Die Befragung Schwerpunkte: Quantitativer Fragebogen Intensivinterview (mit Leitfaden)

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Die Befragung

Schwerpunkte:

Quantitativer Fragebogen

Intensivinterview (mit Leitfaden)

Hauptquellen

• Altrichter, Herbert/Posch, Peter: Lehrer erforschen ihren Unterricht. Eine Einführung in die Methoden der Aktionsforschung. Bad Heilbronn: Julius Klinkhardt, 1998 (3.).

• Atteslander, Peter: Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin/New York: de Gruyter, 1995 (8.).

• Friedrichs, Jürgen: Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1990 (14.).

• Mayr, Johannes: Einführung in die empirische Sozialforschung. Vortragshandout (Power Point) 2002.

Zitate (nach Atteslander, 1995)

• „Befragung bedeutet Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen. Durch verbale Stimuli (Fragen) werden verbale Reaktionen (Antworten) hervorgerufen. Dies geschieht in bestimmten Situationen und wird geprägt durch gegenseitige Erwartungen. Die Antworten beziehen sich auf erlebte und erinnerte soziale Ergebnisse, stellen Meinungen und Bewertungen dar. Mit dem Mittel der Befragung wird nicht soziales Verhalten insgesamt, sondern lediglich verbales Verhalten erfasst.“

Zitate 2

• „Der entscheidende Unterschied zwischen der alltäglichen und der wissenschaftlichen Befragung besteht in der theoriegeleiteten Kontrolle der gesamten Befragung.“

• „Das Ziel jeder nach wissenschaftlichen Prinzipien durchgeführten Befragung ist selbstverständlich die Erhebung tatsächlicher Meinungen und nicht deren Herstellung.“

Zitate 3

• „Jede Befragung beinhaltet Aussagen über die soziale Wirklichkeit, erfasst aber diese soziale Wirklichkeit selbst nur ausschnittweise.“

• „Da alle soziale Situationen, die wir kennen, äußerst komplex sind, wäre die Forderung, ein Interview müsse frei von Verzerrungen sein, absurd. Keine Befragung wird je ohne Beeinflussung sein, keine antwort ohne Verzerrung gegeben werden können.“

Formen der schriftlichen Befragung

• wenig strukturiert (nichtstandardisiert): informelle Anfrage bei Experten oder Zielgruppen

• teilstrukturiert (teilstandardisiert): Experten- oder Zielgruppenbefragung

• stark strukturiert (vollstandardisiert): postalische Befragung, persönliche Verteilung und Abholung, gemeinsames Ausfüllen von Fragebogen (in der Gruppensituation), Internet/E-Mail-Befragung, Panelbefragung

Praktische Vorgangsweise einer Fragebogenkonstruktion (nach Spiel,

1991)1. Festlegung des Inhalts (durch Literaturstudium, „Experten“-

befragung, Brainstorming)2. Suche nach bereits bestehenden Fragebögen zum Thema

(ev. Replikation möglich)3. Festlegung der Bereiche (thematischen Blöcke)4. Erstellung eines vorläufigen Fragebogens (mit

Minimalanforderungen)5. Verfassen von Instruktion und Einleitung6. Vortest7. Revision8. Testung

Phasen der Fragebogenentwicklung nach Wellenreuther (1982)

1) Präzisierung, Einengung des Themas; Klärung der zu erfragenden Inhalte, geordnet nach ihrer Bedeutsamkeit; Aufstellung von Hypothesen;

2) Formulierung von Fragen zu den interessierenden Bereichen/zu den Hypothesen;

3) Ordnung der Fragen in eine Reihenfolge;4) Überprüfung des Fragebogens;5) Vorbereitung der Hauptuntersuchung:

Interviewerschulung und Auswahl der Stichprobe;

1. Präzisierung, Einengung des Themas; Klärung der zu erfragenden Inhalte, geordnet nach ihrer

Bedeutsamkeit; Aufstellung von Hypothesen;

• Entscheidung über Ausmaß der Standardisierung; ob schriftliche oder mündliche Befragung (Interview)

• Analyse der Literatur zum Thema• Entscheidung über Gruppen, die befragt

werden sollen• Intensives Erfragen eines Bereichs oder

oberflächliches Abfragen verschiedener Bereiche

2. Formulierung von Fragen zu den interessierenden Bereichen/zu den Hypothesen

• Balance der Fragen, Konkretheit, Verständlichkeit, Eindeutigkeit

• Trennung von unabhängigen und abhängigen Variablen

• Mischung geschlossener und offener Fragen (Adressatenkreis, Monotonie des Fragebogens, Präzision und objektive Auswertbarkeit der Fragen)

3. Ordnung der Fragen in eine Reihenfolge

• Einleitung; Allgemeine Information, Motivierung, Zusicherung der Anonymität

• Aufwärmfragen

• Peinliche Fragen nicht an den Anfang

• Abhängigkeit vom Fragekontext: Kontrollgruppen

4. Überprüfung des Fragebogens

• Vortest an ca. 20 Befragten

• Fragen nach Unebenheiten der Frageformulierung

• Statistische Auswertung (wenn nur eine Antwort auf eine Frage vorkommt, dann ist die Frage nicht informativ)

5. Vorbereitung der Hauptuntersuchung: Interviewerschulung und Auswahl der Stichprobe

• Versuchsplanung: Ist eine Variation der unabhängigen Variablen durch die Auswahl der Stichprobe möglich?

• Interviewerschulung

• Organisation von Adressenlisten usw.

Strategische,dramaturgische Tipps zur Fragebogenkonstruktion 1

• auf Übersichtlichkeit und grafische Gestaltung achten (Durchnummerierung der Fragen!)

• Titelblatt mit Einleitung/Instruktion nicht vergessen (eventuell Übungsbeispiele zur Beantwortung = Trainingsfragen)

• falls notwendig: demographische Daten erheben (Beginn oder Ende)

• Eröffnungsfragen (=Eisbrecherfragen) stellen• eher vom Allgemeinen zum Besonderen gehen• den Fragebogen nach Themenblöcken (logisch) ordnen

Strategische,dramaturgische Tipps zur Fragebogenkonstruktion 2

• Überleitungsfragen stellen• Pufferfragen“ (=zur Erholung) stellen • Platzierung der wichtigen Fragen im zweiten Drittel

des Fragebogens (Spannungskurve!)• „heikle“ Fragen erst gegen Ende der Befragung• verzerrende Effekte berücksichtigen• Abwechslung bieten (besonders bei langen

Fragebögen): z.B. durch Wechsel von offenen/geschlossenen und/oder schweren/leichten Fragen; wenn möglich: Wechsel der Fragetechniken

Strategische,dramaturgische Tipps zur Fragebogenkonstruktion 3

• Kontrollfragen manchmal sehr nützlich• ev. geschlossene Kategorien durch offene Fragen

„bereichern“, damit unvollständige Kategorien ergänzt werden können: z.B. Sonstiges:

• je kürzer der Fragebogen, desto besser (ideal: nicht länger als 30 Minuten; max. 60 Minuten)

• Pre-Test unbedingt durchführen (z.B. zur Ermittlung der durchschnittlichen Befragungszeit bzw. zur Prüfung der Verständlichkeit der Fragen)

• festhalten: Nr. des Fragebogens, Datum, Dauer und Ort der Befragung

Mögliche verzerrende Effekte

• Ausstrahlungseffekt: Jede Frage strahlt auf weitere Gedankenführung aus (Ausnützung bei der „Trichterung“: meist vom Allgemeinen zum Besonderen)

• Platzierungseffekt: Fragen, die in unerwünschter Weise Einfluss aufeinander ausüben könnten („Halo-Effekt“) sollten möglichst weit auseinander liegen und – wenn möglich – thematisch getrennt sein

Frageformen – Unterscheidung nach...

1. Art der Antwortvorgabegeschlossen – offen – gemischt2. Art der Frageformulierungdirekte Fragen – indirekte Fragen3. der Funktion im Gesamtfragebogen- Einleitungs- und Überleitungsfragen- Filterfragen (eher sparsam)- Folgefragen („Trichterung“)- Kontrollfragen

Schema der Fragegenerierung

1. Fragestellung (klar)2. Hypothesen (klar und eindeutig)Ableitung von konkreten Fragen:3. Variablen identifizieren4. Indikatoren bestimmen5. Fragen formulieren (meist mehrere zu einer

Hypothese!)Tipp: Bei der Formulierung der Fragen schon auf die

Auswertung schauen! Warum möchte ich das wissen? Was bringt es mir für die Fragestellung?

Entscheidungsfelder bei der Fragegenerierung (Altrichter/Posch,

1998)• Entscheidung über den Inhalt

• Entscheidung über die Formulierung der Frage

• Entscheidung über die Form, in der die Antworten erfolgen sollen

• Entscheidung über die Abfolge von Fragen

Offene Fragen

• besonders bei Problemstellungen/Fragen, über die noch wenig Information/Vorwissen besteht (=„explorative“ Fragen)

• wenn differenzierte Einstellung erhoben werden sollen (z.B. von Extremgruppen)

• VT: leichte Konstruierbarkeit; hoher persönlicher Informationsgehalt; keine „Forcierung“ bestimmter Antworten

• NT: Auswertung schwerer; Verbalisierungsfähigkeit der Befragten manchmal fraglich

Filter-Fragen

1. Fragefilter: nur Personen mit bestimmten Antworten werden eingehendere Fragen gestellt.

2. Gabelung: je nach Gruppenmerkmal (z.B. ledig – verheiratet – geschieden – verwitwet) werden andere Fragen gestellt

Geschlossene Fragen

• besonders dann, wenn das Forschungsfeld/ Vorwissen schon gut bekannt ist (z.B. durch Vorerhebungen, Pre-Tests oder vorhandene Untersuchungen)

• VT: größere Gruppe kann befragt werden; weniger Zeitaufwand für Befragte; anonymere Beantwortung (bei großer Zahl); weniger „sozialer Druck“; setzt geringere Verbalisierungsfähigkeit der Befragten voraus; leichtere Auswertung (z.B. Vergleichbarkeit); Hypothesenprüfung möglich;

• NT: weniger Kontrolle des Verständnisses möglich (bei großer Zahl); ev. „erzwungene Antworten“ (durch vorgegebene Kategorien), weniger „persönliche“ Antworten;

Arten von Fragen und Möglichkeiten geschlossener Antwortvorgabe 1

• Identifikationstyp: Nennung einer Person, Gruppe, Ort, Zeit, Nummer/Zahl u.a.m. wird verlangt

• zwei Alternativen: z.B. Ja/Nein (eher ungünstig)• mehrere Alternativen (=Selektionstyp): „Multiple choice“

(nur 1 oder mehrere Antworten ankreuzen lassen und/oder auch die Antworten rangreihen lassen)

• Einstellungsfragen• Gründe-Fragen• Schätzungen• Bilanzfragen• Hypothetische Situationen

Arten von Fragen und Möglichkeiten geschlossener Antwortvorgabe 2

• Intensitäts- bzw. Häufigkeitsfragen (=Skalafragen): vorgegebene Rangordnung, besonders gut für Wertvorstellungen, Einstellungen, Meinungen und Gefühle

• Meinung-Verhalten: konkretes Verhalten meist valider als Meinung, deshalb so konkret wie möglich fragen

Beispiele für Intensitäts- bzw. Häufigkeitsfragen 1

• Generell: standardisierte Messeinheiten besser als eher vage, die „relativ“ bzw. interpretierbar sind

• nie – 1mal/Woche – 2-3mal/Woche – 4-5 mal/Woche• mehrmals/Woche – 1mal/Woche – 2-3mal/Monat – 1mal/Monat

– 2-3mal/Halbjahr – 1mal/Jahr - nie• (immer) – sehr oft – oft – selten – sehr selten – (nie)• sehr häufig – häufig – weniger häufig (eher selten) – nie• alles – mehr als die Hälfte – weniger als die Hälfte – nichts • kommt selten vor – kommt manchmal vor – kommt öfters vor –

kommt sehr oft vor• sehr gut – eher gut – mittelmäßig – eher schlecht – sehr schlecht• sehr gut – gut – zufriedenstellend – genügend – nicht genügend

Beispiele für Intensitäts- bzw. Häufigkeitsfragen 2

• trifft zu – trifft eher zu – trifft weniger zu – trifft nicht zu• trifft sehr zu – trifft zu – trifft etwas zu – trifft eher nicht

zu – trifft nicht zu – trifft gar nicht zu• stimme sehr zu – stimme zu – stimme eher zu – stimme

eher nicht zu – stimme nicht zu – stimme absolut nicht zu• stimme voll zu – stimme zu – weder noch – stimme nicht

zu – stimme gar nicht zu (lehne völlig ab)• sehr zufrieden – ziemlich zufrieden – eher zufrieden – eher

unzufrieden – ziemlich unzufrieden – sehr unzufrieden• ja – wahrscheinlich – eher nicht – nein• ja – eher ja – eher nein – nein

Regeln der Frageformulierung und Antwortvorgabe 1

• Frageformulierung kurz und einfach (angemessen!)• klare, konkrete, eindeutige Fragen (Verständlichkeit der

Begriffe!)• keine Fremdwörter, einfache Syntax• Sprache muss nicht immer „druckreif“ sein, manchmal ist auch

Umgangssprache angemessen• Vermeidung doppelter Verneinungen• Vermeidung von Unterstellungen, die zurückgewiesen werden

könnten• keine Überforderung (Wissen, Länge, Intimität etc.)• keine Suggestivfragen• Fragen neutral formulieren

Regeln der Frageformulierung und Antwortvorgabe 2

• eher externe statt interne Fragen stellen• überschaubare Antwortalternativen bieten (nicht zu viele)• neutrale, gültige Antworten formulieren• ausgewogene (positive/negative)Antwortalternativen

bieten („rechts“ und „links“ der Skala)• eher keine hypothetischen Fragen stellen• Reihenfolgeeffekte beachten• Anzahl der Kategorien: ca. 3-6• Neutralkategorie eher vermeiden (Ausnahmen möglich)• Antwortmuster nicht zu oft wechseln

Inhalt der Einleitung/Instruktion

• Wer schickt/gibt den Fragebogen aus?• Warum wird dieser Fragebogen erstellt? (z.B. nur zu Forschungszwecken

und keinerlei „Konsequenzen“ für Befragte; gruppenstatistische Auswertung)

• Wecken des Interesses (Motivierung)• Bitte, dass alles vollständig und ehrlich beantwortet werden soll (eventuell

zügig)• Es gibt kein „Richtig oder Falsch“ (kein Leistungs- oder Intelligenztest!),

nur persönliche Antworten wichtig• Hinweis auf (Garantie der) Anonymität (Datenschutz)• Hinweis, was bei Unsicherheit gemacht werden soll (z.B. „Wenn Sie nicht

sicher sind, kreuzen Sie an, was eher auf Sie zutrifft.“)• Eventuell 1-2 Probebeispiele geben• Dank für Mithilfe

Sonderfall postalische Befragung

• VT: - keine Beeinflussung der Befragung- zeit- und kostensparender- Befragung weit verstreuter Personen möglich- mehr Zeit für Beantwortung zur Verfügung• NT: - keine direkte Motivierung bzw. Erläuterungen/

Erklärungen möglich- Unkontrollierbarkeit der Erhebungssituation- (niedrige) Rücklaufquote

Notwendigkeiten bei postalischer Befragung

• Verfügbarkeit aktueller Adressen• klarer, kurzer, aus sich heraus verständlicher Fragebogen• starker Appell/Motivation zum Ausfüllen (eventuell Anreize

bieten, z.B. Teilnahme an Gewinnspiel)• eher geschlossene Fragen• weniger (komplizierte) Filter/Gabelungen einbauen• (übersichtliche) thematische Gliederung des Fragebogens• Beilage eines adressierten, frankierten Umschlags• Anschreiben beilegen• Fragebogen sollte am besten bei den zu Befragenden an einem

Freitag eintreffen (Wochenende!)• den Eindruck einer Massensendung vermeiden

Modell einer Antwortgenese

1. Frage (als Stimulus)2. Antwortbereitschaft sollte gegeben sein3. Frageverständnis ist wichtig (Wird die Frage verstanden?)4. Antwortverständnis ist ebenfalls entscheidend (Werden die zur Wahl

stehenden Antworten verstanden?)5. Ist die Antwort bekannt?6. Existiert die Antwort (als Kategorie)?7. Antwort kann dann sein...- wahr- subjektiv wahr- „erzwungen“ (durch vorgegebene Kategorien)- sozial erwünscht- absichtlich verfälscht

Typische Verzerrungen

• „Jasagetendenz“, unabhängig vom Inhalt• zu schnelle Antwort bei zu langen/zu vielen Fragen (daher:

Frage erst am Schluss stellen; kurzer Fragebogen)• Tendenz, die sichere Mitte zu wählen, gar nicht oder

extrem zu antworten• Meinungslosigkeit/Ausweichen (kann verschiedene

Gründe haben: z.B. mangelndes Wissen, Unverständnis der Fragen, tatsächliche Meinungslosigkeit, Unsicherheit, Verweigerung)

• sozial erwünschte Antworten• absichtlich falsche Antworten

Typische Fehler bei der Konstruktion eines Fragebogens

• keine Ableitung der Fragen aus der Fragestellung bzw. Hypothesen• nur 1 Frage/Hypothese, ev. zu direkte (erkennbare) Frage und

deshalb Antwort aufgrund sozialer Erwünschtheit• unklare Begriffe, (für Befragte unangemessene, unverständliche

Sprache)• keine Sozialdaten erhoben (wenn wichtig für Auswertung)• Überschneidungen von Kategorien: z.B. Alter: 10-12, 12-14, 14-16:

Einkommen: 1000-1500, 1500-2000, 2000-2500• Frage nach dem Beruf: unklare Kategorien• keine Einleitung/Erläuterung (ev. Missverständnisse)• nur 2 Antwortkategorien (durchgängig! In Ausnahmefällen

möglich)

Mündliche Befragung/Interview

• Definition 1: I. = ein planmäßiges Vorgehen mit wissenschaftlicher Zielsetzung, bei dem die Versuchsperson durch eine Reihe gezielter Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Reaktionen veranlasst werden soll; (Friedrichs, 1990)

• Definition 2: I. = Gespräche, deren Zweck es vor allem ist, Sichtweisen, Interpretationen, Bedeutungen kennen zu lernen, um das Verständnis einer Situation zu verbessern (Altrichter/Posch, 1998)

Wenig strukturiertes (nicht-standardisiertes) Interview

• Ziel: Sinnzusammenhänge und Meinungsstruktur des Befragten zu erfassen

• kein vorfixiertes Vorgehen, aber durchaus zielgerichtet

• flexible Gesprächsführung• Interviewer hört vor allem zu und greift

Äußerungen des Befragten auf, um Gespräch in Gang zu halten

• Formen: informelles Gespräch, Experteninterview, narratives Interview, Gruppendiskussion

Teilstrukturiertes (teilstandardisiertes) Interview

• vorbereitete, vorformulierte Fragen

• Abfolge der Fragen offen, ergibt sich aus dem Gespräch

• Verwendung eines Gesprächsleitfadens

• Formen: Leitfadengespräch/ Intensivinterview, Experteninterview, Gruppeninterview

Stark strukturiertes (vollstandardisiertes) Interview

• sorgfältige Konstruktion eines Fragebogens• Fragebogen legt Inhalt, Anzahl und Reihenfolge

der Fragen fest• häufig sogar Antwortkategorien vorgegeben• Freiheitsspielraum der Interviewers und des

Befragten stark eingeschränkt• Formen: Einzelinterview, Gruppeninterview,

Telefoninterview, Panelbefragung

Vor- und Nachteile des Interviews

• VT: liefert sehr viele Informationen über Einstellungen, Meinungen, Verhalten

• NT: Abstraktion von von tatsächlichem Handeln des Befragten in Situationen schwierig; hoher zeitlicher und finanzieller Aufwand; Verbalisierungsfähigkeit mancher Befragter gering;

Interviewverhalten

• weich: wichtig ist eine von Sympathie getragene Beziehung; Interviewer eher „passiv“; Befragte gestaltet Interview stark selbst;

• hart: „Verhörtechnik“; Ziel: spontane Antworten• neutral: unpersönliche, sachliche Beziehung; Gefühle

sollen möglichst – zumindest seitens des Interviewers – ausgeschlossen oder wenigstens verborgen werden; Ziel: größtmögliche Vergleichbarkeit der Ergebnisse

• Kompromiss: Haltung des freundlichen Gewähren-lassens; Gefühle zeigen, aber keine direkte Zustimmung oder Ablehnung erkennbar

Vorgehen beim Interview

• Forschungsproblem• Entwicklung von Fragestellungen bzw.

spezifischeren Fragen• Entwicklungen von Hypothesen (nicht

immer)• Entwicklung eines Fragekatalogs

(Entscheidung hinsichtlich Strukturierung und Standardisierung)

Verhalten und förderliche Eigenschaften des Interviewers 1

• kompetentes Auftreten zu Beginn• Ausstrahlung von Ruhe, Wärme, Toleranz• Herstellung eines guten „Rapports“• weiches Interviewen: Nachfragen, Bestätigen,

nonverbale Botschaften• aktives Zuhören• Geschwindigkeit/Art der Fragestellung: manchmal

langsam besser, manchmal schneller günstiger• Länge der Pausen nach der Antwort: eher mehr Zeit

lassen

Verhalten und förderliche Eigenschaften des Interviewers 2

• Formulierung von nicht vorgesehenen Nachfragen ( z.B. „Könnten Sie mir das näher erläutern?“ - „Noch etwas?“ „Wie meinen Sie das?“)

• Verwendung resümierender Sätze für umfangreiche Antworten des Befragten (z.B. „Sie meinen also...“)

• die Verwendung von Stimuli, wie z.B. „hm“, „ah“, „ah ja“, „ich verstehe“

• Blickkontakt herstellen und halten• „interessierte“ Mimik zeigen, Lächeln• Körperbewegungen, Gestik (z.B. Kopfnicken)

Verhalten und förderliche Eigenschaften des Interviewers 3• Einfühlungsvermögen• disziplinierte Phantasie• Sympathie• Aufmerksamkeit• Geduld• Distanz• Gefühl für Wahrheit und Bereitschaft, zu sehen• zuhören und beobachten können

Verhalten und förderliche Eigenschaften des Interviewers 4

• Gedankengänge nicht unterbrechen• Pausen werden als natürliche Phasen des Nachdenkens

akzeptiert• ALLE Äußerungen werden angenommen, auch solche,

die den eigenen Erwartungen nicht entsprechen• „neutrale“ Aufmerksamkeit wird gezeigt (Vermeidung

von Missfallenskundgebungen, aber auch von freudiger Zustimmung)

• keine Suggestivfragen• keine Übertragung der Erwartungen des Interviewers

Zur Erhebungssituation

• Interview ist hochkomplexe Situation• Je erfahrener der Interviewer, desto sicherer ist er und desto weniger

Fehler bzw. Verzerrungen passieren• große Bedeutung der nonverbalen Kommunikation• Prozesse gegenseitiger Wahrnehmung und wechselseitiger

Erwartungen sind IMMER vorhanden (eventuell Verzerrungen!)• Jedem Interviewer wird seine Rolle bereits vor dem Interview vom

Befragten zugeschrieben, dies wirkt sich auf die Antworten aus.• Einstellungen und Erwartungen des Interviewers wirken sich auf das

Interview bzw. dessen Ergebnisse (z.B. aufgrund selektiver Wahrnehmung) aus.

• hartes vs. weiches Interview: beeinflusst die Erhebungssituation• Wahl der Zeit/des Ortes kann sich günstig/ungünstig auswirken

Fehlerquellen

• Frageformulierung

• Frageanordnung

• Verhalten des Interviewers

• Ausfälle in der Stichprobe

Problembereiche und Momente zur Steuerung der Kommunikation

• der situative Kontext

• Gründe-Fragen

• unklare Begriffe/Formulierungen des Befragten

• Blockierungen und Abbrüche

• Schweigen

• Zusammenfassungen und Interpretationen

Fehlerquellen – mögliche Ursachen für „unwahre“ Äußerungen

• bewusste, absichtliche Irreführung• selektive Erinnerung• Erinnerungsverklärung• Rationalisierung• Schwierigkeit des Themas• Persönlichkeit und Status des Interviewers• Vorhandensein des Bandgerätes• (künstliche) Interviewsituation als solche

Intensivinterview/ Leitfadengespräch

• nicht standardisiert• geringeres Maß an Strukturierung• Ziel: genauere Informationen von Befragten

zu einem Thema zu erhalten mit besonderer Berücksichtigung ihrer Perspektive, Sprache und Bedürfnisse

• wichtig: Antwortspielraum wird erhöht (im Gegensatz zum standardisierten Interview)

Hauptformen des Intensivinterviews

• Intensivinterview als Leitfadengespräch (andere Ausdrücke: Gespräch, offene Befragung, zentriertes Interview, qualitatives Interview) – Ziel: Analyse

• Klinisches Interview (andere Ausdrücke: Tiefeninterview, psychotherapeutische Gespräche) – Ziele: Diagnose, Beratung, Therapie

Bedeutung des Intensivinterviews

• wichtige Methode, um von Individuen Einsichten in ihr Denken, in die Struktur von dem Forscher noch wenig bekannten Problemen (Exploration) sowie zur Vertiefung von aus standardisierten Befragungen (Interview, Fragebogen) erzielten Ergebnisse zu gewinnen

• bedeutsam für Exploration bzw. Hypothesenentwicklung

Nachteile des Intensivinterviews

• Hohe Anforderungen an den Interviewer (Schulung!)

• (größerer) Einfluss des Interviewers auf die Erhebungssituation

• Bereitschaft der Befragten zur Mitarbeit manchmal nicht gegeben

• Dauer meist länger• zeitlicher Aufwand der Auswertung höher• geringe Vergleichbarkeit der Ergebnisse

Vorgehen beim Intensivinterview 1

• allgemeine Forschungsfrage(n)• Entwicklung von spezifischen Fragestellungen und –

gegebenenfalls – Hypothesen • Entwicklung eines Interview-Leitfadens (= grob

strukturiertes Schema)• Formulierung von Schlüsselfragen, die in jedem Fall

gestellt werden sollten und Eventualfragen, die gestellt werden, wenn es der Gesprächsverlauf und die Zeit gestatten

• die meisten Fragen sind offene Fragen (nur beim Nachfragen oder bei Filtern wird häufig geschlossen gefragt)

Vorgehen beim Intensivinterview 2

• der Interviewer geht stärker auf den Befragten ein, es erhöht damit sein Spielraum, die Fragen zu formulieren, anzuordnen und Nachfragen zu stellen

• d.h. der Ablauf ergibt sich (oft) aufgrund der (ersten) Antworten des Interviewten. Der Interviewer versucht Antworten auf seine Leitfragen zu bekommen, ist aber flexibel genug, wenn notwendig, Fragen umzustrukturieren bzw. vorzuziehen.

• absolut notwendig: hohe Aufmerksamkeit und (geistige) Flexibilität, Zeit, Übung!

Vorgehen beim Intensivinterview 3

• Voraussetzung: Information über/Kenntnis des Befragten (da ja in eine gewisse Richtung gefragt werden soll)

• Zu Beginn: Ziele von Interviewer und Befragten zu klären, um ein Minimum an Übereinstimmung zu erreichen.

• Zusicherung der Anonymität• Aufbau einer professionellen Kommunikation• Beachtung der zwei Ebenen der Kommunikation

(Inhalts- und Beziehungsebene)• Aufzeichnung: Notizen, Tonband (=besser)

Möglichkeiten des Nachfragens

• Äußerungen des Interviewpartners so wiederholen, wie man sie verstanden hat, um zu prüfen, ob das eigene Verständnis dem des Befragten entspricht

• um Konkretisierung oder Illustration durch ein Beispiel bitten

• nach Ursachen, Gründen oder Zwecken fragen• Widersprüche aufklären lassen• Situationen grafisch ausdrücken lassen

Vorteile der Tonbandaufzeichnung

• keine Selektion der Information durch die Protokolle

• verbalen und paralinguistischen Elemente der Kommunikation (Sprechdauer, Länge der Srecheinheiten, Länge und Zahl der Pausen, Tonfall, Stimme etc.) sind dokumentiert

• bessere Konzentration auf Gespräch und Beobachtungen möglich

Nachteile der Tonbandaufzeichnung

• Verfälschung durch „künstliche“ Situation (ev. Nervosität durch Aufzeichnung) – aber: rasche Gewöhnung an das Tonband

• großer Zeitaufwand (oder Kosten) für Transkription

Kontakt:

Dr. Jörg Spenger

Pädagogische Akademie des Bundes in Baden

2500 Baden, NÖ

AUSTRIA

Tel.: 0043 (0) 2252 88572 39

E-Mail: spenger.j@pabaden.ac.at

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