlich handeln. Zur Ver-knüpfung von Ökonomie und Profession in der Weiterbildung. BielefeldEhses, C./Zech, R. (2002): Qualitätsentwicklung von außen befördern. In: DIE Zeitschrift fürErwachsenenbildung, H. III, S. 30-33

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Hannelore Bastian

Gestaltung der Zusammenarbeit von haupt-und freiberuflich Mitarbeitenden

Fehlende Integration der Kursleitenden in ein Gesamtkonzept derQualitätsentwicklung

Der hohe Stellenwert der Lehrkräfte für die Leistungsfähigkeit einerWeiterbildungseinrichtung gilt allgemein als unumstritten, denn es sind die Kurs-leitenden (KL), die gegenüber den Teilnehmenden als Fachexperten, Erwachse-nenpädagogen, Berater und Repräsentanten der Einrichtung auftreten und damitentscheidend zu deren Erfolg und öffentlichem Ansehen beitragen. Dass dieseLehrkräfte in ihrer überwiegenden Mehrheit keine hauptberuflich Beschäftigtensind, ist bei der Frage nach ihrer Bedeutung im Prozess der Qualitätsentwick-lung als ein wesentlicher Bedingungsfaktor zu berücksichtigen. Betrachtet mandie institutionelle Einbindung dieser Gruppe in die internen Interaktionsprozes-se von Weiterbildungseinrichtungen, zeigt sich in der Regel, dass sie in der Infor-mations-, Abstimmungs- und Kommunikationspolitik eine eher marginale Rollespielen und die bestehenden Arbeitskontakte zwischen ihnen und den hauptbe-ruflichen Mitarbeiter/innen nicht in ein schlüssiges Gesamtkonzept der Quali-tätsentwicklung integriert sind. Das dominierende Thema der Zusammenarbeitzwischen den hauptberuflich Planenden und den nicht-hauptberuflichen Lehr-kräften war für die Erwachsenenbildung seit Mitte der 1970er Jahre vor allem dieQualifikationsfrage, die schwerpunktmäßig unter dem Aspekt der abzusichern-den erwachsenenpädagogischen Kompetenzen bei überwiegend rein fachlichausgewiesenen Lehrkräfte diskutiert wurde. Die konzeptionellen und institutio-nellen Bemühungen konzentrierten sich dementsprechend auf eigene oder trä-gerübergreifende Qualifizierungsangebote und Ansätze, die regelhaften Arbeits-kontakte als „Schlüsselsituationen“ auch für fortbildungsrelevante Kommunika-tion zu nutzen. Dieser Qualifizierungsaspekt ist nach wie vor bedeutungsvoll,zumal die Anforderungen an das Lehrpersonal vor dem Hintergrund ausdifferen-zierter und individualisierter Teilnehmeransprüche, steigender Beratungsbedar-fe und multimedialer Methodenvielfalt insgesamt steigen. Veränderte gesellschaft-liche Rahmenbedingungen sowie die Notwendigkeit der Einrichtungen zu stär-kerer Profilbildung und ökonomischer Steuerung haben jedoch aus den Lehr-kräften eine „Personalressource“ gemacht, die nicht mehr ausschließlich unterdem Aspekt ihrer Lehrkompetenz zu betrachten ist. KL stehen im Gesamtzusam-

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menhang der Produkt-, Organisations- und Personalentwicklung, aus deren Zu-sammenspiel sich Qualität konstituiert. Es ist daher notwendig geworden, dieArbeitsbeziehungen zwischen der Einrichtung, ihren hauptberuflichen Mitarbeiter/innen und ihren Lehrkräften im komplexen Kontext der verschiedenen betriebli-chen Zieldimensionen bewusst zu gestalten. Dabei sind die heterogenen undteilweise widersprüchlichen Ziele miteinander abzugleichen und Kooperations-formen zu finden, die die Belange der Einrichtung mit den Interessenlagen ihrernicht-hauptberuflich Tätigen in ein produktives Austauschverhältnis bringen.

Die Kursleitenden als Subsystem

Die Betrachtung der Zusammenarbeit unter dem Blickwinkel wechsel-seitiger Austauschbeziehungen unterstreicht, dass die Lehrkräfte nicht als aus-führende Organe der Weiterbildungseinrichtung agieren, sondern ein eigenstän-diges Subsystem darstellen. Ausgangsbasis aller Überlegungen zu ihrer Einbin-dung in die Qualitätsentwicklung ist daher die Anerkennung der Tatsache, dassdie qualitätssichernden Aktivitäten der Einrichtung nicht per se der Motivations-und Interessenlage der KL entsprechen und vielfach sogar mit ihnen kollidierenkönnen. Bei allen Maßnahmen sind daher die unterschiedlichen Perspektivenmitzudenken und einzubeziehen. Einbindung des nicht-hauptberuflichen Per-sonals in den Prozess der Qualitätsentwicklung bedeutet daher die Wahrneh-mung und Anerkennung der unterschiedlichen Sichtweisen und Interessen, de-ren Aushandlung auf einer partnerschaftlichen Kommunikationsbasis sowie dieverbindliche Festlegung wechselseitiger Leistungserwartungen und -zusagenzwischen den Partnern. Das fordert in der Praxis von beiden Seiten Kompro-missbereitschaft, und in schwierigen Fragen wird schon ein Konsens über denDissens als Erfolg zu werten sein, insofern er einen Zugewinn an Klarheit überdie jeweilige Problemlage schafft. Das ist gerade deshalb bedeutsam, weil sichkonfliktreiche Auseinandersetzungen zwischen Einrichtungen und ihren nicht-hauptberuflich Beschäftigten – in der Mehrzahl sind es die freiberuflich Lehren-den – in den letzten Jahren durch den sozio-strukturellen Wandel in allen Berei-chen der Erwachsenenbildung verschärft haben. Auf der einen Seite steht diewachsende Gruppe der Lehrkräfte, die ihren Lebensunterhalt – sei es in Folgefehlender Festanstellungsmöglichkeiten, sei es aufgrund eigener Wahl – als Frei-berufliche bestreitet und in der Regel nur durch die Tätigkeit für verschiedeneAuftraggeber sichern kann. Für sie steht unabhängig von ihrer pädagogischenMotivation zunächst die materielle Absicherung im Vordergrund und umfasstnicht nur die Frage nach der Honorarhöhe und den damit abgegoltenen Leistun-gen. Eine wichtige Rolle spielen auch das Problem der Finanzierung von Ren-ten-, Kranken- und Sozialversicherung sowie die Frage nach der Ausgestaltungder Vertragsverhältnisse als Rahmenbedingungen ihrer Mitarbeit, bezogen z. B.

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auf die Durchführungs- und Ausfallregelungen von Veranstaltungen, auf denModus der Lehrauftragsvergabe und das System der Honorarabrechnung. AusSicht der KL steht bei der Beurteilung von Mitwirkungsangeboten und -forderun-gen seitens der Einrichtung deshalb die Bewertung der Relation zwischen gefor-derter Leistung und angebotenem Gegenwert im Vordergrund. Dieser Zusam-menhang wird von hauptberuflich Tätigen in ihrem Bemühen um Qualitätsent-wicklung häufig übersehen oder in seiner Bedeutung unterschätzt, zumal diesteigende Relevanz existenzsichernder Fragen für die Freiberuflichen auch aufveränderte Finanzierungs- und Wettbewerbsbedingungen für die Einrichtung trifftund deren Aktivitäten sich auf Kostensenkung bei gleichzeitiger Leistungssteige-rung konzentrieren müssen.

Wenn die genannten Fragen der Existenzsicherung auch nicht für alleKL einer Einrichtung im Vordergrund stehen, so ist die Gruppe derer, für die dieszutrifft, doch in doppelter Hinsicht bedeutsam. Unter den Lehrenden sind siemit ihrer auf Dauer ausgerichteten Tätigkeit die professionellen Erwachsenen-bildner/innen, die eine breite Erfahrungsbasis, ihre Institutionenbindung und eingenerelles Qualifizierungsinteresse einbringen. Angesichts ständiger Fluktuati-on unter den Lehrkräften und der Vielzahl derer, die nur mit geringem Umfangtätig sind, werden sie zu unverzichtbaren Partner/innen der Einrichtung für Kon-tinuität und Innovation der Programmplanung, für Profilbildung und nicht zuletztfür gelingende Teilnehmerbindung. Zudem ist es diese Gruppe der „freiberufli-chen Professionellen“, die – auch wenn sie durchaus nicht immer die Interessenaller KL vertritt – aufgrund ihrer Interessenlage die stärkste Bereitschaft zum En-gagement in Fragen der institutionellen Aus- und Mitgestaltung der Arbeit unddamit auch der Qualitätsentwicklung mitbringt. Das Bewusstsein für diesen struk-turellen Hintergrund ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die beteiligtenParteien der Haupt- und Freiberuflichen Differenzen und Konflikte, die sich oftin einem eher diffus erscheinenden Spannungsfeld zeigen, nicht auf der Ebenewechselseitiger persönlicher Zuschreibungen und Vorwürfe austragen. Vielmehrsind sie auf der Ebene auszuhandelnder Vereinbarungen zu diskutieren, die inihrem Nutzen für die Qualität der im Sinne der Organisationsziele zu erbringen-den Leistungen beurteilt werden. Die generelle Strategie zur Klärung der quali-tätsrelevanten Fragen zwischen der Einrichtung und ihren freiberuflichen Mitar-beiter/innen ist daher die Verständigung über das Regelwerk der Zusammenar-beit. Der erste Schritt ist dabei die Betrachtung der bestehenden Praxis und dieBestandsaufnahme praktizierter, tradierter und informeller Regelungen, die „imHintergrund“ wirken und damit der diskursiven Auseinandersetzung entzogensind. Sich das eigene Regelwerk bewusst zu machen, vermeintliche Selbstver-ständlichkeiten zu überprüfen und an ihrem Wert für die Leistungsfähigkeit derEinrichtung zu messen, ist als institutionelle Selbstaufklärung zugleich wichtiger

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Bestandteil von Organisationsentwicklung und eine wesentliche Voraussetzungzur Gewinnung der freiberuflichen Mitarbeitenden als aktive Partner/innen imProzess der Qualitätsentwicklung.

Der qualitätsorientierte Dialog mit den Kursleitenden alsUnternehmensstrategie

Die Verantwortung zur Initiierung, Moderation und Steuerung des qua-litätsorientierten Dialogs mit den Freiberuflichen liegt bei den hauptberuflichTätigen. Dies sollte nicht der je individuellen Ausgestaltung durch einzelne Mit-arbeiter/innen überlassen bleiben, sondern auf einer ausformulierten und kom-munizierten Unternehmensstrategie basieren. Ein veröffentlichtes Leitbild undGrundsätze über die Zusammenarbeit in der Einrichtung können dabei als all-gemeine Orientierungsgrundlage dienen, die auf die Arbeitsbeziehungen mitden Freiberuflichen hin konkretisiert wird. Der Bezugspunkt für die Bestands-aufnahme bestehender Praxis, ihrer kritischen Überprüfung und Überführung inwechselseitig abgestimmte und fixierte Vereinbarungen ist deren Wert und Nut-zen für die Realisierung der Einrichtungsziele, die sich insgesamt aus der päda-gogischen Leistung für die Abnehmer/innen des Bildungsangebots, also die Teil-nehmenden oder Auftraggeber, legitimieren müssen. Diese Orientierung verhin-dert, dass wechselseitig eingeforderte Leistungen der Verhandlungspartner alsSelbstzweck erscheinen, und führt zu Leitfragen, deren Beantwortung aus derEinrichtungs- und der Kursleitungsperspektive die jeweiligen Sichtweisen offenlegt und verhandelbar macht:

1. Welche Aspekte der Arbeit der KL sind entscheidend für die Qualitätdes Bildungsangebots und die Zufriedenheit von Teilnehmenden undKunden?

2. Welche Unterstützungsleistungen brauchen und wünschen die KL durchdie Bildungseinrichtung bzw. die Hauptberuflichen?

3. Wodurch kann die Bindung der KL an die Einrichtung im Sinne derCorporate Identity gefördert werden?

Diese Fragen können auf die folgenden Themenfelder bezogen werden:• die fachlich-pädagogische Qualifikation der KL,• die Stellung der KL im Zusammenhang der Programmentwicklung,• die Rolle der KL im Qualitätsmanagement,• die Einbindung der KL im Organisationszusammenhang.

Da die KL eine in sich heterogene Gruppe darstellen und die Einrich-tung im Spannungsfeld widersprüchlicher Anforderungen steht, wird die Dis-kussion dieser Themen nicht schon im ersten Schritt zu eindeutigen Anforde-

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rungs- und Leistungskatalogen führen, sondern zunächst einen Kommunikati-onsprozess einleiten, der als solcher bereits einen wichtigen Schritt zur Qualifi-zierung der Schnittstelle zwischen disponierendem und lehrendem Personaldarstellt. Von besonderer Bedeutung wird dabei die Verständigung über Quali-tätsstandards sein, verbunden mit der Frage, welche Leistungen zur Erfüllungdieser Standards als notwendig erkannt und anerkannt werden, welchen Wertsie für beide Partner haben und in welcher Art von Austauschbeziehung sieaufeinander bezogen werden. Wichtig ist es dabei, nicht ausschließlich Geld alsÄquivalent für Leistungen zu betrachten, sondern darüber hinaus auch nicht-finanzielle Leistungen einzubeziehen und in ihrem Wert für Einrichtung und KLmiteinander abzugleichen.

Dass die fachlich-pädagogische Qualifikation der KL ein entscheiden-der Faktor zur Absicherung der Angebotsqualität ist und damit in beiderseitigemInteresse liegt, wird als allgemeines Postulat konsensfähig sein. Es ist das Umset-zen dieser Feststellung ins Alltagshandeln, das Konfliktstoff bieten kann. Für dieErarbeitung idealtypischer Anforderungsprofile an KL in unterschiedlichen Fach-gebieten kann in der Regel auf überregional vereinbarte Kriterien zurückgegrif-fen werden, deren Verbindlichkeit und profilbildende Wirkung gesteigert wird,wenn sie nicht nur einrichtungsspezifisch formuliert sind, sondern im Kontextträgerübergreifend abgestimmter Qualitätsmerkmale stehen. Mit solchen öffent-lich kommunizierbaren KL-Profilen steht der Einrichtung ein Instrument zur Ver-fügung, das dem Qualitätsnachweis dient und die Anforderungen an neu zugewinnende Lehrkräfte beschreibt. In der Zusammenarbeit mit langjährig täti-gen KL kann dies aber durchaus Reibungen erzeugen, denn die langjährig Be-schäftigten haben ihre Arbeit oft noch in Zeiten aufgenommen, in denen dieQualitätsdebatte eine eher untergeordnete Rolle spielte. Sie können auf „be-währte“ Mitarbeit zurückblicken, bisweilen auf Stammpublikum verweisen undmögen sich durch gestiegene Anforderungen und eine auf Transparenz zielendeDiskussion von KL-Qualifikationen bedrängt oder sogar bedroht fühlen. ImUmgang mit ihnen wird es darum gehen, die Diskussion um präzisierte undgestiegene Anforderungen sowohl mit Angeboten zur Beratung und Fortbildungzu verbinden als auch mit der Anerkennung unterschiedlich akzentuierter KL-Profile und der Diskussion über deren Wert für jeweils unterschiedliche Teilneh-merinteressen. Bewusst gemachte Differenz und Auseinandersetzung über un-terschiedliche Facetten im Gesamtangebot eines Fachgebiets, die durch verschie-dene KL repräsentiert werden, dient nicht nur der Wertschätzung einzelner Lehr-kräfte, sondern kommt – übersetzt in professionelle Ankündigungstexte – auchder Angebotstransparenz zugute. Die Einigung auf vereinheitlichte Ankündigungs-texte für identische Angebote bei gleichzeitiger Differenzierung der Angebots-varianten im selben Fachgebiet dient nicht nur dem Interesse der Einrichtung an

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verbesserter Ankündigungsqualität, sondern auch dem der KL an gezieltererKundenansprache und Teilnehmergewinnung. Betrachtet man den hier skizzier-ten Arbeitszusammenhang zwischen den hauptberuflich Planenden und ihrenKL unter dem Aspekt der „Austauschbeziehungen“, so bietet die Einrichtung denKL für die abverlangten Qualitätsstandards zugleich die notwendige Unterstüt-zung bei deren Realisierung in der individuellen Ausgestaltung und damit einenProfessionalitätsgewinn.

Elemente des qualitätsorientierten Dialogs

Einbindung in interne DiskussionsprozesseDas vorhandene und aktivierbare Interesse der KL an eigener Weiter-

qualifizierung und informativer Teilhabe an aktuellen Entwicklungen in derWeiterbildung – beispielsweise im Bereich der Test- und Zertifikatsentwicklung,am Trend zur anwenderorientierten Modularisierung oder in dem Feld der neu-en Medien – ist ein wichtiges Bindeglied zwischen Haupt- und Freiberuflichen.Um dieses Interesse der KL im Sinn der Einrichtung zu nutzen, muss eine konti-nuierliche und reversible Informations- und Kommunikationspolitik betriebenwerden, die sich nicht darin erschöpft, gefällte Beschlüsse zum Zeitpunkt ihrerUmsetzung mitzuteilen, sondern die KL kontinuierlich in den internen Diskussi-onsprozess einbindet. Dessen Erfolg ist davon abhängig, dass seine Gestaltungvon den KL als in ihrem Interesse liegend wahrgenommen werden kann, dennauch die Teilhabe an Kommunikation verlangt von ihnen, dass sie Zeit und Know-how einbringen. Das werden Freiberufler in der Regel nicht dauerhaft aus Idea-lismus tun, sondern nur dann, wenn der persönliche Gewinn für sie erkennbarist. Was für den Einzelnen als ein angemessenes Äquivalent für sein Engagementwahrgenommen wird, hängt nicht zuletzt davon ab, welchen Stellenwert er sei-ner Tätigkeit für die Einrichtung vor dem Hintergrund seiner beruflichen Ge-samtsituation beimisst. Im Hinblick auf die heterogene Motivationsstruktur derKL mit ihren unterschiedlich ausgeprägten materiellen, sozialen, fachlichen undpersönlichen Interessen sollte das abzusteckende Feld qualitätsorientierter Ein-bindungsformen eine Bandbreite verschiedenartiger Anknüpfungsmöglichkeitenumfassen.

(Weiter-)Entwicklung didaktischer StandardsIm Bereich fachlich-pädagogischer Qualifikation liegt es im Interesse

der Einrichtung, KL auf die Einhaltung didaktischer Standards im Unterricht zuverpflichten, sie für den Besuch von Fortbildungsveranstaltungen zu gewinnenund regelmäßige Rückmeldungen über den Verlauf der eigenen Veranstaltungenund die Zufriedenheit der Teilnehmenden zu erhalten. Der Fokus der KL ist pri-mär auf die eigenen Veranstaltungen gerichtet, und die qualitätssichernden An-

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liegen der Einrichtung liegen nicht notwendig in ihrem Interesse, sondern kön-nen auch als zeitliche Zusatzbeanspruchung, Einmischung in die Unterrichts-praxis und unerwünschte Kontrolle erlebt werden. Möglichkeiten, die KL in die-sen Bereichen dennoch als Partner/innen zu gewinnen, eröffnen sich dann, wennes gelingt, ihnen den institutionellen Sinn und den persönlichen Nutzen zu ver-deutlichen. Dafür sollte ein Spektrum unterschiedlicher institutioneller Kommu-nikationsanlässe geschaffen werden, die KL mit unterschiedlichen Interessen-mustern Zugänge verschaffen. Sie können vom Angebot zur Einzelberatung inaktuellen Fragen der Kursgestaltung und medialer Unterstützung über die regel-mäßige Organisation von Fachtreffen mit Kolleg/innen desselben Unterrichtsge-biets, die Mitarbeit in anlass-, themen- und zielgruppenbezogenen Arbeitsgrup-pen bis hin zur Einbindung in Programmplanung, Befragungsaktionen und Eva-luationsvorhaben reichen. Solche punktuell oder kontinuierlich organisiertenArbeitskontakte liegen im Interesse der Einrichtung, weil sie ihr die Möglichkeitbieten, KL im Sinne der Corporate Identity und Profilbildung stärker an sich zubinden. Zugleich gewinnt sie damit als Kommunikationspartner auch Expertenihres Fachgebiets, die im wechselseitigen Know-how-Transfer mit den Hauptbe-ruflichen und den KL-Kolleg/innen ein institutionelles Lernfeld zum Nutzen derAngebotsqualität konstituieren. Die Frage, welches „Äquivalent“ die Einrichtungden KL für den Einsatz ihrer Zeit, Energie und Expertise bietet, muss spätestensdann geklärt werden, wenn es um eine Verstetigung der unterschiedlichen Ar-beitskontakte geht. Die Einrichtung kann verdeutlichen, dass Mitwirkungsmög-lichkeiten ein Partizipationsangebot darstellen, dessen Wahrnehmung den KLChancen der Information und Selbstreflexion, des Austausches und der Einfluss-nahme eröffnet, die durchaus als Gegenwert für deren Beteiligung gelten kön-nen. Dies sollte sie auch explizit kommunizieren. Ein zusätzlicher Service, dendie Einrichtung bieten kann, sind Dokumentation und Veröffentlichung von Dis-kussions- und Arbeitsergebnissen, die geeignet sind, auch diejenigen, die sichaußerhalb ihrer eigenen Veranstaltungen selten oder gar nicht aktivieren lassen,zumindest rezeptiv in den Prozess der kollegialen Diskussion einzubinden. EineHonorarzahlung als Gegenwert für die Mitarbeit Freiberuflicher außerhalb desKursbetriebs ist dort angemessen, wo sie als Fachleute mit einem definiertenArbeitsauftrag an der Weiterentwicklung von Konzepten, Curricula und Lehrma-terialien mitwirken. Solche Aufgaben an qualifizierte KL zu vergeben, bietet je-nen eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit und für die Einrichtung den Vorteil,Kenner der Praxis zu verpflichten und zudem deren institutionelle Bindung zustärken. Die Organisation innerinstitutioneller Arbeitszusammenhänge zwischenhaupt- und freiberuflich Tätigen gewinnt in einer Zeit, in der neben dem Trendzur Standardisierung von Angebotsbereichen auch der zur individualisierten,„passgenauen“ Angebotserstellung für einzelne Kunden wächst, zusätzlich anBedeutung. Die nötige Flexibilität und Fachkompetenz kann eine Weiterbildungs-

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einrichtung nur mit Hilfe eines Pools hoch qualifizierter und motivierter freierMitarbeiter/innen aufbringen, ohne die der Aufbau eines Geschäftsfelds zur „Bil-dung auf Bestellung“ kaum gelingen kann.

Konzept interner ÖffentlichkeitsarbeitDie Angebote des fachlich-pädagogischen Austausches sollten durch

ein Konzept „interner Öffentlichkeitsarbeit“ gegenüber den freiberuflichen Mit-arbeiter/innen ergänzt werden, das darauf ausgerichtet ist, die KL nicht nur alsUnterrichtende, sondern als Repräsentanten der Institution anzusprechen, umsie als aktive Partner/innen für ihre Ziele, Entscheidungen und Aktionen zu ge-winnen. Das erfordert den Aufbau eines kontinuierlichen Informations- und In-teraktionsprozesses und schließt auch die Frage nach institutionalisierten Ein-fluss- und Mitwirkungsmöglichkeiten in Gremien der Einrichtung ein.

Rahmenbedingungen für das Gelingen des qualitätsorientiertenDialogs

Transparenz der AbläufeDas Erzeugen des Interesses von KL an allgemeinen Belangen der Ein-

richtung setzt ein gelingendes Qualitätsmanagement auf der Ebene der Durch-führungsbedingungen voraus – angefangen bei einem kundenfreundlichen An-meldeverfahren über ein verlässliches Informations- und Benachrichtigungssys-tem bis hin zu Fragen der Ausstattung und des Service an den Veranstaltungsor-ten. Hier treffen sich die Interessen von Haupt- und Freiberuflichen im gemein-samen Anliegen an einem möglichst reibungslosen Ablauf. Bei Störungen in die-sen Bereichen sind es vielfach die Freiberuflichen, die als erste mit den Auswir-kungen konfrontiert sind und von unzufriedenen Teilnehmenden als Vertreter/innen der Einrichtung angesprochen werden. Für sie ist es wichtig, bei Proble-men und Beschwerden Klarheit über die institutionellen Ansprechpartner zuhaben, sich auf schnelle Rückmeldung und Problemlösungen verlassen zu kön-nen, um möglichst wenig Unterrichtszeit mit der Klärung von Rahmenbedin-gungen verbringen zu müssen. Bei den Hauptberuflichen – nicht nur bei denpädagogisch, sondern auch den verwaltend Tätigen – liegt die Verantwortungfür die Organisation und Einhaltung von Informations- und Entscheidungswe-gen. Sie sollen ein zeitaufwändiges „Weiterreichen“ oder „Steckenbleiben“ vonBeschwerden verhindern und dieses nicht als lästige Zusatzarbeit behandeln,sondern als willkommene Rückmeldung über Qualitätslücken wertschätzen. DieEinführung eines funktionierenden Beschwerdemanagements liegt damit im In-teresse aller Beteiligten und verlangt von der Einrichtung häufig nicht nur „Pro-zessoptimierung“, sondern die Schaffung einer positiven Grundeinstellung ge-genüber Kritik, die sich auf den Ablauf bezieht. Gegenstand der Kommunikation

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zwischen Haupt- und Freiberuflichen sollten dabei nicht nur pragmatische Ver-fahrensklärungen sein, sondern auch die zugrunde liegenden Prinzipien einerkundenfreundlichen Organisation. Die Kommunikation und Diskussion allge-meiner Prinzipien, wie sie in Leitbildern und Statuten festgelegt werden, hatgute Chancen, auf das Interesse der Freiberuflichen zu treffen, wenn konkreteBezüge zu den Rahmenbedingungen der eigenen Lehrtätigkeit sichtbar sind unddas Bemühen der Hauptberuflichen um Realisierung proklamierter Prinzipienerfahrbar wird. Auch klare Regelungen und transparente Entscheidungswege beider Klärung von Zweifelsfällen und Konflikten zwischen KL und Teilnehmendenoder Hauptberuflichen sind ein wichtiger Beitrag zur Betriebskultur und könnengegebenenfalls durch einen festen institutionellen Ansprechpartner im Sinne ei-ner Ombudsfrau bzw. eines Ombudsmanns ergänzt werden.

Institutionalisierung von MitwirkungsmöglichkeitenDie kontinuierliche Weitergabe von Informationen an die Freiberufli-

chen über Geschäftspolitik, Entwicklungen, Veränderungen und Probleme derEinrichtung sollte mit Rücksicht auf die Heterogenität der KL über einander er-gänzende Kanäle organisiert werden. Je nach Gegebenheiten können sich insti-tutionalisierte Formen schriftlicher Mitarbeiterinformation, die Einladung zu Ver-anstaltungen im Vorfeld institutionsbezogener Entscheidungen sowie Angebotezur aktiven Beteiligung an Organisationsentwicklungsprozesse ergänzen. DieEinführung geregelter Mitwirkungsformen wie z. B. einer gewählten Vertretungder KL und deren Beteiligung an Beratungs-, Entscheidungs- oder Aufsichtsgre-mien der Einrichtung mit definierten Rechten und Pflichten unterstreicht die Ernst-haftigkeit des Interesses an einer Arbeitspartnerschaft zwischen Haupt- und Frei-beruflichen. Zugleich bieten sie einen festen Orientierungsrahmen, in dem dieBeteiligung in Einzelbelangen verortet werden kann. Aufwand und Kosten derEinrichtung für regelmäßigen kommunikativen Input sowie Organisation undSupport von Veranstaltungen und Gremien für und mit den Freiberuflichen zah-len sich in mehrfacher Hinsicht aus. Die eingegangenen Verpflichtungen in Be-zug auf Information, Transparenz und Mitsprache zwingen die Hauptberuflichen,sich im Zusammenhang anstehender Entscheidungen schon im Vorfeld auf diePerspektive der Freiberuflichen einzulassen. Dies erfordert zusätzlich Zeit, kannaber zugleich die Qualität der Entscheidungen verbessern und Reibungsverlustereduzieren, die sich andernfalls zu einem späteren Zeitpunkt auf der Realisie-rungsebene zeigen würden. Die Institutionalisierung von Mitwirkungsmöglich-keiten der Freiberuflichen ist damit gleichzeitig ein wichtiger Beitrag zu derenEinbindung in den kontinuierlichen Prozess des Qualitätsmanagements. Geradeauch qualitätsrelevante, für die einzelnen KL jedoch tendenziell „bedrohliche“Maßnahmen wie beispielsweise Veranstaltungsevaluation und die HospitationHauptberuflicher in den Kursen finden in organisierten Mitwirkungsgremien den

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Ort der Diskussion, Überzeugungsarbeit und Akzeptanzgewinnung. Auch dieSchaffung von Informations- und Diskussionsmöglichkeiten über die wirtschaft-lichen Grundlagen und Steuerungsnotwendigkeiten der Einrichtung kann geeig-net sein, einer vermeintlichen „Gegnerschaft“ zwischen der Einrichtung und ih-ren Freiberuflichen entgegen zu wirken, besonders dort, wo Fragen des Hono-rarsystems und der sozialen Absicherung gar nicht auf Ebene der einzelnenWeiterbildungseinrichtung, sondern im politischen Raum entschieden werden.

Infrastruktur für die Vernetzung der KursleitendenEin weiterer wichtiger Bereich von Supportleistungen der Einrichtung

für ihre Freiberuflichen ist die Herstellung einer Infrastruktur für deren eigen-ständige Kommunikation untereinander. Es liegt im Interesse der Einrichtung,dass KL sich auch über die organisierten Anlässe des Erfahrungsaustausches mitden Hauptberuflichen hinaus gegenseitig in fachlich-pädagogischen Fragen un-terstützen. Dies geschieht vielfach auf informellen Wegen, kann aber durch An-gebote wie Organisation von Informations- und Materialaustausch gezielt geför-dert werden. Die Akzeptanz eines solchen Austausches wird dort ihre Grenzefinden, wo die KL ihre Kolleg/innen im gleichen Unterrichtsgebiet als Konkur-renten wahrnehmen, mit denen sie ihr Know-how gerade nicht teilen möchten.Der allgemeine Trend zur Standardisierung mag diese Befürchtungen in vielenAngebotsbereichen abschwächen und dazu beitragen, dass KL sich gemeinsammit ihren Kolleg/innen als Repräsentanten eines in seinen Qualitätsmerkmalenöffentlich definierten Veranstaltungssegments verstehen und sich weniger überdie unverwechselbare „Einmaligkeit“ ihrer Kurse definieren. Die Einrichtung kannzum Abbau des tradierten Selbstverständnisses von „Einzelkämpfern“ beitragen,wenn sie in ihrer Angebotspolitik die strukturbildenden Chancen anerkannterLehrgangs- und Zertifikatssysteme nutzt und überregional abgestimmte Quali-tätskriterien gemeinsam mit den KL für die Profilbildung nutzt. Für die KL ist einSupport ihrer kollegialen Austauschbeziehungen vor allem auch dann attraktiv,wenn ihnen die institutionell abgesicherten Kommunikationswege auch für dieOrganisation ihrer Interessenvertretung als freiberuflich Beschäftigte zur Verfü-gung stehen. Sei es, dass eine gewählte KL-Vertretung mit satzungsmäßig veran-kerten Gremien existiert – was für die Einrichtung Klarheit in Bezug auf ihreAnsprechpartner schafft –, sei es, dass KL alternativ oder darüber hinaus selbstorganisierte Zusammenhänge aufbauen: Die in ihren Leistungen zu definieren-de materielle Unterstützung dieser Aktivitäten durch die Einrichtung dokumen-tiert deren Anerkennung der KL als Partner auch in strittigen und kontroversenAuseinandersetzungen. Hier sind vielfältige Formen der Infrastruktur denkbar,die bei der Bereitstellung von Aufenthaltsräumen und Postfächern für die KLbeginnen und über die Raumnutzung für selbst organisierte Sitzungen, die Mit-nutzung von Vervielfältigungs- und Versandmöglichkeiten der Einrichtung für

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eigene Informationen bis hin zum Aufbau einer Internetplattform reichen, diedie gesamte Kommunikation der Einrichtung mit den KL und deren Kontakteuntereinander unterstützt. Entscheidend für den Erfolg ist in jedem Fall die wech-selseitige Verständigung über das, was die KL benötigen und die Einrichtungihnen bieten kann, immer verbunden mit einer klaren Beschreibung der jeweilsvereinbarten und zugesagten Leistungen.

Fazit

Es ist deutlich geworden, dass die zielorientierte Ausgestaltung der Ar-beitsbeziehungen zwischen haupt- und freiberuflichen Mitarbeiter/innen in derErwachsenenbildung für die Qualitätsentwicklung ein zentrales Handlungsfelddarstellt, denn viele qualitätssichernde Einzelmaßnahmen sind in ihrem Erfolgin hohem Maße abhängig von der Qualität dieser Zusammenarbeit. Im Sinneeiner Weiterentwicklung erscheint es daher wünschenswert, auch dieses Hand-lungsfeld systematisch in den Erfahrungsaustausch zwischen Einrichtungen derErwachsenenbildung einzubeziehen und ihm in „Benchmarking“- und „Best-Practice“-Prozessen die entsprechende Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

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IV. Qualitätsentwicklung imKunden- und Lernerinteresse

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Alfred Töpper

Bildungstests als Element derQualitätssicherung in der Weiterbildung

Bildungstests

Die Idee einer festen Institution für Bildungstests ist noch jung. Sowurde Ende 1998 in einem Expertenpapier der Hans-Böckler-Stiftung über einneues Leitbild des Bildungssystems ein Konzept für eine solche Testeinrichtungfür Weiterbildungsangebote formuliert, und im darauf folgenden Frühjahr for-derte die Bertelsmann-Stiftung ebenfalls unabhängige Bildungstests.

Schon im ersten Spitzengespräch des Bündnisses für Arbeit, Ausbil-dung und Wettbewerbsfähigkeit waren sich die Beteiligten einig, dass unver-züglich Arbeitsgruppen bzw. Expertengruppen zu den Themen Aus- und Wei-terbildung und Benchmarking einzurichten seien. Im März 2001 wurde eineBündnisinitiative „Qualitätssicherung, Transparenz, Information und Beratungin der beruflichen Weiterbildung“ vereinbart. Diese Initiative umfasste u. a.:

• Dokumentation, Entwicklung, Evaluation und Verbreitung von „good-practice“ regionaler und branchenbezogener Qualitätssicherungsmo-delle und -verfahren;

• Informations- und Beratungsoffensive (qualitative Weiterentwicklungder Beratungsangebote unter Einbeziehung von Weiterbildungsdaten-banken);

• Weiterentwicklung der Weiterbildungsstatistik, Förderung der Weiter-bildungsforschung;

• breite Erprobung von Weiterbildungstests.

Daneben existieren weitere hier nicht ausgeführte Initiativen zur Durch-führung von Bildungs- bzw. Weiterbildungstests mit dem Ziel der höheren Trans-parenz und Verbesserung der Qualität der Angebote. Alle Initiativen haben ei-nes gemeinsam: Neben der Beleuchtung und Dokumentation der Bildungsdienst-leistung des Anbieters bzw. Weiterbildungsträgers in Abhängigkeit von seineneigenen Qualitätszielen wird eine Qualitätsprüfung von außen als sinnvoll undnotwendig angesehen. Diese vergleichenden Bildungstests sollen die Quali-tätssicherung ergänzen und unterstützen. So werden vergleichende Bildungs-

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tests insbesondere in der Weiterbildung für geeignet gehalten, um die Qualitätder Angebote für die Verbraucher zu sichern.

Bei einer Institutionalisierung von Bildungs- bzw. Weiterbildungstestswerden häufig zwei Kernthesen aufgestellt: 1) Eine solche Testinstitution solleunabhängig sein, ohne dass die Unabhängigkeit zwingend durch den Staat her-gestellt werden müsse. Auch die Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen könnediese gewährleisten. 2) Die Testverfahren sollen Transparenz vor allem für dieTeilnehmer von Bildungsangeboten herstellen und nicht etwa nur für die ohnehininformierten Bildungsexperten.

Bedarf an Tests in der beruflichen Weiterbildung bzw.ErwachsenenbildungDie Arbeitswelt stellt höhere Anforderungen als jemals zuvor an die

Flexibilität und Lernbereitschaft der Arbeitnehmer. Das lebensbegleitende Ler-nen löst die traditionelle Abfolge „Schule, Ausbildung, Arbeitsleben“ ab. DieBildungssysteme müssen auf die Alterung der Gesellschaft reagieren. Auch wennLernprozesse künftig schon in den Kindergärten beginnen sollen, sind von denVeränderungen vor allem die privaten Nachfrager von beruflicher Weiterbildungbetroffen.

Souveräne Entscheidungen der privaten Nachfrager setzen überschau-bare Märkte voraus. Der Nachfrager sollte idealerweise wissen, welche Produk-te es auf dem Markt gibt; in welchen Qualitäten das gewünschte Produkt vorhan-den und welches Preis-Leistungs-Verhältnis für den jeweiligen Bedarf angemes-sen ist. Die Angebotsqualität muss deshalb nicht nur laufend entwickelt, sondernauch gesichert, dokumentiert und durchschaubar gemacht werden. Diesen An-spruch lösen die Anbieter nur teilweise und zu zögerlich ein. Die bisherigenMaßnahmen, um die Qualität zu sichern und zu verbessern, reichen nicht aus.

Bildungstests schaffen eine heilsame Unruhe, tragen zur Übersichtlich-keit bei, schärfen das Qualitätsbewusstsein der Verbraucher ganz allgemein undsind geeignet, die Qualität beruflicher Weiterbildung im Sinne der Kunden voranzu bringen.

Machbarkeit von BildungstestsDie methodische Anlage einer Dienstleistungsuntersuchung hängt von

vielen Faktoren ab, insbesondere von den Untersuchungszielen und den Ausprä-gungen verschiedenster Merkmale wie Immaterialität, Regionalität, Variabilität,Komplexität und Individualität der Dienstleistung. Hinzu kommt das besondereProblem, dass das Ergebnis der Dienstleistung (des Bildungsprozesses) aus dem

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Zusammenwirken von Anbieter und Lernendem entsteht. Die Beeinflussung desProzesses durch den Teilnehmer ist bei der Dienstleistung Bildung besonders hoch(s. a. Messung und Bewertung von Dienstleistungsuntersuchungen).

Dennoch sind die Probleme lösbar. Die Stiftung Warentest hat in derVergangenheit schon verschiedenste Untersuchungen im Bildungsbereich reali-siert. Hierzu zählen Tests von Sprachreiseveranstaltern (test 02/80, test 02/85,test 02/89, test 02/97) und von Lernsoftwareprodukten (test 07/96, test 11/98),die Untersuchungsreihe „Weiterbildungsqualität: Märkte und Akteure in denneuen Bundesländern“ (test 08/92, test 01/93, test 05/93, test 12/93, test 01/95),die vergleichende Bewertung der Studienangebote an deutschen Hochschulenin den Fächern Chemie und Wirtschaftswissenschaften (test-spezial 1998) unddie aktuelle Überprüfung von Weiterbildungskursen im Internet (test 11/01).

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es möglich ist, Anbieter undAngebote vergleichend zu bewerten und Kriterien für eine qualitätsorientierteAuswahl zu entwickeln.

Wirkungen von BildungstestsDie Verbreitung der Untersuchungsergebnisse hat in der Vergangen-

heit nachweisbar zu einer „Unruhe“ im Markt geführt. Dies lässt sich durch dieerhebliche Resonanz seitens der Medien, Experten und Anbieter belegen. So hatbeispielsweise eine Veröffentlichung zu Weiterbildungskursen im Internet viel-fältige Wirkungen erzielt. Der test-Bericht wurde von den verschiedensten Me-dien aufgegriffen. Die positiv bewerteten Anbieter versandten eigene Pressemit-teilungen. Die mit „gut“ bewerteten Anbieter werben auf ihren Internet-Seitenmit dem Logo der Stiftung Warentest. Der Testverlierer bestätigte schriftlich dieTestergebnisse und informierte über Veränderungen seines Produktes. Eine Rei-he von Anbietern hat zudem im Zuge der Untersuchung – die zeigte, dass eineVielzahl der Kurse nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz zertifiziert werden muss– mit der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht Kontakt aufgenommen. Auchdie Mitwirkung an der neu einberufenen DIN-Arbeitsgruppe zum Thema E-Learn-ing: „Qualitätssicherung – Qualitätsmanagement – methodenbezogene Standards“und diverse durch die Veröffentlichung ausgelöste Fachvorträge und Diskussio-nen belegen die Wirkung.

Bildungstests können erhebliche Ergebniswirkungen auslösen und viel-fältige Nutzeneffekte erzielen:

• Sie erleichtern den Nachfragern (Privatverbrauchern, privaten und öf-fentlichen Unternehmen) eine zielgenaue Suche nach einem Angebotund die Einschätzung seines Preis-Leistungs-Verhältnisses.

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• Sie erhöhen die Mündigkeit der Verbraucherinnen und Verbraucher.• Sie erhöhen den Wettbewerb; durch die Einhaltung der Standards, die

durch die Tests gesetzt wurden, kann die Wettbewerbsfähigkeit verbes-sert werden.

• Sie bieten getesteten Anbietern die Möglichkeit, positive Ergebnisse zuvermarkten und die Ergebnisse zur Verbesserung ihres Angebotes zunutzen.

• Sie bieten auch nicht getesteten Anbietern durch die Veröffentlichun-gen und die Diskussion der Verfahren Informationen zur Verbesserungihrer Produkte.

• Sie unterstützen die Bemühungen der Bundesanstalt für Arbeit (BA) umdie Steigerung der Effizienz der Weiterbildungsberatung und -förde-rung.

• Sie geben u. U. Anregungen für die Gesetzgebung.• Sie nutzen bei der Analyse von Qualitätssicherungssystemen, der fort-

laufenden Ermittlung von Weiterbildungsbedarfen, der Verbreitung neuerBildungsformen und der Entwicklung von Forschungsfragen.

Machbarkeitsstudie Bildungstests

Von Mai bis November 2001 wurde die „Machbarkeitsstudie Bildungs-tests“ durchgeführt, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung(BMBF) sowie aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Sie konnte dreier-lei feststellen: Erstens ist der Weiterbildungsmarkt, auf den die Studie ihr Augen-merk hauptsächlich gerichtet hat, völlig unübersichtlich; zweitens gibt es aufdiesem Markt Qualitätsdefizite, und drittens helfen Bildungstests den Nachfra-gern bei rationalen Entscheidungen. Die Lösungsansätze und die verschiedenenOrganisationsmodelle institutionalisierter Bildungstests in dieser Studie berück-sichtigen diese Ergebnisse. Je präsenter eine Testeinrichtung im Markt ist, destonachhaltiger sorgt sie für mehr Angebotstransparenz, wachsende Qualität derAngebote und Qualitätsbewusstsein der Kunden. Institutionalisierte Bildungs-tests stärken den Markt und erzeugen einen volkswirtschaftlichen Nutzen.

Die Betrachtung konzentriert sich auf die berufliche Weiterbildung fürden Privatverbraucher. In die Studie sind die Einschätzungen wichtiger Bildungs-sachverständiger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Verbänden eingeflos-sen. Die Einschätzung der größten deutschen Unternehmen als Nutznießer ei-nes höherqualifizierten Arbeitskräfteangebotes war ebenso wichtig wie die Mei-nung der Weiterbildungsträger als „Betroffene“ von Tests. Und natürlich wurdenauch die privaten Kunden von Weiterbildungsangeboten befragt, wie sie sichauf dem Markt zurechtfinden.

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Damit eine Testeinrichtung, die Weiterbildungsangebote vergleichenduntersucht, die gewünschten Wirkungen erzielt, sind folgende Kriterien unbe-dingt zu erfüllen:

• Unabhängigkeit und Neutralität der Institution,• Transparenz sowohl hinsichtlich der Organisation als auch der Arbeits-

verfahren bzw. Untersuchungen.

Diese beiden Kriterien in Verbindung mit einer entsprechenden Ver-breitung der Untersuchungsergebnisse führen zur notwendigen Akzeptanz beiden Nachfragern und Anbietern.

Weiterbildungstests durch die Stiftung Warentest

Bei Bildungstests geht die Stiftung Warentest genau so vor wie bei allenDienstleistungstests. Die Stiftung wird unter finanzieller Förderung des BMBFund des ESF in den kommenden Jahren bis zu 20 Tests im Weiterbildungsbereichdurchführen und deren Ergebnisse öffentlichkeitswirksam verbreiten.

Durch die Implementierung eines Expertenkreises – bestehend ausMarktteilnehmern, staatlichen Instituten, Verbrauchervertretern und unabhängi-gen Wissenschaftlern – erfolgt ein ständiger Austausch mit wichtigen Akteurender Bildungsmärkte. Deren Kenntnisse und Erfahrungen werden in die Arbeiteingebunden. Zu den Aufgaben gehören u. a.:

• Marktrecherchen,• Planung und Durchführung der Untersuchungen,• Bearbeitung der Anfragen von Anbietern, Lesern etc.,• Mitwirkung bei der Normungsarbeit (DIN, CEN, ISO),• Zusammenarbeit mit anderen Institutionen im Bildungssektor,• Austausch über sich ergebende Forschungsfragen mit Vertretern wis-

senschaftlicher Einrichtungen,• Dokumentation der Ergebniswirkungen,• Verbreitung der Untersuchungsergebnisse.

Eine effiziente und wirksame Ergebnisverbreitung ist eine wesentlicheVoraussetzung für die gewünschten positiven Ergebniswirkungen. Hierzu zäh-len u. a. die Veröffentlichung in den Printmedien (Sonderpublikationen in Formvon Sonderheften, Broschüren und Ratgebern sowie Veröffentlichungen einigerUntersuchungen und Kurzfassungen in den Zeitschriften test und FINANZtest)und im Internet, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie das Vorstellen der Pro-jektergebnisse und der Arbeit auf Tagungen, Kongressen, bei Verbänden etc.

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Messung und Bewertung von Dienstleistungsuntersuchungen

Wie lassen sich Dienstleistungen vergleichen? Welches ist der gemein-same Nenner von Bahnreisen, von Leistungen der Arbeitsämter, von Geldanla-gen, Reparaturen von Videorecordern, von Volkshochschulkursen oder von nachSGB III geförderten Weiterbildungsangeboten?

Die Klammer bilden verschiedene Untersuchungsdimensionen, vondenen die folgenden fünf Merkmale wesentlich sind:

• ImmaterialitätDas Problem, Dienstleistungen zu untersuchen und zu bewerten, liegtin ihrer fehlenden Stofflichkeit. Eine Bewertung erfolgt meist über Ope-rationalisierungen. Dafür setzen die Tester die Dienstleistung in beob-achtbare und messbare Variablen um.

• KomplexitätHäufig sind Dienstleistungen an andere Leistungen gekoppelt, zum Bei-spiel an Produkte oder Rechte. Die Gesamtdienstleistung ist in ihreverschiedenen Bestandteile zu zerlegen und angemessen gewichtet zubewerten.

• VariabilitätWeil Dienstleistungen von Menschen erbracht werden, unterscheidensich ihre Leistungen stark hinsichtlich der Qualität. Dieses erschwertmögliche Standardisierungen.

• IndividualitätJeder Abnehmer knüpft an eine Dienstleistung bestimmte Erwartungenund Meinungen. Nutzerbeurteilungen können daher erheblich vonein-ander abweichen. Darum ist es so schwer, verbindliche, allgemein ak-zeptierte und überprüfbare Normen zu entwickeln, die eine gute Dienst-leistung kennzeichnen. Häufig sind zielgruppenspezifische Beurteilun-gen nötig.

• RegionalitätDienstleistungen werden üblicherweise regional begrenzt angeboten.

Bevor die Stiftung die Vorgehensweise in Abhängigkeit vom Untersu-chungsziel erarbeitet, schätzt sie die Bedeutung der Untersuchungsdimensionenfür den zu testenden Gegenstand grundsätzlich ein. Bei einem defekten Fernsehersteht die Reparatur im Vordergrund, so dass Immaterialität, Variabilität und Indi-vidualität kaum ins Gewicht fallen, die Regionalität dafür um so mehr. Im Unter-schied dazu sind bei der Untersuchung eines Bildungsangebotes alle Merkmalestark ausgeprägt. Eine weitere Problematik liegt in der Beeinflussung des Bildungs-prozesses und damit des Ergebnisses der Dienstleistung durch den Teilnehmer.

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Bei Untersuchungen von Bildungsangeboten hat sich die Multidimen-sionalität als weiterer wichtiger Prüfstein herausgestellt. Interindividuell unter-schiedliche Erwartungen an den Kurs, intraindividuelle Unterschiede der Zu-friedenheit mit dem Kurs im Zeitverlauf und gruppendynamische Effekte sindforschungsmethodisch besondere Herausforderungen. Bildungstests müssen dieverschiedenen Merkmale der Struktur- und Prozessqualität berücksichtigen,insbesondere aber die Ergebnisqualität ins Zentrum der Betrachtung stellen.

Verfahren und Vorgehensweise bei der Stiftung Warentest

Grundlage für die Arbeit ist die Themenplanung. Den Informationsbe-darf der Verbraucherinnen und Verbraucher ermittelt die Stiftung Warentest, in-dem sie einem Teil der Zeitschriften test und FINANZtest Fragebogen beilegt.Außerdem leiten der Leserservice der Stiftung und die Beratungsstellen der Ver-braucherzentralen die Wünsche der Konsumenten weiter. Die Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter der Stiftung informieren sich ständig über die neuesten Entwick-lungen und schlagen eigene Untersuchungsthemen vor. Bei der Auswahl derUntersuchungen von Bildungsangeboten ist es besonders wichtig, ob ein Ange-bot neu ist, ob es für eine größere Zahl von Verbrauchern interessant sein könn-te, ob ein Informationsbedarf aus Sicht der Nachfrager vorhanden ist oder obmöglicherweise besonderer Handlungsbedarf zum Schutz der Verbraucher be-steht. Konkret werden folgende Arbeitsschritte und Verfahren bei einer verglei-chenden Dienstleistungsuntersuchung angewandt:

• Untersuchungsplanung und AusführungUm eine Dienstleistung beurteilen zu können, erstellen die Tester einKonzept. Darin sind die Planung sowie Methoden zur Messung undBewertung enthalten. Die Untersuchungsplanung setzt Vorarbeiten undRecherchen voraus. Hierzu gehört, die Anbieter- und Marktsituationsowie die konkreten Verbrauchererfahrungen zu recherchieren.

• Auswahl des UntersuchungsgegenstandesWegen des vielfältigen Angebotes muss für nahezu jede Dienstleistungs-untersuchung eine geeignete Marktauswahl getroffen werden. Die Aus-wahl erfolgt nach objektiven Gesichtspunkten wie beispielsweise Markt-bedeutung, technische Merkmale, Preisklasse oder Lernform bei Bil-dungstests.

• Struktur des UntersuchungsprogrammsDie Stiftung Warentest erstellt zu jeder Untersuchung ein Untersuchungs-programm. Dies gliedert sich in der Regel wie folgt:I. Marktsituation und Verbraucherproblem erkennenII. Untersuchungsproblem

1. Festlegen des Untersuchungsgegenstandes

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2. Ziele der Untersuchung definierenIII. Untersuchungsmethodik

1. Befragen von Lesern und Verbrauchern2. Befragen von Anbietern3. Teilnehmende Beobachtung4. Weitere Verfahren (Expertengespräche, Inhaltsanalysen)

IV. Bewerten und Darstellen der Ergebnisse.• Untersuchung und Instrumente

Um die Untersuchungsziele zu erreichen, setzt die Stiftung die unter-schiedlichsten methodischen Instrumente ein. Sie nutzt anerkannte Me-thoden der Sozialforschung wie– Erfassen und Bewerten von Verbrauchererwartungen und -erfahrun-

gen;– Befragen von Anbietern;– Analysieren von Inhalten;– offenes Beobachten;– verdecktes Beobachten durch Testinspektoren, die als „normale“ Kun-

den beziehungsweise Teilnehmer ein Angebot prüfen.Grundsätzlich setzt die Stiftung das gesamte Instrumentarium der em-pirischen Sozialforschung und weiterer Messverfahren ein. Es gilt, inAbhängigkeit vom Untersuchungsziel die geeigneten Instrumente unddie für die Untersuchung zu messenden Indikatoren zu bestimmen.Die gemessenen Indikatoren sind für die Beurteilung der Dienstleis-tungsqualität zu gewichten und zu bewerten.

• Bewerten und Darstellen der Ergebnisse von BildungstestsDie Informationen sind sinnvoll zu verdichten. Belegbare Qualitätsun-terschiede der gesamten Dienstleistung und wesentlicher Bestandteilehat die Stiftung dennoch deutlich aufzuzeigen. Sie darf sie nicht unzu-lässig verkürzen.Eine allgemeine Beurteilung des Weiterbildungsmarktes ist angesichtseiner immer feiner ausdifferenzierten Palette von Angebotstypen nichtangemessen. Dies müssen die Tester im Auge behalten, wenn sie Prüf-kriterien für Bildungstests entwickeln. Vielmehr müssen sie an die ein-zelnen Segmente mit ihren ganz speziellen Inhalten, Lehrmethoden,Zielen und Teilnehmerprofilen auf unterschiedliche Weisen herange-hen. In Anbetracht des Umfangs des Angebotes müssen sie sinnvolleMarktauswahlkriterien erarbeiten. Um ausgewählte Einheiten fair be-werten zu können, benötigen sie Regeln. Die legen fest, wann die Be-urteilung eines Details Aussagekraft für die gesamte Einrichtung besitztund wann nicht.Bei Beurteilungen können die Tester nur selten auf allgemein akzep-

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tierte Qualitätsnormen zurückgreifen. Häufig stehen mehrere Wegeoffen, wie zum Beispiel– Befragen der Verbraucher, welche „Qualität“ sie erwarten. Die er-

mittelte Erwartung wird dann Maßstab;– Ermitteln der Leistung von verschiedenen Anbietern der Branche und

Bewertung der Abweichungen;– Festlegen eines Qualitätsmaßstabes durch Experten.Eine wesentliche Grundlage für die Entwicklung eines Bewertungsmaß-stabes ist stets die Frage, was der Verbraucher mit Fug und Recht erwar-ten darf.

• UntersuchungsberichtDer Untersuchungsbericht fasst die Ergebnisse zusammen und enthältimmer dann Qualitätsurteile, wenn es möglich und sinnvoll ist. Dabeihandelt es sich um eine bewertende Benotung des geprüften Angebo-tes.

Fazit

Unstrittig ist: Die Menschen müssen künftig – auch privat – mehr Zeitund Geld in Weiterbildung investieren, um ihre Chancen auf den Arbeitsmärk-ten zu erhalten. Das Wissen von heute ist nicht mehr das Wissen von morgen.Selbst wenn derzeit das Bewusstsein der Verbraucher dafür nur schwach ausge-prägt ist, liegt die Notwendigkeit von Bildungstests auf der Hand.

Für die Kunden der Bildungsanbieter gehören Informationen über dieQualität der Weiterbildung zu den wichtigsten Grundlagen bei der Entscheidungfür eine bestimmte Bildungsmaßnahme. Pluralität und Wettbewerb in der Wei-terbildung erstrecken sich auch auf die Qualitätsvorstellungen und -ansprüche.Wie die Hersteller normaler Verbrauchsgüter müssen die Anbieter von Weiterbil-dung die Qualität ihrer Angebote deshalb laufend sichern und transparent ma-chen.

Das deutsche Bildungswesen braucht vergleichende Bildungstests alsElement der Qualitätssicherung. Bildungstests sorgen für mehr Transparenz imWeiterbildungsmarkt und helfen, die Qualität der Angebote anzuheben. Sie sinddamit angewandter Verbraucherschutz und Wettbewerbsförderung gleicher-maßen.

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Christiane Ehses/Rainer Zech

Organisationale Qualitätsentwicklungaus der Perspektive der Lernenden – eineParadoxie?

Vorbemerkung: Getrenntes oder Vermitteltes

Wir versuchen in diesem Aufsatz die Perspektive der organisationalenQualitätsentwicklung aus der Perspektive der Lernenden zu begründen. Allerdingsstarten wir mit diesem Vermittlungsversuch in eine Paradoxie, weil in der Qua-litätsentwicklung von Weiterbildungsorganisationen das, was verbessert werdensoll – das Lernen –, gar nicht durch Organisation erreichbar ist. Dies wollen wirzunächst begründen, um dann dennoch nach Auswegen einer lernerorientier-ten Qualitätsentwicklung zu suchen, woraus wir schließlich Qualitätsmerkmalefür Weiterbildungsorganisationen ableiten und Unterstützungsmöglichkeitenentwickeln.

Getrenntes: Die Differenz von Organisation und Interaktion

Organisation, das lehrt uns die Systemtheorie, ist das rekursiv verkette-te Netzwerk von Entscheidungen in einem operativ geschlossenen, autonomenSystem. Die Umwelt – und hierzu gehören auch die Lernenden – ist notwendi-gerweise jenseits der Grenze der organisationalen Operationen. PädagogischeEinrichtungen selbst bestehen ebenfalls aus einer Differenz: der Zweiheit vonOrganisation und Interaktion bzw. von Management und Unterricht. Jede Seiteist die Bedingung der anderen, zugleich sind beide Seiten aber wechselseitigunerreichbar verschieden. Das Zusammenspiel von Organisation und Interakti-on ist unentbehrlich; Organisation stellt sicher, dass Lernen stattfinden kann,allerdings nicht, ob und wie gelernt wird. Qualitätsentwicklung von Organisati-onen besteht im Allgemeinen immer in einer Verbesserung der Produkte undDienstleistungen im Interesse der Kunden. Die Paradoxie der Qualitätsentwick-lung von Bildungsorganisationen besteht nun darin, dass die Verbesserung desLernens nicht in die Reichweite von Organisationen fällt, weil der Lernende dasLernen maßgeblich selbst steuert und vollzieht (oder eben nicht). Im Bereich derOrganisationen des Bildungssystems ist es daher besonders schwierig, mit Voka-beln wie Kundenorientierung, Marktbedarf, Produkt usw. zu arbeiten, denn der

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Erfolg der (Dienst-)Leistungen von pädagogischen Organisationen – ausgebilde-te Personen, Zeugnisse, Zensuren, Diplome – ist weder gesellschaftlich nochmarktbezogen überprüfbar. Lernerfolg ist objektiv schwer zu messen und nach-zuweisen – pädagogische Leistung bleibt im Kern daher auf eine allgemeinewertebezogene gesellschaftliche Anerkennung angewiesen. (vgl. Luhmann 2002,S. 157)

Als Entparadoxierung des Dilemmas der Unerreichbarkeit des Lernensdurch organisationale Qualitätsentwicklung werden in der Praxis im Grundsatzzwei Modelle praktiziert:

Die empirisch verbreitetere Variante in der Weiterbildungsbranche istdie Pädagogisierung der Organisation, welche dann auch als Interaktionssystembehandelt wird. Strukturanforderungen und Strukturprobleme werden hierbeipersonalisiert, Fehler werden nicht den Strukturen, sondern den Personen zuge-rechnet und entsprechend moralisierend angekreidet – Organisation wird dabeinicht selten zum Konfliktsystem. An Entscheidungen wird nicht angeschlossen,sondern die Legitimität von Entscheidungen wird wechselseitig angezweifelt;die Entscheidungen des Einen werden vom Anderen als unzulässiger Übergriffinterpretiert. Oder Entscheidungen werden mit der pädagogischen Begründungeiner diskursiven Verständigungsorientierung ganz vermieden (was intern selbst-verständlich als Entscheidung zugeschrieben werden kann), wodurch die Orga-nisationen ihre Führung verlieren und in einen evolutionären Drift hineinpen-deln. Die Eigenlogik von Organisation gegenüber einer bloßen Interaktion wirdjedenfalls in dieser Denk- und Praxisform geleugnet; Steuerungschancen undorganisationale Entwicklungsmöglichkeiten werden damit vertan.

Der Versuch der Entparadoxierung in der entgegengesetzten Weise leug-net die Eigenlogik des Bildungsprozesses und versucht einen betriebswirtschaft-lich motivierten Durchgriff vom Organisationalen hin zum Unterricht, wenn z.B. Abbrecher- oder Vermittlungsquoten in ISO-zertifizierten beruflichen Weiter-bildungseinrichtungen als Indikatoren eines erfolgreichen Bildungsprozesseshochgerechnet werden. Die Organisation gibt den pädagogischen Absichten zwarForm und Struktur, aber wenn das Lernen beginnt, zieht sich Organisationgewissermaßen zurück und überlässt der Interaktion die Führung; Lehrende undLernende sind nun der doppelt kontingenten Kommunikationsdynamik ausge-liefert (vgl. Luhmann 2002, S. 160 f.). Unterricht ist nicht technologisierbar undPädagogik ist die Kunst der situativ gelingenden (oder eben nicht gelingenden)Koppelung von Lehren und Lernen. Jeder organisationale, zweckrationale Durch-griff auf den Lernprozess versagt an dessen Logik. Die Möglichkeit der hierar-chisch-administrativen Steuerung endet an der Tür des Seminarraumes. Lernen-

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de und Unterricht sind keine Trivialmaschinen, die auf einen entsprechendenInput vorherbestimmt reagieren und geplante Ergebnisse liefern. Der Versuchtechnologischer Steuerung von Lernen behindert individuelle Entwicklungsmög-lichkeiten der Lernenden.

Dennoch muss sich jegliche Qualitätsentwicklung in Weiterbildungs-organisationen – sei es die Systematisierung und Standardisierung von Kernpro-zessen oder die Einrichtung einer Kommunikations- und Führungsstruktur –daraufhin befragen lassen, was die organisationalen Verbesserungen zur Verbes-serung des Lernens beitragen. Wie kann man also der Paradoxie von Qualitäts-entwicklung in Weiterbildungsorganisationen entkommen, ohne sich auf eineder beiden Seiten der Paradoxie zu schlagen und die andere auszublenden?

Vermitteltes: Lernerorientierte Qualitätsentwicklung

Einen Versuch dazu haben wir in unserem Modell der lernerorientier-ten Qualitätsentwicklung (vgl. Ehses/Heinen-Tenrich/Zech 2002 und Ehses/Zech2001) unternommen, indem wir mit der Figur des „re-entrys“ die Interessender Lernenden in die Organisation hineinkopieren und zum Ausgangspunktder Qualitätsentwicklung in der Organisation machen. Wir zwingen die Ein-richtungen bereits zu Beginn des Qualitätsprozesses, sich gedanklich auf dieLernenden einzulassen, indem sie ausweisen, was ihrer Meinung nach dengelungenen Lernprozess ausmacht. Diese Definition gelungenen Lernens ist alsTeil des Leitbildes zu reflektieren und schriftlich festzuhalten. Sie dient fürder-hin als Fokus aller Qualitätsanstrengungen, wenn nämlich alle weiteren Maß-nahmen daraufhin zu begründen sind, was sie zur Verbesserung des Lernpro-zesses beitragen.

Natürlich sind hier die Lernenden nicht real anwesend, sie sind nichtMitglieder der pädagogischen Organisationen, sondern die Organisation bzw.deren Mitarbeitende stellen sich reflexiv auf den Standpunkt der Lernenden. Dietheoretische Figur des Lernenden ist eine Konstruktion, die allerdings im weite-ren Verlauf des Qualitätsprozesses empirisch aufgeladen wird, wenn z. B. Be-darfsanalysen und Evaluationen gefordert werden und auf dieser Basis die Qua-lität des Lehrens verbessert werden soll. Die Organisation entwickelt auf dieseWeise zunehmend verbesserte Indikatoren zur Umweltbeobachtung und kanndamit die eigenen Operationen auf den Zielfokus des gelingenden Lernprozes-ses ausrichten. Dadurch entsteht intern eine Entscheidungsgrundlage, welcheProzesse in welcher Weise zu regeln sind – nämlich die, die begründbar denLernprozess unterstützen. Man entgeht so einer überregulierenden Standardisie-rungswut in überbordenden Qualitätsmanagementhandbüchern.

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Pädagogische Organisationen sind nicht einfach ein Instrument zurUmsetzung von pädagogischen Intentionen, weil die Intransparenz der (psycho-logischen) Lernprozesse und die doppelte Kontingenz des InteraktionssystemsUnterricht sich der technologischen Steuerung entziehen. Durch Organisationgewinnt man vor allem die Möglichkeit einer Differenzierung des Systems, umdessen Kooperationen, d. h. das Ineinandergreifen der verschiedenen Teilfunkti-onen, zu gestalten. Die innere Logik der für die Teilfunktionen zuständigen Sub-systeme bleibt außerhalb des Zugriffs, aber die kooperativen Schnittstellen kön-nen definiert und abgestimmt werden. Auf diese Weise können wechselseitigeLeistungsanforderungen der Subsysteme definiert, geordnet und aufeinanderabgestimmt werden. Damit gewinnt jedes Subsystem, jede handelnde Person,aber auch die Organisation als Ganzes Sicherheit, weil jeder weiß, wo er imkooperativen Verbund steht und wofür er zuständig ist.

Durch diese interne Differenzierung garantiert sich die Organisationihre eigene Autonomie, weil sie Handlungen an eigene Handlungen bzw. Ent-scheidungen an eigene Entscheidungen anschließen kann. Diese interne Diffe-renzierung und rekursive Bezogenheit ersetzt die Direktanschlüsse an die Um-welt, welche jetzt nur noch vermittelt, über entsprechend definierte Organisati-onsbeobachtungen wirksam wird. Die interne Differenzierung kann zur Selbst-bezüglichkeit retardieren; sie kann aber auch, sofern die internen Kommunikati-onswege den realen und virtuellen Kundenpfaden durch die Organisation fol-gen, zu einer Steigerung der Umweltsensibilität beitragen.

Qualitätsentwicklung in pädagogischen Einrichtungen bezieht sichimmer auf Fragen der Organisation, aber sie muss sich von Bestimmungen ge-lungenen Lernens leiten lassen. Wenn wir hierbei die Qualitätsthematik von derSeite des Abnehmers her denken, dann müssen wir akzeptieren, dass der Ler-nende das Definitionsmonopol hat. Lernen steht für den Lernenden immer imZusammenhang der Erweiterung seiner eigenen Handlungsfähigkeit, um gestell-ten Anforderungen in einem höheren Maße gewachsen zu sein und damit dieVerfügung über seine Lebensbedingungen zu erweitern – aus der Sicht des Ler-nenden ist Lernen also ein funktional orientierter Vorgang. Qualität bestimmtsich in dieser Sichtweise daher aus dem Verwendungszusammenhang des Ab-nehmers. Letzterer lässt sich in seiner Einschätzung durch Nutzenerwartungenleiten, hat folglich einen funktionalen Zugriff auf den Lernprozess bzw. das er-wartete Lernergebnis (vgl. Ehses/Zech 1999, S. 19). Die Güte eines Lernergeb-nisses ist also eine relative Größe, die sich aus dem Erwartungszusammenhangdes Lernenden ableitet. Ein Bildungsabnehmer, der eine Fremdsprache lernenwill, um sich im Urlaub seinen Cappuccino in der Landessprache zu bestellen,ist im Zweifel mit „weniger Qualität“ zufrieden als ein Bildungsabnehmer, der

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die Sprache verhandlungssicher für seine Geschäftskontakte braucht. Schon dievon uns gerade verwendete Sprache führt allerdings in die Irre: Das „Mehr“ oder„Weniger“ von Qualität ist nämlich gar nicht ausschlaggebend, weil es von ei-nem scheinbar objektiven Standpunkt außerhalb des Verwendungszusammen-hangs definiert werden muss. Richtig erscheint es uns, von angemessener Qua-lität zu reden – und die Angemessenheit bestimmt sich vom Lernenden her.

Qualitätsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen kann unseresErachtens daher nur gelingen, wenn die professionell beteiligten Pädagoginnenund Pädagogen ihre Qualitätsdefinition in der Sache voll vom Urteil der Abneh-mer abhängig machen und ihre Professionalität auf die Fragen der Angemessen-heit des Vermittlungsprozesses beschränken, wenn sie also keine inhaltlichenQualitätsentscheidungen für die Lernenden übernehmen. Vielmehr kommt esdarauf an, durch genaue Kenntnis der Bedürfnisse und Erwartungen der Bildungs-abnehmer ein maßgeschneidertes Angebot zu erstellen.

In der lernerorientierten Qualitätsentwicklung steht die Selbstdefiniti-on gelungenen Lernens im Rahmen der Leitbilderstellung am Anfang des Quali-tätsprozesses. Dies ist deshalb kein Widerspruch zu der eben getätigten Aussa-ge, weil die Einrichtung so erstens den expliziten Ausweis der eigenen Ansprü-che gegenüber den potenziellen Teilnehmen kommuniziert und diesen damiteine Entscheidungsgrundlage gibt, ob sie das Lernangebot annehmen wollenoder nicht. Zweitens ist diese Selbstdefinition nur der Ausgangspunkt des Quali-tätsprozesses, in dessen Verlauf die ursprüngliche Definition mit den erhobenenDaten über Lernerbedürfnisse und Lernerfolge abgeglichen werden soll, umschlussendlich zu einer überprüften, empirisch angereicherten und ggf. überar-beiten Definition zu führen. Wenn wir behaupten, die Organisation soll ihrenSchwerpunkt auf den Vermittlungsaspekt des Lehrens legen und den Aneignungs-aspekt des Lernens den Lernenden überlassen (vgl. Kade 1997), dann ziehen wirnur die Konsequenz aus der systemtheoretischen Unterscheidung zwischen Or-ganisation und Umwelt und bestärken beide Seiten in ihrer jeweiligen, ohnehinnicht hintergehbaren Autonomie. Trotzdem ist dies keine selbstbezügliche Au-tonomie, weil das Modell dazu zwingt, die Ansprüche der Adressaten in dieLogik der eigenen Organisation einzuführen und die eigenen Prozesse auf dieAbnehmer hin auszurichten.

Die Bewegungsrichtung der Qualitätsentwicklung geht also vom Ler-nenden zur Organisation und nicht von der Organisation zum Lernenden. DieseAussage ist eine logische und gilt selbst dann, wenn der Qualitätsprozess prak-tisch mit einem Selbstausweis der Organisation startet. Ein selbstreflexiver Start-punkt ist die Grundlage des folgenden empirischen Erhebungsprozesses von

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Lernerinteressen. Ein Selbstausweis der eigenen Ansprüche ohne empirischeFolgen bliebe allerdings ideologisch, und empirische Erhebungen ohne Ausweisder eigenen Folien verliefen ohne Kriterien und damit praktisch blind. „Lernfä-higkeit kombiniert Unsicherheit in bezug auf die Umwelt mit Sicherheit in be-zug auf sich selbst, nämlich in bezug auf eigene Auffangstellungen“ (Luhmann/Schorr 1988, S. 89).

Was erwartet nun der Lernende von „seiner“ Weiterbildungsorganisati-on? Zunächst: Er hat keinerlei besondere Erwartungen an ein spezifisches Qua-litätsmanagement der Einrichtungen. Er hat lediglich die Erwartungen, dass sei-ne Wünsche und Ansprüche befriedigt werden – wie immer die Organisationdies intern reguliert und organisiert. Ansprüche von Lernenden richten sich aufServicequalität, Lernprozess und -atmosphäre sowie auf Lernerfolg. Ohne dasshier Lernerinteressen im Einzelnen ausgewiesen werden können – diese Aufga-be muss jede Weiterbildungsorganisation selbst erledigen –, sollen doch dreiBeispiele zur Veranschaulichung angeführt werden: Während die einen mögli-cherweise einen sehr funktionalen und zeitlich hochflexiblen Lernprozess präfe-rieren, richten andere ihre Wünsche vor allem auf die soziale Dimension undadressieren die Organisation weit mehr als lebensweltliche Institution denn alsBildungseinrichtung. Wieder andere Lernende erwarten vielleicht vor allemUnterhaltung und suchen einen Ort, an dem Lernen eher en passant und spaß-betont geschieht. Für alle diese und weitere denkbare Lernzugänge müssen jeweilsspezifische Antworten gesucht und gefunden werden. Dabei muss sich die Ein-richtung bewusst zu ihren Zielgruppen in ein Verhältnis setzen und im Vorfeldtransparente Auskünfte über die eigenen normativen Zielvorstellungen geben.

Da es Organisationen jedoch nicht möglich ist, jeglichen individuellenAnsprüchen einzelner Teilnehmer entgegenzukommen, müssen gewissermaßenin der eigenen Kundschaft Cluster gebildet werden. Das heißt, die Organisatio-nen sind gehalten, auf der Basis ausgewiesener Normen und eigener Indikatorenüber die empirische Erhebung von Bedürfnissen und Bedarfen strukturierte Ziel-gruppenportraits mit milieuspezifischen Lerninteressen zu rekonstruieren. Beider Identifizierung von Lerninteressen handelt es sich methodisch gesprochenalso um eine Typenbildung. Der Lernende ist nicht als Individuum angespro-chen, sondern als Typus, der als Reflexionsmedium der Gestaltung der organisa-tionalen Praxis dient (vgl. Ehses/Zech 2001, S. 25 f.).

Lernerorientierte Qualitätsentwicklung ist also ein anspruchvolleresUnterfangen als reiner Verbraucherschutz. Das Bildungsangebot von Weiter-bildungsorganisationen wird insgesamt inhaltlich, strukturell und dienstleistungs-bezogen auf die identifizierten Lerninteressen der Adressaten ausgerichtet, um

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den Lernenden umfassend optimale Voraussetzungen seines Lernens bieten zukönnen. Der Lernende ist eben mehr als nur ein Verbraucher – er ist ein Produ-zent!

Organisationale Kontextsteuerung des Lernprozesses

Wenn Qualitätsentwicklung wesentlich auf die Verbesserung des Ler-nens zielt, aber der konkrete Lernprozess durch Qualitätsentwicklung nicht di-rekt steuerbar ist, wozu sollen dann also die doch nicht unerheblichen Quali-tätsanstrengungen gemacht werden? Dies kennzeichnet die paradoxale Heraus-forderung für Weiterbildungsorganisationen: Qualitätsentwicklung zielt auf dieBemühung um eine optimale Gestaltung der Ermöglichung von Lernen und mussgleichzeitig reflektieren, dass damit keine abgesicherten Aussagen über das Ge-lingen dieses Prozesses getroffen werden können. Die Organisation ist die Be-dingung der Möglichkeit von Bildung; sie schafft Kontexte, die gelingendes Ler-nen mehr oder weniger ermöglichen oder behindern. Qualitätsentwicklung vonWeiterbildungsorganisationen zielt auf die Steuerung situationaler Kontextbe-dingungen. Dieser Steuerungsmodus wird der Organisation von komplexer Leis-tung unter unbestimmten Bedingungen gerecht, weil er den dritten Weg zwi-schen „Planung“ und „muddling through“ darstellt (vgl. Willke 1995, S. 33).Planung meint den von uns angedeuteten illusorischen Versuch, die Eigenlogikdes Lernprozesses zu ignorieren und diesen Prozess als technologisch durch-steuerbar zu behandeln. „Muddling through“ hingegen baut auf zufallsgesteuer-tes Operieren unter Verzicht auf die Gestaltung von Umfeldbedingungen. Kon-textsteuerung hingegen ist die Steuerung des Bedingungsumfeldes des fokussier-ten Systems (bei uns: der Lernprozess), um dadurch die Selbststeuerungsmög-lichkeiten des betroffenen Systems zu erhöhen.

Die Anforderung der Kontextsteuerung richtet sich auf alle Bedingungs-felder, die den Lernprozess umkreisen. Sie zielt insgesamt auf eine Erhöhung derinternen Abstimmung. Weiterbildungsorganisationen als lose gekoppelte Syste-me müssen ein Zusammenspiel heterogener Einzelaufgaben und -tätigkeiten in-tegrieren und miteinander vermitteln, um Kontexte zu optimieren und dadurchzu einem Ermöglichungsraum für gelingendes Lernen zu werden. Nicht-linearvernetzte Teilbereiche – wie Organisation, Planung und Handlung – werden inder Orientierung auf den Lernenden abgetastet und synchronisiert. Alle organi-sationalen Informations-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozesse werdenunter dem Kriterium der Rückwirkungen aus der Umwelt gestaltet. Nur interngut gesteuerte Organisationen sind in der Lage, andere Systeme dazu zu ermuti-gen, ihre Selbststeuerung zu steigern, indem sie generalisierte Motivationen dafürschaffen, d. h. den Lernenden zu Eigenaktivitäten anregen und unterstützen. Erst

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über die organisationale Kontextsteuerung materialisieren sich die normativenSelbstansprüche, sie werden eingelöst – oder bleiben Ideologie. Qualitätsent-wicklung unter diesem Modus der Steuerung erhöht die Selbstbeobachtungs-kräfte von Weiterbildungseinrichtungen und befähigt sie, lernende Organisatio-nen zu werden.

Qualitätsmerkmale von lernfähigen Weiterbildungsorganisationen

Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Weiterbildungseinrich-tungen zu einer so definierten Qualitätsentwicklung in der Lage sind? Und inwelchem Verhältnis stehen die Lernfähigkeit einer Organisation und ihre Quali-tätsentwicklung? Qualitätsentwicklung wollen wir grundsätzlich als Einheit vonOrganisations-, Personal- und Produktentwicklung definieren. Dabei bedeutetQualitätsentwicklung vor allem die Bereitschaft, die bisherige Praxis in Frage zustellen und kontinuierlich zu verbessern. Das heißt, Lernfähigkeit ist die Basis-voraussetzung von Qualitätsentwicklung. Für diese Lernfähigkeit haben sich injahrelanger Beratungserfahrung Erkennungsmerkmale herausdestilliert, die alsIndikatoren für Erfolgschancen bei geplanten Veränderungen angesehen werdenkönnen:

• Sind die Organisationen auf ihre Umwelt orientiert oder kreisen siemehr selbstbezüglich um sich?

• Haben sie eine gemeinsame Identität oder zerfallen sie in getrennteSubsysteme ohne Bezug auf ein gemeinsames Ganzes?

• Gibt es die Bereitschaft, der Organisation durch klare Führung Rich-tung zu geben, oder fährt man sich in endlosen Konsenssuchen fest?

• Sind die Entscheidungen der Organisation eindeutig und damit an-schlussfähig oder eher „schwammig“ und vielfältig interpretationsfä-hig?

• Gibt es eine Regelhaftigkeit der gemeinsamen Praxis, wechselseitigeVerbindlichkeiten und entsprechende Kontrollen oder entscheiden dieeinzelnen Mitarbeiter individuell, was sie jeweils für richtig und be-deutsam halten?

Wenn es deutlich positive Tendenzen in die jeweils skizzierten Rich-tungen gibt, können diesen Einrichtungen begründete Chancen für Veränderungs-projekte unterstellt bzw. attestiert werden. Schlägt das Pendel bei einer Ersteva-luation eher in die negative Richtung aus, dann müsste Qualitätsentwicklungdamit beginnen, die Bedingungen für ihren Erfolg in der eigenen Organisationerst herzustellen, bevor man sich an die Verbesserungsarbeit der Prozesse, Pro-dukte und Dienstleistungen macht. Qualitätsentwicklung ist in jedem Falle mehrals nur Festschreibung von Standards und Abarbeiten von Messlatten; sie zielt

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auf die – auch hier wieder paradoxe – Anforderung, Regeln zu entwickeln, umRegeln zu verändern, und Strukturen zu implementieren, um Strukturen zu än-dern. Lernende Organisationen sind also daran zu erkennen, dass sie systema-tisch, regelgeleitet und formalisiert Erwartungen durchkreuzen und Entformali-sierungen sowie Regelabweichungen dauerhaft ermöglichen.

Externe Unterstützungsmöglichkeiten

Die hier entfaltete Logik ist von der spiegelbildlichen Vorstellung gelei-tet, dass Organisationen, die Erwachsene und ihre Lernaktivitäten in den Mittel-punkt stellen, sich selbst als lernende Organisationen begreifen müssen. Dieshat zur Konsequenz, dass auch die Organisationen aus ihrer autonomen Eigen-logik heraus agieren müssen. Entwicklungsberatung kann deshalb nicht in dieOrganisationen „hineinregieren“. In Analogie zu den lernenden Individuen sinddie Organisationen als selbstbestimmte Bevollmächtigte ihres Lernens zu be-greifen. Organisationales Lernen kann nur als selbstgestaltete Entwicklung ver-standen werden. Anstöße von außen sind aber die Voraussetzung, damit dieseEntwicklung in eigener Verantwortung überhaupt stattfinden kann.

Qualitätsentwicklung als Prozess, der von außen nach innen verläuft,ist durch die Einführung von Umweltperspektiven bestimmt. Die Organisationhat es dabei mit dem Dilemma zu tun, dass sie ihre Beobachtungskriterien undAufmerksamkeitsgesichtspunkte für ihre Umweltwahrnehmung nur intern, d. h.geleitet von den eigenen Unterscheidungen, aufstellen kann. Der erforderlichePerspektivenwechsel – die Wiedereinführung der Umweltperspektive in das Sys-tem – kann zwangsläufig nur eingeschränkt erfolgen. Deshalb ist neben eigenenBedarfserhebungen, selbst durchgeführten Evaluationen, wechselseitigen Entwick-lungsberatungen oder „peer-reviews“ externe Unterstützung hilfreich. Sie erfülltdie Funktion, die Umwelt zu repräsentieren, d. h. ausgeschlossene Perspektivenin die Organisationen einzuführen. Dabei muss sie mit anderen Unterscheidun-gen als die Organisation selbst arbeiten, sonst würde sie ja deren Sicht lediglichverdoppeln. Externe Spiegelungen ermöglichen produktive Verstörungen.Zugleich aber müssen die Perturbationen an die Eigenlogik der Organisationenankoppeln, weil sie sonst abgestoßen werden. Dies gelingt nur durch „re-de-scription“, d. h. mit der Wieder- bzw. Fremdbeschreibung von organisationalenSelbstbeschreibungen. Ein – auch branchenspezifisches – Wissen um die Funk-tionslogiken von Weiterbildungsorganisationen ist für Beratung von außen un-abdingbar, wenn anschlussfähige Fremdbeschreibungen angefertigt werden sol-len. Die Kunst externer Organisationsberatung und Qualitätsbegutachtung be-steht darin, zugleich anschlussfähig und verstörend, felderfahren und distanziert,respektvoll und provozierend, jedoch immer ressourcenorientiert vorzugehen.

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Supportstrategien sind darauf gerichtet, die Organisation in ihren Lern-bemühungen zu stärken und zu fördern. Weiterbildungspolizeiliche Maßnah-men sind hierbei eher kontraproduktiv. Statt normierende Messlatten, Standardsund Verordnungen anzulegen, ist eine nicht-normative Unterstützungskulturfruchtbar, die darauf angelegt ist, selbstorganisierte Expertennetzwerke zu beför-dern und den Einrichtungen Möglichkeiten zu eröffnen, ihre Ziele selbst zu de-finieren und einzulösen.

Anforderungen an Qualitätsentwicklungsmodelle

Welchen Anforderungen müssen Qualitätsmodelle genügen, um dieQualitätsprozesse in der hier beschriebenen Weise wirksam zu verbessern? Wirhaben Prüffragen entwickelt, anhand derer Weiterbildungseinrichtungen Quali-tätsentwicklungsverfahren und -modelle beurteilen können. Diese Fragen be-rücksichtigen aus unserer Sicht Prinzipien, die erforderlich sind, um Qualitäts-entwicklung in Weiterbildungsorganisationen aus der Perspektive der Lernen-den zu befördern – denn dies meint: den spezifischen organisationalen Anforde-rungen der Branche gerecht zu werden:

• Wie berücksichtigt das Modell die Besonderheit des Lern- bzw. Bil-dungsprozesses?

• Wie werden regionale, träger- und einrichtungsspezifische Unterschied-lichkeiten der Organisationen berücksichtigt?

• Wie werden Entwicklungsprozessorientierung und standardisierte Qua-litätssicherung verknüpft?

• Wie werden Selbst- und Fremdevaluation kombiniert?• Wie kombiniert das Modell Verbindlichkeit und selbstbestimmte Of-

fenheit in Bezug auf die Definition von Qualitätsmaßstäben?• Wie wird die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Organisationen gewähr-

leistet?• Wie wird die Organisation strukturell auf dauerhaftes Lernen und kon-

tinuierliche Qualitätsentwicklung eingestellt?• Wie wird die Qualitätsentwicklung zertifiziert bzw. testiert? Mit wel-

cher Form der Anerkennung ist dies verbunden?• Wie werden in dem Modell sowohl Aktion als auch Reflexion ermög-

licht?• Wie wird eine systemische Nachhaltigkeit der Qualitätsentwicklung in

der Weiterbildung insgesamt gefördert?• Mit welchem Aufwand müssen die Einrichtungen rechnen?• Wie hoch ist der Ausbreitungsgrad des Modells, damit sich Einrichtun-

gen mit ihren Qualitätsbemühungen nicht vereinzeln, sondern sich an-schlussfähig an ein Netzwerk machen?

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Alle Fragen sind darauf gerichtet, einen übergreifenden Verbund ler-nender Weiterbildungsorganisationen zu konstituieren, welcher dauerhaft undhochgradig selbstorganisiert lebenslanges Lernen der Individuen optimal beglei-tet und fördert. Über die einzelnen Organisationen hinaus gilt es, den Separatis-mus von träger- und länderspezifischen Vorgehensweisen zu überwinden und inein System der Vergleichbarkeit der Weiterbildungsorganisationen im Interesseder Lernenden zu überführen. Für die Organisationen böte ein solcher gemein-samer Rahmen erhöhte Orientierungschancen für einen selbstbestimmten Ent-wicklungsprozess.

LiteraturEhses, C./Heinen-Tenrich, J./Zech, R. (2002): Das lernerorientierte Qualitätsmodell für Wei-terbildungsorganisationen. (3. Aufl.) HannoverEhses, C./Zech, R. (1999): Professionalität als Qualität in der Erwachsenenbildung. Zur Orga-nisationsentwicklung von Volkshochschulen im Spannungsfeld diversifizierter Lernmilieusund wirtschaftlicher Marktanforderungen. In: Zech, R./Ehses, C. (Hrsg.): Organisation undLernen. Hannover, S.13-57Ehses, C./Zech, R. (2001): Der Lernende als Reflexionsmedium. Qualitätsentwicklung in derWeiterbildung. In: Zech, R./Ehses, C. (Hrsg.): Organisation und Zukunft. Hannover, S.13-38Kade, J. (1997): Vermittelbar/Nicht-vermittelbar: Vermitteln: Aneignen. Im Prozeß der Sys-tembildung des Pädagogischen. In: Lenzen, D./Luhmann, N. (Hrsg.): Bildung und Weiterbil-dung im Erziehungssystem. Lebenslauf und Humanontogenese als Medium und Form. Frank-furt/M., S. 30-70Luhmann, N. (2002): Das Erziehungssystem der Gesellschaft. Frankfurt/M.Luhmann, N./Schorr, K. E. (1988): Reflexionsprobleme im Erziehungssystem. Frankfurt/M.Willke, H. (1995): Beobachtung, Beratung und Steuerung von Organisationen in systemischerSicht. In: Wimmer, R. (Hrsg.): Organisationsberatung. Neue Wege und Konzepte. (2. Aufl.)Wiesbaden, S. 17-42

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V. Kompetenzen, Zertifikate undihre Anerkennung im Kontextder Qualitätsentwicklung

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Peter Faulstich/Per Vespermann

Bedeutung und Perspektiven von Zertifikatenfür die Qualität der Weiterbildung

Zertifikate als Anerkennung von Lernleistungen

Funktion und Stellenwert von Zertifikaten im Bildungsbereich, besondersin der Weiterbildung, werden wieder einmal breit diskutiert – allerdings weitge-hend ohne hinreichende empirische Grundlage. Wir haben deshalb in einer drei-stufigen Exploration bei Bildungsträgern, Kammern und Unternehmen versucht,einige Hinweise über die Relevanz von Zertifikaten zu erhalten.1 In der Diskus-sion über Zertifikate treffen sich strategische Ansätze zur Verzahnung von Er-stausbildung und Weiterbildung, zur Durchlässigkeit von Bildungswegen, zurVergleichbarkeit von Abschlüssen und zur Flexibilisierung zwischen Lern- undErwerbstätigkeit. Es scheint das Bild einer neuen Organisation von Lernen auf,die lange schulische Verweilzeiten verkürzt und in Bausteine über die gesamteLebenszeit verteilt. Basis dafür ist ein flexibilisiertes und modularisiertes Lern-system, das Übergänge zwischen Arbeiten und Lernen, gleichzeitig aber dieberufliche Identität sichert. Dabei erhalten Zertifikate eine ebenso zentrale wiezwiespältige Funktion, nämlich einerseits Belege für Lernleistungen darzustel-len, andererseits Auslese und Zuweisungen in gesellschaftliche und betrieblicheHierarchien zu begründen.

Bildungszertifikate als Rekrutierungs- undAllokationsinstrumente

Zertifikate sind standardisierte Formen der Kopplung zwischen Lernenund Arbeiten und der Zuweisung von Individuen auf Positionen (vgl. Bourdieuu. a. 1981) – d. h. von Arbeitskräften auf Arbeitsplätze. Dies bezieht sich einerseitsauf die Fähigkeit, bestimmte Positionen auszufüllen. Damit sind andererseits aberimmer Selektion und unterschiedlicher Arbeitseinsatz (vgl. Faulstich 1997) ver-bunden.

Eine Befragung von Personalrekrutierern in Unternehmen belegt zwareine generelle Skepsis gegenüber externer Beurteilung, dennoch greifen die be-trieblichen Akteure in ihrer Praxis immer wieder auf Zeugnisse und Zertifikate

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zurück. Teilweise sprechen sie sich für eine verstärkte Vereinheitlichung undStandardisierung aus.

Als Spezifikum der Erwerbstätigkeit in Deutschland ist ihre vorwiegen-de Verfasstheit in der Form von Berufen (vgl. Oehler 1980) zu benennen. Dieshat dazu geführt, dass im internationalen Vergleich das durchschnittliche Ein-trittsalter in den Arbeitsmarkt höher ist als in anderen Ländern. Es ist von 20,2Jahren im Jahr 1975 auf 24 Jahre im Jahre 1995 gestiegen. Bei Akademikern liegtes bei 29 Jahren. Allerdings ist die Berufsform zunehmend Erosionsprozessenausgesetzt, welche die Stabilität und Kontinuität dieses Musters in Frage stellen(vgl. dazu u. a. Harney/Tenorth 1999).

Die Befragung der Kammervertreter ergab, dass an der Beruflichkeit alsPrinzip festgehalten wird. Die Kammerexperten setzen noch vorrangig auf Erst-ausbildung. Auch nach Ansicht der befragten Personalentscheider hat nach wievor das Niveau der Erstausbildung das Hauptgewicht bei der betrieblichen Re-krutierung. Deren Abschlüsse perpetuieren resultierende Karrierechancen. Die-se Abschlüsse gelten als notwendige, wenn auch nicht hinreichende Vorausset-zung, um in Auswahlverfahren einbezogen zu werden.

Dann allerdings greifen weitere Zertifikate als Belege zusätzlicher Qua-lifikationen. Zertifizierung ist somit die richtungsweisende Orientierung im Rah-men von Personalrekrutierung in den Unternehmen. Generell werden Weiter-bildungszertifikate als immer wichtiger werdend eingestuft. Daran gekoppelt wirdnach einem Vergleichsmaßstab bzw. Referenzsystem gesucht, der bzw. das eineBeurteilung verschiedenartiger Weiterbildungslehrgänge ermöglicht.

Teilweise wird dem Konzept der Zertifizierung im Rahmen einer Strate-gie der Modularisierung ein zukünftig größer werdender Stellenwert zugespro-chen. In einem solchen Kontext könnte der Weiterbildung zunehmendes Ge-wicht zukommen, da sie aufgrund ihrer Dynamik und Differenziertheit der Bil-dungsbereich ist, der am schnellsten auf veränderte Anforderungen durch Er-werb von Kompetenzen und entsprechende Zertifikate reagieren kann (vgl. Faul-stich u. a. 1991; Faulstich/Zeuner 1999). Nichtsdestoweniger spielt Weiterbil-dung im deutschen Berechtigungswesen nach wie vor eine nachgeordnete Rol-le.

In der schriftlichen Trägerbefragung wurden folgende Orientierungs-funktionen von Zertifikaten durchgängig als positiv eingeschätzt: Beurteilung,Auswahl, Aufstiegschancen, Personalförderung und anschließende Weiterbildung.Ebenso wird eine zukünftige Strategie stärkerer Zertifizierung positiv bewertet,

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wobei das zukünftige Gewicht von Weiterbildung, Verzahnung von Erstausbil-dung und Weiterbildung, Flexibilisierung des Übergangs vom Bildungs- ins Be-schäftigungssystem, Erhöhung der Berufsmöglichkeiten und europäische Ver-gleichbarkeit eingeschätzt werden sollte. Insgesamt betrachtet, verdeutlichen dieErgebnisse der Fragebogenerhebung bei den Trägern eine erhebliche Diskrepanzzwischen einer eher eingeschränkten Zertifizierungspraxis und äußerst weitrei-chenden Postulaten über die zunehmende Relevanz von Bildungszertifikaten.

Anforderungen an Rekrutierungsinstrumente

Die Akteure auf dem Arbeitsmarkt und im Betrieb brauchen tragfähigeInstrumente, um anstehende Rekrutierungsprobleme zu bearbeiten. Anforderun-gen an solche Rekrutierungsinstrumente sind:

– Beurteilung,– Auswahl bei Einstellungen,– Nachfolgeregelungen,– Entwicklungen,– Entlassungen.

Die geführten Interviews verdeutlichen Schwierigkeiten bei der Bewer-tung von Weiterbildungsnachweisen aufgrund mangelnder Informationen, dieerst eine angemessene Einschätzung der erworbenen Kompetenzen bzw. gareinen qualitativen Vergleich zwischen verschiedenen Weiterbildungszertifika-ten ermöglichen würden. Momentan betonen die Personalverantwortlichen imKontext von Wertigkeitseinschätzung der Weiterbildung zum einen die Reputa-tion der Träger und zum anderen die wichtige Rolle der Kammern als Prüfungs-instanz. Einschätzbarkeit von Weiterbildung wird einerseits über Gesprächskrei-se von Personalverantwortlichen erlangt sowie neuerdings durch sog. Seminar-Bewertungsdatenbanken (z. B. www.qnect.net), in denen – wie auch in denGesprächskreisen – eher subjektive Erfahrungsberichte als Hilfestellung für dieEinschätzung dienen.

Funktionen und Relevanz von Zertifikaten

Die Funktionen von Zertifikaten beziehen sich einerseits auf den Pro-zess des Lernens selbst und sollen diesen überprüfbar machen und gleichzeitigverbessern. In dieser Hinsicht sind Zertifikate Instrumente, um curriculare unddidaktische Strategien zu optimieren. Anderseits soll ein Entsprechungsverhält-nis zwischen Qualifikationsvoraussetzungen und -anforderungen gesichert wer-den. Zertifikate gelten als Fähigkeitsnachweise, um Einsatzmöglichkeiten einzu-schätzen und zu sichern.

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– Kontroll- und Optimierungsaspekt: Zertifikate sollen in diesem Zusam-menhang den Lehrenden bzw. den Lernenden den Grad des Erreichensvon Leistungsanforderungen rückmelden und damit Hinweise auf Lern-erfolge bzw. -schwierigkeiten und -widerstände geben. Sie liefern eineDiagnose des Leistungsstandes und gleichzeitig eine Prognose der Leis-tungsfähigkeit der Lernenden.

– Allokationsaspekt: Durch Zertifikate werden Qualifikationen formaldokumentiert und erhalten damit statusrelevante Funktionen durch diemit ihnen verbundenen Berechtigungen (vgl. u. a. Kell 1982).

Zertifikate geben Auskunft darüber, dass ihre Träger– angebbare und nachvollziehbare Lerninhalte bearbeitet haben,– durch Noten oder ähnliche Klassifikationssysteme nachgewiesene Lern-

erfolge erzielt haben,– sich über eine bestimmte Zeit Lernanforderungen gestellt haben,– bei bestimmten Personen Prüfungen abgelegt haben,– dabei eine Institution oder einen Kontext des Lernens besucht haben.

Zertifikats- und Anbieterspektrum

Die Praxis der Zertifizierung, die über die Trägerbefragung ermitteltwurde, bewegt sich zwischen einfachen Teilnahmebestätigungen und Abschlüs-sen, die durch eine Prüfung erworben wurden. Die inhaltliche Darstellungsformder Zertifikate, die Prüfungsverfahren sowie die Festlegung der Zugangsvoraus-setzungen werden äußerst uneinheitlich gehandhabt. Als „Kerninformationen“könnte man die Inhalte, den zeitlichen Umfang und die ausstellende Institutionbezeichnen, die nahezu auf jedem Zertifikat aufgeführt sind.

Das Spektrum von Zertifikaten unterscheidet sich erheblich nach demGewicht der zu erlangenden Berechtigungen. Es reicht von Hochschuldiplo-men, Meisterprüfungen, Schulabschlüssen, Übergangszeugnissen, Schuljahres-zeugnissen, Berufsabschlüssen und Prüfungszeugnissen bis zu Testergebnissenoder einfach nur Teilnahmebescheinigungen (vgl. Münch 1993).

Zertifikate haben unterschiedliche, sich widersprechende Effekte. Imeinzelnen sind das:

– Offenheit und Geschlossenheit– Flexibilität und Stabilität– Durchlässigkeit und „Versäulung“– Unübersichtlichkeit und Klarheit

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Die Klarheit der Berechtigungszuweisung (vgl. Kell 1982, S. 291) istVoraussetzung für die Reichweite von Zertifikaten. Je unübersichtlicher das Zer-tifikatsspektrum, desto geringer ist die Anerkennung. Mindestvoraussetzung derWirkung ist Bekanntheit. Dementsprechend ist die Bedeutung der Zertifikate fürdie jeweils beteiligten Akteure unterschiedlich:

– für die Erwerbstätigen zur Sicherung belegbarer Ansprüche,– für die Betriebe als Standards des Arbeitskräfteeinsatzes,– für die Bildungsträger als Planungsvorgaben für Angebote, Personal usw.,– für Förderentscheidungen der Bundesanstalt der Arbeit u. a.,– für Unternehmens- und Gewerkschaftsvertreter als Grundlage für tarif-

liche und betriebliche Vereinbarungen,– für die Bildungspolitik als Ansatz zur Herstellung von Durchlässigkeit

und zur Gleichwertigkeit „allgemeiner“ und „beruflicher“ Bildung.

Die gegenwärtige Arbeitsmarkt- und betriebliche Rekrutierungspolitikwird hauptsächlich geleitet durch den Zwang zur Dynamisierung der Unterneh-men und zur resultierenden Flexibilisierung des Arbeitskräfteeinsatzes. Darausfolgt eine Destabilisierung von Berechtigungen. „Harte“, „große“ Zertifikatewerden in der Tendenz entwertet, weil sie nur noch notwendige, nicht hinrei-chende Voraussetzungen für Stellenbesetzungen liefern. Gleichzeitig scheinen„weiche“, „kleine“ Zertifikate wichtiger zu werden, um die Sicherheit des Ar-beitskräfteeinsatzes sowohl für Unternehmen als auch Beschäftigte zu gewähr-leisten.

Um dem gewachsenen Stellenwert von Weiterbildung Rechnung zutragen, bietet es sich an, offenen (nicht formalisierten) Nachweissammlungen(vgl. Faulstich u. a. 1991, S. 111) über geleistete Bildungs- und Berufsanstren-gungen höheres Gewicht für Rekrutierungsentscheidungen einzuräumen. Dieswürde es erlauben, die Erträge von Weiterbildungsbemühungen für die Indivi-duen zu sichern und auch nicht geradlinige Lernwege angemessen zu berück-sichtigen.

Eine Verbindung von Trägereinschätzung und bildungspolitischen Kon-sequenzen veränderter Zertifizierungsstrategien ist bei den Kammern zu fin-den, die einerseits selbst Weiterbildungsanbieter und Zertifizierungsinstanzensind, andererseits die Interessen ihrer Mitgliedsfirmen bezogen auf Aus- undWeiterbildung bündeln. Aus dieser dreifachen Rolle der Industrie- und Han-delskammern bezogen auf Qualifikation und Zertifikate erhalten sie für alleReorganisationsstrategien im Verhältnis von Erstausbildung und Weiterbildungund in Bezug auf die Strukturen der Erwerbstätigkeit eine äußerst wichtige Funk-tion.

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Aufgrund der beanspruchten Neutralität der Kammern gelten die Prü-fungen oder Zertifikate der IHK als sehr angesehen. Wertigkeit von Aus- undFortbildung wird als immer institutionengebunden betrachtet. Die Neutralitätder Kammern ist das entscheidende Merkmal, welches dazu führt, dass auchprivate Anbieter anfragen, ob angebotene Lehrgänge über die Kammern geprüftwerden können, um dadurch einen „Anerkennungsgewinn“ zu erzielen. DieUnternehmen als „Abnehmer“ der geprüften Qualifikation verbinden mit demIHK-Zertifikat Sicherheit über den Erwerb entsprechender Kompetenz.

Übergänge bzw. Durchlässigkeiten oder Anrechenbarkeiten zwischendem Zertifikatsbereich und dem Prüfungsbereich gibt es nicht, auch nicht, wennes sich um Lehrgänge handelt, die unmittelbar thematisch miteinander verbun-den sind. Es findet bewusst keine Verzahnung im Aufbau dieses Bereiches statt.Die Philosophie der Kammern vertritt den Standpunkt, dass das Wissen an ei-nem Wissenszeitpunkt abzuprüfen sei, und nicht eine „schleichende“, akkumu-lierende bzw. modularisierte, auf verschiedene Wissenszeitpunkte verteilte Wis-sensüberprüfung sein sollte.

Ein Bedeutungszuwachs von Weiterbildung gegenüber beruflicher Er-stausbildung wird allerdings auch von den Kammervertretern für die Zukunfterwartet. Europäische Vereinheitlichungen und Standardisierungen von Kompe-tenznachweisen werden einerseits als notwendig, anderseits als kaum machbarbezeichnet. Insgesamt scheinen die Kammervertreter einer gemäßigten Strategievon Zertifizierung und Modularisierung zuzuneigen. Es wird allerdings die Stär-ke des „Dualen Systems“ betont.

Die Sinnhaftigkeit der Zertifikatsvergabe wird auch von den unterschied-lich motivierten Trägereinrichtungen verschiedenartig bewertet, so wird z. B. dieFrage nach den erworbenen Abschlüssen von den Weiterbildungsinstitutionenaus dem nicht-beruflichen Sektor durchgehend verneint. Im Bereich der berufli-chen Weiterbildung werden zumeist sehr spezifische, teilweise sogar hersteller-bezogene Abschlüsse erworben. Berechtigungen und Anrechenbarkeiten schei-nen demnach außer bei den Trägern beruflicher Weiterbildung keine Rolle zuspielen. Die Einschätzung verstärkter Zertifizierung unterscheidet sich eindeutiganhand des Profils der jeweiligen Institution, also zwischen denjenigen, die eherberufliche, allgemeine oder politische Bildung betreiben.

Mögliche Perspektiven für Zertifizierung und Modularisierung

Durch steigenden Stellenwert von Zertifizierung und durch Modulari-sierung erhält Weiterbildung gegenüber Erstausbildung höheres Gewicht. Wei-

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terbildung könnte in diesem Rahmen durch „offene Zertifikatssysteme“ (ebd.) zueiner Dynamisierung und Flexibilisierung eines verkrusteten Berechtigungswe-sens beitragen. Der Weg einer offenen Nachweissammlung geht davon aus, dassim Prinzip die „Beruflichkeit“ des Arbeitseinsatzes fortbesteht. Demnach blei-ben bestimmte Qualifikationskombinationen relativ stabil und orientieren be-rufliche Karrieren und auch Identität.

Auf der Grundlage des vorliegenden empirischen Materials zeigt sicheine eher „konservative“ Zertifizierungsrealität, die allerdings in Bewegungkommt. Für die Entwicklung einer durch Zertifikate gestützten „profilorientier-ten Modularisierungsstrategie“ kann durchaus Konsens erzeugt werden, wennein gemeinsames flexibilisiertes Zertifizierungssystem für Erstausbildung undWeiterbildung entwickelt wird, welches Übertragbarkeit und Durchlässigkeit undgleichzeitig berufliche Identität sichert. Es geht demnach nicht nur um abge-schlossene Teilqualifikationen (Variante 1) oder um die Zerlegung von Lernpro-filen (Variante 2). Vielmehr ist eine umfassende 3. Variante, orientiert an voll-ständigen Tätigkeitsprofilen (vgl. zur Diskussion Kloas 1997a, 1997b; Rützel1997), wie sie durch ein offenes Berufskonzept (vgl. Rützel 1997, S. 6) formuliertwerden können, denkbar.

Module wären demnach Teil eines Ganzen und würden entsprechendauf neu zu entwickelnde Bildungsgänge und Berufsabschlüsse hin konzipiertwerden. Beruflichkeit würde dadurch eine neue Form erhalten – als Profil vonGrundmodulen und Zusatzmodulen. Solche Ansätze lassen sich als „profilori-entierte Modularisierung im Rahmen des Berufskonzepts“ beschreiben.

Es geht also darum, Formen der Zertifizierung von Lernerfolgen zu fin-den, welche die Flexibilisierung der Erwerbstätigkeiten auffangen. In einem sol-chen Kontext könnte eher dem lebensbegleitenden als dem ‚vorgelagerten’ Ler-nen zunehmendes Gewicht zukommen. Dies verändert grundsätzlich den Stel-lenwert von Weiterbildung. Aus der Flexibilisierung des Arbeitskräfteeinsatzes folgteine Destabilisierung von Berechtigungen.

In diesem Kontext geht es um eine stärkere Systematisierung des Wei-terbildungssystems, welche die Zertifikate untereinander vergleichbarer macht.Durch Standardisierung und Transparenz von Zertifikaten werden außerdem in-haltliche Standards gesetzt, die sich in der Qualität der Angebote niederschlagen.

Als Basis einer erhöhten Flexibilisierung des gesamten Bildungssystemsist ein verstärkter Grad an Standardisierung des Weiterbildungssektors erforder-lich. In einem Reformkonzept, das zentral auf Flexibilisierungsstrategien setzt,

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verändern sich dann die Verteilungen von Erst- und Weiterbildungszeiten ebensowie die von Lern- und Erwerbszeiten. Damit wird auch der Weg frei für Durch-lässigkeit und Verzahnung zwischen Erstausbildung, Weiterbildung und Hoch-schule.

Anmerkung1 Die im Folgenden angeführte Empirie beruht auf Faulstich/Vespermann 2001.

LiteraturBourdieu, P./Boltanski, L./Saint-Martin, M. de (1981): Titel und Stelle. Frankfurt/M.Faulstich, P. (1997): Kompetenz – Zertifikate – Indikatoren im Hinblick auf eine arbeitsorien-tierte Erwachsenenbildung. In: QUEM (Hrsg.): Kompetenzentwicklung ’97. Berufliche Wei-terbildung in der Transformation – Fakten und Visionen. Münster u. a., S. 1141-1196Faulstich, P. u. a. (1991): Bestand und Perspektiven der Weiterbildung. Das Beispiel Hessen.WeinheimFaulstich, P./Vespermann, P. (2001): Zertifikate in der Weiterbildung – Ergebnisse aus dreiempirischen Explorationen. Berlin (H. 45 der Schriftenreihe der Senatsverwaltung für Arbeit,Soziales und Frauen)Faulstich, P./Zeuner, C. (1999): Erwachsenenbildung. Weinheim, MünchenHarney, K./Tenorth, H.-E. (1999): Beruf und Berufsbildung. Situation, Reformperspektiven, Ge-staltungsmöglichkeiten. In: Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 40, S. 289-320Kell, A. (1982): Das Berechtigungswesen zwischen Bildungs- und Beschäftigungssystem. In:Lenzen, D. (Hrsg.): Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Bd. 9/2. Stuttgart, S. 289-320Kloas, P.-W. (1996): Modulare Weiterbildung im Verbund mit Beschäftigung. In: BWP, S. 39-46Kloas, P.-W. (1997a): Modulare Berufsausbildung in Deutschland. In: Gewerkschaftliche Bil-dungspolitik, H. 11/12, S. 18-25Kloas, P.-W. (1997b): Modularisierung in der beruflichen Bildung. Modebegriff, Streitthemaoder konstruktiver Ansatz zur Lösung von Zukunftsproblemen? Bielefeld (Bundesinstitut fürBerufsbildung: Berichte zur beruflichen Bildung H. 208)Münch, J. (1993): Systeme und Verfahren der Zertifizierung von Qualifikationen in der Bun-desrepublik Deutschland. BerlinOehler, C. (1980): Geschichte und Begründung des Berechtigungswesens. In: HBV, S. 123-128Rützel, J. (1997): Reform der beruflichen Bildung durch Modularisierung. In: Berufsbildung,H. 43, S. 5-9

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Dieter Gnahs

Anerkennung informellen Lernens im Kontextder Qualitätsdiskussion

Zum Begriff „informelles Lernen“

Menschen eignen sich auf sehr unterschiedlichen Wegen die zum Le-ben bzw. Überleben notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten, Einstellungenund Werte an. Ein großer Teil der Lernprozesse geschieht beiläufig („en pas-sant“) und weitgehend unbewusst im Vollzug des Alltags- und Berufshandelns.Von diesen „zufälligen“ Lernprozessen sind solche abzugrenzen, die intentio-nal, also ziel- und zweckgerichtet verlaufen. Dieses intentionale Lernen wirdgestaltet, geplant und organisiert, es wird ein Lernarrangement geschaffen, wel-ches gedeihliches und erfolgreiches Lernen ermöglichen soll.

Mit Blick auf dieses Lernarrangement („setting“) werden im internatio-nalen Kontext drei Arten von Lernaktivitäten unterschieden (vgl. Commission ofthe European Communities 2000, S. 8):

• Formale Bildung findet in einem speziellen institutionellen Rahmenstatt. Lernprozesse werden organisiert, kontrolliert, bewertet und zerti-fiziert durch eigens dafür ausgebildetes Personal. Die formale Bildungunterliegt der staatlichen Regelung und Aufsicht. Sie verleiht über Zeug-nisse und Diplome Berechtigungen zum Besuch weiterführender Bil-dungseinrichtungen oder zur Aufnahme von speziellen Berufstätigkei-ten. Beispiele für formale Bildung sind der Besuch einer Grundschule,das Studium an einer Universität oder die Absolvierung einer Berufs-ausbildung im dualen System.

• Non-formale Bildung findet ebenfalls in einem institutionellen Rahmenstatt, die Bildungsaktivitäten werden z. B. von einem Betrieb oder einerWeiterbildungseinrichtung geplant und organisiert. Dabei wird meistspeziell qualifiziertes Personal eingesetzt. Eine Zertifizierung ist mög-lich, aber nicht zwingend, genauso wenig wie eine staatliche Kontrolleoder Aufsicht. Non-formale Bildung liegt außerhalb des durch die for-male Bildung gestuften Berechtigungs- und Zugangssystems. TypischeBeispiele sind der Besuch eines Englischkurses an der Volkshochschu-le, die Teilnahme an einem Seminar der betrieblichen Weiterbildungund der Vorbereitungskurs für den Erwerb des Segelscheins.

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• Informelles Lernen umfasst alle intentionalen Lernaktivitäten außerhalbeines institutionellen Rahmens. Die Lernenden selbst bestimmen denAufbau des Lernarrangements und übernehmen die Verantwortung zurPlanung und Steuerung der Lernprozesse. Lernen findet quasi in einem„privaten Kontext“ statt. Informelles Lernen kann einzeln oder in Grup-pen stattfinden und schließt nicht aus, dass Lernende die Rolle von„Lehrenden“ übernehmen. Typische Beispiele für informelles Lernensind das alleinige Durcharbeiten eines Lehrbuches oder Lernprogramms,die kollegiale Vermittlung von Kenntnissen am Arbeitsplatz, die Unter-weisung eines Freundes in Tennis oder das Vermitteln von Schwimm-techniken bei Kindern durch ihre Eltern.

In weiten Begriffsfassungen wird das inzidente (zufällige) Lernen mitzum informellen Lernen gezählt, das dann alle Formen nicht fremdorganisiertenLernens umfasst (vgl. z. B. Dohmen 2001, S. 18). Die begriffliche Substanz desinformellen Lernens weist in hohem Maße Deckungsgleichheit mit den ebenfallszur Zeit häufig verwendeten Begriffen „selbstgesteuertes Lernen“ und „selbstor-ganisiertes Lernen“ auf (vgl. Faulstich 2002, S. 61-63; Gnahs/Seidel 2002, S. 16-18). Es lassen sich zu allen drei bzw. vier Kategorien Beispiele finden, derenZuordnung nicht eindeutig erfolgen kann oder zumindest zwischen unterschied-lichen Personen strittig sein dürfte. Ist der fremdorganisierte Nachhilfeunterrichtfür Schüler Teil des formalen oder des non-formalen Bildungssystems? In welcheKategorie passt ein Alphabetisierungskurs für Erwachsene? Ist der Besuch einerMesse oder eines Museums informelles Lernen oder non-formale Bildung?

In vielen Fällen kann im Prinzip nur der Lerner bzw. die Lernerin selbstentscheiden, welche Zuordnung die richtige ist. Das Vorhandensein von defini-torischen Grauzonen und von Grenzfällen verdeutlicht, dass es noch keine trenn-scharfen Termini gibt. Die benutzten Begriffe besitzen zur Zeit den Status vonArbeitsbegriffen mit orientierendem Charakter.

Bedeutungszuwachs des informellen Lernens

Das weit oder eng definierte informelle Lernen hat es immer schon ge-geben, doch zumal in Deutschland hat es bis vor wenigen Jahren weit hinter derformalen Bildung rangiert. Das von professionellen Lehrkräften gestaltete Lernar-rangement galt als Königsweg der Qualifizierung, der institutionelle Kontext alsErfolgsgarantie für erfolgreiches Lernen. Informelles Lernen hatte allenfalls eineergänzende Funktion und stand im Verdacht, unsystematisch und zufällig zu sein.Die formale Kompetenzzuweisung z. B. in Form eines Diploms oder eines Ge-sellenbriefes ist auch heute noch im Regelfall an die Absolvierung eines vorge-

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schalteten Bildungsganges gebunden. Abweichungen von diesem System gibt es(z. B. die Zulassung zum Hochschulstudium ohne Reifezeugnis), doch sie sindan ambitionierte Voraussetzungen gebunden und gelten als Ausnahmeregelung.

In den letzten Jahren hat sich indes die Wertschätzung für das infor-melle Lernen deutlich erhöht. So ist z. B. das arbeitsplatznahe bzw. arbeitsinte-grierte Lernen genauso ins bildungspolitische und wissenschaftliche Blickfeldgeraten wie das Lernen im sozialen Umfeld (vgl. Trier 1998; BIBB/IES/IW 1998).Dafür sind mehrere Faktoren verantwortlich. Zum einen ist in unserer Gesell-schaft ein Trend zur Individualisierung spürbar, wobei Individualisierung in die-sem Zusammenhang in dreifacher Weise verstanden werden soll: als Prozess zumehr Mündigkeit bzw. zur Lockerung und Abschaffung traditioneller Bindun-gen, als Prozess der Ent-Institutionalisierung und als Prozess der Privatisierung.Zum anderen werden die konventionellen Lern- bzw. genauer: Lehrformen undBildungseinrichtungen einer scharfen Kritik unterzogen (z. B. Ineffizienz, Inef-fektivität), einer Kritik, die ihre Argumente zu einem Teil aus der Qualitätsdiskus-sion im Bildungswesen bezieht, zu einem anderen Teil aus neoliberal geprägtenbildungspolitischen Grundpositionen (vgl. Gnahs 2001, S. 226-227).

Des Weiteren wird die Diskussion auch beflügelt durch die Sichtweiseeiner Lerntheorie, die sich konstruktivistisch versteht und von daher eine starkeSubjektorientierung aufweist, gipfelnd in der viel zitierten Aussage von Siebert(1996, S. 23): „Erwachsene sind lernfähig, aber unbelehrbar.“ Lernen wird nichtals Widerspiegelung von Lehre („Lehr-Lern-Kurzschluss“) oder als Aneignungvon Realität verstanden, sondern als „selbsttätiger, strukturdeterminierter Pro-zess der Bedeutungszuschreibung“ (Siebert 1999, S. 19).

Die genannten Gründe verdeutlichen, dass die Konjunktur des infor-mellen Lernens fast unvermeidlich gewesen ist. Es passt zu den Individualisie-rungstendenzen, zu den lerntheoretischen Implikationen, zu den anti-institutio-nellen Reflexen, zu den Vorbehalten gegen Lehre und findet zudem seine Lern-welt im Computer. Hinzu tritt ein weiteres Element: Das flexible Zeitmuster desinformellen Lernens entspricht den aktuellen Zeittrends im Arbeits- und Alltags-leben (vgl. Faulstich 2002; Dobischat/Seifert 2001).

Die beschriebenen Entwicklungen finden auch ihren statistischen Nie-derschlag. Folgt man den Zahlen des Berichtssystems Weiterbildung, so hat zwi-schen den Berichtsjahren 1994 und 1997 eine Art „Selbstlernboom“ stattgefun-den. Der Anteil der Erwerbstätigen, der „Selbstlernen durch Beobachten undAusprobieren“ als Lernaktivität angibt, ist von 23% auf 50% gestiegen. Einenähnlichen Bedeutungszuwachs verzeichnet das „Lesen berufsbezogener Fach-

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und Sachbücher bzw. -zeitschriften“ (von 33% auf 52%). Schließlich hat sichauch der Anteil der Erwerbstätigen, die selbstgesteuert mit Hilfe von Medienlernen, mehr als verdoppelt (von 11% auf 24%) (vgl. Kuwan 1999, S. 56-57). Fürdas Berichtsjahr 2000 sind diese hohen Anteile allerdings schon wieder etwasgeschrumpft (vgl. Kuwan/Thebis 2001, S. 52).

In der Tendenz zu ähnlichen Aussagen kommt auch die jüngste Befra-gung des Instituts der deutschen Wirtschaft zur betrieblichen Weiterbildung.Danach haben 95,5% der befragten Unternehmen im Jahr 1998 „selbstgesteuer-tes Lernen durch Medien“ als Maßnahme der betrieblichen Weiterbildung ein-gesetzt (zum Vergleich: 1992 waren es 84%, 1995 87%). Bei einer Aufschlüsse-lung der Selbstlernaktivitäten erweist sich die „Lektüre von Fachzeitschriften undFachbüchern“ mit 84,4% der Nennungen nach wie vor als „Königsweg“ (1992:81,5%, 1995: 84,8%). Computerunterstütztes Lernen und das Lernen mit Multi-media-Systemen werden im Bezugsjahr von 27,9% der befragten Unternehmeneingesetzt, was gegenüber 1995 eine deutliche Steigerung bedeutet. Damalsnutzten nur 8,8% der Unternehmen Computer Based Training (CBT) und Multi-mediasysteme (vgl. Weiß 1997, S. 7-10; Weiß 2000, S. 9-15; IWD 1999, S. 6).

Dokumentation und Zertifizierung informell erworbenerKompetenzen

Im Zusammenhang mit der wachsenden Bedeutung des informellenLernens sind auch Fragen der Dokumentation und Zertifizierung solcher Lern-prozesse verstärkt aufgegriffen worden. Es geht dabei um Verfahren und Wege,mit denen die informell erworbenen Kompetenzen „sichtbar“ und handhabbargemacht werden.

Dies ist in vielfältiger Form auch schon immer geschehen. So ist zumBeispiel das Arbeitszeugnis, welches nach Abschluss einer Arbeitstätigkeit ver-liehen wird, ein Nachweis über die während der Tätigkeit erworbenen oder ge-zeigten Kompetenzen. Auch Personalbeurteilungen und Arbeitserprobungen er-füllen einen ähnlichen Zweck. Auf der Seite der Beschäftigten sind z. B. Bewer-bungen Versuche, über die belegbaren formalen Qualifikationen hinaus in Formeiner Selbstbewertung bzw. -darstellung Auskunft über Arbeitserfahrungen undKompetenzen zu geben.

Über die arbeitgeberseitig angewendeten Verfahren hinaus gibt es als„Nebenpfad“ Ausnahmeregelungen, die es bei Vorliegen bestimmter Vorausset-zungen erlauben, auf die eigentlich vorgeschriebene Bildungslaufbahn ganz oderteilweise zu verzichten. So kann z. B. bei Vorliegen eines Mindestalters und dem

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Nachweis einer mehrjährigen Berufserfahrung eine fach- und hochschulgebun-dene Zulassung zum Studium ohne Abitur erworben oder über eine langjährigeeinschlägige Berufspraxis die Zulassung zur Gesellenprüfung gewährt werden.Sonderwege der Qualifikationsfeststellung oder -bewertung werden auch immerdann gegangen, wenn aufgrund gesellschaftlicher oder technischer Änderungenneue Qualifikationsprofile erforderlich sind. Dies ist in der Vergangenheit zumBeispiel im EDV-Bereich und in den Medien-Berufen der Fall gewesen. Nachtemporären Ausnahme- und Übergangsregelungen wird dann, wie in den ge-nannten Beispielbereichen auch geschehen, nach und nach eine Gestaltungbestimmter Bildungsgänge vorgenommen, die in die allgemein übliche Berufs-systematik passen.

Für den außerberuflichen Bereich sind Anerkennungsverfahren für dorterworbene Kompetenzen eher die Ausnahme. Sichtbar werden die z. B. in eh-ren- oder nebenamtlichen Tätigkeiten erworbenen Kenntnisse und Fähigkeitendurch Ehrungen und Auszeichnungen bzw. durch den Erfolg derartiger Tätigkei-ten. So lässt der gute Tabellenplatz einer Jugend-Fußballmannschaft im Regelfallauch Rückschlüsse auf die fachlichen und überfachlichen Fähigkeiten des Trai-ners zu.

Angestoßen durch die Forcierung des informellen Lernens und ange-regt durch internationale Anstrengungen in diesem Feld sind in der jüngstenVergangenheit neue Wege beschritten worden. So gelten im betrieblichen Kon-text Assessment-Center oder Coaching als moderne Formen der Kompetenzfest-stellung. Insgesamt ist die Bereitschaft, auch andere als die traditionellen Wegedes Kompetenzerwerbs zu akzeptieren, gewachsen.

Im Besonderen mit der Diskussion zum lebenslangen Lernen sind Über-legungen in den Mittelpunkt gerückt, die Anerkennung informeller Lernprozessebzw. informell erworbener Kompetenzen zu strukturieren und zu vereinheitli-chen. Vorgeschlagen werden dabei Instrumente wie Bildungs- oder Qualifizie-rungspässe, die sowohl Bildungsprozesse als auch Bildungsergebnisse (also Kom-petenzen) erfassen können. Erste Beispiele in dieser Richtung liegen inzwischenauch in Deutschland vor (Europass, Sprachenportfolio, betriebliche Qualifizie-rungspässe), finden aber noch keine breite Resonanz und Akzeptanz. Im Rah-men einer Machbarkeitsstudie durch das Deutsche Institut für InternationalePädagogische Forschung (DIPF), das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung(DIE) und das Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung (IES) wirdzur Zeit untersucht, welche Rahmenbedingungen und Gestaltungsvarianten dieUmsetzbarkeit eines Bildungspasskonzepts erleichtern. Die Förderung dieserStudie im Rahmen eines BLK-Modellversuchs (Bund-Länder-Kommission) ver-

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deutlicht, dass dieses Thema auf der bildungspolitischen Tagesordnung einenhohen Stellenwert besitzt.

Konsequenzen für die Qualitätsdiskussion

Der Bedeutungszuwachs des informellen Lernens stellt auch die Wei-terbildungsbeteiligten auf allen Ebenen vor neue Herausforderungen mit Blickauf Qualitätsaspekte. Folgende Ansatzpunkte sind dabei ohne Anspruch auf Voll-zähligkeit zu beachten: Die Qualität des (regionalen) Weiterbildungssystems wirdin Würdigung der skizzierten Diskussion nun auch danach zu beurteilen sein,inwieweit

• Regelungen bestehen, die informell erworbenen Kompetenzen anre-chenbar zu machen;

• Möglichkeiten zur Kompetenzfeststellung bereitgestellt werden;• über die diesbezüglichen Möglichkeiten Transparenz hergestellt wird

(z. B. durch Werbemaßnahmen);• die Bereitstellung von Anerkennungsmöglichkeiten die Bildungsmoti-

vation des Einzelnen erhöht;• Bildungspassaktivitäten forciert werden;• die Studienordnungen für pädagogische Berufe entsprechend reformiert

werden (also z. B. Ausweis der Diagnose- und Beratungsfähigkeit alsStudienschwerpunkt);

• Sorge getragen wird, dass regionale Bildungspass-Systeme national undinternational kompatibel sind bzw. bleiben.

Auch auf der Ebene der Bildungseinrichtungen muss ein Umdenkungs-prozess einsetzen. Bestand bisher die Kernkompetenz darin, Weiterbildungs-veranstaltungen zu planen und durchzuführen, so muss sie in Zukunft vermut-lich durch die Fähigkeit und Bereitschaft erweitert werden, „Quereinsteiger“zu beraten und die in informellen Lernprozessen erworbenen Kompetenzen zudokumentieren und zu zertifizieren. Einrichtungsqualität misst sich dann auchdaran, ob

• entsprechende Beratungsleistungen vorgehalten werden;• das verfügbare Personal über Mitarbeiterfortbildung in die Lage ver-

setzt wird, kompetent zu beraten;• spezielle Angebote entwickelt und angeboten werden, die es Individu-

en erlauben, ihre außerhalb von formalisierten Bildungsprozessen er-worbenen Kenntnisse und Fähigkeiten zu systematisieren, zu vervoll-ständigen und zertifizierbar zu machen;

• Räumlichkeiten und andere Ressourcen bereitgehalten werden, die in-formelles Lernen unterstützen;

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• die Bereitschaft und Fähigkeit besteht, informelles Lernen anzuregen,zu begleiten, zu unterstützen und mit herkömmlichen Angeboten zukombinieren.

In hohem Maße wird die Innovationsfähigkeit der Einrichtungen davonabhängen, inwieweit sie bereit sind, im „innerbetrieblichen Diskurs“ zu klären,in welchem Umfang und mit welchen konkreten Einzelmaßnahmen den be-schriebenen Herausforderungen begegnet werden soll.

Schließlich lassen sich auch für die Kompetenzfeststellungs- bzw. -do-kumentationsmaßnahmen Qualitätskriterien formulieren. Sie sollen

• die Motivierung zum lebenslangen Lernen begünstigen,• Transparenz und Vergleichbarkeit zwischen Kompetenzen bzw. Kom-

petenzprofilen herstellen,• Betrieben und Verwaltungen Anhaltspunkte über Kenntnisse und Fä-

higkeiten liefern (z. B. bei Einstellungen oder Beförderungen),• unterschiedlichen Zielgruppen gerecht werden.

Bei der Gestaltung der Zertifizierungssysteme für informelles Lernendürfte es hilfreich sein, die Erfahrungen, die vor allem in den USA und in Groß-britannien gesammelt worden sind, kreativ zu nutzen (vgl. Dohmen 2001, S. 94ff.). Letztlich geht es auch darum, eine neue Lernkultur zu ermöglichen, die sichdurch mehr Offenheit und Vielfalt auszeichnet und das Denken in starren Bil-dungslaufbahnen aufgibt.

LiteraturBIBB (Bundesinstitut für Berufsbildung)/IES (Institut für Entwicklungsplanung und Struktur-forschung)/IW (Institut der Deutschen Wirtschaft) (1998): Formen arbeitsintegrierten Lernens.Möglichkeiten und Grenzen der Erfaßbarkeit. Berlin: QUEM (QUEM-report, H. 53)Commission of the European Communities (2000): A Memorandum on Lifelong Learning. Com-mission Staff Working Paper. BrüsselDobischat, R./Seifert, H. (Hrsg.) (2001): Lernzeiten neu organisieren. BerlinDohmen, G. (2001): Das informelle Lernen. Die internationale Erschließung einer bisher ver-nachlässigten Grundform menschlichen Lernens für das lebenslange Lernen aller. Bonn:BMBFFaulstich, P. (2002): Vom selbstorganisierten zum selbstbestimmten Lernen. In: Faulstich, P./Gnahs, D./Seidel, S./Bayer, M. (Hrsg.): Praxishandbuch selbstbestimmtes Lernen. Weinheim,München, S. 61-98Faulstich, P. (Hrsg.) (2002): Lernzeiten. Für ein Recht auf Weiterbildung. HamburgGnahs, D. (2001): Selbstgesteuertes Lernen und Zeitpolitik. In: Dobischat/Seifert, a. a. O., S.223-243

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Gnahs, D./Seidel, S. (2002): Überblick über selbstbestimmtes Lernen in der Weiterbildung. In:Faulstich, P./Gnahs, D./Seidel, S./Bayer, M. (Hrsg.), Praxishandbuch selbstbestimmtes Ler-nen. Weinheim, München, S. 13-24Institut der deutschen Wirtschaft (1999): Betriebliche Weiterbildung. Milliarden für mehrWissen. In: iwd, H. 50Kuwan, H. (1999): Berichtssystem Weiterbildung VII. Erste Ergebnisse der Repräsentativbe-fragung zur Weiterbildungssituation in den alten und neuen Bundesländern. Bonn: BMBFKuwan, H./Thebis, F. (2001): Berichtssystem Weiterbildung VIII. Erste Ergebnisse der Reprä-sentativbefragung zur Weiterbildungssituation in Deutschland. Bonn: BMBFSiebert, H. (1996): Didaktisches Handeln in der Erwachsenenbildung. Neuwied u. a.Siebert, H. (1999): Pädagogischer Konstruktivismus. Eine Bilanz der Konstruktivismusdiskus-sion für die Bildungspraxis. Neuwied, KriftelTrier, M. (1998): Erhalt und Entwicklung von Kompetenz in einer sich wandelnden Gesell-schaft durch Tätigkeit und Lernen im sozialen Umfeld. In: Arbeitsgemeinschaft Qualifikati-ons-Entwicklungs-Management (Hrsg.): Kompetenzentwicklung ´98. Münster u. a., S. 209-268Weiß, R. (1997): Betriebliche Weiterbildung 1995: Mehr Teilnehmer – größere Wirtschaftlich-keit. Köln: IWWeiß, R. (2000): Wettbewerbsfaktor Weiterbildung. Ergebnisse der Weiterbildungserhebungder Wirtschaft. Köln: IW (Beiträge zur Gesellschafts- und Bildungspolitik, H. 242)

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VI. Fazit

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Eva Heinold-Krug

Empfehlungen zur Verständigung überHandlungsfelder der Qualitätsentwicklung

Einleitung

Über Qualität in der Weiterbildung zu reden ist schwieriger und zugleicheinfacher geworden. Schwieriger, weil zahlreiche Aktivitäten unternommen, Stra-tegien eingesetzt und verschiedenste Instrumente zur Optimierung von Weiter-bildungsqualität entwickelt werden. Inzwischen ist der Vorschlag gemacht, vonQualitäten statt von Qualität zu sprechen (vgl. Nuissl 2002). Die Diskussionwird aber auch einfacher, weil die Sichtweisen der Akteure sich allmählich an-nähern und diejenigen Elemente der Qualitätsentwicklung im System Weiterbil-dung erkennbar werden, an denen ein gemeinsames Interesse besteht.

Wo sind also die „Schnittstellen“ (Krug 1999), an denen sich die Per-spektiven treffen, an denen Strukturbildung stattfindet, an denen Qualitätsent-wicklung zum Gestaltungsauftrag der Weiterbildung beiträgt? Welche Handlungs-felder der Qualitätsentwicklung im System Weiterbildung sind inzwischen alsstrukturbildend zu erkennen? Wie können Vereinbarungen zur Stabilisierungdieser Handlungsfelder im System herbeigeführt werden?

In diesem Beitrag werden zunächst die Anforderungen zusammenge-tragen, die an die Teilnehmenden, die Bildungseinrichtungen und an die wei-terbildungspolitisch Verantwortlichen im Kontext der Qualitätsentwicklung ge-stellt werden. Die Grundlage hierfür bilden die Artikel dieses Bandes. Im nächs-ten Schritt werden diese Anforderungen zu Handlungsfeldern gebündelt undes wird die Behauptung aufgestellt, dass diese Handlungsfelder durch die ziel-gerichtete Zusammenarbeit der beteiligten Akteure zu strukturbildenden Ele-menten der Qualitätsentwicklung in der Weiterbildung werden können. DieseBedeutung erhalten sie, wenn sie einen erkennbaren Beitrag zu der wesentli-chen Gestaltungsaufgabe der Weiterbildung leisten, nämlich lebenslanges Ler-nen strukturell zu ermöglichen. Abschließend wird von den Akteuren gefor-dert, in einen gestuften Dialog zu treten und die Handlungsfelder nachhaltigzu gestalten.

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Die Anforderungen an die Akteure im Zuge derQualitätsentwicklung

Teilnehmende als Verbraucher/innen und LernendeBislang konnten lernwillige Erwachsene sich auf die Konzepte Teilneh-

merschutz (in ihrer Rolle als „Verbraucher“ von Bildungsangeboten) und Teil-nehmerorientierung (in ihrer Rolle als Lernende) verlassen. Ihr Schutz als Teil-nehmende erfolgte meist durch Checklisten. Die Teilnehmerorientierung konn-ten sie – ironisch gesprochen – getrost den Pädagogen und Pädagoginnen in denBildungseinrichtungen überlassen, zu deren Handwerkszeug sie gehört. Seit demLeitbildwechsel zum lebenslangen Lernen werden die Teilnehmenden an derWeiterbildung (und eigentlich alle Erwachsenen) der Zumutung ausgesetzt, Kun-densouveränität (Herdt1 ) und Selbstverantwortung (Krug) zu praktizieren. Siesollen souveräne Entscheidungen als Nachfrager treffen (Töpper), ihre Bedarfeund Bedürfnisse präzise in die Bildungseinrichtungen übermitteln (Franz) undihre informell erworbenen Kompetenzen belegen (Gnahs). Durch die Teilnahmean zertifizierten Angeboten (Faulstich/Vespermann) und einem entsprechendenNachweis müssen sie ihre Beschäftigungsfähigkeit im Allgemeinen und ihre kon-krete Handlungskompetenz im Unternehmen (Diekmann) sichern sowie Arbeits-und Lernphasen in ihrem Leben alternierend gestalten (Faulstich/Vespermann).

Perspektive BildungseinrichtungenDie Bildungsorganisationen stehen zwischen ihren Interessenpartnern

und müssen ihr Angebot und zum Teil auch ihre Arbeitsweise mit diesen aushan-deln. Daneben stehen sie ihren öffentlichen Auftraggebern gegenüber in derPflicht, die zunehmend die Anerkennung von Bildungseinrichtungen mit demNachweis der Qualitätsentwicklung verknüpfen. Derzeit verlangen verschiede-ne öffentliche Auftraggeber unterschiedliche Nachweise. Betriebe oder Arbeits-verwaltungen stellen ebenfalls Anforderungen an das Qualitätsmanagement vonBildungseinrichtungen, aber bislang meist andere als die öffentlichen Verwaltun-gen. Bildungsorganisationen müssen sich für Qualitätsmodelle und Verfahrenentscheiden, die mit ihren Umwelten, einschließlich der europäischen Koopera-tionspartner und Geldgeber (Franz), kompatibel sind (Heimlich/Heinold-Krug). Siebenötigen Qualifizierungsangebote für ihr Personal (Heinold-Krug) und müssenzusätzlich auf kompetente externe Beratung bei der Einführung zurückgreifen(Ehses/Zech). Sie erheben, wie von den gängigen Qualitätsmodellen gefordert, dieBedarfe ihrer relevanten Umwelten (Franz) und bemühen sich auf dieser Grund-lage um eine effiziente Angebotsentwicklung (Diekmann). Bildungseinrichtungenwissen, dass sie die Arbeitsbezüge zwischen den Pädagog/innen in der Organi-sation und den freiberuflichen Mitarbeitenden systematisieren müssen, und be-nötigen dafür entsprechende Verfahren und motivierte Kursleiter/innen (Bastian).

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Es ist abzusehen, dass Organisationen im Zuge der Anerkennung infor-mellen Lernens zunehmend derartige Kompetenzen der Teilnehmenden bei de-ren Lernprozessen berücksichtigen müssen: Die Grenzen organisierten Lernenslösen sich mehr und mehr auf, die Bildungseinrichtungen müssen darauf reagie-ren, indem sie organisatorische Strukturen entwickeln und ihr Personal weiter-qualifizieren. Dafür brauchen sie klare Entscheidungen auf europäischer undbundesweiter Ebene über die akzeptierten Formen von Kompetenznachweisen(Gnahs) und Zertifikatssystemen (Faulstich/Vespermann). Diese Entscheidungensind für die Kernkompetenz aller Bildungseinrichtungen von Bedeutung, nichtnur für die Anbieter im berufsbezogenen Sektor.

Diese Anforderungen richten sich gleichermaßen an die Trägerverbän-de von Bildungseinrichtungen. Sie übernehmen zusammen mit den Interessen-verbänden im System Weiterbildung die vermittelnde Rolle zwischen „ihren“Einrichtungen und der übergeordneten politischen Instanz. Im Zuge der sicherweiternden Wirkungskreise einzelner Bildungseinrichtungen (z. B. beim Tele-learning oder bei der Mitwirkung an europäischen Projekten) erweitert sich auchder Handlungsradius der Verbände. Es bedarf der verbandsübergreifenden Ab-sprachen und der europäischen Anschlussfähigkeit von verbands- und organisa-tionsinternen Entscheidungen.

Perspektive SystemDas Bezugssystem, in dem Bildungseinrichtungen und -verbände agie-

ren, ist gespalten: Solange es eine gesellschaftliche Mitverantwortung für alleBildungsbereiche einschließlich der berufsbezogenen Bildung gibt (Herdt, Krug),gelten die Referenzsysteme Gesellschaft/Staat (Bundesländer, Bund und Europasowie die Arbeitsverwaltung) und Wirtschaft (Unternehmen, Gewerkschaften).Bildungseinrichtungen agieren in der Regel im Hinblick auf beide Referenzsys-teme und natürlich auch in ihrem eigenen, der Pädagogik (vgl. Kade 1997). Fürmanche Bildungseinrichtungen treten noch weitere Akteure wie die Kirchen,Parteien oder Stiftungen in den jeweiligen Teilsystemen hinzu.

Für Bund und Länder hat sich durch den Paradigmenwechsel zum le-benslangen Lernen der Fokus der Qualitätsbemühungen auf die Lernenden ver-schoben. Alle Anstrengungen bei der Weiterentwicklung des Bildungssystemssind insgesamt darauf gerichtet, Durchlässigkeit zu gewährleisten, die Vergleich-barkeit von Abschlüssen herzustellen und eine Struktur herauszubilden, die le-benslanges Lernen für die Einzelnen und die Gesellschaft ermöglicht und attrak-tiv macht. In diesem Zusammenhang stellt sich für die Weiterbildungspolitikerneut die bisher ungelöste Frage der Gleichwertigkeit von allgemeiner und be-rufsbezogener Bildung, der Modularisierung von Angeboten und deren Vernet-

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zung. Im Interesse der Teilnehmenden müssen Dokumentationsformen gefun-den werden, die das Profil von individuellen Bildungsbiographien transparentmachen, in denen berufliche und allgemeine, organisiert und informell erwor-bene Kompetenzen verschmolzen sind.

Auf europäischer Ebene besteht ein Interesse an einer erkennbaren undvergleichbaren Qualität der Leistungen der Subventionsempfänger (Franz); davonsind sowohl die Teilbereiche der Landesverwaltungen als auch die Bildungsein-richtungen betroffen, die mit europäischen Fördermitteln arbeiten. Ähnlichesgilt für den Bund, so dass sich die Länder der Aufforderung ausgesetzt sehen,eine länderübergreifende Einigung zu vergleichbaren Standards in der Quali-tätsentwicklung, die z. B. in Form eines Weiterbildungstestats anerkannt werdenkönnen, herbeizuführen und die bisher unterschiedlichen Formen in den Bun-desländern zu vereinheitlichen.

Dies ist die Schnittstelle mit dem Referenzsystem Wirtschaft, da auchhier die Frage nach Qualitätsnachweisen und Zertifizierung gestellt wird. Es giltim Interesse der Weiterbildung nach akzeptablen Wegen der Zertifizierung vonEinrichtungen zu suchen, die die Verantwortung der einzelnen Einrichtung för-dert, und eine Anerkennungsform zu entwickeln, die die Teilmärkte integriert.

Die Schnittstellen: strukturbildende Handlungselemente

An den Schnittstellen treffen die Perspektiven verschiedener Akteureauf denselben Gegenstand: Die strukturbildenden Handlungselemente der Qua-litätsentwicklung in der Weiterbildung werden sichtbar. Sie sind nur dann imSinne der gesamten Weiterbildung optimal zu bearbeiten, wenn die betroffenenAkteure bereit sind, über die Grenzen des eigenen Handlungsrahmens hinauszusammen zu wirken.

Aus der Zusammenschau der Anforderungen ergeben sich zumindestvier strukturbildende Handlungselemente:

– Im Interesse der Teilnehmenden und zur Förderung ihres lebenslangenLernens bedarf es einer Weiterbildungsberatung, die in die Qualitäts-entwicklung integriert ist.

– Um den Wert von Weiterbildungsangeboten einerseits und erworbeneKompetenzen andererseits im Kontext lebenslangen Lernens transpa-rent zu machen, bedarf es eines Zertifikats- und Nachweissystems.

– Als Support für Bildungseinrichtungen und ihr Personal könnte ein ko-operatives Kompetenzzentrum zur Förderung von Professionalität undOrganisationen durch Qualitätsentwicklung dienen.

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– Es bedarf eines Zertifikats/Testats auf der Organisationsebene, das dieAkzeptanz von Weiterbildungseinrichtungen über ihre Qualitätsentwick-lung fördert und zur Integration der Teilmärkte beiträgt, in denen Wei-terbildung angeboten wird.

Erstes strukturbildendes Handlungselement:WeiterbildungsberatungIm Zentrum dieser Schnittstelle stehen die an Weiterbildung teilneh-

menden oder interessierten Erwachsenen und die Qualität des Angebots der Bil-dungseinrichtungen. Hier stellen sich folgende Fragen: Wie ist umfassende Kun-den- und Lernersouveränität zu fördern? Wie ist sicherzustellen, dass ein Ange-bot den Verwertungsinteressen und den individuellen Lernvoraussetzungen ent-spricht? Wie ist sicherzustellen, dass Weiterbildungsinteressierte ihre Verwer-tungsinteressen richtig einschätzen? Wie können sie ein passendes Angebot er-kennen? Wie ist zu erreichen, dass notwendige Angebote aus Sicht der Lernen-den, der Gesellschaft oder der Betriebe entwickelt werden?

Sowohl die Fürsprecher der Teilnehmenden (Herdt, Gnahs) als auchdie der Betriebe (Diekmann) antworten auf diese Frage mit Weiterbildungsbera-tung. Sie soll ihr Aufgabenspektrum zum Teil datenbankgestützt, in anderen Teil-bereichen als individuelle Diagnose und Lernberatung erfüllen (Herdt, Diek-mann, Gnahs u. a.) und dadurch die einzelnen Lernenden in ihrer Selbstverant-wortung für ihre Lernbiographie unterstützen. Darüber hinaus kann und soll sieeinen Beitrag zur systematischen Bedarfserhebung für Bildungsorganisationenleisten (Franz).

(Weiter-)Bildungsberatung und Lernberatung sind keineswegs neueVerfahren. Dennoch deutet sich Neues an: Aus den Aufgaben, die der Qualitäts-entwicklung aus den verschiedenen Perspektiven zugewiesen werden, ergibtsich ein komplexes Profil, mit dem die Integration von Weiterbildungs- und Lern-beratung einhergeht und das die Beratung in den Kontext der Verwirklichunglebensbegleitenden Lernens stellt. Dieses Aufgabenprofil muss Beratungskom-petenz zur Diagnose der Lernbiographie des zu Beratenden (Gnahs) umfassen,auf einem fundierten Überblick über die Anforderungen in den verschiedenenVerwertungskontexten beruhen, die Konsequenzen für die didaktische Gestal-tung der Angebote einschätzen können und diese Angebote kennen. Weiterbil-dungsberatung erfährt in der Funktion als Qualitätselement eine Erweiterung ih-rer angestammten Aufgaben. Deshalb sollten die Akteure in der Weiterbildungs-verwaltung, aber auch in den Bildungseinrichtungen und Betrieben, sie als we-sentliches Handlungsfeld für die strukturelle Verwirklichung lebenslangen Ler-nens begreifen und ihr ein weitaus größeres Interesse widmen als bisher.

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Offen bleibt, ob die erweiterte Begründung für die Notwendigkeit vonBeratung im Kontext der Qualitätsentwicklung ausreicht, um solche Institutio-nen, soweit sie überhaupt schon existieren, zu fördern. Die Herausforderungbesteht darin, im Interesse der Teilnehmenden funktionierende Kooperationenzwischen Einrichtungen, Trägern und regionalen Strukturen für eine optimaleWeiterbildungsberatung zu entwickeln. Ihre konkreten Aufgaben müssen be-stimmt und mit der Bedarfserhebung der Einrichtungen verknüpft werden. Nichtzuletzt benötigen sie qualifiziertes Personal, kooperative Trägerschaft und dau-erhafte Finanzierung.

Zweites strukturbildendes Handlungselement: Zertifikats- undNachweissystem auf der Angebots- und KompetenzebeneBildungsberatung braucht ein Referenzsystem, das die Bewertung ei-

nes Angebots im Hinblick auf den zu erwartenden Kompetenzzuwachs für dieTeilnehmenden und den Verwertungskontext ermöglicht.

Auf der Achse „Lernen und Verwerten“ wird derzeit in zwei Richtun-gen gearbeitet: Es wird über ein Zertifikatssystem nachgedacht, das Angebotemodulartig aufeinander und auf ihren möglichen Verwertungskontext bezieht(Faulstich/Vespermann). Ein solches System trägt dazu bei, den Nutzen einesAngebots für Teilnehmende und Unternehmen transparent zu machen, und gibtBildungseinrichtungen Richtlinien für die Entwicklung entsprechender Angebo-te an die Hand.

Daneben gehen die Überlegungen in Richtung eines Nachweissystemsfür informell erworbene Kompetenzen (Gnahs). Es dient dem Ziel, das Vorhan-densein derart erworbener Fähigkeiten als Zugang zu betrieblichen und gesell-schaftlichen Positionen anzusehen und diese Kompetenzen zu beschreiben.

Aus der Perspektive der lebenslang lernenden Erwachsenen verliert dieSegregation der Teilbereiche der Weiterbildung im gleichen Maße an Bedeu-tung, wie sie strukturell zunimmt. Deshalb ist aus Lernerinteresse die Integrationbeider Instrumente wünschenswert. Ein integriertes Instrument könnte die Äqui-valenzen zwischen den im beruflichen Kontext und den im Lebenskontext allge-mein, organisiert und informell erworbenen Kompetenzen beschreiben.

Drittes strukturbildendes Handlungselement: Förderung vonProfessionalität und Organisation in der QualitätsentwicklungFrüher und systematischer als bei vorhergegangenen Professionalisie-

rungsschüben wurden Supportmaßnahmen für die Qualitätsentwicklung in derErwachsenenbildung rechtzeitig und von verschiedenen Institutionen entwickelt.

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Die Vernetzung zwischen den Akteuren wurde kontinuierlich durch das Deut-sche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) und andere gefördert. Auch Forschungin diesem Bereich setzte zügig ein z. B. vom BIBB, vom DIE u. a. Die Aufgabendes Erfahrungsaustausches und des Supports für Organisationen und Personalsowie der Beratung für Verwaltung und Weiterbildungspolitik wurde von Ver-bänden und Forschungseinrichtungen im Rahmen ihrer Regelaufgaben oder inModellprojekten übernommen und von den Geldgebern unterstützt. Der nächs-te Entwicklungsschritt ist eine abgestimmte Vernetzung und Verteilung von Auf-gaben im Sinne der Ressourcenschonung.

Die Aufgabe dieser Schnittstelle ist es, ein Kompetenzzentrum Quali-tätsentwicklung zu bilden mit den Schwerpunkten

– Qualifizierung des Personals und Beratung für Qualitätsentwicklung,– Wissens- und Erfahrungstransfer für Qualitätsmodelle und Verfahren.– Sichern und Teilen von good practices in der Weiterbildung in Form

eines qualifizierten Benchmarkings.

Ein solches Kompetenzzentrum ist jedoch nicht als ‚reale’ Einrich-tung zu verstehen, sondern als ein geregelter und permanenter Abstimmungs-prozess zwischen allen Akteuren, der zu mehr Transparenz hinsichtlich derAktivitäten und Ergebnisse führen soll. Für die beiden ersten Aufgabenfelderdes Kompetenzzentrums gibt es bereits wesentliche Ergebnisse: Es liegen Fort-bildungskonzepte und -angebote vor, ebenso Praxisberichte, Werkbücher undInstrumentensammlungen. Hier ist nach einem Verfahren zu suchen, das dieErgebnisse vor allem für die Praktiker/innen leicht zugänglich macht. Weiterhinsind Anforderungen an Qualitätsmodelle in der Erwachsenenbildung formu-liert (vgl. Schiersmann/Thiel/Pfizenmaier 2001) und über die DIE-Fallstudienum Elemente ergänzt worden, die die Bedeutung der Verfahrenselemente fürden Erfolg bei der Einführung und Verstetigung von Qualitätsmanagement be-legen. Es ist deutlich geworden, dass nicht ein bestimmtes Modell als Königs-weg zu betrachten ist, sondern dass es benennbare Modell- und Verfahrensele-mente sind, die zum Erfolg der Qualitätsentwicklung beitragen (Heimlich/Hei-nold-Krug). Zusätzlich wird an Elementen einer systematischen Verschränkungzwischen den Handlungsstrategien des Qualitätsmanagements und der Päda-gogik gearbeitet (Ehses/Zech).

Im dritten Aufgabenbereich, dem Benchmarking, liegen die bisher größ-ten Defizite in der Entwicklung. Benchmarking ist aber notwendig, um die er-reichten Entwicklungen auf der Organisationsebene von Bildungseinrichtungenzu dokumentieren, zugänglich zu machen und damit zur Systemqualität beizu-tragen. Es wird in anderen Branchen als Ergebnis- und Prozess-Benchmarking

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eingesetzt und trägt zur Steigerung der Organisations- und Systemqualität bei. Inder Weiterbildung wird es bislang nicht systematisch angewendet.

Ein solches – wie auch immer organisiertes – Kompetenzzentrum zurProfessionalitäts- und Organisationsförderung kann großen Nutzen aus einerträgerübergreifenden Struktur ziehen und sollte die Integration aller Sektorender Weiterbildung anstreben.

Viertes strukturbildendes Handlungselement: Testat zurAnerkennung der EinrichtungsqualitätBildungseinrichtungen agieren in ihrer Mehrheit auf mehreren Teilmärk-

ten, die jeweils unterschiedliche Nachweise der Organisationsqualität fordern(Anerkennungsregelungen im Bereich der Ländergesetze, Qualitätszertifikate derkooperierenden Unternehmen, europäische Regelungen wie die ESF-Akkredi-tierung). Sie brauchen eine Form des Qualitätsnachweises, die über die Gren-zen der Teilmärkte hinweg gilt, akzeptiert ist und sie in der Wahl des für siepassenden Qualitätsmodells und -verfahrens nicht einschränkt.

Die Übereinkunft zur Zertifizierung/Testierung von Bildungseinrichtun-gen kann nur zwischen Ländern und Verbänden/Bildungsorganisationen zusam-men mit den Unternehmen und deren Verbänden getroffen werden. Ziel muss essein, ein möglichst unkompliziertes Verfahren zu entwickeln, um Einrichtungs-qualität so zu zertifizieren, dass dies von allen Interessenpartnern einer Bildungs-einrichtung akzeptiert werden kann.

Ein solches Testat muss die Anerkennungswege und die Äquivalenzenfür die jeweiligen Anwendungsmodelle und Verfahren transparent machen. Sei-ne Akzeptanz bei den jeweiligen Instanzen sowohl im öffentlichen als auch imbetrieblichen Bereich muss gesichert und europäisch anschlussfähig sein. Vorar-beiten hierzu werden geleistet (Krug, Ehses/Zech). Das vorgeschlagene Verfah-ren beruht auf dem Grundgedanken, dass der Nachweis der kontinuierlichenWeiterentwicklung einer Bildungseinrichtung Vorrang vor dem statischen Do-kumentieren erreichter Standards hat. Zu berücksichtigen sind die inzwischenvorliegenden Ergebnisse aus empirischen Untersuchungen in Bezug auf die Ele-mente von Qualitätsmodellen und Verfahren, die zum Erfolg der Qualitätsent-wicklung beitragen. Unter Berücksichtigung dieser Elemente sollte ein Indikato-rensystem als Basis eines übergreifenden Testats gebildet werden.

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Ein Verfahrensvorschlag unter Berücksichtigung der Stärken derWeiterbildung

Bei der Definition der zentralen Handlungsfelder ist deutlich gewor-den, dass die Interessen der beteiligten Akteure jeweils aus unterschiedlichenReferenzsystemen (Pädagogik, Ökonomie, Gesellschaft/Politik) kommen. Diebenannten Handlungsfelder sind zentrale Elemente der Qualitätsentwicklung inder Weiterbildung. Ihre Definition muss die betroffenen Referenzsysteme einbe-ziehen, damit sie für die Akteure handlungsleitend werden können. Solche De-finitionen und Entscheidungen sind als kommunikative Prozesse zu treffen undbrauchen eine Struktur.

Gremien wie die Konzertierte Aktion Weiterbildung (KAW) oder dasForum Bildung, die plural über die Systemgrenzen hinweg zusammengesetztsind, sind als Foren für die Behandlung von übergreifenden Fragen geeignet undbereits installiert (vgl. Pahl 2002). Die KAW hat Handlungsanforderungen imKonsens formuliert, die die Empfehlungen des Forums Bildung aufgreifen, kon-kretisieren und erweitern (vgl. BMBF 2002).

Auch wenn eine bundeseinheitliche Rahmenregelung förderlich seinkönnte: Sie kann die notwendigen Vereinbarungen zwischen den verantwortli-chen Akteuren im System auf allen Ebenen nicht ersetzen. Diese Forderung derGEW ist jedoch als folgerichtig zu sehen, wenn ein einheitliches Leitbild für dieBildung über Länder- und Bereichsgrenzen hinweg verwirklicht werden soll.

Nun ist es eine Binsenweisheit, dass die beste Strategie nur so gut istwie ihre Umsetzung, und es muss die Frage gestellt werden: Wie kommt dieWeiterbildung zu guten und hervorragenden Ergebnissen in den zentralen Hand-lungsfeldern der Qualitätsentwicklung und damit zu einem wirkungsvollen Bei-trag zum lebenslangen Lernen?

Auch hierfür liegen Verfahrensvorschläge vor: Es werden Zielvereinba-rungen zwischen den Ländern und den Weiterbildungsverbänden vorgeschla-gen (Krug) und dabei auch die Beteiligung von Abnehmervertretern (Unterneh-men, Bundesanstalt für Arbeit bzw. Landesarbeitsämter) und Teilnehmenden (z.B. durch Weiterbildungsbeiräte) bedacht. Dem gegenüber steht die Erwartung,dass der Markt alleine zu einer Regelung führen wird (Diekmann). Dieser Vor-schlag übersieht die nicht ausschließlich marktförmig organisierten Sektoren derWeiterbildung, schließt sie und ihre Teilnehmenden aus dem Entscheidungspro-zess aus und ignoriert die gesellschaftliche Mitverantwortung für den Bildungs-bereich (Herdt).

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Die Akteure in der Weiterbildung brauchen in dieser Situation einensystematischen Diskurs an den benannten zentralen Schnittstellen als Orte, andenen Vereinbarungen getroffen werden. Sie haben die Funktion von Qualitäts-zirkeln im System Weiterbildung: Sie führen die betroffenen Instanzen zusam-men, sie analysieren das Problem, erarbeiten einen Lösungsvorschlag, holen dieZustimmung der Entscheidungsträger ein, setzen ihn um und evaluieren das Er-gebnis (vgl. Kamiske/Brauer 1996).

Dieser „Qualitätszirkel“ ist als Projekt einer Machbarkeitsstudie bislangzu niedrig aufgehängt. Es sollte überprüft werden, ob die Integration aller Akteu-re auf den relevanten Entscheidungsebenen gewährleistet ist, damit eine Ent-scheidung, die sie treffen, die notwendige Akzeptanz findet.

Die Klärung anderer Handlungselemente wie Definition und Imple-mentierung von Weiterbildungsberatung und Definition eines kooperativen Kom-petenzzentrums als Qualitätselemente erscheint dagegen noch weniger konkretangelegt. Hier bedarf es eines gestuften Verfahrens, das die Belange von Bund,Ländern und Regionen sowie ihrer Vertreter integriert. Und es bedarf einer In-stanz, die die Verantwortung für die Gestaltung der strukturbildenden Hand-lungsbereiche übernimmt und für die zentrale wie dezentrale Umsetzung sorgt.

Die Stärken der Weiterbildung bestanden bisher in ihrer Innovationsfä-higkeit bei bescheidenen Strukturen, im Engagement der Akteure und in ihrerAutonomie sowie in der Fähigkeit der Organisationen und Verbände, Anforde-rungen aus unterschiedlichen Richtungen auszuloten und ihnen Gestalt zu ge-ben. Die Verantwortlichen auf allen Ebenen der Weiterbildung sind gefordert,diese Qualitäten einzusetzen, um eine Struktur für solche systembezogenenQualitätszirkel zu entwickeln und sie über einen gestuften Dialog aufeinanderzu beziehen.

Fazit

Die Verständigung über strukturbildende Elemente in der Weiterbil-dung ist notwendig, wenn Qualitätsentwicklung durch die Definition verbindli-cher Handlungsfelder dazu beitragen soll, dass die Umgestaltung des gesamtenBildungsbereichs zur Verwirklichung des Leitbildes vom lebenslangen Lernengelingt. Die hierfür zentralen Handlungsbereiche sind benannt. Es geht jetzt da-rum, Entscheidungen auf allen Ebenen des Systems Weiterbildung so zu treffen,dass die Akteure handeln können und die Entscheidungen miteinander kompa-tibel sind.

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Neu an dieser Herausforderung ist, dass die vorhandenen Aktivitätenzur Konsolidierung und Abstimmung zwischen den Handlungsfeldern – so zahl-reich sie auch sein mögen (Meisel) – nicht ausreichen. Sie sind nicht ausrei-chend, weil die Entscheidungen über die Gestaltung der Handlungsfelder in derWeiterbildung im Rahmen des Paradigmas vom lebenslangen Lernen nicht mehrallein innerhalb des eigenen Systems getroffen werden können, sondern auf trag-fähige Vereinbarungen mit den Nachbarsystemen angewiesen sind. Nur dannkönnen die einzelnen Handlungsfelder qualitätssichernd und -fördernd zur Lö-sung der Frage nach der Gestaltung von lebenslangem Lernen beitragen.

„Qualitätsentwicklung braucht Entscheidung und Konsens – beideskommt in Organisationssystemen nur als Kommunikation zu Stande“ (Luhmann2000). Die Akteure sind gefordert, Entscheidungen und Konsens über den Bei-trag der Weiterbildung zu einem funktionierenden System des lebenslangen Ler-nens herbeizuführen und die zentralen Handlungsfelder der Qualitätsentwick-lung in diesem Sinne zu gestalten.

Anmerkung1 Die Literaturverweise ohne Jahresangabe beziehen sich auf die Beiträge der Autorinnen

und Autoren im vorliegenden Band.

LiteraturBMBF – Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2002): Qualitätsentwicklungin der Weiterbildung – politischer Handlungsbedarf. Dokumentation der Fachtagung der KAWvom 25. bis 26. Juni 2001 in Bonn-Röttgen. BonnKade, J. (1997): Vermittelbar/Nicht-vermittelbar: Vermitteln: Aneignen. Im Prozeß der Sys-tembildung des Pädagogischen. In: Lenzen, D./Luhmann, N. (Hrsg.): Bildung und Weiterbil-dung im Erziehungssystem. Lebenslauf und Humanontogenese als Medium und Form. Frank-furt/M., S. 30-70Kamiske, G. F./Brauer, J. P. (1996): ABC des Qualitätsmanagements. München, WienKrug, P. (1999): Ordnungspolitische Bedeutung des Qualitätsmanagements in der Weiterbil-dung. In: Küchler, F. von/Meisel, K. (Hrsg.): Qualitätssicherung in der Weiterbildung – Aufdem Weg zu Qualitätsmaßstäben. Frankfurt/M., S. 20-30Luhmann, N. (2000): Organisation und Entscheidung. Opladen, WiesbadenNuissl, E. (2002): Qualität(en) in der Weiterbildung. In: DIE Zeitschrift für Erwachsenenbil-dung, H. III, S. 3Pahl, V. (2002): Auf das Eigeninteresse der Anbieter setzen – Bundespolitik für mehr Qualitätin der Erwachsenenbildung. In: DIE Zeitschrift für Erwachsenenbildung, H. III, S. 38-40Schiersmann, C./Thiel, H.-U./Pfizenmaier, E. (2001): Organisationsbezogenes Qualitätsmanage-ment. EFQM-orientierte Analyse und Qualitätsentwicklungs-Projekte am Beispiel der Famili-enbildung. Opladen

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Autorinnen und Autoren

Dr. Hannelore Bastian, Privatdozentin, Programmdirektorin der Ham-burger Volkshochschule, Mitglied der Jury für den Innovationspreis des Deut-schen Instituts für Erwachsenenbildung. Arbeitsschwerpunkte: Kulturelle Bildung,Alphabetisierung/Grundbildung, Didaktik, Qualitätsentwicklung, Fortbildungfreiberuflicher Lehrkräfte.

Dr. Knut Diekmann, Referatsleiter Grundsatzfragen berufliche Weiter-bildung beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Arbeits-schwerpunkte: Qualität, internationale Berufsbildungspolitik und Finanzierung.

Dr. Christiane Ehses, stellvertretende Leiterin des ArtSet Instituts für kri-tische Sozialforschung und Bildungsarbeit e. V. Arbeitsschwerpunkte: Organisa-tionsforschung und -beratung, Qualitätsentwicklung.

Dr. Peter Faulstich, Professor für Erwachsenenbildung am Institut fürSozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Freizeitpädagogik, Fachbereich Er-ziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Betriebli-che und berufliche Weiterbildung, politische Erwachsenenbildung, kulturelleErwachsenenbildung, Lehren und Lernen in der Erwachsenenbildung.

Dr. Hans-Werner Franz, Sozialwissenschaftler (Soziologie, Politologie),wissenschaftlicher Mitarbeiter am Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmundim Forschungsbereich „Bildung, Arbeit, Beteiligung“. Geschäftsführer von „so-ziale innovation research & consult GmbH“.

Dr. Dieter Gnahs, Leiter des Arbeitsbereiches Arbeitsmarkt, Aus- undWeiterbildung am Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung derUniversität Hannover.

Christina Heimlich, Diplom-Sozialarbeiterin, EFQM-Assessorin, wissen-schaftliche Mitarbeiterin des Deutschen Instituts für Erwachsenenbildung, danachLeiterin des Diakonischen Werkes Mainz-Bingen, Lehrbeauftragte an der Evan-gelischen Fachhochschule Darmstadt.

Eva Heinold-Krug, freiberuflich tätig als Organisationsberaterin undCoach, 2000 bis 2001 wissenschaftliche Mitarbeiterin im DIE-Projekt „Quali-tätsentwickler/in für Einrichtungen der Erwachsenenbildung“, TQM-Assessorin(DGQ), Lehrbeauftragte an der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt. Ar-

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beitsschwerpunkte: Qualitätsentwicklung, Entwicklung von Fortbildungskonzep-ten.

Dr. Ursula Herdt, Studium der Politikwissenschaften, seit 1980 bei derGEW, seit 1997 Mitglied des Geschäftsführenden Vorstands der Bundes-GEW(Frankfurt), Leiterin des Vorstandsbereichs Berufliche Bildung und Weiterbildung,stellvertretendes Mitglied im Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit.

Dr. Peter Krug, Leiter der Abteilung Lehrerausbildung, Landesprüfungs-amt und Weiterbildung im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung, For-schung und Kultur Rheinland-Pfalz, Vorsitzender des Ausschusses für Fort- undWeiterbildung der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder, Koordi-nator des BLK-Programms „Lebenslanges Lernen“.

Wilhelm F. Lang, Diplom-Kaufmann, Direktor des Bayerischen Volks-hochschulverbandes, bis Juni 2002 Projektleiter des bvv-Projektes „Qualitäts-management“. Arbeitsschwerpunkte: systemisches Veränderungsmanagementvon großen Organisationen, Marketing, PR, Lobbyarbeit.

Dr. Klaus Meisel, Diplom-Pädagoge, Direktor am Deutschen Institutfür Erwachsenenbildung (DIE). Arbeitsschwerpunkte: Organisations- und Pro-fessionsentwicklung, Qualitätsentwicklung, Organisationsberatung.

Alfred Töpper, Studium der Mathematik, Projekt- und Abteilungsleiterbei der Stiftung Warentest, derzeit Aufbau der Abteilung Weiterbildungstests.

Per Vespermann, Diplom-Pädagoge, wissenschaftlicher Mitarbeiter amInstitut für Sozialpädagogik, Erwachsenenbildung und Freizeitpädagogik, Fach-bereich Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunk-te: Zertifizierungs- und Anerkennungssysteme in der Weiterbildung, Netzwerk-Kooperationsbildung im Bereich Weiterbildung, historische Erwachsenenbildung.

Dr. Rainer Zech, Professor, Leiter des ArtSet Instituts für kritische Sozi-alforschung und Bildungsarbeit e.V., Geschäftsführer der ArtSet Forschung, Bil-dung, Beratung GmbH. Arbeitsschwerpunkte: Bildung und Persönlichkeit, Or-ganisationsforschung und Beratung.