Dr.med. Toni Berthel Stv. Aerztlicher Direktor ipw … · 2016-11-30 · Ambulanter Alkoholentzug...

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Ambulanter Alkoholentzug

Dr.med. Toni BerthelStv. Aerztlicher Direktor ipw

Schweiz. Gesellschaft für Suchtmedizin SSAM

Alkoholmissbrauch und –abhängigkeit

2’300 Pat.Alkohol-Fachstellen

37’000 Pat.Hausärzte

5’700 Pat.Somatische Klinken

1’200 Pat.Psychiatrische Kliniken

Inanspruchnahme (Kanton Zürich)

Der Hausarzt nimmt eine zentrale Rolle inder Behandlung von Menschen mitAlkoholmissbrauch und –abhängigkeitein.

Die meisten Alkoholentzüge finden ineinem ambulantent Setting statt.

Spezifische Diagnostik I

Leichte Intoxikation (BAK 0.5-1.5‰)Mittelgradige Intox. (BAK 1.5-2-5‰)Schwere Intox.(BAK 2.5-4.0‰)Alkoholisches Koma (BAK über4.0‰)

AkuteAlkoholvergiftung

Tatsächliche Schädigung(psych./körperl.)

SchädlicherAlkoholkonsum

Tgl. 30-40/20Gramm AlkoholRiskanterAlkoholkonsum

Tgl. 24/16 Gramm AlkoholRisikoarmerAlkoholkonsum

Spezifische Diagnostik II

F10.7Restzustand undverzögert auftretendepsychotische Störung

F10.6Amnestisches SyndromF10.5Psychotische StörungF10.2AbhängigskeitssyndromF10.4Entzugssyndrom mit Delir

F10.3 (ICD.10)EinfachesEntzugssyndrom

Interventionen: Priorisierung

RisikokonsumRekreationskonsum Abhängigkeit

KontrolleüberKonsum

Reduktion

Kontrolleüber Konsum

Entzug

Reduktion

Kontrolle?

Motivation

Ablauf und Elemente eines ambulantenEntzugs

Vorphase• Abklärung• MotivationPhase 1 (Mögliche Kombiantionen)• Entzug beim Hausarzt/oder Fachstelle• Teilnahme AA• Teilnahme Gruppe in Fachstelle• Begleitende Gespräche in Fachstelle• Alkoholblas-Test in FachstellePhase 2• Nachbetreuung ca. 2 MtPhase 3 (Bei Bedarf)• Vertiefte Behandlung, Psychotherapie

Voraussetzungen für den ambulantenEntzug

• Fähigkeit zur aktiven Mitarbeit desPatienten

• Bereitschaft zur Einhaltung desTherapieplans

• Ordentlicher Allgemeinzustand• Stabiles und stützendes soziales Umfeld, ev.

mit Bezugsperson, die in die Behandlung miteinbezogen werden kann.

• Ärztliche Ressourcen• Tägliche Konsultationen

Kontraindikationen für denambulanten Entzug

• Zu erwartendes schweres Entzugssyndrom (z.B.anamnestisch bekannter Krampfanfall und/oder Delir)

• Akute körperliche Erkrankung, v.a. wenn sie mit demRisiko von Elektrolytentgleisungen verbunden ist(speziell bei schwerem Erbrechen)

• Bereits vorliegende schwere Entzugssymptome,ev.mit prädelirantem Symptomen

• Begleitmedikation mit krampfschwellensenkendenMedikamenten

• Suizidalität (kann im Entzug dramatisch zunehmen)• Schwere kognitive Defizite• Schwangerschaft

Rahmenbedingungen für denambulanten Entzug

• Ausreichende Zeitreserven des Arztes• Tägliche Gespräche• Möglichkeiten für Hausbesuch• Kontakte zu einer verlässlichen

Bezugsperson• Screening-Instrumente• Nach Möglichkeit Atemluftkontrollen• Schriftliches Festhalten des Procederes• Start mit Alkoholentzug zu Wochenbeginn

Voraussetzungen für eine Behandlung

• Jeder Behandlung geht eine längere oderkürzere Motivationsphase voraus

• Motivation kann gefördert werden• Auch Menschen mit Alkoholmissbrauch oder –

abhängigkeit können motiviert werden.• Momente mit erhöhter

Motivationsbereitschaft sollten ausgenütztwerden.

•Angst, Depression, Ermüdung•Reizbarkeit, Feindseligkeit•Schlafstörung, Alpträume•Schwitzen, Zittern, , Herzklopfen, Verstopfung•Kopfschmerzen, Schwindel

3-12 WochenPost-Alkoholentzug

•Extreme Hyperaktivität•Verwirrtheit•Desorientiertheit•Gestörte Sinneswahrnehmung

24-150Stunden

Später oderschwerererEntzug

•Milde Agitation•Angst•Anorexie•Insomnie•Psychomotorische Unruhe•Zittern•Krampfanfälle

0-48 StundenAkuterAlkoholentzugFrüher odermilder Entzug

Phasen und Symptome desAlkoholentzugssyndroms

Anfangsdiagnostik

• Sorgfältige Anamnese• Körperliche Untersuchung (inkl. Neurolog.

Aspekte)• Standardisierte Alkoholismusdiagnostik• Risikoeinschätzung des ambulanten Entzugs• Rating der Entzugserscheinungen• EKG• Drogenscreening• Labor (Glucose, Amylase, Gamma-GT,

Kreatinin, Na, K, Cl, rotes BB (MCV), Quick,ev CDT%)

Checkliste zum ambulanten Entzug• Vorgeschichte:• Seit wann Alkoholkonsum• Wie hoch ist der Konsum ?• Was wird getrunken?• Gibt es alkoholfreie Zeiten oder Tage? Wie verlaufen

diese?• Gab es in den letzten Jahren eine alkoholfreie Episode ?

– Wann?– Wie verlief diese?

• Frühere Entzüge:• Gab es frühere Entzüge ?• Wenn ja, wann war der letzte Entzug ?• Wie lief er ab

• Starke Entzugssymptome?• Anfälle ?

• Stationär oder ambulant?• Therapieabbrüche ?

• Vorerkrankungen:• Psychiatrische Komorbidität

– insb. Delir in der Vorgeschichte ?,– Psychose in der Vorgeschichte

• Epileptische Anfälle oder Krampfleiden in der Vorgeschichte• Sonstige Erkrankungen• Medikamente?• Herz-/Kreislaufleiden?• Krankenhausaufenthalt in den letzten Jahren?• Voruntersuchung beim Hausarzt erfolgt?• Soziales Umfeld• Wer könnte die Abgabe der Medikamente zu Hause regeln?• Geht der Pat. während dieser Zeit einer Berufstätigkeit nach ?• Ist das Notfallprocedere klar ?• Perspektive• Was soll auf den ambulanten Entzug folgen?• Ist eine dauerhafte oder zumindest mittelfristige Abstinenz von Seiten

des Pat. realistisch?

Hinweise für das Auftreten von schwerenEntzugserscheinungen (Raistrick 2000)

• Grosse Mengen an konsumiertem Alkohol• Frühere Episoden von schweren

Entzugserscheinungen• Frühere Episoden mit Anfällen oder Delir• Polytoxikomanie• Schlechter körperlicher Zustand• Ausgeprägte psychiatrische Co-Morbidität

Medikamentöse Behandlung

• Keine Pharmaka erforderlich– Keine Entzugssymptome– Nicht Trinken um Entzugssymptome zu vermeiden– Weniger als 120g/80g Alkohol pro Tag trinken– Periodisch trinken (ausser exzessiver Konsum mit

mehr als 200 g)

• Pharmaka indiziert– Schwere Entzugssyndrome– Mässige Entzugssyndrome (Linderung)

Medikamente beim ambulantenEntzug

1. Benzodiazepine (Valium. Seresta)2. Chlordiazepoxid (Librax)3. Carbamazepin (Leberzirrhose)4. Tiaprid plus Carbamazepin

In der Ambulanz kontranindiziert Clomethiazol(Distraneurin)

Tiaprid ist in der Schweiz für den Alkoholentzug nochnicht zugelassen.

Zusätzlich ist eine Vitamin-B Substitution wichtig.

Verlaufskontrolle Täglich

• Rating der Entzugserscheinungen(Anpassung der Medikation)

• Atemluftkontrolle

nach 1 Woche• Rating der Entzugserscheinungen

(Medis in der Regel nicht mehr nötig)• Atemluftkontrolle

Wirkungsspektrum der eingesetztenMedikamente

Nein(Nein)(Ja)NeinEpileptogen

Haloperidol

(Nein)JaJaJaJaClomethiazol

Nein(Nein)JaJaJaDiazepam

NeinJaNein(Ja)JaCarbamazepin

JaJaNeinNeinNeinTiaprid

Vegetativregulierend

Antidelirant

Atemderpessiv

Sedierend

Antieptileptisch

Medication regimes for patients severly andmoderately dependent on alcohol (Collins et al

1990)

-57

-106

5155

10204

20303

3040 (je nach Symptomen)2

30401

Moderately dependentSeverly dependentDay

Total daily dose diazepam: mg

Medikation im stationären Setting

• Medikament der 1. Wahl– Clomethiazol (Distraneurin)

• Delirbehandlung:– Haloperidol plus Benzodiazepine

• Entzugsanfälle in der Vorgeschichte– Benzodiazepine

• Lebensbedrohliche Delirien– Intensivmedizin

• Hochdosiert Diazepam• Haloperidol/Dihydrobenzperidol

Medikamente bei psychiatrischenBegleiterkrankungen

• Mit dem Abklingen des Entzugs verschwinden häufigängstliche oder depressive Verstimmungen undSuizidgedanken– Bei Andauern:

• SSRI• Buspiron• Psychotherapie• Keine Benzodiazepine langdauernd

• Alkoholhalluzinosen gehen in der Regel rasch undspontan zurück.– Falls nötig

• hochpotente Antipsychotika (Haloperidol)• Atypische Antipsychotika

Medikamente zu Verminderung desRückfallrisikos

• Acamprosat• Disulfiram• Naltrexon

Vergleich stationärer-ambulanterAlkoholentzug

„We conclude that outpatient medicaldetoxification is an effective, safe an low-costtreatment for patient with mid-to-moderatesymptoms of alcohol withdrawal.“

(Hayashida M., 1989)

Outcome

• Ambulanter Entzug ist sicher.• 79% erfolgreicher Entzug, Tagesklinik: 78%• n. 60 Tg: ambulant = 45% gutes outcome

Tagesklinik = 31% gutes outcome

Allan (2000)

• Cost-effectiveness inpatient-outpatient =4.5:1

Pettinati(1999)

• 50% Abstinenzrate 6Mt. n. Entzug.• Kein Unterschied zw. stationärem oder

ambulantem Entzug

Hayashida(1998)

• 79% schliessen ambulanten Entzugerfolgreich ab.

Collins (1990)

Co-Morbidität

10-40%(F2)Schizophrenie

Bis 50%(F6)Persönlichkeitsstörungen

2-4%Suizidrate

11-15%(Lebenszeitrisiko)

Suizidhandlungen

15%Unabhängig von Alkohol

Bis 50%Substanzinduziert

(F3)Affektive Störungen

30-65%(F41)Angst- und Panikstörung

Ablauf des qualifizierten ambulanten Alkoholentzugsin der WFA

START desEntzugs

Alkohol StopSONNTAGSONNTAG

MONTAGMONTAG

DIENSTAGDIENSTAGMITTWOCHMITTWOCHDONNERSTAGDONNERSTAG

FREITAGFREITAG

Atemluft

Arzt

Abschluss-gespräch

1. Atemlufttest

2. ArztverordnetEntzugsmedi-kation jenachSchwere derEntzugs-symptomatik

1. Atemlufttest2. Arzt: Medikamenteanpassen

3. Therapeutische Gesprächenach Vereinbarung

• Winterthurer Fachstelle fürAlkoholprobleme 052 267 66 10

• www.wfa.winterthur.ch• www.kokainbehandlung.ch

• Toni.berthel@win.ch

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