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Fachbereich Pflege und Gesundheit
Pflege- und Gesundheitsmanagement 2013
5.Semester
.
Prüfungshandout
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
Vorgelegt am
18.01.2013
Vorgelegt von Grzegorzek, Magdalena
Kontaktdaten mg158972@fh-muenster.de
Vorgelegt bei Dipl.-Pflegewiss. Meike Schwermann
Fachbereich Pflege und Gesundheit
Modul Wahlvertiefung – Umgang mit herausforderndem Verhalten
bei demenziell erkrankten Menschen
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
2
Inhalt
1. Einleitung .................................................................................................................................... 4
2. Seminardurchführung ............................................................................................................. 5
3. Erinnerungen und Biografie ................................................................................................... 6
4. Biografiearbeit ........................................................................................................................... 7
5. Erinnerungspflege ..................................................................................................................... 8
5.1 Definition ............................................................................................................. 8
5.2 Ziele ...................................................................................................................... 9
5.3 Formen ................................................................................................................. 9
5.4 Praktische Umsetzung der Erinnerungspflege ................................................... 11
6. Forschungsstand ...................................................................................................................... 14
7. Fazit ........................................................................................................................................... 15
8. Literatur- und Quellenverzeichnis ....................................................................................... 16
Anhang A: Prüfungspräsentation ............................................................................................... 17
Anhang B: Methoden der Erinnerungspflege .......................................................................... 37
Anhang C: Fallbeispiel .................................................................................................................. 38
Erklärung zur Erstellung der Einzelarbeit ............................................................................... 39
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
3
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Voraussetzungen der Erinnerungspflege ....................................................... 11
Tabelle 2. Methoden der Erinnerungspflege .................................................................. 37
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
4
1. Einleitung
Der Verlauf der Lebensgeschichte ist von verschiedenen Einflüssen wie zum Beispiel
historischen Ereignissen, sozialer Herkunft und sozialem Umfeld, Geschlechts- und
Generationszugehörigkeit beeinflusst. Die eigene Geschichte und die Erinnerungen an
schöne, schreckliche, außergewöhnliche und alltägliche Situationen machen uns aus und
bilden die Basis unserer Identität.
Was bedeutet es nun für einen Menschen sich nicht mehr erinnern zu können?
Menschen mit einer Demenz sind mit diesem zunehmend eingeschränkten Erinnerungs-
vermögen konfrontiert. Der Verlust des Wissens um die eigene Lebensgeschichte ist
meist mit dem Gefühl verbunden, die eigene Identität zu verlieren. Dies ist ein wichtiger
Aspekt, in der Pflege und im Umgang mit Menschen im hohen Alter (BMG, 2006,
S.93). ,,Wenn die Verluste zum Lebensende hin zunehmen, müssen wir die verbleiben-
den Erinnerungen hegen und pflegen, um unser altersloses Selbst zu bewahren, um bis
zu unserem allerletzten Atemzug sagen zu können: ich bin noch immer ich – noch im-
mer dasselbe Selbst, das einst am Anfang stand‘‘ (Kotre, 1998, zitiert nach Specht-
Tomann, 2009, S.50). Biografiearbeit und Erinnerungspflege stellen dabei eine Mög-
lichkeit der Pflege der Erinnerungen dar. So kann dies dazu beitragen, eine Beziehung
aufzubauen, Brücken zwischen Menschen können gebildet und Wohlbefinden geschaf-
fen werden.
In dem vorliegendem Handout wird die Ausarbeitung zur Prüfung der Wahlvertiefung
,,Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz‘‘ beschrieben.
Diese Ausarbeitung umfasst eine Beschreibung der Prüfungsdurchführung mittels einer
Power-Point-Präsentation sowie eine Annäherung an die Thematik Biografiearbeit und
Erinnerungspflege.
In der Prüfungspräsentation am 23.01.2013 wird den Teilnehmern das Thema, auf
Grundlage der Rahmenempfehlungen des Bundesministeriums für Gesundheit näher
gebracht. Damit sollen die Teilnehmer die Thematik und konkrete Methoden für die
Praxis im Umgang mit älteren und/oder demenzerkrankten Menschen kennenlernen. Ein
weiteres Ziel ist es, die hohe Relevanz der Thematik bezüglich des Umgangs und der
Pflege von demenzerkrankten Personen aufzuzeigen.
Zur Vereinfachung der Lesbarkeit wird die männliche Form von Bezeichnungen ver-
wendet.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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2. Seminardurchführung
Die Seminardurchführung am 23.01.2013 zum Thema Biografiearbeit und Erinnerungs-
pflege erfolgt durch den Autor mittels einer Power-Point-Präsentation (siehe Anhang
A). Diese ist ähnlich den folgenden Kapiteln in dem vorliegendem Handout strukturiert.
Zunächst beginnt der Autor mit einer kurzen Einleitung zum Thema Erinnerungen und
Biografie, um im weiteren auf die Biografiearbeit und Erinnerungspflege einzugehen.
Zum Einstieg werden den Teilnehmern eine Reihe von Bildern gezeigt. Die Teilneh-
mern werden dazu angeleitet die Bilder zu betrachten und darüber nachzudenken wel-
che Erinnerungen mit jedem Bild assoziiert werden. Dadurch wird versucht, die Teil-
nehmer für die Thematik zu sensibilisieren und Interesse zu wecken.
Im weiteren Verlauf geht der Autor auf die Biografiearbeit und die Erinnerungspflege
ein. Dabei wird der Schwerpunkt auf die Übermittlung von Informationen zur Erinne-
rungspflege gelegt. Es werden Ziele, Formen, Voraussetzungen und praktische Umset-
zungsmöglichkeiten übermittelt. Zum Abschluss der Präsentation wird ein Fallbeispiel
zum besseren Verständnis der Bedeutung und praktischen Umsetzung der Erinnerungs-
pflege bei Menschen mit einer Demenz vorgestellt (siehe Anhang C).
Die Präsentation endet mit einem kurzen Verweis auf den bisherigen Forschungsstand
zur Thematik und mit einer Verabschiedung der Teilnehmer.
Eine Überlegung bzw. Möglichkeit zur Gestaltung der Präsentation bestand darin weite-
re Methoden einzusetzen, um die Teilnehmer mehr miteinzubeziehen und die
selbstständige Auseinandersetzung zu fördern. Aufgrund des geringen Zeitfensters für
die Vorstellung des Themas wurde an dieser Stelle darauf verzichtet. So wurde der
Schwerpunkt auf das Ziel gelegt, die Teilnehmer bezüglich der Erinnerungspflege und
Biografiearbeit zu informieren und zu sensibilisieren. Es sollen Wege aufgezeigt wer-
den für den Umgang mit demenzerkrankten Menschen und, inwieweit Biografiearbeit
und Erinnerungspflege dazu beitragen, die Pflege- und Lebensqualität der Betroffenen
zu erhalten und zu fördern.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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3. Erinnerungen und Biografie
Das Erinnern ist ein Weiderauftauchen von durchlebten Situationen, Lebenserinnerun-
gen, Bildern und Gefühlen (Trilling, Bruce, Hodgson & Schweitzer, 2001, S.42).
,,Erinnerungen sind der Kitt, der unser geistiges Leben zusammenhält, das Gerüst, das
unsere persönliche Geschichte trägt, und sie sind es, die uns ermöglichen, im Laufe un-
seres Lebens zu wachsen und uns zu verändern. Wenn das Gedächtnis verlorengeht, wie
es bei der Alzheimer Krankheit der Fall ist, verlieren wir die Fähigkeit, unsere Vergan-
genheit wieder zu erschaffen, und damit verlieren wir auch unsere Verbindung zu uns
selbst und zu anderen‘‘ (Squire & Kandel, 1999, S.IX).
Im Verlauf einer Demenz ist der Zugang zu der Person durch Veränderungen und/oder
Verluste der kognitiven Fähigkeiten und der Einschränkungen der Gedächtnisprozesse
erschwert. Insbesondere neue Erinnerungen können nur schwer oder überhaupt nicht
abgerufen werden. Erinnerungen an frühere Zeiten, an elementare Situationen und an
die Person, die man gewesen ist, kann eine Möglichkeit sein über den Menschen etwas
zu erfahren. Gleichzeitig können Erinnerungen Wohlbefinden und Freude auslösen. Der
Mensch und seine Geschichte werden dabei in den Mittelpunkt gestellt. Dann ist es
möglich den Menschen in seiner Besonderheit und Individualität kennenzulernen (Tril-
ling et al., 2001, S.42).
Biografien geben Auskunft über Menschen, sind aber immer Konstruktionen der Wirk-
lichkeit. Es handelt sich um eine Lebensbeschreibung, einen Lebensweg und den Einbe-
zug der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft. Die Relevanz der Erinnerung an
die eigene Lebensgeschichte verdeutlicht das folgende Zitat: ,,Nur wer sich erinnern
kann, weiß, wer er ist. In der Lebensgeschichte und den Geschichten unseres Lebens
finden wir die Wurzeln für Selbstvertrauen und Individualität‘‘ (Osborn, Schweitzer &
Trilling, 1997, S.18).
Damit wird deutlich, dass die Erinnerungen eines Menschen ihn ausmachen, sozusagen
die Grundlage der Identität sind (Schacter, 2001, S.256).
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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4. Biografiearbeit
Die Biografiearbeit kann als die Auseinandersetzung des älteren Menschen mit seiner
individuellen Geschichte verstanden werden. Es ist ein Verfahren, bei dem die Vergan-
genheit der jeweiligen Person strukturiert reflektiert wird, um die Informationen zur
Gestaltung der gegenwärtigen und zukünftigen Situation zu nutzten. Die ,, … bewoh-
nerbezogenen Informationen (werden) gesammelt, ausgewertet und für die Betreuung
umgesetzt … ‘‘ (BMG, 2006, S.93). Es geht darum Auskünfte über das Leben des Men-
schen zu erhalten, um Vorlieben, Gewohnheiten und Abneigungen zu erfahren. Wichti-
ge Bezugspersonen innerhalb dieses Prozesses sind die Menschen selbst und deren An-
gehörige. Weiterhin können verschiedene Professionen wie Ärzte und die Pflegenden
durch deren Kontakt und Beobachtungen einen wichtigen Beitrag zur Biografiearbeit
leisten.
Lindmeier (2006) unterscheidet drei Möglichkeiten der Biografiearbeit. Zu diesen ge-
hört die gesprächsorientierte, aktivitätsorientierte und dokumentationsorientierte Bio-
grafiearbeit. Damit sind die verschiedenen Wege gemeint, wie beispielsweise Pflegende
Zugänge zu der Lebensgeschichte und zu dem Menschen selbst erreichen können, näm-
lich durch Gespräche, Aktivitäten oder Dokumente beispielsweise durch Fotos (Lind-
meier, 2006, S.32).
Das Sammeln von Informationen zur Lebensgeschichte erfolgt in Krankenhäusern und
Altenpflegeeinrichtung oder durch ambulante Pflegeeinrichtungen mittels eines Biogra-
fiebogens und Befragung zu relevanten Themen. Bei älteren Menschen und insbesonde-
re Menschen mit einer Demenz ist das Erfragen meist durch kognitive Einschränkungen
oder Wesensveränderungen nur erschwert möglich. Zudem ist das Erzählen von seiner
Lebensgeschichte ein intimer Prozess, der nicht unbedingt mit unbekannten Personen
geteilt werden möchte. Auch können sich Menschen mit einer Demenz durch den Ver-
lauf der Erkrankung nicht auf Anhieb durch eine Frage an ihre Lebensgeschichte erin-
nern.
Erinnerungspflege als „Teil‘‘ der Biografiearbeit, bietet einen Zugang zu den Erinne-
rungen der Menschen mit einer Demenz und ermöglicht so die Informationssammlung
und Verwendung dieser für die Gestaltung der Pflege.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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5. Erinnerungspflege
5.1 Definition
Unter dem Begriff der Erinnerungspflege können in der Fachliteratur unterschiedliche
Begrifflichkeiten gefunden werden wie ,,reminiscence‘‘, ,,lifereview‘‘, Erinnerungsar-
beit oder und Reminiszenztherapie.
Dabei wird der Begriff ,,reminiscence‘‘ als Pflege der Erinnerungen verstanden werden
und gibt am begreiflichsten die Bedeutung der Erinnerungspflege wieder. In diesem
Verständnis meint Erinnerungspflege die ,, … erinnerungsfördernde Aktivitäten …, die
in Gruppen oder mit Einzelnen durchgeführt werden können‘‘ (BMG, 2006, S.93). Es
handelt sich um ein Schwelgen in Erinnerungen und einen Austausch der Erinnerungen,
welcher zur Erhaltung oder Steigerung der Lebens- und Pflegequalität führen kann.
Die Erinnerungspflege ist in diesem Zusammenhang mit mehr verbunden als mit einem
Interaktions- oder einem Aktivierungsangebot. Es beinhaltet eine wertschätzende
Grundhaltung, welche durch das Bemühen entsteht, den andern und seine eigene Le-
bensgeschichte kennenzulernen. Hierfür werden Informationen aus den ,, … Hinter-
grundwissen zur Zeit-, Sozial- und Alltagsgeschichte einer Generation… ‘‘ und dem
Wissen der personenbezogenen Biografie herangezogen (BMG, 2006, S.94).
Der ,,lifereview‘‘-Ansatz von R.N. Butler ist hingegen als eine Form der Therapie zu
verstehen. R.N Butler ging davon aus, dass ein solcher Lebensrückblick eine Art Aufar-
beitung der Vergangenheit bedeutet. Es sei der Versuch positive und negative Erlebnis-
se zu bewerten und zu verarbeiten (Erlmeier, 2002, S.247).
In der vorliegenden Arbeit wird die Erinnerungspflege, in Anlehnung an die Rahmen-
empfehlungen des Bundeministerium für Gesundheit, zur Erinnerungsarbeit, Reminis-
zenztherapie und ,,liefereview‘‘-Ansatz abgegrenzt. Diese Ansätze haben psychothera-
peutische Anteile, welche das Rekonstruieren, Bewerten bis hin zum Konfliktlösen von
biografischen Ereignissen beinhalten.
Insgesamt ist festzustellen, dass der Begriff der Erinnerungspflege nicht einheitlich de-
finiert ist. So wird Erinnerungspflege oftmals mit Biografiearbeit gleichgesetzt oder als
ein Teil dieser gesehen. Im weiteren Verlauf wird der Begriff wie oben definiert ver-
wendet.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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5.2 Ziele
Im Sinne der Erinnerungspflege sollen Situationen geschaffen werden, in denen sich die
Menschen an Situationen ihres Lebens erinnern können und sich über diese mit anderen
austauschen. Hauptziele der Erinnerungspflege sind die Menschen in ihrem Leben zu
begleiten und deren Wohlbefinden zu unterstützen. Der Selbstwert und die Identität
sollen durch das Wecken von Erinnerungen gestärkt und erhalten werden.
Zu den weiteren Zielen gehört die Einbindung der Personen (BMG, 2006, S.94). Das
Sprechen über die eigene Lebensgeschichte ermöglicht es die bestehenden kommunika-
tiven Fähigkeiten zu unterstützen und fördert die soziale Integration.
Weiterhin fokussiert die Erinnerungspflege den Erhalt von wichtigen Informationen
über die Person, ihre Vorlieben, Gewohnheiten und Abneigungen. Diese Informationen
können in die Gestaltung der Pflege und Beziehung einbezogen werden und ermögli-
chen die Verbesserung oder Erhalt der Pflege und Lebensqualität. Insbesondere für den
Verlauf der Erkrankung Demenz hat dieses Ziel eine hohe Relevanz. Zum Ende ist es
den demenzerkrankten Menschen nicht mehr möglich sich zu äußern. An dieser Stelle
können die vorher gesammelten Informationen genutzt werden, um trotz hoher Pflege-
bedürftigkeit eine höchstmögliche Lebensqualität für den Menschen aufrechtzuerhalten.
5.3 Formen
Es gibt grundsätzlich drei Möglichkeiten Erinnerungspflege umzusetzen. Dazu gehören
die Einzelaktivierung und Gruppenaktivierung sowie die alltägliche Interaktion (BMG,
2006, S.94).
Ein wichtiger Bestandteil der Einzelaktivierung ist ein Vertrauensverhältnis zwischen
dem jeweiligen Mitarbeiter und dem älteren Menschen. Lebensereignisse und Erfahrun-
gen, die für den jeweiligen Menschen bedeutsam sind, werden angesprochen. Dazu
werden beispielsweise Objekte verwendet, zu denen der Mensch einen individuellen
Bezug hat. Das können Bilder, Fotos, Briefmarken, Küchengeräte etc. sein. Lebensthe-
men, die schmerzliche Erinnerungen auslösen werden dabei vermieden. Insbesondere
Angehörige sind an diesem Punkt wichtige Ansprechpartner, um im Rahmen der Erin-
nerungspflege Auskunft zu belastenden Themen zu geben (BMG, 2006, S. 95).
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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Während der Gruppenaktivierungen werden in einer angenehmen Atmosphäre in einer
Gruppe Lebensthemen angesprochen, bei einer zeitlichen Begrenzung von maximal 90
Minuten (BMG, 2006, S.94). Diese sollen alle Teilnehmer ansprechen und Raum für
einen gemeinsamen Austausch über freudige Erlebnisse im Leben aller schaffen.
Die Gruppenaktivierung stellt sozusagen einen Kreis von Menschen dar, mit dem der
ältere Mensch seine Vergangenheit teilt (durch den gemeinsamen gesellschaftlichen und
historischen Kontext). Themen, die angesprochen werden können, sind zum Beispiel
Kindheit, Spiele, Schule, Ernährung, Arbeit und Familie. Zugänge zu diesen Themen-
gebieten können durch ,,Trigger‘‘ ausgelöst werden. ,,Trigger‘‘, also Gesprächsauslöser
können ,, … Gegenstände, Lieder, Gerüche, Musik, Filme, Bewegungen …‘‘ sein
(BMG, 2006, S.94).
Ein wichtiges Element der Gruppenaktivierung ist der Moderator. Dieser muss kommu-
nikative und Fachkompetenzen haben sowie Fähigkeiten zur Gestaltung und Moderati-
on von Gruppenaktivitäten.
Erinnerungspflege kann ebenso als Bestandteil alltäglicher Interaktion verstanden wer-
den. Im täglichen Umgang und durch das Einbinden der Menschen mit Demenz in all-
tagsnahe Tätigkeiten ist es möglich, an Lebenserfahrungen anzuknüpfen. Das gemein-
same Plätzchenbacken in der Weihnachtszeit weckt beispielsweise durch die Gegen-
stände, Bewegungen und Gerüche alte Erinnerungen. Dies können Erinnerungen an die
Kindheit, Familie, Weihnachten oder zu Hause sein. Damit bildet es die Basis sich an
schöne Momente im Leben zu erinnern und darüber während der Tätigkeit im Alltag zu
sprechen, in Interaktion zu treten.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
11
5.4 Praktische Umsetzung der Erinnerungspflege
Zum Erreichen der beschriebenen Ziele wie die Förderung der Identität, des Wohlbefin-
dens und die Begleitung des Lebens sowie für eine erfolgreiche Erinnerungspflege sind
einige Aspekte zu beachten. Diese Aspekte bzw. Voraussetzungen beziehen sich bei-
spielsweise auf die Erinnerungsthemen und –aktivitäten sowie auf die Kompetenzen des
Personals, Rahmenbedingungen und personenbezogenen Aspekten (siehe Tablle1).
Tabelle 1.
Voraussetzungen der Erinnerungspflege (Grzegorzek, 2012 in Anlehnung an BMG,
2006, S. 96).
Aspekte Voraussetzungen
Personenbezogene
Aspekte Zur Auseinandersetzung mit der eigenen Lebensgeschichte
ist niemand verpflichtet. Es handelt sich um eine freiwilli-
ge Aktivität
Erinnerungsthemen Die Themen zur Erinnerungspflege orientieren sich an den
Teilnehmern und sind demenentsprechend zu wählen. Ziel
ist es, Wohlbefinden zu schaffen und positive Gefühle zu
fördern
Erinnerungsaktivitäten Förderung durch sinnlich-wahrnehmbare Zugänge wie:
Gegenstände, Erinnerungsstücke, Fotos, Bilder, Film, Mu-
sik, Bücher, Materialien
Unterstützung der Erinnerungspflege durch angepasste
räumliche Umgebung
Wissen/Bewusstsein zur Generationsgeschichte
Wissen und Bewusstsein zur individuellen Lebensge-
schichte
Kompetenzen des
Personals Zur Durchführung der Erinnerungspflege sind soziale und
Fachkompetenz in diesem Bereich notwendig sowie Quali-
fikationen im intrapersonellen Bereich
Es ist wichtig, dass Pflegende das notwendige Wissen be-
züglich der Erinnerungspflege haben. So kann dies auch
negative Gefühle auslösen. Eine adäquate Reaktion und
Handeln ist in solchen Fällen seitens der Pflegenden gefor-
dert
Wichtige Informationen sollten immer dokumentiert wer-
den und in die Pflegeplanung miteinbezogen werden
Vorrausetzung der Erinnerungsarbeit ist das aktive Zuhö-
ren, um Ansatzpunkte für jeden Einzelnen zu erkennen und
zu fördern
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
12
Aspekte Voraussetzungen
Rahmenbedingungen Biografieerfassungsbogen erstellen, implementieren und
kontinuierlich verwenden
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Angehörigenarbeit
fördern
Beachtung der biografischen Ereignisse bzgl. der Pflege-
planung und Handlung
Erinnerungen wecken oder in Erinnerungen schwelgen kann auf verschiedenen Wegen
erfolgen. An dieser Stelle sollen Methoden vorgestellt werden, wie Erinnerungspflege
konkret in der Praxis umgesetzt werden kann. Wichtig dabei sind Trigger. Einige Bei-
spiele für das Schaffen solcher Gesprächsauslöser sind: Malen, Zeichnen, Collagen,
sinnliche Anregungen, Gedichte, Gebete, Redewendungen, Rezitieren, Vorlesen,
Schreiben, Rollenspiele, Ausflüge und Gesprächsrunden (Osborn, Schweitzer & Tril-
ling, 1997, S.41). Weitere Möglichkeiten sind die Verwendung einer Erinnerungskiste
oder eines Erinnerungskoffers sowie die Errichtung eines Erzählcafés. (Eine genaue
Beschreibung der Methoden ist dem Anhang B zu entnehmen.)
Themen für die Erinnerungspflege und Anwendung der Methoden können beispielswei-
se sein:
,,Familienleben
Hausarbeit und Frauenrolle
Kinderspiele
Schulzeit
Nachbarschaft
Freiern und Festtage
Ausflüge
Mode
Ausgehen
Arbeitsleben
Verliebt, Verlobt, Verheiratet‘‘(Osborn, Schweitzer & Trilling, 2001, S.63).
Bei allen Methoden ist es wichtig, diese individuell anzupassen. Dies bedeutet, dass
nicht bei jedem Menschen das Thema Schulzeit oder Kindheit positiv besetzt sind.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
13
Dabei stellen die oben benannten Methoden nur einen Teil der Möglichkeiten dar, um
Erinnerungen zu wecken oder bei demenziell erkrankten Menschen anzuregen.
An vielen Stellen der praktischen Durchführung der Erinnerungspflege sind Schnittstel-
len zu andere Themengebieten wie Tiertherapie, Validation etc. festzustellen. So kann
ein Hund viele Erinnerungen an die Kindheit oder an das eigene Haustier bewirken und
zum Gespräch darüber anregen.
Erinnerungspflege und Biografiearbeit haben aber auch Grenzen. So muss beachtet
werden, dass sich nicht jeder Mensch gerne erinnert und dieses ablehnt. Es ist erforder-
lich, dass diese Einstellung durch das Pflegepersonal respektiert wird. Zudem können
manche Erinnerungen konfliktreich behaftet sein. Der Umgang in solchen Situationen
ist meist für das Personal und für die Person selbst schwierig. Dadurch ist es wichtig,
dass Erinnerungspflege durch geschultes Personal geleitet wird.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
14
6. Forschungsstand
In dem Forschungsgebiet der Erinnerung werden zwei wesentliche Aspekte fokussiert.
Dazu gehören die Funktion der Erinnerungsfähigkeit für ältere Menschen und die Wir-
kung von Erinnerungsaktivitäten.
Zum derzeitigen Zeitpunkt kann festgehalten werden, dass die Ergebnisse der vorlie-
genden Studien zur Erinnerungsaktivität kaum miteinander zu vergleichen sind. Gründe
hierfür liegen darin, dass keine einheitlichen Methoden und Beobachtungssettings ver-
wendet wurden.
Allerdings beschreiben Forscher wie Kasl-Godley et al. einen qualitativen Bezug zwi-
schen Erinnerungspflege und der ,, … Unterstützung des Selbstwertgefühls, eine Ver-
ringerung psychologischer Depressionen, die Steigerung der Lebenszufriedenheit und
eine Verbesserung positiver Stimmungen … ‘‘ (BMG, 2006, S.97).
Trotz dessen, dass die Ergebnisse der Studien nicht miteinander vergleichbar sind, ist
insgesamt festzustellen, dass eine Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit mit
Erinnerungspflege nicht erreicht werden kann. Allerdings gibt es zahlreiche Hinweise
aus den verschiedenen Studien, die belegen, dass Erinnerungspflege eine positive Wir-
kung auf die Stimmung der Menschen hat und insbesondere bei Menschen mit Demenz
eine Möglichkeit ist, das Wohlbefinden zu fördern.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
15
7. Fazit
Biografisches Wissen erweitert das Repertoire von Pflegenden im Bereich der Kommu-
nikation, der Alltags- und Umgebungsgestaltung. Es handelt sich dabei um eine Unter-
stützung älterer Menschen bei der Wahrung ihrer Identität. Zudem ist es eine Möglich-
keit sich den Erinnerungen der Menschen zu nähern, welche durch eine Demenz Ein-
schränkungen bezüglich ihres Erinnerungsvermögens, in kognitiven Bereichen sowie in
der Kommunikation besitzen.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege können Schlüssel zu der inneren Welt des Ein-
zelnen sein, um deren Bedürfnisse, Wünsche, Handlungen und dessen Personsein besser
verstehen oder nachvollziehen zu können. Insbesondere für die Professionen im Ge-
sundheitswesen hat Erinnerungspflege eine hohe Relevanz für die Pflege von demenz-
erkrankten Menschen. Es bietet beispielsweise Ansatzpunkte für Gespräche oder ermög-
licht Zugangswege zu den Menschen.
,,In den Erinnerungen des demenzerkrankten Menschen existieren nur noch Erinne-
rungsinseln‘‘ (Jahn, 2008, S.46). Personen mit Demenz verlieren ihr Erinnerungsver-
mögen. Trotzdem können sich die Personen lange an wichtige Ereignisse und Elemente
aus der Vergangenheit erinnern. Diese Erinnerungen beeinflussen ihr Verhalten. Zur
Förderung des Wohlbefindens und zum Verständnis des Verhaltens ist das Wissen um
diese Vergangenheit, die Erlebnisse und damit verbundenen Gefühle entscheidend. So
kann Erinnerungspflege zwischen den Menschen eine Brücke bauen und gleichzeitig
ermöglichen, dass die Personen Brücken zu Orten und Erfahrungen aus ihrer Vergan-
genheit bauen können. Dabei gibt es im Rahmen der Erinnerungswege viele verschieden
Wege bzw. Zugangsmöglichkeiten.
Insbesondere in Verbindung mit anderen Konzepten wie dem personenzentrierten An-
satz von Tom Kitwood stellt Biografiearbeit und Erinnerungspflege eine wichtige Basis
in der Umsetzung dar. So ist das Wissen um den Menschen und deren Lebensgeschichte
wichtig, um die Person zu sehen und deren Bedürfnisse wahrnehmen zu können.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
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8. Literatur- und Quellenverzeichnis
BMG. (2006). Rahmenempfehlung zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei
Menschen mit Demenz in der stationären Altenhilfe. Verfügbar unter:
https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/fa_redaktion_bak/pdf_publ
ikationen/Forschungsbericht_Rahmenempfehlungen_Umgang_Demenz.pdf
[22.12.2012].
Erlmeier, N. (2002). Alternspsychologie: Grundlagen für Sozial- und Pflegeberufe. In
Forschung, Studium und Praxis Schriften des Fachbereiches Sozialwesen der Fach-
hochschule Münster, Band 1. Münster: Wachsmann Verlag.
Jahn, S. (2008). Der Schlüssel zum Verstehen liegt in der Biografie verborgen. In M.
Schneberger, S. Jahn & E. Marino (Hrsg.), >>Mutti lässt grüßen…<< Biografiear-
beit und Schlüsselwörter in der Pflege von Menschen mit Demenz (S.43-67). Hanno-
ver: Schlütersche Verlagsgesellschaft.
Lindmeier, C. (2006). Biografiearbeit mit geistig behinderten Menschen. Ein Praxis-
buch für Einzel- und Gruppenarbeit. Weinheim und München: Juventa.
Marino, E. (2008). Schlüsselwörter in der Erinnerungspflege. In M. Schneberger, S.
Jahn & E. Marino (Hrsg.), >>Mutti lässt grüßen…<< Biografiearbeit und Schlüs-
selwörter in der Pflege von Menschen mit Demenz (S.68-91). Hannover: Schlüter-
sche Verlagsgesellschaft.
Osborn, C., Schweitzer, P. & Trilling, A. (1997). Erinnern. Eine Anleitung zur Biogra-
fiearbeit mit alten Menschen. Freiburg im Breisgau: Lambertus.
Schacter, D. (2001). Wir sind Erinnerung. Gedächtnis und Erinnerung. Retnbek:
Rowohlt.
Senioren-Residenz Niederweiler Hof. (k.D.). Biografiebogen. Verfügbar unter:
http://www.sr-niederweiler-hof.de/daten/biografie.pdf [11.01.2013].
Specht-Tomann, M. (2009). Biografiearbeit in der Gesundheits-, Kranken- und Alten-
pflege. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
Squire, L & Kandel, E. (1999). Gedächtnis. Die Natur des Erinnerns. Heidelberg: Ber-
lin.
Trilling, A., Bruce, E., Hodgson, S. & Schweitzer, P. (2001). Erinnerungen pflegen:
Unterstützung und Entlastung für Pflegende und Menschen mit Demenz. Hannover:
Vincentz.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
37
Anhang B: Methoden der Erinnerungspflege
Tabelle 2.
Methoden der Erinnerungspflege (Grzegorzek, 2012 in Anlehnung an Osborn, Schweit-
zer & Trilling, 1997, S.41-62).
Methoden Beschreibung
Zeichnen, Malen,
Collagen
Die Personen malen gemeinsam oder einzeln Bilder. Durch das
Malen z.B. zu bestimmten Themen werden auf eine andere Art
und Weise Erinnerungen hervorgerufen.
Sinnliche Anregung
Diese können Gegenstände, Gerüche, Fotos, Bilder oder Bewe-
gungen sein, die mit bestimmten Ereignissen aus dem Leben
verbunden werden. Wird ein altes Bügeleisen auf den Tisch
gestellt in einer Gesprächsrunde älterer Damen, so kann es ein
guter Reiz sich an die frühere Hausarbeit zu erinnern. Gleich-
zeitig stellt das Bügeleisen einen Anlass dar, sich gemeinsam
über in der Gruppe oder mit anderen über die Probleme und
Handhaben der Hausarbeit in früherer Zeit zu unterhalten.
Visuelle Anreize unterstützen die Erinnerung an besondere
Momente im Leben. Das Hochzeitsfoto einer Frau kann bei
dieser wieder eines der schönsten Augenblicke ihres Lebens
hervorbringen und das Wohlbefinden, wie auch Freude auslö-
sen.
Gedichte, Gebete,
Lieder, Redewen-
dungen
Gedichte und Lieder sprechen meist die emotionale Ebenen der
Menschen an. Meist mussten die älteren Personen Gedichte in
ihrer Schulzeit auswendig lernen und kennen diese bis heute.
Das gemeinsame Singen stärkt dabei das Zugehörigkeitsgefühl
des Einzelnen.
Lieder, Gedichte und Redewendungen sind meist auch noch
dann abrufbar, wenn die Menschen an einer Demenz erkrankt
sind und diese fortgeschritten ist. Somit können diese Ge-
sprächsauslöser oder Erinnerungsreize verwendet werden, wenn
andere Methoden nicht mehr möglich sind durch die kognitiven
Einschränkungen der Betroffenen.
Schlüsselworte Zu bestimmten Themen Schlüsselworte verwenden, welche
ganz besonders die Erinnerungen ansprechen. Diese sind indi-
viduell zu bestimmen.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
38
Anhang C: Fallbeispiel
Im Folgenden wird das Fallbeispiel von Frau Müller vorgestellt. Mithilfe dieses Bei-
spieles wird versucht, die Bedeutung und Relevanz der Biografiearbeit sowie der Erin-
nerungspflege zu verdeutlichen. Frau Müller leidet an einer Demenz und wohnt im Al-
tenpflegeheim Leonardostift. Es handelt sich um ein fiktives Fallbeispiel.
Fallbeispiel Frau Müller
,,Frau Müller ist 70 Jahre alt und wird oft von ihrer 91-jährigen Mutter besucht. … Frau
Müller befindet sich im dritten Stadium der Alzheimer Erkrankung. Die Aufgaben des
täglichen Lebens kann sie schon lange nicht mehr bewältigen. Sie benötigt in allen Din-
gen des täglichen Lebens Hilfe. Ihre Sprachfähigkeit ist schon fast erloschen, es bleibt
nur noch eine unverständliche Sammlung von Worten. In der letzten Zeit wird die Spra-
che immer mehr zum Gesang einzelner Laute.‘‘(Marino, 2008, S.73)
Nach Aussagen der Pflegekräfte, scheint es Frau Müller lediglich Nachts nicht gut zu
gehen. So schläft sie sehr unruhig oder schläft erst gar nicht ein. In manchen Nächten
schreit Frau Müller ohne offensichtlichen Grund. Diese Problematik tritt immer nur
nachts auf und an Tagen, an denen die 91 jährige Mutter von Frau Müller sie besucht
hat.
Nach einigen Gesprächen mit der Mutter stellt sich heraus, dass Frau Müller als Kind
immer Angst in der Dunkelheit hatte. Zu diesem Zweck erhielt sie früher von ihrer Mut-
ter einen Schutzengel.
Diese Information aus der Biografie von Frau Müller wird durch das Pflegpersonal ge-
nutzt, um die Situation zu verbessern. So wird nun jeden Abend ein Porzellanschutzen-
gel ihrer Mutter zur Unterstützung verwendet. Dieser Porzellanengel wird Frau Müller
gezeigt und mit den Worten: ,,Mutti lässt grüßen und wünscht eine gute Nacht‘‘auf ih-
ren Nachtschrank gestellt. Zudem wird ein Nachtlicht angemacht. Seit diesen Maßnah-
men schläft Frau Müller ruhig ein.
Biografiearbeit und Erinnerungspflege
39
Erklärung zur Erstellung der Einzelarbeit
Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne Benutzung
anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen di-
rekt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Die Ar-
beit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen Prüfungsbehörde vor-
gelegt und noch nicht veröffentlicht.
Ort, Datum Unterschrift
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