Der ärztliche Behandlungsfehler im Spannungsfeld zwischen medizinischem Versagen und juristischer...

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I. Zum Thema

DieArzthaftungbezeichneteinnachgeradeklassischesfeldinterdisziplinärerKooperation.DamitJuristenaufdiefra-ge,obdasobjektivescheiterneinerärztlichenBehandlungschadensersatzansprücheauslöstodernicht,eineauchnureinigermaßenstichhaltigeAntwortgebenkönnen,sindsieunweigerlichaufmedizinischenWissens-underkenntnis-standangewiesen.umsolcheAssistenzjedochangemessengewährenzukönnen,bedarfesumgekehrteinesausgefeil-tenRechtsprogramms,daszumindestdieNormalitätvonBehandlungssituationen hinreichend berücksichtigt undüberdiesvonvornhereindieLeistungsfähigkeitärztlichenHeilbemühenskorrektzurKenntnisnimmt. Istauchnureinesvonbeidemnichtgegeben,kanndaszusammenspielnichtfunktionieren.erwartbarefolgeistdanndiefluchtinjuristischeKonstruktionen,dieschonvonRechtswegenzumindesteigenartigsindundeinesmitsicherheitverfeh-len:nämlichdasproblemadäquateeinfangenderNöteso-wohlderärzte-alsauchderPatientenschaft.

Genaudiesistindesderstatusquo!zwarerkenntdiezivi-listischeHaftungsjudikatur,dieaufdiesemsektordasHefteindeutigindieHandgenommenhatundwissenschaftlicheBedenkenweithinignoriert,durchausdasPrekäreandemgemeintenInteressenantagonismus,dochlöstsiedenselbeneher mit scharfem schwert als mit einer subtilen Justie-rungderbeiderseitigenBelange.KulminationspunktistdieRechtsprechung,diejenachder„Qualität“desfestgestelltenBehandlungsfehlersentweder–undzwarmitdrastischemprozentualenÜberhang–diePatientenoderaberdieärzteimNebelderBeweislosigkeitstehenlässt.Dashatmanchebereitsdazuveranlasst,übereineersetzungderArzthaftungdurchentsprechendenVersicherungsschutznachzudenken1.ein derartiger Ausweg mag durchaus zeitgemäß in demsinnesein,dassbeiabnehmenderIndividualisierbarkeitvonHandlungs-undLebensrisikendieVersicherungs-zugleichalsangemesseneProblemlösungverstandenwird,diezudemdenJustizapparatnachhaltigentlastenwürde.ObdamiteinMehransozialerGerechtigkeitgeschaffenwäre,istfreilichnirgendwobelegt, denn dannmüssteman sich – soll dasGanzenichtaufeinsteuerfinanziertesunternehmenhinaus-laufen–wohlumzumindestgrobeRisikoeinschätzungenmitdemgemäßenPrämienkandidatenkümmern.ÜberdieslägedarineinemöglicherweiseallzuvoreiligeAbkehrvomzivilistischen Haftungsgedanken mit seinen beiden ziel-richtungen des schadensausgleichs und der schadensprä-vention2.Namentlichletzterewirdbekanntlichdurcheineversicherungsmäßige schadensabnahmenicht eben beför-dert,unddiesgiltumsomehr,wenndieselbegarnichtmehralsAbsicherungvonHaftungsansprüchenausgestaltetist.

Ausgangspunkt–umnichtzusagen:tragendeIdee–derklassischenIndividualhaftungistjadietrennungdesselbstzutragendenallgemeinenLebensrisikosvonzurechenbarer

Prof.Dr.iur.eikeschmidt,Kampworth7,37627stadtoldendorf,DeutschlandProf.Dr.iur.eikeschmidt,Kampworth7,37627stadtoldendorf,Deutschland

fremdeinwirkung,undesdrängtsichnachgeradeauf,dasdarauf beruhendeHaftungskonzept anhand der typischenBehandlungssituationmitdemAufeinanderprallenvonbe-reits angelegter schicksalhaftigkeit und der erwartung inderenmedizinischeMeisterbarkeitaufdenPrüfstandzustel-len.esistnämlichkeineswegsschonerwiesen,dassdessenansonstenfraglosunterstellteBegabung,Interessenkonfliktehinreichendauszutarieren,geradebeidieserKonstellationversagenmüsste.MithinsolltensichReformüberlegungenzurArzthaftungzumindestauch„aufeinefortentwicklungundeffektivierungdesgeltendenRechtskonzentrieren“3.

Das erfordert allerdings zunächst einmal eine Verge-wisserungdarüber,wasdennüberhauptdieBasisderhieralleininRedestehendenBehandlungshaftungausmachensoll, und hernach die situationsadäquate4 und deswegennichtunbedingtdensonstüblichenDenkmusternfolgendeKontrolledergängigenzurechnungskriterien.Andersge-wendet: zuallererst müssen wir uns um die tatbeständeärztlicherVerantwortlichkeitkümmernundsodannumdiedarausfolgendeAnpassungdesvorrätigenHaftungsarsenalsunter ständigerBerücksichtigung der konstellationsspezi-fischenAufklärungsmöglichkeitenbzw.-grenzen.

II. Haftungstatbestände

BevordieseAufgabenangepacktwerden,erscheintes in-desnützlich,denBlicknocheinwenigallgemeineraufdasjuristischetatbestandsdenkenundnamentlichaufdiezivi-listischeOrientierunganHaftungstatbeständenzulenken5.Nochohnejedwedespezifischefärbungkommentatbe-ständealsVoraussetzungfürdiebeliebigstenRechtsfolgendaher. In dieser generellen funktion versehen sie – auswelchen Gründen auch immer – die unterschiedlichstenGeschehensabläufe mit rechtlicher Relevanz, indem undweil sie daran juristischeKonsequenzen knüpfenwollen.WaszunächstnochalsgewissermaßenneutraleepisodeimWeltenlaufanmutet,wirdmitihrertatbestandlichenein-kleidungzumRechtsereigniserhoben.somutiertderto-desfallsogleichzumerbfallundkannetwaderBlitzschlagineinenVersicherungsfalleinmünden.esverbleibtmithinnichtmehrbeimbloßenschicksal,wennundsoweit sichdasRechtindasGescheheneinmischt.

DOI: 10.1007/s00350-007-2070-y

Der ärztliche Behandlungsfehler im Spannungsfeld zwischen medizinischem Versagen und juristischer Problembearbeitung– zu den unerlässlichen rechtsdogmatischen Vorgaben für eine verlässliche Konfliktbearbeitung –

Eike Schmidt*

MedR(2007)25: 693

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Au f s ät z e

*)DerAutorwarMitglied desDirektoriums des Instituts fürGe-sundheits-undMedizinrechtderuniversitätBremenundneben-amtlichzweiJahrzehntelangalsRichterinderu.a.fürArzthaf-tungssachenzuständigen1.zivilkammerdesLGsBremen tätig.–Reinhard Damm adfinemactivatisacademicaezugeeignet

1)DazuerstjüngstKatzenmeier,VersR2007,137ff.2)eingehendhierzuBrüggemeier,Haftungsrecht,2006,s.9ff.3)soauchKatzenmeier,VersR2007,143,imAnschlussanFrancke /

Hart,ChartaderPatientenrechte,1999,s.243.4)HieraufdieallgemeineBehandlungsfrageundnichtaufdenein-

zelfallbezogen.5)einigesdazuu.a.beiDeutsch,AllgemeinesHaftungsrecht,2.Aufl.

1996,s.31ff.

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zivilrechtlichgehtsolchetatbestandstechnikzumeistmitdemAuslösenbestimmterPflichtenunddiesenkorrespon-dierendenAnsprücheneinher6.Dasführtzueinerfolgen-reichen Personalisierung und Individualisierung. Die ih-rerseitsausihrerursprünglichenIndifferenzherausgeholtenVorfälle werden auf diese Weise auf bestimmte Personenbezogen;dastorzurindividuellenzurechnungwirdaufge-stoßen.spätestensjetztscheidet,sofernmanvonderPrivat-versicherungeinmalabsieht,auchaufderRechtsfolgeseitederVerbleibinderAnonymitätaus.DahinterstecktdiegernalsaltbürgerlichbelächelteIdeevonderpersönlichenVer-antwortung,diefreilichzweiseitenhat.Wederistschutzvor sämtlichen Wechselfällen des Daseins angesagt, nochmussesfatalistischhingenommenwerden,wennandereindeneigenenLebensbereicheingreifen.IndieserGemenge-lagedenkorrekten–willheißen:auchfairen–trennstrichzwischen eigen- und fremdverantwortung zu ziehen, istgewiss vornehmliches Amt eines zum einen auf privateAutonomiesetzenden,zugleichaberauchaufderensozial-pflichtigeeingrenzungbedachtenBürgerlichenRechts.

1. Deliktshaftung

AufdasDeutlichstetrittdieseserforderniseinerstimmigenJustierungdergegensätzlichenInteressensphärenimaußer-vertraglichenHaftungsrechthervor,anhanddessendarü-ber befunden wird, ob und inwieweit schäden, die einePersonerlittenhat,ausbenennbarenGründenindieAus-gleichungszuständigkeiteineranderenfallensollen.Geläu-figistindiesemzusammenhangdasMotto„casumsentitdominus“,demzumeistgareinenatürlicheVorrangigkeitbeigemessenwird7, die erst dannweichen soll,wenndiejeweiligeBeeinträchtigungnichtmehrals„zufällig“,son-dern eher als dasWerk außenstehender erscheint.Wirddiesbejaht,soistdamitallerdingsnochkeineentscheidungüber die fremdverantwortlichkeit getroffen. sie hängt– zumal in einer Risikogesellschaft – maßgeblich davonab,obbereitsdiebloßeRückführbarkeitaufeineexterneGefahrenquelledieschadensüberwälzunglegitimierensolloderobeinebesondereRiskantheiteinerunternehmungodereinesVerhaltenshinzutretenmuss.

a)Grundlagen

zueiner allgemeinenVerursachungshaftunghat sichbe-kanntlichschondeshalbniemandverstanden,weilsichdasschlichteKausalitätskriteriumstetsauchgegendenBetrof-fenen wenden müsste8. Herausgeschält hat sich vielmehreineArtvonzweispurigkeit9mitderVerhaltenshaftungalsdurchgängigemGleis,nebendemimechoaufdiezulas-sunggesteigerter,nichtzurGänze inMenschenhand lie-genderRisikennochdieGefährdungshaftungverläuft10.eshandeltsichdabeivorabfreilichnurumeinegrundsätzlichestrukturierung11,diekeineswegsbereitseine imÜbrigenvoraussetzungslose schadenskompensation verheißt. zuHaftungstatbeständen verdichten sie sich nämlich unterAbsageaneinenpauschalenBestandsschutzerstdurchdieBenennungkonkreterInteressensbereiche,derenWahrungindiefremde(Mit-)zuständigkeitgelegtwird,sowieunterAngabespezifischerAnforderungen,diedemDrittenan-gesonnenwerden.

soferneine„besondereGefahr“inRedesteht,wirddies-bezüglichgleichsamindoppelterenumerationvorgegan-gen.NureinvonGesetzeswegenspeziellinsAugegefasstesRisikopotential (z.B. Land- und Luftfahrzeuge, atomareBetriebe und stoffe usw.) kann Ausgangspunkt für eineHaftungdesHalters,Betreibers,Inhaberssein,diezudemnurdanneffektivwird,wennsichdasfraglicheRisikoineinerBeeinträchtigung12wiederumlegislativvorgegebenerschutzzonen,densog.Rechten(exemplarisch:eigentum)undRechtsgütern(allenvoran:Leben,Körper,Gesundheit)realisierthat.Ansolcherdasklassischetatbestandsprinzip

ausmachenden„einzäunung“13wirdansonstenauchdannfestgehalten,wennlediglicheinschadenstiftendesVerhal-tenzurDebattesteht.umaberauchhiernichtjedwede,ih-rerseitsjasogargrundrechtlichverbriefteAktivität(Art.2IGG)zumpotentiellenHaftungsauslöserzumachen,wirdderWiderstreitzwischenentfaltungs-undIntegritätsinter-essenaufdersubjektivenebeneangegangen.ersteinVer-halten,dasdemgedeihlichenNebeneinanderwiderspricht,gerätzumzurechnungsfaktor.AlsMesslattedientdie„imVerkehrerforderlichesorgfalt“(§276IIBGB).MitderenHereinnahmeinden§823IBGBwirddiezunächstziem-lich apodiktisch klingende Devise des neminem laederegewissermaßen relativiert.Ohnefahrlässigkeit,die aller-dingsunterbestimmtenumständen14vermutetwird,bleibtderBetroffeneseinemschicksalüberlassen.Dasanjeder-manngerichtetesignallautetmithinaufVerschuldenshaf-tung,dieihrerseitsaufIntegritätswahrungausgerichtetist.M.a.W.:Nicht jederÜbergriff ineine fremdesphärege-reichtzurHaftung,wohlaberderjenige,dereineexklusiveinemAnderen zustehendePositionnegativ tangiertundunterAufbietungverkehrsadäquaterDiligenzvermeidbargewesenwäre.

b)DieaußervertraglicheArzthaftung

Bezieht man nun diese strukturell ziemlich simple Bot-schaft auf die medizinische Behandlungssituation undkonzentriert man sich dabei auf die Gesundheitsbeein-trächtigung als den zentralen „Aufhänger“ für die nichtauf Aufklärungs- oder Organisationsmängel gründendeArzthaftungspflicht,soverfliegtdievermeintlicheKlarheitschnellinüberraschenderWeise.

α)KonturierungsproblemeDasbeginntschonmitdemin§823IBGBverwendetenGesundheitsbegriff, dessen hinreichende Konturierungdoch allererste Voraussetzung für eine passable Abgren-zungzwischenArzt-undPatientenverantwortlichkeitseinmüsste. stattdessen ist totale fehlanzeige zu vermelden15.DabeimagdieDefinitionderWHO,wonachGesundheitder zustand vollkommenen körperlichen, geistigen undsozialenWohlbefindensbedeuten solle16, eher als gutge-meinteAbsichtserklärungdennals rechtlichhandhabbareBenennung durchgehen. Doch auch im engeren juristi-schen fachschrifttum bewendet es bei eher offenen undsomit nicht abgrenzungstauglichen formulierungen, dieum„dasfunktionierenderinnerenLebensvorgängeohneRücksichtaufdieIntegritätderOrganeundKörperteile“kreisen17 und im Übrigen in eigenartiger Logik zumeist

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6) InbündigerKürzeZippelius,JuristischeMethodenlehre,8.Aufl.2003,s.28ff.

7) KritischdazuWeyers,unfallschäden,1971,s.485ff.8) s. nur Esser /Schmidt, schuldrecht – Allgemeiner teil, Bd.I,

8.Aufl.1995,§8IIa.A.9) sobereitsEsser,Jz1953,129ff.,mitBlickaufdasaußervertrag-

licheHaftpflichtrecht.10)zuderzumeistauchdieProdukthaftunggerechnetwird,wie-

wohldieselbemitdemHaftungsgrunddernichtvollbeherrsch-barenGefahrenquelleweniggemeinhat.

11) s.auchBrüggemeier (fn.2),s.12ff.12)Der an dieser stelle gängige Verletzungsbegriff wird aus erst

späterdeutlichzumachendenGründenbewusstnochnichtbe-nutzt.

13)KeinschadensersatzfürDrittbetroffene!14) Nämlich–wiedie§§831ff.BGBausweisen–beigewissenRisi-

kopotentialen,diezwarnochnichtzurAufnahmeindenKatalogderGefährdungshaftungsquellengenügen,wohlaberbesonderesicherungsvorkehrungendesGefahrzuständigenerfordern.

15)AusführlichdazuHeidelk,GesundheitsverletzungundGesund-heitsschaden,2005,s.31ff.

16) „stateofcompletephysical,mentalandsocialwell-being“.17)Vgl.etwaWagner,in:MüKo/BGB,Bd.5,4.Aufl.2004,§823,

Rdnr.17.

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bereitsausderVerletzungsperspektivegemachtwerden,in-demz.B.voneiner„störungderphysischen,psychischenodermentalenBefindlichkeiteinesMenschen“18dieRedeist oder davon, dass der „Ablauf der inneren Lebensvor-gänge“beeinträchtigtwerde19.VollendspragmatischwirdesinderarzthaftungsrechtlichenPraktikerliteratur,inderdieGesundheitdurchwegüberhauptnichtmehreigensan-gesprochenundderenBeeinträchtigungoffenbaralsnichtnäher zu problematisierendes Phänomen betrachtet wird.Dem entspricht zuguterletzt die Judikatur, die sich nir-gendwoexplizitmitdertatbestandlicheneingrenzungderGesundheitundihrerVerletzungbefassthat20.freilichbie-tetdiesbezüglichauchdieMedizinwissenschaftkeinehilf-reicheHand,wasdenVerfassereinereinschlägigenstudiegar zuderfeststellungveranlassthat,dass zumindestdasGros der niedergelassenen ärzte in seinem Gesundheits-verständnisnichtüberLaienniveauhinausreiche21.Dasbe-stätigt–eherunfreiwillig–wohlauchderPschyrembel,indem„das subjektiveempfindendesfehlenskörperlicher,geistiger und seelischer störungen oder Veränderungenbzw.einzustand, indemerkrankungundpathologischeVeränderungen nicht nachgewiesen werden können“ inAbsetzung von der WHO-formulierung als Gesundheiti.e.s. bezeichnetwird.Mit solcher subjektivierungwirddem vermeintlichen schutzgut nun vollends die trenn-schärfegenommen,aufdieeinaufdastatbestandsprinzipsetzendesDeliktsrecht angewiesen ist, um seiner funkti-oneinerhinreichendenAbgrenzungzwischeneigen-undfremdzuständigkeitauchnuransatzweisenachzukommen.

DochhatesdabeikeinBewenden!DienormaleBehand-lungssituation zeichnet sich ja just dadurch aus, dass derPatient(sic!)nichtimwieimmerauchverstehbarensinnegesund, sondern bereits erkrankt ist22, und zwar mit dertendenzzurAusweitungseinespathologischenzustands.DamitgeräteinweiteresessentiellesMomentderDelikts-haftunginsWanken,nämlichderVerletzungsbegriff.Die-ser wird gemeinhin23 i.s. einer Integritätseinbuße odereiner Verringerung des vorrätigen Bestands an RechtenoderRechtsgüternverstandenundorientiertsichinsoweitanstatischenzuständen,indiemitdemResultateinesMi-nus zum status quo ante eingegriffen worden ist. Genaudieses–nochnichtschadensrechtliche–DifferenzdenkenbereitetnunaberbeiderBehandlungschonangegriffenerOrganismenschwierigkeiten.zwarkönnenwirunsohneWeiteresvorstellen,dassaucheinebereitsversehrtesachenoch deliktisch geschützt ist, nämlich vor weiteren Be-schädigungen.Abgesehenvonderzurechnungsfrage,diesichbekanntlichvorallembeidensog.Weiterfresserschä-denstellt24,istdasMinusaberunschwersistierbar,weilderendzustand wiederum statisch ist. Demgegenüber findetdie im Behandlungsfall längst angelegte organische stö-rungkeinendermaßendefinitivenstillstand.sie istviel-mehr Ausgangspunkt für beliebige Weiterungen, denenunstrittigdurchmedizinischeInterventionnichtzwingendbeizukommenist.

spätestensjetztfragtessich,wasdannüberhauptdenob-jektivenDeliktstatbestandderBehandlungshaftungausma-chensoll,ohnedessenVorliegensichbeikorrektemdog-matischenVorgehendaseingehenaufdiesubjektiveebene,dieBehandlungsqualität,erübrigenwürde.Dabeikönnendiejenigenfälle, in denendurch ärztlichesHandeln völ-ligneueKrankheitsherdegeschaffenwordensind25,ebensovernachlässigtwerdenwiediejenigen,indenenanfalscherstelleoperiertwordenist26odereinVergreifenimMedika-mentenschrankzubisdatonichtvorhandenenorganischenstörungen bis hin zu Vergiftungen geführt hat. sie ma-chendieverschwindendeAusnahmeaus,wohingegensichdieweitausüberwiegendeAnzahldereinschlägigenKon-flikte dadurch auszeichnet, dass die AusgangserkrankungzwarGegenstandderärztlichenBemühungengewesenist,dieselbenjedochnichtdenpatientenseitserwarteten„Hei-

lungserfolg“ gehabt haben. Das hat Mertens27 immerhindazu veranlasst, den konventionellen Vergleich zwischendenbeidenzuständenvorundnachderBehandlungaufzu-gebenundstattdessendaraufabzustellen,mitwelchemRe-sultatmanbeiordnungsgemäßemmedizinischenVorgehenhätterechnenkönnen.AlsVerletzungerscheintdanndasunterschreitendiesessollzustands.

β)HereinnahmevertragstypischerAspekteDamit erhält die deliktische Arzthaftung allerdings einevöllig neueKomponente.Nichtmehr der dasRecht derunerlaubtenHandlungendocheigentlichprägendeAspektder Integritätswahrung steht im Vordergrund, sondernebenbesagterHeilungserfolg28,derimbestenfallaufWie-dergenesung–d.h. auf einen zuBehandlungsbeginngarnicht gegebenenzustand–hinausläuft und sich imÜb-rigenjedenfallsalsunterbrechungdessonstschicksalhaftenVerlaufs darstellt.Hinzu kommt die für dasDeliktsrechtgleichfalls atypische Verquickung des Verletzungstatbe-standsmitderVerhaltensqualität.Diesesichtweiseführtimeffektdazu, dass dieNichteinhaltungderprofessionellenBehandlungsstandardsnachgeradezumKonstitutivelementderDifferenzbetrachtung erhobenwird.Besonders deut-lichwirddiesetwabeiCanaris,deressogaralsunstreitigbezeichnet,„dassärztlicheKunstfehler…Gesundheitsver-letzungen i.s. des §823 I BGB darstellen“29. VermutlichtendiertauchdieJudikaturzudiesemstandpunkt,prüftsiedochindenhieralleinzurDebattestehendenNormalfällennirgendwoexplizitdasVorliegeneinerentsprechendenBe-einträchtigung.Vielmehrkonzentriertsiesichaufdiefest-stellungeinesärztlichensorgfaltsverstoßesundschließtvondaher,soferneinbesseresHeilergebniserwartbargewesenwäre,aufeinedemgemäßeGesundheitsverletzung30.

Die darin liegende Abkehr vom allgemeinen noli metangere und Hinwendung zur spezifischen salus aegrotii-zielrichtung der ärztlichen zunft soll hier nicht getadeltwerden. es fragt sich aber, ob der damit einher gehendeWechselvonderIntegritäts-zurLeistungsperspektivenichtrechtsdogmatisch besser eingefangen werden könnte. Dastraditionelle Deliktsrecht bot ja gewissermaßen nur denNotnagel, weil bis vor kurzem lediglich §847 BGB dasim Arzthaftungskonflikt dominante schmerzensgeld ver-hieß. Die seinerzeitigen BGB-Verfasser hatten jedenfallsdieBehandlungssituationüberhauptnicht imVisier31undgingenbeidervonihnenauchnichteigensumschriebenenGesundheitsverletzung offenbar davon aus, dass darunter

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18)Larenz /Canaris, Lehrbuch des schuldrechts, Bd.II 2, 13.Aufl.1994,§76II1a.

19)u.a.Katzenmeier,Arzthaftung,2002,s.111.20)einschlägigeAnalysebeiHeidelk (fn.15),s.69ff.m.ergebnis

s.85f.21) Franke, Die medizinischen Probleme des Gesundheitsbegriffs,

1970,s.87ff.22)Auch darauf weist Heidelk (fn.15), s.64ff., zutreffend hin.

s.auchdies.,KritV2005,137ff.23)IntensivereBefassungenvongenerellemGehaltmitdiesemBe-

griffsindnichtauffindbar.24)s. nur Kötz /Wagner, Deliktsrecht, 10.Aufl. 2006, Rdnrn.

149ff.25)Vgl.etwadieInfektionsfälleBGHz8,243ff.(Lues)u.BGHz

114,284ff.(HIV).26)z.B.wirddiegesundestattderkrankenNiereentnommen.27)Mertens,in:MüKo/BGB,Bd.5,3.Aufl.1997,§823,Rdnr.363;

vonWagner inder4.Aufl.nichtübernommen.28)s.auchWeyers,Vhdlgn.des52.DJt,1978,Bd.I,A21:misslun-

geneHeilung.29)Larenz/Canaris(fn.18),§76IIga.A.30)s.nochmalsdiein(fn.20),angeführteAnalysevonHeidelk.31) Weder die Motive noch die Protokolle geben etwas Anderes

her.

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eine extern veranlasste Integritätseinbuße – nicht andersalsbeidenübrigenimKatalogdes§823IBGBangeführ-tenschutzpositionen–zuverstehen sei.Derdamitkaumkompatibleerwartungshorizontdürfteihnenhingegenbeider außervertraglichenHaftungsregulierung fremdgewe-sensein,unddaslässtsichauchnichtdurchdieindiesemzusammenhangallseitsbemühteGarantenstellung32über-spielen.MitderfigurdesGarantenwirdausderVielzahluntätigGebliebenerderjenigeherausgenommen,demausden unterschiedlichsten Gründen ein aktives eingreifenangesonnenwird33.seinePassivitätwirdsozumjuristischrelevantenunterlassen.DamitverändertsichjedochnichtsamInhaltdesjeweiligenPflichtgebots.LautetesaufIntegri-tätswahrung,sobleibtesdabei.DieumpolungaufeineArtLeistungsakzentlässtsichzumindestnachkonventionellemDeliktsverständnisaufsolcheWeiseauchnichtfürdendieBehandlungaufnehmendenArztbewerkstelligen,zumal–wiehernachnochgenauerzubeleuchtenseinwird–derenerfolgnichteinmal„garantiert“werdenkann34.Dochda-mitbefindenwirunsbereitsimÜbergangzurvertraglichenVerantwortung,dernunmehrunserAugenmerkgilt.

2. Vertragshaftung

Auchbeiihristesvorderhandnützlich,sichderAusgangs-punkte zu vergewissern, von denen aus in verständigerKonsistenz an den Interessenabgleich zwischen den Be-teiligten herangegangen werden kann35. Nunmehr prägtnichtmehrdasaufeingriffsvermeidunggerichtete,exlegeregulierte Nebeneinander die jeweiligen Beziehungen,sondern das prinzipiell auf freiem entschluss beruhendeundprimäraufVeränderungzielendeMiteinander36.Diezäunesindgewissermaßenfürkurzezeit,ggf.aberauchauflängereDauerentferntworden,unddaserfordertna-türlicheinegegenüberdemDeliktsrechtgrundlegendneueRisikoabstimmung. solches zeigt sich bereits dort, wozwarnachwievorIntegritätsinteresseneineRollespielen,deren Verletzlichkeit jedoch wegen des mit Vertragsvor-bereitung und -schluss einher gehenden gesteigerten so-zialenKontakts37 erheblichzugenommenhat.Daraufhatder Gesetzgeber nach einer mit dem stichwort „positiveVertragsverletzung“ gekennzeichneten richterrechtlichenArrondierung bekanntlich in der Weise reagiert, dass erunter erweiterung der genuin deliktsrechtlichen schutz-positionen um den Vermögensbestand in §241 II BGBdie Bewahrungspflichten auch mit obligationsmäßigemCharakterversehenhat38.Dassdarinnichtnureine aka-demischeRemedurliegt,wirdspätestensanderPersonal-verantwortlichkeitsichtbar,dernichtmehrmitdement-lastungsbeweisnach§831I1BGBbegegnetwerdenkann,sonderndieungeschmälertnachMaßgabedes§278BGBzutragenist.Dochinteressiertdiesinunseremzusammen-hangeheramRande,weildieBehandlungssituationbereitsabovowenigbisgarnichtsmitderklassischenschutzper-spektivegemeinhat.NatürlicherwartendiePatienten,dasssichihreLagedurchdieärztlicheInterventionnichtnochzusätzlichverschlechtert.IhrHauptanliegenistundbleibtjedoch eine – gemessen an einem ungezügelten Krank-heitsfortlauf–zustandsverbesserung.

a)Grundlagen

Dies aber führt zum eigentlichen Charakteristikum derVertragshaftung,die andieNichteinlösungeines recht-lichrelevantenVersprechensanknüpft,daswiederumaufdaserbringeneiner–wieauchimmergearteten–Leis-tung lautet. Die daraus resultierende stoßrichtung un-terscheidetsichfundamentalvonderauffortbestanddesstatus quo zielenden Deliktsparole. Die von dieser ein-gefangenen erhaltungsinteressen werden abgelöst durchvom Inhalt der jeweiligen Abmachung abhängige Ver-änderungs-bzw.erwartungsinteressen.Damitwird zu-

gleichdiefürdieaußervertraglicheHaftungsignifikanteOrientierung an schutzgüterkatalogen aufgegeben. Dienunmehr inRedestehendenVerantwortungstatbeständefolgendenindasBeliebenderParteiengegebenenLeis-tungszusagen, sie sind gewissermaßen deren echo. fürunsere zwecke genügt es freilich, die beiden Hauptak-zentehervorzukehren.DaseineMalgehtdasVersprechenaufdieHerbeiführungeinesbestimmtenerfolgeszumeistgegenständlicher Art39, zum anderen auf die Vornahmevontätigkeiten,diezwaraufdieBegünstigungeineser-folgsgerichtetseinmögen,desseneintrittabernicht„ga-rantieren“könnenoderauchnursollten.Jenachsolchererfolgsbetonungverläuftdennauchdaskorrespondieren-deHaftungsmuster.

Wird gegenständliche erbringung geschuldet, wasi.d.R. auch die einhaltung der versprochenen Qualitätumfasst40, so gilt jedwedes Minus – von der Nicht- bishin zur schlechtleistung– als objektiveVertragswidrig-keit, deren haftungsmäßigenKonsequenzen der schuld-ner, sofern dasObund dieMangelfreiheit der Leistungnichtsogarunbedingtzugesagtwordensind,nurnochmitdem Nachweis entgehen kann, dass das scheitern nichtan ihm gelegen habe. Das ist jedenfalls die aus §280 IBGBersichtlicheund in§§281–283BGB lediglichmo-difizierte Grundaussage. Aus ihr folgt, dass die im un-terschreiten des Vertragssolls liegende LeistungsstörungdenobjektivenHaftungstatbestandausmachtunddassandessenVerwirklichungeineVerschuldensvermutung zu-lastendesLeistungspflichtigenangeschlossenwird41.Da-mitsinddieRisikozoneneinigermaßendeutlichvonein-ander abgegrenzt. In ersterLiniehatderschuldner sein„Leistungsrevier“zubeackern.Beschaffung,Herstellung,Übereignung und Überlassung liegen einschließlich desQualitätsobligosinseinerHand,unddemgemäßistauchdas Maß seiner Anstrengung ausgestaltet, das sich nachden jeweiligen Verkehrserwartungen richtet42. Überdieswirder,daersichjaausfreienstückenindie„Lieferan-tenrolle“begebenhatundzudemnäheramLeistungsge-schehenbefindet,mitderAufklärungslastbefrachtet.erstwennnichtbeherrschbareAußeneinflüssenegativaufdenerbringungsversuch eingewirkt haben oder derselbe gar

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32)statt aller Steffen /Pauge, Arzthaftungsrecht, 10.Aufl. 2006,Rdnr.89.

33)Näheres bei Esser /Schmidt, schuldrecht – Allgemeiner teil,Bd.II,8.Aufl.2000,§25III2.

34)DassderGarantkeiner(mehr)ist,wennerdaszuVermeidendenichtmit sicherheit hintanhalten kann, ist übrigens spätestensbeiderDimensionierungseinerPflichtenallgemeinanerkannt.

35)Grundsätzlich zur Vertragshaftung Esser /Schmidt (fn.33),Kap.5.

36)Der damit nicht unbedingt konforme vertragliche Drittschutzkannhiergetrostvernachlässigtwerden.

37)Grundlegend Ballerstedt,AcP151(1950/51),501ff.38)Dazu in aller Kürze Schmidt, schuldverhältnis, 2004, Rdnrn.

25ff.,45ff.39)z.B.Lieferungeinersache,HerstellungeinesWerks,aberauch

zahlungvonGeld.40)DiestetsgleichermaßenrelevantezeitlicheDimensionistfürun-

sereAbsichtenohneBelang.41) eherbeiläufigergibtsichübrigensdaraus,dassdieunmöglich-

keitentgegenderh.M.–repräsentativEmmerich,DasRechtderLeistungsstörungen,6.Aufl.2005,§2–garkeineneigenständi-genLeistungsstörungstatbestandausmacht. IhrVorliegen führtzwarzurentbindungvonderprimärenLeistungspflicht,nichtaber–wie§§283,311aBGBdennauchklarstellen–zumvorzei-tigenHaftungsausschluss.InsofernmagsieeindurchaushäufigerfaktischerGrund(vonderzerstörungüberdieIrreparabilitätbishinzurzeitüberschreitung)fürdiemangelhafteVersprechens-einlösungsein,andiealleinjedochdieersatzzuständigkeitge-knüpftist.

42)zueinschlägigenökonomischenAspektenWehrt /Schäfer,KritV1992,358ff.,374ff.

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durchausderGläubigersphäreherrührendefaktorentor-pediertworden ist, ändern sichdieHaftungsvorzeichen.Dann fehlt es entweder am sorgfaltsverstoß oder wirdzumindesteineMitverantwortlichkeitdesGläubigersi.s.des§254BGBangenommen.

Durchaus anders liegen die Dinge hingegen bei densog. tätigkeitsschulden. zwar hat der Gesetzgeber of-fenbargemeint,auchsiezwanglosunterdenBegriffderPflichtverletzung43 bringen und – wie der als Ausnah-mevorschriftgedachte§619aBGBbestätigt–demzufol-geohneWeiteresderHaftungsstrukturdes§280IBGBeinverleiben zu können44, doch wird schnell erkennbar,dassdieseeinheitsversionihretückenhat.Wennnämlichkeinerfolg,sondernallenfallseinHinwirkenaufihnver-sprochenwordenist,dannkönnenausdessenAusbleibenauchkeinerleischlüsseaufeineentsprechendeKompensa-tionszuständigkeitgezogenwerden.AbweichendvondenLeistungsstörungen, die zunächst einmal rein objektivdaherkommenundalssolchenochohneVerhaltensbezugsind45, fehltesmithindemaufbloßetätigkeitgemünz-tenVertragssollaneinemhartenHaftungskernundmussdeshalbdiezugehörigeVerantwortlichkeittatbestandlicheigenständigbestimmtwerden.AmehestenmagsichnochdiepraktischallerdingsseltenanzutreffendePassivitätderlegislatorischenGenerallinienähernmitderKonsequenz,dassbereitsdasAusbleibendergeschuldetenHandlungzurobjektivenVerantwortlichkeitunterdemVorbehaltgenü-genderentschuldigungführt46.Beiausgeführtertätigkeitmit–ausGläubigersicht–negativemAusgangisthinge-gen,weil ihrerfolgreichesendeebennichtversprochenworden ist, eine derartige tatbestandsgliederung nichtmöglich.folglichkannnichteinobjektivierbaresMinusden„Haftungsanker“ausmachen.VielmehrmussmangelssonstvorrätigerKriteriendieQualitätdertätigkeitsleis-tung zum Bezugspunkt der Risikozuordnung erhobenwerden.Dasbedeutet,dasserstundalleindieschlechter-bringungi.s.einesunterschreitensdernach§276IIBGBgebotenen sorgfalt die Pflichtverletzung ausmacht unddemzufolgeauchkeinRaumbleibtfürdiein§280IBGBvorgeseheneDifferenzierungineinevomGläubigernach-zuweisende objektive tatbestandsverwirklichung undeinevomschuldnerzubelegendesubjektiveentlastung47.ÜberraschenderweiseverhältsichdiejuristischeKommen-tar-undLehrbuchliteraturhierzuäußerstreserviert,undauch im sonstigen schrifttum wird die Kongruenz vonPflicht-undsorgfaltsverletzungbeidenhierbesondersre-levantenDienstleistungennurgelegentlicheingeräumt48.WirhaltengleichwohldaranfestundweisenzugleichaufeineunshernachnochbeschäftigendeImplikationhin:Daderzwarerhoffte,jedochnichtversprocheneerfolgnichtzumtatbestanddertätigkeitshaftungzählt, gehört seinsich inwelcherWeise auchmanifestierendesAusbleibenauchnichtzurHaftungsbegründung!

b)DievertraglicheArzthaftung

DamitistderBodenbereitetfürdasAusmessenderVer-antwortungsbereichezwischenArztundPatientimRah-meneinesBehandlungsvertrags.AuchhierrichtetsichdieHaftungs-undRisikozuständigkeitzuallererstnachInhaltundReichweiteder konkretenVerabredung.Wird etwaeine Operation als völlig gefahrlos hingestellt und hin-zugefügt,danachwerdealleswiederbestenssein,sokanndarinu.u.eineGarantiedesArztesgesehenwerden,dieeinenstreitüberdasVerschuldenentbehrlichmachtundüberdiessogardenHinweisaufüberraschendeKomplika-tionenversperrt.AuchmagesdurchausBehandlungsme-thodengeben,diesoausgereiftsind,dasssieumfassenderKontrolleunterliegenund–zumalbeileichterenBefind-lichkeitsstörungen – gemeinhin zu vollständiger Gene-sungführen.Daskanndannggf.sogardieAnnahmeeinesWerkvertragsrechtfertigen.

α)DiePflichtenstellungDieNormalitätwirdvonsolchenfällenfreilichnichtab-gebildet.sieliegtvielmehrdarin,dassbeimPatientendasLeidenbereits ausgebrochen ist undder vondiesem auf-gesuchte Mediziner zunächst nicht einmal über Art undumfang der Krankheit Bescheid weiß, geschweige dennüber die erfolgsaussichten einer noch einzuschlagendentherapie.unterdiesenRegelumständenlässtdieÜbernah-mederBehandlungohnefalscheHoffnungenerweckende„Begleitmusik“ lediglich auf die Bereitschaft des Arztesschließen, sich der Angelegenheit konstruktiv anzuneh-men;undausPatientensichtwirddiesvondererwartunggetragen,dassdabeilegeartisvorgegangenwerde.Darüberhinaus gehende Vorstellungen, wenn sie denn überhauptzursprachekommen,findenjedenfallskeineneingangindieAbmachungen.schongarnichtwirddernatürlichstetsvorhandene Genesungswunsch zur rechtlich fundiertenPflichtaufgabe gemacht. Die juristischen Konsequenzensindeindeutigundwerdendennaucheinhelliggezogen:DerArztvertraghatDienstleistungscharakter49,unddamithandeltessichbeimärztlichenBehandlungsobligoumeinereinetätigkeitsschuld50,diezwaraufdassachgerechteBe-mühenumeineGesundungdesPatientenoderwenigstenseineLinderungdesKrankheitsverlaufsgerichtetist,derlei„erfolge“jedochnichteinbegreift.

DiedogmatischenKonsequenzendrängensichnachgera-deauf:MateriellrechtlichmarkiertderBehandlungsfehlerdiePflichtverletzungi.s.des§280I1BGB;unddadieserinderNichteinhaltungdergebotenenmedizinischenVor-gehensweisebesteht,diezwanglosalsarztspezifischeVer-siondesin§276IIBGBals„Vertretungsmoment“genann-tensorgfaltsverstoßesverstandenwerdenkann,bleibtauchhierfürdasmit§280I2BGBangepeiltesplittingkonzeptkeinRaum51.Auf dieVersuche, dasselbe gleichwohl da-durchzu retten,dass anhandeinerDifferenzierungzwi-schenäußererundinnerersorgfaltdieNachweisobliegen-heiten zwischen Patienten und ärzten „gesetzesgemäß“aufgeteilt werden52, braucht an dieser stelle nicht nähereingegangen zuwerden.ungleich bedeutsamer ist näm-licheinAnderes:erschöpftsichdertatbestanddermedi-zinischenPflichtverletzungbeimHeilbehandlungsvertragim Behandlungsfehler, so ist mit dessen feststellung dieHaftungsgrundlagegegeben.AllesWeiteregehörtzudenVerletzungsfolgen,worauserhellt,dassauchdieGesund-heitsbeeinträchtigung53 kein element der Haftungsbe-gründungdarstellt!

MedR(2007)25: 697schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld

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43)AusführlicheDarstellungbeiMückl,JA2004,928ff.;Wilhelm,Jz2004,1055ff.

44)DengesamtenvonCanaris unterdemtitel„schuldrechtsmoder-nisierung2002“zusammengestelltenMaterialien istnichtein-maleinHaucheinerProblematisierungobsolcherPauschalitätzuentnehmen!

45)AndersfreilichSchäfer,JA2003,600ff.,inVernachlässigungdesumstands,dassbeimRücktritt,der in§323BGBhinsichtlichseinerobjektivenVoraussetzungeninbewusstemeinklangzumKonzeptder§§280ff.BGBausgestaltetist,dieVerhaltensdimen-sionkeineRollespielt.

46)Über die Letztzuständigkeit zur schadenstragung wäre damitfreilichauchnochnichtentschieden.

47)ergänzendnochSchmidt (fn.38),Rdnrn.193f.48)AusjüngsterzeitistLorenz,Jus2007,213,214,zunennen.49)stattallerWeidenkaff,in:Palandt,BGB,66.Aufl.2007,einf.vor

§611,Rdnr.18.50)VertiefenddazuKatzenmeier (fn.19),s.99ff.51) IndieseRichtungwohlauchBGH,NJW2003,2311ff.,unter

VerweisaufBGHz113,297,303f.52)s. namentlich Deutsch, Jz 2002, 588, 590ff.; Spickhoff, NJW

2002,2530,2535ff.53)Wieauchimmersienochzukonturierenseinmag;dazuhernach

subγ.

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β)BeweisrechtlicheKonsequenzenebendiesmüsstesichnatürlichauchaufdiebeweisrecht-lichenAnforderungenauswirken.Verstehtman–wieall-gemeinanerkannt54–daszusammenspielder§§286,287zPO dahin, dass §286 zPO namentlich die Haftungs-grundlegung betrifft, wohingegen sich §287 zPO derHaftungsfolgenannimmt,sowärendiedarauswiederumresultierendenunterschiedlichenBeweismaßevorgezeich-net. Lediglich der ärztliche Missgriff müsste mit „an si-cherheitgrenzenderWahrscheinlichkeit“55belegtwerden,wohingegendessenAuswirkungennurmitüberwiegenderWahrscheinlichkeitnachzuweisenwären56.MithinnähmeauchdieermittlungderKausalitätzwischenBehandlungs-fehlerundHeilungsfehlschlaganderHerabsetzungdesBe-weismaßesteil.

AufdenerstenBlickerscheintdiesesResultatgewissge-wöhnungsbedürftig,zumal§287IzPOschonnachseinemWortlauteindeutigaufeinenschadenunddessenentste-hungbzw.dessenumfangabstellt.DaskorrespondiertmitdergeläufigentrennungzwischendemHaftungsrecht,dassichumdasentstehenderjeweiligenAnsprüchekümmert,unddemschadensrecht,dasderenAusfüllunggewidmetist,undesentsprichtderu.a.aus§280IBGBsowieaus§823IBGBersichtlichenzweigleisigkeit,derzufolgederschadenundseinersatzimAnschlussaneinePflicht-,Rechts-oderRechtsgutsverletzungalspotentielleRechtsfolgethemati-siertwird57.Legtmandieszugrunde,soerscheintalleindiemonetäre Haftungsausfüllung dem §287 zPO vorbehal-tenzuseinundallesihrVorangehendeausschließlichunter§286zPOzufallen–alsoauchdieGesundheitsbeeinträch-tigung,diejedenfallsnichtzwanglosderRechtsfolgeseitezugeordnetwerdenkann.tertiumnondatur?

Dassdieser„dritteWeg“dochirgendwieeröffnetwer-denmuss,lässtdieeinschlägigeArzthaftungsjudikaturdesBGHselbsterkennen,diesich–wenngleichohnedogma-tischenAusweis–seitlangemvonderdaszusammenspielder§§286,287zPObeherrschendenBegrifflichkeitverab-schiedethat58.Daswirdvorallemamterminus„Gesund-heitsschaden“ sichtbar,mit demnicht etwadie sichnach§§249ff. BGB richtende Kompensation materieller ein-bußenundimmateriellerNachteilegemeintist.Vielmehrwerden darunter diejenigen physischen und psychischenWeiterungen verstanden, die aus einer „unmittelbarenGesundheitsverletzung“ resultieren59. solche sekundärenBeeinträchtigungen,dienachklassischerVorstellungnochdemVerletzungsbereichzuzuordnenwären,geratensozu„folgeschäden“, die dann konsequent unter §287 zPOverortetwerden60.

Mag dieserterminologiewechsel auch fragwürdig undaus sichherauskaumüberzeugendsein, sowirdmit ihmdocheinegewissesensibilitätdafürerkennbar,dassbeidergescheitertenärztlichenHeilbehandlungdergängigeDua-lismusoffenbarzukeinerangemessenenRisikoverteilungführt.zumindest ist er das signal für ein eigenständigesBetrachtungserfordernis,zudemdannallerdingsauchdiedurchaus vorhandenen dogmatischen Gründe offengelegtwerdensollten,dieletztlichsogardieeinigermaßenkünst-lichanmutendeDifferenzierungzwischenPrimär-undse-kundärverletzungenentbehrlichmachenkönnten.

γ)MedizinischesVersagenundherkömmlicheVerletzungsauffassungDazuistandasbereitserarbeiteteanzuknüpfen.Dietradi-tionelleVerletzungs-undschadensdistinktionlebt,soweitesumdieIntegritätswahrunggeht,vomunserHaftungs-rechtauszeichnendenenumerationsprinzip(s.oben,subII.1.a)),dankdesseneinpauschalerVermögensschutzausge-schlossenunddas an sichbei jedermannvorhandene In-teresseankompletterBesitzstandswahrungaufdiejenigenschadenszufügungen reduziert wird, denen ein eingriffineineexklusivzugewieseneRechtspositionvorangegan-

gen ist61. Die damit bezweckte Risikoeingrenzung wirdvon dem Gedanken getragen, dass in einer industriellenMassengesellschaft, die zudem auf freie entfaltung undökonomischeKonkurrenzsetzt,nichtschonjedwedeBe-einträchtigungzumAuslöservonersatzpflichtengemachtwerdenkann.Vielmehrbedarfesdazueinergewissensozi-altypischenOffenkundigkeitderzugangsbarrieren62,dieeserlaubt,„aufGrundderWahrnehmbarkeitdesbetreffendenGegenstandes auf den schutz des entsprechenden Rechtsbzw.Rechtsgutszuschließen“63.DasssolcheAbgrenzungmitihreruniversellenWarnfunktionbeiderHeilbehand-lungwenigsinnmacht,brauchtnachdemvorhin(s.oben,subII.1.b)α))Gesagtennichtmehreigensnachgewiesenzuwerden.Bei ihrgehtesvonvornhereinnichtumdiesicherungvorunbotmäßigenÜbergriffenundzumalnichtalleinumBestandserhaltung.folglichfügtsichdieDurch-kreuzungderGesundheiterwartungenganzgenerellnichtindasdeliktsrechtlicheVerletzungsschema.

Das gilt übrigens auch hinsichtlich der obligationsmä-ßigen,nunmehrin§241IIBGBbeheimatetenIntegritäts-wahrung.zumindestbezüglichderdortgenanntenRechteundRechtsgüter64ergibtsichkeinerleistrukturelleVerände-rung.ImGrundehandeltessichbeidenfraglichenschutz-pflichtennachwievorumsolchedeliktischenursprungs,deren Hereinnahme in den Vertragskonnex bekanntlichdiePosition des schutzberechtigten verstärken soll: näm-lich zumeinen viaAblösung des §831BGBdurch §278BGB (Personalrisiko) und zum anderen perVeränderungderBeweislastverteilunghinsichtlichderVerschuldensfrage(§280I2BGBstatt§823IBGB).Darüberhinauserscheintes durchaus voreilig, die Heilbehandlungspflicht bei denschutzpflichten zu verorten65. Dagegen spricht ihr längst(s.oben,subII.1.b)β),2.b)α))erkannterLeistungscharak-terundderumstand,dassdieGesundunggeradenichtzumLeistungsprofilzählt.Diehierausfolgendeeinordnungalstätigkeitsgeschäft wäre revoziert, wenn man die auf derLeistungsebene nicht geschuldete Gesundung kurzerhandzumschutzzieli.s.des§241IIBGBerhebenwürde.

Wasmithinoffensteht,sinddieAntwortenaufdiefra-gen, wie bei bloßen tätigkeitsverträgen die klassischezweiteilunginVerletzungundschadenbzw.indieHaf-tungsbegründung und die imschadensfall alsRechtsfol-ge an sie anknüpfendeersatzverpflichtung bewerkstelligtwird66undinwieferndieGesundheitsbeeinträchtigungalsMinus gegenüber dem bei korrekter Behandlung erziel-barenHeilerfolgdarineinpassbaristodernicht.

HinsichtlichvonDienst-undArbeitsvertragalsdenvor-nehmlichenRepräsentantendieserGattungfälltvorderhandauf,dasseinGroßteilvonihnenüberhauptkeinensächlichen

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld698 MedR(2007)25:

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54)Vgl.etwaFoerste,in:Musielak (Hrsg.),zPO,5.Aufl.2007,§287,Rdnrn.4f.;sowieRosenberg /Schwab /Gottwald,zivilprozessrecht,16.Aufl.2004,§113II3.

55)zudieserformelu.a.BGHz53,245,255f.56)InsofernnachwievorgrundlegendArens,zzP88(1975),1ff.57)Auch §304 zPO folgt mit seiner Differenzierung zwischen

„Grund und Betrag“ eines Anspruchs noch dieser Aufgliede-rung.

58)s.bereitsmeineBemerkungenKritV2005,177,189.59)soschonBGH,NJW1970,1230f.;seitherst.Rspr.60)exemplarischBGHz132,341ff.u.137,142ff.61) s.nochmalsBrüggemeier(fn.2),s.12ff.62)DazugrundlegendFabricius,AcP160(1961),273,290ff.63)Larenz /Canaris(fn.18),§76I1b.64)Wegen der zusätzlich angeführten Interessen, deren Bewah-

rung nur auf eigens zu ermittelnde Vermögenssorgepflichtengestützt werden kann, Schmidt (fn.38), Rdnrn. 53ff., 196,215ff.,286f.

65)sou.a.Emmerich(fn.41),§22(2b).66)WasdieangegenständlichererbringungorientiertenLeistungs-

störungenangeht,istbereitsoben,subII.2.a),dazudasNötigegesagtworden.

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Objektbezug hat, sondern – wie etwa das Anwalts- odersteuerberatungsmandat – imWesentlichen auf die förde-rungvonVermögensinteressengerichtet ist.Indiesenundähnlichenfällenbereitetdassplittingkeinerleischwierig-keiten.DerfehlerhafteRatbzw.dieunzureichendeAufklä-rungbegründendieHaftung,undinderenGefolgeistder-jenigematerielleschadenzuersetzen,deraufdasunkorrekteVorgehenzurückzuführenist.Dabeiwirddavonausgegan-gen,dasssichderBetroffene,sofernerseinerseitsnochaktivwerdenmusste,andiezutreffendeempfehlunggehaltenhät-te67.Dochauchbeiobjektbezogenentätigkeitsabredenwienamentlich Bewachungs- und vergleichbaren Verträgen68istdietrennungzwischenHaftungsgrundlegungund-aus-füllungeherunproblematisch.DiehiereinschlägigenOb-hutspflichtenzielen,wenngleichsiealsLeistungsschuldda-herkommen69,aufIntegritätswahrungundkönnendeshalb,ohnedem§241IIBGBzuunterfallen,nachdessenzuvorerörtertem deliktsähnlichen Konzept behandelt werden.VertragsobligoistdieunterAufbringungdererforderlichensorgfaltzusicherndesacherhaltung,undinfolgedessenge-hörtderenVerfehlungzumVerletzungstatbestand.

VölligandersstellensichdieDingehingegendar,wenneineeinwirkung auf denGegenstand zurWiederherstel-lung seiner funktionsfähigkeit versprochen worden ist.Derartige Reparaturverträge70 werden zwar gemeinhinals Werkverträge qualifiziert71; sie sind aber wegen ihrerstoßrichtungamehestenmitdemHeilbehandlungsvertragvergleichbar. Misslingt die Instandsetzung, ohne dass diezu reparierende sache zusätzliche, zuvor nochnicht vor-handeneBeschädigungenerfahrenhat,soistbislangwohlnochniemandaufdieIdeeverfallen,inderausgebliebenenQualitätsverbesserungeineeigentumsverletzungzuerken-nenunddiesegarnochzurHaftungsvoraussetzungzuerhe-ben.AlleindieerfolgsbetonungkonstituiertdenobjektiventatbestandderPflichtverletzung;ohne siewürdederge-scheitertenodernichtzurGänzegelungenensachverbesse-rungkeineigenständigerPartbeiderHaftungsbegründungzukommen.umsomehrmussdiesfürdasAusbleibendesHeilungserfolgs gelten, das zwar landläufig als Gesund-heitsverletzungbetrachtetwird,inWahrheitjedoch–wiewir gesehenhaben–Gegenstand enttäuschter, aber ebennichtverbrieftererwartungenist.DermaßgeblicheGrundfür die mangelnde Konturierbarkeit und in deren Kon-sequenz für das fehlen einer „Gesundungsgarantie“ magnochmals72verdeutlichtwerden.erliegtinderbeiAufnah-mederHeilbehandlungbereitseingetretenenerkrankungmit regulärer Verschlechterungstendenz, der mit medizi-nischenMittelnnichtzwingendentgegengetretenwerdenkann.BeidieserKonstellationstößtderArzt–andersalsdersachreparateur–aufeinenlabilenstatusaegrotii,greiftalsoineinenunabgeschlossenenKausalverlaufein,demerdannmöglicherweisedurcheigenesVersageneinenweiterenur-sachenfaktorhinzufügt.JustdieseDoppelkausalität73mar-kiert die eigenartige Gemengelage, die sich der üblichenDifferenzbetrachtung entzieht und deretwegen wohl diePraxisdievermeintlicheGesundheitsverletzunginbemer-kenswerter umkehrung der tatbestandsvoraussetzungenüberhaupt erst zur sprache bringt, wenn sie zuvor einenBehandlungsfehlerfestgestellthat74.Dannaberwäreesnureinfolgerichtigerschritt,diesen–wiesubII.2.b)α)schonnahegelegt–alleinzurHaftungsgrundlegunggereichenzulassen.DassdieJudikaturihnbislangnurhalbherziggegan-genistunddiesog.PrimärverletzungennachwievordemhohenBeweismaßdes§287zPOunterwirft,hindert sieletztlich,dieeingangsangesprochenenundvonihransatz-weise durchaus erkannten Justierungsprobleme juristischkorrektundsachlichangemessenzubewältigen.DamitsindwirbeiderRechtsprechungzumgrobenBehandlungsversa-genangelangt,dienichtnuraufihredogmatischestringenzhin,sondernauchaufihreKorrespondenzmitmedizinwis-senschaftlichenerkenntnissenüberprüftwerdensoll.

III. Zum richterlichen Status Quo

DieseJudikatur,dieeinelangeVorgeschichtehat75,lässtsichfürunserezweckehinreichendmitdenbeidensätzenzu-sammenfassen,diederVI.zivilsenatdesBGHseinemur-teilvom27.4.2004(VIzR34/03)76vorangestellthat.„eingroberBehandlungsfehler,dergeeignetist,einenschadendereingetretenenArtherbeizuführen,führtgrundsätzlichzueinerumkehrderobjektivenBeweislastfürdenursäch-lichen zusammenhang zwischen dem BehandlungsfehlerunddemGesundheitsschaden.Dafürreichtesaus,dassdergrobe Behandlungsfehler geeignet ist, den eingetretenenschadenzuverursachen;nahe legenoderwahrscheinlichmachenmussderfehlerdenschadennicht“.Diesesen-tenzen sind offenbar der erkenntnis geschuldet, dass aufdem Behandlungssektor deterministische zwangsläufig-keiteneherseltenanzutreffensindundmanstattdessendas„Aufklärungsheil“ bei probabilistischen Verknüpfungensuchen muss, die sich der gewohnten Wenn-dann-Rigi-ditätweithinentziehen77.Werdendiedamitnotwendiger-weise verbundenen unsicherheiten nicht von vornhereinbeiderfestlegungderVerifikationsanforderungenberück-sichtigt,sobesagtdieszumindestfürdiehieralleininRedestehendeKonkurrenzzweierzurechnungskandidaten,dassdiePatientenseiteinderweitüberwiegendenMehrzahlderfälle keine Aussicht hat, den sog. Vollbeweis zu führen.um eben diese Lage zumindest abzumildern, haben dieGerichte den groben Behandlungsfehler zum Anlass füreinenunmehrradikaleBeweislastumstellung78erkoren.

PraktischbedeutetdiesfreilichkeineBewältigung,son-dernlediglicheineVerlagerungderdieserKonstellationim-manentenAufklärungsprobleme.siebestehenweiterundrühren„nachgeradeandieGrundfestendesBeweislastden-kens,das–durchausunabhängigvonderRisikoverteilung–zumindestimPrinzipdavonausgeht,dassderBelasteteeinefaireNachweischancehat“79.Wirdihmdiesevorenthalten,so läuft dies auf eine unangemessene Verkürzung seinermateriellen Rechtsposition80 hinaus, was wiederum allen

MedR(2007)25: 699schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld

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67)s.nurBGHz124,151,159ff.m.w.N.68)zur Haftungslage beim im BGB eigenständig geregelten Ver-

wahrungsvertrag Oetker /Maulzsch, Vertragliche schuldverhält-nisse,2002,§12DIII.

69)unddeshalb,dasoeinesonstnichtbestehendeGarantenpflichtübernommenwird,i.d.R.aucheigensentgoltenwerden!

70)zuihnengrundlegendMicklitz,DerReparaturvertrag,1984.71) statt allerBusche, in:MüKo/BGB,Bd.4,4.Aufl.2005,§631,

Rdnr.275.72) ImAnschlussandasbereitsoben,subII.1.b)α)Gesagte.73)Diesichübrigensvondersog.hypothetischenKausalitätdadurch

unterscheidet,dassdiesieauslösendeReserveursachezwarnach-weislicherfolgsgeeignetwar,jedochnichtmehrerfolgsrelevantgewesenist,wohingegenbeijenerbeideKausalfaktoren(bereitsumsichgreifenderKrankheitsherd,ärztlicherMissgriff)effektivzumBehandlungsresultatbeigetragenhabenkönnen.

74) Vgl. einweiteresMaldie infn.20zitierteuntersuchungvonHeidelk.

75)zu ihr eingehend Katzenmeier (fn.19), s.439ff., mit ausführ-lichenNachweisen;sowieSträter,GroberBehandlungsfehlerundKausalitätsvermutung,2006.

76)BGHz159,48ff.77)LehrreichMummenhoff,erfahrungssätzeimBeweisderKausali-

tät,1997.78)WohlbesondersimHinblickaufdieKritikvonLaumen,NJW

2002, 3739ff., ist derBGH (BGHz159, 48, 53ff.) von seinerfrüherenformulierung„Beweiserleichterungenbishinzurum-kehrderBeweislast“abgerückt.

79)soschonmeineformulierungeninKritV2005,177,192.80)Wenngleichnurvorsichtigangedeutet,dürftedieseinerdermaß-

geblichenGründefürdasurteildesBVerfGzurVaterschaftsfest-stellung(NJW2007,753ff.)gewesensein:DemVatermusseinVerfahreneröffnetwerden,mitlegalenBeweismittelnseinRechtaufKenntnisderAbstammungseinesKindesvonihmverfolgenzukönnen.

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Anlassdazubietet,dengewähltenLösungswegeinergehö-rigenstimmigkeitskontrollezuunterziehen.

1. Dogmatische Friktionen

DassbeieinerderartigenKontrollezunächsteinmalnachder dogmatischen Validität gefragt wird, liegt auf derHand. Gleichwohl sei eines von vornherein eingeräumt:DerRechtsprechungstehtesdurchausfrei,aufderihrvor-behaltenenebenederkonkretenRechtsanwendungeigeneRegeln zu bilden81, die nicht bereits in der auf abstrakteKonsistenzdesRechtssystemsachtendenRechtsdogmatikaufgehoben sind82.solcheAutonomiehat indesdort ihreGrenzen,wodas justizielleVorgehendensystemrahmensprengtoder–andersgewendet–denAnschlussandogma-tischeGrundaussagenverliert.Imfolgendenwerdendes-halbkeine singulärenKritikpunkteaufgegriffen83,zude-nenmandurchausunterschiedlicheHaltungeneinnehmenkann.DasAugenmerkgiltvielmehrdenjenigenPositionen,beidenenesmehralsfraglichist,obsieeineHeimstattimdogmatischenGesamtgefügefindenkönnen.

a)zumNachweisfehlendertatbestandsmäßigkeit

IndemderBGHdie„Primärverletzung“nachwievordemobjektiven Haftungstatbestand zuordnet, zugleich aberdem grob fahrlässig handelnden Arzt den Nachweis fürihre Nichtherbeiführung abverlangt, hat er ein juristischeinzigartiges und zugleich auch eigenartiges Konstruktgeschaffen.zwar sindunsmitdenRechtfertigungs-undentschuldigungsgründendurchausBeispielefürgewisser-maßenkupierteAnspruchsvoraussetzungengeläufig,denenderpotentiellersatzpflichtigenurmithilfeeinervonihmggf.zubelegendeneinwendung(Vorliegeneinereingriffs-befugnis,einhaltungder verkehrserforderlichen sorgfalt)begegnen kann, doch setzen die jeweiligen entlastungs-beweisestetsdieVerwirklichungeinerobjektivenRechts-verletzungvoraus.Letztere ist sogarunverzichtbareBasisfürdiedarangeknüpftenVermutungen.NichtsAnderesistnämlichgemeint,wenn imDeliktsrechtdavondieRedeist, dass die tatbestandsmäßigkeit die Widerrechtlichkeit„indiziere“,oderimVertragsrechtangenommenwird,dassausLeistungsstörungenaufdasVerschuldendesVerpflich-tetenzu„schließen“sei84.

MagmansichüberdiezutreffendenArgumentefürder-leiVermutungen, derenWiderlegungdenAnspruch vonAnbeginn torpediert (sog. anspruchshindernde einwen-dungen),auch trefflich streiten85, sohaben siedoch ihrengemeinsamen „Aufhänger“ im faktum eines als solcherfeststehenden Übergriffs durch gerade diesen Integritäts-oder Leistungspflichtigen. eben darum sei nochmals andiefunktionobjektivertatbeständeerinnert.siesteckengleichsamdieReviereab, innerhalbderergesetzlichver-briefte erhaltungs- und vertraglich legitimierte erwar-tungsinteressenvonjedermannodervonexcontractudazuAusersehenen zu respektierenbzw. zubefördern sind. IndiesemsinnebildensiedasKonzentratfüreineamsäch-lichen Verletzungsereignis orientierte fremdverantwor-tungundstellenbeiderVerhaltenshaftungzudemdenBe-zugsgegenstandfürdenjeweiligenPflichtenzuschnittdar.

WirdhingegenaufdenvorgängigenNachweisderobjek-tiven tatbestandsverwirklichung durch den in AnspruchGenommenen verzichtet, so geht jedwedeAbgrenzungs-kraftverlorenundentfälltdamitzugleichjeglicheVermu-tungsbasisalsunerlässlicheVorgabefüreinewieauchimmerauszugestaltende Beweislastumkehr. Nicht von ungefährgelangtmandannauchinpraxizueinemvölligirregulärenHaftungsaufbau, bei dem die Verschuldensfrage vor Ab-klärungdesobjektivenVerletzungsereignissesgestelltwird.Das„Grundübel“wirddamitnochmalsevident:MitdemeinbezugderGesundheitsbeeinträchtigungindentatbe-standwirdeinerseitsdievertraglichgeradenichtgefestigte

Heilungserwartungdochnochsymbolisiert,zumanderenjedoch–unddasistdasentscheidende–dieBeweislagederPatienten soverschärft, dassdiese ihr i.d.R.nichtnach-kommenkönnen.umdemwiederumzumindestpartiellabzuhelfen,kommtesmitdemNotnageldergrobenfahr-lässigkeitzueinemtotalenBruchmitderherkömmlichenDogmatik,der–dadaseigentlicheProblemdesfürbeideseitenzuhohenBeweismaßesfürdenKausalitätsnachweisnicht wirklich angepackt wird – auch zu keiner signifi-kantenVerbesserungdesInteressenausgleichstaugt.Letzt-lich führt deshalb nur die hier favorisierteHerausnahmederGesundheitsbeeinträchtigungausderHaftungsgrund-legung86 zu einer nicht nur dogmatikkonformen, son-dern–wiehernachnochzuzeigenseinwird–auchrisi-koadäquatensachlösung.Gleichwohlsollnochkurzaufdieherkömmlichefunktiondergrobenfahrlässigkeiteinge-gangenwerden,bedeutetdiesedochimBGH-Konzeptdasallesentscheidendeumkehrmoment.

b)zurtradiertenRolledergrobenfahrlässigkeit

DieBGB-VerfasserhabenbekanntlicheinallgemeinesVer-schuldensprinzipzurGrundlagederVerhaltenshaftungge-machtundsind–wiedie§§276I1,823IBGBauchheutenoch belegen – konsequent davon ausgegangen, dass dieIntensitätdesVerschuldenskeineneinflussaufdasOboderauchnurdasAusmaß87derersatzverpflichtunghabensoll.DasließsichfreilichnurfürdasDeliktsrechtdurchhalten88,wohingegenesfürdasVertragsrechtseitjehergeläufigwar,dasssichdieParteienauchaufdavonabweichendeRege-lungen89verständigenkonnten.zudemhatderGesetzgeberschonvonAnbeginnfürbestimmteObligationskonstellati-onen90AusnahmenvomundifferenziertenVerschuldenser-fordernis vorgesehen91 und damit neben der diligentiaquaminsuisdiegrobefahrlässigkeitzumregulärenHaf-tungseinstiegerhoben.NichtjedwedesVersehensollbereitsfürdieersatzzuständigkeitgenügen,sondern–wieesinst.Rspr.formuliertwird92–ersteinVerhalten,beidem„dieimVerkehrerforderlichesorgfaltinungewöhnlichgroßemMaßeverletztunddasunbeachtetgebliebenist,wasimge-gebenenfalljedemeinleuchtenmusste“.

DieBezugnahmeaufdiegrobefahrlässigkeitistdemnacheineigensverabredetesbzw.exlegestatuiertesMittelzurHaftungseinschränkungundstellt sich soalsVerlagerung

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld700 MedR(2007)25:

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81) DazueingehendBaufeld,Rechtstheorie37(2006),171ff.82)AlsBeispielmagetwadieJudikaturBGHz115,364ff.u.375ff.

zumsog.Reparaturbonus(biszu30%überdenersatzbeschaf-fungskosten)beiKfz-unfällenherhalten,diedogmatischwedergebotennochverpöntist.

83)InsofernseiaufKatzenmeier (fn.19),s.454ff.,hingewiesen.84)Bei den in §§831ff. BGB vorgesehenen entlastungserforder-

nissen ist es die Realisierung spezifischer Risiken, welche dieVermutungstützt,dassderGefahrzuständigesichnichtkorrektverhaltenhabe.s.bereitsoben,fn.14.

85)zudendamitgemeintenVerteilungsaspekten(u.a.Regel-/Aus-nahmeprinzip,verbindlichesVersprechen,besonderesachnähe,Gefahrenbereichslehre) inallerKürzemeine Darstellung in Jus2003,1007,1010.

86)tendenziellindieseRichtungHanau,DieKausalitätderPflicht-widrigkeit, 1971, s.134f. i.V. mit s.121ff., wenngleich ohnenähereseingehenaufdieKausalitätskonkurrenz.

87)Die im Jahre 1967 in einem Referentenentwurf des BMJ als§255aBGBvorgeseheneReduktionsklauselistniezurGesetzes-reifegediehen.

88)und nicht einmal dort, sofern die in §823 II BGB in Bezuggenommenen schutzgesetze ein qualifiziertes Verschulden be-nennen.

89)Biszurin§276IIIBGBgesetztenVorsatzgrenze.90)KurzeAuflistungbeiRöhl,Jz1974,521,523.91) zurBedeutungdes§680BGB(Notgeschäftsführung) fürden

zufälligamunfallortbefindlichenArzt interessantRoth,NJW2006,2814ff.

92)s.nurBGHz10,14,16.

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des eigentlich den schuldner betreffenden Risikos fürleichtesorgfaltswidrigkeitenaufdenGläubigerdar.Dog-matischgesehenmarkiertinalldiesenfällendieextremestandardunterschreitung überhaupt erst die Haftungszu-ständigkeit.DienormaleNachlässigkeitistjuristischirre-levant.DieMotivedafürliegenbeivertraglichenAbredenaufderHand.sieberuhenvorwiegendaufökonomischemKalkülundfindenihrendeutlichstenAusdruckinderKos-tenabsenkungdurchReduzierungdesPersonalrisikos.ImÜbrigensollen–ohnedassderGesetzgeberdieszueinerdurchgängigenDevisegemachthätte–unentgeltlichkeit,Altruismus undGefahrenabwendunghonoriertwerden93.einesichauchnurhalbwegsaufdrängendeNähezudiesenBeweggründen lässt sich inderBGH-Judikaturnichter-kennen,weshalbeineAnalogiemangelsjedwederRechts-ähnlichkeitvonvornhereinausscheidet94.GanzimGegen-teil!zumindestfürdenAGB-Bereichistmit§309Nr.7aBGBklargestelltworden,dass eineDifferenzierungnachVerschuldensgraden bei Gesundheitsbeeinträchtigungenverpöntist95;undinWahrheitwillauchderVI.zivilsenatdarannichtrütteln.zwarwirktseineRechtsprechungfak-tischso,alswürdendieärztebeiderKrankenbehandlungerstabgroberfahrlässigkeitersatzpflichtig.Indesgiltdieseben nur bei ungeklärterKausalität, nicht aber dort,woausnahmsweise die Verletzungsverantwortung der medi-zinischenseite festgestelltwerdenkann.NachallemlässtsichauchderVersuch,dieBeweislastumkehramschwerenArztversagen festzumachen, zumindest materiellrechts-dogmatischnichtbegründen96.

BeidiesemVerdiktsollesindeskeinBewendenhaben.Immerhinkönnte ja aucheine außer-odervorrechtlicheerkenntnisvorliegen,diesoüberzeugungskräftigist,dassihrdiejuristische„Adoption“nichtverwehrtwerdenkann.Dasgiltzumal,wennbeiLichtebesehengarnichtdasHaf-tungsprogrammalssolcheszurDebattesteht,sonderndes-senDurchsetzung imkonkretenKonflikt.Letzterehängtbekanntlich vorwiegend vom Vorhandensein tauglicherBeweismittel ab und wird spätestens dann zum sonder-problem,wenndienichtbeweisbelasteteParteinegativeneinflussaufdenerhellungsvorganggenommenhat97.undindertatstelltderBGHdezidiertaufdiesenGesichtspunktab,indemerdavonausgeht,dasseingravierenderBehand-lungsfehlerregelmäßigdieAufklärungsnötederPatientensoverschärfe,dassesnunmehrsachederärzteschaft sei,dennegativenKausalitätsbeweiszuführen98.

2. Das Argument der Rekonstruktionserschwernis

VonRechtswegensindReaktionenaufdietorpedierungderVerifikationdurchdenBeweislastgegnernichtsNeues.sohabennamentlichdie §§427, 444, 446zPOdieGe-richteseitjeherdazuermächtigt,diediesemzurechenbareDurchkreuzungdesurkundenbeweisesoderdessenWei-gerung,sichalsParteivernehmenzulassen,freizuwürdi-genundggf.dieBehauptungendessog.Beweisführersalsbewiesenanzusehen.

Dabei ist dreierlei freilich auffällig: In den fällen der§§444, 446 zPO führt nur die vorsätzliche entziehungvonBeweismittelnzueinerBesserstellungderGegenseite,undbei§427zPObesorgtbereitseinfachefahrlässigkeitdiese Begünstigung. Der schwere sorgfaltsverstoß bleibthingegengeradeungenannt.Nunkönntemanallerdingsargumentieren, dass derselbe gewissermaßen als „Mittel-wert“nochindiesementlastungskonzeptbeheimatetsei,doch ist es damit allein nicht getan. zwei der drei Vor-schriftensindnämlichbloßeKann-Regeln,undinsgesamtmündensielediglichineineAbsenkungdesBeweismaßes,nichtaberindienunmehrvomBGHpostulierterigideBe-weislastumkehr99.Dochauchdarübermüsstederstabnichtunbedingtgebrochenwerden,dennüberwiegend100dürftesichdieAusübungdesrichterlichenVerifikationsermessens

imergebniswie eine solche auswirken.entscheidend istjedoch zuguterletzt, dass dasGeschehen, andas dieVer-lagerung des Aufklärungsrisikos geknüpft ist, mit jeneninderzPOvorgesehenenKonstellationennicht dasGe-ringstegemeinhat.DiesesetzeneinProzessrechtsverhältnisvoraus101, innerhalbdessenauchdienichtbeweisbelasteteParteiimRahmenihrerMöglichkeitenzurÜberwindungvonBeweishürdenbeitragen soll;und selbstdieVerfech-tereinerumfassenderen,schondasvorprozessualestadiummiteinbeziehendenAufklärungsbeteiligung102überschrei-tendiesePotentialitätsgrenzenicht.Genaudiesgeschiehtjedoch,wennderArzt,dessenVersagen ja feststeht, zumVollbeweisfürdessenNichtkausalitätoderfürdiealleinigeschicksalsbedingtheitherangezogenwird.umeseinletz-tesMalzubetonen:erkannihnnichtführenwieumge-kehrtauchderPatientnicht,unddasspiegeltsichauchinder Alltagspraxis wider. sofern es um die hier nicht in-teressierenden,weitgehendbeherrschbarenerkrankungsri-sikenoderumdieeröffnungneuerKrankheitsherdegeht,besiegeltdas JaoderNeinaufdiefragenachdergrobenfahrlässigkeitdasjeweiligeProzessschicksal.

Nach dieser erkenntnis, dass die BGH-Judikatur auchprozessdogmatischkeinfundamenthat103,wäreeseigent-lichmüßig,sichnochumdenempirischenGehaltderAn-nahmeeinerAufklärungserschwernisdurchdieschweredesärztlichenVersagenszukümmern.zurAbrundungseiaberauchdaraufnochkurzeingegangen.Wolltemandiesetheseverallgemeinern,somüsstedassystemderBeweislastvertei-lungvölligumgestaltetundletztlichdieoben,subIII.1.b),mitgeteilteentscheidungdesGesetzgebers,beiderBegrün-dungderVerhaltenshaftungprinzipiellkeinenunterschiednachVerschuldensstärkezumachen,revoziertwerden.Dazugibt es indes wenig Anlass. Wir verfügen nämlich wederaufderRekonstruktionsebenenochfürdenVerletzungsbe-reich über gesicherte einsichten dahin, dass die Intensitätdessorgfaltsverstoßes irgendwelcheAuswirkungenaufdiefeststellbarkeitunddasAusmaßderVerletzunghat104.

NunistallerdingsdasDiktumdesBGHstetsalssonder-regelverstandenworden105.Gleichwohlmachtdieseein-schätzungeinesolideBegründungnichtentbehrlich.GanzimGegenteil:WereineAussagetrifft,vonderbekanntist,dasssiealsgenerellesonichtstimmt,mussschonbelegen,weshalb sie ausnahmsweise dennoch zutreffen soll. ebendaranhapert es aber. In keinem Judikatwird spezifiziertdargetan,wiesogeradeunderstdergrobeBehandlungs-fehler die sacherhellung erschweren soll; und so istman

MedR(2007)25: 701schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld

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93) Amsichtbarstenwirddiesbeischenkung,LeiheundNotge-schäftsführung.

94) ebensoSträter(fn.75),s.76ff.,mitweiterenArgumenten.95) ObdiesbeiindividuellerVereinbarunganderswäre,maghier

dahinstehen.96) In dertendenz sowohl auchKatzenmeier (fn.19), s.459ff.,

wenngleicherihmletztlichdochseinPlacetzugesteht.97) AllgemeinerdazuKatzenmeier,Jz2002,533ff.98) einengutenÜberblicküberdieeinschlägigeJudikaturgewährt

Sträter(fn.75),s.84ff.99) s.nochmalsBGHz159,48,53ff.100) empirischeBefundeliegendafürfreilichnichtvor.101) zutr.Katzenmeier,Jz2002,539.102) Allen voranStürner,DieAufklärungspflicht der Parteien des

zivilprozesses,1976.103) sofürdenhieralleininRedestehendenfallvonvornherein

feststehenderunaufklärbarkeitauchWeber,DerKausalitätsbe-weisimzivilprozess,1997,s.238.

104) Dass die Praxis beim sog. Mitverschulden gleichwohl nachdem jeweiligen Verschuldensgrad quotiert, beruht nicht aufempirischererkenntnis, sonderneheraufdervermeintlichenNormvorgabe des §254 BGB; vgl. Esser /Schmidt (fn.33),§35IV1.

105) statt aller Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996,Rdnr.468.

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sichinderLiteraturdennauchweitgehenddarübereinig,dassdiesesArgumentauchdaseinfacheVersagenerfassenmüsste106.Konsequenzdarauswäre,dassbereitsdasschlich-teVersagendieBeweislastumkehr inderKausalitätsfragetragenwürde107.BeigenaueremzusehenerweistsichindesdergesamteAnsatzalsunstimmig.Mitdem–wieauchim-merzuqualifizierenden–Behandlungsfehlerwird,daan-dernfallsdieHaftungvonvornhereinausscheidet,einAuf-klärungserfordernis überhaupt erst begründet, nicht aberzugleich dessen einlösbarkeit beeinflusst. Dass damit dasProblemderDoppelkausalitätvirulentwird,liegtebenander besonderen Konstellation der Krankheitsbehandlung,unddem ist –umes ein letztesMal zubetonen–nichtdadurchbeizukommen,dassdiediesbezüglichvonkeinemBeteiligten tragbareBeweislast einfach in der vomBGHgewähltenWeiseverteiltwird108.

IV. Zusammenfassung und Folgerungen

soll der erkenntnis, dass medizinische Heilungsbemü-hungenmitkeinererfolgsgewährleistungversehenwerdenkönnen,unddemdamituntrennbarverknüpftenumstand,dassärztlichefehlgriffeundschicksalhafteVerläufeineinpraktischunentwirrbaresKausalitätsdilemmaeinmünden,auchjuristischerRespektgezolltwerden,sobedarfesderentsprechendenAbbildungdieserVorgabenineinemdaraufreagierendenHaftungskonzept.umsolchesinnerhalbun-seressystemszivilistischerersatzzuständigkeit zuwegezubringen,istvorabdieBesinnungaufdessenGrundanliegenvonnöten. Das außervertragliche Haftungsrecht zielt aufIntegritätswahrungundmachtmitseinenobjektiventat-beständen deutlich, gegenüber welchen Rechtspositionenes als Verletzungen verstandenen BestandsverkürzungeneinenRiegelvorschiebenwill.DemfügtsichdiebeiderKrankheitsbehandlung inkriminierte Gesundheitsbeein-trächtigung schon abovonicht,weil diese vompotenti-ellenHeilungserfolgherdefiniertwird.MagdasIgnorierendieserAkzentverschiebungnachaltemRechtnochhinzu-nehmengewesensein,weilvordem§847BGBdiealleinigeQuellefürschmerzensgeldansprüchegewesenist109,sogiltdiesseitdereinfügungdes§253IIBGB110nichtmehr.

Mit dieser Rechtsänderung ist nämlich – wenngleicheherunbeabsichtigt,weilgewissnichtaufdieArzthaftungbezogen–dieGrundlagedafürgeschaffenworden,dasunsbeschäftigendeKompensationsproblemamalleindazupas-sendenOrt,d.h.imRahmenderVertragshaftung,ange-henzukönnen.Allerdingsistauchhiernochzujustieren.Ausdererfolgsperspektiveistjanichtkurzerhandaufeindemgemäßes Obligationsziel zu schließen. folgerichtigwirddennauchderBehandlungsvertragzunächsteinmalals schlichtestätigkeitsgeschäftqualifiziert.Konträrdazusteht dann jedoch die Hereinnahme der Gesundheitsbe-einträchtigungindenHaftungstatbestand.sieist–umessalopp auszudrücken – die Wurzel allen Übels, dem dieJudikaturhernachnichtmehrentkommt,weilsiedamitdaserfordernisdesVollbeweiseserzeugt,demrealistischerwei-sekeineseitegenügenkann.

Dogmatisch istdasnichtveranlasst,dennauchbeidensonstigentätigkeitsschuldenzähltalleinderenpflichtwid-rigeNicht-oderschlechterbringungzurHaftungsgrund-legung. Nun ist freilich einzuräumen, dass die gängigenDienstleistungsverträge auf reine Vermögensinteressengemünzt sind, derenNichtbeförderung zwanglos auf derebenederHaftungsausfüllungbearbeitetwerdenkann.et-waigeeinwirkungenaufRechteoderRechtsgütersindhierallenfallsausderschutzperspektivedes§241IIBGBzube-urteilen,diewiederumdemdeliktischenIntegritätsprimatfolgtunddeshalbzurLösungderBehandlungsproblematiknichtsbeiträgt.

Derensingularitätbestehtdarin,dassmitdemärztlichenfehlgriff ein Gefahrenpotential geschaffen wird, das auf

einebereitsvorhandene,nochnichtzumstillstandgelangteRisikoquelletrifft.DiedarausresultierendeatypischeKau-salitätskonkurrenzhindertvonvornhereindieeindeutigezuschreibungderVerantwortung.Partiellspiegeltsichdie-ser Befund denn auch immerhin darin wider, dass nichtetwa vonder ausgebliebenenHeilungher auf eineman-gelhafteBehandlunggeschlossen,sonderninAbweichungvomsplittingkonzeptdes§280IBGBderVerschuldens-nachweisdemPatientenaufgebürdetwird.Dannaberwärees nur konsequent, die Gesundheitsbeeinträchtigung i.s.einerNichterreichungdeszwarnichtgeschuldeten,wohlaber angestrebten Behandlungsziels in den Bereich derHaftungsfolgenzuverweisen.

DersoeröffneteWegzu§287zPOwäreimGegensatzzumVorgehenderBGH-Judikaturnichtnurdogmatischstabil.erwürdedarüberhinausauchdietatgerichteindieLageversetzen,aufdieRisikokollisionweitausadäquaterzureagieren.AllerdingswäredazumedizinwissenschaftlicherBeistanderforderlich,dervorallemineinerpräziserener-fassung der Heilungschancen bei korrekter Behandlungund–dazukorrespondierend–einergenauerenAuflistungtypischer Krankheitsverläufe111 bestehen müsste. Damitjedenfalls, dass „sich diemedizinischen sachverständigenbeiderBestimmungvonursachenanteilennurhöchstsel-tenaufbestimmteProzentsätzefestlegen“lassen112,brauchtsichdieJustizgewissnichtabzufinden.schließlichdürfteesimureigenenInteressederärzteschaftliegen,überih-reneigentlichenVerantwortungsbereichnäherenBescheidaufderGrundlagemöglichstexakterwissenschaftlicherer-kenntnissezubekommenstattmitdemKunstgriffderBe-weislastumkehrunweigerlichzurKassegebetenzuwerden.undreziprokdazuwürdeesdiePatientenseitebesserver-kraften,wennihreinerseitsdiesog.schicksalhaftigkeitalsmaßgeblicherfaktorfürdasscheiternderBehandlungunddamitzugleichihresKlagbegehrenserklärtwerdenkönnte,siedafüraberandererseitsbeiüberwiegenderWahrschein-lichkeitderfehlerkausalität indenGenusseinerentspre-chendenKompensationkommenwürde.

Bewusstnichteingegangenwordenistaufdieindiesemzusammenhang auch vernehmbaren Rufe nach einfüh-rung einer Proportionalhaftung113. Von vornherein aus-geschlossen erscheint freilich auch eine derartige Lösungnicht–undzwarnichteinmaldelegelata.Dazumüsstenindesdieggf.in§254IBGBenthaltenenAbwägungsvor-aussetzungen und Gewichtungsmöglichkeiten114 im ein-zelnenausgelotetwerden,unddashättedenRahmendiesesBeitragsbeiweitemgesprengt115.

schmidt,DerärztlicheBehandlungsfehlerimspannungsfeld702 MedR(2007)25:

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106) s.nurKatzenmeier(fn.19),s.462m.w.N.107) soindertatHeidelk(fn.15),s.159ff.108) DiesesfazitmachteineingehenaufdieinBGHz159,48,56,

angedeutete flexibilität des tatrichters bezüglich der „Wer-tungdesBehandlungsgeschehensalsgrobfehlerhaft“entbehr-lich.NäheresdazubeiSträter(fn.75),s.108ff.

109) NurdarauslässtsichdiebisherigeRspr.dennauchverstehen!110) DurchdasGesetzv.19.7.2002(BGBl.Is.2674).111) Namentlichbeischwerenerkrankungen!112) sodieVizepräsidentindesBGHGerda Mülleraufdem66.DJt

2006(zitiertnachdemBerichtvonManner,Jz2007,233).113) s. zuletzt denVorschlag vonWagner in seinemGutachtenA

zum66.DJt2006,derfreilichindernachfolgendenAbstim-mungaufdeutlicheAblehnunggestoßenist.

114) einigesdazubeiWeidner,DieMitverursachungalsentlastungdesHaftpflichtigen,Diss.tübingen1968.

115) InsofernmagaufdievorihrerVeröffentlichungstehendeBre-merDissertationvonSeifert,ärztlicherBehandlungsfehlerundschicksalhafter Verlauf, mit dem untertitel „zur haftungs-rechtlichenBewältigungeinesKausalitätsdilemmas“,verwie-senwerden.

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