Die Genotypische Zusammensetzung einiger Varietäten Derselben Art und Ihr Genetischer Zusammenhang

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DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG E I N I G E R

V A R I E T A T E N D E R S E L B E N ART UND I H R G E N E T I S C H E R ZUSAMMENHANG

(Rec. Tray. hot. n6erl. 12: 217-277. 1915.)

EINLEITUNG

Bei meinen Untersuchungen fiber die Kreuzung verschiedener Va-

riet~iten von Linum usitatissimum L. beabsichtigte ich auch das

Verhalten der Bliitenfarbe zu studieren um die genotypische Zusam-

mensetzung und den Zusammenhang der Variet~tten in bezug auf die-

ses Merkmal zu bestimmen. Well ich abet aus frtiher gemachten

Beobachtungen wusste, dass mit der Farbe der Blfite andere Merk-

male eng zusammenhangen: n~tmlich die Farbe der Staubbeutel und

die der Samen, die Beschaffenheit der KronblXtter, die mittlere An-

zahl der Samen pro Frucht und die Keimungsf~higkeit der Samen,

habe ich das Verhalten dieser Merkmale ebenfalls untersucht.

Von den zahlreichen Variet~tten yon L. usitatissimum sind sechs

zu den Versuchen benutzt worden und zwischen diesen wurden Kreuc zungen ausgefiihrt. Eine dieser sechs Variet~tten ist der gew6hnliche

in der niederlXndischen Provinz Groningen aus russischen Samen kultivierte Lein. Die Bliite derselben ist ziemlich tief-blau gef~rbt

mit einem Stich ins violette und ein wenig dunkler als 13. 1215 1); der

Nagel des Kronblattes ist gelb, w~thrend die vom Nagel ausgehenden Adern fast rein blau sind und dunkler als die zwischen der Adern lie- genden Teile der Spreite, d. h. als die Intervenia 2).

1) B. bedeutet hier und im folgenden bei der Angabe yon Farben: BAU- MANIq'S neue Farbentonkarte, System PRASE; die Nummer ist die des Far- benblattes des Farbentonblockes. Diese IZarte ist k~uflich zu erhalten yon P. B&UMANN, Aue in Sachsen.

2) Jo~IN LINDLEu An Introduction to Botany. 1839, S. 131.

I16 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETfi~TEN

Die zweite Variet/it ist eine schon in frtiheren Mitteilungen 1) er- w~thnte, welche aus ~'~gypten erhalten und mit dem Namen dgypti- scher Lein bezeichnet wurde. Die Bltite ist viel gr6sser als die des ge- w6hnlichen Leins und scheint dunkler gef~trbt. Werden aber gleich grosse Teile beider Kronbl~tter miteinander verglichen z. B. wenn auf beide Kronbl~tter weisses Papier mit gleich grossem Loch gelegt wird, so ergibt sich, dass der Farbenton beider derselbe ist.

Drittens wurde gebraucht Li~um usitatissimum crepitans B6- xTi~i~, die Form mit aufspringenden Frtichten, yon mir frfiher 2) ausftihrlich beschrieben. Die Farbe der Bliite i~t auch die nXmliche wie die des gew6hnlichen Leins. Die Adern sind aber nur in der unteren H~tlfte des Kronblat tes dunkler gef~irbt als d ie Intervenia. Hierdurch und infolge der geringeren Breite des Kronblat tes scheint die Blfite etwas heller gef~trbt als die des gew6hnlichen Leins.

Die vierte Variet~tt hat sehr hellblaue Bliiten mit geringem violet- tern Ton (ein wenig heller als B. 1232) und mit deutlichen, dunkelblau erscheinenden Adern, welche aber etwas heller gef~rbt sind als beim

gew6hnlichen Lein. Die Form wurde im Jahre I906 aus einer yon russischen Samen s tammenden Kul tur des gew6hnlichen Leins iso- liert und hat sich seitdem konstant erhalten.

Die zwei tibrigen Varietfiten haben weisse Bltiten. Bei einer der- selben s t immt die Bltite in ihrer Gr6sse mit der des gew6hnlichen blaubl/ihenden Leins fiberein. Diese Variet~t wird in der niederlXndi-

schen Provinz Friesland kultiviert. Die andere weissbltihende Variet~tt wurde yon Mrs. VILMORIN-

ANDRIEIJX et Cie. in Paris erhalten. Die Blfite ist kleiner, die Kron-

blotter sind bedeutend schm~tler, zudem ist der obere Rand einiger- reassert runzelig oder gekr~tuselt und sind die Seitenr~nder nach oben eingerollt. Die Staubbeutel sind gelb und die Samen etwas grtinlich

1) Der F l a c h s s t e n g e l , e i n e s t a t i s t i s c h a n a t o m i s c h e M o n o g r a p h i e . Verh . v . d . Holl . Maa~csch. d. W e t e n s c h . H a a r l e m . Verz. 3, D e e l V I , S t u k 4, 1907, S. 22.

Das V e r h a l t e n f l u k t u i e r e n d v a r i i e r e n d e r M e r k m a l e be i de r B a s t a r d i e r u n g .

Rec . d. T ray . bot . N~erI. Vol. V I I I , 1911, S. 206 (s. oben S. 29). Ein ige K o r r e l a t i o n s e r s c h e i n u n g e I 1 bei B a s t a r d e n . Rec . d. T r a y . bo~:.

N4erl . Vol. X, 1913, S. 71 (eng l i sch : Proc . Non . Ak. We t . A m s t . , x5 :

1004-1014; s. oben , S. 9z-~o2). Die E rk lXrung e iner s c h e i n b a r e n A u s n a h m e de r MEl~DEI, sclaen S p a i t u n g s -

regel. Rec. d. T r a y . bot . N4erl . Vol. XI , !914, S. 55 (engl i sch : Proc . Kon . Ak.

W e t . A m s t . , i 6 : 1 0 2 1 - I 0 3 1 ; s. oben , S. zo3-zz4). 2) Der Flachss~cengel, S. 24-29.

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENKANG I~ 7

gelb; w~ihrend bei den ftinf anderen Variet~iten, auch bei der anderen weissbliihenden, die Kronbl~tter ebenflXchig, die Staubbeutel blau und die Samen braun gef~irbt sind. Die mitt lere Anzahl der Samen pro Frucht und die Keimungsf~ihigkeit der Samen sind bei diesem weissen Lein geringer als bei den fiinf anderen Variet~tten.

Ausser diesen sechs Variet~iten gibt es noch andere, welcbe geringe, aber erbliche Unterschiede in der Bltitenfarbe unter einander und mit ersteren aufweisen. Eine derselben hat ~usserst hellblaue, fast weisse Bliiten, nur die Adern sind deutlich blau, obgleich noch heller als bei der obengenannten hellblauen Form. Die Staubbeutel sind gelb und die Samen braun. Von drei anderen ist die Bliitenfarbe hel- ler oder dunkler violett (B. 1254, 1254-1255, 1255), viel mehr nach dem Roten abweichend als beim gewShnlichen Lein; eine derselben hat entschieden eine rot-violette Farbe.

Bei allen sind die Adern bl~nlich, die Staubbeutel blau und die

Samen braun. Ausserdem habe ich in meinen Kulturen noch eine Variet~tt mit hell-rosa Bltiten, gelben Staubbeuteln und braunen Samen. Diese letztere und zwei der violettbliihenden Formen erhielt ich yore Herrn Dr. ALTI~AUSE~ in Petersburg, die beiden tibrigen habe ieh selbst aus dem hier angebauten russischen Lein isotiert. Die Untersuchung der genotypisehen Zusammensetzung dieser letzten

fiinf Varietfiten ist nur noch im Anfang und demzufolge werden erst nach einigen Jahren die Resultate mitgeteilt werden k6nnen. Die Variet~tten sind nur genannt um zu zeigen, dass die Anzahl der sich in der Bliitenfarbe voneina.nder unterscheidenden Formen yon Linum usitatissimum eine grosse ist. Die bier beschriebenen Untersuchungen beziehen sich aber nur auf die sechs ersteren.

Ft~r die Versuche wurden immer reine Linien benutzt und fast stets wurden die reziproken Kreuzungen ausgefiihrt. Die naehfolgenden Generationen wurden alle gezfichtet aus Samen welche dureh Selbst- befruchtung entstanden. In der folgenden 13bersicht der Kreuzungen werde ich oft der Ktirze wegen die Bliitenfarbe der sechs untersuch- ten Varietaten andeuten mit dunkelblau ftir den gew6hnlichen blau- en Lein 1), ~gyptisch blau ft~r den ~gyptischen Lein, crepitans blau

1) I n tier L i t e r a t u r wi rd die B l ~ t e n f a r b e der L e i n p f l a n z e me i s t e l l s n i c h t

m i t d u n k e l b l a u , s o n d e r n m i t laellblau a n g e d e u t e t . I m G e g e n s a t z zu r B l f i t en f a rbe der V a r i e t g t m i t n o c h he l l e r en B l u m e n , b ier de r he I l b l aue L e i n g e n a n n t , i s t d e r A u s d r u c k d n n k e l b l a u in de r v o r l i e g e n d e n M i t t e i l u n g abe r a m d e u t l i c h s t e n .

118 DIE GENOTYPISCHE ZUSA2CIMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

ffir L. crepitans, hellblau ffir die hellblau-blfihende Form; weiss ffir den gew6hnlichen weissen Lein und gekr~iuselt weiss ffir die yon M. VILMORIN erhaltene Variet~tt.

Bei den Angaben der Kreuzungen ist stets die Mutterpflanze zuerst genannt.

Bei meinen Untersuchungen bin ich immer von der Blfitenfarbe ausgegangen und habe im Zusammenhang damit die anderen Merk- male berficksichtigt. Aus diesem Grunde und weil die Blfitenfarbe gr6ssere Unterschiede als die tibrigen Merkmale aufweist, werde ich auch bei der Bespreehung der verschiedenen Kreuzungen die Bliiten- farbe in den Vordergrund stellen und die Kreuzungen durch Angabe der Bltitenfarbe der benutzten Variet~iten andeuten.

K A P I T E L I

DIE KREUZUNGEN

Bei Untersuchungen wie die hier zu beschreibenden glaube ich, dass es erwfinscht ist, alle Beobachtungen mitzuteilen und nicht nur diejenigen, woraus die Resultate abgeleitet wurden. Um aber bei der Besprechung der aus den Beobachtungen hervorgehenden Schluss- folgerungen nieht an mehreren Stellen Mitteilungen machen zu mtissen, welche dort keine Bedeutung haben und Welche die Vor- stellung nur verwickelter machen und um Wiederholungen vorzu- beugen, babe ich es vorgezogen alle Beobachtungen in diesem Kapitel zusammenzufassen und ohne weiteres so kurz wie m6glich zu be- schreiben. Nur diejenigen, welche sich auf die mittlere Anzahl der Samen pro Frucht und die Keimungsf~higkeit der Samen beziehen, bleiben hier unberticksichtigt, weil es geeigneter ist diese Merkmale an anderer Stelle zu besprechen. Alle aus den Beobachtungen hervor- gehenden Schlussfolgerungen in bezug auf die genotypische Zusam- mensetzung der verschiedenen Variet~tten und die Wirkung der Faktoren werden sp~tter behandelt werden. Dabei wird stets das bier mitgeteilte benutzt werden und werde ieh immer die betreffenden Beobachtungen andeuten.

l a. Dunke lb lau • iigyptisch blau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 7. F1 bestand aus 17 Individuen.

D E R S E L B E N A R T U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G ZI 9

F2, die Nachkommen voi1 7 Fx-Pflanzen: 140 Individuen.

F3, die Nachkommen yon 27 F2-Pflanzen: 280 Individuen.

F4, die Nachkommen yon 1 F3-Pflanze: 40 Individuen.

lb. A'gyptisch blau • dunkelblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 9.

F1 bestand aus 28 Individuen.

F2, die Nachkommen yon 14 F1-Pflanzen: 170 Individuen.

F3, die Nachkommen yon 13 F2-Pflanzen: 130 Individuen.

F4, die Nachkommen yon 2 F3-Pflanzen: 100 Individuen.

Die Nachkommen zeigten in allen Generationen die blaue Farbe der Bltite und der Staubbeutel und die braune Farbe der Samen der

P-Formen und hatten wie diese flache Kronbl~itter.

2a. Dunkelblau • crepitans blau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 5.

F~ bestand aus 15 Individuen.

F2, die Nachkommen yon 8 F1-Pflanzen: 50 Individuen.

2b. Crepita~,s blau • dunkelblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 9.

F1 bestand aus 27 Individuen.

F2, die Nachkommen von 11 F1-Pflanzen : 129 Individuen.

F3, die Nachkommen yon 3 F2-Pflanzen: 315 Illdividuen.

Die Farbe der Bliite, der Staubbeutel und der Samen aller Nach-

kommen stimmte vollkommen mit der der beiden P-Variet~tten fiber

ein und wie bei diesen waren die Kronbl~ttter flach.

3a. A'gyptisch blau • crepitans b[au

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 6.

F~ bestand aus 11 Individuen.

F2, die Nachkommen von 7 F1-Pflanzen: 116 Individuen.

F3, die Nachkornmen von 10 F2-Pflanzen: 524 Individuen. F4, die Nachkommen yon 7 F3-Pflanzen: 208 Individuen.

Fs, die Nachkommen yon 5 F4-Pflanzen: 490 Individuen.

120 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETA.TEN

3b. Crepitans blau • @yptisch blau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 6. F1 bestand aus 23 Individuen. F2, die Naehkommen yon 4 F1-Pflanzen: 73 Individuen.

F3, die Naehkommen yon 9 F2-Pflanzen: 453 Individuen. In allen Generationen zeigten alle Individuen die blaue Farbe der

Blfite und der Staubbeutel, die braune Farbe der Samen und das Flachsein der Kronbl~tter der P-Variet~ten.

4a. Dunkdblau • hellblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 2. FI bestand aus 12 Individuen mit Bl~ten, welche vollkommen mit

der der dunkelblauen P-Variet~it t ibere ins t immten.

F2, die Nachkommen yon 6 F~-Pflanzen, bestand aus I54 Indivi- duen: yon diesen hat ten 40 hellblaue und I 14 dunkelblaue Bliiten.

4b. Hellblau • du~kdblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 8. F~ bestand aus 53 Individuen. Die Bltitenfarbe derselben s t immte

mit tier tier reziproken F1-Pflanzen iiberein. F2, die Nachkommen yon 8 Fl-Individuen, umfasste 230 Indivi-

duen, 61 mit hellblauen, 169 mit dunkelblauen Bltiten. F3, von 5 hellblauen Fz-Pflanzen s tammend, zeigte hellblaue

Blfiten bei allen 250 Pflanzen. Von 2 F2-Pflanzen mR dunkelblauen Bltiten spaltete die eine sich

in F3 in 37 dunkelblau und 13 hellblau, w~ihrend die andere 50 dunkel-

blaue F3-Individuen gab. Alle Nachkommen bat ten flache Kronblfitter, blaue Staubbeutel

und braune Samen.

5a. Hellblau • weiss

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 11. F1 bestand aus 69 Individuen.

5b. Weiss • hellblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 4. FI bestand aus 24 Individuen.

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Die reziproken Kreuznngen s t immten in ihrem Verhalten mit- einander iiberein, dieselben werden deshatb weiter zusammen be- sehrieben werden.

Die Bliitenfarbe der ersten Generation war viel dunkler als die der hellblauen Variet~it und nur ein wenig heller und etwas weniger

violett als die des gew6hnlichen dunkelblauen Leins. Der Unter - schied mit dem gew6hnlichen Lein war aber nut scheinbar und wurde

verursacht dadurch, dass die Adern, welche bei allen blauen Varie- t~tten viel dunkler als die In tervenia sind, bei diesen Hybr iden nicht dunkler gef~trbt waren als der iibrige Teil der Spreite. Die ganze Spreite war einfarbig und es sah ans als ob die Adern fehlten. Ich werde im folgenden derartige Bltiten der Ktirze wegen mit dunkel- blau ohne Adern bezeichnen, im Gegensatz zu dnnkelblau mit Adern,

wie es beim gew6hnlichen und ~igyptischen Lein und bei L. crepitans vorkommt.

In der zweiten Generation, yon 14 Fl-Pflanzen s tammend, t ra t Spaltung auf. Ausser weissen und hellblauen Individuen wie die P-

Variet~tten und blauen wie die F1-Pflanzen kamen in F2 auch ~usserst hellblaue vor. Die Spreite der Kronbl~ttter war bei diesen Pflanzen,

gleichm~issig gef~rbt, die Farbe der Adern war nicht dunkelblau sondern derjenigen der Intervenia gleich. Dadnrch waren die Adern unsichtbar, wie das such bei den dunkler gef~rbten F1-Pflanzen und den damit t ibereinstimmenden F2-Pflanzen der Fall war. Solche Blii- ten werde ich mit hellblau ohne Adern andeuten, im Gegensatz zu hellblan mit Adern der hellblauen Variet~tt. Weiter kamen auch noch Pflanzen mit dnnkelblauen Bliiten vor, welche der Bliite des ge- w6hnlichen Leins in der Farbe der Spreite und der Adern vollkom- men gleich waren.

Das Zahlenverh~iltnis der verschiedenen genannten Phaenotypen war das folgende: dnnkelblau mit Adern 93, dunkelblau ohne Adern- 194, hellblau mit Adern 28, hellblau ohne Adern 68, weiss 125.

18 F2-Pflanzen mit dunkelblauen Bliiten mit Adern wurden weiter geztichtet. 8 derselben erwiesen sich als konstant und gaben eine F3 von zusammen 485 Individuen, alle ebenfalls dunkelblau mit Adern, ebenso wie die 100 F4-Individuen yon 4 F3-Pflanzen s tammend.

Die 10 anderen F2-Individuen mit dunkelblauen Bltiten mit Adern ~palteten alle in F3, zusammen in 293 dnnkelblau mit Adern und 102 hellblau mit Adern.

I 2 2 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETY-TEN

Von den 8 weiter kultivierten F2-Pflanzen mit dunkelblauen Bliiten ohne Adern spalteten 5 in den 5 Phaenotypen der zweiten Generationen, zusammen: 68 dunkelblau mit Adern, 1 ! 1 dunkelblau ohne Adern, 20 hellblau mit Adern, 44 heltblau ohne Adern und 90

weiss. Die 3 anderen spalteten in dunkelblau mit Adern, dunkelblau ohne Adern und weiss zusammen 43, 74 und 34.

Alle 5 nntersuchten F2-Individuen deren Bltiten he l lb lau mit Adern waren, ergaben sich als konstant denn sie lieferten zusammen eine Nachkommenschaf t yon 426 Individuen,alle hellblau mit Adern.

Die 10 untersuchten F2-Individuen mit hellblauen Bliiten ohne Adern spalteten alle in der n~mlichen Weise und mit demselben

Zahlenverh~iltnis und gaben zusammen: 103 hellblau mit Adern, 194

hellblau ohne Adern und 107 weiss. Die 6 weiter geziichteten weissen F2-Pflanzen gaben nur weisse

Nachkommen, zusammen 175 Individuen, w~thrend 2 yon diesen F3-

Pflanzen eine F4 y o n zusammen 85 weissen lieferten. Alle Nachkommen dieser beiden Kreuzungen zwischen hellblau

und weiss hat ten flache Kronblfitter, blaue Staubbeute l und braune Samen wie die beiden P-Variet~tten.

6. Hellblau • gekriiuselt weiss

Zwischen diesen beiden Variet~tten wurde nur diejenige Kreuzung ausgefiihrt bei welcher die Mutterpflanze hellblau war.

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 3. F~ bestand aus 16 Individuen. Die Farbe der Bliite war viel dunkler als die des hellblauen Leins,

dieselbe s t immte vol lkommen mit der des gew6hnlichen Leins tiberein, aueh in den Adern. Die Kronbl~ttter waren flach, die Staub- beutel blau und die Samen braun wie bei der hellblauen P-Form.

In F2, v o n den gesamten F1-Pflanzen s tammend, traf Spaltung auf in dunkelblau mit Adern 298, hellblau mit Adern 96, und weiss 91. Die beiden blauen Phaenotypen hat ten flaehe Kronblfitter, blaue Staubbeutel und braune Samen, der weisse hat te gekr~iuselte Kron- blfitter, gelbe Staubbeutel und gelbe Samen wie die weisse P-Varie- t~tt.

Von den 14 weiter kultivierten F2-Pflanzen mit dunkelblauen Bltiten mit Adern waren 3 konstant und gaben eine F3 v o n zusammen

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202 Individuen alle dunkelblau mit Adern. Zwei spalteten in F3 in 146 dunkelblau mit Adern und 46 weiss: eine andere F2-Pflanze gab 40 dunkelblau mit Adern und 11 hellblau mit Adern, w~ihrend die 8 tibrigen sich wie FI spalteten in 106 dunkelblau mit Adern, 40 hell- blauen mit Adern und 44 weiss.

Von 9 der F2-Individuen mit hellblauen Bliiten mit Adern wurde die F3-Generation geztichtet. Zwei dieser F2-Pflanzen gaben nut hell- blau mit Adern, zusammen 224 Individuen; die iibrigen 7 spalteten alle, zusammen in 461 hellblau mit Adern und I40 weiss.

Von den weissen Fz-Pflanzen wurden 6 welter geztichtet. Diese gaben nur weissbliihende F3-Pflanzen, zusammen 267 Individuen.

In allen Generationen hat ten die blaubliihenden Individuen Ilaehe Kronbl~itter mit Adern, blaue Staubbeutel und braune Samen, die

weissbliihenden gekr~iuselte Kronbl~itter, gelbe Staubbeutel und gel- be Samen.

7. Dunkdblau • weiss

Zwischen diesen beiden Variet~tten wurde nur diese Kreuzung ausgefiihrt.

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 7. F1 bestand aus 11 Individuen mit dunkelblauen Bliiten ohne

Adern. Dieselben s t immten in ihrer Farbe mit den Bliiten der F1- Pflanzen der Kreuzung yon hellblau und weiss iiberein.

In F2, yon den gesamten F1-Pflanzen s tammend, t ra t Spaltung auf in 166 dunkelblau mit Adern, 336 dunkelblau ohne Adern und 163 weiss.

Zwei der F2-Pflanzen mit dunkelblauen Bltiten mit Adern gaben eine F 3 ebenfalls dunkelblau mit Adern, zusammen 48 Individuen.

Eine F2-Pflanze, dunkelblau ohne Adern spaltete in F3 und gab dunkelblau mit Adern, dunkelblau ohne Adern und weiss. Die totale Anzahl der Individuen betrug 100, die Anzahl der verschiedenen Phaenotypen wurde aber nicht best immt.

Zwei weisse Fz-Pflanze gaben zusammen 85 weisse F3-Individuen und 2 dieser F 3 wieder 42 weisse F4.

Alle Nachkommen dieser Kreuzung hat ten flaehe Kronbl~ttter, blaue Staubbeutei und braune Samen.

I2 4 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETfi~TEN

g. Weiss • iigyptisch blau

Von den beiden reziproken Kreuzungen wurde nur diese ausge-

ftihrt. Die Anzahl der Kreuzungen betrug 5.

F1 bestand aus 16 Pflanzen mit dunkelblanen Bltiten ohne Adern. In F2, die Nachkommenschaft der gesamten F1-Pflanzen, t ra t

Spaltung auf in dunkelblau mit Adern 218, dunkelblau ohne Adern 426 und weiss 207.

Zwei der F2-Pflanzen mit dunkelblauen Bltiten mit Adern wurden nachgeztichtet. Dieseiben gaben zusammen 100 F3-Pflanzen alle dunkelblau mit Adern.

6 F2-Individuen mit dunkelblauen Bltiten ohne Adern spalteten in den drie Phaenotypen tier zweiten Generation und gaben zu- sammen 116 dunkelblau mit Adern, 223 dunkelblau ohne Adern und

101 weiss. Die weissen F2-Pflanzen gaben nur weisse Nachkommen, im gan-

zen wurden 271 F3-Individuen yon 6 Fz-Pflanzen s tammend, studiert. Eine yon dieser F3-Pflanzen gab 24 weisse F4-Individuen.

Alle Naehkommen dieser Kreuzung zeigten flache Kronbl~tter, blaue Staubbeutel und braune Samen.

9a. Du~kelblau • gekriiuselt weiss

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 12. F1 bestand aus 31 Pflanzen, alle mit dunkelblauen, flachen Kron-

bl~ittern mit Adern, blauen Staubbeuteln und braunen Samen. In Fe, die Nachkommen der gesamten F1-Pflanzen, t ra t Spaltung

auf in 795 dunkelblau mit Adern, flach, blaue Staubbeutel und brau- ne Samen und 199 weiss, gekrfiuselt, gelbe Staubbeutel und gelbe

Samen.

9b. Gekrduselt weiss • du~kelblau

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 15. F~ bestand aus 3I Pflanzen, alle Bliiten waren flach, dunkelblau

mit Adern, die Staubbeutel blau, und die Samen braun. F2, die Nachkommenschaft der gesamten F~-Pflanzen, bestand

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aus 517 Individuen blau mit Adern, flach, blaue Staubbeutel, braune Samen und 119 Individuen weiss, gekr~tuselt, mit gelben Staub- beuteln und gelben Samen.

10. A'gyptisch blau • gekri~uselt weiss ul~d reziprok.

Diese beiden Variet~iten wurden zwar reziprok gekreuzt, aber die Fz-Nachkommen wurden in einigen Kulturen nicht getrennt gehal-

ten. Weil aber in denjenigen F~tllen, wo dies wohl geschah dieselben Resultate erhalten wurden, k6nnen alle Beobachtungen ohne weite- res zusammen betrachtet werden. Die Anzahl der Kreuzungen be- trug fiir ~igyptisch blau • gekr~tuselt weiss 20, ftir die reziproke

Kreuzung 12; die Anzahl der F1-Pflanzen war ftir erstere 30, ftir die zweite 12. Alle Fi-Pflanzen hat ten flaehe Kronbl~itter, dunkelblau

mit Adern, blaue Stanbbeutel und braune Samen. F2, in verschiedenen Jahren geztichtet, bestand zusammen aus

1554 dunkelblau mit Adern, 424 weiss. Von den blaubltihenden F2-Pflanzen wurden 43 weiter kultiviert.

I3 yon diesen erwiesen sich als konstant und gaben nur Nach- kommen mit dunkelblauen Bltiten mit Adern zusammen 234 Indivi- duen. Hiervon gaben 7 eine F4 ebenfalls dunkelblau mit Adern ill al- len 163 Individuen.

Die 30 iibrigen Fz-Pflanzen spalteten wieder zusammen in 804 dunkelblau mit Adern und 204 weiss.

Von 26 dieser' blauen F3 wurde F4 geztichtet. Es ergab sich dabei, dass 8 derselben nur blaue Nachkommen lieferten, zusammen 312 Individuen, w~ihrend 18 wieder spalteten in 748 dunkelblau mit Adern und 172 weiss.

Die weissen F2-Pflanzen lieferten nur weisse Nachkommen. 27 weisse Fz-Individuen gaben 741 weisse F3-Pflanzen, 25 yon diesen lieferten eine F4 von 600 weissen und 2 F4-Pflanzen gaben wieder 38 weisse Fs-Individuen.

In allen Generationen hat ten die blaubltihenden Pflanzen flache Kronbl~itter mit Adern, blaue Staubbeutel und braune Samen; die weissbltihenden gekr~iuselte Kronbl~itter, gelbe Staubbeutel und gel- be Samen.

I26 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

1 l a. Weiss • gekriiuselt weiss

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 10. F~ bestand aus 79 Individuen. Die Bliiten dieser F1-Pflanzen waren nicht weiss, sondern blau ge-

f~trbt, durch das Fehlen der Adern scheinbar etwas heller und weniger violett als die des gew6hnlichen Leins. Sie stimmten in ihrer Farbe mit den Bliiten der F1-Pflanzen aus den Kreuzungen weiss mit hellblau und weiss mit dunkelblau tiberein. Die Kronbl~ttter waren flach, die Staubbeutel blau und die Samen braun.

1 lb. Gekriiuselt weiss • weiss

Die Anzahl der Kreuzungen betrug 8. F~ bestand aus 58 Individuen, mit blauen Bltiten, welche denjeni-

gender reziproken Kreuzung gleich waren. Bei beiden Kreuzungen trat in F2, welche yon der gesamten F1

stammte, in der nfimlichen Weise Spaltung auf. Die Nachkommen beider werden deshalb im folgenden zusammen betrachtet werden. Die zweite Gerrerat~on ze~g~ce ftinf Phaenotypen. Auser den beiden weissbltihenden P-Variet~ten und den mit lq'l tibereinstimmenden blauen ohne Adern mit flachen Kronbl~tttern, blauen Staubbeuteln und braunen Samen traten noch zwei andere Formen auf, n~imlich: eine dunkelblaue mit Adern, mit flachen Kronbl~ttern, blauen Staubbeuteln und braunen Samen, vollkommen mit dem gew6hn- lichen Lein tibereinstimmend und ein neuer Phaenotypus n~imlich eine weisse Form mit flachen Kronbl~ittern, aber mit gelben Staub- beuteln und gelben Samen. Das ZahlenverMltnis der ftinf Phaeno- typen war: dunkelblau mit Adern, Kronbl~tter Ilach, Staubbeutel blau, Samen braun 213; dunkelblau ohne Adern, Kronbl~itter flach, Staubbeutel blau, Samen braun 397 ; weiss, Kronbl~itter flach, Staub- beutel blau, Samen braun 203; weiss, Kronbl~itter gekr~iuselt, Staubbeutel gelb, Samen gelb 167; weiss, Kronbl~itter Ilaeh, Staub- beutel gelb, Samen gelb 74.

Das Verhalten in t)'3 w a r sehr verwickelt. Einer der ftinf F2-Phae- notypen gab eine konstante Nachkommenschaft; von drei anderen Phaenotypen spalteten einige der Individuen wohl in ~'3 andere da- gegen nicht und vom f/inften Phaenotypus spalteten zwar alle F2-

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG 12 7

Individuen in F3, aber ein Teil derselben in der einen, die tibrigen in einer anderen Weise.

Zwei der vier untersuchten Individuen mit dunkelblauen Bliiten mit Adern, mit blauen Staubbeuteln und braunen Samen spalteten nicht. Diese gaben eine F3 yon zusammen 409 Pflanzen, welche mit den beiden F2-Pflanzen fibereinstimmten. Die zwei anderen spalte- ten, znsammen in 60 dunkelbtau mit Adern, KronbI~tter flach, Staubbeutel blau. Samen braun und 21 weiss, Kronbl~ttter gekr~u- selt, Staubbeutel gelb, Samen gelb.

Von 6 F2-Individuen dunkelblau ohne Adern, mit flachen Kron- bl~tttern, blauen Staubbeuteln und gelben Samen wurde F3 ge- ztichtet. Ftinf derselben spalteten sich wie F1 in 5 Phaenotypen: 31 dunkelblau mit Adern, Kronbl~itter flach, Staubbeutel blau, Samen braun; 63 dunkelblau ohne Adern, flache Kronbl~itter, Staubbeutel blau, Samen braun; 34 weiss, flach, blaue Staubbeutel, braune Samen; 23 weiss, gekr~iuselt, gelbe Staubbeutel, gelbe Samen und 9 weiss, flach, gelbe Staubbeutel, gelbe Samen.

Die andere spaltete in drei Phaenotypen: dunkelblau mit Adern, flach, Staubbeutel blau, Samen braun 4; dunkelblau ohne Adern, flach; Staubbeutel blau, Samen braun 8; weiss, flach, blaue Staub- beutel, braulle Samen 2.

Von den weissen F2-Pflanzen spaltete der Phaenotypus mit flachen Kronbl~ttern, gelben Staubbeuteln und gelben Samen nicht. Sieben dieser Pflanzen gaben eine mit denselben iibereinstimmende F3 von zusammen 402 Individuen.

Von den beiden anderen weissen F2-Phaenotypen spalteten einige Individuen und andere ztichteten rein.

Von 45 weissen F2-Individuen mit Ilachen Kronbl~tttern, blauen Staubbeuteln und braunen Samen gaben 18 nur dergleiche Nach- kommen, zusammen 1317 Pflanzen.

Die 27 anderen spalteten zusammen in 1271 weiss, flache Kron- bl~ttter, Mane Staubbeutel und braune Samen und 361 weiss, ge- kr~iuselte Kronbl~ttter, gelbe Staubbeutel und gelbe Samen.

23 F2-Individuen weiss, gekrfiuselt, gelbe Staubbeutel und gelbe Samen lieferten eine F3. Hiervon gaben 7 nur Individuen wie die F2- Mutterpflanzen, zusammen 395. Die I6 anderen spalteten alle in weiss, mit gekr~iuselten Kronbl~ttern, gelben Staubbeuteln und gelben Samen und weiss, mit flachen Kronbl~tttern, gelben Staub-

I28 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

beuteln und gelben Samen. Die Anzahl dieser zwei Phaenotypen wurde nicht jede ftir sich best immt, nur die Anzahl von beiden zu- sammen und diese betrug 78 t.

K A P I T E L I I

DIE I;AKTOR13N FOR DIE BLfJTENFARBE

Aus den im vorigen Kapitel mitgeteilten Beobachtungen ist es nun m6glich die genotypische Zusammensetzung der verschiedenen Variet~ten in bezug auf die hier angefCihrten Merkmale zu bestim- men. tch werde aber zuerst nur das Verhalten der Bliitenfarbe be- sprechen um daraus das Vorhandensein verschiedener Faktoren abzuleiten. Die fibrigen Merkmale, die Farbe der Staubbeutel und der Samen, das Flach- oder Gekr~iuseltsein der Kronbl~ttter, die mitt lere Anzahl der Samen pro Frucht und die Keimungsf~higkeit

der Samen werden erst sp~iter behandelt werden. Bei den Kreuzungen zwischen dem gew6hnlichen Lein, dem

figyptischen Lein und L.crepitans, welche alle drei dunkelblaue, in Farbe ~iusserlich miteinander tibereinstimmende Blfiten haben, zeigten aueh alle Nachkommen diese Bliitenfarbe. I m ganzen wurden von den 3 verschiedenen reziprok ausgefiilarten Kreuzungen (la, l b, 2a, 2b, 3a, 3b, S. zz8-I2O) 3339 Individuen der 1.2. 3.4. und 5. Generation wahrgenommen und alle diese s t immten in ihrer Bltitenfarbe mit den P-Variet~tten tiberein. Bei der Kreuzung t ra t keine andere Blfitenfarbe auf, weder dunkler noeh belier gef~rbte, noch weisse B h m e n kamen vor. Hieraus geht hervor, dass der Fak- tor oder die Faktoren, welche die Bliitenfarbe bedingen, bei diesen drei Variet/~ten die n/imlichen sind.

Eine dieser Variet~tten und zwar der gew6hnliche dunkelblaue

Lein mit dem hellblauen gekreuzt (4a, 4b, S. x2o) gab in F1 die dun- kelblaue P-Vari~t~it, und in F2 Spaltung in den beiden P-Formen. W~thrend die hellblauen in F3 nicht wieder spalteten, t ra t bei den dunkelblauen bei einigen Individuen Spattung auf, bei anderen nicht. Nach den oben mitgeteilten Beobachtungen war d a s Zahlen-: verh~iltnis der hellblauen Und dunkelblauen Individuen bei der Spaltung: 40 : 114; 61 : 169 und 13 : 37, das ist ungefiihr wie 1 : 3. Igieraus ergibt sich, dass es sich bei dieser Kreuzung um eine mono-

D E R S E L B E N ART UND IHR G E K E T I S C H E R ZUSAMMENHANG ~c2 9

hybride Spaltung handelt. Die eine Variet~t besitzt somit einen ein-

zigen Faktor ftir Bliitenfarbe mehr als die andere, und es liegt auf

der Hand anzunehmen, dass dieses beim dunkelst gef~irbten, also

beim dunkelblauen Lein der Fall ist. Weil aber die andere der beiden gekreuzten Variet~iten, n~imlich der hellblaue Lein auch gef~irbte

Bltiten hat, muss auch dieser einen oder mehrere Faktoren Itir Bliiten-

farbe besitzen. Dieser Faktor oder Faktoren welche im hellblauen

Lein vorkommen, sind also auch im dunkelblauen vorhanden. Hier-

yon wird sp~tter die Rede sein. Der dunkelblaue Lein abet besitzt

ausserdem noch einen Faktor, welcher mit den anderen zusammen

die dunklere Farbe verursacht. Ich werde diesen im dunkelblauen,

aber nicht im hellblauen Lein vorkommenden Faktor A nennen.

Nun fragt es sich, ob A im stande ist ftir sich allein also ohne An-

wesenheit anderer Faktoren, blaue Bliitenfarbe zu bedingen, oder

ob A nur die von anderen Faktoren verursachte Farbe intensifizieren

kann.

Um dieses zu entscheiden ist es n6tig erst die genotypische Zu-

sammensetzung der weissbliihenden Variet~iten zu studieren.

Bei d,er Kreuzung des hellblauen Leins mit dem weiss-bliihenden

gew6hnlichen Lein (Sa, 5b, S. I20) zeigten, wie beschrieben, die

Bltiten der ersten Generation eine Farbe welche entschieden dunkler

war ats die des hellblauen Leins und in F2 und F3 t ra ten Individuen

auf mit Blumen, welche in ihrer Farbe vollkommen mit tier des

dunkelblauen Leins tibereinstimmten. Hieraus geht hervor, dass

im weissen Lein ein Faktor vorhanden ist, der mit den des hellblauen

zusammen die dunklere Farbe bedingt. In dieser Hinsicht stimmt

dieser im weissen Lein vorkommende Faktor mit dem Faktor A des

dunkelblauen Leins iiberein. Und dass es indertat der Faktor A ist

der im weissen Lein vorkommt, beweist die Kreuzung dieses Leins mit dem dunkelblauen. Denn ware der Faktor des weissen Leins ein

anderer als A, so wtirden bei dieser Kreuzung in F2 Individuen ent-

stehen, denen sowohl dieser Faktor als auch A fehlten und welche

nur den Faktor des hellblauen Leins besttssen. Es wiirden also in F2 Pflanzen mit hellblauen Bliiten, mit denjenigen der hellblauen Va-

riet~t iibereinstimmend, vorkommen miissen. Dem ist abet nicht

so, wie die oben beschriebenen Beobachtungen der Kreuzung dun-

kelblau • weiss (7. S. :r23) und weiss • figyptisch blau (8, S. z24) lehren. Individuen mit hellblauen Bltiten wurden nieht gebildet. Es

G e n e t i c ~ X X I I 9

13o DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

ergibt s ich also, dass der im dunke!b lauen Lein, im ~igyptischen Lein

und in L. crepitans vorkommende Fak to r A aueh im weissen Lein

vo rhanden ist. Hieraus geht aber ohne weiteres hervor, dass dieser

Fak to r A fiir sich keine blaue Farbe verursacht . A ist ein Verst~tr-

kungs- oder Intensi t f i t s faktor , d e r n u r eine schon vorhandene Fa rbe

intensif izieren kann.

Das Vorkommen derar t iger Fak to ren ist schon durch andere

Untersucher gezeigt worden u. m. yon Miss WHELDALE 1) und

BAUR 2) bei Antirrhinum magus; yon EAST 3) bei Zea Mais; yon

CASTLE 4) u n d PUNNETT 5) bei Kan inehen und yon Miss DURHAM 6),

PLATE 7) und HAGEDOORN S) bei M~usen.

Auch bei der Kreuzung zwisehen dem hel lblauen und dem ge-

kr~iuselten weissen Lein (6, S. 122) h a t t e n alle F l - I n d i v i d u e n und

ein Tell der zweiten und der dr i t t en Genera t ion dunkler gefarbte

B lumen als der hel lblaue Lein. Im gekr~usel ten weissen Lein k o m m t

also, ebenso wie im gew6hnlichen weissen, ein Fak to r vor der die

hel lblaue Farbe dunkler macht . Dass auch dieser der Fak to r A ist,

wird durch die Kreuzungen des gekr~tuselten weissen Leins mit dem

dunke lb lauen (ga, 9b, S. 124) und mit dern ~tgyptischen (10, S. 125) bewiesen. Bei keiner dieser Kreuzungen kamen un te r den 1374 u n d

3857 b laub l i ihenden I n d i v i d u e n verschiedener Genera t ionen hel lblau

gef~irbte vor, was wohl der Fal l sein mfisste, wenn der gekr~uselte

1) M. WHELDALE, Die Vererbllng der Bltitenfarbe bei Antirehinum mains. Zeitschr. f. ind. Abst. und Vererbungslehre, Bd. 3, I910, S. 32I.

2) ]E. BAUR, Vererbungs- und Bastardierungsversuche mit A•tirrhinum. Zeitschr. f. ind. Abst. und Vererbungslehre, Bd. 3, 1910, S. 34.

3) E. M. EAST, The Mendelian notation as a description of physiological facts. American Naturalist, Voh XLVI, 1912, $. 655.

4) Nach W. JOHA~-~SEN, Elemente der exacten Erblichkeitslehre, 2. Ausg. 1913, S. 531. Die ursprtingliche Arbeit yon CASTLE stand mir nicht zur Ver- Itigung.

5) R. C. PON~ETT, Inheritance of eoat-colour in Ra.bbits. jourll, of Gelli- tics, Vol. II, i912, S. 221.

6) F. M. DURHAM, A preliminary account of the inheritance of coat-colour in mice. Rep. IV, Evolution Committee, R. Soc. 1908.

7) L. PLATE, Die Erbformeln der Farbenrassen yon Mns Musculns. Zooh Anzeiger, Bd. 35, 1910, S. 634.

8) A. L. FIAGEDOORN, The genetic factors ill the deveJoplmellt of the housemouse, which influence the coat-colour. Zeitschr. f. ind. Abs~c. und Vererbungslehre, Bd. 6, I91 I, S. 97.

DEESELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSA3/IlX{ENHANG I 3 I

weisse Lein nicht A sondern einen anderen Verst~rkungsfaktor be- s/isse.

Die beiden weissblfihenden Variet~iten besitzen somit den n~tm- lichen Faktor A. Dennoch unterscheiden sie sich voneinander in ihrer genotypischen Zusammensetzung fiir Blfitenfarbe. Dieses ergibt sich aus der gegenseitigen Kreuzung (1 l a, 1 l b, S. z26). Alle

Fi-Pflanzen und ein Teil von F2 und ~'3 zeigten nicht weisse, sondern blaue Blumen. Hieraus geht hervor, dass jede der beiden weissen Variet~ten einen oder mehrere Faktoren besitzt, welche der anderen fehlen und welche Ifir sich keine blaue Farbe bedingen k6nnen. Nur durch das Zusammenwirken der Faktoren beider Formen wird die blaue Bltitenfarbe verursacht.

Das Auftreten yon gef~trbten Blfiten bei der Kreuzung yon zwei weiss oder sehr hell geffirbten Varietfiten ist zu wiederholten Malen beobachtet worden. Der erste, der eine richtige Erkl~irung dieser

Erscheinung gab, war COm~E~,~S 1) der bei der Kreuzung von Mirabi- lis Jalapa typ. alba mit weissen, und MirabiIis Jalapa typ. ~lava mit hellgelben Bl~ten eine rotblt~hende erste Generation erhielt, die sich in F2 spaltete. Sp~tter sind mehrere derartigen F~ille studiert worden u. m. yon Miss SAUNDERS 2) und ebenfalls yon TSCHERMAK 3) bei Matthiola: von BATESON und PUNNETT 4) bei Lathyrus odoratus; yon Miss WI~ELDALE 5) und auch yon BAUR 6) bei Antirrhinum maius; yon SHULL 7) bei Melandrium album und von KEEBLE und Miss PELLEW 8) bei Primula sinensis.

Aus den Beobaehtungen geht nun weiter noch hervor, dass jede

1) C. CORR:~I~S, LTber B a s t a r d i e r u n g s v e r s u c h e mi t Mirabilis-Sippen. Ber. d. d. bot . Ges. Bd. 20, 1902, S. 594.

2) E. R. SAIJNDERS, Rep. E v o l u t i o n C o m m i t t e e , R. Soc. London , tZep. I, 1902, S. 45.

3) E. YON TSCHERMAK, Die Theor ie der K r y p t o m e r i e und des K r y p t o h y - b r id i smus . Beih . Bot . Cent ra tb l . Bd. 16, 1904, S. 21.

4) W. BATESON, MENDELS Pr inc ip les of H e r e d i t y , 1909, $. 89. 5) M. W~IELDALE, F lower colour in Antirrhinum magus. Proc. R. Soc. Bd.

79, 1907, $. 296. 6) E. BArJR, Vere rbungs - und B a s t a r d i e r u n g s v e r s u c h e mi t Antirrhinum.

Zei%chr. f. ind. Abs t . und Vere rbungs l eh re , Bd. 3, 1910, S. 76. 7) G. H. SHULL, Tile p r i m a r y co lo r - fac to rs of Lychnis and color- inhibi -

t o t s of Papaver rhoeas. Botan . Gaz, Vol. L IV , 1912, S. 120. 8) FR. I~EEBLE and Miss C. PELLEW, W h i t e f lowered var ie t ies of Primula

s$nensis. Jou rn . of Gene t ics , VoI. I, I910 / I9 I 1, S. 5

I32 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMIV[ENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

der beiden weissen Variet~iten ausser A nur einen einzigen und nicht mehrere, die Bliitenfarbe bedingenden Faktoren besitzt. In F2 betrug n~mlich die Gesamtanzahl der weissbliihenden Individuen 444 und die der blaubltihenden 610. Wie spttter mitgeteilt werden soll, ist die Anzahl der weissen infolge gewisser bekannter Ursachen geringer als sein konnte. Wird diesem Defizit Rechnung getragen so ergibt sich, dass das Verh~iltnis der weisser~ und blauen am besten mit dem theoretischen VerMltnis 7 : 9 iibereinstimmt. Dieses Ver-

h~iltnis nun kommt bei dihybrider Spaltung vor, wenn dabei das betreffende Merkmal nur auftr i t t beim gleichzeitigen Vorhandensein beider Faktoren. Die beiden weissen Variet~ten besitzen somit aus- ser A, jede noch einen einzigen Faktor. Ich werde denjenigen des ge- w61?nlichen weissen Leins mit B, den des gekrttuselten weissen mit C bezeichnen.

Weil nun bei der Kreuzung dieser beiden weissen Formen in F2 Individuen auftreten, welche in ihrer Bliitenfarbe vollkommen mit der des dunkelblauen Leins tibereinstimmen, liegt die Vermutung nahe, dass die Bltitenfarbe des dunkelblauen Leins verursacht wird dutch das Vorhandensein der Faktoren B und C zusammen mit A, und dutch letzteren intensifiziert. Diese Vermutung wird best~ttigt

durch die Beobachtungen bei den Kreuzungen des dunkelblauen und des ~igyptischen Leins mit dem weissen (7, 8, S. z23 und z24) und mit dem gekrXuselten weissen (ga, 9b, 10, S. ~24, I25) gemacht. Das Zahlenverh~tltnis der weiss- und blaubliihenden Individuen in F2 und nachfolgenden Generationen war: fiir dunkelblau • weiss (7, S.

xe3) I63 : 502; fiir weiss x ~igyptisch blau (8, S. z24) 207 : 644; also ftir beide Kreuzungen ungef~ihr wie 1 : 3. Fiir dunkelblau • gekr~iuselt weiss und reziprok (ga, 9b, S. z24) zusammen wurden be- obachtet 318 weissen und 1312 blauen und fiir ttgyptiseh blau • ge-

kr~uselt weiss und reziprok (t0, S. I25) zusammen 800 weissen und

3106 blauen. Ftir diese beiden tetzteren Kreuzungen st immen die Zahlen nicht

mit dem theoretischen Verh~ltnis 1 : 3 tiberein. Die Anzahl der weissen ist dafiir zu gering. Frtiher 1) babe ich aber nachgewiesen,

i) Die E rk l~ rung einer sche inba ren A u s n a h m e caer MEND~Lschen Spal-

tungsregel . Rec. d. Tray . bot. N4erl. Vo!. XI , 1914, S. 54 und The exp lana-

t ion of an a p p a r e n t except ion to M~NDEL'S law of segregat ion . Proc. tr

Akad. v. Wetensch . A m s t e r d a m . Vol. XVI , I914, S. I021 (s. oben S. zo3).

D R R S E L B E N A R T U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I33

dass es sich hier dennoch um eine monohybride Spaltung handelt, well durch die geringere Lebensf~ihigkeit der Gametenkombinat ion yon weiss mit weiss ein Defizit an weissen entsteht. Infolge dieser geringeren Lebensf~ihigkeit wird erstens in den Frtichten der hetero- zygotischen Pflanzen eine verhaltnism~issig geringere Anzahl Samen ffir weissblfihende Pflanzen gebildet und zweitens haben die Samen, aus welchen weissblfihende Pflanzen hervorgehen wtirden, eine ge-

ringere Keimungsf~ihigkeit. Das aus dem Unterschied ill der mit t - leren Samenanzahl pro Frucht und ill der Keimungsf~ihigkeit der Samen Iiir den figyptischen und den gekr~uselten weissen Lein berechnete Defizit s t immte vollkommen mit dem beobachtetell tiberein. Durch diese Untersuchungen ist also bewiesen, dass auch bei den Kreuzungen des dunkelblauen und des agyptischell Leins mit dem gekrfiuselten weissen Spaltnng nach dem theoretischen Zahlenverh~iltnis 3 : 1 stattfilldet.

Nehmen wir nun an, dass die Blfitenfarbe des dunkelblauen und des ~igyptisehen Leins nicht dureh die Faktoren 13 und C verursacht wird, sonderll durch eillen allderen Faktor , so wfirde bei Kreuzung

mit einer der weissen Variet~tten das Verh~tltnis der weiss- und blau- blfihenden Individuen in F2 7 : 9 sein. Besfissen der dunkelblaue und der ~gyptische Lein nicht einen einzigen, sondern zwei andere Faktoren als B und C und g~tbell diese Faktoren nur zusammen vor- handen die blane Blfitenfarbe, so wtirde das Verh~ltnis der weissen und blauen in F2 bei den genanllten Kreuzungen wie 1 : 1 sein. Nur wenn im dunkelblauen und im ~gyptischen Lein die Faktoren B und C vorkommen, wfirde das Verh~tltnis in [Jbereinst immung mit den

Beobachtllngen in F2 1 : 3 sein. Es ergibt sich also, dass die btaue Blfitellfarbe der genannten Variet~ten yon den Faktoren B und C bedingt wird, w~hrend A diese Farbe intensifiziert.

Aus den Beobachtungen hat sieh jetzt ergeben, dass die genoty- pische Zusammensetzung des dunkelblauen Leins, des ~gyptisehen Leins und von L. crepitans AABBCC ist. Ffir dell hellblauen Lein ist die Formel BBCC, fur den weissen AABB und fiir den gekr~uselten weissen AACC. Ich lasse hier die vielleicht noch in allen Variet~ten vorhandenen 'n~imlichen Faktoren ffir Blfitenfarbe, wie auch den grossen Rest, das X, ausser Betrachtung.

Die verschiedenen Kreuzullgen lehren aber noch einiges fiber die Wirkung der drei Faktoren in bezug auf die Blfitenfarbe. Wie

Z34 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

oben (5a, 5b, S. z2o) beschrieben wurde, zeigt die erste Generation der Kreuzung hellblau mit weiss, AaBBCc; dunkelblaue Blfiten ohne Adern; d. h. die Nerven der Kronbl~itter sind nicht wie bei den blau- bltihenden Lein-Formen dunkler gef~trbt als die Intervenia, son- dern die ganze Spreite ist einfarbig. Die F~ von hellblau und ge- kr/iuselt weiss, AaBbCC (6. S. z22) dagegen ist dunkelblau mit

Adern. Der n~tmliche Unterschied finder sich bei den F~-Pflanzen von

weiss mit dunkelblau (7, S. z23) und yon gekr~tuselt weiss mit dun- kelblau (9a, 9b S. z24). Bei ersteren, AABBCc, fehlen die dunklen Adern in den Kronbl~ittern, bei letzteren AAI3bCC dagegen sind sie vorhanden.

Bei der Vergleichung der genotypischen Zusammensetzung dieser vier ersten Generationen ergibt sich, dass in denjenigen Fgllen worin

C heterozygotisch vorkommt, die Adern fehlen, w~ihrend dieselben vorhanden sind bei denjenigen Individuen, welche C homozygotisch enthalten. In {Jbereinstimmung hiermit zeigt auch die F1-Hybride der beiden weissen Varietfiten AABbCc (1 t a, l lb, S. I26) keine Adern. Hieraus geht hervor, dass die Farbe der Intervenia und die der Adern zwei verschiedene Merkmale sind, welche in verschiedener Weise yon dem hetero- oder homozygotischen Vorhandensein yon C abh/ingig sind. Die Beobachtungen k6nnten nun auch die Meinung hervorrufen, dass C nieht ein einziger Faktor ist, sondern dass hier zwei voneinander unabh~tngige Faktoren vorliegen, ein Faktor der die Farbe der Adern und ein anderer der die Farbe der Intervenia bedingt, w~thrend ersterer nur homozygotisch vorhanden die dunkle- re Farbe der Adern verursacht. Dem ist aber nicht so. Denn bei den Kreuzungen des weissen Leins mit den blaubliihenden Variet~tten und mit dem gekr~tuselten weissen treten keine Individuen mit blau- en Kronbl~tttern aber ungef/irbten Adern auf, und auch keine mit

weissen Kronbl/it tern und blauen Adern. Auch w~tre es denkbar, dass der eine yon den zwei Faktoren die

Farbe der Adern bedinge, der andere die Farbe der ganzen Spreite, d. h. In tervenia saint Adern. Es ergibt sich aber aus den Kreuzun- gen, dass aueh dieses nieht der Fall ist, denn es werden wie gesagt keine Individuen mit weissen Bliiten und blauen Adern gebildet. Der Faktor C besteht somit nicht aus zwei voneinander unabh~ingi- gen Faktoren, sondern er ist ein einziger Faktor , der homozygotisch

D E R S E L B E N A R T U N D IHP. G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I35

vorhanden in verschiedenen Teilen der Kronblat tsprei te eine Farbe von verschiedener Intensit~tt bedingt.

Welter lehrt die Vergleichung der F1-Hybriden verschiedener Kreuzungen noch einiges fiber die Faktoren A und B.

Die Bliite der ersten Generation yon dunkelblau mit gekr~tuselt

weiss. AABbCC (9a, 9b, S. x24) ist dunkelblau mit Adern, vollkom- men tibereinstimmend mit der des gew6hnlichen dunkelblauen Leins AABBCC, obgleieh B in ersterer heterozygot, in der letzteren homozygot vorkommt.

Es macht also keinen Unterschied ob B ein oder zwei Mal vor- handen ist.

Weiter s t immt die Hybride AaBbCC von hellblau mit gekr~iuselt

weiss (6, S. z22) mit AABbCC yon dunkelblau mit gekr~iuselt weiss in der Bliitenfarbe iiberein, obgleich bier A i m ersteren heterozygot,

im letzteren homozygot ist. Der Faktor A verursacht also schon wenn heterozygot vorhanden die st~trkste Verdunkelung der Bliften- farbe.

W~ihrend es, wie oben gezeigt wurde, fiir C einen Untersehied macht ob derselbe hetero- oder homozygot vorkommt, ergibt sich somit, dass dieses bei den Faktoren A und B nicht der Fall ist.

K A P I T E L I I I

D I E W I R K U N G D E R F A K T O R E N F U R D I E B L 1 J T E N F A R B E A U F A N D E R E

M E R K M A L E

Mit Hilfe der Beobachtungen sind die drei Faktoren A, B und C nachgewiesen worden und es hat sich ergeben, dass weder A noch B noeh C fiir sich allein blaue Bliitenfarbe bedingt. Diese wird nur

verursacht wenn B und C zusammen vorhanden sind. Die durch diese beiden Faktoren hervorgerufene Farbe ist hellblau, ist auch A noch anwesend, so ist die Farbe dunkelblau,

Bis jetzt war yon diesen Faktoren nur in bezug auf die Farbe der Bliite die Rede. Aus den Beobachtungen geht aber hervor, dass noeh andere Merkmale yon dem etwaigen Vorhandensein derselben

Faktoren abh~ingig sind. Es sind Merkmale der Kronbl/itter, diesel- ben k6nnen flaeh oder gekr~iuselt sein und weiter sind es die Farbe der Staubbeutel, die Farbe der Samen, die mitt lere Anzahl der Sa-

I36 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIET.ATEN

men pro Frucht und die Keimungsf~ihigkeit der Samen. Der dunkel- blaue Lein, der ~igyptische Lein, L. crepitam, der hellblaue und der gew6hnliehe weisse Lein haben alle flache Kronbl~ttter, blaue Staub- beutel und braune Samen und alle Nachkommen der Kreuzungen zwischen diesen Variet~iten zeigen aueh diese Merkmale (la, lb, 2a, 2b, 3a, 3b, 4a 4b, 5a, 5b, 7, 8, S. II8-~24). Was die mittlere Anzahl der Samen pro Frucht nnd die Keimungsf~higkeit der Samen betrifft, diese Merkmale zeigen bei den genannten Variet~ten und deren dutch Kreuzung erhaltenen Nachkommen keine nennenswerten Unterschiede.

Beim gekr~iuselten weissen Lein sind die Kronbl~itter gekr~iuselt mit nach oben eingerollten Seitenr;indern, die Farbe der Staubbeutel und der Samen ist gelb, w~ihrend die mittlere Anzalal der Samen pro Frucht und d{e Keimungsf~higkeit der Samen eine geringere ist als bei allen anderen untersuchten Variet~iten.

Die Kreuzung dieser Variet~it mit den anderen mit flaehen Kron- bl~ittern, blauen Staubbeuteln und braunen Samen und mit grSsserer mittlerer Anzahl der Samen pro Frucht und grSsserer Keimungs- f~higkeit der Samen lehrt, dass zwisehen diesen Merkmalen und der Bliitenfarbe ein Zusammenhang besteht. Zuerst wird das Verhalten der Farbe der Staubbeutel und der Samen behandelt werden.

Bei der Kreuzung des hellblauen Leins mit dem gekr~uselten weissen (6, S. ~22) zeigen alle Nachkommen, welche blaue Blfiten haben, blaue Stanbbeutel nnd braune Samen und alle die weiss- bliihenden Nachkommen haben gelbe Staubbeutel und gelbe Samen. Individuen mit blauen Bltiten, gelben Staubbeuteln und gelben Samen, oder mit weissen Bliiten, blauen Staubbeuteln und braunen Samen kamen unter den 2228 untersuchten Pflanzen der 1.2. und 3. Generation nicht vor.

Das n~mliche gilt ftir die Kreuzungen des gekr~uselten weissen Leins mit dem dunkelblauen (9a, 9b, S. I24) und mit dem ttgypti- schen (10, S. z25). Auch hier zeigte die sehr grosse Anzahl der Nach- kommen verschiedener Generationen, namlich 1692 fiir die erste, 6036 ftir die zweite Kreuzung, immer entweder blaue Bltiten ,nit blauen Stanbbeuteln und braunen Samen oder weisse Bltiten mit gelben Stanbbeuteln und gelben Samen. Hieraus geht laervor, dass die Merk- male auch bei der Kreuzung in einer nttmlichen Gruppe zusammen- bleiben, wie sie in den P-Variet~iten vereinigt vorkommen. Well die

D E R S E L B E N A R T U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I37

Merkmale einer Gruppe nicht getrennt werden, miissen diese Merk- male zusammen durch das Vorhandensein oder das Fehlen desselben Faktors oder derselben Faktoren verursacht werden. Nun ist oben gezeigt worden, dass die blaue Bliitenfarbe nicht durch einen einzi- gen, sondern durch zwei voneinander unabhangigen Faktoren B und C bedingt wird. Es fragt sich also, ob die Farbe der Staubbeutel und der Samen yon diesen beiden Faktoren oder nur yon einem der bei- den abh~ingig ist. Die Vergleichung der beiden weissbliihenden variet~tten gibt bier Aufschluss. Der gew6hnliche weisse Lein hat, obg!eich derselbe weisse Bliiten tr~igt, dennoch blaue Staubbeutel und braune Samen im Gegensatz zum gekr~iuselten weissen Lein. Nun besitzt der gew6hnliche weisse Lein den Faktor B, der gekr~tu- selte weisse den Faktor C und es ergibt sich also, dass es der Faktor B ist, welcher zugleich die Farbe der Bltite und die der Staubbeutel und Samen bedingt. Auch alle sonstigen Beobachtungen sind hiermit in i)bereinstimmung. Dureh das Fehlen yon C im weissen Lein ist bei diesem die Bliite weiss, obgleich die Staubbeutel blau und die Samen braun sind und alle blaubliihenden Individuen zeigen, weil darin beide Faktoren fiir Bliitenfarbe vorhanden sind, also auch B, blaue Staubbeutel und braune Samen. Den weissbliihenden Indivi- duen ohne B ebenso wie dem gekr~tuselten weissen Lein fehlt mit B aueh die blaue Farbe der Staubbeutel und die braune der Samen und demzufolge sind dieselben gelb.

Es zeigt sich also, dass die blaue Farbe der Bliite und die blaue

Farbe der Staubbeutel in genotypisch verschiedener Weise verur- sacht werden. Fiir das Anftreten blauer Bliitenfarbe sind die beiden Faktoren B und C notwendig, die blaue Farbe der Staubbeutel eben-

so wie die braune Farbe der Samen sind unabh~ingig yore Vorhan- densein oder Fehlen yon C und werden von nur einem einzigen Faktor, dem Faktor B bedingt.

Je tz t muss untersucht werden in welchem Zusammenhang das Flach- oder Gekr~iuseltsein der Kronbl~ttter mit den anderen Merk- malen steht. Von den verschiedenen Lein-Variet~iten hat nur eine der

beiden weissbliihenden Formen gekr~uselte Kronbl~ttter, bei allen anderen sind sie flach. Bei der Kreuzung dieses gekr~tuselten weissen Leins mit den blaubliihenden VarietXten d.h. mit dem dunkelblauen und dem ~igyptischen Lein, mit L. crepita~zs und mit dem hellblauen Lein zeigen alle weissen Naehkommen ohne Ausnahme gekrfiuselte

I38 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

Kronblfitter und alle blauen flache. Die ErklXrung dieser Erschei- hung liegt nicht sogleich auf der Hand.

Mehrere Voraussetzungen k6nnen hier gemacht werden. Es ist m6glich, dass das Kraussein der Kronbl~itter die Folge ist von der Anwesenheit eines Faktors der im gekr~tuselten weissen Lein vor- handen ist. Es ist aber auch m6glich, dass dieses Merkmal bedingt wird, dadurch dass dem gekr~tuselten weissen Lein ein Faktor fehlt der die Kronbl~it~er flach macht und der in allen btaubltihenden Varietfiten und auch im anderen weissen Lein vorkommt.

In beiden Fallen ist es dann noch m6glich, dass entweder der betreffende Faktor ein anderer als die schon bekannten Faktoren A, B und C ist, oder dass es ein oder mehrere dieser drei sind, welche

durch ihr Vorhandensein oder durch ihr Fehlen das Gekr~tuseltsein bedingen.

Wir werden jetzt untersuchen, welche der vier Voraussetzungen mit den Beobachtungen tibereinstimmt und dabei zuerst die beiden besprechen, worin das Gekr~useltsein nicht von einem der Faktoren A, B und C abhangig ist. Wenn das Gekr/iuseltsein der Kronbl~itter yon einem im gekr~tuselten weissen Lein vo rhandenenFak to r verur- sacht wird, der unabh~tngig van den beiden darin vorkommenden

Faktoren A und C ist, so werden bei der Kreuzung dieses Leins mit den blaubliihenden Variet~tten, n~tmlich mit dem dunkelblauen und dem ~tgyptischen Lein, mit L. crepitaus und mit dem hellblauen Lein nach der Spaltung blaubltihende Individuen mit flachen und blau- bliihende mit gekr~tuselten Kronbl~tttern entstehen und ebenfalls weisse flache und weisse gekrguselte.

Auch wenn das Kraussein der Kronbl~ttter entsteht infolge der Abwesenheit eines Faktors der das Flachsein verursacht und der yon den Faktoren A, B und C unabh/ingig i.st, werden bei der Kreu- zung der blaubltihenden Variet~tten mit dem gekr~tuselten weissen Lein in F2 flache und gekrXuselte blauen und flache und gekr~tuselte weissen gebildet werden. Dergleiche Individuen wurden aber nie- mals beobachtet, die blaubltihenden hat ten immer flache, die weiss- bltihenden immer gekr~tuselte Kronbl~itter.

Das Flach- oder Gekr~tuseltsein wird also nicht yon einem anderen unabh/ingig mendelnden Faktor bedingt, sondern steht im Zusam- menhang mit der An- oder Abwesenheit yon einem oder mehreren der Faktoren A, B und C.

D E R S E L B E N ART UND I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G -r39

Es muss also jetzt versucht werden aus den Beobachtungen ab-

zuleiten welcher dieser drei Faktoren das Gekr~iuseltsein verursacht und ob dieses Merkmal entsteht bei Anwesenheit des betreffenden Faktors oder dadureh, dass der Fak tor das Flachsein der Kronbl~t- ter hervorruft , w~ihrend bei seinem Fehlen das Gekr~iuseltsein auf- tri t t . Is t letzteres der Fall und entsteht das Gekrtiuseltsein durch das Fehlen eines Faktors fiir Flachsein, so muss dieser in allen Varie- tfiten mit flachen Kronbl~ittern, also in allen blauen und auch in der gew6hnlich weissen vorkommen, im gekr~tuselten weissen Lein aber fehlen. Dieses ist der Fall mit dem Fak to r B. Nur dieser fehlt im gekr~iuselten weissen Lein und ist in alien anderen Variet~iten vor- handen. Auch alle blauen Nachkommen aller Kreuzungen besitzen

B und haben flache Kronbl~itter und ebenfalls ist B in allen weissen Nachkommen der Kreuzungen des weissen Leins mit den verschie- denen blauen Variet~ten vorhanden und alle diese haben auch flache Kronbltitter. Dagegen fehlt B in allen weissen Nachkommen der Kreuzungen zwischen dem gekr~uselten weissen Lein und den blau- bltihenden Variet~iten und gerade alle diese zeigen gekr~iuselte Kronbl~ttter.

Wie man sieht scheinen alle die genannten Beobachtungen mit der Voraussetzung, dass das Kraussein durcti die Abwesenheit des Faktors B verursacht wird, im Einklang zu stehen und die Erkl~irung der Erscheinungen scheint einfach. Dennoch lehrt die weitere Unter-

suehung der Kreuzung zwischen den zwei weissen Variettiten, dass diese Annahme {mrichtig ist. Bei dieser Kreuzung werden in F2 Individuen yon der genotypischen Zusammensetzung AAbbcc ge- bildet. Dieselben bliihen weiss, denn B und C fehlen sogar beide, und infolge der Abwesenheit yon B sind die Staubbeutel und die Samen gelb. Wtirde nun das Gekrtiuseltsein durch das Fehlen von B bedingt, so miissten diese Individuen gekr~iuselte Kronbl~itter zeigen. Sie wtirden phaenotypisch mit der gekrttuselten weissen P-Variet~it i ibereinstimmen und in F2 wtirden nur zwei weisse Phaenotypen, n~tmlich die der beiden P-Formen auftreten. Die Beobachtungen zeigen aber, dass in F3, ausser diesen beiden weissen Phaenotypen noch ein anderer weisser, n~imlich ein mit flachen Kronbl~tttern

aber gelben Staubbeuteln und gelben Samen gebildet wird. Dieser weisse spaltet nicht in F2 und auch das ZahlenverhXltnis der fiinf in F2 gebildeten Gruppen mit verschiedenem Phaenotypus beweist, dass

14o DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETfi, TEN

derselbe die obengenannte Zusammensetzung hat. Ich komme sp~iter

hierauf zuriick. Das Auftreten yon diesen weissen Individuen be-

weist also, dass das Gekr~tuseltsein dennoch nicht dutch das Fehlen

yon 13 verursacht wird.

Es bleibt nun nur noch fibrig anzunehmen, dass das Oekr~tuselt-

sein die Folge ist der Anwesenheit eines Faktors, welcher somit im

gekr~tuselten weissen Lein vorhanden sein muss. Weil der Faktor A

auch im anderen nieht gekr~iuselten weissen Lein vorkommt, kann

es nicht dieser Faktor, sondern muss es der Faktor C sein, der das

Merkmal vernrsaeht.

Hiermit sind abet noch nicht alle Erscheinungen erkl~irt. Alle

blaubltihenden Individuen, sowohl Homo- als auch Heterozygoten enthalten den Faktor C und somit die Anlage ftir das Gekr/iuselt-

sein der Kronbl~ttter. Dennoch sind die blauen Bltiten niemals ge-

kr~iuselt. Bei Anwesenheit yon B kann der Faktor C sich also nicht

~ussern. Der Grund hierffir wtirde sein k6nnen, dass B, im Gegensatz

zu C, ein Faktor fiir Flachsein w~tre und dass, wenn beide zugleich

vorhanden sind, B, was diese Merkmale betrifft, fiber C dominiere.

Aber dann muss um das Auftreten der obengenannten weissen F2-

Individuen, AAbbcc, mit flaehen Kronbl~tttern und mit gelben Staub-

beuteln und Samen zu erkl~iren, angenommen werden, dass obgleich

B ein Faktor ffir Flachsein ist, dennoch beim Fehlen yon B, wie in

diesen Individuen der Fall ist, die Kronbl~tter auch flach seien. Man

wird dann aber zur Annahme eines Faktors gefiihrt der bei Anwe-

senheit aber ebenfalls bei Abwesenheit das n~tmliche Merkmal be-

dingt und das hat keinen Sinn. Ieh glaube darum aus den Beobach-

tungen schliessen zu k6nnen, dass das Flachsein der Kronbl~tter

von einem oder yon inehreren yon B und C unabhfingigen Faktoren verursacht wird, welche in allen Lein-Formen auch im gekr~iuselten

weissen vorkommen. Beim Vorhandensein des Faktors C und beim Fehlen yon B

werden die flachen Kronbl~itter in gekr~uselte ver~indert. Ist aber

der Faktor B ebenfalls vorhanden, so wird die ~iussere Manifestation yon C verhindert. B wirkt also als Hemmungsfaktor auf C. In wel- cher Weise dieses geschieht, ist nieht bekannt; abet wit wissen zur

Zeit ja auch tiberhaupt noch nichts von der Wirkung der Faktoren, yon der vielleicht langen Reihe von Erscheinungen, welche zwischen

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG I 4 I

der Anwesenheit eines Faktors und dem Auftreten des wahrnehm- baren Merkmals liegt.

Das Vorkommen bei Likuta eines Farbenfaktors der zugleich als Hemmungsfaktor eines anderen IVlerkmals auffritt , st immt iiberein mit dem yon NILSSoN-EHL~ 1) bei Haler wahrgenommenen Fall. Er land bei der Kreuzung verschiedener Hafer-Sorten, dass ein Faktor zugleich die gelbe Spelzenfarbe bedingt und das Auftreten der Be- grannung hemmt.

Schliesslich bleibt nun noch zu untersuchen fibrig, ob die mit- geteilten Beobachtungen etwas lehren fiber den Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein oder Fehlen der Faktoren A, B oder C und dem Defizit an weissbRihenden Pflanzen, das bei einigen Kreu- zungen in F2 vorkommt. Wie ich oben mitteilte, entsteht das Defizit dadurch, dass infolge der geringeren Lebensf~ihigkeit der Gameten- kombination yon weiss mit weiss in Vergleichung mit den Kombina- tionen von weiss mit blau und von blau mit blau, eine geringere An- zahl Samen fiir weissblfihende Pflanzen gebildet wird und dass die gebildeten eine geringere Keimungsffihigkeit haben. Es dr~ingt sich nun die Frage auf, ob es m6glich ist, nachzuweisen welcher der Fak- toren A, B und C, entweder durch seine Anwesenheit oder durch sein Fehlen, diese geringere Lebensf~ihigkeit verursacht. Hierffir ist es n6tig die verschiedenen Kreuzungen in bezug auf das Zahlenverh~iit- nis der weissen und blauen miteinander zu vergleichen.

Die Kreuzung des gekrXuselten weissen Leins mit dem ~igypti- schen ergab ein ansehnliches Defizit in F2 und in den folgenden Gene- rationen; auf 3106 blauen kamen nur 800 weissen vor, das ist im Verh~tltnis yon 3,181 �9 0,819, also mit einer Abweichung von ~ 0,18I w~ihrend der mittlere Fehler 0,027 ist.

Die Kreuzung des gekr~tusehen weissen Leins mit dem dunkel- blauen zeigte ein verh~iltnism~issig noch gr6sseres Defizit und zwar wurden auf 1312 blauen 318 weissen beobachtet. Das Verh~tltnis ist hier 3,22 : 0,78, die Abweichung ist • 0,22 und der mittlere Fehler 0,043.

Das Verhalten dieser beiden Kreuzungen wurde in der frtiheren

I) If . NILSSON-EHLE, U b e r Fg~lle s p o n t a n e n Wegfa l l ens eines H e m m u n g s - f a k to r s be im Hafer . Zei tschr . f, ind, Abs t . und Vere rbungs l eh re , Bd. V, 1911, S. 1 und (~ber e inen als H e m m u n g s f a k t o r der B e g r a n n u n g a u f t r e t e n d e n F a r b e n f a k t o r be im Hafer , Dieselbe Zei tschr . Bd. X I I . !914, S. 36.

I42 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VAI~IETXTEN

Mitteihlng 1) besprochen und darin wurde die Ursache des Defizits nachgewiesen.

Aus den hier mitgeteilten Beobachtungen ergibt sich weiter, dass auch bei der Kreuzung des gekr~iuselten weissen Leins mit dem hell- blauen ein sehr grosses Defizit an weissen vorkommt. I m ganzen wurden auf 1147 blauen 32I weissen beobachtet, das ist im Ver- h~ltnis yon 3,125 : 0,875, also mit einer Abweichung von ~ 0,125. Ffir diese Anzahl betr~gt der mittlere Fehler 0,045, die Abweichung

ist somit ungef~ihr 2,8 Mal gr6sser. Von den Kreuzungen mit dem anderen weissen Lein habe ich

in der friiheren Mitteilung diejenigen mit dem ~gyptischen und mit dem dunkelblauen Lein genannt. Auch hierbei wurde ein Defizit an weissen beobachtet, das ich obgleich es viel geringer war als bei der Kreuzung mit dem gekrfiuselten weissen Lein nach Analogie

derselben Ursache glaubte zuschreiben zu mtissen. Die Anzahl der Beobachtungen war damals gering. Eine gr6ssere Anzahl vo~ Be- obachtungen, ausserdem yon der Kreuzung dieses weissen Leins mit dem hellblauen, hat gezeigt, dass diese Auffassung unrichtig war.

Ffir die Kreuzung des weissen Leins mit dem gew6hnlich blauen wurden n~tmlich bei der ersten Beobachtung 104 blauen und 30 weissen gefunden, das ist im Verhfiltnis von 3,105 : 0,895 also mit einer Abweichung yon :~ 0,105 und mit dem mitt leren Fehler yon 0,15. Die spfiteren Beobachtungen gaben mit ersteren zusammen 502 blauen und 163 weissen, das ist wie 3,019 : 0,98I, mit der Ab- weichung ~ 0,019, w~thrend der mittlere Fehler ftir diese Anzahl

0,067 betr~gt. F~r die Kreuzung des weissen Leins mit dem ~gyptisehen betru-

gen die friiher mitgeteilten Zahlen 214 blauen und 60 weissen, das ist wie 3,124 : 0,876; mit der Abweichung d- 0, I24 und dem mitt le- ren Fehler 0,104. Die gesamten Beobachtungen ergaben sp~iter 644 blauen und 207 weissen, das ist wie 3,027 : 0,973 mit der Abwei- chung ~ 0,027 und dem mittleren Fehler 0,051. Fiir beide Kreuzun- gen ist die Ab~veichung bei der gr6sseren Beobaehtungszahl nur eine sehr geringe, in beiden F~llen viel geringer als der mitt lere Fehler.

Auch bier zeigt es sieh wieder, dass es f~r Untersuchungen wie diese notwendig ist ein grosses Beobachtungsmaterial zur Verftigung

') 1.c. (s. oben S. Io3).

D E R S E L B E N ART U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G f43

zu haben. Bei geringerem k6nnen zuf~illige Abweichungen vorkom- men, welche zu fehlerhaften Schlussfolgerungen fiihren k6nnen, zu- real wenn die zufiillig auftretenden Erscheinungen, wie im vorliegen- den Falle, t ibereinstimmen mit denjenigen, welche wahrgenommen wurden bei einer sich auf einer sehr grossen AnzahI yon Beobachtun-

gen stiitzenden Untersuchung. Je tz t stehen mir auch noch die Beobachtungen der Kreuzung

des weissen Leins mit dem hellblauen zur Verftigung. Diese gaben

1040 blauen und 356 weissen, also fast rein dem theoretischen Ver- hfiltnis 3 : 1. I m allgemeinen ergibt sich somit, dass bei der Kreu- zung des weissen Leins mit den blaubli~henden Variet~tten kein oder niilr ein unbedeutendes Defizit vorkommt, im Gegensatz zum sehr grossen Defizit, das bei der Kreuzung des gekr~iuselten weissen Leins mit diesen blaubliihenden Lein-Formen auftritt .

Wodurch wird nun die geringere Lebensfiihigkeit der Gameten- kombination des gekr~tuselten Leins verursacht? Stem dieselbe mit dem Vorkommen oder Fehlen eines oder mehrerer der Faktoren A, B und C im Zusammenhang oder wird sit durch einen anderen un- abhfingigen Faktor bedingt ? Wenn letzteres der Fall w~re und der gekr~iuselte weisse Lein ausser A und C einen Faktor bes~tsse, der die geringere Lebensf~ihigkeit bedinge, so wtirde bei der Kreuzung mit den blaubltihenden Variet~ten dieser Faktor verh~tltnism~ssig bei der n~mlichen Anzahl der weissen als der blauen F2-Individuen vor- handen sein u n d e s wiirden verhaltnism~issig eine gleich grosse An- zahl weissen als blauen fehlen und somit kein Defizit an weissen vorkommen. Es mtissen also die im gekr~iuselten weissen Lein vor- handenen Faktoren fiir die Bli~tenfarbe, A und Code r einer dieser beiden das Defizit verursachen. Weil aber A auch im anderen weissen Lein vorhanden ist, muss es der Faktor C sein der die Lebensfahig- keit der ihn enthaltenden Gameten vermindert . Wenn aber B zu- gleieh vorhanden ist, wie in allen blaubliihenden Individuen, so iibt C keine merkbare Wirkung aus. C und B verhalten sich also in glei- cher Weise der Lebensf~thigkeit der Gametenkombinat ionen als dem Gekr~tuseltsein der Kronbl~itter gegentiber. Dass C zugleich die ge- ringere Lebensf~thigkeit der Gametenkombinat ion und das GekrXu- seltsein der Kronbl~ttter bedingt, ist nicht ganz unbegreiflich, auch letzteres Merkmal ist vielleicht eine St6rung in der Entwickelung.

Wie liegen nun die Verh~iltnisse bei der Kreuzung der beiden

Z44 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

weissen Variet~tten in bezug auf die genannte Wirkung der Faktoren C und B ? Bei dieser Kreuzung entstehen blaubltihende Individuen,

welche sowohl B als auch C enthalten und weissbltihende verschiede- her genotypischer Zusammensetzung. Wenn nun C die geringere Lebensf~higkeit verursacht und B die Wirkung yon C hemmt, so muss die Anzahl der blaubltihenden Individuen ganz oder ungef/ihr mit der theoretischen Anzahl fibereinstimmen und ebenfalls die weissbltihenden ohne C mit B und die weissbltihenden ohne C und ohne B, w/ihrend die weissbltihenden, welche den Faktor C enthal- ten, ein Defizit aufweisen mtissen.

Gefunden wurde 610 blauen, 203 weissen mit dem Faktor B, 74

weissen ohne B und ohne C, und 167 weissen mit dem Faktor C, w~hrend die theoretischen Verhfiltniszahlen sind: 9 : 3 : 1 : 3 . Wie man sieht zeigen die beobachteten Verhgltnisse eine grosse Ubereinst immung mit den theoretischen, nut die weissen mit dem Faktor C weisen indertat ein bedeutendes Defizit auf.

Ich hoffe die Untersuchung noch fortzusetzen und die Anzahl der Samen pro Frucht und die KeimungsfXhigkeit der Samen der weis- sen ohne B und ohne C zu bestimmen. Sowohl die Anzahl als auch die Keimungsf~higkeit der Samen mtissen, weil C fehlt nach dem oben Gesagten grSsser sein als beim gekr~tuselten weissen Lein.

Wenn alles was in bezug auf die Faktoren B und C aus den Be- obachtungen abgeleitet wurde, zusammengefasst wird, so ergibt

sich, dass jeder dieser Faktoren mehrere Merkmale zugleich beein-

flusst. Der Faktor B bedingt mit C zusammen die blaue Farbe der Bltite

und ftir sich allein die blaue Farbe der Staubbeutel und die braune Farbe der Samen, w/ihrend derselbe das yon C verursachte Gekr/iu- seltsein der Kronbl~tter und die Verminderung der Lebensf~higkeit verhindert. Der Faktor C bewirkt mit B zusammen die blaue Blfiten- farbe und ftir sich allein das Gekr/iuseltsein der Kronbl~itter, die geringere Lebensf~thigkeit und die dunklere Farbe der Adern: letzte- res Merkmal aber nur wenn er homozygot vorhanden ist.

Frfiher 1) habe ich u. m. far die Samenl/inge und Samenbreite yon Linurn-Varietiiten nachgewiesen, dass das n~mliche Merkmal

1) D a s V e r h a l t e n f l u k t u i e r e n d v a r i i e r e n d e r M e r k m a ! e bei de r B a s t a r -

d i e r u n g . Rec. d. T rav . bot . N~erl. Vol. V I I I , S. 201 (s. oben S. 25).

D E R S E L B E N A R T U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I45

von mehreren im selben Sinne wirkenden Faktoren bedingt werden kann. Hier handelt es sich gerade um das Entgegengesetzte; bei den n~imlichen Linum-Variet~ten kommen auch Faktoren vor, die sich zugleich in sehr verschiedenen Merkmalen manifestieren, Merkmale welche bei blosser Betrachtung der Pflanze vollkommen unabh~ingig voneinander erscheinen, wie z. B. die Lebensf~ihigkeit, das Gekr~iu- seltsein der Kronbltttter, und die Farbe der Bliite, die der Staub- beutel und der Samen.

Besonders in der letzten Zeit sind mehrere derartigen F~tlle be- kannt geworden. Dabei liegt die Frage nahe, ob es sich in den betref- fenden FMlen indertat um einen einzigen Faktor, eine einzige Erb- einheit handelt, oder ob ein Komplex von Anlagen vorliegt, welcher nur bei den studierten Kreuzungen ungetrennt bleibt und sich dem- zufolge wie ein einziger Faktor verh~ilt. Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten wie aus Folgendem hervorgeht. Eine der in der Einleitung genannten Variet~iten hat blaue Bltiten und braune Samen, aber nicht wie alle anderen blaubliihenden Variet~iten blaue Staubbeutel, sondern gelbe. Obgleich ich die genotypische Zusam- mensetzung dieser Form noch nicht bestimmt habe, vermute ich dennoch, dass die blaue Blfitenfarbe dutch die Faktoren B und C verursacht wird. Vorausgesetzt dass dies indertat der Fall ist, so kann die Farbe der Staubbeutel aus zwei verschiedenen Griinden feh- len. Es ist m6glich, dass der Faktor B ein Komplex von Anlagen ist und dass in der genannten Variet~it diesem Komplex diejenige Anla- ge fehlt, welche die blaue Farbe der Staubbeutel bedingt. Es ist aber auch m6glich, dass B ein einziger einheitlicher Faktor ist, der in dieser Variet~it vorhanden wohl die blaue Farbe der Bliite und die braune der Samen bedingen kann, aber nicht die blaue Farbe der Staubbeutel, weil andere dazu ebenfalls notwendigen Faktoren fehlen oder Faktoren vorhanden sind, welche das Auftreten dieses Merk- reals verhindern. In diesem Falle ist das X, d. h. die gesamten iibrigen Faktoren der Pflanze anders als in den anderen Variet~iten und demzufolge manifestiert der Faktor B sich in anderer Weise.

Ohne weiteres ist also nicht zu sagen ob die Faktoren, welche meh- rere Merkmale zugleich beeinflussen, Komplexe oder einheitliche An- lagen sind. Nut durch ausgedehnte Kreuzungsversuche kann man erwarten dieses entscheiden zu k6nnen.

Von den acht homozygotischen Formen, welche in bezug auf die G e n e t i c a X X I I z o

146 D I E G E N O T Y P I S C H E Z U S A M M E N S E T Z U N G E I N I G E R V A R I E T A T E N

Faktoren A, B und C bestehen k6nnen, standen mir beim Anfang der Versuche vier zur Verfiigung und zwar die beiden m6glichen blau- bltihenden, n~tmlich die dunkelblaue AABBCC und die hellblaue BBCC und yon den sechs weissbltihenden ebenfalls zwei, die gew6hn- liche weisse AABB und die gekr~iuselte weisse AACC. Die vier an- deren weissbltihenden k6nnen durch Kreuzung erhalten werden. Eine derselben aaBBcc ist dem gew6hnlichen weissen Lein phaeno- typisch gleich und wurde bereits aus den Nachkommen einer F2- Pflanze mit hellblauen Bliiten ohne Adern, yon der Kreuzung hell- blau mit weiss stammend, isoliert. Eine andere aabbCC ist dem ge- krfiuselten weissen Lein phaenotypisch gleich und wurde aus den Nachkommen einer F2-Pflanze mit hellblauen Bltiten mit Adern, yon der Kreuzung hellblau mit gekr~iuselt weiss stammend, isoliert. Nur die beiden tibrigen n~imlich AAbbcc und aabbcc zeigen einen neuen Phaenotypus; beiden haben flache Kronbl~itter wie der ge- w6hnliche weisse Lein aber gelbe Staubbeutel und gelbe Samen wie der gekr~iuselte weisse. Erstere entstand bei der Kreuzung des ge- w6hnlichen weissen mit dem gekr~iuselten weissen; letztere habe ich noch nicht erhalten, diese muss aus den Nachkommen der Kreuzung der beiden weissen, aaBBcc und aabbCC isoliert werden.

K A P I T E L IV

D E R N A C H W E I S D E R ~ ) B E R E I N S T I M M U N G A L L E R B E O B A C H T U N G E N MIT

D E N N A C H D E R G E F U N D E N E N G E N O T Y P I S C H E N Z U S A M M E N S E T Z U N G

D E R VARIETfi~TEN ZU E R W A R T E N D E N E R S C H E I N U N G E N

Fiir den Nachweis der Faktoren A, B und C und fiir die Bestim- mung der Wirkung derselben sind nicht alle bei den verschiedenen Kreuzungen gemachten t~eobachtungen benutzt worden. Er bleibt also noch zu untersuchen tibrig, ob auch die nicht gebrauchten mit den oben genannten Schlussfolgerungen im Einklang stehen. Dass dieses nicht iiberfliissig ist, geht aus dem im Kapitel I I I mitgeteilten hervor. Wie dort besprochen wurde, fiihrten mehrere Beobachtun- gen zu der Auffassung, dass das Gekr~iuseltsein der Kronbl~itter dutch das Fehlen yon B verursacht wird; eine einzige Beobachtung aber widersprach derselben. Wurde diese Beobachtung auch in Be-

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSA3IMENHANG 147

t racht gezogen, so musste angenommen werden dass C das Merkmal bedingt.

Es ist darum notwendig, damit die Schlussfolgerungen Wert haben sollen, zu beweisen, dass alle Beobachtungen ohne Unter- schied miteinander in {3bereinstimmung sind. Ich werde aus diesem Grund fiir die verschiedenen studierten Kreuzungen die Erschei- nungen, welche nach der fiir die Variet~tten bestimmten genotypi- schen Zusammensetzung zu erwarten sind, mit den beobachteten vergleichen.

Ftir die Kreuzung des dunkelblauen Leins mit dem hellblauen ist die Formel AABBCC c,o BBCC (4a, 4b, S. I2o), die des dunkelblauen und des agyptischen mit dem weissen Lein ist AABBCC c~ AABB (7, 8, S. I23, I24) und die des dunkelblauen und des ~tgyptischen mit dem gekr~iuselten weissen Lein ist AABBCC c~ AACC (gal 9b, I0, S. 124, I25). Alle diese Kreuzungen miissen nach "den Formeln der P-Varie- t~iten monohybride Spaltung zeigen. Dieses ist indertat der Fall. Das Zahlenverh~tltnis der gebildeten Phaenotypen ist nahezu 1 : 3. Ge- rade aus diesem Verhaltnis wurde mit anderen Beobaehtungun zu- sammen die genotypische Zusammensetzung abgeleitet. Nur bei zwei Kreuzungen n~tmlich die des dunkelblauen und des {igyptischen mit dem weissen Lein unterscheiden die heterozygotischen blauen sich durch das Fehlen der Adern von den homozygotisehen. Meine friihe- re J), auf eine sehr geringe Anzahl yon Beobachtungen sich stiit- zende Annahme, dass bei dieser Kreuzung Spaltung nach dem Zea- typus stattfindet, wird also dutch die weitere Untersuchung be- stiitigt.

Die drei iibrigen Kreuzungen, n~imlich hellblau mit weiss, BBCC c~ AABB; hellblau mit gekr~iuselt weiss, BBCCc,o AACC und weiss mit gekr~usett weiss, AABB c~ AACC, mtissen nach den genotypi- schen Formeln dihybride Spaltung zeigen. F/Jr jede dieser Kreuzun- gen wird jetzt untersucht werden, ob die in F2 und F3 beobachteten Phaenotypen und deren zahlenmassigen VerhXltnisse im Einklang sind mit der fiir die Eltern festgestellten genotypischen Formel. Die Vergleiehung der zu beobachteten Erscheinungen mit den zu erwar- tenden geschieht am leichtesten mittelst einer Tabelle. In der Iolgen- den, welche sich auf die Kreuzung des tlellblauen Leins mit dem

1) Rec. d. Trav . hot . Nderl. Vol. V I I I , 1911, S. 264 (s. oben S. 73).

Z48 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

weissen, BBCC cx~ A A B B (5a, 5b, S. z20) bezieht, sind in der ersten

Spalte die neun zu erwar tenden Genotypen der F2 mit ihren Phaeno-

typen und den Zahlenverhfiltnissen angegeben. In der zweiten Spalte sind die Pha e no t ype n und die Indiv iduenzahl derselben, welche in

F2 beobachte t wurden, verzeichnet. Die drit te Spalte zeigt das er- warte te Verhalten der F2-Genotypen in F3 ; w~thrend in der vierten

SpaRe die sich auI F3 beziehenden Beobach tungen zu finden sind. Alle N a c h k o m m e n dieser Kreuzung besitzen den Fak to r B und mils-

sen demzufolge blaue Staubbeute l und braune Samen zeigen, wie

auch inder ta t der Fall war. Diese Merkmale sind da rum in der Tabel-

le unberficksichtigt gelassen. Aus Mange1 an R a u m sind filr die ver-

schiedenen Blfi tenfarben Abktirzungen benutz t worden. Dunkelb lau

mit Adern ist durch d. bl. m. Ad. angedeutet , dunkelblau ohne

~2dern durch d. bl. o. Ad., hellblau mit Adern dutch h. bl. m. Ad.

und hellblau ohne Adern aureh h. bl. o. Ad.

HELLBLAU C',O WEISS

BBCC c,o A A B B

F2 F2 F3 F3 e r w a r t e t beobach~e t e r w a r t e t beob a c h t e t

1 AABBCC I d.bl. m. Ad.[

2 AaBBCC / d.bl. m. Ad.]

2 AABBCc

d.bl. o. Ad.

4 AaBBCc

d.bl. o. Ad.

d.bl. m. Ad. 3

93

d.bl. o. Ad. 6 194

nur d.bl. m. Ad.

d.bl. m. Ad. 3

h.bl. m. Ad. 1

d.bt. m. Ad. I d.bl. o. Ad. 2

weiss I

d.bl. m. Ad. 3

d.bl. m. Ad. 485

d.bl. m. Ad. 293 h.bl. m. Ad. 102

d.bl. m. Ad. 43

d.bl. o. Ad. 74 weiss 34

d.bl. m. Ad. 68 d.bl. o. Ad. 111

h.bl. m. Ad. 20

h.bl. o. Ad. 44 weiss 90

d.bl. o. Ad. 6 h.bl. m. Ad. 1

h.bl. o. Ad. 2 weiss 4

DERSEL13EN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG Z49

F2 F2 F3 }i'3 e r w a r t e t b e o b a c h t e t e r w a r t e t b e o b a c h t e t

1 aaBBCC } h.bl .m. Ad. 1

2 aaBBCc } b.bl. o. Ad. 2

1 AABBcc weiss

2 AaBBcc 4

weiss

1 aaBBcc weiss

h.bl. m. Ad. 28

h.bl. o. Ad. 68

weiss 125

nur h.bl. m. Ad.

h.bl. m. Ad. I h.bl. o. Ad, 2

weiss 1

nur weiss

h.bl. m. Ad. 426

h.bl. m. Ad. I03 h.bl. o. Ad. I94

weiss 107

weiss 175

Diese Tabelle zeigt, dass sowohl in F2 als auch in F3 alle die erwar- teten Phaenotypen auftreten und auch keine anderen und dass die Zahlenverh~iltnisse im allgemeinen eine gentigende Ubereinstim- mung mit den zu erwartenden aufweisen. Aus den gefundenen Ver- h~iltniszahlen der Fa-Phaenotypen n~mlich: 93, 194, 28, 68, 125 und aus denjenigen der F3-Gruppe welche sich wie F2 verh~ilt, n~mlieh 68, 111,20, 44, 90 wtirde man ohne weiteres nicht auf das theoretische Verh/fltnis 3 : 6 : 2 : I : 4 sehliessen dtirfen und Schlussfolgerungen fiber die Anzahl und die Wirkung der Faktoren machen. Weft aber auf anderem Wege, durch Vergleichung verschiedener Kreuzungen, die Faktoren und deren Wirkung nachgewiesen und damit das theo- retische Verh~iltnis bes t immt wurde, glaube ich annehmen zu dfirfen, dass die gefundenen Zahlen in geniigender l~bereinstimmung mit

den theoretischen sind und dass bei der Kreuzung dieser zwei Varie- t~iten dihybride Spaltung auftritt .

Aus der Tabelle geht weiter hervor, dass das Zahlenverh~iltnis der gesamten weiss- und gesamten blaubliihenden Individuen den- noch wie bei monohybrider Spaltung wie I : 3 sein muss. In Uber- einst immung hiermit wurden 125 weissen und 383 blauen beobach-

Z50 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATtEN

tet. Schon friiher 1) habe ~ch das Zahlenverh/iltnis der weiss- und blaubltihenden Individuen in F2 bei dieser Kreuzung besprochen und meine ersten Beobachtungen, welche 11 weissen und 28 blauen umfassten, mitgeteilt. Damais habe ieh aus diesen Zahlen und aus dem Vorkommen von Individuen mit noch hellerer Bltitenfarbe als die des hellblauen Leins geschlossen, dass die Spaltung nach dem Zea-Typus stattfttnde. Die hier erw~thnten weiteren versuche mit gr6sserem Material, die inzwischen erreichte gr6ssere Gewandtheit in der Unterscheidung der Farbent6ne, und die Vergleichung mit den Resultaten anderer Kreuzungen haben aber ergeben, dass hier ver- wickeltere Verh~iltnisse vorliegen und dass es sich, obgleich die weissen und blauert sich indertat wie 1 : 3 verhalten, dennoch nicht um eine monohybride, sondern um eine dihybride Spaltung handelt.

Weil die drei verschiedenen in F2 gebildeten weissen Genotypen nut weisse Nachkommen geben, zeigt F3 nicht den genotypisehen Unterschied derselben. Nur durch Kreuzung derselben z. B. mit dem hellblauen Lein, kann dieser Unterschied bewiesen werden. Die weissen mit der Zusammensetzung AABBec und AaBBcc mtissen mit hellblau gekreuzt auch dunkelblaue Nachkommen geben, der dritte weisse n~tmlich aaBBcc, welchem der Versttirkungsfaktor A fehlt, muss mit hellblau gekreuzt gar keine dunkelblauen liefern. Die Versuche, die weissen in dieser Weise zu trennen, sind noch nicht

beendigt. Auch ftir die Kreuzung des hellblauen Leins BBCC mit dem ge-

kr~iuselten weissen AACC (6, S. 122) babe ich das zu erwartende und das beobachtete Verhalten der Nachkommen zweiter und dr i t ter Generation in einer Tabelle zusammengefasst. Ausser den oben- genannten Abkiirzungen ist hier noch kr. weiss fiir gekrtiuselt weiss

benutzt worden. Das Verhttltnis der gesamten weiss- und gesamten blau-bltihenden

Individuen in F2 muss auch hier wie 1 : 3 sein. Gefunden wurden 91 weissen und 394 blauen. Die Anzahl der weissbltihenden ist also fiir das Verh~iltnis 1 : 3 zu gering. Oben wurde aber mitgeteilt, dass bier infolge bekannter Ursachen ein Defizit an weissen vorkommt und dass wenn diesem Defizit Rechnung wird getragen das Verh~iltnis mit dem theoretischen 1 : 3 im Einklang steht.

l) 1.c.S. 265 (s. oben S. 74).

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG

H E L L B L A U (X0 GEKRAUSELT WEISS

BBCC c,o AACC i

F2 F2 F3 F3 e r w a r t e t b e o b a c h t e t e r w a r t e t b e o b a c h t e t

z5~

1 AABBCC / d,bL m~ Ad.[

2 AaBBCC [ d.bl.m! Ad. I

I

2 AABbCC d.bl. m. Ad.

4 AaBbCC d.bi, m. Ad.J

I =aaBBCC ] h.bl. m. Ad. I

~3

2 aaBbCC [ h.bl. m. Ad.J

1 AAbbCC ] kr . weiss

2 AabbCC kr. weiss 4

1 aabbCC I kr. weiss

dobl. m, Ad. 9

298

h.bl. m. Ad. 96

kr. weiss 91

nut d.bl. m. Ad.

d.b!. m. Ad. 3 h.bl. m. Ad. 1

d.bl. m. Ad. 3 kr. weiss I

d.bl. m. Ad. 9 h.bl, m. Ad. 3

kr. weiss 4

d.bl. m. Ad. 202

d.bt. m. Ad. 40 h,bl. m. Ad. 11

d.bl. m. Ad. 146 kr. weiss 46

d,bI. m. Ad. 106 h.bl. m. Ad. 40

kr. weiss 44

nur kr. weiss kr. weiss 267

h.bl. m. Ad. 2 kr. weiss 1

nut h.bl. m. Ad.

h.bl. m. Ad. 461 kr. weiss 140

h.bl. m. Ad. 224

.152 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIET)iTEN

Auch in ~'3 ist die Anzahl der bei den Spaltungen gebildeten weis- sen in bezug auf das theoretische Verh~tltnis zu gering; besonders bei der Spaltung der hellblauen mit Adern, wo die Beobaehtungszahlen gr6sser sind, ist das De/izit an weissen deutlich. Bei geringerem Ma-

terial k6nnen Abweichungen nattirlich auch dem Zufall zugeschrie- ben werden.

{)brigens zeigt die Tabelle, dass alle Beobachtungen mit den zu

erwartenden in {Jbereinstimmung sind. Die Phaenotypen, welche nach der genotypischen Zusammensetzung der Eltern auftreten mflssen, wurden wahrgenommen und zwar in Verhaltnissen welche

gentigend fibereinstimmen mit den theoretischen. Schliesslich muss noch die Kreuzung der beiden weissen Varietgten

AABB c'c AACC (t 1, S. x26) besprochen werden. Auch dieses ge- schieht am leichtesten mit Hilfe einer Tabelle. Hierin sind die frtih- er genannten Abktirzungen benutzt worden und ausserdem ft. fiir mit flachen Kronblfit tern; St. bl. ftir Staubbeutel blau, St. g. Iiir Staubbeutel gelb ; Sa. br. ffir Samen braun und Sa. g. fftr Samen gelb.

Auch bier ergibt sich, dass das beobachtete Verhalten der Nach-

kommen in F2 und F3 in f0bereinstimmung mit dem erwarteten ist, Die {)bereinstimmung der Verh~ltniszahlen mit den theoretisehen

WEISS ~ GEKR)iUSELT WEISS

AABB c~ AACC

F2 F2 F3 i F3 erwar~et beobachtet erwartet I beobachiet

I AABBCC d.bl. m. Ad.fl. St.bl. Sa. br.

2 AABbCC d.bl.m.Ad.fl. St.bl. Sa. br.

d.bl.m.Ad.I1. } 3 St.bI. Sa. hr.

213

nur d.bl. m. Ad. f l d.bl. m, Ad. II. St.bl. Sa. br. ;St.bl. Sa. br. 409

d.bl. m. Ad. fl. St.bI. Sa. br. 3

weiss, kr. St.g. Sa. g. 1.

d.bl. m. Ad. fl. St.bl. Sa. br. 60

weiss, kr. St. g, Sa. g. 21

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG I53

F2 F2 F3 F3 e r w a r t e t b e o b a c h t e t e r w a r t e t b e o b a c h t e t

2 AABBCc /

d.bl. o. Ad. fl.

St.bl. Sa. br.

4 AABbCc

d,bl. o. Ad.fl. St.bl. Sa. br.

1 AAB]3cc

weiss, fl.

St.bl. Sa. br.

2 AABbcc

weiss, fl.

St.bl. Sa. br.

I /3

I

d.bl. o. Ad.I1.

6 'St.bl. Sa. br. I 3 9 7

weiss, II.

St.bl.203Sa. br.

d.bl. m. Ad. fl.

St.bl. Sa. br. 1

d.bl. o. Ad. fl. St.bl. Sa. br. 2

weiss, fl.

St.bl. Sa. br. 1

d.bl. m. Ad. fl.

St.bl. Sa. br. 3

d.bl. o. Ad. fl.

St.b!. Sa. br. 6

weiss, fl.

St.bl. Sa. br. 3 weiss, kr.

St. g. Sa. g. 3 weiss, fl.

St. g. Sa. g. 1

' nur weiss, fl.

St.bl. Sa. br.

weiss, fl,

St.bl. Sa. br. 3

weiss, fl. St. g. Sa. g. 1

d.bl. m. Ad. I1.

St.bl. Sa. br. 4

d.bl. o. Ad. fl. St.bl. Sa. br. 8

weiss, fl.

St.bl. Sa. br. 2

d.bl. m. Ad. fl.

St.bl. Sa. br. 31

d.bl. o. Ad. fl.

St.bl. Sa. br. 63

weiss, I1.

St.bl. Sa. br. 34 weiss, kr.

St. g. Sa. g. 23

weiss, fl.

St. g. Sa. g, 9

weiss, fl.

St.bl. Sa. br. 1317

weiss, fl.

St.bl. Sa. br. I271

weiss, fl.

St. g. Sa, g. 361

154 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETY-TEN

F2 F3 F3 erwartet erwartet beobachtet

1 AAbbCC weiss, kr.

St. g. Sa. g.

2 AAbbCc weiss, kr.

St. g. Sa. g.

1 AAbbcc weiss, fl.

St. g. Sa. g.

F2

beobachtet

weiss, kr. St. g. Sa. g.

167 3

I weiss, kr.

St. g. Sa. g.

J I67

I }1 l

weiss, kr. 3t. g. Sa. g. 3

weiss, ft. St. g. Sa. g. I

nur weiss, kr. St. weiss, kr. St. g. Sa. g. g. Sa. g. 395

weiss, kr. St. g. Sa. g. t)

weiss, fl.

St. g. Sa. g. l)

weiss, fl. nur weiss, fl. St.g.Sa.g.74 St. g. Sa. g.

weiss, ft. St. g. Sa. g. 402

ist deutlich, besonders wenn man dem auch hier vorkommenden Defizit an weissen, welche den Faktor C enthalten, Reehnung trttgt.

Aus der in diesem Kapitel gegebenen b'bersicht geht hervor, dass alle bei den verschiedenen Kreuzungen gemachten Beobachtungen

ohne Ausnahme im Einklang sind mit den oben mitgeteilten Schluss- folgerungen beziehende die Faktoren und die Wirkung derselben und

dass alle Erseheinungen erkl~rt werden k6nnen durch die An- oder Abwesenheit der Faktoren A, B und C.

K A P I T E L V

DER GENETISCHE ZUSAMMENHANG DER VARIETATEN

Nachdem aus den bei den Kreuzungen gemachten Beobachtungen der genotypisehe Zusammenhang der untersuchten Varietttten yon Linum usitatissimum best immt wurde, werde ich auch den geneti- schen Zusammenhang dieser Formen besprechen. Auch ohne die Kenntnis der genotypischen F0rmeln wird jeder fiberzeugt sein, dass diese Variet~iten eng zusammenhangen und allgemein wird man wohl der Meinung sein, dass die hellblaue und die weissen Formen aus der

1) Die Anzahl der Individuen mit diesen beiden Phaenotypen zusammen betrug 781.

D E R S E L B E N A R T U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I55

dunkelblauen ents tanden sind. Dutch die Kreuzungsuntersuchungen der letzten Jahre wurde es m6glich derartige Auffassungen in betreff der Abs tammung experimentell zu prfifen und N~iheres fiber den genetischen Zusammenhang kennen zu lernen. Durch die Unter- suchung wird aber nicht immer die bestehende Auffassung best~itigt, wie aus den hier mitgeteilten Kreuzungsversuchen mit den Lein-Va- riet~ten hervorgeht. Wenn nahe verwandte Formen, wie diese Li-

~um-Variet~tten, dunkel gef~rbte, hell gef~irbte oder weisse Blumen haben, wird man sich wohl allgemein vorstellen, dass aus der dun- kelst gef~irbten erst die heller gef~irbte und aus dieser die weisse ent- standen ist, dass die heller gef~irbte somit eine Zwischenstufe bildet. Ffir L. usitatissimum ist diese Vorstellung unrichtig, wie aus der genotypischen Zusammensetzung der verschieden gef~trbten Formen bewiesen werden kann. Die beiden weissen Variet~iten AABB und

AACC, welche beide den Fak tor A besitzen, k6nnen nicht aus der hellblauen entstanden sein, weil dieser der Fak tor A fehlt. Die heller

gef~irbte Variet~it ist also keine Ubergangsform, die weissen mfissen unabh~ingig yon der hellblauen entstanden sein.

Auch zeigen die genotypischen Formeln, dass die hellblaue Varie- t~it nicht durch Kreuzung der beiden weissen entstanden sein kann, well alle Nachkommen dieser Kreuzung den Faktor A besitzen, w~ih- rend dieser nicht im hellblauen Lein vorhanden ist.

Die Tatsache, dass von der n~imlichen Art zwei oder mehrere ver- schiedenen weissen Variet~iten bestehen k6nnen, war bis vor kurzem nicht bekannt. In den letzten Jahren aber hat man mehrere Ffille gefunden und war es m6glich, wie hier bei den weissen Lein-Varie- tttten, den genotypischen Unterschied zwischen denselben nachzu- weisen.

Wie ohen gesagt wurde, zeigen die genotypischen Formeln, dass die weissen Variet~iten nicht aus der hellblauen entstanden sind und umgekehrt die hellblaue nicht aus den weissen. K6nnen diese For- meln nun noch Weiteres fiber den genetischen Zusammenhang leh- ren ?

Wie die Beobachtungen gezeigt haben, k6nnen Individuen mit der Formel AABBCC, also Individuen yon der n~imlichen genotypischen Zusammensetzung als der gew6hnliche Lein, der ~gyptisch e Lein und L. crepita~s entstehen bei der Kreuzung der beiden weissblfihenden Variet~iten untereinander oder mit dem hellblauen Lein. Es ist so-

I56 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENS]ETZUNG EINIGER VARIETATEN

mit m6glich, dass die Formen mit dunkelblauen Bliiten durch Kreu- zung der genannten Variet~iten entstanden sind. Abet wenn dies in- dertat der Fall ware, so bliebe das Vorhandensein der drei anderen Genotypen, der hellblaue und der zwei weissen unerkl~trt und muss angenommen werden, dass diese unabh~ingig voneinander entstan- den. Viel wahrscheinlicher ist die Annahme, dass die Form mit den

dunkelblauen Bliiten yon der genotypischen Zusammensetzung AABBCC die ursprfingliche sei und dass durch Verlust je eines der drei Faktoren die drei anderen Variet~iten entstanden seien, n~imlich die hellblaue durch Verlust von A, die gekrfiuselte weisse durch Ver- lust von B und die gew6hnliche weisse dutch Verlust von C. Der hell- blaue Lein und die beiden weissbltihenden Variet~tten w~ren dann als Verlustmutationen der dunkelblaublfihenden Form zu betrachten und weil diese drei Variet~iten in ihren iibrigen Merkmalen fast voll- kommen mit dem gew6hnlichen Lein iibereinstimmen, mfisste dieser als die ursprfingliche angenommen werden. Diese Auffassung ist eine durchaus befriedigende und steht im Einklang mit unserer heutigen

Kenntnis v o n d e r Bildung der Variet~tten. Es hat sich also ergeben, dass im untersuchten Falle aus der durch

Kreuzung best immten genotypischen Zusammensetzung verschie- dener Variet~tten derselben Art der genetische Zusammenhang dieser Variet~iten, ibre Ents tehung aus einer einzigen urspri~ngtichen Form

ab~eleitet werden kann.

K A P I T E L VI

DIE KREUZUNG V E R S C H I E D E N E R LINUM-ARTEN

Ausser den Kreuzungen der genannten Variet~tten yon L. usita~is- simum unter einander babe ich auch die Kreuzung einiger dieser Variet~tten mit anderen Linum-Arten versucht. Es gelangen aber nur die mit L. angusti/olium. Mehrere Resultate dieser Kreuzungen wurden schon frfiher mitgeteilt. Die mittelst dieser Kreuzungen ge- machte Untersuchung der genotypischen Zusammensetzung yon L. angusti/olium in bezug auf dessert Blfitenfarbe ist noch nicht ab- geschlossen, ich hoffe spater die Resultate mitteilen zu k6nnen. Es scheint mir aber geeignet an dieser Stelle zu erw~thnen welche Linum-

DERSELBEN ART UND IHR GENETISCHER ZUSAMMENHANG I57

Arten ich vergeblich zu kreuzen versuchte und welche Beobachtun- gen dabei gemacht wurden.

Schon friiher 1) habe ich mitgeteilt, dass ich ohne Resultat L. usitatissimum mit L. ~erenne, L. austriacum und L. narbonense kreuz- te. Well aber nach FOCKES 2) Angabe K6LI~EUTER Bastarde yon L. usitatissimum und L. narbonense erhielt, habe ich die Kreuzung in folgenden Jahren noch zu wiederholten Malen ausgefiihrt, aber stets wie zuvor ohne keimf~thige Samen zu erhalten. Die hier folgenden,

nicht gelungenen Kreuzungen wurden alle in grosser Anzahl aus- gefiihrt, einige bis zu ffinfzig Mal und alle reziprok.

Drei Variet~iten yon L. usitatissimum n~tmlich der gew6hnliche dunkelblaue, der ~igyptische und der gekfiiuselte weisse Lein wurden gekreuzt mit vier Formen von L. perenne d. h. weiss kurzgrifflig, weiss langgrifflig, blau kurzgrifflig und blau langgrifflig; mit zwei Formen yon L. austriacum, blau kurzgrifflig und blau langgrifflig; mit zwei Formen yon L. narbonense, blau kurzgrifflig und blau lang- grifflig; mit L. grandi/lorum DESF. die rote Blumen und mit L. /lavum L., die gelbe Blumen hat. Welter wurde L. angusti/olium ge-

kreuzt mit den obengenannten vier Forrnen von L. perenne; mit L. grandi/lorum und mit L. ]lavum und ausserdem noch L. grandi/lorum mit L. /lavum.

Obgleich alle diese Kreuzungen ohne Erfolg blieben, verhielten

dennoch die reziproken Kreuzungen sich in verschiedener Weise. Bei der Best~tubung der genannten Variet~iten von L. usitatissi-

mum mit dem Pollen von L. perenne, L. austriacum, L. narbonense, L. grandiflorum oder L. [lavum fand Fruchtbi ldung s ta t t und entstan- den Frfichte, welche sich oft in ihrer Gr6sse nur wenig von den nor- malen Frtichten unterschieden. Die Samen waren aber entweder gar nicht oder sehr unvol lkommen entwiekelt und niemals kamen keimf~thige Samen vor. Die Fruchtbi ldung braucht in diesen F~tllen

nicht als eine Folge der Anwesenheit des fremden Pollens bet rachte t zu werden, denn bei L. usitatissimum werden sehr oft Friichte obne Samen gebildet, wenn die Staubbeutel aus der absichtlich ge6ffneten Knospe entfernt werden, so dass Selbstbest~iubung unm6glich ist und wenn darauf Kreuzbest~tubung verhindert wird.

Bei den reziproken Kreuzungen dagegen wurde nach der Best~u-

1) 1.c. IRec. d. Tray . bot . N6erl. Vol. v i i i , 1911, S. 206 (s. o b e n S. 25). 2) W. O. Foct~E, Die P f l anzenmisch l inge , S. 79.

I58 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETfi~TEN

bung von L. perenne, L. auslriacum, L. narbonense, L. grandi/lorum oder L./lavum mit dem Pollen einer der Variet~ten yon L. usitatis- simum oder mit dem Pollen yon L. angusti/olium der Blfitenstiel ein

wenig unterhalb des Gynaeciums bald gelb, ring darauf an dieser Stelle an einzutrocknen und nach einem oder zwei Tagen fiel das dann auch vergilbte Gynaecium ab. Nur zweimal unter den zahl- reiehen Kreuzungen kam es zur Fruchtbildung. Das war nach der Best~tubung yon L. grandi/lorum mit dem Pollen yon weissblfihenden F3-Pflanzen yon der genotypischen Zusammensetzung AAbbcc aus der Kreuzung des weissen Leins mit dem gekr~iuselten weissen. Die beiden gebildeten Frtichte enthielten aber keine Samen.

Obgleich es auch nach diesen Versuchen noch nicbt ausgesehlossen ist, dass es gelingen kann L. usitatissimum und L. angusti/olium mR L. perenne, austriacum, narbonense, grandi/lorum oder /lavum zu kreuzen, so glaube ich dennoch, dass die Wahrscheinlichkeit dieses zu erreichen ~tusserst gering ist.

ZUSAMMENFASSUNG DER RESULTATE

Die Blfitenfarbe der sechs untersuchten Variet~iten von Linum usitatissimum wird von drei Faktoren, A, B, und C o d e r yon zwei

derselben bedingt. Mit der Blfitenfarbe hangen andere Merkmale eng zusammen und

werden yon den nttmlichen Faktoren beeinflusst.Diese Merkmale sind die Farbe der Staubbeutel, die Farbe der Samen, das Flach- oder

Gekr~iuseltsein der Kronblfitter, die Anzahl der Samen pro Frucht und die Keimungsfiihigkeit der Samen.

Der gew6hnliche dunkelblaue Lein, der ~igyptische Lein und L. crepitans haben alle drei dieselbe genotypische Zusammensetzung fiir diese Merkmale, alle drei besitzen die Faktoren A, B und C und haben die Formel AABBCCX.

Der hellblaue Lein hat die Formel BBCCX; der gew6hnliche weisse Lein ist AABBX und der gekrttuselte weisse Lein ist AACCX.

Die blaue Farbe der Blfite entsteht nur wenn die Faktoren B und C beide vorhanden sind.

Sind B und C beide vorhanden, aber fehlt A so entsteht eine hell- blaue Blfitenfarbe.

D E R S E L B E N ART U N D I H R G E N E T I S C H E R Z U S A M M E N H A N G I59

A ist ein Verst~rkungsfaktor, der die von B und C bedingte hell- blaue Bltitenfarbe intensifiziert, aber ftir sich allein keine Bliitenfar- be verursacht.

B und C beide sind Faktoren, welche zugleich mehrere Merkmale beeinflussen.

B wirkt zugleich als positiver Faktor fiir einige Merkmale und als Hemmungsfak tor fiir durch andere Faktoren bedingte Merkmale.

B verursacht mit C zusammen die blaue Bltitenfarbe und ausser-

dem fiir sich allein die blaue Farbe der Staubbeutel, die braune Farbe der Samen und verhindert das durch C bedingte Gekr~iuseltsein der

Kronbl~ttter und die ebenfalls durch C bedingte Verminderung der Lebensf~ihigkeit der Gametenkombinat ion, welche letztere als eine Herabsetzung der Samenanzahl pro Frucht und der Keimungsf~thig- keit merkbar ist.

C verursacht mit B zusammen die blaue Bliitenfarbe und fiir sich allein das Gekr~useltsein der Kronbl~itter, eine Verminderung der Lebensf~ihigkeit der Gametenkombinat ion und die dunklere Farbe

der Adern, letztere aber nut wenn er homozygotisch vorhanden ist.

Die blaue Farbe der Staubbeutel ist nicht wie die blaue Farbe der Blfite von dem gleichzeitigen Vorhandensein beider Faktoren B und C abh~ingig, sondern wird ebenso wie die braune Farbe der Samen

von B allein verursacht. Die blaue Farbe der Staubbeutel und die braune der Samen wer-

den yon A nicht intensifiziert.

Von den sechs untersuchten Variet~iten sind diejenigen mit den dunkelst gef~irbten Bltiten, n~mlich der gew6hnliche dunkelblaue Lein, der ~igyptische Lein und LI cre#itans die ~tltesten.

Aus dem gew6hnlichen dunkelblauen Lein sind durch Verlust- muta t ion drei andere Variet~tten entstanden, n~tmlich die hellblaue durch Verlust yon A, die gekr~tuselte weisse dutch Verlust yon B und die gew6hnliche weisse durch Verlust von C.

Die weissen Variet~iten sind unabhXngig yon der hellblauen aus der dunkelblauen entstanden, die hellblaue Variet~tt ist ~omit keine

[3bergangsform zwischen der dunkelblauen und den weissen. Bei der Kreuzung entstanden vier neue homozygot~sche Formen

verschiedener genotypischer Zusammensetzung, zwei derselben zeigten den n~tmlichen neuen Phaenotypus.

I60 DIE GENOTYPISCHE ZUSAMMENSETZUNG EINIGER VARIETATEN

Von Artkreuzungen innerhalb der Gat tung Linum geiang nur die

zwischen L. usitatissimum und L. angus~i/olium. Alle andere sehr oft wiederholte Kreuzungen zwischen diesen bei-

den Arten mit L. perenne, L. austriacum; L. narbonense, L. grandi- [lorum und L. [lavum gaben keine keimf~thigen Samen.

Bei der Best~tubung verschiedener Variet~ten yon L. usitatissimum mit Pollen der letztgenannten Arten finder ein fast normaler Frucht- ansatz statt . Samen werden abet nicht oder sehr unvollkommen ge-

bildet.

Groningen, am 1 ! Jan. 1915.

INHALTSf3BEI~SICHT

E I N L E I T U N G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I I 5

KAP. I. D I E KREUZUNGEN . . . . . . . . . . . . . . . 218

la. D u n k e l b i a u • ~gyptisc/~ b lau . ~ . . . . . . 228

lb. ,~ 'gyptisch b lau X d u n k e l b l a u . . . . . . . . 2 i 9

2a. D u n k e l b l a u x c rep i tans b tau . . . . . . . . . ~ I 9

2b. C r e p i t a n s b lau • d u n k e l b l a u . . . . . . . . . 7 I 9

3a. A 'gyp t i sch b lau x c r e p i t a m b lau . . . . . . . 1 i 9

3b. C r e p i t a n s b lau • ~gyp t i s ch blau . . . . . . . 72o

4a. Du•ke lb lau x h d l b l a u . . . . . . . . . . . I 2 o

4b. H e l l b l a u X d u n k e l b l a u ' . . . . . . . . . . . 12o

5a. H d l b l a u X we i s s . . . . . . . . . . . . . 12o

5b. W e i s s X he l lb tau . . . . . . . . . . . . . I 2 o

6. H e l l b l a u x gekrduse l t we i s s . . . . . . . . . I 2 2

7. D u n k e l b l a u • we iss . . . . . . . . . . . . i 2 3

8. W e i s s X ~gyp t i s ch b lau . . . . . . . . . . . 124

9a. D u n k e l b l a u • gekr~use l t we i s s . . . . . . . . .r24

9b. Gekrguse l t we iss x d u n k e l b l a u . . . . . . . . i 2 4

10. , f fgypt i sch b lau • gekr~use l t we iss . . . . . . i 2 5

1 l a. W e i s s X gekr~use l t we iss . . . . . . . . . . I 2 6

1 lb. Gekr~use l t we i s s x we iss . . . . . . . . . . 126

NAP. II. D I E FAKTOREN FfJR DIE BLLTTENFARBE . . . . . . I 2 8

KAP. III, D I E WIRKUNG DER FAKTOREN FOR DIE BLfJTENFARBE

AUF ANDERE MERKMALE . . . . . . . . . . . . 735

KAP. I V . D E R NACHWEIS DER UBEREINSTIMMUNG ALLER BEOB-

ACHTUNGEN MIT DEN NACH D•R GEFUNDENEN GENO-

TYPISCHEN ZUSAMMENSETZUNG DER VARIETATEN ZU

ERWARTENDEN ERSCHEINUNGEN . . . . . . . . . I 4 6

K A P . V, D E R GENETISCHE ZUSAMMENHANG DER VARIET,X.TEN I 5 4

KAP. V l . D I E KREUZUNG YERSCHIEDENER L i n u m - A R T E N . I 5 6

ZUSAMMENFASSUNG DER RESULTATE . . . . . . . . . . . . 158

G e n e t i c a XXlI ~z*

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