Die Obergrenze des Flüchtlingsrechts...aber noc h nic ht beendet. Mögli-cher weise ha t Ös...

Preview:

Citation preview

Die Obergrenze des FlüchtlingsrechtsAsylwesen auf dem Prüfstand. Mit dem geltenden Völker- und Europarecht lässt sich die aktuelle Flüchtlingskrise nichtbewältigen. Österreichs Obergrenze für Flüchtlinge könnte am Beginn eines Umbruchs im Menschenrechtsbereich stehen.

VON PETER HILPOLD

Innsbruck. Die österreichische Re-gierung hat Obergrenzen für Asyl-werber eingeführt (37.500 für2016). Sind solche Obergrenzenvölkerrechtlich und EU-rechtlichzulässig? Gehen wir davon aus,dass die Formel des „Richtwerts“nur eine Floskel war und tatsäch-lich eine verbindliche Grenze, ge-gebenenfalls mit flexibler Anwen-dung, geschaffen werden sollte. Indiesem Fall ist von einem Verstoßgegen internationales Recht auszu-gehen. Damit ist die Diskussionaber noch nicht beendet. Mögli-cherweise hat Österreich damiteinen Wendepunkt in der europäi-schen Grundrechtedebatte einge-leitet.

Schranken nicht vorgesehenDas einschlägige Instrumentarium,konkret die Genfer Flüchtlingskon-vention aus 1951 (GFK) sowie dieEU-Qualifikationsrichtlinie aus2011 sehen keine solche Schrankenvor. Lassen sich diese trotzdemrechtfertigen?

Geschrieben wurde, Völker-recht sei nicht klar, lasse sich nichtdurchsetzen und das EU-Rechtgreife nur wenig in das Asylrechtder Mitgliedstaaten ein. DiesenThesen sei hier widersprochen. ZurGFK gibt es eine umfassende Praxisund einen sehr weitreichendenKonsens in der Wissenschaft. Ander Verbindlichkeit ihrer Bestim-mungen kann kein Zweifel beste-hen. Die Konvention hat sich als„lebendes Recht“ mit enormer Dy-namik erwiesen.

Zudem hat sich in Europa überdas Zusammenspiel mehrererRechtsmassen ein viel weiter rei-chendes Asylrecht herausgebildet.Es ist ein Gemeinsames Europäi-sches Asylsystem im Entstehen,das auf der GFK aufbaut und derenErweiterung durch die Praxis inhartes Recht umgegossen hat. Sokann beispielsweise die Diskrimi-nierung aufgrund der sexuellenOrientierung als Verfolgungstatbe-stand asylrechtsbegründend wir-ken.

Einsteiger der Woche

Die Anwaltskanzlei CMS Reich-Rohrwig-Hainz hat ihren Part-

nerkreis erweitert und ernenntDarina Baltadjieva und RaškoRadovanović zu Partnern bei CMSin Sofia und Belgrad. Baltadjievaverfügt in den Bereichen Corpo-rate, Real Estate und Commercialüber exzellente fachliche Exper-tise. Im Fachbereich Commercialliegt ihr Branchenfokus auf Retailund Manufacturing. Radovanovićist seit 2010 für CMS in Belgrad tä-tig und leitet dort den FachbereichWettbewerbsrecht, in dem er auchseitens Chambers als führenderExperte gilt.

Event der Woche

Die WU Wien und die Anwalts-kanzlei CHSH haben Mitte Jän-

ner unter Anwesenheit von EwaldNowotny, Gouverneur der Oester-reichischen Nationalbank, in denRäumlichkeiten der Beletage vonCHSH den LAWard 2015 vergeben.

Branche

Ganz zentral aber ist die Fragedes Schutzanspruchs in Bürger-kriegssituationen, dem Haupt-grund für Flucht in der Gegenwart.Die EU-Qualifikations-Richtlinieaus 2011 gewährt in solchen Fällen(zum Beispiel Syrien) temporärenSchutz.

Obwohl die EMRK kein Asyl-recht enthält, hat der EuropäischeGerichtshof für MenschenrechteAnsätze für ein solches geschaffen.Er untersagt die Ausweisung vonAusländern in Staaten, in denenFolter bzw. unmenschliche odererniedrigende Behandlung droht.

Und schließlich ist das Rechtauf Asyl auch noch in Art. 18 derGrundrechte-Charta verankert.

An der Existenz völkerrechtlichund EU-rechtlich verbindlicherSchutzverpflichtungen für Flücht-linge, die grundsätzlich keineObergrenze für Asylwerber bzw.Schutzsuchende kennen, kann so-mit nicht gezweifelt werden.

Ein von der Regierung mit derAnalyse dieser Materie betrauterGutachter hat folgenden Ansatz –für die Legitimierung einer offen-kundig gewünschten – Beschrän-kungsmöglichkeit vorgeschlagen:Einerseits können Asylwerber in si-chere Drittländer zurückgescho-ben werden, andererseits könntendie dem Asylrecht immanentenAusnahmen der Wahrung der öf-fentlichen Sicherheit und Ordnunggenutzt werden.

Beide Vorschläge erweisen sichbei genauerem Hinsehen als nichtwirklich hilfreich. Zahlreiche Asyl-werber überschreiten die Grenzenillegal. Österreichs Nachbarländermögen sichere Herkunftsländersein, doch unterlassen sie es viel-fach, die Flüchtlinge zu registrie-ren. Wohin sollen diese Flüchtlingedann abgeschoben werden?

Kontrollen lösen Rückstau ausSicherlich könnten strenge Grenz-kontrollen eingeführt werden, dieaber wiederum mit dem Schengen-System unvereinbar sind und zueinem – wiederum unzulässigen –Rückstau der Flüchtlinge führenwürden. Einzelne Nachbarländer

Der LAWard prämiert die bestenwissenschaftlichen Arbeiten derStudienrichtung Wirtschaftsrechtund Rechtswissenschaften. DieJury bestand, unter der Leitungvon Universitätsprofessor GeorgKodek, aus CHSH-Partner ClemensHasenauer, UniversitätsprofessorErich Vranes und CHSH-Rechtsan-walt Peter Lewisch. Ausgezeichnetwurden Alexander Reich-Rohrwigund Johannes Wühl in der Katego-rie Dissertation, Jonathan Fritz für

LEGn-News

Darina Baltadjieva, neue Partnerinbei CMS Sofia. [CMS]

Österreichs haben schon angekün-digt, in diesem Fall überhaupt kei-ne Flüchtlinge mehr über die Gren-ze zu lassen. Die RechtsverletzungÖsterreichs würde sich also EU-weit ausdehnen und Verstärkungfinden.

Dass das ordre-public-Argu-ment nicht für die Rechtfertigungvon Obergrenzen als Instrumentder Migrationssteuerung taugt,dazu genügt ein Blick in die ein-schlägige Kommentarliteratur.

Ist das Boot voll? Die Belas-tungsgrenze erreicht? Nein, wennwir traditionelle Kriterien verwen-den. In der Nachkriegszeit musstenganz andere Flüchtlingsströme ver-kraftet werden. Ja, wenn wir die Si-

seine Masterarbeit sowie CorinaKruesz in der Kategorie Bachelor-arbeit.

Deals der Woche

DLA Piper Weiss-Tessbach hatdieWiener Privatbank beim Er-

werb des Bankenbetriebs der öster-reichischen Valartis Bank vertre-ten. Im von den beiden PartnernDavid Christian Bauer und Chris-tian Temmel geleiteten Team war

AL § PEOPaus der W

Raško Radovanović, neuer Partnerbei CMS Belgrad. [CMS]

tuation längerfristig betrachtenund davon ausgehen, dass nunnicht ein einmaliges Kriegsereigniszu überwinden ist, sondern konti-nentenübergreifende Bevölke-rungsverschiebungen im Gangesind.

Widerstand in BevölkerungDie Bewältigung der Flüchtlings-krise hat sich als teuer und wohl-standsmindernd gezeigt. Aus derBevölkerung kommen deutliche Si-gnale, dass diese Wohlstandsein-bußen, die für minder Qualifizierteerheblich sein können, nicht hin-genommen werden, ebenso wenigdas mit der Immigration verbun-dene kulturelle Konfliktpotenzial.

weiters Counsel Johanna Höltl, Ge-sellschaftsrecht. Seitens der Wie-ner Privatbank betreute der dortigeLeiter der Rechtsabteilung Johan-nes Kunz die Transaktion in recht-licher Hinsicht.

Die Rechtsanwaltskanzlei CHSHhat die Mitterbauer Beteili-

gungs-Aktiengesellschaft im Zu-sammenhang mit dem freiwilligenÜbernahmeangebot auf Aktiender Miba AG, dem anschließenden

LEelt des

Die glücklichen LAWard-Preisträ-ger und Gratulanten. [CHSH]

Die österreichische Regierung hateinen zentralen Baustein aus die-sem wackligen Gebäude genom-men und will nun in den nächstenMonaten eine juristische Rechtfer-tigung nachliefern. Wenig überzeu-gend wurde schon folgende Thesevorgetragen: Die Quote ist nichtnotwendigerweise unzulässig,denn die Flüchtlinge könnten jafreiwillig wegbleiben. Das Gebäudewird zusammenbrechen, vielleichtauch an anderer Stelle, nachdemdas Problem verlagert wurde.

Solidarität funktioniert nichtEin juristischer Rettungsversuch istzwecklos. Was sich hier abspielt, istmöglicherweise ein revolutionärerUmbruch im Menschenrechtsbe-reich. Das Gemeinsame Europäi-sche Asylsystem ist bruchstückhaftund nicht für eine Herausforde-rung wie der aktuellen konzipiert.Die GFK belastet einseitig Europa,während beispielsweise Kanada,Australien und die lateinamerika-nischen Staaten längst schon einerestriktive Asylpolitik betreiben.Die arabischen Golfstaaten neh-men sich aus ihrer Verantwortungvöllig heraus. Einzelne heizen denSyrien-Konflikt sogar noch weiteran. Der sowohl der GFK als auchdem Dublin-System der EU inne-wohnende Solidaritätsgedankewurde nie umgesetzt.

Europa darf deshalb aber nichtweniger, sondern muss mehr Ver-antwortung übernehmen. Diesewird sich jedoch von der Innen-auf die Außenpolitik verlagern. Da-bei ist eine militärische Option,beispielsweise gegen IS-Mörder-banden, eine ernsthafte Wiederauf-baupolitik bei zerfallenen Staaten(responsibility to rebuild), einePräventionspolitik (responsibilityto prevent) und eine verstärkte Un-terstützung der Konflikt-Anrainer-staaten einzuschließen. Für Bür-gerkriegsflüchtlinge ist ein wirksa-mer Solidaritätsmechanismus aufUN-Ebene zu schaffen.

Peter Hilpold ist Professor für Völkerrecht,Europarecht und Vergleichendes ÖffentlichesRecht an der Universität Innsbruck.

Die Pflicht, Flüchtlinge zu schützen, steht derzeit noch außer Frage. [ Reuters]

14 RECHTSPANORAMA MONTAG, 25. JÄNNER 2016

Squeeze-out der verbliebenen Ak-tionäre und dem Delisting der Ge-sellschaft beraten. Unter der Lei-tung von Seniorpartnerin EdithHlawati haben die Partner VolkerGlas und Heinrich Foglar-Dein-hardstein sowie RechtsanwaltChristian Aichinger an der Struktu-rierung der Transaktion und auchan der erfolgreichen Umsetzungmitgewirkt.

Maxl Rechtsanwälte hat die ers-te grenzüberschreitende Im-

portsitzverlegung einer Kapitalge-sellschaft in die Zuständigkeit desFirmenbuchs des HandelsgerichtsWien konzipiert und durchgeführt.RechtsanwaltMartinMaxl betreuteden Deal.

Rechts

LEGAL & PEOPLEist eine Verlagsserie der „Die Presse“Verlags-Gesellschaft m.b.H. & Co KG.Koordination: Robert KampferE-Mail: robert.kampfer@diepresse.comTelefon: +43/(0)1/514 14-263

Recommended