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E I N E P R I C K E L N D E G E S C H I C H T E
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Umschlag Rotkäppchen_für PDF_2 02.05.2006 16:21 Uhr Seite 1
E I N E P R I C K E L N D E G E S C H I C H T E
Die Rotkäppchen Sektke l lere i
1856 - 2006
Ralf Kahmann
Herausgegeben von der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH
Freyburg/Unstrut
Copyright © 2006 Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH, Freyburg/UnstrutAlle Rechte vorbehalten.
Redaktion: Peter O. ClaußenGestaltung: Friederike Dornieden, M28 Markenwerbung GmbH, DüsseldorfLektorat: Michael Lesjak Text und Redaktion, DüsseldorfSatz, Druckvorstufe: orange office GmbH, Düsseldorf
Printed in GermanyISBN-10: 3-00-018731-6ISBN-13: 978-3-00-018731-5
Die Schrift basiert in Teilen auf der wissenschaftlichen Arbeit von Prof. Dr. Helmut Arntz in denMitteilungen der Gesellschaft für Geschichte des Weines Nr. 111, Arntz, Helmut: Die Geschichte der Sektkellerei Kloss & Foerster 1856-1948/Rotkäppchen 1948-1994. Wiesbaden 1994.
Bildnachweis:Umschlagseite innen, historische Karte: © Klett-Perthes Verlag GmbH, Gotha. S. 12: Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt, Museum Schloss Neuenburg, Freyburg/Unstrut. S. 13 unten rechts: Privatbesitz Michael Kloss, Rüdesheim. S. 45, Bronzeplatte und S. 52, Anzeigen Audi: Hans-Joachim Jasiulek, Freyburg/Unstrut. S. 74: © dpa Picture-Alliance.S. 98 unten und S. 108/109: Photo-Tempel, Naumburg.
RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 14:32 Uhr Seite 2
DI E C U V É E D E R K A P I T E L :
1856
2006
150 Jahre deutsche Sektgeschichte.Ein Blick zurück nach vorn.
1856Die Handlung beginnt.Mit Wein.
1858 Der erste Sekt:Aus gutem Hinterhause.
Die Zeit nach 1870Prinz, Kanzler, Kaiser:Ganz oben macht man sich für deutsches Prickeln stark.
1887Eine Zeit stolzen Wachstums.Auch in die Tiefe.
1893 Es werde Schatten!Der Lichthof entsteht.
1894 Schluss mit dem Monopol.Ab jetzt gibt’s Rotkäppchen.
1896 Zeit, ein Fass aufzumachen.Und zwar ein riesengroßes.
Um die Jahrhundertwende.Eine prickelnde Zeit:Man ist in aller Munde.
bis 1906Fünfzig Jahre und kein bisschen leise.
bis 1918 Ein Schuss geht nach hinten los.Und dann der Krieg.
1918 bis 1945 Es gärt in Wirtschaft undGesellschaft:Von der Krise in den Krieg.
1945 bis 1948Besitz wechselt,Tradition bleibt.
Die 50er und 60er JahreNicht aus Ruinen,aber auferstanden:Es wird wieder Sekt gemacht.
Die 70er JahreAufschwung Prost.
Die 80er JahreMan feiert offiziell und privat.Und Rotkäppchen Sekt ist immer dabei.
1989/90 Jetzt feiert zusammen,was zusammengehört.
1991 bis 1993Die Wende zum Guten:Das Unternehmen hat wiederUnternehmer.
1993 bis 2000Aufschwung Ost,Wachstum West.
2000 bis 2006Die Überraschung trägt Rot.Und in Freyburg baut manDeutschlands Haus aus Sekt.
Evolution statt Revolution.Aber immer einen roten Kopf.
Sekt braucht Heimat. Und einen großen Parkplatz.
Wir heben das Glas.Die Leitung des Unternehmens.
Cuvées, die den Geschmack treffen.Das Rotkäppchen Sekt Sortiment 2006.
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RZ_150JahreBuch_innen_06 28.04.2006 18:55 Uhr Seite 4
eute ist die Rotkäppchen Sektkellerei Teil eines größeren Ganzen:
Unter dem Namen „Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien“ arbeiten mehr
als 300 Mitarbeiter an vier traditionsreichen Standorten daran, Sekt in
höchster Qualität herzustellen. In Deutschlands Haus aus Sekt entstehen
aus Tradition, Können und Kennerschaft Produkte, die den Menschen
genussvolle Stunden geben. Ein Anspruch,
dem sich alle Beteiligten jeden Tag
aufs Neue stellen müssen. Dazu
gehören Mitarbeiter, Führungskräfte
und Inhaber, die sich der Tradition genauso verpflichtet fühlen wie dem
Ehrgeiz, die Zukunft zu gestalten.
ber Vergangenheit und Gegenwart soll dieses Buch Zeugnis ablegen –
und zwischen den Zeilen ein wenig von unserer Vision für die Zukunft
vermitteln. Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre. Am
besten natürlich in Begleitung dieses einzigartigen Prickelns, das Sekt so
belebend macht.
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150 JA H R E D E U T S C H ESE K T G E S C H I C H T E .
Ein B l ic k zurück nach vorn.
2006
s e k t k e l l e r e i e n
it Stolz auf das Erreichte und mit Freude an dem, was wir alle
gemeinsam Tag für Tag tun, werfen wir zum 150. Jubiläum der Gründung
einen Blick auf die Geschichte unseres Unternehmens. Was im Sommer
1856 zwei Brüder mit einem Freund ins Leben riefen, hat zwei Weltkriege,
vier Währungssysteme und vier Gesellschaftsordnungen erlebt. Nach der
Vereinigung Deutschlands hat die Rotkäppchen Sektkellerei dann eine
Entwicklung genommen, die zu einer prickelnden Erfolgsgeschichte
geworden ist.
M
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09
1856
ir schreiben das Jahr 1856.Napoleon III. ist Kaiser in
Frankreich, der Krimkrieg ist gera-de zu Ende, es herrscht Frieden inPreußen. Überall im Land machensich tatkräftige Bürger Gedankenum Wirtschaft und Wohlergehen.Auch in Freyburg, einem kleinenStädtchen an der Unstrut, ganz imSüden der preußischen ProvinzSachsen. Dort machen sich just zudieser Zeit zwei Brüder zusammenmit einem Freund daran, eine viel-versprechende Geschäftsidee zukultivieren. Heute würde mansagen, sie hätten einen Trend er-kannt: Sie setzen darauf, den Mit-bürgern Genuss und Sinnenfreudezu verkaufen. Folglich gründen sieeine Weinhandlung, durchaus nahe-liegend, weil mitten im Weinbau-gebiet Saale-Unstrut.
s ist nicht überliefert, wie stil-voll die Herren die Geburts-
stunde des Hauses Kloss &Foerster zu feiern vorlieb nahmen.Aber man darf annehmen, dassam 26. September 1856 ein distin-
guiertes Knallen den mutigenSchritt betonte. Denn man beliebteschon damals mit prickelnd schäu-mendem Wein anzustoßen, gernemit Champagner, amliebsten aus Frank-reich. Und genau hierlag wohl der eigentli-che Kern der Kloss& Foerster’schenGeschäftsidee: In denJahren zuvor wurde es in besserenKreisen zunehmend „en vogue“,die besonderen Momente desLebens mit feinem Schaumweinaus Frankreich zu feiern.
Am 26. September 1856 gründen Moritz und Julius Kloss mit ihrem Freund
Carl Foerster ein Weingeschäft.
1856
DI E HA N D L U N G B E G I N N T.Mit Wein.
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:41 Uhr Seite 8
1856
ie Nachbarn im Westen hat-ten ihn erfunden, seit rund
150 Jahren wurde Champagnerhergestellt, im Jahr 1850 warenes 6,5 Millionen Flaschen, davonzwei Drittel für den Export.Warum sollte also nicht mit derkontrollierten zweiten Gärungheimischer Weine ein einträglichesGeschäft zu machen sein?
un lässt sich aus heutigerSicht strategische Unter-
nehmensplanung in damaliger Zeitnicht schlüssig nachweisen. Abergeschäftstüchtig müssen sie schongewesen sein, die Herren Klossund Foerster. Hatten sie sich doch,früher im Jahr, bereits an derGründung der ersten FreyburgerChampagner-Fabrik-Gesellschaftbeteiligt.
N
Julius Kloss, 1856/57:„Im Winter des ersten Geschäftsjahres gelangte unserEntschluss zur Reife, neben dem Weingeschäft eineChampagner-Fabrik zu errichten.“
Im Duden gleich nach Prosperität:
PRO S T!
ine Investition, die damalskein allzu großes Risiko war.
Etwas Kapital, ein guter Kellerund als wichtigstes Accessoire einKönner als Kellermeister – allesandere war die Arbeit vieler fleißi-ger Hände. Dies im Sinn, reifte in
den Köpfen der drei jungenUnternehmer der Entschluss, ihreWeinhandlung durch eine eigeneChampagner-Fabrik auszubauen.Gesagt, getan: Man suchte undfand mit Herrn Lewalder einenerfahrenen Kellermeister, der als-bald seine Arbeit begann. Und inFreyburg an der Unstrut entstandfortan feiner Sekt von Kloss &Foerster.
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1856
Freyburg
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Unstrut
Saale
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13
1858
ie es sich für richtige Grün-derväter gehört, fängt man
klein an. Die ersten 6.000 Sekt-flaschen der noch jungen FirmaKloss & Foerster wurden in einerWohnung im Hinterhaus der Fami-lie Kloss gefüllt. Zwei Arbeitergingen dem Kellermeister Lewalderdabei zur Hand, das richtige Rüt-teln der wertvollen Bouteillen über-nahm er anfangs noch selbst,gelernt ist gelernt. Herr Lewaldersollte 13 Jahre lang den Unterneh-mern in Freyburg „ein treuer undtüchtiger Helfer“ sein, wie sichJulius Kloss zum 25-jährigen Jubi-läum in der großväterlichen Spra-che der damaligen Zeit zitierenließ.
So reifte dann der Weinvon Saale und Unstrutzum ersten Mal zu feinem
Kloss & Foerster-Sekt, ganz wie esdas vorbildliche Champagner-Ver-fahren verlangt. Wir erinnern uns:Man mische die Grundweine zurgewünschten Cuvée. Dazu gebe
man Zucker und Hefe, auf dass inder gut verschlossenen Flasche diezweite Gärung in Gang komme.Die dabei entstehende Kohlensäurebindet sich mit der Zeit fein ein
und wird schlussendlich zumbegehrten, zart prickelndenMousseux. Die Flaschen werden,kopfüber im Rüttelpult, in schönerRegelmäßigkeit ganz sanft bewegt(immer nur ein kleines Rückchen),was die Hefe zum Hals befördert.Beim Degorgieren wird dieserPfropf entfernt, eine Wein-Zucker-Lösung füllt die Flasche wieder aufund bestimmt zugleichdie Dosage des Sekts, jemehr, desto milder.
W
DE R E R S T E SE KT:Aus gutem Hinterhause.
Die Lithographie von 1860 zeigt Freyburg
von Nordwesten. Und die Champagner-Fabrik
unten links, neben den Türmen der alten
Stadtverteidigung.
Damit es richtig was zu Feiern gibt, lässt Julius Kloss an
seinem Hochzeitstag die ersten Korken knallen:Fröhliche Premiere für Kloss & Foerster Sekt.
Am 17. Juni 1858 heiratet
Julius Kloss seine geliebte
Emma, geborene Gabler.
1858
RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 14:33 Uhr Seite 12
15
1866
... und ließen die Menschen aufden Geschmack kommen. ZumBeispiel im Jahr 1861, auf derThüringischen Gewerbeausstellungin Weimar, nicht weit entfernt vonFreyburg.
eil das begehrte Originalaus französischer Herkunft
mehr Prestige versprach, setzteman übrigens, wie viele Konkur-renten zu dieser Zeit, auf dieZugkraft französisch klingenderMarkennamen: „Monopol“,„Crémant Rosé“, „LemartinFrères“ oder „Sillery GrandMousseux“ stand auf den stolzenEtiketten, allerdings – und immer-hin – wurde bei Kloss & Foersterstets der deutsche Firmennamenebst Firmensitz mit aufgeführt.
ieser Firmensitz sollte sich imJahr 1866 aufs Schönste
(und ziemlich endgültig) ver-lagern. Wir erinnern uns,dass sich die handelndenHerren unserer kleinenGeschichte im Jahr ihrereigenen Gründung bereits ander ersten Freyburger Cham-
pagner-Fabrik beteiligt hatten. Einnicht wirklich erfolgreiches Enga-gement, denn diese Firma schlossirgendwann zwischen 1859 und1862 ihre Tore. Nach erstenfruchtlosen Kaufverhandlungenkam im September 1866 das Fabrikgebäude samt Einrichtungenund Materialien – von der Fuß-winde bis zum Geldschrank –unter den Hammer. Und flugs in neuen Besitz.
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1859 Was hier so einfach klingt, istgleichwohl hohe Kunst, die mehrals nur ein glückliches Händchenerfordert. Womit wir wieder beiden unabdingbaren Qualitäten desKellermeisters angelangt wären.
er treue Helfer Lewald mussvom ersten Tag an ganze
Arbeit geleistet haben, mit vielSachverstand und gutem Gespürfür den Geschmack der wertenKundschaft. Denn die Geschäftegehen gut – so gut, dass sich dieFirma schon 1859 einen erstenHandlungsreisenden leisten kann.Franz Ferdinand (F. F.) Knabe, einalter Freund des Hauses, wirdzum ersten Verkäufer der Sekt-kellerei Kloss & Foerster. Derstattliche Herr mit dem fulminan-ten Rauschebart trägt das zeitlosunternehmerische Motto „Still-stand ist Rückgang“ vor sich her.Und engagiert sich dermaßen
erfolgreich für den Verkauf seinerprickelnden Ware, dass er schon1860 in den Kreis der Gesell-schafter aufgenommen wird. Mitihm als erstem Vertriebsleiter stehtdie Führungsmannschaft derersten Jahre – Carl Foerster wirktals Kellerfachmann, Julius Klosskümmert sich ums Kaufmän-nische. Und Moritz Kloss wirdkrank, so sehr, dass er schon 1863stirbt.
Französische Mode war schondamals erfolgreich: Als Freyburger Champagner.Zur erfolgreichen Sektherstellunggehört bereits Mitte des vorletztenJahrhunderts ein gerüttelt Maß anVermarktungs-Kompetenz. Kloss& Foerster schlugen den richtigenWeg ein: Sie pflegten Ihre Produk-te hochwertig zu präsentieren ...
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DDie 1. Freyburger Champagner-Fabrik,
kurz vor Kloss & Foerster.
Die stolze Belegschaft vor der Champagner-
Fabrik. Zeitgenössisch falsch ins Bild
retuschiert: der Name Foerster.
Klingende Namen verkaufen sich besser:
Man geht à la mode.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 14
PR I N Z , KA N Z L E R , KA I S E R :Ganz oben macht man s ich
für deutsches Pr ic ke ln s tark .
1870
eit 1870 wurden von Kloss &Foerster sogar aus der Cham-
pagne Weine importiert, um dersteigenden Nachfrage Herr zuwerden. Die Jahresproduktion inFreyburg betrug zu der Zeit120.000 Flaschen. Erste Pläne fürneue Gebäude und Keller wurdengemacht, da kam im Sommer derDeutsch-Französische Krieg da-zwischen. Im nächsten Frühjahrherrschte schon wieder Frieden, imSpiegelsaal des Versailler Schlosses
hatte sich König Wilhelm I. vonPreußen zum deutschen KaiserWilhelm I. proklamieren lassen.Der Schwung des Sieges, dazudie Entschädigungszahlungen ausFrankreich, führten zu einemgehörigen Wirtschaftsaufschwungin Deutschland. Und der steigendeWohlstand vergrößerte die Zahlderer, die sich feinen Genuss leistenmochten. Dazu noch die bewusstepolitische Abgrenzung gegen daskonkurrierende Genussmittel ausFrankreich – und schon erfreutesich deutscher Sekt zunehmenderBeliebtheit.
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ndlich konnte die aufstrebendeSektkellerei Kloss & Foerster
aus dem Hinterhaus der FamilieKloss ausziehen. Und sich in statt-liche Räumlichkeiten verbessern.Jetzt hat man Platz – und der wirdauch gebraucht. Denn die Nach-frage steigt. Schon 1867 könnendie Winzer an Saale und Unstrutnicht mehr genug fertigen Weinund Most liefern. Dazu kommendie ganz natürlich schwankendenErntemengen.
lso beginnen Kloss & Foers-ter mit dem Kauf größerer
Mengen von Most und Weinen inBaden und Württemberg. AuchTrauben werden mehr und mehr
in anderen Weinbaugebieten ge-kauft und zum Teil schon dort,aber auch in allen zur Verfügungstehenden Keltern und Kellern inund um Freyburg weiter verarbei-tet. Auf den Versteigerungen derKönigl. Preußischen Domänen inEberbach, auf dem legendären Jo-hannisberg und an vielen anderenOrten an Rhein, Main und Moselwerden die Einkäufer von Kloss &Foerster gern gesehene Gäste. Dennsie zahlen gut für gute Qualitäten– was den Sekt immer besser undimmer beliebter macht.
Und so weiter.A
E
„Nicht Kunst und Wissenschaft allein,Geduld will bei dem Werke sein;Ein stiller Geist ist jahrelang geschäftig;Die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig.“
Goethe, Faust I.
In der Champagne
arbeitet man fleißig
für den Wein-Export.
Die Zeit nach
1867
RZ_150JahreBuch_innen_06 28.04.2006 17:11 Uhr Seite 16
1885
achdem der Sieg gegenFrankreich das National-
gefühl gestärkt hat, wird auch derdeutsche Sekt immer be-
liebter. Nicht ganzohne Schützenhilfe
von ganz oben:ReichskanzlerBismarck war
so frei, zumSchutz der deutschen
Sektwirtschaft den Einfuhr-Zollauf Champagner kräftig zu erhö-hen, 1879 zum Beispiel von 16 auf 48 Mark pro damals üblicherVerrechnungseinheit. Nur adäquat,dass Sekt von Kloss & Foerster imganzen Land immer populärerwurde. Und mag man aus heutigerSicht zumindest eine Augenbraueheben – der Erfolg kam durchdie zunehmende Beliebtheit inOffizierskreisen erst so richtig inSchwung. Waren doch die höchs-ten Militärs höchst angesehen imVolk, quasi die Meinungsbildner
anno dazumal. Passend dazu konn-te im Jahr 1885 ein exklusiverLiefervertrag mit dem DeutschenOffizier-Verein, Betreiber der preu-ßischen Offizierkasinos, abgeschlos-sen werden – nach inoffiziellenMeldungen übrigens persönlichbefördert vom feschen PrinzenWilhelm, dem späteren KaiserWilhelm II. Was neben dem ingroßem Maße garantierten Ab-satz-Volumen damals allerbesteWerbewirkung versprach.
N
H Ö C H S T E R F R E U L I C H ! 1886 KO N N T E
K L O S S & F O E R S T E R 250.000 F L A S C H E N SE K T V E R K AU F E N !
1885 eröffnet F. F. Knabe an der Mauerstraße inBerlin das Deutsche Sekthaus.
Sekt gab’s dort selbstverständlich nur von Kloss & Foerster.
1871
ie aufstrebendeSektkellerei im idylli-
schen Winzerstädtchen ander Unstrut prosperierte mit.Man mietete weitere Keller an,kaufte Bauland, investierte inWeinberge. Und in gute Mitar-beiter: Am 3. Februar 1871 hatteAdam Feldmann, ein geborenerMainzer, seine Stelle als neuer Kel-lermeister bei Kloss & Foersterangetreten. Als Nachfolger vonHerrn Lewalder wird er der Sekt-kellerei 30 Jahre lang bis überdie Jahrhundertwende die Treuehalten.
Seine Arbeit trägt raschFrüchte. Der Erfolg auf der
ersten Reichstags-Weinprobe1876 trägt zum schnellen
Wachstum dieser Jahre bei. Auchauf den Ausstellungen in Han-nover 1877 und Magdeburg 1878schneidet Kloss & Foerster sehrgut ab – man darf nicht vergessen,dass diese Art des direktenMarketings damals ein zentralerBaustein der Vermarktung war.1880 sind schon drei Reisende fürdie Firma aktiv, dazu eine Reihevon Handelsvertretungen im gan-zen Land. Besonders stolz ist manauf die Große Preußische Staats-medaille in Gold, die dem Unter-nehmen auf der Gewerbe-Ausstel-lung Halle 1881 verliehen wird.
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Schöner konnte man damals kaum für eine Markewerben: Der Kloss & Foerster Pavillon auf einer der damals so beliebtenGewerbeausstellungen.
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 18
n Freyburg platzen derweil dieKeller aus allen Nähten. 1887
ist es endlich so weit, die Bauplänekönnen verwirklicht werden. Dazuerwirbt man das direkt nördlichder Kellerei gelegene „Restaura-tions-Etablissement“ (man könnteauch sagen: Restaurant) „ZurChampagnerfabrik“ nebst Grundund Boden. Und dann wird in denMuschelkalk des Berghangs gegra-ben: 5 Stockwerke tief entsteht der„Große Keller“, wunderbar tro-cken, mit ideal funktionierendernatürlicher Belüftung – und, wie
die Kreidekeller der Champagne,perfekt geeignet, noch mehr nochbesseren Sekt herzustellen. NeueKontor- und Empfangsgebäudewerden gleich mitgebaut, 1890ein großer „Hofkeller“. Wennnicht für die Ewigkeit, so doch fürlange Zeit: Der Große Keller unddie stattlichen Gebäude vondamals bilden auch heute nochdas Herz der Sektkellerei in Freyburg.
1887
I
1887
EINE ZEIT STOLZEN WACHSTUMS.Auch in die T iefe.
Auch hier wird ausgebaut:
Das Restaurant „Zur Champagner-
fabrik“ in Freyburg,
vor und nach dem Umbau.
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1887
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 20
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5 Der fünfte Keller:
Herstellung des Tirage-Likörs, der
gemeinsam mit der Reinzuchthefe
die zweite Gärung in der Cuvée
auslöst.
4 Der vierte Keller,
genannt Weinsaal: Hier lagern in
langen Reihen die Eichenholzfässer
mit den Weinen, aus denen
die Cuvée gemischt wird.
3 Im dritten
und größten Keller werden die
Cuvées gemischt und die
Sektflaschen gefüllt.
2 Der zweite
und erste Keller sind Reife- und
Rüttelkeller, in denen in vielen tau-
send Flaschen der Sekt in Ruhe auf
der Hefe reift und anschließend nach
der klassischen Methode von Hand
gerüttelt wird. .1
5Stockwerke tief, 13.000 m2 Fläche:
Der „Große Keller“ der Rotkäppchen
Sektkellerei ist seit 1887 in Betrieb.or Ort wächst also heran,was auch heute noch das
Stadtbild prägt. Was fehlt, ist einedem Aufschwung entsprechendeVerkehrsanbindung. Im Unstrut-Tal sind die Straßen oft unpassier-bar, Brücken fehlen und der Sektmuss mit viel Mühe und vierspän-nigen Fuhrwerken rund 10 kmzum Naumburger Bahnhof gekarrt
werden. Nach vielen Briefen undBeschwerden an die Obrigkeitenwird am 30. September 1889 end-lich die Unstrut-Eisenbahn eröff-net. Die stolze Sektkellerei ist ansinternationale Verkehrswegenetzangeschlossen. Und wie feiert mandieses Ereignis in Freyburg? Miteinem standesgemäßen Sektmahlund passendem Liedgut.
VDie 1. Bauphase des Großen Kellers, von unten nach oben:
„Jetzt in Freyburg angekommen,
wird das Sektmahl eingenommen;laßt dazu die Gläser klingen,
laßt uns trinken, laßt uns singen:Hoch die
Unstrut-Eisenbahn!“
A
1889
23
m 30. September 1889:
Die Unstrut-Eisenbahn wird eingeweiht.
Und in festlichem Rahmen besungen.
RZ_150JahreBuch_innen_06 28.04.2006 17:13 Uhr Seite 22
25
1889
eil sich F. F. Knabe, imvorigen Kapitel eingeführt,
neben der Leitung der Geschäfteauch um die Reklame kümmert,ist anzunehmen, dass er die fol-gende clevere Idee auf die Räderstellte: Deutschlands erster „Sekt-waggon“ fuhr für Kloss &Foerster Reklame. Und die Ware
zur Kundschaft, gut geschützt vondoppelt gepolsterten Wänden. Miteingebaut war eine technische Sen-sation: Die Görlitzer Eisenbahn-waggongesellschaft hatte extraeine Heizung konstruiert, die denInhalt auch im tiefsten Wintersachgerecht temperierte.
W 1889 erwirbt F. F.Knabe das WeingutSt. Nicolas in Scybei Metz, fortaneine wichtige Quellefür die heimischeSektkellerei.
1892
Der Kloss & Foerster
Sektwaggon ist heute
wieder erhältlich.
Als Modell.
Bernhard Otto ist für Kloss & Foerster dabei,
als am 2. März 1892 die 15 wichtigsten SektkellereienDeutschlands das „Syndikat der
Schaumweinfabrikanten“ gründen – heute bekannt als
„Verband Deutscher Sektkellereien e.V.“.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 24
ie Generation der Gründersegnete innerhalb weniger
Jahre das Zeitliche: Ende 1888Carl Foerster, der Kellerfachmann,dann Ende 1890 Julius Kloss, derKaufmann, und am 26. Juni 1891starb F. F. Knabe, der energischeVerkäufer. Die Leitung der Geschäf-te lag fortan bei Rudolf Foerster,dem ältesten Sohn des Gründers,gemeinsam mit Bernhard Otto(Schwiegersohn des alten Knabe)und Ewald Kloss, dem drittenSohn von Julius.
ie beschließen gemeinsam eineganz besondere von vielen
Baumaßnahmen dieser Jahre: DerHof der Sektkellerei wird 1893mit einem freitragenden Dachüberdeckt, das von Glasbändernquer durchzogen wird. Damit entstand der Lichthof – damalseine architektonische Sensation,heute ein Denkmal der deutschenIndustriegeschichte.
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Man achte aufs Detail – und vergleiche
Foto links mit Zeichnung hier: Die
Bauherren bauten in Wirklichkeit
höher, als der Entwurf zeigt.
1893
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 26
1893
ie neue große Halle wurdenatürlich von Anfang an
auch als Veranstaltungsraum ge-nutzt, das Städtchen Freyburghatte endlich einen schönen Fest-saal. Das gesellschaftliche Lebenbereichert sich in der Folge umEreignisse wie den DeutschenRadfahrer-Bundestag, der dreiJahre später mit mehr als 1.100Radlern dort tafelt und feiert.
er eigentliche Grund für dasaufwändige Bauwerk war
aber ein viel näher liegender: DasDach sollte Schatten spenden. Undso die Keller unter dem Hof auchan heißen Sommertagen ein wenigkühler halten. Denn schon wenigeGrad über dem Erträglichen ver-ändern den Gärprozess im wert-vollen Lagergut dergestalt, dass esScherben gibt: Flaschenbruch warin der guten alten Zeit ein durch-aus kostspieliges Problem.
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Julius Kloss, gestorben 8.8.1890, galt als kluger Kaufmann:
„Erst wäg’s, dann wag’s!“ war sein Wahlspruch.
Der historische Lichthof:
1.060 m2 Platz, gut beschattet, trotzdem hell.
Auch Maurer könnenFeinarbeit: die Giebelwanddes Lichthofes.
Viel Platz. Auch für die
Probe eines Messeaufbaus.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:42 Uhr Seite 28
31
1894
SC H LU S S M I T D E M MO N O P O L.Ab je tz t g ibt ’s Rotkäppchen.
itte derNeunziger erfreuten sich die Sekteaus dem Hause Kloss & Foersterhöchster Beliebtheit, auch in aller-höchsten Kreisen: Kaiser WilhelmII. pflegte bei jeder sich bietendenGelegenheit den deutschen Sekt zu protegieren. Und seine Lieb-lingssorte war – wir ahnen es –Monopol aus dem Hause Kloss &Foerster. Dem Zeitgeist entspre-chend eine ideale Kombination ausfranzösischem Image und deutscherWertarbeit, obendrein fürs Volkpreiswerter erhältlich als die bisherso beliebte französische Alternative.
Allerdings war die Recht-sprechung damals schon weiter, alsman heute vermuten mag: Kaumwird am 12. Mai 1894 das neuedeutsche „Gesetz zum Schutz derWarenzeichen“ veröffentlicht,macht die Konkurrenz mobil. Dasfranzösische ChampagnerhausWalbaum-Heidsieck will seine seit1846 erfolgreiche StandardmarkeMonopole schützen. Geht vorGericht. Und gewinnt mit Paukenund Trompeten. Nur noch Cham-pagner von Heidsieck & Co. inReims darf ab sofort die Bezeich-nung „Monopole“ tragen.
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1894
Die erste Erfolgsmarke aus dem
Hause Kloss & Foerster: Monopol.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:06 Uhr Seite 30
1894
Sage keiner, man hätte
keine neuen Ideen für neue Sektmarken!
Am 28. Juni 1895 meldet Kloss & Foerster
fünf neue Marken beim Handelsregister an:
Talisman, Matador, Imperator,Triumph, Fortuna.
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Kein Märchen, sondern Sekt-
Geschichte: Seit 1894 gibt
es die Marke Rotkäppchen.
Die geflügelte Sektflasche mit fliegendem Korken und spritzigem Sekt: Das erste
Markenzeichen der Sektkellerei.
eherzt macht dieGeschäftsleitung in
Freyburg aus der Noteine Tugend. Und fällt
eine Entscheidung von be-trächtlicher Tragweite: Die
schon traditionell rote Kapselder Freyburger Sekte wird zumNamensgeber der neuen Marke.Seit 1894 gibt es RotkäppchenSekt. Und nur ein Schelm könntevermuten, dass diese Namenswahl
eine ebenso bewusst wie raffiniertausgeführte Retourkutsche gegendie Marke „Red Top“ des Cham-pagnerhauses Heidsieck gewesensein könnte. Die Moral von derGeschicht: Unterschätz das Rot-käppchen nicht!
B
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35
1896
ei Kloss & Foerster hat dieHerstellung von Sekt mittler-
weile solche Ausmaße angenom-men, dass die Kellerei immer grö-ßere Mengen Grundweine aufVorrat einlagern muss. Zitierenwir dazu aus einer Festschrift derJahrhundertwende: „... so sindKloss & Foerster gezwungen, imInteresse ihres Weltgeschäftes zugeeigneten Zeiten die großen Trau-benvorräte zu erstehen, deren siebenötigen, um durch ungünstigeHerbste nicht in Verlegenheitgesetzt zu werden.“
Der langen Rede kurzer Sinn: Zeitfür eine neue Investition. Und auchin diesem Fall verstehen es die Ent-scheider in der Sektkellerei wieder,die wirtschaftliche Notwendigkeitmit einem höchst werbewirksa-men Zusatznutzen zu verbinden: Sie lassen nicht einfach ein sehr
großes Fass zum Mischen von sehrviel Wein bauen. Sie lassen einRiesenfass bauen. Und gleich nocheinen Domkeller darum herum.
m 3. Februar 1896, pünktlichzum 25-jährigen Dienstjubi-
läum des Kellermeisters AdamFeldmann, wird die Fertigstellungdes gewaltigen Fasses gefeiert. DerSohn des Kellermeisters, Georg,hat es mit Hilfe der Küfer in derhauseigenen Küferei gebaut. DasHolz von 25 mächtigen Eichenaus den Wäldern der FreyburgerGegend wurde verarbeitet, pracht-volle Schnitzereien verzieren dasMeisterwerk der Küferkunst.Fortan können 120.000 LiterWein vermischt werden – so ent-stehen besonders große MengenSekt von gleichem Geschmack,Cuvées, die jeweils 160.000Flaschen einer Sektmarke füllen.
1896
ZE IT, EIN FASS AUFZUMACHEN.Und zwar e in r iesengroßes.
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Georg Feldmann
ist stolz auf sein Werk.
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37
1897
Was ist eigentlich eine Cuvée?
ekt wird aus Wein gemacht,und der schmeckt – selbst
wenn er vom gleichen Weinbergkommt – Jahr für Jahr ein weniganders. Das Geheimnis einer erfolg-reichen Sektmarke ist aber einstets annähernd gleich bleibenderCharakter. Viel Erfahrung undbesonders gut ausgeprägte Sinnefür Geruch und Geschmack sinddaher das wichtigste Handwerks-zeug der Kellermeister. Sie müssenaus der Vielfalt unterschiedlicherRebsorten, Lagen und Jahrgänge
immer wieder aufs Neue die richti-gen Grundweine zu einer Mischungkomponieren, die den Erwartun-gen der Genießer entspricht. EinVorgang höchster Raffinesse, dendie Erfinder des Verfahrens treff-lich in der Sprache der Liebebeschrieben haben: DieVermählung der Weine wird „Marriage“ genannt.
1897
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Hochkultur trifft Sektkultur:
Die Inschrift auf dem Großen Fass
zitiert Friedrich Schillers
„Lied von der Glocke“.
Arbeit ist des Bürgers ZierdeSegen ist der Mühe Preis
Ehrt den König seine WürdeEhret uns der Hände Fleiss.
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1896
eutschlands größtes ge-schnitztes Cuvéefass steht
seit seiner Fertigstellung in einemeigens dafür gebauten Keller,erreichbar aus der dritten Ebenedes fünfstöckigen Großen Kellers.Fast sakral wirkt der Raum aufden Betrachter – durch farbigesGlas in der Kuppel fällt das Lichtauf die umlaufenden Säulengängeund die vielen im Halbdunkelruhenden kleineren Fässer an denSeiten. Die Atmosphäre im Dom-keller ist unweigerlich feierlich.Die Besucher sind ebenso zahlreichwie beeindruckt.
chon zwei Jahre später bringtelektrischer Strom dann
zuverlässig Licht ins dämmrigeDunkel: Die Sektkellerei Kloss &Foerster lässt sich ein eigenes Elek-trizitätswerk bauen. Jetzt herrschtLicht in allen Kellern und die ver-schiedensten modernen Maschinenwerden elektrisch angetrieben.Gut für die Arbeiter, besser für dieArbeitssicherheit, am besten fürsPrestige.
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So ein Meisterwerk hat
nicht jeder im Keller:
Aus 25 Eichen entsteht ein Cuvéefass mit
120.000 Liter Fassungsvermögen – gut
für 160.000 Flaschen besten Sekts.
Besitzerstolz und Kennerblick: Im Domkeller
verkostet eine illustre Runde den neuen Sekt.
V.l.n.r.: Rudolf Foerster, Hermann Kanzler (Küfer),
Georg Feldmann (Kellermeister) und Ewald Kloss.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:06 Uhr Seite 36
39
1899
ach schönster Art des Hausesüberrascht man die Öffent-
lichkeit auch 1899 mit einer spek-takulären Werbe-Inszenierung:Zum 25. Jahrestag seiner Firmen-zugehörigkeit lässt der Prokuristund Handelsvertreter Emil Russakam 1. Oktober einen Sonderzugdurchs Land rollen: 25 Doppel-waggons transportieren exakt die78.500 Flaschen Kloss & Foerster-Sekt, die er in seinem Bezirk ver-kauft hat! Übrigens der erste Son-dergüterzug, den je eine deutscheEisenbahnverwaltung abgefertigthat. Kein Wunder, dass alle „Illus-trierten Zeitungen“ das Bild desfestlich geschmückten Zugesdruckten.
in anderes enorm öffentlich-keitswirksames Thema dieser
Zeit waren wissenschaftliche Expe-ditionen, die mit viel Nationalstolzin den entlegensten Gegenden derWelt nach Neuland suchten. Kloss& Foerster gelang es tatsächlich,die erste deutsche Südpolarexpe-dition unter Erich Dagobert von
Drygalski mit hochwertig prickeln-dem Proviant auszurüsten. Manwar von 1901 bis 1903 unterwegs,speditierte zwei Kisten Sekt um diehalbe Welt, entdeckte (dem eigent-lichen Hauptsponsor Reverenzerweisend) Kaiser-Wilhelm-II-Landund feierte den Erfolg. Für Letztereswurde eine Kiste Sekt verbraucht.Die andere zum gelungenen Be-weise der Haltbarkeit wieder mit-gebracht. Was die Herren Forscherdie Geschäftsleitung in einerDankes-Depesche wissen ließen.Die wiederum das Schreibenganz nüchtern abdruckten. AlsZeitungs-Anzeige zur ganz und
gar uneigennützigen Eigenwerbung.
1900
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:06 Uhr Seite 38
41
1904
m Jahr 1903 hält das preußi-sche Militär in der Gegend um
Freyburg ein so genanntes Kaiser-manöver ab. Dementsprechendanwesend, sagt Kaiser Wilhelm II.den denkwürdigen Satz: „Die Sekte von Kloss & Foerstersind sehr bekömmlich. Ich kannmit vollem Recht behaupten, dassich es gewesen bin, der sie in vie-len Offizierkasinos eingeführthat!“ Vor diesem Hintergrund istes den Reklametreibenden aus
Freyburg/Unstrut kaum zu verden-ken, dass die Werbung dieser Zeitgern Soldatisches zeigt. Sektkübel-weise werden die Rotkäppchen-Flaschen den Galanen in Uniformzugeführt.
esagter Kaiser Wilhelm II. führtam 1. Juli 1902 zur Finanzie–rung
esagter Kaiser Wilhelm II.führt am 1. Juli 1902 zur Fi-
nanzierung der kaiserlichen Flottedie Schaumweinsteuer (vulgo:Sektsteuer) ein. Ihre Höhe beträgt50 Pfennig pro Flasche. Ihr Effektfür den kriegsgerechten Schiffbaurechnet sich. Denn die Sektindus-
trie prosperiert ungebrochenweiter. 1905 werden über
11 Millionen Flaschendeutschen Sektes versteuert.
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Der Personalwechsel zum
Jahrhundertwechsel: Adam Feldmann,
der 30 Jahre lang als Erster Kellermeister die Cuvées der Freyburger Sektmarken
verantwortete, tritt in den Ruhestand. Die Verantwortung bleibt in der Familie:
Seine Söhne Georg und Wilhelm treten nach langer, fundierter Ausbildung
in aller Welt seine Nachfolge an. .
Kloss & Foerster gehört zu den 10 erfolgreichsten Sektkellereien im Deutschen Reich.
1901
Georg Feldmann Adam Feldmann
Wilhelm Feldmann
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:07 Uhr Seite 40
YKleine Feinheit am Rande: Kurzvor 1900 wird amtlich, dassFreyburg mit y geschrieben wird.
Eine Entscheidung ganzim Sinne des größten
Arbeitgebers am Platze. Es sol-len fortan weniger Waren-lieferungen versehentlich imBreisgau landen.
1904
kauft die Stadt Freyburg
das Elektrizitätswerk,
um allen Einwohnern
die Annehmlichkeiten
des elektrischen Lichtes
zu verschaffen.
Freyburg
Freiburg
1904
Nach einer historischen Vertriebskarte
der Sektkellerei Kloss & Foerster.
RZ_150JahreBuch_innen_06 28.04.2006 19:07 Uhr Seite 42
501906
F Ü N F Z I G JA H R Eund kein bi s schen le i se.
as 50. Jubiläum der Firmen-gründung feiert man in Frey-
burg mit großem Vergnügen undebensolchen Feierlichkeiten. EineFestschrift erscheint, verdienteMitarbeiter werden geehrt, groß-zügige Spenden der Geschäftslei-tung kommen dem Bau einesKrankenhauses zugute. Stolz be-richtet man von den Handelsstättenin aller Welt, an denen die Firmaeigene Niederlassungen unterhält.Und kämpft mit allem, was derZeitgeist an Argumenten erlaubt,um Reputation.
Eine wuchtige Plakette
erinnert an die gute Tat:
Zum 50. Jubiläum der Sektkellerei stiften die
Inhaber 60.000 Mark für die
Beamten und Arbeiter des
Hauses. Erstere sind übrigens
keineswegs Staatsdiener, sondern
Angestellte.
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Herzlichen
Glückwunsch:
Die Jubiläumsgabe
der Mitarbeiter
an die
Firmenleitung.
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Das Beste vom Besten
RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 14:40 Uhr Seite 44
47
1906
azu gehört auch die öffent-lichkeitswirksame Versor-
gung deutscher Soldaten bei ihrenEinsätzen: „Für unsere bravenTruppen, die in Südwestafrika un-ter vielfachen Beschwerden einengefahrvollen Kampf kämpfen,durften Kloss & Foerster im Jahre1905 viele Tausende ganze und
halbe Flaschen Rotkäppchen-Sektzur Stärkung kranker und verwun-deter Krieger liefern, nachdem sichauch im China-Feldzuge die Halt-barkeit dieser Sekte so glänzenderwiesen hatte.“
D
ingegen aus Amerika kom-mend, erreicht in diesen
Jahren die „neuzeitige Art derReclame“ die deutsche Wirtschaft.Man lässt mehr und mehr Werbe-schilder malen, man plant gezieltdie Verbreitung ansehnlicherPostkarten mit beliebten Werbe-motiven. Grafisch ansprechendgestaltete Annoncen in den wich-
tigsten Zeitungen und Zeitschrif-ten erinnern die Leser immer wie-der an den feinen Sekt aus Frey-burg. Und mag man sich aus derheutigen Perspektive geizig-geilerZeiten auch wundern, so galtdamals die vielfache Verwendungdes Begriffes „preiswert“ alsPrädikat. Im schönsten Sinne desWortes war es nämlich etwaswert, wenn der Wert eines Pro-duktes seinem Preis entsprach.Eine Auszeichnung, die man na-türlich in Sachen Sekt als willkom-mene Abgrenzung gegenüber derteuren französischen Champagner-Konkurrenz verstanden wissenwollte.
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Die schönsten Anzeigen für
Rotkäppchen erschienen in der
Trendzeitschrift der Jahrhundert-Wende:
Jugend - Münchner illustrierte
Wochenzeitschrift für Kunst und Leben.
RZ_150JahreBuch_innen_06 28.04.2006 17:15 Uhr Seite 46
49
EIN SCHUSS GEHT NACH HINTEN LOS.Und dann der Kr ieg.
1918
olitik pflegt nicht immer zuerreichen, was im Sinne der
Erfinder war. Ein direkt den Ver-lauf unserer Geschichte beeinflus-sendes Beispiel ist die erst kürzlicheingeführte Sektsteuer. Zur forcier-ten Finanzierung der KaiserlichenFlotte überlegt man sich eine neueVariante. In den Jahren 1909 bis1918 wird sie im Deutschen Reichals Staffelsteuer erhoben, je teurer,desto mehr. Sekt mit einem Fla-schenpreis bis 4 Mark wird mit 1 M Steuer belegt, Sekt in der Preis-lage zwischen 4 und 5 M mit 2 MSteuer – und bei einem Verkaufs-preis von über 5 M pro Flascheverlangt der Gesetzgeber 3 MSteuer.
chlagartig finden die an-spruchsvolleren Sektsorten
kaum noch Käufer. Die Konse-quenz ist unerquicklich, beiQualität und Quantität, und diesnatürlich auch für Kloss & Foers-ter: In Deutschland werden kaumnoch hochwertige Sektsorten pro-duziert. Hier die Zahlen von 1910:
Unterste Preisklasse:11.247.196 Flaschen.
Mittlere Preisklasse:12.971 Flaschen.
Obere Preisklasse:406 Flaschen.
In Freyburg stellt man dieProduktion der teureren Sortendeshalb schlichtweg ein.
P Sie Geschäftsleitung sorgt sich derweil um das Wohl-
verhalten der Mitarbeiter. Manführt zum 1. Juli 1909 eine neue„Arbeits-Ordnung“ ein. Demnachist es den Arbeitern fortan unter-sagt, in der Fabrik Schnaps oderBier zu trinken. Oder aber starkriechende Esswaren wie Hering,Bückling, Zwiebeln mitzubringen.Die ausgleichende Gerechtigkeitmaterialisiert sich in Form von
einer halben Flasche Wein zumFrühstück. Pro Tag und proerwachsenem Arbeiter.
ach der Generalmobil-machung 1914 werden
Ewald Kloss, Paul Knabe und einTeil der Belegschaft zum Kriegs-dienst eingezogen. Der Erste Welt-krieg führt rasch zur Verknappungvon Zucker und Korken, zweinicht unwesentlichen Produktions-mitteln für guten deutschen Sekt.Die Produktion in Freyburg wirdallerdings nur unwesentlich einge-schränkt, die Nachfrage ist unge-brochen – wir erinnern uns an diestrategisch günstige große Beliebt-heit in Militärkreisen.
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Hans Rudi Erdt gestaltet 1912 ein heute
noch ansprechendes Plakatmotiv
im damals zeitgemäß mondänen Stil.
Je schlechter die Zeiten,
desto frivoler die Werbung.
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1914
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Das Weingut St. Nicolas geht mit dem Krieg ebenfalls
verloren.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:07 Uhr Seite 48
51
1929
ie Folgen des Ersten Welt-krieges schlagen mit aller
Härte auf die Geschäfte der Sekt-kellerei durch. Das Weingut inScy bei Metz ist verloren, Elsaß-Lothringen gehört jetzt zu Frank-reich, die Einfuhr der wichtigenfranzösischen Grundweine wirdwegen knapper Devisen immerschwieriger. Die finanziellen Folgendes Krieges belasten das Unter-nehmen, man muss Schuldenmachen, das eingesetzte Kapitalverliert an Wert. Beim AmtsgerichtFreyburg wird am 20. Juli 1919die Herabsetzung der Einlagen derKommanditisten im Handels-register vermerkt.
er Mangel an Devisen unddie beginnende Inflation ver-
schärfen die wirtschaftlichenProbleme. Kloss & Foerster muss– wenn schon nicht den Wein –Korken und Zucker im Auslandkaufen, die Kosten laufen davon,das Geld wird immer wenigerwert. Im Herbst 1923 beträgt derPreis für eine Flasche Rotkäppchen
Sekt 1.928.000 Mark. Der Stun-denlohn eines Arbeiters liegt bei210 Mark. Die Inflation frisst ihreKinder.
eil die Geschäfte in diesenJahren so schlecht gehen,
müssen die Kaufleute mit denBankiers um Kredite feilschen.Und dann passiert der Welt eineWirtschaftskrise, die natürlichauch auf die deutschen Sektkel-lereien durchschlägt: Von 1929bis 1931 sinkt der Absatz derBranche um mehr als die Hälfteauf nur noch 4,5 MillionenFlaschen.
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1918
ES GÄRT IN WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT:Von der Kr ise in den Kr ieg.
bis 1945
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DTraurigeAussichten:Die Inflationsteht vor derTür.
Da steht der ganze Stolz.
Der Mann heißt Charles.
Steht jedenfalls auf der Rückseite der
historischen Postkarte.
RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 21:09 Uhr Seite 50
19331931
zur Sicherstellung ihrer Kredite dieÜbereignung von Reichsschuld-buchforderungen. Dann muss dieSektkellerei im Oktober 1931 derDeutschen Bank 50.000 FlaschenRotkäppchen Sekt als Sicherheitüberschreiben. Die Zentrale inBerlin bittet ihre Filiale in Halle zu erwägen, „... ob man nicht derFirma Kloss & Foerster dieEinstellung der Produktion ...empfehlen soll“. Anfang 1932 verhandelt Berlin mit einem Unter-nehmen aus der Spirituosenbran-che, das in ganz Deutschland Sekt-firmen übernehmen will. Aber„die Kundin“ lehnt ab – in einemschicksalhaften Schreiben vom26. Februar informiert die BerlinerZentrale die vor Ort zuständigeFiliale in Halle über die vermeint-
liche Minderwertigkeit der Markeals Grund der Entscheidung.
ie Inhaber tun, was sie unter-nehmerisch tun können. Sie
reduzieren die Arbeitszeiten, ver-kleinern die Belegschaft, drosselnalle Kosten, schaffen es mühsam,die Schulden zu drücken. Mit derMachtergreifung der National-sozialisten Anfang 1933 lässt derDruck der Banken ein wenig nach.Die Kreditinstitute spekulieren aufdie baldige Abschaffung der Sekt-steuer. Und verschaffen der Sekt-kellerei in Freyburg ein wenig Luftzum Überleben.
loss & Foerster überlebt.Aber das 75-jährige Beste-
hen der Sektkellerei wird am 31.Oktober 1931 ganz sicher nur inkleinem Rahmen gefeiert. Zitierenwir aus einem Schreiben derIndustrie- und HandelskammerHalle: „Das Jubiläum fällt in eineZeit schwerster wirtschaftlicherNot, die eine ungetrübte Freudenur schwer aufkommen lässt.Wir geben aber gern dem WunschAusdruck, dass Ihre Firma die ausder Zeit entstandenen Schwierig-keiten überwindet und ihr auch inZukunft eine glückliche Entwick-lung beschieden ist.“
or dem Glück stehen dieBanken. Die Wirtschaftslage
hat das Unternehmen in die Ab-hängigkeit von zwei Geldinstitutenmanövriert. Die „Dresdner Bank“und die „Deutsche Bank undDisconto-Gesellschaft“ fordern
Qualität muss sein.
Auch in harten Zeiten
wird sorgsam gerüttelt.
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Zwei Top-Marken werben gemeinsam.Und beim Kauf einer Edelkarosse Marke
Audi gibt’s zur Feier des Tages eineFlasche Sekt Marke Kloss & Foerster.
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53
RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 14:44 Uhr Seite 52
55
1945
eit diesem Jahr herrscht dannwieder Krieg in Europa. Die
Produktion bei Kloss & Foersterläuft weiter, das größte Problemist die immer schlechter werdendeTransportkapazität. Sogar diePferde werden eingezogen. DieVersorgung mit Grundweinen istgut, Flaschen werden allerdingsMangelware. 1943 stirbt RudolfFoerster, die Leitung des Unter-nehmens liegt nun allein beiGünther Kloss, dem Enkel desGründers. Ende 1944 muss erTeile des Betriebs der Rüstungs-industrie zur Verfügung stellen.Die National-Krupp-Registrier-kassen GmbH hält Einzug. Unddann die Amerikaner: Am 12.April 1945 rücken die Soldatenmit Kaugummis und Kippen inFreyburg ein. Sie bleiben nichtlange – die Stadt wird der sowje-tischen Militärverwaltung unter-stellt.
1933
ach der Ernennung Hitlerszum Reichskanzler am 30.
Januar 1933 versinkt Deutschlandin eine Zeit der unsäglichen Ge-waltherrschaft. Vor dem düsterenHintergrund der Greueltaten undVerfolgungen des Jahres 1933wird die Abschaffung der Schaum-weinsteuer am 30. November zueiner Nebensächlichkeit. Als his-torischer Fakt muss sie in dieserGeschichte trotzdem erwähntwerden. Denn kaum vom Steuer-zuschlag befreit, kommt derAbsatz deutschen Sekts wieder inSchwung: Die gleichen 77 Sekt-kellereien, die 1933 nur 5,3 Milli-onen Flaschen verkaufen konnten,bringen schon 1934 rund 10 Milli-onen Flaschen an Mann und Frau.
ine Entwicklung, die auchKloss & Foerster wieder pro-
sperieren lässt. Das Unternehmenerholt sich langsam, aber stetig.Von 1933 auf 1934 nimmt derUmsatz um ein Drittel zu. 1936setzt ein richtiger Boom ein, 1937werden schon wieder 275.000
Flaschen verkauft, man erklärtsich zum ersten Mal seit langenJahren mit dem Verlauf einesGeschäftsjahres ausdrücklichzufrieden. Es ist das Jahr, in demPaul Knabe stirbt, im Jahr daraufauch Ewald Kloss. KommerzienratRudolf Foerster ist mit 76 Jahrender einzige persönlich haftendeGesellschafter. Der KaufmannGünther Kloss tritt in der Nach-folge seines Vaters mit 34 Jahrenin das Unternehmen ein, er wird1939 Prokurist.
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1937 kostet Rotkäppchen
schon wieder RM 4,-.
Auch in schlechten Zeiten gibt es „Sekt für verwöhnte Kenner“.
Ein Teil der Belegschaft
vor der Gaststätte, 1938/39.
Der Herr mit Hut in der Hand ist
Kommerzienrat Rudolf Foerster,
rechts neben ihm Günther Kloss.
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1946
ie Begründungen zur Ent-eignung sind konstruiert.
Die angeordnete Einrichtung desWehrwirtschaftsbetriebes wirddem Eigentümer ebenso zur Lastgelegt wie das angebliche Verste-cken von 280.000 l „Wehrmachts-wein“ und pauschal die persönli-che Bereicherung. Obwohl sich inallen Verfahren herausstellt, dasskein Gesellschafter belastet ist undsogar der Landtag von Sachsen-Anhalt eine Rückgabe des Unter-nehmens beschließt, wird die FirmaKloss & Foerster nach vielen wei-teren Denunziationen im 91. Jahrihres Bestehens aus dem Handels-register gestrichen.
ünther Kloss ist seiner Exis-tenzgrundlage beraubt und
geht in den Westen Deutschlands.Nach langen Bemühungen findeter 1949 eine Anstellung als Tech-nischer Betriebsleiter der Sekt-kellerei Schultz Grünlack. Undgründet 1952/53 in Rüdesheim dieSektkellerei Kloss & Foerster neu,die seit 1959 mit der SektkellereiOhlig & Co. eng zusammenarbei-tet. Im Osten bleibt die einzigeenteignete Sektkellerei des Landesim idyllischen Freyburg an derUnstrut zurück. Von wo wir nochviel hören werden.
BE S I T Z WE C H S E LT,Tradi t ion ble ibt .
m November 1945 rücken dieamerikanischen Truppen ab,
die sowjetische Armee marschiertin Freyburg ein. Günther Klossarbeitet weiter in der Sektkellereiund wird am 16. November vomSchreibtisch weg verhaftet. DieVorwürfe sind die üblichen zu die-ser Zeit, zu diesem Zweck: Er sollFremdarbeiter misshandelt haben.Das Verfahren zieht sich bis in denFrühsommer 1948. Der Freispruchfür Herrn Kloss belegt nicht nur dieUnschuld des zu Unrecht Ange-klagten. Das Gericht hält in seinerBegründung auch noch fest, dassdie Stadt Freyburg unter anderemGünther Kloss ihre Unversehrtheitin den letzten Kriegstagen zu ver-danken hat. Im April 1945 hatte erbei einem ihm bekannten Wehr-machtsoffizier eine Verteidigung derStadt und die Sprengung von
Brücken (und der Sektkellerei) ver-hindert.
arallel dazu läuft das unwürdi-ge Verfahren der Enteignung
ab. Laut Befehl Nr. 76 der Sowje-tischen Militär-Administration vom18.12.1945 wird die SektkellereiKloss & Foerster unter Zwangsver-waltung gestellt. Der Präsident der Provinz Sachsen setzt am 20.Februar 1946 einen Treuhänder ein.Am 31. Juli 1948 wird die Enteig-nung des Betriebes imHandelsregister beimAmtsgericht Querfurtregistriert. Die Sektkel-lerei ist damit in dasVolkseigentum übernom-men und heißt von Stundan Volkseigener BetriebRotkäppchen-SektkellereiFreyburg/Unstrut.
1945
Nach dem Krieg
wird aufgeräumt.
Und das Dach
des Lichthofes
erneuert.
Die Belegschaft bleibt.
Links außen: Kellermeister
Georg Feldmann.
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Ein Drucker aus Gera hält seinem guten Kunden die Treue und gratuliert zum Neunzigsten.
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1945bis 1948
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1955
ie traditionsreiche Sektkel-lerei in Deutschlands nörd-
lichstem Weinbaugebiet hatte denzweiten Krieg im laufenden Jahr-hundert, sachlich betrachtet, weit-gehend unbeschadet überstanden.Der bisherige Inhaber war nachder Enteignung in den Westen ge-flohen. Und im nunmehr volks-eigenen Betrieb gärte und reiftedas wie immer prickelnde Genuss-mittel seiner sozialistischen Zu-kunft entgegen. Die Menschen inFreyburg machten sich an dieArbeit, so gut es ging. Und es gingsehr gut.
an wirtschaftet nach Plan,immer fünfjahresweise, mit
fest vorgegebenen Zielen für
Kosten, Aufwand und zu produ-zierende Mengen. In den Kellernund an den Rüttelpulten sind diebewährten Fachkräfte am Werk.Der Sekt entsteht, wie in all denvielen Jahren vorher, nach demklassischen Flaschengärverfahren.Im Oktober 1955 schickt dieEinheitspartei einen bewährtenKader zur weiteren Bewährung ineine Leitungsfunktion: JoachimWorch tritt mit 28 Jahren seinAmt als Betriebsleiter der Frey-burger Kellerei an. Er ahnt an die-sem Tag noch nicht, dass er seinLebenswerk beginnt.
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50er und 60er Jahre
NICHT AUS RUINEN, ABER AUFERSTANDEN:Es wird wieder Sekt gemacht.
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Die Werbung geht
mit der Zeit:
Jetzt auch in der
Sprache des großen
Brudervolkes.
Das fröhliche Winzerfest in Freyburg, September 1954.
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19571956
n diesem Jahr entstehen in denkühlen Kellern 3.677 hl Sekt.
Rüttelmeister Walter Rothe undseine beiden rüttelnden Mitar-beiterinnen schaffen es, pro Tag60.000 Flaschen zu bewegen.Das genügt allerdings nicht zurErfüllung der steigenden Produk-tionsvorgaben des Arbeiter- undBauernstaates. Es beginnt ein ehr-geiziger Wettbewerb – nicht gegeneine Konkurrenz. Sondern um dieErfüllung der Planvorgaben durchmehr Leistung, weniger Aufwand,höhere Produktionszahlen. Schwer
zu schaffen, denn die Hälfte derKeller ist mit Rüttelpulten belegt.Mehr als rund 600.000 FlaschenSekt pro Jahr können nicht herge-stellt werden. Was 1957 bereitsder Fall ist.
hrgeiz und Plan treiben dieKellermeister an: Wie kann
mehr Sekt mit weniger Aufwandhergestellt werden – aber immernoch als edle Flaschengärung,ebenso beliebt wie begehrt?
I ie Lösung liegt im Trans-vasierverfahren, hier in der
so genannten „Kupferberg-Vari-ante“, gemeinsam erarbeitet mitder entsprechenden Sektkellerei inMainz. Bei diesem Umfüll-Ver-fahren reift der Sekt in speziellenGärflaschen ganz klassisch auf derHefe. Aber statt jede Flasche ein-zeln wochenlang zu rütteln unddann zu degorgieren, wird der feinprickelnde Inhalt in große Tanksumgefüllt, entheft, dosiert, inFlaschen gefüllt – fertig ist dieFlaschengärung.
an führt das Verfahren ein.Und feine Nasen und alte
Hasen sind sich bald einig: DerFlaschengärsekt nach der neuenMethode ist von vorzüglicherQualität. Die meisten Rüttelpultewerden entfernt, der Platz für grö-ßere Fässer und Behälter genutzt –und wie in vielen anderen tradi-tionsreichen Sekthäusern inDeutschland beginnen in Freyburgan der Unstrut die modernenZeiten der Sektherstellung.
Zur Qualitätssicherung muss der Sektab und zu probiert werden. Hier im
Quarantänelager, in dem die Flaschennach der Abfüllung zeigen müssen,
dass sie dicht bleiben.
Degorg ie ren , das : Den gefrorenen Hefepfropf
bei der Schaumweinherstellung aus dem
Flaschenhals entfernen.
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Fällt täglich ins Auge:
Werbung, die mit der
Zeit geht.
Übrigens heute noch in
Betrieb im Betrieb.
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63
1965
egen Ende der sechzigerJahre wird in der Sekt-
kellerei eine Forschungs- undEntwicklungsstelle eingerichtet.Von nun an geht man dieVerbesserung von Qualitätund Menge systematisch an.Junge Forscher aus allen Tei-len des Landes kommen nachFreyburg, erstklassige Fach-kräfte werden ausgebildet.
Das in über hundert Jahrengewachsene hauseigene Wis-sen um die Herstellung vonSekt wird mit modernsten
Methoden und Techniken kombi-niert. Der VEB Rotkäppchen
Sektkellerei führt neue Ver-fahren ein, erhöht die Pro-
duktion, darf investieren, wirdstolzer Musterbetrieb derDDR.
Auch im Westen Deutschlands gibt esRotkäppchen Sekt – von Kloss & Foerster,Rüdesheim. Denn die dortigen Rechte am
Warenzeichen liegen bei Günther Kloss.Links im Bild: die Jubiläumsflasche von 1966.
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1965 dreht das „Filmstudio für
wissenschaftlich-technische
Filme, Erfurt“ einen Werbefilm
im VEB Rotkäppchen
Sektkellerei.
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Rotkäppchen
Sekt in der
Variante für Diabetiker erfreut sich seit
1966 in der entsprechenden Zielgruppe
großer Beliebtheit. Zuckeraustauschstoffe
bestimmen seine trockene Dosage.
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65
1973
ährend sich der WestenDeutschlands für die Olym-
piade 1972 und die Fußballwelt-meisterschaft 1974 warmläuft,schwingt sich im Osten die Wirt-schaft zu immer neuen Erfolgenauf. Die DDR gehört Anfang derSiebziger zu den 10 erfolgreichstenIndustrienationen der Welt. DieSektkellerei im Süden des Landesträgt ihren Teil dazu bei – mit erst-klassigem Sekt, der sich allergröß-ter Beliebtheit erfreut.
ie Konsequenzen der steigen-den Nachfrage werden plan-
wirtschaftlich umgesetzt – underöffnen prickelnde Perspektivenfür die Zukunft: Die Bezirkslei-tung der Partei beschließt dieErweiterung des Betriebes. Investi-tionen in Millionenhöhe fließen ab1972 in den Bau neuer Produk-tions- und Lagerhallen für Sekt-gärung und Grundwein-Lagerung.Die automatisierten Maschinen-linien für Abfüllung, Ausstattungund Verpackung werden kräftig
vergrößert und modernisiert. DasHeizhaus entsteht neu, die Kälte-anlage wird erweitert.
ber auch bei Forschung undTechnik geht es immer wei-
ter: 1973 wird einer der erstenGas-Chromatographen in der DDRangeschafft. Ein echtes Hightech-Gerät, mit dem die Biochemikerdie angelieferten Grundweine ausFrankreich, Italien, Spanien undden Weinbaugebieten Südost-europas penibel analysieren kön-nen. Eine lohnende Investition,mit der die Qualitätssicherung systematisiert wird. Selbst kleinsteAbweichungen von der gewünschten Qualität können aufgedeckt werden.
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Zu einem gelungenen Abendgehörte schon immer eineFlasche Rotkäppchen Sekt.
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Es wird viel gebaut in diesen Tagen. Immer dabei: Herr Worch, rechts im Bild.
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1976
an feiert viel und fröhlichin dieser Zeit, denn das
Kollektiv ist erfolgreich. Betriebs-leiter Worch versteht es, seineMitarbeiter zu motivieren. Er hatnicht nur immer ein offenes Ohrfür alle – und einen freundlichenHandschlag für jeden. Er sorgtauch dafür, dass sich die Leistungaller für alle lohnt. So wird 1976
ein modernes, großes Sozialgebäu-de gebaut. Hier gibt es Freund-schaftszimmer, in denen geselligeRunden feiern können. EinenSportraum, eine Kaufhalle, denBetriebsarzt, Ruheräume – undeinen großen Saal für bis zu 350Menschen. An der Kegelbahn(automatisch!) wird nicht nurSekt genossen.
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ine aufregende Zeit für dieSektkellerei, die zum begehr-
ten Arbeitsplatz hochqualifizierterFachkräfte wird. So tritt zumBeispiel am 1. Oktober 1973 einjunger Diplom-Ingenieur seineerste Arbeitsstelle in Freyburg an:Gunter Heise hat an der Techni-schen Universität Dresden Verar-beitungs- und Verfahrenstechnikstudiert. Jetzt arbeitet der Techno-loge als Abteilungsleiter Wein undSekt bei der Rotkäppchen Sekt-
kellerei. Es ist der Beginn einer aufregenden Karriere.
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Man genoss den Sekt
gern zeitgemäß: eher süß.
Immer in guter Gesellschaft mit dem sozialistischen
Brudervolk.
Die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft
sollte den Bürgern der DDR Kenntnisse über Kultur
und Gesellschaft der UdSSR vermitteln.
Diesem Zweck dienende Kulturveranstaltungen
fanden auch in Freyburg statt.
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Mocca-Sekt, die Spezialität aus
Freyburg/Unstrut: Kaffeehaltiger
Schaumwein, erfrischend
und belebend. Heute noch
im Programm!
ZWISCHEN 1959 UND 1980 GEWINNT DIESEKTKELLEREI BEI INTERNATIONALEN WETTBEWERBEN: 20 GOLD-, 45 SILBER-, 5 BRONZE-MEDAILLEN.
Die Spezialität des Hauses.
Einem Forschungsprojekt der besonderen Art ent-
sprang 1971 der einzigartige Mocca-Sekt. Zum
liebenswerten Ritual der wöchentlichen
Verkostung traf sich stets eine illustre Runde aus leitenden
Mitarbeitern. Nach getaner Arbeit gönnte man sich traditionell
Kaffee und ein Zigarettchen. Es kam der Tag, an dem Rüdiger Pietz
(Leiter der Qualitätskontrolle) die Runde rasch verlassen musste –
und seinen Kaffee mit einem Schuss Sekt zur Trinkbarkeit herunterkühlte.
Neugieriger Sachverstand probierte mit. Und am Ende langwieriger
Versuchsreihen ging die Innovation in Serie.
Der kleine Unterschied, hier mal im Herrengedeck.
Im Westen Deutschlands versteht der
Herr von Welt unter diesem Begriff
1 Bier und 1 Schnaps. Im Osten 1 Pils
und 1 Sekt. Letzteres inspiriert die innovationsfreudigen Forscher und
Entwickler der Rotkäppchen Sektkellerei 1978 zu einer einzigartigen
Neuheit: Sekt-Pils. Das Gemeinschaftsprodukt mit
der Dessauer Bierbrauerei mischte Sekt mit Pils
gebrauchsfertig vor. Und hatte schnell seinen
Namen weg. Erhältlich in den Delikat-Läden
des Landes.
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71
1981b 1980 entstehen in denKellern, Gär- und Lager-
hallen in Freyburg jedes Jahr mehrals 10 Millionen Liter Sekt, der inrund 15 Millionen Flaschen abge-füllt wird. Beliebtheit und Nach-frage steigen weiter. Auf denMessen und in den Interhotelswerden mit Rotkäppchen Sekt invielen feinen Sorten wertvolleDevisen verdient. Ob in Politikoder Gesellschaft – bei offiziellenAnlässen gehörte der kultivierteKlang eines gekonnt entferntenSektkorkens zum guten Ton.
ber auch der Durchschnitts-bürger im Arbeiter- und
Bauernstaat gönnt sich gern seinPrickeln im Privaten. Die Nach-frage übersteigt das Angebot.Weshalb der Sekt mit demZeichen der traditionel-
len Flügelflasche meist mit einemgeflügelten Wort im Mund gehan-delt wird: als Bückware. Sinnbild-lich gesprochen, greift die geneigteVerkäuferin dafür unter ihrenLadentisch. Praktisch verstanden,kauft oder tauscht man in kleinenMengen, immer wenn in Kaufhalleoder HO-Laden ein Kontingent er-reichbar ist. Denn wenn mit Freun-den und Familie etwas zu feiernist, dann soll es oft und gern vomFeinsten sein. Abgesichert in derGrundversorgung, war der privateKonsum den Menschen lieb undteuer. Man leistet sich Preise von17 bis 23 Mark der DDR – unddamit gern ein bisschen Luxus.
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Zur Feier des Tages: reihenweise fein eingedeckt.
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1988
m März 1982 findet in derRotkäppchen Sektkellerei ein
internationaler Kongress statt.Fachleute aus allen Ländern desRats für gegenseitige Wirtschafts-hilfe (RGW) tauschen sich überden technisch-wissenschaftlichenStand der Wein- und Sektherstel-lung aus. Gemeinsam mit denKoryphäen aus den sozialistischenFreundesländern stoßen die Frey-burger auf ihren exzellenten Rufin Sachen Forschung und Entwick-lung an.
n den 80er Jahren entstehen inder Sektkellerei bis zu 38 ver-
schiedene Sektmarken pro Jahr.Eine Vielfalt, die aus heutigerSicht unwirtschaftlich scheint – zudamaliger Zeit allerdings einendurchaus ökonomischen Zweckerfüllte. Das Phänomen ist leichterklärt:
Im streng geplanten Wirtschafts-system der DDR waren die Preisefestgeschrieben. Kam ein Produktzu einem bestimmten Preis in denHandel, blieb der so. Wollte manhöhere Einnahmen erwirt-schaften, mussten neue Pro-dukte entstehen, die teurer verkauft werden konnten.
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ISeit seiner Einführung 1980 wird die Sorte Grand Mousseux zum zentralen Umsatzträgerder Rotkäppchen Sektkellerei. Falls erhältlich,ist die Flasche im Lebensmittel-handel für M 22,- erhältlich.
Berlin 1825, abends im November: Der berühmte Schauspieler Ludwig Devrient hat
wieder einmal den Falstaff in Shakespeares Heinrich IV. gespielt. Wie nach jeder
Vorstellung besucht er auch an diesem Abend sein Stammlokal, das Weinhaus
Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt. Üblicherweise trinkt er Champagner –
und ruft dem Kellner, noch ganz in seiner Rolle des trinkfesten Falstaff, zu:
„Bring er mir Sekt, Schurke – ist keine Tugend mehr auf Erden?“. Nun war Sekt zu
dieser Zeit das Wort für vino seco, trockenen spanischen Sherry. Der Kellner jedoch
brachte den gewohnten Champagner. Und schon wurde aus dem Rollenspiel des
prominenten Schauspielers ein geflügeltes Wort.
Woher kommt das Wort „Sekt“?
Dreharbeiten im Domkeller: Die DEFA lässt Arien singen. Für den hellen Hintergrund sorgt ein frischer Anstrich mit guter sozialistischer Farbe.Die leider den Kellerpilz zerstört.
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1989m Abend des 9. November1989 wird in Berlin die
Mauer geöffnet. Die Welt hält denAtem an, ganz Deutschland feiertvor Glück. Die Korken knallen inOst und West, nicht nur in dieserNacht – und der wilde Rausch derVereinigung beginnt. In den Mo-naten danach lernt sich ein Volkwieder kennen, das 40 Jahre langgetrennt gehalten wurde.
s gibt viel zu feiern in dieserZeit, und natürlich prickelt oft
Sekt in den vielen Gläsern, diegehoben werden. Aber die Mitar-beiter der Rotkäppchen Sektkel-lerei müssen rasch feststellen, dasses immer weniger ihre Produktesind, mit denen die Menschenihren Lebenswandel fröhlich be-gleiten. Im Osten des Landes wen-det man sich mit Schwung denlange begehrten Marken derMarktwirtschaft zu. Die Glitzer-welt der fernsehbeworbenen
Prestigeprodukte verlockt mitFreiheit und Abenteuer, mit Glanzund Glamour.
er Dezember 1989 gibt einerstes Warnsignal, mit nur
979.000 verkauften Flaschen ist erder umsatzschwächste Monat desJahres, trotz Weihnachten undSilvester. In der ersten Hälfte desJahres 1990 bricht dann derAbsatz von Rotkäppchen Sektpraktisch ein. Die DDR-Struk-turen der Warenverteilung existie-ren nicht mehr – und in denRegalen der neuen ausWestdeutschland kommen-den Handelsketten gibt esRotkäppchen Sekt nochnicht. Die Marke droht inder Versenkung zu ver-schwinden.
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1990
er 3. Oktober 1990 wird zumTag der Deutschen Einheit.
Für die Rotkäppchen Sektkellereiwird die Lage immer dramatischer.Im 2. Halbjahr 1990 werden nurnoch 1,8 Mio. Flaschen Sekt ver-kauft. In Riesenschritten geht dieAnpassung an die Rahmenbedin-gungen der Marktwirtschaft weiter:Am Ende dieses Jahres hat dasUnternehmen die Belegschaft auf
205 Mitarbeiter reduziert, Tendenzstark abnehmend. Zum Jahres-wechsel gibt es einen kleinenLichtblick: Seit dem 7. Novemberhat die Sektkellerei wieder dasRecht am eigenen Namen. DieHolding hatte das Warenzeichen„Rotkäppchen“ von MichaelKloss, dem Sohn von GüntherKloss, erworben.
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1990
ie erste freie Wahl der Volks-kammer im März ermöglicht
die Verhandlungen zum Beitritt,am 1. Juli 1990 tritt die Wirt-schafts-, Währungs- und Sozial-union zwischen den beidenDeutschlands in Kraft. Die Treu-handanstalt nimmt ihre Arbeit auf– noch unter der letzten DDR-Regierung gegründet, soll sie dierund 8.500 volkseigenen Betriebein die Marktwirtschaft überfüh-ren. Auch in Freyburg an derUnstrut tut sich was: Die Sektkel-lerei wird aus dem VEB-KombinatSpirituosen, Wein und Sekt (Berlin)herausgelöst. Und unter der HoldingMitteldeutsche Getränke GmbH alsRotkäppchen-Sektkellerei GmbHneu gegründet. Erster Geschäfts-führer ist der bisherige Betriebs-direktor Joachim Worch, seinUnternehmen gehört zu 100% derTreuhand.
etzt fallen die letzten Handels-schranken. Die Sektmarke ausFreyburg steht im scharfen
Wettbewerb um die Verbraucher.Und die wollen Neues ausprobie-ren. Es trifft nicht nur Rotkäpp-chen Sekt – fast alle Produkte, dieden Menschen im Osten Deutsch-lands lange Jahre ein und alleswaren, landen plötzlich nicht mehrin den Einkaufskörben. Die Lagerin Freyburg sind voll, aber es gibtkeine Absatzkanäle mehr. Die Mit-arbeiter handeln: Sie fahren aufdie Märkte und Feste, vom Erzge-birge bis an die Ostsee.
Direkt von der Ladefläche undaus dem Kofferraum heraus wirdverkauft – nur damit die Menschenihren Lieblingssekt nicht ganzvergessen.
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WAS SAGT DAS TREUHANDGESETZ DAZU?
§ 2 Abs. 6: „Die Treuhandanstalt hat die Strukturanpassung
der Wirtschaft an die Erfordernisse des Marktes zu fördern,
indem sie insbesondere auf die Entwicklung sanierungsfähi-
ger Betriebe zu wettbewerbsfähigen Unternehmen und deren
Privatisierung Einfluss nimmt. Sie wirkt darauf hin, dass sich
durch zweckmäßige Entflechtung von Unternehmensstruk-
turen marktfähige Unternehmen herausbilden und eine
effiziente Wirtschaftsstruktur entsteht.“
Im Mai 1990 ist die Rotkäppchen Sektkellerei erst-
mals wieder beim deutschen Sektverband vertreten.
Dr. Lutz Lange referiert über die Sektindustrie der DDR. Es
bewegt ihn, Michael Kloss zu begegnen – der 4. Generation der
Gründerväter der Freyburger Sektkellerei.
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Leipziger Brandmauer.
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1991
m Januar 1991 wird die Mit-teldeutsche Getränke GmbH
wieder entflochten, die einzelnenUnternehmen in die Selbständig-keit entlassen, freilich immer nochunter der Hoheit der Treuhand.Die Rotkäppchen Sektkellereikämpft weiter mit der Anpassungan das neue Wirtschaftssystem. Esist ein steiniger Weg: Im März ver-kauft man im Vergleich zu denletzten Jahren DDR nur noch einZehntel der üblichen Flaschen-menge. Das Unternehmen mussschnell die Kosten senken.Betriebsteile, die nicht direkt zurHerstellung und Vermarktung vonSekt beitragen, werden ausgelagert.Immer mehr Kollegen bekommendie berüchtigten blauen Briefe mitden Entlassungspapieren. DieBelegschaft wird noch einmal fasthalbiert, Ende des Jahres werdennur noch 112 Beschäftigte dazuge-hören.
m Frühsommer 1991 wird eineneue Hochleistungs-Abfüll-
Linie aufgebaut. Die hochmoderneAnlage war noch zu DDR-Zeiten
beim westdeutschen Weltmarkt-führer Krones AG bestellt worden.Jetzt könnten 12.000 FlaschenSekt pro Stunde gefüllt werden,die Kapazität läge bei 12 Millio-nen Flaschen pro Jahr, im Zwei-schichtbetrieb gelänge sogar eineVerdoppelung. Aber die lange vorder Wende getroffene Investitions-entscheidung wird aus der Sichtvieler potenzieller Investoren zumKlotz am Bein: Kann die Anlageje ausgelastet werden? Kanndas Unternehmen die finanzielleBelastung erwirtschaften?
er Tiefpunkt soll zum Wende-punkt werden. Die leitenden
Mitarbeiter versuchen, die Weichenin die richtigen Richtungen zu stel-len. In dieser Phase treffen sie vieleEntscheidungen, die mutig scheinen– und sich später als goldrichtigherausstellen werden.
DI E WE N D E Z U M GU T E N :Das Unternehmen hat wieder Unternehmer.
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Im Herbst 1991 zeigt Rotkäppchen Sekt erstmals wiederFlagge: Dr. Lange vertritt die Marke mit einem winzigenStand auf der Kölner ANUGA, der weltgrößten Fachmessefür Nahrungsmittel und Getränke.
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ei der Berliner Treuhand-anstalt kümmert sich
Dr. Jürgen Haag, Direktor für denBereich Nahrungs- und Genuss-mittel, um die Rotkäppchen Sekt-kellerei. Er weiß, dass in Freyburgüber 100 Jahre Sekttradition zuHause sind. Er ist überzeugt vonder Marktfähigkeit des Unter-nehmens – vor allem aber setzt erVertrauen in das Potenzial der lei-tenden Mitarbeiter, die in denJahren vor der Wende unter oftschwierigen Bedingungen erstklas-sige Arbeit geleistet hatten.
eren schon seit 1990 ein-geleitete Maßnahmen zur
Stabilisierung des Unternehmensbeginnen endlich zu greifen. DieAbsatzzahlen verbessern sich wei-ter, man bekommt langsam dasGefühl, dass die Verbraucher imOsten „ihr Rotkäppchen“ wiederfür sich entdecken. Zum 1. August1992 vermittelt Dr. Haag von derTreuhand einen zweiten Geschäfts-führer in die Sektkellerei: Hans-Jürgen Krieger, ein Unternehmens-
berater mit langjähriger Erfahrungim westdeutschen Sektmarkt, sollsich um Marketing und Vertriebkümmern.
chon im 3. Quartal startet diezweite Privatisierungs-Runde,
es geht um die Produktionsan-lagen und -gebäude. Der histori-sche Teil der Kellerei wird vorerstabgespalten. Das Unternehmen hatnur noch 66 Mitarbeiter. Dasgeplante Ziel hingegen, 4,5 Mio.Flaschen zu verkaufen, wird amJahresende mit 5,7 Mio. deutlichübertroffen.
Die überlebenswichtige Distribu-tion steht dabei im Fokus: Rot-käppchen Sekt muss in die neuenHandelskanäle aufgenommen wer-den, also schließt man Verträgemit Handelsagenturen, die sich fürdie Marke ins Zeug legen. DasSortiment wird auf die wichtigstenCuvées gestrafft. Die Ausstattungder Flaschen wird deutlich demneuen Zeitgeschmack angepasst.Die Preis-Positionierung reihtRotkäppchen Sekt bei den Tradi-tionsmarken ein, eine Flasche solldem Verbraucher im Schnitt runde8 DM wert sein.
erweil geben sich das ganzeJahr über potenzielle Inves-
toren die altehrwürdigen Klinkenan der Sektkellereistraße in dieHand. Zu den Bewerbern zählentraditionelle Konkurrenten ebensowie windige Glücksritter aus allerHerren Länder. Smarte Unter-nehmensberater wechseln sich mitschillernden Adligen ab. Die Ge-schäftslage scheint sich derweil zubessern, ab dem Sommer greifen
die Bemühungen um neue Ver-triebskontakte, der Absatz erholtsich peu à peu.
um 1. August 1991 wird eineneue Geschäftsleitung gebil-
det. Joachim Worch, der 36 Jahrelang ebenso engagiert wie erfolg-reich den Betrieb geleitet hat, gehtaus gesundheitlichen Gründen mit64 Jahren in den Ruhestand. SeinNachfolger wird der bisherigeTechnische Leiter, Gunter Heise.Die Treuhand bricht die Privati-sierungsgespräche zum Jahres-wechsel erst einmal ab, im Februar1992 wird das Verfahren ausge-setzt, man will das Unternehmenzuerst wieder richtig auf die Beinekommen lassen.
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Ganz bescheiden, aberfreundlich: Mit den erstenWerbe-Auftritten nach derWende sagt RotkäppchenSekt seinen langjährigen
Freunden Hallo.
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1992
im August 1991 begegnete HaraldEckes-Chantré der mitfeierndenLeitung der Rotkäppchen Sekt-kellerei. Auf der Heimreise ergabsich spontan ein erster Besuch imnur 90 km entfernten Freyburg. In der Folge lernte man sich ken-nen und schätzen. Und rasch warHarald Eckes-Chantré davonüberzeugt, dass die traditionsrei-che Sektmarke eine erfolgreicheZukunft haben würde. Anfang1993 stand dann sein Angebot, als Privatinvestor Miteigentümerzu werden.
etzt geht alles ganz schnell.Das zweite Angebot zumManagement-Buy-out setzt
sich durch. Am 4. März 1993 istdie Privatisierung erfolgreich abge-schlossen. Der damalige Bundes-wirtschaftsminister Dr. GünterRexrodt unterschreibt den Kauf-vertrag. Zu den Gesellschafterngehören die schon lange leitendenMitarbeiter Jutta Polomski, Ulrich Wiegel, Dr. Lutz Lange und Gunter Heise, dazu
Hans-Jürgen Krieger. Zurmehr als nur finanziellenBeteiligung an der Gründungwird der Anteil, den HaraldEckes-Chantré gemeinsam mit sei-nen Töchtern Petra Roller undChristina Oelbermann zeichnet.
as so nüchtern als Manage-ment-Buy-out bezeichnet
wird, ist für die einen eine mutigeEntscheidung zum Unternehmer–sein. Für den erfahrenen Unter–nehmer Eckes-Chantré ist der Ent–schluss, hier mit ins Risiko zu ge-hen, eine weitsichtige Investition.Die Rotkäppchen Sektkellerei hatendlich wieder Inhaber. Ihr Be-kenntnis zu fast 140 Jahren Sekt-tradition wird zur Vision für dieZukunft einer großen deutschenSektmarke. Und sichert letztlichdie Existenz des StandortesFreyburg.
Rotkäppchen hat eine Vision: Das Management-Buy-out.
Ein guter Sekt will reifen. Und soist es auch mit manchen Entschei-dungen in den Köpfen der Men-schen. Keiner kann heute mehrsagen, wann genau es so weit war– aber irgendwann im Sommer1992 stellte Gunter Heise einigenseiner Mitstreiter eine der berühm-ten Gretchenfragen: Warum nichtwir? Schließlich hatten sie alle inden vergangenen Monaten vielgesehen, erlebt und gelernt, man-ches hatte sich relativiert. Immerklarer kristallisierte sich der pri-ckelnde Gedanke heraus, selbst zuversuchen, das eigene Unternehmenzu übernehmen.
m historischen Erkerzimmerdes Kontor-Gebäudes kommt
es am runden Tisch zur entschei-denden Runde. Gunter Heise hatdie leitenden Mitarbeiter zusam-mengerufen, die Ehepartner sindmit dabei. Der berühmte „Ruck“,den Roman Herzog fünf Jahre
später für ganz Deutschland for-dern wird, geht an diesem Tagzumindest durch ein ehrwürdigesGemäuer in Freyburg an derUnstrut. Man ist sich schnell einig,dass man es zusammen schaffenmüsste. Alle glauben fest an dieZukunft des Unternehmens, an dieQualität ihres Produktes, an dieKraft der Marke RotkäppchenSekt. Es folgen die Gespräche mitden Banken, man rechnet scharf,setzt Hab und Gut ein – und gibtam 11. November bei der Treu-hand ein erstes Angebot ab.
och reicht es nicht gegen diemitbietende Konkurrenz.
Aber im Frühjahr 1993 passierteiner der seltenen Glücksfälle, dieso oft die Zeitläufte zu verändernpflegen. Der Hintergrund istschnell erzählt: Das westdeutscheTraditionsunternehmen Eckes AGhatte 1991 die ostdeutsche Spiritu-osenfirma Nordbrand Nordhausenübernommen (die mit dem Nord-häuser Doppelkorn). Bei einerGeburtstagsfeier in Nordhausen
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Auch in Freyburg gibt es einenrunden Tisch. Gestern und heute
reifen hier Entscheidungen,die man auch in Zukunfthistorisch nennen wird.
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Klar und deutlich: Die neueFlaschenausstattung desgestrafften Traditionsmarken-Sortiments.
Lange in der Leitung, jetzt schnell zum Unternehmer.
Sie waren schon zu VEB-Zeiten dabei –und haben 1993 in die Zukunft ihreseigenen Unternehmens investiert: Jutta Polomski, GeschäftsführerinControlling, ist seit 1981 im Betrieb. Ulrich Wiegel, Geschäftsführer Technik,hat 1985 angefangen. Dr. Lutz Lange, GeschäftsführerMarketing, startete 1975. Gunter Heise, Sprecher der Geschäftslei-tung, hatte 1973 seinen ersten Arbeitstagin der Rotkäppchen Sektkellerei.
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85
1993
ach dem Management-Buy-out starten die frisch
gebackenen Unternehmer und ihreMitgesellschafter in eine Erfolgsge-schichte, wie sie die Sektkellerei inden bald 140 Jahren ihres Bestehensnoch nicht erlebt hatte. Eine Ge-schichte, deren Pointen aus der da-maligen Perspektive allerdings nochnicht zu erahnen waren. Weshalbman sich nach guter alter Kauf-manns Sitte mit Vorsicht – aber mitNachdruck – ans Werk machte.
eflügelt wird die positive Ent-wicklung durch die Tatsache,
dass der blendende Reiz der West-produkte rasch verblasst. Die Men-schen in Ostdeutschland besinnensich wieder auf ihre eigenen Werte– jedenfalls auf die, die es nochgibt. Rotkäppchen Sekt ist mittler-weile fast überall wieder erhält-lich, die rote Kappe strahlt wie
früher – und der harmonisch-fruchtige Geschmack trifft immernoch den der Menschen. WennFreunde sich treffen, wenn Familienfeiern, dann steht RotkäppchenSekt auf dem Tisch. Eine kleineFröhlichkeit im Alltag, die sich1993 schon wieder mehr als 10Millionen Mal ereignet.
it westdeutschen Werbe-fachleuten macht sich
Hans-Jürgen Krieger daran, dieMarke Rotkäppchen behutsam fürden Wettbewerb im Supermarkt-regal aufzubauen. Ganz genauhört man zu, was der ostdeutscheVerbraucher über „sein Rotkäpp-chen“ sagt. Dann werden dieEtiketten neu gestaltet, angemes-sen wertvoll und traditionell. Undso, dass die Menschen zwischenRügen und Zwickau ein kleinesbisschen stolz auf eines der wenigenüberlebenden Ost-Produkte seinkönnen. Die Werbung demonstriertvorsichtig wachsendes Selbst-bewusstsein.
AU F S C H W U N G OS T,Wachstum West .
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1993bis 2000
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19951994
on dieser beeindruckendenMenge wird noch der weit-
aus größte Anteil im Osten desLandes an Mann und Frau ge-bracht. Die Menschen haben ihrenLieblingssekt wieder für sich ent-deckt – und halten ihm die Treue.In den neuen Bundesländern istRotkäppchen Sekt schon Anfang1995 der meistverkaufte Sekt.
Die tiefe Verbundenheit zumprickelnden Produkt deutscherSekttradition bildet die Basis fürdie erfolgreiche Entwicklung derRotkäppchen Sektkellerei in denkommenden Jahren. Und wirdzum wirtschaftlichen Fundamentfür das Wachstum in den Westen.Denn man hat noch einiges vorsich.
ei aller Freude über den begin-nenden Aufschwung Ost:
Investiert wird mit aller Vorsicht.Man macht das, was notwendig ist – nicht das, was möglich ist.Schulden bei der Treuhand müssenabgetragen werden. Aber manmuss auch der glücklich steigendenNachfrage Rechnung tragen: Schonim Juli 1993 werden neue großeGärbehälter angeschafft. Sie findenihren Platz auf dem Hügel über derSektkellerei.
m Juni 1994 kann die Rot-käppchen Sektkellerei von der
Treuhand die historischen Gebäudemit Domkeller, Riesenfass, Licht-hof und Kontor-Gebäuden wieder
zurückkaufen. Damit istdie Privatisierung
vollständig abgeschlossen – höchstwillkommen zum großen Jubiläumder Marke „Rotkäppchen“ Sekt.Am 7. Oktober 1994 wird mithunderten von Gästen im Lichthofgroß gefeiert, was vor 100 Jahrenaus einer juristischen Not geborenschien. Eine Festschrift erscheint,ein Bundesminister auch. Manredet beschwingt – und hinter denKulissen freut man sich auf dieAussicht, am Jahresende mit 17Millionen Flaschen mehr denn jeverkauft zu haben.
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In der größten deutschen
Sonntagszeitung führt
1994 diese bemerkenswert
mystische Anzeige die Nation
in Versuchung.
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89
19971995 b 1997 kleidet eine neueAusstattung die Cuvées des
Traditionsmarken-Sortiments. Einkühler Perlmuttschimmer erhöhtdie Wert-Anmutung, die Hals-schleife wirkt so markant wie diefeine Serviette eines Sommeliers.Rotkäppchen Sekt steht in denHandels-Regalen jetzt nicht nurauf Augenhöhe mit dem Verbrau-cher. Sondern auch fein da: imVergleich mit der traditionellenKonkurrenz der etablierten Mar-ken aus dem Westen. Der Absatzwächst nach wie vor Jahr für Jahrzweistellig. Zum Ende desJahrzehnts wirdRotkäppchen Sektunter den drei stärks-ten Marken in ganzDeutschland sein.
itte 1995 gehört die MarkeRotkäppchen Sekt zu den
zehn meistverkauften in ganzDeutschland, der Absatz wächstgeradezu stürmisch – um 60%allein in den ersten acht Monaten.Ein prickelndes Gefühl für dieMacher in Freyburg, vor allemweil die Lust auf Sekt im ganzenLand ganz generell eher stagniert.Am Jahresende 1995 zeigt dieMarke Flagge: Zum ersten Malläuft in ganz Deutschland einFernsehspot, mit prickelndemSektgenuss, subtiler Erotik undsanft wölfischer Düsternis.
m historischen Lichthof geht1996 eine neue Tradition in ihr
drittes Jahr: Unter dem plakativenTitel „Sektival“ bietet eine
Konzertreihe musikali-sche Finessen jeglicher Provenienz.Die „Philharmonie der Nationen“unter Justus Frantz begeistert mithochkarätiger Klassik, aber auchJazz, Operette und Musical tragenzu einer vielfältigen Cuvée derMusikstile bei. Und mehr undmehr Freunde kultivierten Sekt-Genusses kommen von nah undfern, um die Kellerei zu besichtigen(und die Feinheiten zu verkosten).Wie schon vor mehr als hundertJahren wird das idyllische Freyburgzum touristischen Ziel.
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Im November 1995 entdeckt Prince Charlesin Berlin-Hellersdorf den Osten
Deutschlands. Die Familie Kunz begrüßtihn in ihrer Plattenbauwohnung, stilecht
mit einem Glas typischem deutschemSparkling Wine.
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Im Spiegel ganz hinten.
Die Unikat-Kampagne mit
skurrilen Textabenteuern
pflegt von 1997 bis 2000
vierzehntägig die geneigte
Intelligenzija mit amüsant-
abwegig konstruierten
Geschichten zu Themen
von aktueller Relevanz
zu begeistern. Prickelnder-
weise gelingt jeder genia-
lisch glitzernden Glosse der
Kurvenschlag hin zum zu
bewerbenden Produkt.
Sektival
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20001999
Noch eine Wende. Diesmal in derganzen Welt: Der Jahrtausend-wechsel steht bevor. In Freyburgbereitet man sich auf einen großenSilvesterball vor. Eine streng limi-tierte exklusive Cuvée reift in denhistorischen Kellern ihrer Bestim-mung entgegen. Die klassischeFlaschengärung schmückt sich mitzeitlosen Zitaten großer deutscherKlassiker.
Höchst modern hingegen die Prä-senz im Internet, rechtzeitig zumJahrtausendwechsel. Die Rotkäpp-chen Sektkellerei ist fortan imMedium der Zukunft zu Hause –und präsentiert sich auf ihrerneuen Homepage unter anderemmit einem virtuellen Rundgangdurch die historischen Räume.Hans-Jürgen Krieger scheidet Ende1999 aus dem Unternehmen aus.
1.000 Jahre Wein wollen gefeiert sein.
Deutschlands dreizehntesund nördlichstes zusammen-hängendes Weinbaugebiet Saale-Unstrut feiert im Oktober 1998seine 1.000-jährige Geschichte.Von der erstmaligen Erwähnung indes Kaisers Otto III. Schenkungs-Urkunde anno 998 bis zur Krö-nung der 50. Deutschen Weinköni-gin reicht der historisch-aktuelleSpannungsbogen, der sich in vielenFestivitäten in und um Freyburgmanifestiert. Wobei die unter ihrembürgerlichen Namen SusanneVölker zu erwähnende Königin ihrRegentschaftsjahr im festlichenLichthof der Sektkellerei antritt.Und diese Feier des Tages natür-lich nicht mit Wein, sondern mitSekt krönt.
1998
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Im September 1999 erhält
Gunter Heise als Sprecher
der Geschäftsleitung das
Bundesverdienstkreuz.
Er nimmt es im Namen
seiner Mitarbeiter
entgegen.
Die Welt feiert das Millennium.Und Deutschland kommt auf den Geschmack.
Die historischen Gebäude derSektkellerei im Querschnitt.
91
1998 macht sich Rotkäppchen Sektauf den langen Marsch nach China.Unter dem Namen „Little Red Cap“
soll westliche Genusskultur für prickelndenUmsatzzuwachs sorgen. Trotz aufwändig gestalteten chinesischen Etiketts wird dieExport-Expedition kein nachhaltiger Erfolg.
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:29 Uhr Seite 90
93
2000
ür unsere gar nicht mehrso kleine Sektkellerei in
Freyburg an der Unstrut beginntdas neue Jahrtausend, wie das altesich verabschiedet hat: mit vielArbeit. Denn die Genießer im Landwollen immer mehr RotkäppchenSekt. In den ostdeutschen Bundes-ländern ist die Marke nicht nurheiß geliebt, sondern meistverkauftund das mit weitem Abstand vor
jeglichen Mitbe-werbern. Um die Menschen auchim alten Teil des Landes für dieErfolgsmarke zu begeistern, mussRotkäppchen Sekt noch faszi-nierender wirken. So eigen-ständig wie möglich, andersals alle anderen, fern allerSektwerbeklischees.
DIE ÜBERRASCHUNG TRÄGT ROT.Und in Freyburg baut man
Deutschlands Haus aus Sekt.
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Ein glänzender neuer
Auftritt: Deutschlands heute
erfolgreichste Sektmarke.
Die Überraschung
trägt den Ausschnitt
hinten. Und
einen schönen
klassischen Namen:
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2000bis 2006
RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 15:02 Uhr Seite 92
m dieses hoch gesteckte Zielzu erreichen, erarbeitet Peter
O. Claußen mit den Kreativen undBeratern der Düsseldorfer Werbe-agentur FGK, die schon seit 1992Rotkäppchen Sekt betreut, einneues Kommunikationskonzept.Der attraktive Rücken mit derselbstbewusst „versteckten“ Sekt-flasche wird das Schlüsselbild fürdie Marke Rotkäppchen Sekt –und zum zentralen Baustein allerWerbemittel. Klassische Erotikkokettiert mit einer kleinen, feinen
Überraschung: Rotkäppchen Sektist ganz selbstverständlich mitdabei. Und macht aus alltäglichenSituationen Momente, an die mansich gern erinnert. Ein prickelnderWerbefilm präsentiert zum Jahres-wechsel das neue Konzept – unddie neue, wiederum wertigereFlaschenausstattung, jetzt mit gol-denem Wappen und erhabenemSchriftzug. Ab Januar 2001 imHandel. Das Ergebnis: Ende 2001ist Rotkäppchen Sekt die erfolg-reichste aller deutschenSektmarken.
Rotkäppchen Sekt ist ausgezeichnet. Mit jeder Menge Auszeichnungen.
Wer im Wettbewerb der Marken bestehen will, muss
Werbung machen, die wirkt. Wenn es eine Marke in die
Herzen der Verbraucher schafft, wird der Erfolg zum
Betriebsergebnis. Zusammenhänge, die sich überprüfen las-
sen. Mit harten Fakten und bekundeter Meinung. Ergo
wird der Markenaufbau für Rotkäppchen Sekt 1996 mit dem Marketing-
Preis Ostdeutschland honoriert. Der silberne Effie des Gesamtverbandes
Werbeagenturen GWA belohnt 2002 die professionelle Effizienz der kom-
munikativen Leistung. Und seit 2002 wird die
Erfolgsmarke im deutschen Sektmarkt Jahr für Jahr
von den Verbrauchern zur vertrauenswürdigsten
aller Sektmarken gewählt. Danke.
Bundespräsident Rau besucht am 19. 9. 2002 .mit dem diplomatischen Korps aus Berlin auf einGlas Sekt die damit weltbekannte Sektkellerei.
Seit dem Jahr
2000 feiern die Gäste des phantasievollen
Circus Roncalli ihre Träume, ihr Staunen, ihr
Lachen ... mit Rotkäppchen Sekt!
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RZ_150JahreBuch_innen_07 02.05.2006 15:03 Uhr Seite 94
2002 Deutschlands Haus aus Sekt.
Am 16. Januar 2002 wird besie-gelt, was sich den Unternehmernin Freyburg Monate zuvor als eineder Gelegenheiten eröffnete, dieman tunlichst nicht verstreichenlassen darf. Die SektmarkenMumm, Jules Mumm und MMExtra des kanadischen Getränke-konzerns Seagram waren samt derProduktionsstandorte in Eltvilleund Hochheim zum Verkauf ange-boten worden. Mit dem mutigen Schritt zur Übernahme dieser klin-
genden Namen im deutschen Sekt-markt eröffnen sich auf einenSchlag erstklassige Möglichkeitenfür ein langfristiges, profitablesWachstum des Unternehmens.Nicht nur zwei komplette Sekt-kellereien kommen hinzu. Sondernauch ein weit verzweigtes Distri-butionsnetz mit einer besonders imWesten des Landes bestens etablier-ten Außendienst-Mannschaft.
Nicht reden, machen: Wer Mumm
hat, kann sich einen kleinen Appell
an die Menschen im Lande leisten.
2003
och während dieIntegrationsteams
der verschiedenenAbteilungen den jeweils besten Wegaus beiden Unternehmens-Weltenerarbeiten, entscheiden sich dieGesellschafter für eine kleine, feineErgänzung: Die Übernahme derGeldermann Privatsektkellerei inBreisach zum 27. Januar 2003rundet das Marken-Portfolio vonDeutschlands nunmehr größterSektkellerei aufs Geschmackvollsteab.
etzt ist Deutschlands Haus ausSekt komplett. Von der klassi-schen Traditionsmarke MM
Extra bis zum MarkenklassikerMumm, vom jugendlichen Aufstei-ger Jules Mumm über die exklusi-ven Supérieure-Varianten vonGeldermann bis zu Deutschlandserfolgreichstem Sekt mit der cha-rakteristischen roten Kappe: EinDrittel aller in Deutschland ver-kauften Sektflaschen kommen auseinem der vier Standorte derRotkäppchen-Mumm Sektkelle-reien. Über 300 Mitarbeiter arbei-ten erfolgreich zusammen – ineinem modernen Unternehmen ineinem der faszinierendsten Ge-schäftsfelder der Marktwirtschaft.
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Edler Sekt und edle Autos: Gab es in den wilden
Zwanzigern zu jedem Audi eine Flasche feinen
Kloss & Foerster Sekt, so kennt man im Ländle
heute die Hausmarke von Porsche, Made by
Geldermann.
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So einzigartig wie einzig adäquat:Geldermann ist der Sekt für die ganz
besonderen Momente der TV-Werbung.
97
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99
Ein leichtes Prickeln, hart erarbeitet.
Sekt gehört zu den feinsten Ver-feinerungen der Genuss-Kultur.Aber vor der belebenden Wirkungdes perlenden Prickelns steht vielharte Arbeit. Erfahrung und Enga-gement aller Mitarbeiter habenin den Jahren nach der Wende –und in großen Schritten nach den
Übernahmen – in allen Unter-nehmens-Bereichen der Rotkäpp-chen-Mumm Sektkellereien dieEntwicklung zur heutigen Markt-führerschaft erst ermöglicht.
ach der Übernahme derSeagram-Marken konnte
unter der Leitung von JürgenKotschi die Distribution auf einneues Niveau gebracht werden.Der Wechsel von den Handels-agenturen, die den Aufbau in denersten Jahren begleitet hatten, aufeine neu strukturierte Außen-dienst-Mannschaft sorgte für einelandesweit flächendeckende Ver-breitung der Marke RotkäppchenSekt. Die erfreuliche Konsequenz:Bei den Partnern im Handel steigtdie Akzeptanz, bei den Genießernim Westen wächst die Begeisterung.
N m der steigenden Nachfragegerecht zu werden, entsteht
in den Kellern, den Gär- und Reife-hallen von Deutschlands Haus ausSekt immer mehr Sekt. Besondersin Freyburg gärte es in den Jahrennach der Wende gewaltig – hierstiegen unter der Leitung vonHannelore Jankowa, die schon seit1980 für die Rotkäppchen Sektkel-lerei arbeitet, die zu verarbeiten-den Mengen in großen Sprüngen.Aber auch heute gilt es, den ge-wachsenen Dimensionen desUnternehmens Rechnung zu tra-gen. Für reibungslose Abläufe
in der Produktion an den vierStandorten zeichnet seit 2002Karl-Josef Lauzi verantwortlich.Von den ausgewählten Weinen ausDeutschland und den klassischenAnbauländern Europas überFlaschen, Etiketten und Versand-kartons: In beeindruckendenQuantitäten kauft HanneloreJankowa für fünf erfolgreicheSektmarken alles ein, was nachder gekonnten „Verwandlung“zu hochwertigen Markenar-tikeln seine Käufer finden soll.
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Harald Eckes-Chantré begleitet als Gesellschafter alle strategischen Entscheidungen mit seiner großenunternehmerischen Erfahrung.
Wieder sind viele
Flaschen Rotkäppchen Sekt
unterwegs zu den Genießern
in ganz Deutschland.
Eine erfolgreiche Marke aus dem Osten,im ganzen Land bekannt und beliebt:
Prominenz aus Politik und Gesellschaftschaut gerne mal auf ein Schlückchen
in Freyburg vorbei.
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llein in Sachwerte wurden inFreyburg seit 1993 mehr als
40 Mio. Euro investiert. Koordi-niert von Ulrich Wiegel hat mandie historische Sektkellerei liebe-voll und detailgetreu restauriert.Der Ausbau der Gärkapazitätenauf über 18 Millionen Liter folgteder steigenden Nachfrage genausowie die Installation modernsterGär- und Abfüllanlagen. Und inden historischen Kellern wird im-mer noch der Weißburgunder Sektin klassischer Flaschengärung vonHand zur Vollendung gerüttelt ...
b in limitierter Auflage hand-gerüttelt oder millionenfach
auf Flaschen gezogen dem guten
Geschmack der Verbraucher fol-gend: Produktsicherheit spielt beider Herstellung des Nahrungs-und Genussmittels Sekt eine ent-scheidende Rolle. Das permanente,umfassende Kontrollieren der Qua-lität schützt nicht nur die Genießer,sondern sichert den wirtschaft-lichen Erfolg des Herstellers. Unterder Leitung von Dr. Lutz Langewird das hauseigene Qualitäts-managementsystem seit 1997 nachISO 9001 zertifiziert und erfülltseit Dezember 2004 die Anfor-derungen des International FoodStandard IFS.
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ie wohl gravierendstenSystemveränderungen machte
über die Jahre der Finanz- und IT-Bereich mit. Warenwirtschaft,Datenverarbeitung, Buchhaltung –in Riesenschritten sprang man vomSozialismus direkt in die Markt-wirtschaft. Aus der Buchführung inHandarbeit wurde bald eine kom-plett vernetzte Ressourcenplanungmit ERP-(Enterprise-Resource-Planning-)Software. Während sichJutta Polomski noch gut an dieersten Unternehmensberater mitihren Excel-Tabellen erinnert, ist sieheute stolz auf ein hochmodernesWarenwirtschaftssystem, das nichtnur Einkauf, Produktion undVertrieb verbindet, sondern auchden direkten Datenaustausch mitdem Handel erlaubt. Nach demEinstieg von Dr. Klaus J. Kühn, derdie Bereiche Finanzen, Personalund IT von Deutschlands mittler-weile größtem Sekthersteller leitet,und der gelungenen Integration derübernommenen Unternehmen stehtjetzt der nächste große Schritt an:
Die seit 2005 laufende Umstellungauf ein SAP-System wird die Rot-käppchen-Mumm Sektkellereien fitfür die Herausforderungen der Zu-kunft machen.
eben all diesen Veränderun-gen, die Wachstum und Er-
folgsentwicklung mit sich bringen,bleibt das Unternehmen seinenWurzeln treu. Das schon tra-ditionelle Engagement inKultur und Soziales erfülltdie Standorte mit Leben. Injedem Jahr wird derDeutsche Sekttag gefeiert,viele Festivitäten in denHeimatgemeinden wer-den begleitet. Mitbürgerund Mitarbeiter pflegenihre Verbindungen. InFreyburg zum Beispiel trifft sich in den Räumen der Sektkellerei einmal im Monat der „Veteranen-
Club“, eine ebensofröhliche wie geselligeRunde ehemaligerMitarbeiter.
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Tradition will gut
gepflegt sein. Weshalb
man liebevoll zu
restaurieren pflegt.
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2006
Zum Jubiläum eine neue Cuvée:
Im Mai 2006 feiert
Rotkäppchen Sekt Rosé Trocken
Premiere!
Kloss & Foerster
Im Jahr 2006 entstehen in den Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien
Tag für Tag aus Tradition, Können und Kennerschaft Produkte, die den
Menschen genussvolle Stunden bereiten. Und zur Feier dieses
Jubiläumsjahres kommt dann auch wieder zusammen, was zusammen-
gehört: Am 21.12.2005 wurde der Vertrag zum Kauf der Marke Kloss &
Foerster unterschrieben! Heute gehört dieser Name wieder zu dem
Unternehmen, das zwei Brüder mit ihrem Freund vor 150 Jahren in
Freyburg, einem kleinen Städtchen an der Unstrut, gegründet haben.
103
ZUR FEIER DES JAHRES.
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EVOLUTION STATT REVOLUTION.Aber immer einen roten Kopf.
1906
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1997
2000
2006
ontinuität ist der Charakterzug, mit dem eine Marke das Zeug zum
Klassiker bekommt. Weshalb die Wurzeln der meisten großen Marken weit
in der Vergangenheit liegen. Wie auch hier: Die schon traditionell rote
Kappe der Freyburger Sekte wurde zum Namensgeber einer neuen Marke.
Woraufhin Rotkäppchen Sekt sich treu geblieben ist – über alle Zeitläufte
K hinweg, durch alle Fährnisse von Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Neben der
immer roten Kappe hat sich die Ausstattung mit der Zeit zwar stets verän-
dert. Aber immer nur so weit, dass eine zweckmäßig zeitgemäße
Aktualisierung die kontinuierliche Wiedererkennung garantierte.
Ein Zeichen der
Marke im Wandel
der Zeit:
Die geflügelte
Sektflasche.
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107
chon gegen Ende des 19. Jahrhunderts freut
man sich in der SektkellereiKloss & Foerster über den regenBesucherstrom aus aller HerrenLänder. Der Große Keller, dasRiesenfass im Domkeller, derLichthof ... und natürlich das pri-ckelnde Vergnügen einer abschlie-ßenden Verkostung dessen, wasman soeben im Herstellungspro-zess bestaunt hatte: „Von dieserErlaubnis machen denn auch all-jährlich zahlreiche Besucher-
gruppen Gebrauch, um vollaufbefriedigt in dem Bewusstsein vonhinnen zu gehen, dass das kleineFreyburg an der Unstrut sich einerFabrik rühmen kann, die inDeutschland seinesgleichen sucht!“
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eute besuchenJahr für Jahr
mehr als 100.000 Besucher ausaller Herren Bundesländer die lie-bevoll restaurierte Sektkellerei imSüden Sachsen-Anhalts. Sie liegtmitten im Saale-Unstrut-Gebiet,einem Landstrich mit rebstockbe-pflanzten Steillagen und sanftenHügeln, seit Jahrhunderten vomWeinbau geprägt. Vor Ort gönntman sich eine inspirierende
Führung durch die historischenKeller und Gebäude, Verkostunginklusive. Oder man genießt diehervorragende Akustik des Licht-hofes bei einem der beschwingtenEreignisse der musikalischen Artim Rahmen des Sektivals. Herzlichwillkommen in der „Jahn-, Wein-und Sektstadt Freyburg“!
Der wohl berühmteste Bürger der Stadt Freyburg ist Friedrich Ludwig Jahn(1778 – 1852), erster Vorturner der Nation und deshalb liebevoll „Turnvater Jahn“tituliert. Er hatte 1811 in der Berliner Hasenheide den ersten öffentlichenTurnplatz errichtet. Und in Freyburg die erste Turnhalle Deutschlands bauen las-sen, in der man heute noch sein Grabmal besichtigen kann. Sein ehemaligesWohnhaus in der Schloßstraße 11 ist heute das Jahn-Museum.
Frisch, frei, fröhlich, fromm!
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RZ_150JahreBuch_innen_05 27.04.2006 20:30 Uhr Seite 106
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Christina OelbermannGesellschafterin
Petra RollerGesellschafterin
Dr. Klaus J. KühnGeschäftsführer Finanz-ressort, Personal, IT
Hannelore JankowaDirektorinZentraleinkauf
Peter O. ClaußenMarketingdirektor
Jürgen KotschiDirektor Vertrieb undLogistik
Karl-Josef LauziDirektor Produktion
Jutta PolomskiGesellschafterinDirektorin Controlling und Finanzen
Ulrich WiegelGesellschafterDirektor Technik
Dr. Lutz LangeGesellschafterDirektor ZentralesQualitätsmanagement
Gunter HeiseMitglied des BeiratsGeschäftsführender GesellschafterSprecher der Geschäftsführung
Harald Eckes-ChantréMitglied des BeiratsGesellschafter
109
2006
Meine Damen und Herren: ZumJubiläum blicken die Gesellschaf-ter und die erweiterte Geschäfts-führung der Rotkäppchen-MummSektkellereien mit Stolz auf dasErreichte. Und freuen sich gemein-sam auf eine erfolgreiche Zukunftihres Unternehmens. Genauso, wievor 150 Jahren Moritz und Julius
Kloss, als sie mit ihrem FreundCarl Foerster ein Weingeschäftgründeten. Die heute handelndenPersonen haben DeutschlandsHaus aus Sekt gebaut, getragenvon mutigen Entscheidungen,inspiriert von unternehmerischerWeitsicht. Und sie entwickeln esweiter: in enger Zusammenarbeitzwischen Beirat und Gesellschaf-tern, zwischen den Geschäfts-führern und den Direktoren deserweiterten Führungskreises.
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111
Rotkäppchen klassische Flaschengärung Sekt b.A.
Sekt mit exklusivemCharakter.
Rotkäppchen SektFlaschengärung.
Sekt vollendeter Eleganz.
Mocca Perle.Die Spezialität.
Rotkäppchen SektTraditions-Sortiment.
Sekt feinster Komposition.
CU V É E S,D I E D E N GE S C H M A C K T R E F F E N.
Das Rotkäppchen Sekt-Sortiment 2006.
eine Qualitäten, hohe Qualität,unverwechselbarer Geschmack:
Die Cuvées der erfolgreichstendeutschen Sektmarke bereiten im-mer mehr Menschen immer wieder
ein ganz besonders prickelndesVergnügen. Unter der MarkeRotkäppchen freuen sich echteLiebhaber über die prickelndeQual der Wahl – von den sechs
F Varianten des Traditionssortimentsüber die Feinheiten des Flaschen-gärsortiments bis zur raren klassi-schen Flaschengärung.
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Die Standorte der Rotkäppchen-Mumm Sektkellereien GmbH 2006.
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