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Die Gerontopsychiatrische Versorgung in Deutschland

Prof. Dr. H. Gutzmann

Worum es mir heute geht

• Demographie

• Bedarfsschätzungen

• Konsequenzen für die Versorgung

• Aspekte der Spezialisierung

• Ethik und anderes

Demographisches Scenario

Der Wandel der Alterspyramide

Quelle: Statistisches Bundesamt

Eine nahe liegende Vision

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Was gibt´s – und was ist nötig?

Krankenhaus-Planungsausschuss Berlin 9/2005:

• Frage: „...ob in den vorgestellten Planungen wie bei den somatischen Fächern eine demographische Entwicklung berücksichtigt werden muss.“

• Antwort: „...dass der demographische Faktor im Fachgebiet Psychiatrie nicht so stark ins Gewicht falle, da Hochaltrige in der Patientenpopulation hier prozentual weniger vertreten sind als in somatischen Fächern.“

• In der Somatik in JEDER Disziplin zunehmend– für alle Fächer von 31,5 auf 35,8% gestiegen

• In der Psychiatrie– in den PKH´s von 17,6 auf 18,2% zunehmend– in den psychiatrischen Abteilungen an

Allgemeinkrankenhäusern von 14,6 auf 12,8% abnehmend

obwohl die Gesamtzahl psychiatrischer Patienten in diesem Zeitraum sogar um 17,8% zugenommen hatte

Anteil von Patienten > 65 Jahren: 1994 bis 1999Statistisches Bundesamt 2001

Das Problem schreibt sich fort: DESTATIS 2008

„Rückgänge sind in den Bereichen psychische Störungen und Verhaltensstörungen und – bei weiter niedriger Geburtenrate – in Verbindung mit Schwangerschaft und Geburt zu erwarten.

Krankheiten, die mit zunehmendem Alter vermehrt auftreten, wie Herz/Kreislauferkrankungen und Neubildungen (Krebs), werden überdurchschnittlich ansteigen.

Auch bei Demenzerkrankungen dürfte es zu einem deutlichen Anstieg der Fälle kommen. Krankenhausbehandlungen wegen Demenz fallen jedoch in absoluten Zahlen kaum ins Gewicht (knapp 32 000 Fälle im Jahr 2005).

Eine Zunahme Demenzkranker würde sich hauptsächlich im Bereich der häuslichen Betreuung und der Pflege auswirken.“

Das Problem schreibt sich fort: DESTATIS 2008

Geschätzte Häufigkeit psychiatrischer Erkrankungen jüngerer und älterer Personen (ohne Demenzen) in den USA

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nach: Jeste et al; Arch Gen Psychiatry Sep 1999

Gründe

Die Zahl der psychisch kranken Älteren dürfte in den nächsten 30 Jahren um 275% steigen, weil

• die Lebenserwartung älterer psychisch Kranker steigt• die Mortalität jüngerer psychisch Kranker sinkt• die „baby-boomer“ höhere Risiken für Depression und Angst

tragen

Zusätzliches Problem:• Die Zahlen der Leicht- (→ Prophylaxe, Case-finding) und

Schwerkranken (→ Lebenserwartung) dürften jeweils überproportional zunehmen

Forderungen an eine angemessene

gerontopsychiatrische Versorgung

Forderungen an einen Gerontopsychiatrischen DienstJolley & Arie 1978

• Multidisziplinär• Umfassend• Integriert• Erschwinglich• Verfügbar• Auf Bedürfnisse schnell reagierend• Fähig und bereit, mit komplementären Versorgern zu

kooperieren• Fähig und bereit, mit Primärärzten zu kooperieren• Auf eine definierte Versorgungsregion bezogen

Gerontopsychiatrische Angebote

• Abteilung/Klinik für Gerontopsychiatrie• Gerontopsychiatrischer Konsildienst• Gerontopsychiatrisches Zentrum

– Tagesklinik– Institutsambulanz

• Gedächtnissprechstunde– Beratungsstelle

Altenberatung

Aufgaben eines GPZ im Versorgungsverbund

GPZ

Ambulanz

Tagesklinik Verbundaufgaben•Regionaler Motor•Öffentlichkeitsarbeit•Qualitätskontrolle•Fort- u. Weiterbildung•Versorgungs

forschung

•Vor- nachstationär•Gedächtnis

sprechstunde•Angehörige•Heime•Sozialstationen•niedergelassene Ä.

•Betroffene•Angehörige•Selbsthilfegruppen•Altenhilfe•Behörden•Infobörse

•Assessment•Behandlung

Vor- nachstationär•Koordination v.

Diensten•Reintegration

• Gerontopsychiatrische Zentren sollen die gerontopsychiatrische Grundversorgung in jeder Versorgungsregion sicher stellen

• Sie übernehmen Aufgaben in der Organisation der Hilfen für psychisch kranke ältere Menschen in der Region

• Sie sind Motor für die Qualitätssicherung im komplementären Bereich und als Impulsgeber in der Region unverzichtbar

Die Rolle Gerontopsychiatrischer Zentren

Qualitätskriterien für Versorgungsmodellemodifiziert nach Hollander a nd Prince 2002

• An den Bedürfnissen der Region orientiert• Ein singuläres oder koordiniertes Aufnahmeverfahren• Standardisiertes Aufnahme-Assessment• Standardisierte Klassifizierung der Klienten

„WER geht WOHIN und braucht WAS“• Laufendes Case-Management• Verlässliche Kommunikationsstrukturen für Klienten

und Angehörige

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Entwicklung von Tageskliniken: Bedarfnach Wolter-Henseler 2002

• In den allgemeinpsychiatrischen Abteilungen waren wesentlich weniger ältere und demente Patienten und bedeutend mehr jüngere (Altersgruppe 55-65 Jahre) Patienten mit affektiven Störungen vertreten, als in den Spezialeinrichtungen, wo allein 94% aller Hochbetagten (über 85 Jahre) bzw. 90% aller Demenzkranken aufgenommen wurden

• Dagegen war das Risiko eines Patienten, nach Abschluß der Behandlung in eine Altenpflege-einrichtung verlegt zu werden, in den allgemein-psychiatrischen Abteilungen dreimal höher als in der Gerontopsychiatrie.

• Das tagesklinische Angebot war vernachlässigenswert gering

Gerontopsychiatrische Patienten in stationären Einrichtungen: "integriert" vs. "spezialisiert"

nach: BAG Psychiatrie 1997

GPZ und Strukturprognose

• Gerontopsychiatrische Tageskliniken oder PIAs bedürfen i.d.R. eines stationären GP-Angebots als „Motor“, mindestens aber der Einbindung in ein GPZ

• Nur dort, wo eine spezifisch geronto-psychiatrische Regionalversorgung funktioniert, entspricht das versorgte Klientel auch den epidemiologischen Erwartungen

• Langfristig wird - bei Aufbau leistungsfähiger Verbundstrukturen - die Bedeutung des stationären Bereichs abnehmen

Statements und Thesen

Ethische Überlegungen

• Zahlreiche gesellschaftliche Aufgaben konkurrieren um knappe öffentliche Mittel

• Auch Krankheiten konkurrieren um knappe Ressourcen und um die öffentliche Gunst

• Die mit einer altersbezogenen Zuteilung medizinischer Leistung verknüpften Einsparpotentiale sind nicht offensichtlich.

• Die Argumente, die sich auf die höhere volkswirtschaftliche Produktivität junger Menschen und den höheren Gewinn an gesunden Lebensjahren bei ihnen beziehen, bedürfen als primär ökonomische Parameter zunächst einer ethischen Bewertung durch die Gesellschaft

Attraktive Gerontopsychiatrie?

• Deutsche akzeptieren Rationierungen von Gesundheitskosten eher bei psychiatrischen als bei somatischen Erkrankungen, wobei die Alkoholkrankheit besonders wenig öffentliche Akzeptanz genießt.

• ABER: die Alzheimer-Krankheit schneidet bei der Frage, welche Krankheiten bei einer möglicherweise notwendig werdenden Rationierung ausgenommen werden sollten, als einzige psychiatrische Erkrankung besser ab als Rheumatismus und Diabetes und nur wenig schlechter als AIDS.

• Die öffentliche Akzeptanz der Alzheimer-Krankheit könnte also auch für die Anti-Stigma Kampagne unseres Fachs Bedeutung gewinnen und es den Allgemeinpsychiatern leichter machen, die Gerontopsychiatrische Kröte zu schlucken.

Die Psychiatrie tut sich schwer

• Gegenüber den alten Patienten hat die deutsche Psychiatrie eine Bringschuld. Im stationären Bereich hatte sie im Zeitraum zwischen 1994 und 1999 im Gegensatz zu allen anderen medizinischen Fächern eine Abnahme des Anteils älterer Patienten zu verzeichnen.

• Auch 2005 lag der Anteil der psychisch Kranken der Altersgruppe 60-80 Jahre an den Krankenhausfällen mit 16% deutlich niedriger als ihr Bevölkerungsanteil (20%)

• Das Statistische Bundesamt schließt daraus auf einen Rückgang der psychiatrischen Aufnahmezahlen bis 2030 um 8,0 % (z. Vergleich: Herz/Kreislauf + 34,2%)

• Gleichzeitig soll die Pflegequote um 58% steigen• Es muss verhindert werden, dass die Heime die „verlängerte

Werkbank“ der Psychiatrie werden

PS

Altern wird in unseren Tagen zum ersten Mal zum Massenphänomen, an dem wir alle Anteil haben

Für uns sollte die Gerontopsychiatrie schon deshalb an Attraktivität gewinnen, weil wir ihr mit jedem Jahr näher rücken

Hoffnung für die Zukunft gibt der Befund, nach dem Erkrankungen, die in der eigenen Altersgruppe häufiger sind, auch mehr positive Aufmerksamkeit genießen

Herzlichen Dank für

Ihre Aufmerksamkeit!

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