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Einführung in die LinguistikButt & Co.

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⇒Einführung in die Linguistik

Do. 12:15 - 13:45Fr. 12:15 - 13:45

Zur Erinnerung: Kerngebiete der Linguistik

Phonetik: Akustische Eigenschaften Phonologie: LautsystemeMorphologie: Elemente eines Wortes und

deren Kombinationen Syntax: Elemente eines Satzes und deren

Kombinationen Semantik: Sprachliche Bedeutung von

Wörtern und Sätzen Pragmatik: Bedeutung einer Äußerung im

situativen Kontext

Was ist ein Wort?

radfahrenIch will

fahrenIch will Räder

Ist Rad jetzt ein Wort oder nicht?

dein Rad fahrenIch will 5 Worte

3 Worte

4 Worte

Rad fahrenIch will???

Was ist ein Wort?Die Deutsche Rechtschreibung wurde gerade reformiert.

Man kann in §33-34 des Regelwerkes ganz viel zum Thema getrennt und zusammenschreiben nachlesen (nach lesen?)

Aber sagt uns Rechtschreibung wirklich ob etwas ein Wort ist?

Antwort: nur bedingt.

Was ist ein Wort?

Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen:

Also lernen wir etwas über Morphologie, dann kehren wir zum radfahren (oder auch staubsaugen) zurück.

Flexion, Lexeme, und Wörter

Hund Katze Katze Katzen

zwei Wörter

und

zwei verschiedene Lexeme

zwei Wörter

aber

ein Lexem

flektiertes Wort

Lexem Abstrakte Einheit, die mit einem außersprachlichen Konzept verbunden ist

(Tiefenstruktur)

Wort Reale Einheit, die als Bestandteil eines Satzes funktionieren kann.

(Oberflächenstruktur)

Wenn Wörter (Lexeme) in Isolation gebraucht werden (z.B. im Lexikon oder in der Linguistikvorlesung...), benutzt man die Nennform

diese ist willkürlich festgelegt:

Nomen Nominativ (sing)

Verben Infinitiv

Katze

gehen

Morphologie

Katze-n geh-en

Morphologie ist die Untersuchung der Bestandteile von Wörtern. (Gr. morphe ‘form’)

Flexion

Worte können generell flektiert werden.

Flexion wird durch Morpheme ausgedrückt.

MorphologieMorpheme sind die kleinsten sprachlichen Einheiten, die entweder eine Bedeutung oder eine grammatische Funktion haben

1. Person Plural

2. Person Plural

3. Person Plural

geh-e

geh-st

geh-t

geh-en

geh-t

geh-en

1. Person Singular

2. Person Singular3. Person Singular

-e, -st, -t, -en sind gebundene Morpheme

denn sie können nur mit anderen Morphemen zusammen verwendet werden

Freie Morpheme können allein verwendet werden: Haus, hoch, zu, ich, dann, weil

Regelmäßige FlexionEs wird zwischen regelmäßiger und unregelmäßiger Flexion unterschieden.

geh-e

geh-st

geh-t

geh-en

geh-t

geh-en

1. Person Plural

2. Person Plural

3. Person Plural

1. Person Singular

2. Person Singular3. Person Singular

bin

bist

ist

sind

seid

sind

gehen: regelmäßig sein: unregelmäßig

Erster AnalyseversuchMeine unfeinen Hunde haben dumm gelacht.

Mein-e un-fein-en Hund-e hab-en dumm ge-lach-t.

6 gebundene Morph.: -e, -un, -en, -en, -en, ge- -t6 freie Morpheme: Mein, fein, dumm, Hund, lach, hab

Was ist mit: ge- -t? (Zirkumfix!)

Erster AnalyseversuchMein-e un-fein-en Hund-e hab-en dumm ge-lach-t.

Was ist mit: hab-, lach-? Sie sind der Definition nach Morpheme, werden aber nur selten so bezeichnet.

Grammatisch und gebunden: Morphem

Lexikalisch (=semantisch inhaltsvoll): Lexem

Lexeme

Wurzel und StammZugrundeliegende Einheit: Wurzel

Einheit, die alleine stehen kann, die man aber auch noch weiter flektieren kann: Stamm

Im Deutschen sind Wurzel und Stamm oft identisch (im Gotischen war das noch nicht so): Katz-/Katz, hab-/hab, lach-/lach

Wurzel und StammArabisch

Wurzel ist ein abstraktes Muster: z.B. ktb كتب(steht für alles was mit lesen/schreiben zu tun hat)

Diese Wurzel taucht nie in der Oberflächenform der Sprache auf.

Wurzel und StammArabisch

Wurzel ist ein abstraktes Muster: z.B. ktb

Die gebildeten Stämme können ganz unterschiedlicher Art sein: z.B. Verb oder auch ein Nomen.

Es wird ein Stamm gebildet, in dem Vokale zwischen die Konsonanten geschoben werden.

Wurzel und StammArabisch

Wurzel: k t b

Stamm: k a t a b (Verb:‘schreiben’)

Flektiertes Wort: k a t a b a t (‘sie schrieb’)

(alles mit lesen/schreiben)

Wurzel und StammArabisch

Wurzel: k t b

Stamm: k i t a b (Nomen:‘Buch’)

(Kann man dann auch weiter flektieren — Hier nicht gezeigt...)

(alles mit lesen/schreiben)

genereller Aufbau eines Wortes:

Stamm Flexion

Wortform

Wurzel/Lexem (Ergänzung, z.B. Vokale)

legt die Stammform fest (z.B. Verb oder

Nomen)

Wort im Satz

verbunden mit einem inhaltlichen

Konzept

realisiert die grammatischen

Werte (z.B. Singular, Plural)

Was ist ein Wort?Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen:

Trennbar? Wenn etwas trennbar ist, ist es vermutlich ein Wort.

radfahren: Ich fahre heute Rad.brustschwimmen: Er schwimmt heute Brust.

Was ist ein Wort?Man kann versuchen, die Sache aus sprachwissenschaftlicher Sicht anzugehen:

Flexion? Wenn etwas flektiert werden kann, dann ist es sicher ein Wort.

radfahren: *Ich will räderfahren.

brustschwimmen: *Er will brüsteschwimmen.

Was ist ein Wort?Fazit: Diese Fälle sind schwierig einzuordnen: Rad und Brust sind zwar eigenständige Wörter, nehmen aber eine besondere (generische) Bedeutung an, wenn sie sich mit einem Verb verbinden (radfahren, staubsagen, danksagen).

D.h. sie formen in gewisser Weise ein neues Wort zusammen mit dem Verb.

Aber sie sind auch noch eigenständig und deshalb eiern die Rechtschreibreformer auch rum.

Was ist mit: ge- -t? (komisches Morphem?)

Der morphologische Zoo

Verschiedene Arten von Morphemen

Präfixe: un-, be- (z.B. belebt, bekannt) Suffixe: -t, -e, -en Zirkumfixe: ge- -t (z.B. gelacht)Infixe: (siehe Tagalog)

Affixe

Verbstamm

aral

sulat

basa

gradwet

Infinitiv

um-aral

s-um-ulat

b-um-asa

gr-um-adwet

Bedeutung

‘lehren’

‘schreiben’

‘lesen’

‘graduieren’

Infixe in TagalogInfixe zwängen sich in den Stamm eines Wortes rein.

Verbstamm

lehr

schreib

les

speis

Infinitiv

ge-lehr-t

ge-schrieb-en

ge-les-en

ge-speis-t

Bedeutung

‘lehren’

‘schreiben’

‘lesen’

‘speisen’

Zirkumfixe im DeutschenZirkumfixe verteilen sich um einen Stamm herum.

Zirkumfix: Das partizipbildende ge- kann nicht mit allen möglichen Suffixen auftreten, sondern nur mit -t oder -en. Wegen dieser Abhängigkeit nimmt man an, dass es ein Zirkumfix ist.

Ge- vs. Be- im Deutschen

be- ist nicht so wählerisch, deshalb wird es auch nicht als Teil eines Zirkumfixes analysiert.

be-leb-t Partizip: ge-leb-t

Präsens: ich be-leb-e

du be-leb-st

er be-leb-t

wir be-leb-en

ich ge-leb-e

du ge-leb-st

er ge-leb-t

wir ge-leb-en

*

*

*

*

Noch mehr: Morphophonologische Markierungen

Reduplikation: man trennt ein Teil des Stammes ab, kopiert es, und fügt es dazu.

Beispiel: einige lateinische Perfektformen

Reduplikation im Lateinischen

Verb (Infinitiv) Redup. 1.Sg.Perfectmord-e:re ‘beissen’ momordi: ‘ich habe gebissen’pend-e:re ‘hängen’ pependi: ‘ich habe gehangen’kad-ere ‘fallen’ kakidi: ‘ich bin gefallen’fall-ere ‘betrügen’ fafelli: ‘ich habe betrogen’tang-ere ‘berühren’ tatigi: ‘ich habe berührt’da-re ‘geben’ dadi: ‘ich habe gegeben’

Reduplikation: man nimmt Onset und Nucleus der ersten Silbe, kopiert sie, und fügt sie dazu.

Reduplikation im Lateinischen

Verb (Infinitiv) 1.Sg.Perfect mord-e:re ‘beissen’ momordi: ‘ich habe gebissen’pend-e:re ‘hängen’ pependi: ‘ich habe gehangen’kad-ere ‘fallen’ kekidi: ‘ich bin gefallen’fall-ere ‘betrügen’ fefelli: ‘ich habe betrogen’tang-ere ‘berühren’ tetigi: ‘ich habe berührt’da-re ‘geben’ dedi: ‘ich habe gegeben’

Noch zusätzlich: Phonologische Regel

a -> e

Noch mehr: Morphophonologische Markierungen

Umlaut (nicht mehr produktiv -kann man heutzutage mit neuen Wörtern nicht mehr machen) Verb Kausativ

futtern fütterntrinken tränkensinken senken(offen) öffnen

(Kausativ= etwas veranlassen von Lt. causare)

Kausativ: Umlaut vs. “ordentliches” Morphem

Verb Kausativfuttern fütterntrinken tränkensinken senken(offen) öffnen

(Kausativ= etwas veranlassen von Lt. causare)

Deutsch:

Verb KausativkHa: kHil-a:pi: pil-a:du:b du:b-a:kHul kHul-a:

Urdu (-a:):

Wo die Phonologie noch reinfunkt

Phonologie: Phonem/Allophon

Morphologie: Morphem/Allomorph

Z.B. Deutsch: [ç] (ich) vs. [x] (ach)

AllomorpheEnglisch:

inelegant, inaccessible, inalienable

imposssible, implausible

illegal, illiterate

inconceivable, incongruous[N]

in-, im-, il- bedeuten soviel wie ‘nicht’

3Morpheme oder nur 1?

labial

alveolar

velar

AllomorpheAnalyse:

/in/ ist das Morphem, [il], [im], [iN] sind Allomorphe dieses Morphems.

Nur 1 Morphem!

imposssible, implausible, illegal, illiterateinconceivable, incongruous

inelegant, inaccessible, inalienable

Phonologischer Prozess: Assimilation zum Artikulationsort des darauffolgenden Konsonanten.

Allomorphe

Noch ein Beispiel: Englische Pluralbildung

Phonologischer Prozess: Voicing Assimilation zum vorherigen Konsonanten

cats, rats, kicks, flips

beds, dogs, pubs

[s]

[z]

/z/ [s] ?/s/ [z]

Allomorphe: Englischer Plural

Phonologischer Prozess: Schwa einfügen nach einem Frikativ/Affrikativ (/s/, /z/, etc.)

busses, buzzes [´z]

Erste Hypothese: /s/ ist das zugrundeliegende Pluralmorphem im Englischen.

Funktioniert dann alles?

1. Schritt --- Pluralbildung: bus+s 2. Schritt --- Schwa einfügen: bus+´+s

Allomorphe: Englischer Plural

Wir versuchen es mal mit dem Plural von bus.

busses, buzzes [´z]

Aber: man sagt [bøs´z] nicht [bøs´s]!

3. Schritt --- Voicing Assimilation: passiert nichts

Allomorphe: Englischer Plural

Also:

/z/ [s]

Voicing Assimilation dann:

/s/ [z]

Nächste Hypothese: /z/ ist das zugrunde-liegende Pluralmorphem im Englischen.

/ C _

[-voice]

1. Schritt --- Pluralbildung: bus+z2. Schritt --- Schwa einfügen: bus+´+z3. Schritt --- Voicing Assimilation: passiert nichts

Allomorphe: Englischer Plural

Wir versuchen es wieder mit bus.

busses, buzzes [´z]

Resultat: [bøs´z]

Alles in Ordnung!

Beispielanalyse: Samoan

atamaki ‘er ist weise’

manao ‘er wünscht (sich)’matua ‘er ist alt’malosi ‘er ist stark’

laga ‘er webt’savali ‘er reist’

matutua ‘sie sind alt’

mananao ‘sie wünschen (sich)’

malolosi ‘sie sind stark’atamamaki ‘sie sind weise’

Wie sagt man?

‘sie reisen’

‘er singt’

‘sie weben’

pepese ‘sie singen’

savavali

pese

lalaga

Pluralbildung durch Reduplikation!

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